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ZEITSCHRIFT
FÜR
DEUTSCHES ALTERTUM
UND
DEUTSCHE LITTERATÜR
HERAUSGEGEBEN
EDWARD SCHROEDER und GUSTAV ROETHE
VIERÜNDVIERZIGSTER BAND
DEB NEUEN FOLGE ZWEIUNDDREISSIQSTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BOCHHANDLUNU
1900.
INHALT.
Seite
Mittelbocbdeatsche Stadien, von Zwierzina
1. Adv. gär mit langem stammvocal bei Gotfrid vStrafsburg
(vgl. s. 316) 1
2. Prät. az mit langem oder kurzem a bei mhd. epikern . . 12
3. gegen und wider mit dem genetiv des Personalpronomens im
Nibelungenlied 25
4. Das endungs-e nach m und n kurzer Stammsilben .... 4S
5. Die plusstrophen der vulgata des Nibelungenliedes ... 67
6. Die eigennamen in den reimen der Nibelungen 89
7. Das Präteritum von hdn und tuon 101
Blatlföllsel : Walther 9, 14, von Roethe (vgl. s. 196) . . 116
Ans dem historischen archiv der Stadt Köln, von Franck
I. Fragment von Hartmanns Gregor 117
II. Fragment von bruder Philipps Marienleben 117
III. Fragment des Vetcrbuchs 119
IV. Disticba Catonis 119
v. 'Vom andern land' 123
Allsäcbsische worterklärungen i, von Wadstein 131
Zur Kudrun, von vZingerle 137
Kasseler bruchstück des Renncvpart, von Schröder 146
Zum Reinaert, von dems 147
über die mhd. conjunction unde, von Kraus 149
Münchener reimpredigt, von Roethe (vgl. s. 430) 186
Zu Zs. 44, 116 (Walther 9, 14), von dems 196
Hadlaub und Manesse, von RMMeyer 197
Blattfüllsel (zu Konrads vWurzburg Schvpanritter) , von
Schröder 222
Zd Genesis und Heliand, von dems 223
Beiträge zur Kudrun, von Joseph und Schröder 232
Die coroposition der Trevrizent-scenen, von Nolte ....... 241
Wolfram Parz. 201, 12, von Roethe 248
Mittelhochdeatsche Studien, von Zwierzina
8. Die e-laute in den reimen der mhd. dichter 249
Nachtrag zu s. 9, von dems 316
Znm ersten bekanntwerden Otfrids, von Dönimler und Schröder . . 316
Zur Heliandheimat, von Wrede 320
IV INHALT
Seite
Ober die quelle von Wolframs Parzival, vod Singer 321
Weitere Verbesserungen zur allsächsischen Genesis, von Franck . . 342
Mittelhochdeutsche Studien, von Zwierzina
9. Mhd. et<,ege, age, ede, rohd. t<iige^ ibe 345
Die sage vom Schwanritter in der Brogner chronik von ca. 1211, von
Blöte 407
Quellen und alte parallelen zu Boners beispielen, von Schröder . . 420
Ein tafeldrnck des Munchener Paternosters, von Roethe 430
MITTELHOCHDEUTSCHE STÜDIEK
1. ADV. GAR
MIT LANGEM STAMMVOGAL BEI GOTFRID VON STRASSBURG.
Moriz Haupt hat zu Er.' 325 zuerst darauf hiogewiesen, dass
das adv. gartoe, hegarwe nebeo gar nicht allea dichtem und nicht
allen dichtem zu jeder zeit gleich geläufig war. Hartm. kennt
es im Bachl.y Er. und Greg.^, im aH. und Iw. enthält er sich
dieser form (s. auch meine Beobachtungen zum reimgebr. Hartm.s
und Wolfr.s, Abhandlungen zur germ. philol. 1898 s. 452 anm.),
Wirnt und Gotfr. reimen gartoe, Wolfr. bleibt die form fremd,
ich merke noch an, dass die zweisilbige adverbialform auch von
Konr. vWürzb. (s. bes. Wolff zur Halben bir v. 5), Konr, Fleck
(17S. 1971. 2747. 6022. 6825), dem dichter der gFrau (1610,
s. la., 2512. 2817), Hugo vLangenstein (Mart. 30,89. 55, 13.
70, S5 usf., 17 mal), JLonr. vStoffeln (Gaur. 2766) und noch vom
BQbeler (zb. Diocl. 5037), ferner in der Krone (120. 6495.
8211. 14341. 20136. 21132. 23178) und im Wigam. (zb. 1020),
* aoch Greg. 2373 ist, wie ich jetzt einsehe (anders Zs. 37, 395 and
209 anm. 2), Diu schcene garwe erblichen und nicht mit Paul Diu schasne
varwe erblichen zu lesen, also garwe im versinnern zu conjicieren, wo
es ja aoch im Er. von Haupt einige male erst hergestellt werden muste.
T. 2371 fif lauten hei Paul : Ir hiufeln was vor leide Diu rösenvarwe ent'
wichen. Diu schäme varwe erblichen : Sus vant er, si tötvar, ich kenne
sonst bei Hartm. kein beispiel einer so ungeschickten widerholung wie die
des rösenvarwe — schasne varwe — tötvar an unsrer stelle, ferner bieten
diese lesoog zwar die hss. ABEK (nur Ir für Diu K, Hehle für schasne E),
aber G weist doch mit seinem Und ouch vil gar erblichen und das mit
G nicht verwante I mi|^ Und gar und ganz verblichen deutlich genug nach
dem aoch sonst von den Schreibern, wo es der reim nicht schätzte, arg
▼erfolgten garwe, welches in parallelstellen, wie Greg. 367S Daz ir der
Itp vor leide Entwichen was begarwe An krefte und an varwe uä., tat-
»cblich erscheint dass aber A und die gruppe BCK unabhängig von ein-
ander mit dem gleichen fehler varwe för garwe bringen, kann nicht auf-
fallen, denn für äberliefertes garwe bot sich das varwe der vorangehnden
Zeile Dm so eher an, als in dem Diu schasne garwe ^schasne* leicht vom
copisteo als adj. verstanden und ^garwe* dann als ein Schreibfehler der
vorläge gefasst werden konnte.
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXU. 1
2 ZWIERZINA
uzw. ohne wahrnehmbaren zwang und ohne einschränkung, aber
immer neben häufigerem gar, im reim verwendet wird, einmal
nur steht ahegarwe im Bit. (8132). auch im Mor. vCraun findet
sich blofs ein garwe{\ßA9) neben vier adverbialen gar (529. 699.
1043. 1727), und vereinzelt bleiben die ganoe bei Stricker, dessen
heimat von der des dichters des Mor. vCraun kaum weit entfernt
gelegen haben wird : es steht blofs Karl 7793, Frauenehre D 443,
Hahn ni 111. xi 25, Ges. ab. 45, 185 und fehlt zb. im Dan. gänz-
lich, wahrend gar tiberall zu Strickers häufigsten reimworten ge-
bort i. — sowie nun aberWoIfr. es nicht kennt und Hartm. im
^ Wb. und Hwb. (Lexer) bringen anfserdem noch beispiele aus der Warn.
(442. 2125) und aus Ernst D (2030). in der Krone 4255 (s. Hwb. i 741),
wo garwe im innern des verses stehn soll, ligt ein unsinniger fehler der
hs. vor, dem Singer Zs. 38, 250 und Ehrismann Beitr. 20, 60 mit besserungs-
vorschlägen beizukommen trachten, im jTit, bei Hadamar und in der Titorel-
Strophe MSH. m 432^ kann garwe dem bedürfnis nach klingenden reimen, im
Reinfrit (und in der Martina) der nachahmung Konr.s ebenso leicht seine existenz
verdanken, als dem dialekt der Verfasser, dagegen kennen dieses garwe sehr
Tiele gedichte des 12jhs. und die meisten mitteldeutschen dichter (diewbb.
belegen Albr., Herb., Eracl., Pass., Elisab.; s. auch Germ. 7, 18), uzw. ist seine
Terwendung; bei den dichtern des 12 jhs., und bes. ^tn rheinischen, viel aos-
gedehnter, als die wbb. erkennen lassen, wo nur Credo 2430, gr. Rud. 13, 21,
WGen. und jJud. verzeichnet werden, aber es ist wichtig, dass zb. im
Credo das adv. lediglich garwe (im reim 303. 863, im innern 2585), al-,
begarwe (1463) und begerwe (2430) heifst, niemals gare, das als prad. adj.
3030 (denn nach gare hat vdLeyen den beistrich wol nur vergessen) auf
tcare reimt, auch im Alex, herscht garwe vor. es steht da im StraCsbarger
text 3560. 5304. 5955. 6139, also nur in der fortsetzung und nicht in der
Strafsb. bearbeitung des Vor. Alex., wie auch nicht im Vor. Alex, selbst,
weil aber auch dort kein gare als adv. vorkommt {gare als adj. Strafeb.
bearb. 1183 attributiv und Strafsb. fortsetz. 2245 prädicativ), so wird sich
hierin der dialekt des bearbeilers und fortsetzers von dem des dichters de»
Vor. Alex, kaum unterschieden haben. Str. Alex. 6515 lesen wir übrigens
ti gare im text, worin ich gare ebenso als adv. fasse als in Wendungen
wie diu massenü gar, die riiter gar und dem bes. in Strickers Daniel so
beliebten aüe gar {alle garwe Mor. vCraun 1649!) und dieses gar einem
geltche oder über alj mit denen es ja vicariiert (s. die riUer geUehe, ath
geltche, ti . . geliche, diu massente über al), gleich setze« im Roth, findet
sich kein garwe, sowol das adj. (präd. 665. 2637, attrib. 3410. 4084) als
das adv. (1355. 1661. 2738) heifst gare, im Rol. reimt nur 11,31 al^le]
garwe (119, 7. 204, 1. 203, 2 ist garwe und garwen flect. adj.), das adv.
gar ligt wol vor in alle gar 90, 17. n gar 137, 7. 248, 11, ferner 157, 17.
202, 14. sehr häufig ist das adj. : präd. 61, 13. 87, 26. 139, 4. 142, 19.
154, 11. 168, 12. 273, 25. 340, 10 (wol auch 188, 12) und attrib. 93, 15.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN ä
aH. und Iw. es meidet, so fehlt ganoe auch bei Ulr. vZalzikh.,
Rnd., Dir. fXflrh., m der Virginal, bei Reinbot, Servat. Zs. 5,
Kmir. vFossesbr., Konr. vHeimesf., in der Klage, Bit, Gudr. und
Ernst B, welche ich daraufbin untersucht habe, ferner, wie die
gedruckten reimwbb. lehren, bei Freid. und Walther^.
Für Wirnt verweist Haupt auf Wig. 224 und 899. es sind
dies in der tat die zwei einzigen belege in diesem, etwa 12000
viene begreifenden epos. da beide belege im ersten zwölftel des
gedicbts stehn, da wir in Hartm. einen dichter kennen, der die
in betracht kommende form in frühem perioden seines dichtens an-
wendet und in spätem meidet, so können wir wol auch Wirnt zu den
dichtem zählen, denen garwe nicht durchaus genehm war. wahr-
scheinlich steht aber das verschwinden der form bei Wirnt und bei
Hartm. unter verschiedenen Voraussetzungen. Hartm., der garwt
und heganoe in seinen altern werken ziemlich häufig gebraucht —
ich find es 14 mal im reim — , hatte diese form wol neben der
einsilbigen in seinem dialekt, sowie auch andre Alemannen : Gotfr.,
Konr. vWorzb., Fleck, der dichter der gFrau, Hugo vLangenstein
und er mied sie im aH. und Iw. blofs als dialektische, seinem
wissen nach nicht allgemein tlbliche doppelform zu gar. Wirnts
reiBBgebrauch aber wird, wollen wir aus ihm des dichters Sprach-
gebrauch abstrahieren, immer am besten an der spräche Wolfr.s
gemessen, der nicht nur neben Hartm. Wirnts Vorbild, sondern
auch unter allen dichtem der zeit Wirnts nächster nachbar war,
und der trotz mancher Schwankungen im grofsen und ganzen
doch söine spräche reimt, während der copist sich bemüht, wie
Hartm. oder wie Wolfr. zu reimen, da nun der spräche Wolfr.s
157, 23. 274y 8. 224, 29. — Heiar, vVeldeke kennt garwe, während aber
<fie wbb. aas den wenigen liedern den beleg MFr. 59, 19 bringen können,
steht es in der En., wie ich von Kraus höre, nur einmal : 9835. vielleicht
gebdrte es also zu jenen worteq, von deren dialektischer begrenzung Heinr.
knode hatte und die er im epos viel ängstlicher mied als in den liedern.
^ die Nib. kommen ihrer ausschliefslich stumpfen reime halber nicht
io betracht. auch im versionern oder der cäsur überliefern die hss. kein
garwe, — für Ulr. vTürh. hab ich aufser dem Trist auch alle gedruckten
bmcbstöcke und proben aus dem Rennew. (zusammen fast 7000 verse)
henagezogen. ebenso das kleine fragm. des Cliges (Zs. 32), das ich mit
gTöfflerer Sicherheit als Steinmeyer aao. dem Turheimer zusprechen wollte.
for Bad. must ich mich auf die vollständig gedruckten gedichte beschränken.
das gesagte gilt von allen teilen dieser Studien.
4 ZWIERZINA
die form garwe ganz unbekannt ist, so mein ich, dass auch die
beiden fälle der Verwendung von garwe ganz zu anfang des Wig.,
eines erstlingswerkes, nur der sclavischen nachahmung von Hartm.8
gebrauch zuzuschreiben sind und dass sie verschwinden, sobald
der dichter über die ärgsten Unfreiheiten hinausgewachsen war
oder bemerkt hatte, dass garwe^ die ihm fremde und nur auf die
autorität des musters hin eingeführte form, im Iw., dem am
höchsten geschätzten epos Hartm.s, auch dieses dichters gebrauch
nicht mehr war.
Für garwe bei Gotfr. bringt Haupt aao. nur einen beleg:
albegarvoe Trist. 7773. es gibt aber deren vier, die CKraus in
den Abhandlungen zur germ. phil. s. 167 verzeichnet : 1297.
7773. 8143. 9093. in der ganzen zweiten hälfte des gedichte,
10950 Versen, fehlt garwe. ob darin absieht des dichters zu er-
blicken oder es dem.zufall zuzuschreiben hier das wahrschein-
lichiere sei, lass ich dahingestellt, wichtiger ist, was Kraus aao.
hervorhebt, dass sowie der spräche Wolfr.s das adj. gar und das
adv. garwe, so der spräche Gotfr.s das adv. gar fehlt, während
sich bei ihm das adj. gar (prädicativ im reim auf dar 5956.
12639 und schar 8737) und das adv. garwe belegen lassen,
während nämlich Hartm. einige 70 male, Wolfr. 124 mal das adv.
gar in den reim setzen, wird dasselbe bei Gotfr. nur einmal,
uzw. Trist 854 (also, wie ich nun ganz besonders betonen
möchte, ganz zu anfang des langen gedichts) mit dar im reim
gebunden, das ist sicher ein litterarischer reim gleich dem von:
ungewon, das der Trist, v. 949, also ebenfalls zu anfang des
Werkes, überliefert, obwol der dichter sonst die ihm wol allein
geläufige form des präpositionaladverbs : van — noch heute wird
im Münstertal fa gesprochen, sonst aber o für mhd. o, s. WHankel
Sirafsb. stud. (1883) 2, 117 — , uzw. 47 mal in den reim seUt^
^ die form van, und das ist wol für die beurteilung des Sachverhalts
nicht gleichgiltig, wird übrigens im verlauf des gedichts als reimwort immer
häufiger, v. 1—4000 steht es 5 mal im reim, v. 4—8000 : 8 mal, v. 8—12000 :
12 mal, V. 12—16000 : 9mal, v. 16000 bis scbluss : 12 mal. die bindang mit
TrUtan prävaliert keineswegs, weder in der ersten hälfte des gedkhts
(18 van, darunter 3 mal im reim zu Tristan), noch in der zweiten (29 von,
5 mal van : TrUtan), wir sehen, Gotfr. wird also immer zuversichtlicher io
der anwendung dieser leicht reim baren form seines dialekts, obwol er wissen
muste, dass Hartm. und die andern nicht so reimen, die bindung von : ge-
won, resp. ungewon finden wir aufser 949 nur noch 2 mal im Trist : 11655
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 5
aber die paarong von : wol gewon uod ungewon war durch den
gebrauch Hartm.s (s. Kraus aao. 161) die classische geworden^
und Gotfr. folgt hier zu beginn der arbeil, seiner eigenen, ab->
weichenden form noch nicht ganz sicher, den spuren seines be-
rQhmten und gepriesenen Vorgängers.
und 13630, an welch letzlerer stelle der dichter mit von und van spielt.
Gotfr. reimt zwar gewis der haoptsache nach seine eigene spräche, mit der
durch die rucksicht auf die allgemeine dichtersprache bedingten enthaltsani-
keit natürlich; er schreckt aber vor der anwendung litterarischer reime
und dem gebrauch litterarischer formen dort, wo sie ihm für seine stilab-
sichten tauglich, bequem oder nötig erscheinen, durchaus nicht zurück, bei
ihm können wir selten von einem ^niemals' sprechen, sondern zumeist nur
von einem 'fast niemals', vide gar und von, man darf nicht sagen, dass
die bindung von : gewon viel schwerer sei als die von van : man, an, dan
usw., sodass sich das Verhältnis 3 von : 47 van daraus allein zur genüge
erkläre, Gotfr. also möglicherweise von genau so geläufig gewesen sei als
van, und dass er jenes bloGs seltner habe passend binden können als dieses,
denn dichter, die von : gewon überhaupt reimen, vor allem also alle, die
wie Gotfr. im bannkreis Hartm.s stehn, haben diese bindun'g stets als be-
quem und leicht erachtet und sie jeden augenblick herangezogen. Hartm.
selbst zeigt sie : Er. 5606; Greg. 259. 621. 1291. 2273. 3385; Iw. 169. 2641.
3031. 57S9. 6311. 7797, also im ganzen 12mal. im £r. freilich hat er noch
nicht viel geschmack an dem reim gefunden, der ja auch den gedichten des
12 jhs. nicht ganz fremd ist, aber seit dem Greg, wird der reim ein lieb-
lingsreim Hartm.s und ist in seiner häufigkeit charakteristisch auch für seine
nachahmer. Wolfr. sagt nur von^ aber er reimt es zu wone, subst. (Wh.
2S4, 27. 2S7,29), nie zu gewon, dieses war seiner spräche wol ebenso
fremd als andre gleich gebildete adj., etwa gehaz, gerüm, gezan, geherze,
gevriunt, die bei Hartm. im Iw. meist häufiger und kühner sind als im Er.
und in denen (die gewöhnliche entwicklung!) dann Gotfr. schwelgt, um so
näher hätte Gotfr. der reim von : gewon gelegen. — die form van für von
erscheint bei hochd. dichtem der guten zeit aufser Gotfr. nur bei Fleck
Flore 239 ganz vereinzelt neben regelmäfsigem von, -sicher ein litterarischer,
aus Gotfr. geholter reim, zu Gotfr. stellen sich mit van nur spätere Ale-
mannen (zt. auch Elsässer), so Peter Stauffenb., Kunz Kistener, Büheler,
Walth. vRheinau. über van bei spätem Österreichern (Konr. vHaslau,
Helbl., Ottokar, Gundak. vJudenb., Teichner) s. Hwb. iii 456 und* Weinhold
Bair. gramm. § 5. das vereinzelte beispiel für van aus der Krone : v. 16347,
das Weinhold und Lexer beibringen, ist zu streichen, dd van : $6 getdn ist
sicher mit Singer Zs. 38, 262 in dd von : s6 gedon zu bessern, die la. der
hs. ist unsinn. Heinr. vTürl. kennt also noch kein van. der Hesse Herbort,
der in seinen reimen aufs oberd. vielfach rucksicht nimmt, wagt sein van
auch erst 17475, ganz gegen schluss, zu reimen, von reimt er nie, obwol
er nicht nur gewon und eine grofse anzahl von namen in -on kennt, son-
dern auch son für hd. sun spricht und reimt.
6 ZWIERZINA
Das ioteressaD teste momeat aber in Gotfr.s eioschlUgigem
reimgebrauch ist Kraus, ich weifs nicht durch welchen zofall
oder unüall^ entgangen. Gotfr. kennt zwar bis auf die eine ge-
nannte ausnähme kein kuresilbiges ad?« ^ neben garwt^ wol
aber ein laogsilbiges gär, dieses reimt nicht weniger als 6 mal
auf langes -dr : 795 (; gehdr, subsL), 4001 (; hdr), 6265 (; lodr),
10134 {: gebär, subst.), 18709 {:jdr\ 19283 {iwdr). es ist häu-
figer als ganoe und verteilt sich gleichmäfsig aber Gotfr.s ganzes
werk, war also wol des dichters eigentliche sprachform, der sich
hierin genau so wie durch seine reimform van statt von der
übrigen (s. die voranstehende anm.) von allen andern hochd.
dichtem der blatezeit unterscheidet, als adv. ist also in einer
kritischen ausgäbe des TrisL langes gär ausnahmslos anzusetzen,
auch an den stellen, wo es (wie etwa 18087) im versinnern er-
scheint.
Die Sache ist ja ziemlich merkwürdig, das adj. reimt stets
mit kürze (s. oben s. 4), lautete also gar^ resp. gar^, das adv.
aber lautete entweder zweisilbig gärwe oder eiosilbig, uzw. da
apokope auch hinter r bei Gotfr. nach länge natürlich nie statt
hat, streng einsilbig gär, aber an der tatsache ist nicht zu
zweifeln und an eine bindung von a : d ist nicht zu denken.
Gotfr. kennt als Elsässer, dessen ausspräche des langen d sich
wol schon damals zu 6 hin färbte, sowie übrigens die meisten
Alemannen der guten zeit, sowie Hartm. (über iA hän s. Kraus
aao. s. 156), Ulr. vZaUikh., Fleck, Ulr. vTürh., Rud., gFrau,
Wetzel (gleichfalls ich hän 674); im gegensatz zu den Baiern
und Ostfranken, die a : d binden^ sowie Wolfr., Wirnt, Freid., Konr.
vFussesbr., Heinr. und Ulr. vTürheim^ Ulr. vLichtensL, die Nib.,
Gudr., Bit. usw.i^ — Gotfr. also kennt keinen einzigen reim von
lang auf kurz a, weder vor r noch vor einem andern conso-
nanten, ja er reimt auch alle andern vocale nur mit identischer
quantitat. er kann also unmöglich nur gär und gerade gär bis
auf die :eine ausnähme zu anfang des gedichts nie anders als
unrein auf -dr gereimt haben, ohne jemals bar adj. (reimt 4007.
15667 uö.), bar prät. (9763. 17637. 19417), hartischar (13177),
mr snbst. (11651), var, gevar, ervar verb (1529. 3180. 3421.
4443. 5039. 5119. 5795. 7472. 8181. 10445. 11309. 12762.
13844. 14209. 14426. 14827. 14900), var, gevar und comp.,
^ 8. den excurs anten s. 9.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 7
adj. (4007. 4679. 4845. 6591. 7551. 9349. 9995. 10367. 11695.
11909. 12749. 15205), (etoor verb (8879. 14210. 14499), eteswar
(12761) und vor allem dar und (wart) gewar und {nam) war ood
scftcr, Worte allerhaufigsten vorkommeDS, für die ich mir wol belege
sparen darf, die zusammen vielleicbt 200 mal im reim steho, auf
'dr zo reimen und ohne jemals auch, von den reimen mit gar
abgesehen, jär ddr gAdr här war anders als untereinander zu
binden, dabei möge man auch noch in belracbt ziehn, erstens
dass es der reimmOglichkeiten auf lang -dr um sehr viel weniger
gibt als solcher auf kurz -ar, sich also für ein kurzes gar^ auch
wenn Gotfr.s reime in bezug auf die quantität der vocale ganz
uDempfindlich wären, doch noch immer eher die bindung zu -är
als zu -är hUlte einstellen müssen, und zweitens dass wir bei
Gotfr., der, ich widerhole, niemals und nirgend länge mit kürze
bindet, nicht den geringsten widerstand gegen den reim gär^ adv.:
'dr bemerken : gär ist unter den reimworten seines iypus, ge-
bär dar hdr jär war, mit ausnähme des letztgenannten sogar das
häufigste.
Wie dieses phänomen, dass Gotfr. ganz consequent das adj.
gar und das adv. gär unterscheidet, zu erklären ist, weifs ich
DkhL gär ist streng einsilbig, das e, altes o resp. to, oder auch,
weDA wir von garwe ausgehn, die silbe -we hinter dem r wurde
also ohne lantlichen rdckstaud apokopiert. trat dafür ersatzdeh-
nuog ein und ist für gär eine erklärung in der art zu suchen,
wie Wrede Zs. 39, 257 ff die bair. gunierung mit der bair. apo-
kope UEul Synkope der endsilben vocale in Verbindung bringt?
Sehen wir uns nach analogien um, so find ich weder ein
vär für varwe noch ein swäl für swalwi udglm. var^ subsL
(neben varwe) reimt zwar Er. 9882, aber es reimt kurz, ebenso
reimt swal bei Morungen HFr. 127, 36 auf kürze, und beim Winsb.
27, 7 finden wir es zwar im reim mit stäl, sunder twäl und mal;
61 , 2 reimt aber auch spitäl : über al und val, freilich steht
eine derartige lautveränderuug bei dem selten den satzton tra-
genden adv. unter andern bedingungen als beim nomen. bem.
auch gar, prädicatives ad}., neben gär, adv. I
Dagegen ist es immerhin bemerkenswert, dass im Reinh.,
sowol im fragm. des Originals als in der bearbeitung, gar im
reim fehlt, die hd. bearbeitung ist ja gewis nicht notwendig el-
sässisch, wenn sie auch nicht wegen der sän, wie vBahder
8 ZWIERZINA
Beitr. 16, 51 auf die autorität Pfeiffers (Germ.. 6, 242 — Freie
forsch. 107) hin vermutet, gerade bairisch sein muss^. aber
wenn wir in der bearbeitung kein gar finden, so ist das im
verein mit der gleichen erscheinung im fragm. doch immerhin
ein anzeichen, dass im original auch dort, wo uns das fragm. im
stich Iflsst, kein gar reimte, dieses fehlen von reimen : gar weist
darauf hin, dass garwt die alleinherschende form war, denn es
stehn wol für gar eine grofse anzahl leicht verwendbarer reim-
Worte zur Verfügung, garwe aber kann nur dort reimen, wo es
mit varwe gebunden zu werden vermag, und im innern finden
wir im fragm. tatsächlich garwe (bei Reifsenberger s. 60, la. zu
V. 815 der bearbeitung) überliefert, die bearbeitung schreibt hier
gar für garwe^ hat also vielleicht auch an andern stellen^ wo die
controle uns nicht möglich ist, garwe in gar gebessert. — aber
deshalb fehlt doch für ein adverbiales gär auch hier jeder an-
haltspunct«
Bei den spätem elsässischen dichtem des mittelalters find
ich ebenfalls keine spur dieses gär. bei Konr. vDangkrotzheim
reimt gar überhaupt nicht, in der elsäss. fortsetzung des Pars.
reimt gar ungemein häufig, meist auf kürze, hie und da aiidi
auf länge; aber auch dar^ wart gewar usf. reimen hier auf '^^
gewis litterarische reime, da wir mit Sicherheit etiipehineii kOnneii
dass die fortsetzer j6r hör war usf. sprachen uud nicht jär
wär^ s. Haendke Die mundartlichen elemeote der elsäss. urktindei
Strafsburg 1894, s. 7. beweisend für gär wäre ein reim
oder auch -or; einen solchen hab ich nicht bemerkt, jf
nur Stichproben vorgenommen, meister Ältswert und sein
^ denn die ^beobachtung' Pfeiffers, dass Man sich blofa bei md^
und mit Vorliebe' und nar * zuweilen' bei Baieni^ ^kaurn jem»l«^
Alemannen fände, ist eine beobachtung nach gefübl und enmictimf
Dir, vZatzikh. ist sän die herschende form dieser par UkeL in rrimjilj
dh. in Stellung in pausa (s. Beobachtungen 9, 442 ^ tä und Icfd
Lanz. 1734. 2018. 6485. 6874. 7577. 7911), mr finden idn : ^eiift
Lanz. 2427. 3055. 5257. 5811, sä reimt nur einmal, 798@, uxw.
eigennamen. auch der Türheimer kennt sän achoo im Trist, r '^
neben sä (528, 3. 545, 8. 546, 26. 581, 1. 5S3, 4) und iesä {j
im Rennew., wie es scheint, sän allein hersctit (&, zb. Zs. 34^ U ^^^^
oder Germ. 16, 2, 47) und sä in den von mir eingesehenen psHl^n i
8. 3 anm.) fehlt, dies ist kaum einfluss WoJFr.s, der doch im
durchaus meidet, eher sind die sä und iefä in Ulr, Trist, Jtnf I
dessen häufigsten reimworten sie gehören, xu rücken fuhren.
/
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 9
der Peter Stauffenberg^ Kuoz, Kistener und der ßüheler keDoen
gewis nur kurzes gar. einige von diesen auch garwe.
Ich glaubte einige zeit durch das Wb. der elsäss. mdaa. von
Martin und Lienhart einen schritt weiter gekommen zu sein.
s. 228 erfahren wir nämlich dort, dass im Zorntal und im Kochers-
berg das mhd. ad?, gar (das adj. ist, wie mir Martin gütigst mit-
teilte, kaum mehr zu belegen) heute Ärdr lautet, sonst kdr. 6 ist
sonst im ekdssischen blofs die entsprechung für mhd. langes d
(s. h&r jdr w6r kf6r)^ während mhd. ä vor einfacher consonanz
durch elsäss. ä repräsentiert wird (also t fdr), aber ich sehe,
dass Kochersberg und Zorntal in dieser beziehung innerhalb der
elsäss. mdaa. ihren eigenen weggehn : Martin-Lienhart geben s.l26
s. ▼. fahren an '•fdrd allgem. bis auf K(ochersberg) , wo fdrd^
so auch Weyrsh(eim^ kreis Strafsburg)' und durch Lienhart Die mda.
des mittlem Zorntals lexicalisch dargestellt, Jahrb. f. gesch.^ spr.
u. litt. Elsass-Lothringens 1886 — 88 weifs ich, dass man im Zorn-
tal föt9 'faden' (ii 122), khdri 'karg' (ii 136), zön 'zahn' (iv 42)
usf. usf. sagt, während diese werte im Münstertal (s. WMankel
Strafsb. stud. 2, 119) stets mit d gesprochen werden.
Nur eins mOcht ich noch zum schluss erwähnen, der ein-
zige reim ?on a : d bei Reimar, ich sage hier absichtlich von
Hagenau, ist der von gar (elsäss. gdrl) : hdr MFr. 161, 3, da
die Strophe 189, 5fr (Un : an 189,9) als unecht erkannt ist. frei-
lich reimt Reimar ^ar auch kurz: 157,19. 179,7. 181,33. 190, 4 ^
* kein gewicht leg ich auf die bindong offenbar : gar Parton. 8398,
wenn anch an offenbar als composition mit bar 'nudus* kaum (mit Schmeller
Qod WGrimm) zu denken ist und Konr. offenbar oft genug in den reim
setzt. at>er Partoo. 14665 ist wunnebar : dar überliefert, und Hugo vLangenst.,
der die qoantitaten noch ziemlich genau scheidet, gebraucht offenbar und
tunderbar (sowie das fremde clar) als anceps. — auch Konr. kennt übrigens
sonst keine einzige bindung von a : d. statt dn aller mnden ahte : brdhte
gScbm. 1285 ist natürlich dn aller Hlnden dhte zu lesen, sowie es steht:
Partoo. 18695. Troj. 24039. 25643. 34995. Joboal, Lateran, Annan usw.
(SÜT. 3989. 4083; 2004; 2751) können nach dem unten s. 10 gesagten
ebenso gut kurz als lang gereimt werden, merkwürdig bleibt hdt : rösenblat
Part. 20729, wo Bartsch eine unmögliche besserung in den text setzt kannte
Konr. neben er hdt ein er hat, sowie Hartm. ein ich hän und du hast
(s. Kraus aao. s. 156 und Iw. 2667), die Martina ein hän (auch inf.) und hat,
der Bnheler ein hat neben hdn und hdff Konr. könnte sein hat auch aus
Franken haben, s. zb. über hän und hat beim König vom Odenwald vBahder
Germ. 23, 196.
10 ZWIERZINA
Exe URS. Ulr. vZatzikh. und Fleck haben beide nur einmal,
uzw. beide ganz zu anfang ihres Werkes -an : -an gereimt : Lanz. 387
man : wol getan, Flore 5 1 9 nieman : verstdn, der Flore zeigt bes.
häufig zu anfang ihm fremde oder später vom dichter gemiedene sprach-
formen im reim, so findet sich 382. 427 mohle im reim, die 'fitte-
rarisdte' form; von da an stets, uzw. 17 mal, mahle und conj. mähte
(s. Sommer zu Flore 382). auch das gotfrLedsche van, von dem
schon die rede war, reimt im Flore einmal und nur einmal, uzw.
V. 239, später (zb. 791. 1068. 3428. 5636. 5888) heifst es steU«
nur von (s. Sommer zu Flore 239). für den Lanz. darf der reim
mäc : Lac 5577 nicht als unrein in anspruch genommen werden,
ähnlich wie bei Wolfr. zeigen auch bei Ulr. die fremden namen im
reim sehr oft wechselnde quantität. dass Lac so häufig auf -ac und
nur dies eine mal auf -de reimt, kann nicht in anschlag kommen« da
der reim gel egenheiten auf -ac sehr viel sind, vgl. lac phlac tac mac
usf., für den reimtypus -de aber der Wortschatz des Lanz. nur dieses
eine, noch dazu recht unbequeme mdc zur Verfügung stellt, aus
gleichem grund auch ist im Lanz. Artus : sus 6725 kein unreiner
reim und wol auch keine entlehnung aus Eilhart (s. Singer Abhand-
lungen zur germ. philol. s. 435), sondern es wecliselt Artus und
Artus, welch letzteres nur des bequemeren, in fester lilterarischer
formel überlieferten reims zu hus (s. Singer aao.) halber viel häufiger
ist als jenes, genau so wie Lanz. 8155 Giolen : boten, subst, neben
Lanz. 8221. 8237 Giöl : bot, prät., und Iblis : gewis (5783. 8687
uö.) neben Iblts : xe der u>is (8517 uö.) steht udgim. auch Wolfr.
steht, wie schon gesagt, auf diesem standpunct. so reimt auch er
Artus : hüs und daneben Artus : sus Parz. 320, 21. 610, 13, worin
also Singer s. 435 anm. 4 zu berichtigen ist, ferner Satumus : sus
Parz. 492, 25, aber Satumüs : hüs 489, 23 und Liddamus : sus
Paz. 416, 19. 418, 27. 425, 15 uö., aber Liddamus : hüs 417. 1
und wol auch : Artus 421, 13. dabei steht die quantität des u stets
fest, da Wolfr. bekanntlich aus naheliegenden gründen i und u nicht,
sowie a, e und o, mit ungleicher quantität bindet (s. JWimmer S. J.
iahresber. des privatgymn. zu Kalksburg 1894/5). walirschemlich
meinte Wolf^. auch den namen seines beiden zuerst mit kürze, Par^
zival, dann erst entschied er sich für die länge der letzten sUbe, s.
Beobachtungen s. 469 aum. die beispiele liefsen sich für diesen dichter
häufen, aber selbst Hartm. steht im Er. für einzelne namen noch auf
diesem standpunct (Keiin neben Keitn, Imain neben Imain), davon
noch später, in Ulr.s Trist, heifst der held bald Tristan, so 499; 10.
502. 15 usf., bald Tristdn 502, 3. 503, 25 usf. Mafsmann schreibt,
weil Gotfr. nur diese eine form kennt, stets Tristan und erliält da-
durch eine ganze reihe von reimen -an : -dn, bei denen aber immer
nur Tristan das eine reimwort wäre, diese doppelheit -an und -dn
setzt sich auch in den flecl. casusformen fort : acc. Tristanen 501, 6
(Gotfr. sagt nur Trislanden), dat. Tristdne (neben Gotfr.s Tristande,
nur Gotfr. Trist. 18333 Tristane : ich mane) 505, 19. 517, 31.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN U
536, 31 usf. ebenso LUän (Trist. 549, 30 aö.) neben Litan, und
JckdH im Rennew. — ob Singer aao. s. 410f recht hat, ein allge-
mon mhd. paradigma : Adam Adämes Adäme Adamen aofzusteUen,
boweffle ich sehr, diese dinge lassen sidi für das gaoze Sprachgebiet
nidtt einheitlich entscheiden, sondern es muss der gebrauch jedes ein-
zdmem. dichters untersucht werden, man muss zb. wissen, ob ein
dkiiter den reim a : d zulässt oder nicht und auch , ob er gleichen
Aame» hie mid da verschiedene reimform gibt oder für einen und den-
selben namen immer auch nur eine und dieselbe form gestattet.
gegeosatze waren hier Hartm. und Wolfr. Hartm. reimt niemals a : d
und er gebraucht, im Iw. wenigstens, bei namen keine doppeiformen
mehr, ein "^Adam : nam wäre also bei ihm für kürze des vocals direet
beweisend und anderseits würde Addm bewiesen sein, wenn er diesen
namen öfter als Greg. 27' anlass hätte zu gebrauchen, ihn aber immer
nur in flectierter form zu nämen, Mmen udgl. reimte, in unflectierter
form aber im reim miede, denn auf -dm fehlt es an bequemen reimen,
umgekehrt beweist die bindung Adam : nam (Parz. 464, 15. 518, 1;
s. Singer aao. s. 410) gar nichts für kürze der reimsübe, denn erstens
reimt Wolfr. auch krdm und rdm zu nam (Parz. 663, 15; Wh.
248, 7. 279, 21) und zweitens gebraucht Wolfr. die geschlossenen
endsilben fremder namen oft lang und kurz im Wechsel, und ebenso-
wenig zb. beweist auch Adam : nam in Konrads Silv. (3509. 3729)
irgend etwas für ausschliefsliche kürze der unfleclierten form, denn
ILonr. reimt zwar nie a : d, aber er wechselt gerade im Silv. zuweilen
die qnaotität der reimsttben der namen (s, zb. Zeleon : gewon 2765,
Zeiedn : vrdn 4299). ich möchte noch einmal auf die mögtichkeit
hinweisen , aus dem fehlen der reimbelege des unfleclierten namens
neben relativer häufigkeit der flectierlen form die quantitäl Addm zu
erschliefsen, wie ich es oben für Hartm. unter nicht gegebenen Voraus-
setzungen postuliert habe, die Voraussetzungen scheinen gegeben in
der Hartina. hier reimt nach Singer : Addmes 117, 77. 200, 81,
Adäme 214, 27, Addmen 220, 6. 266, 71; der nominativ aber —
also, so schliefse ich, Addm — wird von Singer nicht belegt, für
Rudolf (Adamen Bari. 84, 39) brächte wol die Wellchron. gewis-
lieiL — zum Schlüsse dieses etwas lang geratenen excurses möcht ich
nodi darauf hinweisen , dass viel eher ah a : d von rein reimenden
Alemannen i : I vor n und vor allem, o : 6 vor rt zugelassen wird :
Am : $ckin gGerh. 4931, tn : Aeuerln (I sichert) 161 und hörten:
Worten Bari. 253, 17 sind in den gedruckten gedichten Rudolfs die
einzigen ungenauen reime, dieses selbe worlen : h^len steht auch im
Lanz. 5759, in der Marl. 141, 99. 153, 31 uö. und porte : hörte Mart.
139, 19 uö., Ulr. Trist. 565, 29, wort: gehört im Rennew. Zs. 38, 63
(daneben bei Ulr. nur noch wert, adj. ; verkSrt Trist. 562, 35 und värten,
dL prät. von värwen : lirlen Rennew. PfeilTers üb. 47, 513). dagegen
finde ich in 'cum' : in adv. (hei Konr. lautet das adv. sonst stets mit
länge) Parton. 17619 und in *eum' : din (1. disen sint der künste
sin'i) Panlal. 1653 als die einzigen vocalisch ungenauen reime Konr.s
12 ZWIERZINA
vWürzb., und magedtn : hin als den einzigen derartigen reim bei
Wetzel (835), da in hdn : kan 385, .muu^an^ 674 für Welzel wol
kurzes han anzusetzen sein wird, sowie für Hartm. (s. oben u. Kraus
aao.)* diese spärlichen t : I und o :ö in den bestimmten Stellungen
neben dem vollkommenen mangel der a : ä sind für den alem. dichter
älterer zeit charakteristisch, dagegen scheiden auch die sonst rein
reimenden Baiern (Nib., Gudr. und die übrigen österr. volksepen, Konr.
vFussesbr., Servatius Zs. 5, Ernst B, Heinr. vTürl., MHelmbr., Neidh«
usf.) und ein teil der Franken (Wirnt, Freidank, später Ulr. vEschenb.,
Ernst D, aber auch Wolfr., Alberts Ulrich, Ortn. und WoKd. A stell
ich hierher) die quantitäten bestimmter lautgruppen nicht (bes. bei a
vor n, ch, hl und e vor r), während die meisten Rhein- und Süd-
franken die quantitäten wider fast genau so gut auseinanderhalten wie
die Alemannen (zb. Stricker, der hierher gehört, Otte, MHimmelf. Zs.5,
Erlös., Elisab. und zt. auch Herbort), aus Baiem (resp. Ostfranken,
dh. der Oberpfalz) kenn ich nur 6inen dichter, der die quantitäten
genau scheidet, das ist Reinbot.
2. PRÄT. ^Z MIT LANGEM ODER KURZEM A BEI MHD. EPIKERN.
In der ansetzung der quantität des prät. sing, von ezzen
und vrezzen steht die heutige grammatik und die übung der
herausgeber mhd. texte, auch der neuesten, auf verschiedenem
standpunct. die grammatik setzt die betreffende form ganz all-
gemein als dz an, so heifst es zb. bei Paul Mhd. gramm.^ § 162
anm. 3 schlankweg : *zu izzen, vrezzen lautet der sing, des prät.
dz^ vrdz*; in unsern mhd. texten aber lesen wir stets az und
wo dieses auf länge reimt, statuieren die editoren sogar oft einen
unreinen reim von a : d. beides ist gleich falsch, neben der
historisch richtigen form mit langem d hat sich schon früh durch
anlehnung an vergaz, maz, saz usw. mit einer analogie, deren
ausbleiben uns ja eigentlich nur wundern müste, eine form mit
kurzem a herausgebildet, die nun bei einzelnen mhd. dichtem
die herschende wird, während andre dichter nur die alte form
mit länge des d im sing, zulassen, es wird vielleicht nicht un-
erwünscht sein, wenn ich im folgenden festzustellen versuche,
welcher von den hüf. epikern diesen, welcher jenen gebrauch
aufweist, bei vielen, wenn auch nicht bei allen, lässt sich da
eine sichre entscheidung fällen, wobei es natürlich unerlässliche
Vorbedingung der Untersuchung ist, dass man wisse, ob oder
unter welchen bedingungen der jeweilig in frage stehnde autor
reime von sicherem a zu d zulässt.
Bevor ich zur behandlung der einzelnen mhd. epiker über-
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 13
geh, seien noch einige worte über die im ahd. geltende form
unseres prät gestattet, auch im ahd. galt m. e. nämlich schon
Dicht mehr dz allein und allgemein, sondern jedes denkmal müste
hier gesondert untersucht werden. Braunes ausdrucksweise Ahd.
gramm.* § 343 anm. 5 : ^izzan (essen) und sein compos. frizzan
haben im sing. prät. nicht a, sondern d : dz, frdz^ wie die cir-
cumflexe bei N beweisen (auch T56, 3. 68,3 dz; Denkm. 91, 83
ds)' scheint mir ?iel zu kategorisch, für Tatian und vor allem
for Notker mag ja die länge feslstehn, ebenso fest steht die kürze
bei Otfrid. bei Otfr. bringt nämlich die beobachtung seines reim-
gebrauchs in der frage nach kürze oder länge des gereimten
wertes, soweit stumpf reimende Stammsilben in betracht kommen,
so ziemlich volle Sicherheit, es ist unrichtig, wenn noch Kögel
Litteraturgesch. i 2, 26 im anschluss an Zarncke trotz Wilmanns
Zs. 16, 124 meint, dass bei gleichheit der vocale in Otfr.s reimen
die quantität keine rolle spielt. Otfr.s reime beachten die quantität
fast ebenso genau, wie die reime irgend eines dichters der mhd.
blQtezeit; nur müssen wir in betracht ziehen, dass die flexions- und
ableitungssilben, ob sie nun nach alter kürze oder nach alter länge
weisen, stets anceps sind, auch endsilbenvocale, die so sicher kurz
sind wie die von ^an^ inf. st. verba oder part. prät., oder die von
-ar in suiUaft umntar, hungar usf. können in Otfr.s reim sowol lang
als kurz und umgekehrt auch etwa das -of der flexion der schw.
verba der (J-classe sowol kurz als lang, ohne jegliche einschrän-
kung, gebraucht werden, ob sie nun wider mit endsilben ge-
bunden seien oder ob sie auf Stammsilben reimen ^. aber dort,
wo Stammsilben untereinander gepaart sind, beachtet Otfr. die
quantität der vocale auf das peinlichste, und die gelinden Schwan-
kungen, die sich conslatieren lassen, sind bei ihm nicht viel be-
deutender, als bei einem Alemannen des 13 jhs. und weitaus, ja
unvergleichlich geringer als etwa bei Wolfr. oder Wirnt.
Nun reimt aber Otfr. az : gisaz iii 6, 35 und v 14, 24 und
damit ist für ihn die kürze des sing. prät. bewiesen, man sage
nicht, er habe für dz keinen andern reim gehabt als den auf
-üs, und sei daher hier von seiner sonstigen gewohnheit abge-
wichen. Otfr. standen für den reim zu dz ja nicht nur reine
reime, sondern auch bindungen wie : hiaz (hiaz : aüaz iv 16, 50
^ ich fasse den Sachverhalt also wesentlich anders als Wilmanns Zs.
16, 124ff:
14 ZWIERZINA
vgl. auch kiar : swdr in 5, 21, : wakar iv 7, 83, ; wdr iv 2, 34.
y 4, 45. 25, 87 uä.), ferner Utas und näh und släf udglm., und
schliefslich vor allem ganz rein : aUaz, thinaz, sinaz usf. zur
Verfügung, in denen die endsilben, wie gesagt, fttr den reim als
anceps galten (bero. hiaz : aUaz iv 16, 50; nie aber hiaz : thaz,
saz usf.). aber der Elsässer Otfr. hält unter den vocalen un-
gleicher Quantität keine so streng auseinander als gerade a und
d, obwol er auch bei den andern vocalen die quantität genau
unterscheidet oder zu unterscheiden sucht, ohne dies bis in alle
einzelheiten darlegen zu wollen, will ich doch den beweis für die
behauptung nicht schuldig bleibend s. übrigens auch Wil-
manns aao.
Innerhalb des typus -ar (-är und -dr zusammengefasst) reimt
Otfr. swdr, jdr, wdr, alawdr, sdr und thdr immer nur unterein-
ander, auf hiar, auf die endsilbe -ar {meistar, wakar, jdmar,
wuntar, wazar, lastar, hungar, düfar, altar, swangar, untar, suntar)
oder auf giddn (ii 9, 82), wdn (iv 21, 9), schliefslich auf diufal
(iv 11, 2)^ uzw. sind diese reime äufserst häufig und füllen c. 230
verspaare; dagegen reimt gidar nur zu al (S 33), bar prät. nur
zu wuniar (n 3, 7) und gibar präu nur zu al (i 25, 18. ii 1, 10).
wir sehen aiso^ dass Otfr. einen consonantisch ungenauen reim
r : / einem mit ungleicher quantität des stamm vocals bei weitem
vorzieht, eine längung vor r, wie Wilmanns Zs. 16, 119 sie an-
nimmt, findet in der Stammsilbe also nicht statt.
Dasselbe Verhältnis zeigt der typus -at, -at : -ad (resp. -dc
-di) ist ausgeschlossen, da Otfr. d nach vocal und r auch im
auslaut noch spirantisch sprach, was wir aus dem fehlen der
reime von d:t^ ferner t:f,h, s einerseits und der häufigkeit
der reime von d : f und h (s. zb. quad : sprah ii 6, 4. iv 16, 36,
idHUscafL 85. iv 9, SOj : herscaf iy 4,56, :ungimah 1 1,57. iv 22,33,
ward : tharf i 17, 5) anderseits schliefsen können, so gab es für
Otfr. innerhalb des typus -at viel weniger reimmöglichkeiten auf
-Ol als auf 'dt. dem entspricht es, wenn bei ihm der reime von
ddt : giddt : stdt : gdt : rdt : wdt mehr sind (Ingenbleek verzeichnet
s. 88 : II 6, 47. m 26, 6. iv 4, 15. 11, 43. v 12, 18. 41, dazu
noch zigdt : scalt iv 7, 8) als der auf die prät. bat und drat^ das
subst. stat und das adj. glat. aber auch diese reimen nur unter-
^ ich benutze im folgenden widerholt das reimverzeichnis in Ingen-
bleeks buch Ober den einflass des reims auf die spräche Otfrids, QF. 37.
MlTTELHOCHDeUTSCHE STUDIEN 15
einander (bat :Mai in 20, 24) oder auf mäht und naht (drat : mäht
HI 7« 19; §lat:naht n 1, 13) uod nie za -ät oder -a/^ wider
also zieht Otfr. den consonantisch ungenauen reim t : ht dem
▼ocalisch unreinen a : d vor. deutlich zeigt sich diese abneigung
Oifr.8 gegen die binduog zweier a ungleicher quantität in der
bindong von stat. ttat ^^ stät ^sieht' reimt alle 3 male auf -dt:
m 26, 6. V 12, 18. 41; stat «> stät 'statte' aber nur auf hat 'bat'.
Vor n und m gibt es bei Otfr. einige vereinzelte paarungen
von a zu d, wie ja vor n diese reimungenauigkeit auch bei den
mhd. dichtem des 13 jhs. am häufigsten vorkommt, aber auch
hier ist die lendenz Otfr.s, nur reine bindungen zu suchen, doch
leicht sicher zu stellen und tritt stärker hervor, als etwa bei
Wimt, den Nib., Gudr., Bit., Klage usw., von Wolfr. ganz zu ge-
schweigen. sicher unrein reimt nur man : firddn iv 22, 6 und
6tnafln : gdn iv 3, 16. dagegen reimt firddn, inddn, giddn sonst
stets nur auf langes -dn {gdn, stdn, wdn, Jorddn) und -dr (thdr)
oder auf die endsilben -an und -ar^ die, wie gesagt, stets anceps
sind, U2W. I 1,48. 2, 21. 8,6. n 2, 19. 7, 72. 8, 40. 9, 82.
12,96. ral2, 39. 15,9. 16,37. 18,36. 22,67. iv 34, 11.
V 4, 20. 11, 21. 12, 8; n 1, 48. 9, 39, ebenso gdn sonst nur
auf -dn oder die endsilbe -an i 1, 48. ii 7, 72. 23, 21. v
6,28; i25,ll; man mit seinen compositis jedoch und das
prät. nam mit seinen compositis stets auf -an (bald stamm-, bald
endsilbe; die beispiele sind zu zahlreich, um alle aufgeführt zu
werden) oder -am (man : nam n 6, 24. ni 4, 34. iv 3, 23. 16, 11.
? 21, 14, iquam i 22, 41. m 4, 43. 20, 105, : fram i 7, 27. 32.
17, 51. n 5, 2. 9, 67. 14,87. 19, 27. m 13, 31. 20, 71. 107.
IV 4, 61. 20, 4. 10. 23, 9, : zam iv 5, 56. 35, 1 ; gomman : zam
n 14, 51 ; iaman : zam m 17, 55; nam : bigan iv U, 6), auf -o/
{nioman : seal m 15, 23) und auf -ar (man : tountar iii 20, 145).
im ganzen wird so mehr als 100 mal bei man und nam ^ zu a
rein gebunden, und in gleicher weise reimen auch fram, quam,
gizamj die adj. auf ^sam, higan, biklan^ die prät. toan, giwan,
ubarwan usw. nur untereinander oder auf -äl und -är (die end-
silben stets als anceps genommen) einerseits, und anderseits unin,
Mdn, gdn, giddn ebenfalls nur untereinander oder auf-t^r. schlagen
wir unter den von Ingenbleek auf s. 70 verzeichneten reimen zu
wan die belege nach, so finden wir, dass dort, wo ti^an auf kürze
reimt, es stets das prät. von totnftan ist (so L 51 : bigan^ iv 24, 33
16 ZWIERZINA
:nuin), dort, wo es auf -dn reimt, stets das subst. wän (14 mal),
unter allen belegen fällt hier nur einer aus dem Schema heraus : !Anna
hiaz ihar ein man, Kaiphases suäiur, wan iv 17, 31. es ist zugleich
das einzige unbestrittene beispiel, wo aus wdnu apokopiertes
toan, wie es ohne einfluss auf die construction in den satz ein-
geschoben wird, im reim steht, da nun auch u 11, 29 In imo
$ähun se odo wan Götes kraft scinan ein vielleicht gleiches toan
im reim auf die infinitivendung sicher ebenfalls als kurz gefasst
werden darf (wenn auch nicht muss), so hat Otfr. dieses wan
aus wdnuj wo es ohne Personalpronomen erscheint, wol über-
haupt schon kurz gesprochen, es galt dann natOrlich nur mehr
als Partikel^, das wäre nicht unwichtig fürs mhd., wo derartig
eingeflochtene toan ja ziemlich häuüg sind, aber naturgemäfs
selten im reim zu finden sind, auch sie wären vielleicht stets
besser mit kürze anzusetzen.
Auf ähnliche weise kann man darlegen, dass Otfr. (entgegen der
annähme der herausgeber, Kelle GIoss. s. 298 und Piper Gloss.
S.221, s. aber Wilmanns aao. 123) das präpositionaladv. als in, schon
in der weise also wie etwa Hartm., nicht als In gesprochen habe, ob-
wol bei Otfr. bindungen von in auf in häufiger sind als bindungen
von an auf dn, oder gar at auf dt^ ar auf dr usw. (auch hierin ver-
gleicht sich sein gebrauch dem gebrauch rein reimender Alemannen
des 13 jhs.^ s. oben s. 12), so ist doch die tendenz, nur gleiche
quantitäten zu paaren, bei ihm auch hier nicht zu verkennen,
ich will das zunächst in ähnUcher weise exemplificieren, wie oben
die Scheidung von toan, prät, und wdn^ subst. wenn wir die
belege nachschlagen, die Ingenbleek s. 74f für min im reim, di.
min, poss. und gen. des personalpron., und mtn, comparativ
{thes thiu min uä.) beibringt, so finden wir, dass dort, wo mtn
auf kurzes -in (in pron., ih hin) reimt, mtn 10 mal (i22, 57.
II 13. 6. III 8, 47. 16, 65. 22, 47. iv 2, 32. v 4, 61. 11, 5. 17, 30.
32, 152) der comparativ min ist und nur 3 mal (i 5, 35. in 22, 24.
V 4, 64) das possessiv min, dagegen dort, wo min auf langes -in
oder endsilben-tn reimt (60 mal), immer und ausnahmslos das
possessiv oder der genet. min, das zeigt doch deutlich^ dass Otfr.
mtn und min im reime schied, ebenso reimen die nomina loln
^ wodurch der streit, ob in odowan (bei Tatian zur Übersetzung von
fortasse gebraucht) parlikel oder apokopiertes wdnu anzusetzen sei, gegen-
standslos wird.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 17
und $dn^ die prooomiDa ikin und Hn nie auf -tu ^ sondern nur^
UKW. sehr häufig, auf -In (oder die endsilbe -m). dagegen reimt
also der comparativ min fast stets auf kürze, zu den oben ge-
gebenen zehn beispielen komnien nun noch drei, wo min auf
iharin reimt : ▼ 5, 7. 6, 25. 7, 12, die ich. oben als unsicher zu-
nächst Übergangen habe, aber das präpositionalad?. wird bei
Otfr. 12 mal (: th, pron. u 14, 86. ni 10, 23. 23, 28. iv 16, 10.
19, 9. 23, 30. 34, 6. 35, 5, : bin iv 11, 29, dazu die drei ange-
führten belege für min : in) auf kürze, 1 mal auf druhUn (m 24, 41,
die unbetonte silbe ist an^eps) und nur 2 mal (:slii, inf. i 23, 9,
s. die voranstehnde anm., :min^ poss. u 14, 27) auf länge ge-
reimt, da kann nach allem, was wir bis nun gehört haben,
kein zweifei bleiben, dass für m, iharin , hera m kurzes t an-
zusetzen ist
Auch 0 und i wird von Otfr. geschieden, aber auch dieses
(?gl. wider die übung der Alemannen des 13 jhs. oben s. 12) nicht
ganz so streng als a und d. ich merke nur an (s. auch Wilmanns
aao. 118. 125) : die prät. h6t, gihdt und firhöt reimen stets auf
not, bröif die endsilbe -ot und widarort, ich zähle etwa 30 ßllle
(s. Ingenbleek s.910f s^her gibot subst. und imbot reimen nur auf
got und wart (i 12, 9. 13, 2. 6. m 20, 61). als einzigen reim
von 'Oti-Öt in Stammsilben hab ich got : not iv 30, 31 bemerkt,
unter diesen umständen beweisen die zahlreichen reime von got
zu -or, der endung der schw. verba u (s. Ingenbleek aao.), dass
auch diese endsilbe Otfr.s reimgebrauch als anceps galt.
Für die Scheidung von ti und ü bei Otfr. führ ich an, dass
hiU nur consonantisch ungenau zu üz reimt, uzw. 16 mal, da-
gegen su$ nur zu akus (i 23, 63) und Petrus (in 14, 31. v 15, 3).
und da kann ich von dieser langen digression zu az bei Otfr.
zurücklenken, wenn Otfr. niemals Ms : sus und niemals sus : 4s
reimte, so wird er vor z auch a : d kaum gereimt haben, nach-
dem wir ja sahen, dass er in bezug auf die quantität bei a noch
feinhöriger ist als bei andern vocalen. so beweisen die reime
az : gisaz ui 6, 35. v 14, 24 für Otfr. die kürze des vocals im
sing. prät. von ezzen.
^ Qor tin iof. ist des öftero mit in pron. gereimt (i 28, 19. n 7, 16.
IV 7, 44. 14, 15. V 20, 67). daxa kommt uoch s(n : in adv. i 23, 9. sin : -tn
ist aber auch hier die regel. in adv. faast Wilmaoos aU anceps, aber es
reimt nicht öfter auf -IVt als etwa min 'minus*, s. oben.
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXII. 2
18 Z^IEBZINA
Was nun die mhd. epiker der blütezeit angeht, so ist leicht
festzustellen, dass Bud. und Reinbot ausschliefslich die alte form
mit länge gebrauchen, da beide dichter niemals a und ä mit-
einander binden, so ist durch den reim äz : apldz Bari. 173, 31,
: underläz Weltchr. Zs. des Ferdinandeum in 42, 3 und äz : wäz
Geo. 4797 die länge des sing. prät. für diese beiden dichter
bewiesen, eine weitere erwägung lehrt, dass bei ihnen nur
diese form mit länge galt, und nicht etwa daneben auch kurzes
az. wenn Rudolf in den 23000 versen seines gGerh. und Bari,
den sing, az nie in den reim set^t, sondern ihn nur im
innern des ?erses verwendet (s. Bari. 107, 32. 173, 21. 249, 8.
362, 18. 377, 20), dagegen den plur. gdzen gGerh. 717, den conj.
CBze Bari. 52, 25 und den inf. ezzen Bari. 29, 19. 104, 39. 234, 21.
249, 31 ungescheut reimt, so beweist das, dass er den sing, des
prät. nur in einer schwer reimbaren form gekannt hat, die er
an den ?ersschluss zu setzen blofs einmal zu stände brachte,
und das ist äz. hier reimen aufser apläz und wäz nur geläz,
antläz, an underläz, gäz und vrdz^^ worte, die im Zusammen-
hang nur selten möglich sind, deshalb war es auch, wenn Bud.
die form az neben äz gekannt hätte, ein unglaublicher zufall,
dass das einzige mal, wo der dichter den sing. prät. reimt, er
äz reimte und nicht az^ für das sich ja so viele und so bequeme
reimworte (bem. daz^ baz, etewaz^ vürbaz^ saz^ vergaz^ haz usf.)
anboten, dasselbe gilt von Beinbot; gäzen : gesäzen Geo. 2519.
Auch Fleck kannte nur langes ä in der fraglichen form,
denn er reimt zwar des Oftern den p\\xr. gäzen, Flore 771.3011.
3471. 3921, ferner formen wie izze 1849 und ezzen 3415. 7567,
aber den sing, äz verweist er ins versinnere : 3013. 3945 (hier
in unmittelbarer nähe eines reimpaares vergaz : gesaz). 3953.
nur einmal reimt er die singularform, uzw. zu dem namen CHüraz
1431. Fleck sagt Claris (5665. 5629 usf.), er reimt 1371 das
flectierte Guräze zu mäze, während die unflectierte form des
namens sonst nicht im reime steht, also wol genau so schwer
wie äz zu reimen war — es kann also kein zweifei sein, dass
* davon kommen gäz und vrdz fOr Rad. nicht in betracht. denn sie
hätten ihm als unerlaubt rührende reime zu äz gegolten, s. darüber unten
nr 11, den abschnitt über den rührenden reim, von den übrigen Worten des
reimtypus -dz sind die meisten {geldz, abeldz^ anUdz, underläz, wäz) nur
den wenigsten dichtem geläufig.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 19
Fleck 1431 dz: Mräz^ Dicht az : Güraz meinte und dass ihm
eine form äz Oberhaupt fremd war. dass Fleck a : d nicht bindet,
wurde schon oben im excurs s. 10 ausgeführt.
Ähnlich, wenn auch schon etwas complicierter, liegen die
▼erhaltnisse im H. Helmbr. in diesem gedieht ist ja ?on essen
und trinken viel die rede, daher stehn formen des verbums ezzm
widerfaolt im reim : dzen 899. 1469. 1573, dzet 1749, mze 1561,
ezzm 1240. 1535. 1607. der sing. prät. aber reimt nur einmal
(1547), und da auf Küefrdz^ also auf länge, es ist daher im
höchsten grade wahrscheinlich, dass der dichter lediglich dz
sprach, der fall ist aber deshalb complicierter als bei Rud.,
Reinbot und Fleck, weil Wernher auch oft a zu d reimt; jedoch
nur vor n (man : gdn 585, : hdn 743, ; getdn 1129. 1141. 1797;
am : gän 851; compdn : gewan 1215) und r (garijdr 255), nie
Tor andern consonanten, also wol auch nicht vor 2, wo freilich
der mOglichkeiten -az : -dz zu binden nicht viele sind.
Ähnlicher beurteilung unterligt der reim vrdz prät. : dn
underläz im oberpfälzischen Serv. Zs. 5 , 2955 (äz fehlt) , der
gleichfalls fOr ausschliefsliches dz zeugt« — in Alemannien reimt
noch im gedieht Von den zwei Johansen 28 strdz : dz prät. : hdz
'vcstis'.
Hartm. gestattet lediglich einen schluss auf dz ex absentia
von az» aber ich halte auch diesen für genügend sicher, denn
das fehlen eines positiven beweises für dz durch einen reim von
dx : 'äz kann bei Hartm., der aufser vrdz (Greg. 2618. 2637.
2756 persönlich. Er. 2130. 8647 abstract) und ungdz (Greg.
2598. 2699), von denen das zweite wenigstens, mit dz gebunden,
rührenden reim ergäbe, kein reimwort auf äz in seinem Sprach-
schatz hat, nicht in betracht kommen, der reimtypus -dz fehlt
bei Hartm. daher auch gänzlich, dagegen hätte dieser dichter,
wäre ihm die form az mit kürze geläufig gewesen, sie des Oftern
gereimt und hätte das so leicht und gefällig zu bindende wort
(niht vergaz . . . az, gesaz ünde . . . az sind häufige formein,
die auch Hartm. nicht unbekannt waren) nicht ins innere der
Zeile verbannt, im Iw. zb. steht az, wie Beneckes wb. ausweist,
viermal im versinnern : 1224. 3310. 3906. 3910, nie im reim,
^ dass Güraaiy dat. Güräze möglich wäre (s. Sommer zu Fl. 1372),
^ebe ich selbstverständlich zu. notwendig ist eine derartige Unterscheidung
aber natörlich nicht. ^
2*
20 ZWIERZINA
der plur. d»en aber steht im Iw. wie id den aadern werken stets
im reim : Iw. 369. 6569; Er. 3556. 3732. 4614. 9488; Greg.
1169 (vräzen), nie im innern, und ebenso wze im reim : Er.
3748. 6382. die Sachlage wird noch deutlicher, wenn wir nun
einen dichter zur vergleichung heranziehen, der kurzes az reimt.
Wolfr.s Parz. bietet sich da ungezwungen an. hier steht az und
gaz 27 mal im reim : 132, 1. 169, 23. 217, 11. 218, 15. 233,23.
244, 23. 274, 27. 279, 15. 309, 7. 29. 314, 17. 452, 16. 485,
14. 23. 524, 17. 552, 3. 581, 25. 636, 23. 652, 9. 676, 9. 697,
27. 762, 11. 763, 1. 764, 7. 775, 9. 784, 23. 813, 17, der plur.
äzen dagegen nur 3 mal : 273, 27. 279, 17. 777, 25, und der
conj. ceze 4 mal : 166, 3. 550, 17. 572, 9. 582, 27. wenn auch
ein teil des plus im Par2. gegenüber Hartm. auf rechnung des
realistischeren tones seines dichters kommen mag, so kann auf
diese weise noch immer nicht die totale umkehrung des Verhält-
nisses von az im reim und von dzen^ ceze im reim hier und
dort erklärt werden : bei Hartm. az 6, äzen. CBze 9, im Parz.
az 27, dzen, asze 7. — Hartm. hat also nur äz gesprochen und
diese form ist in den kritischen ausgaben seiner werke, sowie
der Rud.s, Reinbots und Flecks, des MHelmbr. und des Serv.,
auch im innern des ?erses stets mit dem längezeichen m ver-
sehen.
Anders, wie wir bereits bemerkten, verhält sich der Parz.
man darf nicht sagen, dass im Parz. bei den bindungen von az
auf daz, haz, gesaz usf. auch unreiner reim von a : d vorliegen
könne, da Wolfr. ja die verschiedenen quantitäten dieses vocals
so oft mit einander paare, denn Wolfr. reimt a : d durchaus
nicht in allen Stellungen gleich unterschiedslos, ganz identisch
khngen ihm die beiden laute nur vor n, tn, ch und ht in ein-
silbigen werten^, da halten die reinen den unreinen bindungen
vollkommen die wage, vor r bindet Wolfr. zwar sehr oft a : d,
aber -dr : -dr (60 paare) und -ar : -ar (312 paare) prävalieren
' schon nicht mehr in zweisilbigen, geddht und brdhi reimt im Parz.
und Wh. widerholt auf -aht (Scbvlz Beimregisler s. 33 zählt 32 belege),
brdhte und akte reimen aber nur Wh. 245, 7. 246, 5, welches gedieht in
bezug auf die scheidung der quanlilaten, wie wir gleich sehen werden, viel
sorgloser ist als der Parz. — gdch nnd ndck reimen im Parz. und Wh.
39 mal auf äcA, nie aber reimen machen, wachen , lachen usf. : rächen,
sprächen, brächen.
HITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 21
80 Stark über ^dr : -or (16 paare) S dass man zugeben wird^ dass
hier die unreine bindung ausnähme ist, Wolfr. also die quaAtUäl
▼OB a ?or r auseinandergehalten hat, wenn auch unvollkommen.
besser gelingt ihm die Scheidung vor t. hier sind reimworte
häufigsten Vorkommens dicht gesät : einerseits die prät. bat, trai^
die sobsL phat» bat, ttat (dieses allein reimt schon 74 mal), ferner
mai QDd das adj. tat, anderseits hat, lät und tat, getdt, missetät,
wdi^ sät, rdr^mehr als 200 reine reime); aber nur einmal, Parz.
368» 1, reimt bat zu lätl Ober a:ä vor l s. Beobachtungen
s. 469 anm. vor z nun^ sowie vor Ar (c), findet sich im Parz.
in einsilbig stumpfem reim ^ keine bindung von a : d. ziehen wir
noch in betracht, dass Parz. 639, 1 gdz, adj. : vrdz^ subst. und
238, 27 agrdz : vrdZj subst. rein gebunden erscheinen, wir aber,
setzen wir den sing. prät. für Wolfr. als dz an, den 27 unreinen
bindungen dieses wertes dann keine einzige reine entgegenstellen
könnten, so dürfen wir wol behaupten, dass äz für Wolfr.s spräche
feststeht, für seine spräche; für seinen reimgebrauch aber nur,
soweit der Parz. in betracht kommt, den 27 äz im Parz. ent-
sprechen im Wh. nur 2 statt 15, die zu erwarten wären : 176, !•
266, 7, dazu kommt noch az er : wazzer Wh» 276, 9. trägt da
blols der anders geartete inhalt des gedichts die schuld? ich
gi^ube kaum, dzen und teze ist im Wh. gerade nicht seltener
aJs im Parz. (Wh. 175, 27. 275^7; 265, 3, im Parz. 7 beispiele,
s. oben) 3. dazu kommt nun noch, dass Wolfr. im Wh. spora-
* im Parz. sind nur die reime von elär auf -or häufig (6 fälle), sonst
reimt bloCs jV^r 2 mal und war Imal aof^or. das ist bezeichnend, in dem
fremden, ans der lilteratur der Bheinlande entlehnten wort schwankte die
qaaotilät mehr als bei den andern, ahnlich gebraucht die Marl, eldr im
reim als ancepa. wider zeigt erst der Wh. auch vier bindungen von -ar
anf hdr,
^ anders hazen : md%m Parz. 427, 29, idzen : goUva%en Parz. 809, 21.
aech hier wurde also die quantität vor spirans anders behandelt in einsiU
bigem als in zweisilbigem wort (von offener und geschlossener silbe kann
Buan ja doch hier nicht sprechen), sowie wir es oben bei a und d vor eh
oad hi bemerkten, nur liegen hier die Verhältnisse umgekehrt. — agra»
Parz. 238, 27 hat wol langes d in der reimsilbe : die kürze kann wenigstens
durch nichts bewiesen werden.
^ freilich erscheint dzen und €Bze immer nur begleitet von einem a%
im reim, vgl. dzen 175, 17 .* az 176, 1; dzen 275, 1 : az er 276, 9; az9
265, 3 .* OS 266, 7, was darauf hinwiese, dass das vorkommen des Wortes
im rdme vom inhalt so stark beschränkt wurde, um also Sicherheit zu er-
22 ZWIERZINA
discbe reime ?on -az : -äz aufweist (gäz adj. : saz Wh. 277, 11 ;
wäz :8az 144, 5; geldz : baz 224, 29. 249, 3, dgl. fehlt im Parz.i),
sodass dz im Wh. auch in den zwei bindungen mit saz und haz
vorliegen kann, vielleicht also, ich betone das vielleicht bes. mit
rücksicht auf anm. 1, hat Wolfr. die ihm geläufige form des sing,
prät. mit kürze im Wh. aufgegeben, dem gebrauch andrer dichter
und derjenigen leser zu liebe, die dz und nicht az sagten.
Kurzes äz ist sowie Wolfr.s auch Wirnts form, des fränkischen
nachbars und nachahmers des Parzivaldichters. Wirnt reimt azisaz
Wig.1718, :ma2; subst. 4477, :vergaz9A&b. im innern steht az
nur 711 und 718, dzen reimt seltener als az : 1724. 4290,
ebenso ezz$n nur 3182. 3469. auch Wirnt reimt zwar a : d,
aber nur vor n (51. 56. 207. 322. 361. 443. 569. 578. 588.
609. 975 usf. usf.) und vor r (kldr : -var adj. 877. 895. 4631 ;
jdridar 1053. 1130, : gebar 11626, : gar 1190. 3402. 4316.
4819. 6082. 7789. 8322. 9333. 10265, : schar subst. 1216,
:nam war 1320; hdr : gar 2414. 4693. 7992, : geschar verb
10177. 10320, :viuwervar 2841; wdr : dar 3584. 11237, : gar
2529. 4130. 4777. 5668. 5837. 6755, ; schar subst. 2858, :nam
war 7454, vgl. auch hinvart : beswdrt : bespart 3232) unterschieds-
los, vor ch erscheint a : d im ersten teil, wo Wirnt Hartm. folgt,
blofs einmal (gdch : ersach 1518), hier herscht gdch: ndch (1844.
1884. 2185. 4490. 4589. 4985. 5145), im zweiten teil, wo der
dichter unter Wolfr.s einfluss steht, überwiegen aber die bin-
langen, müste man jedesfalls noch das Verhältnis der im versinnern er-
scheinenden az für Wh. nnd Parz. untersuchen.
* der Wh. geht in bindungen von kürze und lange viel weiter als der Parz.,
was wir schon oben s. 20 anm. 1 för -ähte : -ahie und s. 21 anm. 1 für -<£r .' -ar
constatieren musten. der Parz. begnügt sich ferner für mäc mit dem un-
bequemen reim auf bäe (t56, 3. 324, 11. 412, 21. 419, 27. 520, 3), wenn er
es nicht fertig bringt mde auf wdc zu reimen (434, 13). der Wh. aber, dem
reine reime auf m^c und wde fehlen, weil er das wort bdc^ sowie bdgen
(Parz. 150, 19. 430, 27. 500, 1; 80, 23. 453, 1), welche übrigens auch schon
in den letzten 6 bächern des Parz. gemieden werden, nicht kennt (nur
ödgen Wh. 145, 1 ist ein rückfall), reimt nun unbedenklich mdc : lac und
tlae (68, 1. 393, 5. 412, 1. 441, 23. 448, 27. 455, 13) und wdc : lac (411, 7.
435, 15). yf\i bemerken übrigens, dass diese unreinen bindungen sich in
den letzten 2000 versen des Wh. zusammendrängen (dort 7, früher nur
68, 1), dagegen Wh. 41, 7 mde und wdc untereinander gebunden werden. —
desgleichen ist -ot : -61 in Wh. viel häufiger (15 mal) als im Parz. (11 mal,
statt 25 mal), lehn : zehn Wh. 372,7 hat im Parz. nicht seinesgleichen usf.
HITTELHOCnDEDTSCRE STUDIEN 23
duQgeo ¥00 'äeh : -ach {nach : sach 6255. 6724. 7311. 7319.
7426. 8S65. 9592) weit über die von gäch : nach (8206. 10929.
11550). vor ht zeigt Wirot, im gegeosatz zu Wolfr., keine der
so bequemen paarungen von bräht, bedäht mit mäht, naht, vaht
iisL, ebenso fehlt a : ä vor /, k, t und, was uns bes. angeht, vor
s. die dreimalige bindung des sing. prät. von ezzen auf kürze
beweist bei Wirnt also kurzes äz.
Ganz sicher ist ferner dieses kurze äz bei Golfr. vStrafsb.,
der wider (s. oben s. 6) a und ä überhaupt niemals bindet.
er reiont das prät. gaz zwar nur einmal mit daz. Trist. 17963,
aber man darf aus der Seltenheit seiner Verwendung im reim für
Golfr. nicht auf ein meiden scbliefsen, sodass er etwa nur ein-
mal ihm sonst fremdes äz zugelassen hätte, um es eben reimen
zu können, denn im Trist, ist von essen und trinken überhaupt
riei weniger die rede, als in irgend einem andern höfischen ro-
man. der plur. äzen und der conj. CBze stehn, und das ist ent-
scheidend, gar nicht im reim, der inf. ezzen nur 13162. 13179,
das pari, vrezzen 9243. im innern findet sich az nur 4105.
13181. 18168, dzen 16823.
Ebenso wie für Gotfr. steht äz für den dichter der gFrau
fest kurzes äz wird durch den reim gaz : saz 2323 (gäzen 815.
2655. 2739, (Bzen 2645, ezzen 1301. 27.35) bewiesen, da auch
in der gFrau niemals a : d gebunden und kein dz durch den
reim belegt erscheint.
Viel häufiger als der Trist, und die gFrau bringt Konr.
vWürzb. den reim azi-äz (Silv. 698. 3153, Engelh. 437. 1311.
2643, Parton. 2232. 1017. 14007, Herzm. 437, Troj. 17642)
und vraz : -äz (Parton. 7165, Troj. 24202). auch für Konr. ist
damit kurzes äz bewiesen, da ein reim a:d bei ihm unerhört
ist (s. oben s. 9 anm.). ob dieser liebhaber von doppelformen
nicht daneben auch dz reimte, ist nicht ausgeschlossen, wir
finden äz : dn underldz Silv. 3527. es ist freilich nicht unmöglich,
dass hier ein fehler der Überlieferung vorligt und an der be-
treffenden stelle statt Rehte ah Adam den aphel dz (: dn under-
Idz) nach mafsgabe der bei Konr. nicht seltenen bindungen von
heie gdz : dn underldz (s. zb. Herzm. 465. 487, Troj. 24221) zu
lesen ist Ah Adam het den aphel gdz, jedesfalls bleibt das dz im
Silv. vereinzelt.
Wechsel zwischen az und dz belegt auch der Stricker, in
24 ZWIERZINA
seinem ältesten werke, dem Daniel, wird 2565 gaz mit saz ge-
reimt, dieser reim beweist kurzes az, denn die bindung a : ä ist
diesem dichter durchaus zuwider, aber in den vielen tausenden
von Versen seiner spätem gedichte findet sich, soweit sie gedruckt
sind, dieses leicht reimbare az nie mehr, dagegen steht verezzen
part. Karl 2513, ezzm Pf. Üb. 2,58, ReinhF. p. 322, Hahn
IV 101. 177, äzen ReinhF. p. 323, aze HGerm. 8,300,231,
Hahn xiii 19, izzet HGerm. 8, 301, 285 im reim, anderseits vräz
sübst. : het gdz WLeseb.*" 800, 23. 807, 26, : antläz Am. 1011,
und schliefslich reimt tatsächlich prät. dz : vrdz subst. WLeseh.*^
808, 18 (a» HGerm. 2, 82), welches stück ich blofs dieses reimes
halber dem Stricker nicht absprechen wollte, denn das fehlen
der bindungen des kurzen iz seit dem Dan. im zusammenhange
mit dem dz im beispiele Ein vrdz der was so gar etit vrdz
konnte vielleicht darauf hinweisen, dass das äz des Dan. nur der
nachahmung Wolfr.s^ dessen einfluss ja gerade in diesem erst-
lingswerk, denn das ist m. e. der Dan., bedeutend hervortritt,
zu danken ist.
Dagegen steht kurzes az bei den hessischen diehtern durch-
aus fest, bei Herb, beweisen es die reime 6645. 8048. 17658,
beim Verfasser von Erlös, und Elisab. : Erlös. 5387. Germ. 3,
472,87; Elisab. 239. 1750. in Erlös, und Elisab. reimt a:d
niemals, bei Herb, nur unter hier nicht gegebenen bedingungen.
Der Lanz., die Kindh. Jesu, Mar. himmelf., Drst., Mor. vCr.,
und die gedruckten stocke Ulr.s vTürh. geben in der frage, ob
äz oder dz, keine entscheidung. das fehlen von az im reim in
den beiden erstgenannten gedichten neben häufigeren reimen zu
äzen (Lanz. 3687. 8595. 8605, Kindh. 1455. 2417) und ezzen
(Lanz. 143. 3949, Kindh. 921. 1799. 1850) weist eher nach dz
als nach az.
Von den volkstümlichen epen bringen Nib., Klage und Gudr.
keinen anhaltspunct. denn auch das fehlen ton az im reim be-
weist hier nichts für dz, da das verbum ezzen zb. im alten tezt
der Nib. überhaupt nur 3 mal torkomitat, darunter nur Imal im
ind. prät. (az 1012, 2), s. Bartschs wb. s. f. ezzm^
Andre dichter als die genannten bab ich nicht untersucht,
man kann äz wol am ehesten fflr fränkische gegenden bean-
spruchen : Wolfr.s spräche zeigt zahlreiche spuren fränkischen
Clements, die im lauf dieser Studien noch oft blofsgelegt werden
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 25
soüeiiv Gotfr. uod gFrau fallen in grenzgebiele NiederalemaDDieos
iiad Fnokeas, ebenso weist Konr. vWttrzb.s spräche vielfach
Mch Dach seiner heimal, und auch der Stricker war ein Sttd-
franke, dazu kommt noch äz in Herb.s Troj., in Erlös, und
Elisab. dagegen sagen in Alemannien Hartm., Ulr. vZatzikh«,
neck, Rud. und noch pseudO'-Heinzelin, in Baiern MHelmbr. und
Serr. Zs. 5 dZr nie äz. zu diesen stellt sich ReinboU
Zqih schloss noch eine einschränkende bemerkungl man
kann nienials mit Sicherheit sagen, dass die dichter^ werche äz,
wenn auch noch so oft, reimen, nur diese, die jüngere form, ge»
kaant haben, da kurzes äz ja viel leichter reimbar ist als langes
ds» hätten selbst solche dichter, die auch die alte form neben
der analogiebildung in ihrem formenvorrat hatten, zu reimzwecken
doch immer eher zu dem bequemeren az als zu äz gegriffen,
bei Stricker und Konr. vWurzburg konnten wir ja würklich beide
formen im reim belegen.
3. GE€EN UND ff'IDER
MIT DEM GENETIV DES PERSONALPRONOMENS IM NIBELUNGENLIED.
Mib. 2230 (ich ciliere den Strophenbestand von A) wird
Wolfbart f der sich durch die Burgunden mit Schwertstreichen
eioe gasse haut und so fortwährend den saal (ich lese sal^ nicht
wai) hin und wider abschreitet, bei der driten h&re von Giselher
angerufen Ow4 daz ich tö stimmen vimi ie gewan. Edel rüter
küene^ n^ wendei gegen in. Ich wil ez helfen enden: ez mac
atkl amders gesin. darauf heifst es 2231, 1 : Z$ GisMere k&te
Waifhart m den sirit. der angerufene hat also Giselhers worte
so verstanden, dass es diesen verlangte, sich mit ihm zu messen,
und dass er sich gegen Giselher kehren sollte, gegen in, so
Qberliefert ABD, ist unsinnig, denn dass Wolfhart sich gegen die
Burgunden wende, braucht Giselher den beiden nicht erst zu
bitten, er wütet ja bereits unter ihnen; gerade das gegenteil da-
von, der wünsch, ihn von den übrigen abzuziehen, ist die ab*
siebt des anrufs, der ja auch solchen erfolg hat. dass gegen in
bedeuten könnte, von ihnen weg, in der ihnen entgegen*
gesetzten rtchtung, wird niemand behaupten, man sollte also er-
warten gegen mir. dieses wird von 1 und *C (das ist classe C),
von jedem selbständig, auch hergestellt, den gestörten reim
bringen beide dann auf ihre weise wider in Ordnung : *C ändert
26 ZWIERZINA
das überlieferte Ich wil ez helfen enden: ez mak niht anders
gesin in Si körnen zuo einander iit mit ellenthafier gir (: mir)
und Ih reimt gen mir her auf Ich wil ez helfen enden: ez mac
anders sin niht mir. beide vierten verse sind reimereio, die das
zeicheu der schreibermache auf der stirn trageo.
Aber nicht nur der mangelhafte sinn, auch der mangelhafte
reim der stelle macht bedenken, da die bindung -m : -in den -Nib.,
wie wir weiter unten noch sehen werden, nicht geläufig ist.
Lachmann suchte beiden bedenken abzuhelfen, indem er nü
wendet gegen in accentuierte. das sollte natürlich bedeuten : nun
wendet (mir) entgegen, (in den saal) hinein, aber man kann
Bartsch (Unters. 176) kaum einen Vorwurf daraus machen, dass
er Lachmanns meinung offenbar nicht capiert hat, denn an
parallelen wird es einer derartigen Verbindung wie gegen In
wenden «= entgegen hinein kehrt machen, wol ebensogut fehlen,
wie einem in für in «» 'iis', das Bartsch dort Lachmann zutraut.
Lachmanns textconstruction geht von der Voraussetzung aus,
dass die Änderungen der hss. I und *C auf die la. ABD zurück-
gehn, in die sie den von ihnen erwarteten sinn der stelle hinein-
zubessern suchten, ich glaube aber nicht, dass diese auffassung
der Überlieferung richtig ist, sondern halte die la., die uns hier
zufällig allein die junge hs. b überliefert, für die genuine, die
sowol von ABD, als auch von *C und von I, uzw. da sonst b
ja mit D zu einer engern gruppe gehört, von jeder der 5 hss.
(*C und Ih als je eine hs. gerechnet) selbständig geändert
wurde, wobei ABD nur zufällig alle drei auf eine und dieselbe
besserung verfielen, b list z. 3*^ : nA wendet gegen min (: gesin)
für gegen in ABD, gegen mir her ih und gegen mir *C. der an-
lass zur änderung lag in der vulgär -dialektischen construction
von gegen mit dem gen. des personalpron.s. A, B und D ver-
einigten sich in der gleichen besserung, die nicht nur graphisch
nahe lag (auch einfache Verlesung des ungewohnten wortbildes
ist in der einen oder andern nicht ausgeschlossen), sondern auch
den einzig möglichen reim gab, wenn gegen + pron. beibehalten
werden, also so conservativ als möglich verfahren werden sollte,
oder mit andern worten, wenn sich die Schreiber die besserung
tunlichst leicht gemacht haben, sie begnügten sich alle drei, wie
die besserer aus ihrer gilde so oft, mit der gedankenlosigkeit
einer * construction für den moment'. zufälliges zusammentreffen
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 27
in dieser wird uos nicht wundern, wenn wir bedenken, dass die
Schreiber gegen min wahrscheinlich gar nicht verstanden, da es
als ein Töliiges novum ihrer praxis hier entgegentrat, sie also das
OberlieTerie selbst für einen Schreibfehler ihrer Torlage halten
mosten und nun gegen min in gegen in änderten, indem sie cal-
coUerten : gegen min ist nichts, auf geein muss gereimt werden,
ci kann nur der dat. eines personalpron.s sein (man verzeihe die
gruDmaüschen termini), folglich : gegen in.
gegen wird im groben bair.-Osterr. dialekt, sowie so ziemlich
jede andre prdpos., mit dem gen. des personalpron.s construiert,
&. darüber Schmeller Bair. wb.' i 678 s. v. (^[gegen] im dialekt
gewöhnlich vor dem persönlichen pron. mit dem gen. construiert'),
ferner etwa noch Schöpf-Hofer Tirol. Idiotikon s. 182 (*auch mit
dem gen. vor persönlichen fürwörtern'). auch mir sind die 'gegen
meiner*, *nach seiner', 'ohne deiner' aus der Umgangssprache des
kleinen mannes in Wien wol bekannt.
Die la. b — denn man bemerke wol, dass gegen min hier
QbeHiefert ist — hat schoo Holtzmann (Uuters. 53) verteidigt,
ihm schloss sich Bartsch (Unters. 43) an und Bartsch setzte dieses
gegen min dann auch in den text seiner grofsen ausgäbe (B 2293,3).
ich bin freilich weit davon entfernt, das Verhältnis der hier ge-
gebenen Überlieferungen so aufzufassen wie Bartsch Unters. 43
dies tut ^, wo er aus dem gegen in der la. *B uud dem gegen mir
der la. ^C ein gegen min als la. seines alten Originals entwickelt.
demgemäfs sucht er dort auch dieses gegen min in einem text
des 12 jhs. nachzuweisen und meint es Roth. 4617 (vBahder 4624)
gefunden zu haben, dort reimt Conetantin : intgegin die, Bartsch
meint din, es wird aber wol di, der mfr. dat., nicht ein gen.
sein 2. ich fasse die la. von b für geradlinig aus dem original,
dh. dem archetypus unsers textes, geflossen und die laa. der
übrigen bss., jeder einzelnen für sich, als Verderbnisse dieser
Qberlieferung.
^ wol nicht mehr io der aosg., da er ges^en mtn sonst nicht in den
text TOD B hätte aufnehmen können, sondern es unter den strich hätte ver-
weisen mosseo.
* auch Roediger Anz. xi 115 fordert unter Verweisung auf ein (übrigens
coojiciertes) ineben s(n Roth. 1328 dOi für unsre stelle, ich glaube mit un-
recht, übrigens ist intgegin dCn, für das man auf ein ineben t^ verweist,
Bod gegen din durchaus nicht dasselbe.
iS ZWIERZLNA
TrolMfoiii v«rii«bl kh mir akht« dass diese receptioo der
b. Yt>u b« den^ii MiUMriai Bttr durch das achwaiiken der ihr
Ml^tHf^tt$i^üdi»tt las. der ÜUsrm haa^ eiiii^miafieo gehobeo wird,
iliQhi >ii^ aiebr W;|la«^|l■if kai als eise cenjectur. diese cod-
jtH^tur $«?isl «fttt la dar «ImL äUnrntKr das ISjlis. xiemlich vereinzelt
^4Nitittd«^ jifM aiii v^fock «^ s.. 29 aaaL 2) ia deo echteo text der
>iAiK» k«ad icfti tela «» wcte gawafU dieselbe bbife auf die obeD
t»m^^ii>H<ifc «Mntt^QpMi^ßtta y» m beünrorten, wSre ich nicht
i«a '»iMfcih^ thr we«lefew ai. ts. sala^ fela sUltxeQ zu geben.
>Uk U^U 4 übeciMtet A : A hmt teat dd Rüedeger. Die
iMil ^tMfiaa ia*dar (»i^ <,: «ia Uill)« Aas mtm «sw. und auch die
hfe^ vliM^ v^a»im> It i«a4 1^ iwMa aadi dieser lesung, welche
day^^itaa tiMte tMT lii\fcmaaa> nadara aadi Bartsch (B 1251, 4)
)4ik «jUn* UrM :$«Mk dM kw^ IM fahea de« sianloseD schreib-
vMiiN tnüntiiihtor umim" ^ Mr «iiHr di» die liss. Ihbg nehmen an
vW^a x>Mia M%: ^^ iartl<ift %dar es wurde diese bindiing (und das
^^tümtütc» miftm ^ inmIMi) ttkr sie der aostois, m als präposi-
U^MMMk 4«i^ tes^eai nnfed dana» m^ dOHeo wol schon sagen, zu
^>i#M*|y^Mfc' ^ k$U^ Wim iMhr te (am bh), eine conjectur,
dwi^Mii MMi^hn ^^uhr g?wAiftkl wivei^ wea« wir wOsten, wo hinein
H4^ MM^^ vlüi Hnamtaifcjriiijür hier eiymtlich reiten sollen, des-
^w^ l^fMMHk ^ni^lii ä^aeA WtüAwam» hier wdn entschliefsen , dem
«^üiü M^ 4^ hü;k lli^ V*^ IwaaNi i#tt tei ja noch nicht einge-
MitiMik ^M)«4iia^ >iiil«.j|ji[iA MM' «Kit (MHiniiihiii^ seiner recension der
v^tN^ Niiyi»^i»<iion» ^4ni|itie m beaehtea ist) auf seine text-
^<^«^^MyMi4 »>ill<)lN^t|. Mi^ ^»wlhre«!» ohmol ich die fermutuug nicht
v\»4i^ i^tic >i^«»«iMM'^ Wmmi% da«i^ die sdireibercanjectur von Ihg an
Hiiid^^ ^^ ;^i^UM> Jfc^ltiliM^iHi^ deis. jf^m tift (: ^aslti) 2230, 3 als
<^i^^ iü AAj^Ci'^l Mn* LäMUMMattu $a^ daher in der anm. zu
i\d4, :A : ^Müiim ^ V>^«« ^3230» 3^ ^^ «ur hier bedenklich 2, man
V^i^ ^\^l iU^v'^u« 4a4NK der ai«<usaiivu$> m auf slis gereimt sei,
x\vU v\s:ui44vu.ü U^' dit^hur der lU. und des^ KL den daiivus m
K^kH^i^ ^K* HiW«< iii» if^^tmk i^ mit 5lii Itoririln sUin win
' *Kt ^4%iK ^«4 !k9> r^iAÜi;^ i^AaUkiUM^ >iwf^ dat^ reiawa t .* C« deo es
iKiUvU «^H 4uvMv4 sV«Uk4i ;«ite ia 4«ia taU; srr.^iaimh» wattcickt w«U es
u.uh v\^v \s>u MAU v»^u tuj^ u\t vecUMÜfl* IffiMi^ apidar A la seiner ^B-
voil^^v' i^t4vl>, 4«^H, <iii4 ^UMkioa^ ieü;h die Nida% fe^iadia sHof^en lam
"* i^.u« xhIu HKtK» ouiiuiU^ndaiinfi rHim w>dN* ä^ ()dtr «kuki er aa
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 29
kiodel, KL 1354. 1893, Bit. 5393. 5803. 8263. 11857. 12121.
12281' ^. es waren zwei erwagungen, die Lacbmann bestimmten
hier den reim wider in : sin zu dulden, dort gegen in zu wagen,
vor allem doch, dass 2230, 3 gegen in nonsens bietet, während
m'ier m an unsrer stelle dem sinn nach glatt und gut ist, ein
den gegen in gleichbedeutendes wider in aber schwer zu inter-
pretieren wSre; dann aber wol auch, weil er str. 1191 fOr inter-
poliert hält und dem interpolator eher als einem der dichter
eioea reim von t auf I zutraut. Bartsch (Unlers. 176) versteht
Lachmaoos *'widerin (wie 2230, 3) ist mir hier bedenklich' falsch
ood bemerkt dazu : *aber warum? beide fälle sind ganz gleich,
ein grund verschiedener behandlung nicht abzusehen, auch von
LacbmaDD nicht angegeben', auch meine ansieht ist es, dass die
beiden fälle ganz gleich sind, nur mOcht ich dann consequenter
sein als Bartsch, und, da ich Bartschs lesung gegen min 2230, 3
acceptiere, auch hier conjicieren : die helde reiten wider ein.
Für die frage, ob 1191, 4 wider Hn und 2230, 3 gegen min
nach mafsgabe einer nur aus späterer periode bekannten dialekt^
syntax ^ dem Nibelungentexte eingefügt werden dürfen oder, worauf
es doch allein ankommt, müssen, ist es von allergrOster Wichtig-
keit, darOber schlüssig zu werden, ob wir den Nib. einen reim
'in : 'in zutrauen dürfen oder nicht 3.
Zunächst ist es notwendig, sich über die quantität jener
reimsilben klar zu werden, in denen im mhd. t und I zulässig
ist, db. in denen bei verschiedenen mhd. dichtem bald I bald t,
bald Wechsel zwischen t und i im gebrauch ist. es sind dies
gdkh, ieslich, die adjectivableitung -lidi, -rieh als zweiter com-
posiüoDsteil deutscher namen, das femininsuffiz -in, der dat. des
Dum. drin (in den Nib. aber ohne reimbeleg) und schliefslich das
präpositionaladv. in, darin.
* man kann noch hinzusetzen gegen in : sin Kl. 1460 und stn : gegen
in Bit 3073, .* hinder in 3161, .• under in 5163. 9449. — für den Bit. hab
ich statt Lachmanns Seitenzahlen der hs. die verszahlen des DHB. eingesetzt.
* ich kenne in österr. gedichten des 13 jhs. sonst nur die Gramm.
iT(oeodr.) 930 angeführten vor stn im Bit. (879. 3646). aao. auch beispiele
för vor ood nach c. gen. hauptsächlich d. personalpron., beim Teichoer
(Ls. m 276. 280) und Ottokar. kein gegen und wider c. gen.
3 Tgl. zum folgenden Bartsch Unters, s. 176 f. ferner wurde hier und
in nr 5 o. 6 hiu6g Presseis Reimboch zu den Nib. (Tub. 1853) beaalzt,
dessen aosätze aber öberall durch eigne santmlang ergänzt ond berichtigt
30 ZWIERZINA
gelich {ungelich, iesHch) lautet nur lang, die kürze, sowie sie
zb. KoDrad Fleck, der Stricker, der dichter des Mor. fCraun uaa.
belegen, fehlt gänzlich, es reimt blofs auf rieh (2143, 3), dh.
sicher langes -idi, oder auf silben, die im Nib. auch lang sein
können, auf Amelrich (1496, 1) und lohelich (304, 1. 2150, 4).
Anders -lieh in adjectivableitungen. dieses reimt nicht nur
lang (; rIcA 517, 1. 1634, 1 ; 4, 2. 440, 2. 548, 2. 577, 2. 616, 2.
758, 2. 1179, 2; 1093, 2; 1624, 2; 1729, 2; 670, 2 und ; ge-
lieh, ieslieh 304, 1. 2150, 4), sondern auch kurz (: mieh und sidi
887,3. 1837, 1). unentschieden bleibt 4ieh : Dietrieh 1287,2.
1996, 1. 2257, 2. 2294, 2. 2302, 2; 2264, 2; 2173, 2, denn die
eigen naroen auf -rieh, die übrigens fast bei allen dichtem in be-
zug auf die quantitdt ihrer reimsilbe mit den adjectivbildungen
auf »lieh zusammenstehn, wechseln in den Nib., da -lieh neben
'lieh steht, ebenfalls zwischen -rieh und -rieh. Dietrieh reimt auf
rieh (1292,2. 1667,2. 1686,1. 1690,2. 1838,1. 2250,1.
2256, 1. 2266, 1; ebenso Alberieh : rieh 355, 3, Amelrich : unge-
lich 1496, 1), Dietrich reimt auf midi, dich, sich (1664, 3.
1921, 1. 2276, 1. 2297, 3). dieser Wechsel zwischen -iich und
'lieh, 'rieh und ^rieh hat durchaus nichts auffallendes, wir werden
ihn nr 10 bei vielen andern dichtem auch constatieren kOnnen,
ich nenne hier nur Wolfr. und Wirnt. es ist also weder dort,
wo 'lieh und -rieh auf länge, noch dort, wo es auf kürze reimt,
ein ungenauer reim, sondern nur die doppelform zu constatieren,
ein ungenauer reim von I : t müste durch sicher ungenaue bin-
dungen, wie rieh : iieh, dich usf., bewiesen werden.
Selten nur, ich verweise wider auf nr 10 dieser Studien,
wechseln bei einem und demselben dichter formen des präposi-
tionaladv. in mit länge und kürze, im Nib. lautet in stets kurz,
es reimt dar in: hin 740, 3. 2148, 1, : gewin 1910, 1, : sin
2145, 1 und schliefslich : künegin 656,3. das femininsufQx -in
zeigt nämlich im Nib., sowie -lieh und -rich^ wechselnde quan-
tilät, was in mhd. dichtwerken widerum sehr häufig ist. zumeist
ist das Suffix lang, aber durch 558, 1 (: hin) und 352,3. 1170,1
(; $in) ist die kürze bewiesen, wir kOnnen also auch für dar in:
künegin 656, 3 mit beruhigung die kürze ansetzen, so lange in
nicht durch sichre bindungen mit länge (: -iin, sin inf. und pron.,
mtn, din usf.) bewiesen ist. schon aus diesem gründe bietet
Lachm.a lextgestaltung 2230 {gegen in : gesin) keinen rechten vor-
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 31
tdl in der ricbtung, io der LachmaDD ihn sucht, denn auch das
prtpositionaladv. tu gäbe zu gesin für die Nib. eineu uureiueQ
reim tod kOrze auf länge oder eine sonst unerhörte form. Lach-
mann schreibt zwar 602, 1 ze der kemendten in (:min), aber
dieses in ist wider conjectur, es steht in keiner hs., auch nicht
in Ay das vielmehr ein sinnloses ze der kemendten sin schreibt,
während, wie schon Bartsch hervorhob, die classe B mit ihrem
u der kemendten din jedesfalls das echte erhalten hat.
Setzen wir also für die Nib. an : gelich und i'es/IcA Jang, -lieh
aoceps, -rieh anceps, -in anceps, adv. in kurz, so bleibt, wenn
wir Ton den in Verhandlung stehnden wider in und gegen in :
sin absehen, nur noch 6ine stelle übrig, deren reim von einigen
für eine bindung von i : I im Nib. in anspruch genommen wor-
den ist. es sind die oft besprochenen verse 1494, If aus Lach-
manns xiv lied. da heifst es von dem Fährmann, der von Hagen
ans andre ufer herübergelockt und dann im streit erschlagen wird,
worauf Hagen in dessen schiff allein über die Donau setzt, nach
Lachmanns text : Ouch was der selbe schifman niuHch gehit.
Diu gir ndch grözem guote vil bcßsez ende git. Hagen hatte den
föhrmann ua. dadurch, dass er ihm eine goldene armspange als
lohn für seine dienste versprochen hatte, bewogen, mit seinem
kabn zu ihm herüber, in sein verderben, zu rudern, darauf be-
zieht sich die zweite zeile der Strophe, die erste aber bliebe uns,
da von der frau des fährmanns sonst nirgends die rede ist, ein
rätsei, erzählte uns nicht die I^idresksaga cap. 365, dass der fäbr-
mann eine junge, gehebte frau gehabt habe und für diese das
gold gewinnen wollte, schon WGrimm in der Heldensage s. 128
und darnach Lachmann zu 1495 verwiesen für die in den text
gesetzte la. auf die t^idrekssaga , s. auch Döring Zs. f. d. ph.
2, 25. 72. 272, Raszmann Niflungasaga s. 27 und 140. aber niu-
lieh gehit steht nur in einer hs. des gemeinen textes, in der
bs. B, während Dbl und auch A, sowie *C, dafür müelich oder
vil müelich gesit schreiben, mit einem unreinen reim von t auf I
vor t, Bartsch, der in der Obereinstimmung von ^C'mit mehreren
bss. der Vulgata das alte original zu erkennen glaubte und nach
anreinen reimen im Nib. ohnedies hungerte, liefs sich dieses
müalich gesite^ git natürlich nicht entgehn : er verteidigte es
in den Unters, aao. und nahm es in seiner ausgäbe in den text
von B und C auf (B 1554, 1). andre Verteidiger dieser lesung
32 ZWIERZINA
kano icb füglich ttbergeho. schärferer blick und feineres ver-
stUndnis bewahrte Lachmann vor dem gleichen fehler^ denn auch
ihm hatte bei blofs mechanischer anwendung seines textkritischen
princips es nahe liegen müssen, wie Bartsch zu lesen, da die
von ihm zu gründe gelegte recension A, aus der seines erachtens
der text aller andern Nib.-hss. abzweigte, ebenfalls die von Bartsch
verteidigte la. bot und sie noch dazu mit den meisten andern
mss. teilte, aber welcher Schreiber — und es handelt sich hier
tatsächlich um einen simplen Schreiber, da die classe B ja sowie
die classe C das angeblich richtige vil müelieh gesit ^ bringen —
welcher Schreiber hat je um einen unreinen reim zu beseitigen,
wie zb. Raszmann klipp und klar behauptete, aus verlorener
Volksüberlieferung ein altes motiv neu aufgegriffen, in den rich-
tigen Zusammenhang (vor die erwähnung der habgier^ deren er-
klärung es tringt) gestellt, dabei keinen vers und keinen reim
hinzugelan noch entfernt und dazu noch den sprunghaften, blofs
andeutenden ton gerade dieser, von sage und volksüberlieferung
reich durchtränkten partie seiner ^vorläge' (s. Henning Nib.-stud.
s. 1250 so verständnisvoll nachgeahmt? wenn wir die beiden
laa. : Ouch was der selbe verge (vil) müelieh gesit und Oueh was
der selbe verge niulich gehit neben einander legen und betonen,
dass eine derselben schreibermache sein muss, so gibt es keine
wähl : niuHch gehit muss echt sein, und unsre auffassung der
Überlieferung hat sich damit abzufinden, da auch ich in A eine
classe sehe, die *B gegenüber vor allem im Strophenbestand das
ursprünglichere bewahrt hat, so bleibt mir nichts andres übrig,
als zufällige Übereinstimmung mehrerer hss. anzunehmen, der
text *C mag auf eine hs. von *B zurückgehn, die schon die
falsche la.- zeigte, jedesfalls aber ist das zusammentreffen von *A
und Dbl ein zufälliges — denn dass wir in A eine mischhs. zu
sehen haben, müste erst vollständige und eingehnde unter-
^ derartige adjectivbildoogen wie gesite, welches zu der zeit in hd.
gegend zu den kuhnereo seiner art gehörte, liebt der stil der Nib. ebenso-
wenig wie Wolfr. (s. oben s. 5) : getite ist nur bei Golfr. und Konr. ein
lieblingswort, im Nib. find ich aurser den allgemeinen gemuot und gevar,
die auch bei Wolfr. naturlich nicht fehlen, nur gehazy getriuwe (auch Wolfr.)
und gevriunty welche drei zusammen eine art gruppe bilden und der spräche
der lyrik entnommen sind, von der, wie wir heute hauptsächlich durch
Kettner wissen, die spräche der Nib. ja stark beeinflusst wurde.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 33
ftochuDg erweisen K hier scheiot mir zufKliiges zusammentreffen
im gleichen fehler sehr gut möglich, der anlass zur äo-
dtfong der Schreiber ist ja klar : die ihnen ganz unverständ-
liche, versprengt und unpassend scheinende andeutung über
des ftfarmanns junges weih, vielleicht auch der schon alternde
ausdruck ^U^. wollten aber die Schreiber ändern, wie
konnten sie anders vorgehn, als sie taten? sie suchten es sich
ja doch immer möglichst leicht zu machen, recht viel von dem
in der vorläge gegebenen abzuschreiben und mühelos dem zer-
störten reim aufzuhelfen, ohne genötigt zu sein, auch den zweiten
vers neu zu reimen. niuliA und müelick geben genau dasselbe
Schriftbild, darüber ist kein wort zu verlieren; das adv. und das
verbum subst., das ihm vorangeht, verlangt für das zu ändernde
reimwort ein adj. oder ein particip, etwas andres ist unmöglich,
nzw. ein adj. oder ein particip, das auf gü reimt, gut oder schlecht,
rein oder unrein, es gibt kein andres wort, das diesen
bedingungen entspräche, als gesitj selbst abgesehen davon, dass
das gesuchte reimwort ja auch noch einen halbwegs anständigen
sinn geben sollte, so kamen von den Nib.-hss. mehrere zu dem
gleichen fehler, nur d, das eine syntaktische und reimtecbnische
Unmöglichkeit nicht scheut, weicht in seiner änderung ab, weist
aber eben mit ihr noch deutlich auf das echte, d schreibt Ich
weiz der selbe verge nitdick gesdiihi, die genuine la. hat nur B
erhalten.
Es bleiben also im ganzen Nibl nur die beiden in ('eum'
und ^iis*) : sin, von denen wir ausgiengen, als die einzigen bin-
dungen von lang auf kurz i. Lachm. hat zur stütze des einen
beispiels, wie wir hörten, ähnliche reime aus Kl. und Bit. heran-
gezogen, aber diese beiden gedichte weichen in ihrer reimtechnik
von den Nib. durchaus ab; sie zeigen vor allem auch andre t : I
als die im reim auf pron. in (zb. sin subst. ; min Bit. 6909,
s. Jänicke s. viii), können also zur stütze eines verdächtigen reims
^ womit ich uicht sagen will, dass mich dieser erweis besonders über-
nsckeu würde.
' £Schröder macht mich jetzt darauf aufmerksam, dass geh£l früh-
zeitig (noch froher als minne) einen obsconen sinn bekam und von Schreibern
daher oft ausgemerzt wurde, er verweist mich auf die laa. zur Kehr. 1178.
9688. 11375 und auf das DWb. s.v. geheien, ich bemerke noch, dass auch
das Wort hfräi im Greg,, so oft es vorkommt, von den hss. IK geändert wird.
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXU. 3
34 ZWIERZINA
der Nib. nicht verwendet werden ^ es werden aber vielleicht
viele ein bedenken gegen zwei reime von t auf f vor n in einer
dichtung, die in hunderten von fallen -an : -an bindet, gering
anschlagen und es als Verdachtsmoment gegen die dahingehnde
Überlieferung nicht gelten lassen wollen, sie täten unrecht, ein
solches Verdachtsmoment zu unterschätzen, wir wissen heute,
dass Wolfr.^ da das t fremder uamen nicht mitzählt, niemals t
auf I oder u auf A gereimt hat, obwol er noch viel öfter und
sorgloser als die Nib. es tun a mit (f, e mit i gebunden hat.
und ebenso liegen die Verhältnisse bei Wirnt (s. oben s. 22), bei
dem das einzige zohelin : under in 7430, wo das I in einer ab-
leitungssilbe, die sich später oder in andern gegenden zu e
schwächte, steht, kaum eine ausnähme constalieren lässt. auch
die Kindh. Jesu und noch der MHelmbr. zeigen neben vielen
a:ä kein einziges i : i, ebenso Krone, Ortn., Wolfd. AB, DFL,
Rabenschi, und Renner, auch das gedieht, das wir wol vor allen
zur vergleichung heranziehen werden, die Gudrun, lässt dieselbe
scheu erkennen : -an : -an ist in der Gudr. so häufig als im Nib.
(s. Gudr. 87, 1. 123, 1. 140, 1. 151, 1. 177, 1. 211, 1. 225, 1.
292, 1 usf.), sie reimt sogar dar : jär (1090, 1), was im Nib.
nicht vorkommt, aber niemals reimt sie t : I. der grund, der sorg-
fältige bair.-Osterr. und ostfränk. dichter gerade von dieser bindung
zurückhielt, braucht ja nicht erst auseinandergesetzt zu werden.
wider in und gegen in : sin stünden aber auch noch in an-
drer hinsieht im Nib. ganz vereinzelt da. und hier komm ich
zum hauptpunct dieser meiner ausführungen. es wäre nämlich
nicht nur auffällig, dass pronominales in 2 mal auf lin reimte, son-
dern dass dieses in nur auf sin reimte, im ganzen Nib. näm-
lich findet sich sonst kein in, sei es ^eum' oder Mis', noch im
gereimt, und sehen wir weiter zu, so finden wir auch kein «r,
kein 5t, weder *ea' noch 'eam, ii, eos, eas', kein ich und kein ir,
sei es sing., sei es plur. , endlich auch, was allein zufall sein
kann, kein du und wir gereimt, von ez und eSy die ja in der
gesamten litteratur des 13 jhs. nie im stumpfen reim erscheinen,
ganz abgesehen, nur min mir mich, din dir dich, sin sich werden
als reimworte verwendet, wir brauchen uns um die Ursache
dieser erscheinung und den zweck dieser Übung zunächst gar
* in Kl. und Bit. auch 'är : -dr, -ort: -ort, -agen : -aben (Kl. 1667,
8. Is., Bit. 8567), e : e vor t usf., was alles den Nib. A und B fremd bleibt.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 35
nicht zu kQmmern. abläugDen wird mao sie nicht kOoneD und
auch von ^zufair zu sprechen wird sich verbieten, reimnot wurde
Ton Bartsch fflr das fehlen der reime auf st als Ursache behauptet,
der aus diesem fehlen auf 5^ mit kürze schloss, als auf die dann
freilich nicht reimbare form des pron. aber wir werden si nicht
Yon er trennen können und er nicht von in und im, und idi
ükhl von ir und wir. und wer ger sper her reimen konnte,
koonte auch er reimen, wer sin hin bin gewin reimen konnte,
konnte auch in reimen, und auf ich und ir gab es nicht weniger
reime als auf mich dich und mir dir. dass die erscheinungen zu-
sammenhangen, zeigt auch folgende erwägung : Rl. und Bit. zeigen
m sehr oft im reim (s. oben s. 28 u. 29 anm. 1, dazu noch in : -Xn
KL 1072. 1471. 1511. 1999. 2068), aber dann auch ich (Kl.
391), ir (Kl. 1729), im (Kl. 25) und sie (Kl. 438. 623, beispiele
fQr den Bit. s. Jänicke s. xii). die Nib. weisen viel mehr stumpfe
reime auf als Hartm.s Iw., aber dort finden wir ich 31 mal, wir
Imal, du 2mal, ir 17mal, er 12mal, si lOmal und in sogar
52 mal gereimt, also im ganzen 125 solche reimende pron., von
denen das Nib. nur zwei aufweist, zwei in^ die, bei schwanken-
der Oberlieferung, zu gleicher zeit beidemal die vereinzelt blei-
bende bindung von t : I ergeben und von denen eins (2230, 3),
behalten wir es bei, uns directen unsinn zu lesen gibtl
Vergleichen wir aber nicht den Iw., sondern die Gudr. und
den Alphart mit dem Nib., so finden wir dort genau dieselben
Verhältnisse wie hier, unter den ca. 3400 stumpfen reimen der
Gudr. findet sich kein einziges in, sowie kein er, si, ich, du, ir, wir
oder im, ebenso keins im Alph. das ist doch ein deutliches zeichen,
dass nicht der blinde zufall waltet, sondern die gesetze des Stils
oder der metrik dieser strophischen gedichte, ein ganz bestimmtes
gnindprincip. die existenz eines solchen lässt sich auch anderwärts
erkennen, und von dieser seile will ich es zunächst beleuchten.
Es ist m. w. noch nicht bemerkt worden, dass er und $i
lü Hartm.s Greg, und er auch im aH. nicht reimen, während
sowol der Er. als der Iw. zahlreiche reime mit diesen prono-
minibus bilden, er reimt im Iw. 12 mal, im Er. 18 mal, st reimt
im Iw. lOmal, im Er. 11 mal und Einmal im aH. dass hier blofs
der Zufall seine band im spiele hat, halt ich für ausgeschlossen,
da erstens das fehlen von er im reim gleichzeitig von dem fehlen
des correlaten si im reim begleitet wird und weil zweitens er
3*
36 ZWIERZINA
und «I sehr leicht reimbare, in den zusammenhaDg sich überall
leicht einfügende worte sind, nun geht dieses fehlen von er und
si band in band mit einer andern erscheinung, die ebenfalls, ich
halte natürlich an der Chronologie Er. Greg. aH. Iw. fest, jene
wellenförmige linie vom Er. herab zum Greg, und vom Greg,
wider aufwärts zum Iw. erkennen lässt.
Saran hat in seiner dissertation Hartmann von Aue als ly-
riker s. 46ir (vgl. auch Beitr. 24^ 440) darauf aufmerksam ge-
macht, dass in bezug auf die Verwendung von beschwerten
hebungen Er. und Iw, näher zusammenstehn, während Greg, und
aH. sich von der Übung in diesen beiden epen wesentlich unter-
scheiden, ini Er. finden sich die meisten beschwerten hebungen,
im Iw. etwas weniger als im Er.^ im Gi'eg. und aH. aber die
wenigsten, inwieweit diese beobachlung zu specialisieren und
einzuschränken ist und weshalb ich sie zur aufstellung einer chro-
nologischen reihenfolge Er. Iw. Greg. aH. für gänzlich ungeeignet
halte, ja wie sie mir zu stützen scheint^ was Saran durch sie als
falsch erweisen will, darüber werd ich in nr 13 dieser Studien
rechenschaft geben, jedesfalls aber ist die tatsache, die ich bis
ins einzelne nachgeprüft habe, nicht zu läugnen. die rhythmik
des Greg, und des aH. zeigt also mit ihrem regelmäfsigeren
Wechsel von hebung und Senkung eine annäherung an die rhythmik
der lyrischen Strophe — so fass ich die erscheinung — , die im
Er. noch nicht statt hat, im Iw. aber wider aufgegeben, wird,
wichtig ist mir, dass schon der schluss des Er. und noch der
anfang des Iw. ungefähr auf dem standpunct des Greg, und aH.
stehn und dass die beiden letztgenannten gedieht« widerum in
ihrem spätem verlaufe dem rhythmischen princip, das die auf ein
einsilbiges wort oder auf die letzte silbe eines mehrsilbigen
fallende beschwerte hebung zu meiden trachtet und das zu an-
fang des Greg, seinen hohepunct erreicht, allmählich den rücken
senden, eine abkehr, die sich erst im Iw. vollständig durchsetzt.
Eine ähnliche beobachtuug lässt sich machen, wenn wir das
Verhältnis klingender und stumpfer verschlusse in den verschie-
denen gedichlen Hartm.s ins äuge fassen. RochendOrffer gibt
Zs. 35, 291 als procentzahlen der klingenden reime an : Er. 31,
Greg. 36, aH. 33, Iw. 27. die zahl für den Er. ist zu recti-
ficieren. hier hat uns KochendOrfler zu sagen vergessen, dass er
vom Er. nur die ersten 5000 verse durchgezählt und das resultat
HITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 37
daoD aaf das ganze gedieht übertragen hat. für die ersten
5000 Teree ist die procentzabl in der tat ca. 31 (dh. 30,82), für
Y. 5 — 10135 aber stellt sie sich beträchtlich hoher, auf 35,1.
das ergibt fürs ganze epos etwa 33 ^/o- jenes anwachsen klingen-
der schlösse, das der Greg, zeigt, macht sich also schon im ver-
biif des Er. bemerkbar und die zweite hälfte des Er. steht so
ziemlich genau auf derselben stufe als der Greg, dies geht so-
weit, dass die letzten tausend verse des Er. und die ersten
tausend des Greg, die höchste procentzahl klingender reime zeigen :
Er. 9135 — 10135 finden sich deren 390, Greg. 1—1000 (kleine
aosg. Pauls) 396. Greg. 1000—2000 zeigt dann nur mehr 332
Greg. 2000—3000 330 und Greg. 3000—3984 ^ wider 380, ein
aaschwelleD, das die zifier der ersten tausend verse nicht erreicht
und das zufall sein mag, da das abschwellen sich im aH. (33 ^/o)
fortsetzt und im Iw., innerhalb dessen die klingenden reime sich
fast ganz gleicbmäfsig ferteilen, bis zu 27 ^/o fortschreitet das
sind also ganz genau die gleichen Zahlenverhältnisse, wie ich sie
ans den procenten für beschwerte hebungen unten nr 13 aus
Sarans eigenen tabelien exemplificieren werde, nur dass dort der
höhestand des Er. im Iw. nicht mehr ganz erreicht wird, wäh-
rend hier der tiefstand des Er. vom Iw. dann noch übertroffen
erscheint, aber der schluss des Er. steht hier wie dort mit dem
aofang des Greg, zusammen und der aH. lässt gleichfalls schon
deutlich die abkehr von der technik des Greg, und der letzten
Partien des Er. erkennen, wie sie im Iw. dann am deutlichsten ist.
Und nun lassen sich ähnliche beobachtungen auch für die
Verteilung von er und si auf die reime der verschiedenen epen
Hartm.s machen, erstens : si erscheint bereits im aH. 325 wider
im reim, nachdem sich der dichter dieses wortes im Greg, an
dieser stelle ganz enthalten hatte, also die abkehr von dem
princip, das Hartmann im Greg, befolgt, nimmt schon vor dem
Iw. ihren anfang. das ist von bedeutung, da es den schluss auf
die Chronologie Iw. Greg, verbietet, denn Gott sei dank hat we-
nigstens den aH. noch niemand vor den Greg, angesetzt, zwei-
tens : er verschwindet bereits aus den letzten dreitausend versen
des Er. bis auf einen rückfall. bis v. 5000 des Er. haben wir
> es ligt mir natärlich ferne, so wie Saran in seinen tabelien (Beitr.
24,46), die schreiberverse von E hinter 1149 und 3431 mit in die berech-
nong ZQ ziehn and den Greg, mit 4006 versen anzusetzen.
38 ZWIERZINA
11 er im reim (1178. 2332. 2508. 2652. 2694. 3080. 3874.
3920. 4106. 4654. 4629*'), im sechsten und siebeDteo tausend
noch 6 (5382. 5502. 6404, 6704. 6864. 6892), das macht 17 er
für 7000 verse. wir sollten also bei gleichmäfsiger Verteilung,
wie sie in diesen versen des £r. doch ziemlich deutlich hervor-
tritt, dann für v.7000 — 10135 mindestens 7 er erwarten, anstatt
dessen finden wir 6ins : 8962, was also der Sachlage im Greg.
0 : 3984 schon sehr nahe kommt ^. drittens : dieses selbe, er wird
nicht wie si schon im aH. wider zu gnaden aufgenommen, son-
dern es fehlt noch im aH., es fehlt aber auch noch in den reimen
der ersten ca. 2000 verse des Iw. das erste beispiel im Iw.
steht 1937, das zweite bald darauf 2035, diese zwei beispiele
bleiben in der ganzen ersten hälfte des Iw. noch vereinzelt und
erst in der zweiten hälfte des gedichts, von v. 4000 ab herscht
er wider unbeschränkt und verteilt sich gleichmäfsig ttber die
reime : 4021. 4179. 4485. 4697. 5025. 5321. 5947. 6333. 6367.
7763. nachdem also im Greg, und aH. (zusammen ca. 5500 verse)
er aus den reimen ganz verschwunden war, zeigt die erste hälfte
des chronologisch zunächst folgenden werkes, des Iw., 2, die
zweite 10 reimende er. viertens : sowie der Iw. trotz seiner
merkbaren reaction gegen die ttbung des Greg, nicht mehr die
hOchststufe an beschwerten hebungen der art, die Saran mit W
bezeichnet \ erreicht, wie sie im Er. vorligt, so jerhebt sich auch
der Iw. nicht mehr zu jener Vorliebe für er als reimwort, wie
sie Er. 1 — 7000 aufweist, dort sind unter 20 reimpaaren auf
'ir 17 mit er gebildet, also 85<^/o, hier v. 1—4000 nur 2 unter
10, also Vs« V. 4— 8156 10 unter 18, also wenig mehr als die
hälfte. dies tritt um so deutlicher hervor, als formwOrter, darunter
vor allem die persönlichen, unpersönlichen und demonstrativen
pronomina, im Iw. (und aH.) viel häufiger in den reim gesetzt
^ die gleichung wird noch deutlicher, wenn wir in betracht ziehen,
dass Er. 1—7000 17 unter 20 reimpaaren des typus -er mit dem pron. er
gebildet sind, während 7000 bis schluss nur ^in reim mit er auf 4 reim-
paare seines typus kommt, dies zeigt auch, dass das fehlen des er im reim
nicht auf den mangel an reimworten zurückzufahren ist in dieser hinsieht
ist es auch interessant, dass im Greg. 5 reimpaare des typus -er vorhanden
sind, darunter 2 mit der, das nun das verpönte er einigermafsen ersetzen
soll und das im Cr. fehlt.
' db. die beiden aneinanderstorsenden hebungen sind nicht zwei silben
^ines wertes (S), sondern zwei verschiedene worte.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 39
werden als im Er. (und zt. im Greg.), wir findeD ich im Er. 16,
im Iw. 31 mal, mticft dich sich im Er. 42, im Iw. 69 mal, wir im
Er. 0, im Iw. Imal, du im Er. 0, im Iw. 2 mal, dir mir im
Er. 17, im Iw. 28 mal, ir im Er. 10, im Iw. ITmal, in im Er.
17, im iw. 52 mal, im ganzen also diese pron. im Er. 102 mal;
doppelt so oft, 200 mal, im Iw., uzw. absolut doppelt so oft, was
rdativ för den weniger umfangreichen Iw. noch viel mehr be-
deoiet. ich glaube in dieser fortschreitenden bevorzugung von
Partikeln und pronominibus im reim eine bestimmte entwicklung
der hofischen reimtechnik wahrzunehmen i; um so bedeutungs-
voUer erscheint es uns dann, wenn er und si aus dieser ent-
wicklung herausfallen, er und si sind die zwei einzigen pron.,
deren reimbelege für den Iw. kleinere zahlen zeigen als für den
Er. : er Er. 18, Iw. 12; si Er. 11, Iw. 10.
Eine ähnliche abneigung gegen er und sl, wie im Greg.,
Issst sich auch im Trist, erkennen. Gotfr., der, wie die obige
anm. erkennen lässt, die Vorliebe für reime auf ir und in, mir
und mtcft usf. noch viel weiter treibt als Hartm., setzt si nur
3 mal in den reim (Imal, 12172 den asf. als sie/ ein andres mal,
11417 etizwischen si apln. :si nsf. in rührendem reim) und er,
das in vier fünftein seines gedichts ungemein häufig und ganz
gleichmäfsig verteilt ist, schwindet aus den letzten 6000 versen
fast gänzlich, er reimt : 451. 589. 1103. 1355. 1985. 2101.
2117. 2577. 2895. 2909. 3705. 3801. 4261. 5891. 6237. 6759.
7315. 7675. 8349. 8383. 8523. 8934. 9211. 9225. 9325. 9799.
10137. 10667. 11133. 11753. 12005. 13123. 13395. 13535.
13587 (man sieht, es ist kein tausend verse mit einer null ver-
* ich habe auf diese erscheinong, die sicti aach bei Wolfr. widerholt,
ichoo BeobachtDDgen s. 440 hingewiesen and dort geltend gemacht, dass
(fiese manier, den reim durch formworte tragen zu lassen, in der technik
des 13 jhs. als besondre feinheit gegolten habe, 'je weniger gesucht das
wort war, welches reimte, desto weniger gesucht klang auch der reim'.
dBeser 'fortschritt' der reimtechnik, wie er sich vom Er. über Greg, zu aH.
■nd Iw. erkennen lässt, setzt sich dann bei Gotfr. fort, im Trist, nehmen
die reime auf pron. einen noch viel gröfseren räum ein als im Iw., bis die
Sache scblielslich von den nachahmern Gotfr.s übertrieben und verdorben wird :
bei Rad. vEms machen die reime auf pron. person., imperson. und possess.
hat ein Tiertel aller reime aus, was auf uns als peinlichste reimarmut wurkt.
* an reim Worten hätte es nicht gefehlt, es reimt da her 14705. 16043.
16049. 16141. 18277. 18871, der 14705. 16841. 16295, sper 16043. 16049.
16141. 18871, ger, subst. 16841, wer, verb 18277, enber 18587.
40 ZWIERZINA
treten), dann nur mehr 16295. 18587. also v. 1 — 5000 : 13,
V.5— 10000 gaoz genau 13, v.lO— 13587 : 10, v. 13588— 19552
(ca. 6000 versel): 2*.
Warum aber wurde er und H von Hartm. und Gotfr. anders
behandelt als tr und in, ich und mich, dA und didi usf.? fOr
si könnte man daran denken, dass dem dichter bekannt geworden
war, dass hier doppelfortnen bestanden, sogar bei manchen dich-
tem verschiedene formen für verschiedene casus ^, und dass er
^ im Wig. fehlt si im renn, er ist häufig ; 309. 412. 519. 1415. 1872.
2292. 3907. 5033. 5069. 6249. 6424. 6595. 6621. 6700. 6861. 7350. 8516.
10498. 11073. 11120. 11239. 11325. dagegen ist er im vergleich zu den
vielen reimmöglichkeiten und za sie und in im reim ganz aufTallend selten
bei Wolfr. (6 mal im Parz., Imal im Wh.), bei Reinbot (nur Geo. 6273);
in der Kindh. Jesu fehlt es im reim, die deshalb schon nicht vom selben
Verfasser sein könnle als Himmelf. oder Urst., wo er sehr häufig reimt. .
^ nur die wenigsten dichter kennen, so wie Hartm., si als form für
alle casus und geoera des pron. (nsf. Iw. 341. Er. 5754, asf. Iw. 107.
1425. 2053. 5183. 5887. 7953. Er. 8262. 9568. aH. 327. Bnchl. 131. 615.
1521. 1545, nplm. Er. 2092. 3186. 7102, aplm. Iw. 103. Er. 2670. 5024.
6616. 8154, napln. Iw. 4857. Er. 7116). von den von mir daraufhin unter-
suchten dichtem des 13 jhs.- kein einziger, bei Freid. findet sich zwar nie
sie und nur tf, das prou. ist aber nur Imal/ör nsf. belegt (100,8), ebenso in
d. Minnelebre nur nsf. i^ 1171. 2177. sie für alle formen, die sie belegen,
zeigen Wolfr. (asf. Parz. 104,25. 272,27. 329, 15. 403,1. 438,19. 504,29.
522, 15. 640, 21. 672, 27. 698, 3. 713, 29. 724, 17. 814, 13. 818, 7. Wh. 153, 25.
159,17. Lied 8, 13, nplm. Parz. 353, 11. 502,29. 676, 17. 681, 1. 740,25.
Wh. 278, 9. 297, 3. 396, 9. 421, 18. a plro. Parz. 99, 5. 769, 29. 798, 17. Wh.
15, 19. 37, 27. 130, 49. 180, 27. 250, 21. 269,11. 286, 25. 307, 29. 321, 7.
328,3. 337,29, aplf. Parz. 282,15. 641,3, napln. Parz. 344,7. 679,23.
786,29. der nsf. und nplf. ist unbelegt, ersterer doch wol nicht nur zu-
fällig), Ulr. vTfirh. (asf. Trist. 534, 7. 541, 7. 565, 1. 568, 27, nplm. Trist.
525)1. Renuew. Pf. üb. 43,118, aplm. Trist. 586, 13, der nsf. ist auch hier,
soweit Ulr.s werke gedruckt sind, nicht belegt), Kindh. Jesu (asf. 311.
552, «r897 ist unecht, nplm. 1272. 2272. 2880), Urst (nplm. 105,31.
119,34, aplm. 108,40. 115,43. 121,77), MHimmelf. (asf. 503. 647, nplm.
770), Geo. (asf. 2555.4237), Klage (aplm. 438. 623), B i t. s. Janicke s. xii,
Mor. vGr. (asf. 1213. 1521. 1735, aplm. 921. 1057), gPrau (asf. 246.
414. 1992), Herb. (asf. 2529. 8427. 17656, aplm. 14701). die dichter
mit wechselnden formen wurden von Sommer zu Flore 49 besprochen:
Fleck selbst belegt si för den nom. und auch für den acc. sing. fem. (die
belspiele s. bei Sommer aao.), Wetzel sie nsf. 1099, s( asf. 220. 937,
pluralformen sind unbelegt, Rud. #r im asf. {gGtth. 3313. 4699. 6009.
Bari. 149, 5), der nsf. ist wol zufallig, denn im Bari, wenigstens spielen
franen nur eine kleine rolle, in den gedruckten gedichten unbeiegt, sie im
plur. (nplm. gGerh. 3429. Bari. 115,1. 244,1. 270,27. 285,5, nplf.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 41
aus diesem gründe es später mied, seine form dieses proD.s zu
reimen, noch später wäre Hartm. daDo, sowie für mac, s. Kraus
AbhandloDgeD zor germ. phil. s. 151, wider von diesem bedeokeu
abgekommen, aber da Hartm. zugleich mit gt auch er im Greg,
meidet und daoo wider aufnimmt, kODueu wir doch beide er-
scbeinaiigeD nicht trennen, und fQr er träfe die obige erklärung
sieht lu, denn auf nd. formen scheinen die hd. dichter nirgend
rflcksicht genommen zn haben, dies gilt auch für Gotfr., bei
dem d» zarftekweicben des er in den letzten 6000 versen des
Trist, doch kaum eine bewuste oder unbewuste laune gewesen
sein wird.
Die frage bleibt also : warum wurde er und si von Hartm.
und Goifr. anders behandelt als n* und in, ich und mich, du und
dkk usf.? ich erinnere daran, dass es seit Lachmanns ein-
schlägiger obserration bekannt ist, dass kein mhd. dichter des
13 jbs. ez und es (:dis, we$, -esl) in den reim setzt und dass
Ladunann dies dem umstand zuschrieb, dass der vocal dieser
beiden partikdn dem endsilben*e zu nahe stand, nicht für voll
genug galt, um für den stumpfen reim auszureichen, in Hartm.s
Greg, und exceptis excipiendis im Trist, wurden sl und er dem
ex und es zugesellt; in den Strophen des Nib., der Gudr. und des
Alph. aber reicht auch der ton von idi ir in tm, den pronominibus
mit, wie Lachmann sich ausdrückt, schwachem vocalanlaut, nicht
aus, den reim zu tragen, die genet. min (Nib. 1296,2. 1232,2.
2026, 3. 2127, 3. 2308, 3, Gudr. 259, 2. 363, 1. 1432, 2) und Hn
(Nib. 759,2), die acc. mich (Nib. 159,3. 797,3. 1837,2. 1921,2.
i960, 4. 2276, 2, Gudr. 1278, 1), didi (Nib. 159, 3. 797, 3. 1664,3.
1960, 3, Gudr. 1278, 1, Alph. 203, 2) und eich (Nibw 887, 4.
2297, 4), die dat. mir und dir (Nib. 844, 1. 2095, 1, Gudr. 1381, 1.
1619, 1) reichten für den reim aus.
Bari. 90, 3, aplm. gGerh. 1785. 2795. 4263. 4879. 4961. 5703. 6223. Bari.
58, 5. 109, 19. 262, 29. 265, 31. 401, 19), Stricker und Ulr. vZatzikh.
sagen stu im nsf. (Dan. 8304. GA. 46, 157; Lanz. 6653), sie \n den flbrigen
falleo. Dar ist der asf. im Lanz. nnbelegt (asf. Dan. 1977, nplm. Dan. 2633.
4765. 5445. Karl 203. 767. 6005. 6473. GA. 52,35. Hahn xii611; Lanz.
847. 3610. 3819. 5509. 7479. 9059. 9225, aplm. Dan. 257. 2453. 4983.
Kari 625. 4073. 4817. 5949. 6301. 6831. 6959. 7515. 9773. Am. 878. 1191.
Pf. ob. 2, 50; Lanz. 4503. 5913. 6715. 6913). in der Krone reiml si, asf.
5072. 7791. 23027, sie, ebenfalls asf. 20986, sie, aplm. 12382. 18877. im
Wig. fehlt si im reim, fflr Gotfr. s. oben im text.
42 ZWIERZINA
Dass es dasselbe princip ist, welches hier im Greg, und am
scbluss des Trist, und in den Nib.- und Godr.-strophea waltet,
machen mir folgende beobachtungen wahrscheinlich : er, das im
stumpfen reim im Greg, und aH. durchaus, sichtlich aber auch
in den letzten 6000 versen des Trist, und zu anfang des Iw.
gemieden wird, weil meiner ansieht nach seine vocalqualität nicht
für ausreichend galt, findet sich in diesen selben gedichten und
Partien ohne scheu in der enklise gereimt : hater : vater Greg.
2115, aH. 567. 641. 961, fnohter : tohter Greg. 909, aH. 591,
ebenso Trist. 15704 und vander : ander Trist. 14353. 18199.
18881. auch ez und es, die niemals reimenden, sowie ir, in und si,
die nur in den strophischen Nib., Gudr. und Alph. nicht reimen,
kommen bekanntlich in- und aufserhalb des reims nach dem verb
und nach pron. in enklise vor (huote ir : muoter Er. 10118, muoz:
tuoz Trist. 1505, erUuxBten iuf. : entncBte in Trist. 8271, geslahen:
sah in Trist. 10257, brüsten : kuste in Er. 9112, Trist. 14160,
bereiten inf. : seite in Trist 13437, tnirz : irz Iw. 8013, hirz : mirz
Trist. 2811. 2819, vgl. auch mirs : Urs für mir si oder mir es
udglm.) und wurden deshalb, wie ich glaube, in gewissen rhyth-
mischen Systemen als für den stumpfen reim ungeeignet erachtet^.
min mir mich usw. werden niemals incliniert, sie werden auch
nirgend im stumpfen reim gemieden, und jetzt wird man auch
einsehen, warum ich darauf gewicht legte, dass die verschiedene
bewertung von er und si für die reimstellung bei Hartm«, all-
mählich auftauchend und allmählich verschwindend, mit einer
Schwenkung seines rhythmischen princips band in band geht:
mehr klingende Schlüsse, strenger durchgeführter Wechsel zwischen
hebung und Senkung, vor allem einschränkung der W Sarans, mit
einem worte gröfserer singsang. letzteres moment nähert die
rhythmik des Greg, der rhythmik der lieder und Strophen, und
in den in einer lyrischen Strophe abgefassten, nicht nur metrisch,
sondern auch in stil und formel der altern lyrik nahestehnden
hauptgedichten unsrer mhd. volksepik sehen wir, nur noch durch-
^ nun wird es sich leichter begreifen, dass es bestimmte gedichte
gibt (zb. Bit. und Kl.), in denen diese Wörter im reim nur in präpositional-
Verbindungen, nie aber als obj. oder subj. hinter dem präd. resp. hinter
dem pron. erscheinen, hinter der präp. haben sie mehr ton und werden
nie incliniert. ich verweise auch auf die belege für in aus Roth, und Rol.
in der folgenden anm.
HITTELBOCHDEUTSCHE STUDIEN 43
greifender und consequenter , dieselbe abneigUDg erscheiDen,
schwachvocalische, ev. incÜDierbare pronomina stumpf zu reimen,
die bei Hartm. die bestimmte wenduDg seiner rhythmik begleitet K
hier ist auch der ort darauf aufmerksam zu machen, dass im Nib.
&e zahl der föile, wo zwei aneinanderstofsende hebungen ins
selbe wort fallen (Sarans S) und die zahl der ßille, wo diese
heboDgen sich auf zwei worte verteilen (Sarans W), in schreien-
dem misverhältnis zu einander stehn. wie zb. schon eine flüch-
tige durchsieht der bekannten ausfübrungen Bartschs über den
bau der achten halbzeile (Unters, s. 142 ff, die auf s. 107 ver-
zeichneten I^Ue von W sind aufserdem noch alle höchst unsicher)
lehrt, ist W ganz ungemein viel seltener als S im Nib., und es
ist ja gerade die geringe anzahl dieser art von beschwerten
hebungen, W, für die rhythmik des Greg, und aH. charakteristisch.
Hartni.s lieder stehn auf der stufe des Greg, sie zeigen
kein er und kein H im reim, auch kein *ea' und ^eam', sofern
man bei ihrem geringen umfang dem würklich bedeutung zu-
schreiben darf, aber unerwähnt woUt ich es nicht lassen.
Dagegen steht die ältere lyrik auf der stufe der Nib. aus-
schliefslich nur min mir mich usf. zeigen die lieder Rürenbergers,
des burggrafen von Regensburg und Rietenburg, Dietmars von
Eist (I, echtes und unechtes), Penis und Albr. vJohannsd. (s. MFr.
iO, 2. 18, 16. 19, 17. 38, 30. 84, 11. 88, 19). bei dem Sper-
vogel und bei Meinloh zeigt sich kein min mir mich usf., wol
aber under in (MFr. 13, 19. 24, 13. 29), uzw. nur dieses, nie in
^ man darf nicht glauben, dass es blofs eine altertümlicbkeit der technik
sei, wenn Nib. nnd Gudr. diese pron. nicht reimen, sondern den reim für
ToUtöneodere worte reservieren, denn in Roth. Rol. Alex. nsf. reimen viel
mehr pron. als in den Nib. wir finden im Roth, under tu 61. 581. 730.
1109, miUam in 399, Her gin6zte »ick in 1327; im Rol. er 1, 11. 18, 13.
29, 14. 75, 7. 175, 22. 226, 15. 257, 34. 279, 18. 307, 7, iu 8, 34. 137, 3,
tatder in 20, 24. 49, 14. 72, 9. 124, 21. 173, 25. 205, 27. 234, 7. 15. 18.
2^ 32. 281, 16. 292, 27, von in 234, 18, über in (asm.) 293, 19, si (immer :
Monsoy, das beweist für «te, s. Monsoy : viel 188, 19, :hie 160, 4. 278, 5,
:die 150, 21, nie Monsoy : »( <sit', 6t, frtl); im Alex, mit ime Str. 2331,
in, dpi. Str. 4601. 4659. 4817, mit ir Str. 6399, si Str. 5525. — ferner mach
ich darauf aufmerksam, dass es für meine auffassung der Sachlage spricht,
dass an den einzigen stellen, wo im Trist, si im reim steht,
beidemal auf dem si der gröste nachdruck des satztons ruht:
12172 Und gap in ir^ im sie Ein ander ze arzatte und 17417 Stn swert
bar enxwischen si; Hin dan lac er, her dan lao su
44 ZWIERZINA
nach verb oder proo., wozu ich auf die beiden voraDgehoden
aDmm. verweise, doch sind freilich auch die lieder dieser dichter
so wenig umfangreich, dass wir auf diese Übereinstimmung wenig
gewicht legen können : es muss uns genügen, dass sie nicht
widersprechen. Friedr. vHausen zeigt schon aufser min tnieh
(42, 8. 23. 46, 15) auch zwei ir (43, 8. 46, 15). später werden
diese pron. immer häufiger, jedoch er und auch si (I) bleiben
grofse Seltenheiten.
Und in diesem Zusammenhang kann ich noch eine weitere
beobachtung über den reimgebrauch von Nib. und Gudr. mit-
teilen, die, wenn nicht der schein trügt, auch im Greg., und
unter den werken Hartm.s nur im Greg, ihre parallele findet.
Nib. und Gudr. lassen nämUch gewisse ableitungssilben entweder
gar nicht oder nur unter bestimmten bedingungen im reim zu.
dazu gebort vor allem die subst.-ableitung -heit und die adj.-
ableitung -lieh, -heit findet sich in der Gudr. überhaupt nie im
stumpfen reim, in den Nib. nur 3 mal : 946^ 1 und 1242,3 reimt
geu)oneheü, 130, 1 höfscheit^. in Hartm.s Iw. findet sich an der-
artigen subst. gereimt : höftcheit, unhöfseheit, karkheit, kintheit,
kündekheit, Verlegenheit, manheit, unmanheü, miltekeit, müezekheit,
unmüezekheit, richeit, unsalekheit, schalkheit, geseliekheit, Sicherheit,
unstcetekheit, trdkheit, tumpheit, vaheheit, vrümekheit, wdrheit, ge-
warheit, unwerdekeit^ gewotüieit, ungewizzenheit, zageheit, sie reimen
95 mal. der unterschied springt wol in die äugen, sowie Hartm.
verhält sich auch Wolfr. man könnte sagen, dass die bildungen
auf "heit zum höfischen slil gehörten — dafür spräche, dass sie
im Er. etwas seltener sind als im Iw. — während sie dem stil
der volksepik nicht congruent wären, aber auch vrümekheit
(Nib. 1478, 4), wdrheit (Nib. 84, 4. 231, 2. 412, 4. 984, 4. 1901,4),
Sicherheit (Nrb. 314,4) uam.? man müste übrigens dann wol
noch specieller sagen, dem Stile der altern strophischen volksepik,
denn in Kl. und Bit. fehlen sie durchaus nicht (s. zb. Kl. 2024
tumpheit, 1367. 1398. 1409 gewonheit, 887. 911. 981. 1474.
lb6A wdrheit, 17 Ad gewarheit, i2\ unbescheidenheü\ sondern ge-
^ daher ist kuonheit 1, 1, wofür B arebeit list, sicher falsche la. der
hs. A, wenn atr. 1—12 Oberhaupt zum alten bestände des Nib.-textes (so-
wie er ans in A vorligt, ohne annähme weiterer Interpolationen) gehören
soll, dass diese worte auch im innern der Nib.-verse nicht allzu dicht gesät
sind, kann nicht wandern : die subst. auf 'heil sind reimworte xar' iioxi^
und wo sie dafür nicht taugen, dort verschwinden sie auch aus dem text.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 45
hOreo mit zu den häufigsten reimworten. man wird daher wol
besser tun aozunehmen, dass sie in Nib. und Gudr. an andre
▼erastellen als den stumpfen reim, vor allem in die cüsur und,
zur foUnng der 2 und 3 bebung, in den achten halbvers gestellt
irerdeo. — die adj. auf '4ieh stehn, sowol im Nib. als in der
Gudr.^ des Oftern im reim, wir finden lobelich Nib. 4, 2. 304, 1.
440, 2. 517, 1. 548, 2. 577, 2. 616, 2. 758, 2. 887, 3. 1179, 2.
1287, 2. 1634, 1. 1837, 1. 1996, 1. 2150, 4. 2257, 2. 2294, 2.
2302, 2, unMdich Nib. 1093, 2, gremeUch Nib. 2264, 2, gewon-
Utk Nib. 1624,2, schedelich Nib. 1729,2, unmügdich Nib. 670, 2.
2173, 2. wir sehen, diese adj. auf -ßcft sind alles worte der me-
inscben gestalt : >L^i.^ die haupttonsilbe ist kurz und von einem
unbetonten e gefolgt (1624,2 dürfen wir wol ^eioone/leA schreiben),
die hebuDg vor dem im reim stehenden -Uch also verschleifbar.
nie stehn Mrlkh, «ierllch, vreisUch, uxBtUeh uam. im reim^, ad-
jecüva, die im Nib. doch so ziemlich beliebt sind, nie wunderlich^
nie jwmerUdi^ nie sicherlich usf. am besten werden wir hier unser
Nib. gleich wider mit der Klage vergleichen, dort reimt lohelick
373. 616. 675. 2125, werlieh 161, kkgelich 380, tugenüich 712,
greauiich 1932, aber auch mzzenJich 19, jcemerlidi 742, rwtlich
1250, unfriuntlich 1330, ungelouplich 1664, vreislich 1941. und
nun finden wir dieselbe beschräokung, wie im Nib., auch in der
Gudr. auch hier im stumpfen reim nur adj.-bildungen auf -lieh
der gesUlt ^v.^ : aneÜch Gudr. 101, 1. 1239, 2. 1241, 2, foWicA
473, 1. 1241, 1; allertegelich 473, 2 gehurt natürlich unter den-
seibeo gesichtswinkel. nur minnecÜch 1239, 1 fällt aus dem
schetua. dagegen finden wir in den klingenden Schlüssen der
driUen und vierten Zeilen die adv. grimmedidie 934, 3, vrcelichen:
irureeUchen 974, 1, vlizeclichen 8, 4, süberlichen 41, 4 usf. usf.
genau so wie hier auch mü gezogenheUe 1315, 3 udglm. oft zu
finden ist, während -heit unter den stumpfen reimen fehlt, und
sehen wir uns schliefslicb die wenigen subst. auf -heü an, die im
Nib. reimen, so sind es wider lediglich bildungen des Schemas
^^2- : gewoneheit und höveecheit, wozu noch die wenigen reime
auf arebeit (136,3. 1296/3. 2268, 1) treten 2. den grund dieser
* Dar uUch 304, 1 : aber man sprach da wol ieilich, nicht ieslick,
vie maocbe mhd. autoren ausschliefslich betonen.
^ ich halte dafür, dass nur aus ähnlicheni gründe wigant nicht, sowie
heU^ degen and recke^ zum Wortschatz des Nib. gehört, über zweimaliges
46 ZWIERZINA
erscheinung weifs ich nicht, die Sieversscben typen können
nicht helfen, wir könnten denken, dass eine alte tradition des
A-typus nur bei diesen Worten fortwürkte, aber wdrheit ist ebenso
ausgeschlossen wie Sicherheit und vreislieh ebenso wie jdBmerlich.
die tatsache jedoch bleibt doch wol bestehn, trotz der ^inen aus-
nähme in der Gudr« übrigens sei noch bemerkt, dass auch in
den Kürenberger liedero schedelich MFr. 7, 2. 8, 30 und lobelich
MFr. 7, 4 reimen, sonst keine adj. auf -lieh.
Im Greg, nun scheinen sich, zwar nicht die subst. auf -heit,
aber die adj. auf -diiA demselben gesetz zu fttgen. wir lesen im
Iw. eislich 427, mislich 615. 2579. 5133. 6525, wünneclich 1683,
billich 5243. 5729, unbiUich 3169, wunderlich 8075, ungnwdec"
lieh 179, unwiplich 2299, jcemerlich 4949, kumberlich 5573, un-
troMilich 6121, angestlich 6419 neben tägelich 753, mügelich 1945.
2659. 4031. 7015, ungewärlich 1631, gemelieh 2503, gewonelich
8103, ebenso im Er. verldzenlich 534, herlich 288. 3198, bliuc-
lieh 1322, tnanlich 844, wcBtlich 1852 usf. usf., im Greg, aber
nur das einzige gast oder heimlich 1741, sonst blofs schädelich
1100, aUertägelich 1799 und unmügdich 2465. 2961^. —
Kehren wir nun zu unsern beiden Nib.-stellen zurück, wider in
1191, 4 und gegen in 2230, 3 sind die einzigen Me, wo im Nib. ein
auch der enklise fähiges pron. im reim steht, auch in der Gudr.
und im Alph. ist derartiges unerhörL beide male reimen die dort
tiberlieferten in auf langes sin inf., ein reim, der wider sowol
im Nib. als in der Gudr. seinesgleichen nicht hat. an einer der
beiden stellen gibt das überlieferte in absolut keinen sinn und
es muss da (2230, 3) jedesfalls conjiciert werden, an derselben
stelle überliefert eine, wenngleich junge hs. gegen min statt gegen
in der haupthss., und mhd. ^gegen mir' wäre die dem sinn nach
sporadisches Torkommen s. Bartsch Wb. s. v. in der Kl. steht wf^ant 45.
353. 422. 597. 610. 621. 655. 699. 731. 830. 841. 852. 876. 893. 1248.
1372. 1496. 1650. 1685. 1957. 2030. w^ant war ein streng anf steUang
im reim beschränktes wort and konnte na. nicht mit einem postpositiven
reimenden attribnt gebraucht werden, galt für die reimbarkeit der silbe
-ant im Nib. {w(gant, auch viant — Kl. 614. 625 — fehlt im reim) die-
selbe bedingung wie für -heit und -/Ib/i, so war dadurch wigant aus dem
formelvorrat dieses gedieh ts ausgeschlossen.
^ dagegen im klingenden reim die adv. : ttninneeliche Greg. 33, 6e-
teheidenlüke 1719, iwecitche 1889, warliche 2841, offenKche 3159, kärc-
liche 1933. 3657, und blofs ungesogenlühen 3069.
MITTELHOCHDEOTSCBE STUDIEN 47
dnzig und alleio zu erwartende lesuDg. da nun die präp. gegen^
und m alterer zeit wol auch das heute im dialekt gröstenteils
veHorene toider^ in der bair.-österr. mda. mit dem gen. construiert
werden, so halt ich die lesungen wider sin 1191, 4 und gegen
mim 2230, 3 für gesichert, die gen. sin und min entsprechen
an beiden stellen dem. verJangten sinn, sie stehn in Nib. und
Gadr. öfter als reimworte (s. s. 41) und sie ergeben einen reinen
reiai (der rührende reim sin poss. : sin inf. erscheint zb. auch
Mb. 965, 3>
Ist aber an zwei stellen der Nib. im archetypus des uns
Toriiegenden textes gegen^ resp. wider mit dem gen. des personal-
pron^ überliefert gewesen, so gibt dies zu mancherlei erwägungen
anlass. jedesfalls war diese construction, sowie sie es heute noch
ist, eine vulgäre, grob dialektische, diese syntaktische erscheinung
▼ergleicht sich etwa auf dem gebiete der Formenlehre dem bair. enk
und eZy die in ähnlicher weise in der ganzen mhd. zeit auch bei
solchen dichtem nicht zu erscheinen pflegen, deren spräche sonst
stark durch den dialekt beeinflusst wird, auch bei spätem Schrift-
stellern finden wir dies gegen meiner nur, wenn sie mit absieht
vulgär sein wollten : bei Abraham a Sta Clara zb. auf jeder seite.
das beweist doch zweierlei, erstens dass in den Nib., sowie sie
auf uns gekommen sind, lieder fahrender Sänger mindester sorte
benutzt sind, die im ton auf die spräche und den geschmack des
gemeinen Volkes herabgestimmt waren , und zweitens (da wir ja
Dicht erwarten können, dass unser Nibelungendichter selbst, der
keinesfalls unter den bänkelsängern, sondern unter den vornehmen
zu suchen wäre, so vulgäre formen seinen quellen nachgebildet
habe), dass sich an einigen stellen der alte text der als quelle
dienenden, im ton aber viel ordinäreren lieder in unserm Ni-
belnngentext noch erhalten hat, diese lieder waren bair.-österr.,
wenigstens im zweiten teil des gedichts, denn beide stellen mit
gegen c. gen., 1191,4 und 2230,3 fallen in die partie nach
Sigfrieds tod und bestattung.
4. DAS ENDUNGS-£7 NACH ü UND N KURZER STAMMSILBEN.
Paul polemisiert Beitr. 1, 297 gegen die ansetzung zwei-
silbiger pronominalformen, wie ime und deme, im text des Iw.,
wie Lachmann ihn constituiert hat; er meint, dass die Setzung
des -e meist unnötig und dem oberdeutschen autor auf grund der
48 ZWIERZINA
Diederdeutscheo aberlieferung von hs. A sprachwidrig octroyieri
wordeo sei. und er fätirt fort : 'man darf auch oicht den reim
4eme : neme Iw. 5207 zum beweise der erhaltung des € bei Hartm.
in anspruch nehmen, es ist hier vielmehr die kürzung nem an-
zusetzen^ welche durch das vollständig analoge nam (nomen) : xam
Er. 8912 gesichert ist', das ist unrichtig, weder ist an der he-
ireffenden stelle des Iw. nem anzusetzen auch nur erlaubt, ge-
schweige denn geboten, noch ist die parallele aus dem Er. voll-
ständig analog, da Er. und Iw. in bezug auf mehr als 6in detail
.<ier reimübung ganz verschiedene grundsätze befolgen, wir können
im gegenteil klarlegen, dass durch die in frage stehnde reim-
faindung ein zweisilbiges deme vollkommen ausreichend bewiesen
ist, dass also Hartm. die zweisilbige form dieses dativs gekannt
hat, wenn auch nicht, dass seiner spradie etwa nur diese zwei-
silbige form allzeit zukäme.
Viel vorsichtiger und um ebensoviel zutreffender spricht sich
Lachmann zu Iw. 11 aus. hier überliefert, obwol die gekdrzte
form die hebung beschwert, die hs. B ihr gewohntes nam (nomen),
andre hss. geben das richtige name. Lachmaun bemerkt : 'die
form nam reimt im Er. 8912 auf das adj. zam. die verkOrzung
ist also dem dichter nicht gerade zuwider gewesen, so wenig als
4ilsam Er. 1441. 2013. 2022. 7321 oder der man Er. 329 : aber
mit B sie ihm überall, auch wo wie z. 11 die vollständige form
der ausspräche bequemer ist, zuzumuten, und noch dazu die fe-
ininina schäm 18. 756 und ram 6199, dazu sehe ich keinen
grundf zumal da der Schreiber von B in unzähligen fällen das
stumme e wider des dichters reime und versbau weglässt'.
Ich lege zunächst das in betracht kommende material vor.
im Er. Greg, und aH. reimt aham stets auf streng einsilbiges
-am, auf die prälerita kam nam, vemam zam und gexam, uzw.
Er. 810. 1442. 1952. 2014. 2022. 7322, Greg. 1423, aH. 523,
im Iw. aber reimt es an der einzigen stelle, wo es in den vers-
schluss gestellt wird, auf das subst. schäme 755. und während
dem name : zam adj. Er. 8912 in den altern werken des dichters
nur 6in rein gebundenes name : schäme Büchl. 1315 gegenüber-
steht, wir also hier würklich kaum entscheiden konnten, ob Hartm.
die apokopierte form blofs nicht widerstrebt habe, wie Lachmann
meint, oder ob sie die ihm allein geläufige gewesen sei, reimen
im Iw. die subst. name schäme rame, ferner alsame, nur unter-
MITTELHOCBDEÜTSCHE STUDIEN 49
einander : 17. 755. 6199, und bleiben streng geschieden von den
einsilbigen reimworten auf -am, den reimen auf die präterital-
fonnen tutm tTemam und gezam und das adj. zaniy welche worte
ebenfalls nur unter sich gebunden werden.
Wem die drei reimpaare des Iw. , in denen -ame mit -ame
gdbonden werden, nicht imponieren wollen, dem geh ich zu be-
denken, dass auf gekürztes -am nicht dreimal widerum gekürztes
-iam reimen könnte, ohne dass nur Einmal einsilbiges nam ver^
nam gezam sich als reimwort eingestellt hat, wenn nicht die
bindnng von -aiitf und -^m von Hartm. im Iw. überhaupt ge-
mieden worden wäre, denn die präteritalformen von nemen und
composita und zemen und composita beherschen den reimtypus
auf -^m so vollständig, dass es ein unerhörter zufall wäre, wenn
an allen drei, oder man sagt wol besser sechs stellen, wa
ein aus -ante gekürztes -am, das mit einsilbigem -am nun iden-
tisch sein soll, in den reim gesetzt wurde, dem dichter sich
jedesmal zufällig gerade wider eins der seltenen worte auf ur-
sprünglich -^me zum reim angeboten hätte, im Er. finden wir
nur 6in name und nur sechs alsame im versschluss, nam benam
und vemam aber stehn 62 mal, zam und gezam 25 mal im reim^.
welches resultat eine reimtechnik gibt, die keinen unterschied
keoDt zwischen -am und -ante, zeigt Hartm. selbst sehr deutlich
bei der behandlung des aUame im Er., Greg, und aH. hier reimt
alle acht male, wo es vorkommt, auf dieses alte, streng
^ ich ziehe Aram, das im Er. 56 mal reimt, nicht mit heran, da diese
form dem grösten teile des Iw. fremd ist. aber ganz aufser acht lassen
dörfeo wir die reimmöglichkeit -ame : kam doch aach für den Iw. nicht,
deoD gerade in den ersten tausend versen dieses gedieh ts, wo kam, s. Be-
obachtungen 8. 502, noch ziemlich häufig ist, stehn zwei von den drei be-
legen far -ame : -ame. wenn im Iw. nam benam vernam seltener reimen
als im Er. — Iw. 9, Er. 62 — , so hat dies natürlich einzig und allein darin
seioeo grund, dass die adj. auf -iam und vor allem kam als bindung in
diesem werke fehlen und auch gewisse, rohere formein mit gezam (Als ez
dem saieU gezam, Alt einem ritter gezam) hier nicht mehr verwendet
werden, es fehlt also fär nam durchaus an reimworten. um so eher sollten
wir, wenn echame : nam, alsame : nam Hartm. unanstöfsig geblieben wäre,
erwarten, dass sich ein und das andre mal auf das reimbedörftige nam ein
schäme oder alsame halte dem Zusammenhang abringen lassen. — ich
moste daher auch oben zur iliustration der reimbarkeit von nam den Er.
und nicht den Iw. heranziehen : der Iw. hätte ein ganz falsches bild ge-
liefert.
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXII. 4
50 ZWIERZINA
einsilbige -^m. wir werden unten auch noch andre dichter
kennen lernen, die -ame und -am nicht scheiden, und auch bei
ihnen werden dann stets die bindungen von -ame : -am über die
reinen bindungen von -ame : *ame ein ganz enormes übergewicht
aufweisen.
Durch die bindung von name und zam im Er. wird ein-
silbiges nam, subst., für den Er. erwiesen; aber wie Lachmann
mit recht bemerkte, noch lange nicht einsilbiges schäm und ram,
denn dass die verschiedenen endungs-e in bezug auf apokope
verschieden behandelt werden, ist bekannt genug und wird sich
im verlauf dieser Untersuchung noch öfter anschaulich machen
lassen, analogie und systemzwang haben da eingewürkt.
Wol aber ist dadurch, dass der Iw. name schäme rame und
alsame niemals einsilbig reimt, nicht nur erwiesen, dass die
formen dieser worte von Hartm., soweit der Iw. in betracht
kommt, im reim nicht mehr apokopiert werden, sondern auch,
dass durch den reim deme:neme, der im Iw. steht, zweisilbiges (ferne
für Hartm. festgelegt wird, denn wir können immer und über-
all, auch bei Hartm. selbst, beobachten, dass das endungs-e der
verbalformen viel conservativer behandelt wird, als das endungs-e
der nominal- und adverbialformen, sodass, wenn im Iw. schäme,
name nnd alsame nicht gekürzt werden, mit der 3 sing. conj.
neme Iw.5207 nur ein ungekürztes deme gebunden werden konnte.
Die bindung von name : zam im Er. beweist aber auch ferner
noch nicht, dass der dichter für das in betracht kommende wort
in seiner altern Schaffensperiode nur die gekürzte form verwendet
hätte, was ja wol auch niemand wird behaupten wollen, denn
wenn Hartm. im Iw. nam für name nicht mehr zulässt, sondern
name zweisilbig und nicht einsilbig reimt, so müssen wir doch
annehmen, dass er diese ältere form in dem jungem werke nicht
erst frisch aufgelesen hat, sondern dass er ganz in der art, wie
ich sie Beobachtungen s. 448. 481 ff uö. als für die entwicklung
seiner technik charakteristisch dargelegt habe, von den beiden
doppelformen, die er im Er. verwendet, name alsame und nam
aisam, im Iw. die eine, uzw. die nicht allgemein gebrauchte, der
spräche mancher, zt. auch jüngerer dichter ganz unbekannte form
aufgegeben und sich für die ausschliefsliche anwendung der an-
dern entschieden hat. es wird darum, besonders da ein schäm
für schäme nirgends, auch im Er. nicht, durch den reim sicher-
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 51
gestellt ist, der reim name : schäme Büchl. 1315 als zweisilbig zu
fassen sein, anderseits ist zwar deme durch den angezogeneD reim
des Iw. erwieseo^ aber damit ouch nicht von vornherein ausgemacht,
dass (demonstratives) deme die alleinige form Hartm.s sei, dass also
zb. Iw. 7757 sicher auch deme : weme und nicht vielleicht dem:
wem lu lesen sei. pronominal- und adverbialformen werden näm-
lich auch von solchen dichtem, für die zweisilbige formen be-
wiesen sind, daneben einsilbig gebraucht, wir werden hören,
dass Wolfr. nur ich nime, aber ime und im nebeneinander ver-
wendet dass aber auch der zweifelhafte reim dem{e) : u)em(e) im
Iw. als zweisilbig und nicht als einsilbig zu fassen ist, das lehrt
eine andre erwägung. zu den formworten, die von dichtem,
welche das e nach dem m kurzer Stammsilben im reim sonst
Dicht apokopieren, doch auch in gekürzter gestalt gereimt wer-
den, gehört auch ahame. akam ist alsame gegenüber bei diesen
dichtem, so bei Rud. oder in den Nib., gar nicht apokope, dem
reim zu liebe gewagte kürzung, sondern historisch überkommene
oebeoform. schon der in bezug auf apokope und synkope infolge
seines dialekts sehr sparsame Rother kennt ein sam neben same,
und unten werden wir ein mit neben mite, das bei Gotfr. und
Herb, widerholt erscheint, bis auf Otfrid zurückverfolgen können.
alsam^ das im Er., Greg, und aH. so oft auf kam nam usw. reimt,
ist also eine historisch überkommene nebenform von alsame, neben
diesem alsam ist uns in diesen altern werken Hartm.s nur zu-
l^llig Dicht das zweisilbige akame belegt, welches alsame aber die
einsilbige nebenform im Iw. verdrängt hat. sowie nun aber der
Iw. alsam im reim neben alsame nicht mehr duldet — daher
zeigt er es auch nur einmal (755) im versschluss, denn alsam
ist leicht, alsame aber äufserst schwer zu binden — , so wird
der Iw. wol auch kein demonstratives dem neben dem durch den
reim auf neme erwiesenen deme mehr gekannt haben, der Iw. ist
doppelformen eben abhold.
neme:zeme Er. 696. 6198, aH. 1499, Iw. 7859, :vememe
BOchL 1635 sind natürlich als zweisilbig aufzufassen, und die
Orthographie von B erweist sich somit auch Iw. 5207. 7257. 7859
als falsch, respective unhartmannisch.
Die endung des nom. sing, schwacher masculina wird im Er.
wie nach m (name) so auch nach n apokopiert, wie der schon
von Lachmann beigebrachte reim swan : gewan Er. 330 erkennen
4*
52 ZWIERZINA
lässt auch hier ist die apokope des e der starken feminioa nicht
belegbar : £r. 7319 reimt also wol mane ^mähne* : dane adv. dass
daneben, sowol im Er. als im Iw., dan auch einsilbig gebunden
wird, also nicht nur mit an{e)y sondern auch mit man kan gewan
usf., kann, da wir fOr dan und an bei allen dichtem auch ein-
silbige formen (bei denen, die nicht kürzen, wider nebenformen,
und nicht apokopenl) constatieren können, natürlich nicht auf-
fallen. Iw. 3453 aber ist durch den reim seit von gran : dan das
gran sicher als ein t-femininum erwiesen {grane wird auch von
altern hss. nie überliefert, jüngere verstehn hie und da gran als
grane ^haar*); denn dan, das im Iw. nur einsilbig reimt, wird
hier wol ebensowenig ein dane neben sich geduldet haben, als
von ein vone.
Dieses vone reimt der Er. 3886 auf ich wone, ebenso auch
noch der Greg. 391, und Büchl. 1547 wird es mit der 3 sing,
conj. wone gebunden, der Iw. aber kennt nur den reim da (resp.
wd) von:gewon (resp. ungewon) 169. 2641. 3031. 5789. 6311.
7797. einsilbiges von reimt so auch im Er. 5606, Öfter im Greg.
259. 621. 1291. 2273. 3385. ich fasse die sache so : Hartm.
gebraucht im Er., Gr. und all. noch die doppelform alsam und
akame, entscheidet sich aber im Iw. für im reim alleingeltendes
alsame, er gebraucht im Büchl., Er. und Greg, noch die doppel-
formen dan und dane (nur Er.), von und vone, welch letzteres
durch den reim auf die verbalform erwiesen ist^, entscheidet sich
aber im Iw. nicht für die zweisilbige, sondern für die einsilbige
form, und gibt jene auf, wol deshalb, weil hier die einsilbige
form eben schon viel weiter verbreitet und allgemeiner war, als die
zweisilbige, es ist auch tatsache, dass von an, vor allem aber
dan hin im 13 jh. schon allen oberdeutschen dichtem geläufig
sind, aUam aber, wie wir sehen werden, durchaus noch nicht 2.
^ an ein ich won^ er won im Er. and Greg, ist nicht zu denken, wie
sich auch kein ich mariy ich schäm belegt findet, trotz manigfacher reim-
möglichkeit. derartig apokopierte verbalformen gehören erst einer viel
spätem reimteehnik an, als die der classischen zeit es war. eher könnte
man noch an ein gewone {: vone) denken, gewone steht zb. im Both. 262.
1406, ungewone Alex. Str. 4614. 5711. aber aus oberdeutschen quellen ist
mir die zweisilbige form nirgend bekannt geworden. Rol. 190, 23 reimt
ungewon : chom,
^ auch hier ist die Chronologie Bucht., Er., Greg., aH., Iw. bestätigt,
sowie im Er. auch noch im Greg, und aH. aUam, sowie im Büchl. und Er.
MITTELHOCHDEOTSCHE STUDIEN 53
hine neben hin ISsst sich für Hartm. auch im Er. nicht
nachweisen, doch ist das, da dane feststeht, wol nur zufall, weil
der beweisenden reime auf -ine sehr wenig sind : wine, schme^
a^Mne, die auch bei andern dichtem nur ganz sporadisch er-
scheinen, der Iw« kennt neben hin sicher kein hine mehr.
Wir sehen, Hartm. bietet fQr die entscheidung der frage nach
der apokope des -e hinter der nasalis nur wenig material, welches
allein durch heranziehung des ?erhaltens andrer dichter und seines
eigenen Terbaltens in andern fragen (abneigung gegen doppel
formen im Iw.) schliefslich doch noch bestimmte folgerungen er-
möglicht, mehr material bietet Wolfram, und von ihm aus föllt
auf die analogen Verhältnisse im Iw. erst das rechte licht.
Wolfr. ist einer gewissen art von apokope, wie man weifs,
durchaus nicht abhold, diese apokope betrifft aber im reim aus-
schliefslich das e des dativs starker masculina und neutra : dieses
wird ganz unterschiedslos abgeworfen oder gesetzt, sowol nach
länge als auch nach kürze, sowol nach liquida und nasalis, als
auch nach tenuis und media, beispiele anzuführen, wäre wol
QberflQssig. trotzdem ist Wolfr. in bezug auf die apokope des e
(nicht dati?-e) nach der nasalis kurzer Stammsilben unter allen
hochdeutschen dichtem einer der conservativsten.
Bei Wolfr. also reimt das adj. lamy dort wo es prädicativ
oder attributiv nachgestellt, also in seiner flexionslosen form ge-
braucht wird, auf das prät. nam Parz. 125, 13. 237, 7, Wh. 1 12, 19,
temam Parz. 813, 15 oder auf den nominativ stam Parz. 505,9;
In dem munde niht diu lame aber Parz. 312, 27 reimt auf zuo-
naau und Min tötiu vreude, niht diu lame Wh. 455, 17 reimt
auf Wax touc mir nü fürsten name. — die prät. nam, benam
und vemam reimen auf stam subst, Parz. 601,25, Wh. 88, 1.
254, 15, auf die prät. quam Parz. 4, 15, zam (gezam) Parz«
238, 25. 523, 3. 562, 15. 571, 15. 581, 21. 741, 29. 721, 9.
730, 9. 736, 29. 744, 17. 807, 29, Wh. 57, 7. 82, 7. 114, 29.
167, 21. 292, 1. 314, 1. 369, 29, auf das flexionslose adj. zam
Parz. 39, 29. 160, 23. 170, 7. 809, 25, Wh. 359, 25 und eben-
solches lam Parz. 125, 13. 237, 7. 813, 15, Wh. 112, 19, auf
aoch Doch im Greg, vone, nur im Er. das dialektische dane, im Iw. nur
alsame von dan, das 2 büchl. könnte, war es ein werk Harlm.s, nicht hinter
deo Iw. gestellt werden, da es 735 vone : wone reimt, s. Kraus aao. s. 161,
wo schon auf diese meine ausföhrungen hingedeutet wurde.
54 ZWIERZINA
Angram Parz. 335, 19. 384, 29. 703, 23 \ buckeram Parz. 588, 15.
800, 17, dictam Wb. 99,23, auf Adam nom. Parz. 464, 15.
518, 1, auf Bertram nom. Wh. 13, 17. 41, 21. 93, 17. 169, 9.
259,23. 373,7. 414,23. 417,3, acc. 328,21. 457,27, auf
Golltam Wh. 432, 4 und unrein auf kräm dat/^ Parz. 663, 15,
Wb. 279, 21 und räm dat. Wh. 248, 7. das subst. name (zuo-
name) aber reimt auf das subst. schameJ^Parz. 269, 11. 303, 29^
Wb. 158,21 oder auf fiwerrame Parz. 230, 9 oder auf diu lame
Parz. 312, 27, Wb. 455, 17, nie aber auf die reimworte des prät.
nam^ — ebenso wird das prät. zam (gezam) alle 21 male, die
es belegt ist, mit dem prät. nam oder dem nominativ Berhtram
(Wh. 238, 15. 303, 1) gebunden, und das flexionslose adj. zam
5 mal mit nam, i6inmal mit Bertram (Wh. 171, 1); dagegen daz
zame Wh. 177,3 mit akame\ -^ schäme und rame reimen nur
auf -ame (die beispiele s. oben unter name)^ nie auf die viel be-
quemeren reimworte in -am. abame steht nur Einmal (Wh. 177, 3)
im reim, gebunden mit daz zame.
Es ist also kein zweifei : Wolfr. hat die worte auf -am und
die auf -ame streng von einander geschieden, nur zwei beispiele
scheinen auf den ersten blick aus dem Schema zu fallen. Parz.
251,3 reimt natne 'nomeo' auf roj/(lm *regnum'. aber das länge-
zeichen, das Lachmann der reimsilbe von royam gibt, wird kaum
gerechtfertigt sein. vgl. auch Angräm, buckeram, dictam. das
fremdwort, welches nur an dieser stelle belegt ist, geht auf franz.
roiame zurück und wurde von Wolfr., wie uns eben der reim
auf name nun doch wol schon beweisen darf, ganz unverändert
übernommen, am Schlüsse zweisilbig und mit kurzem a ge-
sprochen, auch in der gFrau, die -ame und -am so genau wie
Wolfr. scheidet, reimt 3021 la bone dame mit name. ebensowenig
wie hier an ein däm : nam, dürfen wir bei Wolfr. an ein royäm
denken.
Auch der zweite fall, wo Wolfr. scheinbar -ame und -am
bindet, erlaubt uns wol andre auffassung. Wh. 1.33, 15 beifst es
^ es ist glelchgillig, ob Ingram, buckeram und andre fremde Orts-
namen und appellalive auf -am dative sind oder nicht, einen flectierten
dativ kennen cji^se wdrte überhaupt nicht.
^ dass kräm und räm dativ sind, beweist jedesfalls kein -am für -äme.
^ ein beispiel, das aus dem Schema herauszufallen scheint, werden wir
alsbald besprechen.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 55
Vil nhtwer spise reine, Yisdie und vkisch gemeine, Beidiu daz
wilde und auch daz zam : und auf zam reimt das prät. nam,
wilde und zam ist stehnde formel, die auch bei Wolfr. oft vor-
kommt, ja, die ihm so geläufig ist, dass er in seiner art mit ihr
spielt : Mirst vreude wilde und sorge zam Wh. 171, 1, luwer wilde
Wirt vil %am Parz. 39, 29, Wh. 359, 25, s. auch Parz. 160, 23.
170, 7. den ausgaogspunct gibt Spise wilde unde zam, zb. Parz.
809, 25, Wh. 177, 13. 448, 3; an unsrer stelle geht auch noch
das ebenso formelhafte spise . . . viscke und vleisch voran, ich
glaabe ouo, dass Wolfr. hier in gHnsefüfschen spricht : Beidiu daz
*wilde' und daz 'zam' und daher wilde und zam ohne flexion lässt,
weil er eben an die erstarrte, Substantiv gewordene formel, spise
wHde unde zam, denkt, übrigens, wie dem auch sei, jedesfalls ist
hier daz zam nicht mit apokopiertem filexions-e, sondern flexionslos
anzusetzen, denn durch die voranstehnden Zusammenstellungen
scheint es mir bis zur evidenz bewiesen, dass der dichter -ante
im reim nicht apokopiert. das flexionslose adj. nach dem he^
stimmten artikel ist bei Wolfr. ja keine ungewöhnliche erschei-
nung. zu den zahlreichen beispielen bei Grimm Gramm, iv' 631
fQg ich vor allem noch hinzu Der iren rieh und lasters arm
Parz. 581, 1 und aus dem werke eines nachahmers, aus dem
Rennew. : Der nider als der hoch (: enphlöch) Pf. Ob. 48, 614,
weil an diesen beiden stellen die hinter dem artikel flexionslos
bleibenden adjectiva eine dem begriff *alle' umschreibende, formel*
hafte antitbese bringen, sowie daz wilde und auch daz zam. man
vergleiche etwa ausdrücke wie Swaz mit al den fürslen sint . . .
beide junc und alt . . , die sagete man etc. auf alt reimt gezak,
man sollte auch hier eher junge und alte erwarten, das adj. aber
wird in dieser formel flexionslos, gleichsam als ein collectives
sabst.y gebraucht, so wie man heule noch — und darum f^llt uns
dieses alt nicht so auf wie jenes zam — sagen kann ^jung und
alt freute sich', 'arm und reich fehlte nicht' udglm. genau so
sagt Wolfr. auch Dir dienet zam unde wiü (: gezilt) Parz. 252, 7.
ich meine, dass auch in den flexionslosen Terramir der zomic
gemuot. Der manlich und der hoch gemuot, Wilkhalm der tmer-
farht usf. eine ähnliche, bestimmte bedeutungsouance ligt^ eine
kräftigere Substantivierung des adj.i, als dieses sie durch die
^ '80 wie daz rehl mehr subst ist als daz rehte, Wolfr. sagt daz
9, wie wir heute Mas wild' sagen*. ESchröder.
56 ZWIERZINA
schwache flexion nach dem artikel erhält, gleichsam eine per-
sonificatioD des adjectivs. ÄrtAs der vahches laz heifst soviel wie
Artus der 'vahches laz* in person, Gramoflanz dem hoch gemuot
soviel, wie Gramoflanz dem oder herrn *höch gemuof in person,
mit einem wort ein substantiviertes vahches laz und hoch gemuot
in gänsefüfschen ; der tump, der snel wäre fast identisch mit dem
ähnlich nuancierten sin tumpheit, sin snelheit, wo die person ge-
meint ist, die tump und snel ist. dazu stimmt es, dass dieses un-
flectierte adj. mit dem artikel hauptsachlich als apposilion beim
namen steht (s. Grimm aao.). auch daz wilde und daz zam
steht hier als apposition beim ^namen', zu dem es gehört, bei spise^.
So wenig material auch der reimtypus -im, -ime für Wolfr.
liefert, so deutlich lässt er uns doch die uns hier interessierende
Sachlage erkennen, wir haben nämlich in dem namen Ahsim
(Ässim) eine streng einsilbige reimform auf -im, denn von Ahsim
ist nicht etwa als kürzung aufzufassen, ebensowenig wie etwa von
Angram, s. oben s. 54 anm.l, da in diesen fremden mehrsilbigen Orts-
namen ein dativ-e nie gesetzt wird, gleicbgiltig, welcher consonant
vorhergeht. Ahsim reimt nun im Wh. 3 mal auf im 't\* 141,11.
255, 3. 362, 9 , damit ist dieser pronominale dativ als einsilbig
erwiesen, nie reimt Ahsim auf ich nime, vemime, denn die verbal-
form ist zweisilbig, sie reimt im Parz. 10 mal (123, 13. 223, 7.
239, 5. 330, 13. 464, 7. 467, 19. 516, 13. 651, 29. 659, 27.
751,3) und im Wh. 5mal (148,7. 156,19. 181,27. 192,23.
335, 19), ferner Lied 8, 35 auf den dat. ime, welcher also damit
wider als zweisilbig erwiesen wird. Ahsim ist einsilbig, nime
zweisilbig, sie können nie aufeinander reimen, ime, das formwort,
ist anceps, es reimt auf Ahsim so gut wie auf nime. ich schliefse
also daraus, dass unter den fünf reimen auf ich nime im Wh. das
öfter vorkommende Ahsim fehlt, dass ich nime nur zweisilbig
reimen konnte, dass ich damit recht habe, illustriert mir Wh.
341, 7. hier reimt auf nim ein Ahsim, hier aber ist nim der
imperativ I es wird kein zufall sein, dass, wo Schulz Reimregister
ftim : im belegt, nim stets «a ich nime und nie der imperativ
ist, wo es aber nim : Ahsim belegt, während Ahsim sonst nur zu im
reimt, dieses nim eben die einsilbige form, den imperativ, bedeutet«
Die verbalform kume, 1 sing. ind. oder 3 sing, conj., reimt
beide mal, wo sie bei Wolfr. im versschluss steht, auf ist frume:
^ 8. den excurs auf s. 65 ff.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 57
Parz. 158, 7. 814, 1; dagegen reimt das subst. drum nur auf die
Uteioische endaog -um : Parz. 470, 23, Wb. 464, 19. dass Parz.
470, 23 dieses drum dativist, bewürkt keine bindung von -ume:
-ton, denn ich habe schon widerholt hervorgehoben, dass Wolfr.
den dat. sing, der starken masc. und neutr. aller stammausgäoge
auch flexionslos bildet, epitäfium nun reimt Wb. 73, 27 auf was
/hm; dasselbe frwn also, das im Parz. zweisilbig mit kume ge-
bunden wird, bindet der Wb. einsilbig, aher es ist bekannt, dass
sich aus dem subst. frume schon früh ein adj. frum heraus-
gebildet bat. Wolfr. zeigt im Parz. die eine, im Wh. die andre
form, sowie er etwa im Parz. hamas, im Wh. aber hamasch
reimt udglm.
Daraus, dass -ame, -ime und -ume in vollworten nicht ge-
kOrzt werden, haben wir zu entnehmen, dass auch Parz. 588, 1,
Wb. 218, 3. 318, 1, wo dem(e) auf neme, 3 sing, conj., und
iAime subst. reimt, zweisilbiges deme anzusetzen ist. einsilbiges
dem ist durch den reim nicht beweisbar, wir dürfen aber wol
nach analogie von tut neben ime für Wolfr. ein dem neben deme
erschliefsen.
Wider auf gröfseres material können wir uosre entscheidung
stützen in der frage, ob Wolfr. das e hinter dem n kurzer Stamm-
silben ausgeworfen habe, die Wörter auf -an, also auch die auf
eTentuell gekürztes -ane, haben zahllose reimmöglichkeiten, bei
Wolfr. noch mehr als etwa bei Hartm. und Gotfr., da er -an und
-an miteinander paart, da sind man kan gewan hän plan getan
wdn Gdwän usf., die belege herzuschreiben hat keinen sinn.
auch die adv. an und dan werden häußg auf streng einsilbiges
-an und -^n gereimt, beispiele sind auch hier nicht nötig, da sie
sich auf jeder seite des Parz. und Wh. finden, ich betrachte
also nur die vollworte des typus ^ane. der ane reimt Parz. 501, 23
auf der vane ^vexillum' und Wh. 157, 25 auf ich mane, dagegen
Parz. 711, 19. 763, 15 auf dan^ her dan, also ,ein wort, das bei
Wolfr. einsilbige form oft genug belegt, das aber neben der
einsilbigen auch zweisilbige form haben könnte. . diu Jkane reimt
Wh. 440, 12 auf der vane, Parz. 282, 5 wider auf dan, resp. dane.
diu mane reimt Parz. 256, 21 auf dar an, aber auch an könnte
neben der einsilbigen form noch die zweisilbige aufweisen, der
swane reimt Wh. 27, 1 auf mane 3 sing, conj., Parz. 257, 13
auf das ad?, an, resp. ane und 826, 15 auf dan, resp. dane. der
58 ZWIERZINA
vane reimt auf ane, subst. Parz. 501,23, iane subst. Wh. 440,11,
mane verb Wb. 337,19. 341,3, ferner auch auf die adv. an{e)
Parz. 30, 25, Wh. 332, 21. 340, 17. 433, 15 und danie) Wh.
328,5. 424,21. schliefslich reimt mane, 1 sing. ind. oder
3 sing. conj. von manen, auf ane subst. Wh. 157, 25, vane
subst. Wh. 337, 19. 341,3, swane subst. Wh. 27, 1, ferner
wider auf die adv. an(e) Parz. 78, 21. 714, 19, Wh. 247, 1. 306,17
und danie) Parz. 34, 13. 42, 23. 713, 19, Wh. 123, 3. 331, 23.
Daraus ist zu entnehmen, dass die vollworte, sowoi subst.
wie ane swane vane und mane bane, als auch verba wie mane
nie im reim apokopiert werden (wäre apokope gestattet gewesen,
so müsten sich reime auf man kan gewan hän getan pldn usf.
notwendig eingestellt haben), dass aber ferner die adv. an{e) und
4an{e) Wolfr. in doppelformen geläufig sind und im reim als ein-
silbiges an, dan und als zweisilbiges ane, dane verwendet werden.
Aus dem Schema föllt nur das wort gran(e) 'haar' heraus,
auf sicher zweisilbiges -ane (die subst. ane swane vane mane bane,
das verb mane) reimt es nie. gran : dar an Parz. 244, 9 und
gran : dan Wh. 286^ 7. 274, 23 wären doppeldeutig. . aber gran:
kan Wh. 206, 21 und gran : man Wb. 67, 15 beweist einsilbiges
gran, dh. ein i-femininum. dieses ist durch den plural die grene
Wh. 290, 15 igrcene K, grän z, gren t) auch handschriftlich für
Wolfr. sicher gestellt und dort herzustellen, ferner ist dann Wh.
206, 21 diu, nicht die gran zu lesen i und das von Lachmann
(aus anderm gründe I) Wh. 274, 24 vermutete wcer diu für wcem
die (s. laa.) in den text aufzunehmen, ich verweise auch auf ahd.
granisprunger Grafif iv 327.
Ebenso wie dane verhält sich auch hine. einsilbiges hin
(: sin gewin in) ist oft genug belegt, der conj. prät. erschine aber
reimt nie auf sicher einsilbiges -in, das doch unverhältnismäfsig
mehr reimmOglichkeiten bietet als -ine, sondern Einmal auf das
subst. wine Parz. 228,5, das ebenfalls nur hier, also auch
nur zweisilbig belegt erscheint, und Einmal auf das adv. Aift(e)
Wh. 73 , 3« damit ist sowol ausschliefsliches wine, erschine , als
für das formwort die doppelform hine, hin erwiesen.
Ebenso wie an{e) verhält sich auch von(e\ nur kennt Wolfr.
ein adj. gewon, ungewon nicht (s. s.5anm.) und es ist also nicht
^ nur diu gran und doch nicht die grane (resp. grene) können ^hdr
hdn\ auch ist hab 23 doch der Singular!
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 59
einem fehlen der einsilbigen form von zuzuschreiben, dass dieses
(ffaposjtionaladferb nur zweisilbig im reim belegt ist. Wh. 284, 27
and 287, 29 reimt vom auf das subst.. diu wone.
Für die andern dichter liann ich mich jetzt kürzer fassen,
die Untersuchung an Hartm. und Wolfr. hat gezeigt, dass wir
gewissen Schlüssen ex absentia hier .wol trauen dürfen, und sie
hat unsern blick für die Ursachen des gegebenen reimmaterials
bereits geschärft.
Der Stricker apokopiert das e hinter m und n niemals,
er kennt auch nur die form älsame, nie wird dlsame : -am ge-
reimt, wir finden schäme subst. : name subst. Dan. 39, Frauen-
ehre 305. 451. 645, :abame Karl 2915. 4539, Hahn xii 429,
'.gemeinsame subst. Frauenebre 547; schäme verb :name subst.
Fraoenehre 863, : alsame Dan. 6739, Ges. ab. 33, 25; name subst.
:aisame Am. 1253, :8ame Bloch 507, : gehörsame subst. Dan.
6877, : gemeinsame subst. Karl 7239. 9675, Frauenehre 1073 1.
name, schäme subst. und verb, same, alsame und die abstracta
aaf 'Same reimen also nur untereinander, nie mit den prät. quam
(steht schon allein im Dan. 33 mal und im Karl 36 mal im reim),
lUMt, gezam, den adj. auf -sam, gram, zam usf. darnach ist auch
Dan. 49. 4943, Karl 8219. 11183 ime : icA nime, Hahn m 31 ime:
ick bmime anzusetzen, neben der zweisilbigen form ime ist die
einsilbige im (etwa zu nim imp.}, jedoch vielleicht nur zufällig,
nicht belegt, deme können wir für Stricker gleichfalls nur nach
analogie von ime als nebenform ^u dem vermuten, im reim steht
weder deme noch dem, es reimt nur neme, vememe : gezeme Karl
1627. 1775. 11077. 11479, Frauenehre 147. 1493, D 569, Am.
379. 1653. sowol das adj. wie das subst. heifst nur frome und
reimt :Jcame, 1 oder 3 sing, conj., Dan. 2731, Karl 3199, Frauen-
* die adj. aof -sam^ von denen bei Stricker im Karl freiaam, lobesam
und gekörtam, im Dan. freissam und gehorsam^ sonst nur gehorsam sehr
bdüebt sind, werden immer zu einsilbigem -am gereimt : freissam {: nam prät.
Dan. 1343, :quam Dan. 7197, Kari 3135. 5113. 7425. 8533, :swam subst
Dan. 3369, :»am adj. Dan. 4309), lobesam {:nam prät Karl 9315, : quam
Kari 697. 3549^ :ge%am prät Kari 321. 4031), gehörsam (:nam Karl 219.
605. 2783, :vemam Am. 57, : quam Dan. 7257, Kari 199. 963. 3487,
.gram adj. Kari 1037, Bloch 59), ungehorsam {.-gram adj. Hahn xn 61,
BGerm. 8, 290, 123). aurserdem kennt Stricker die sahst gehörsame und
gemeinsame (s. oben im text) und das verh gemeinsamen Karl 201, Frauen-
ehre 997.
60 ZWIERZINA
ehre 633 als subst.; das (aUributive) adj. wird nur im Dan. in
den reim gestellt, dort um so häufiger : 921. 1219. 2057. 2341.
2973. 5345. 6789. 7133. 7429.
der vane reimt nur zu dan{e) Karl 6573. 6889 und dar an(e)
Karl 9317 und der haue nur zu an{e) Am. 979, wodurch sowol
erwiesen ist, dass die subst. in -ane nicht gekürzt wurden, als
dass die ad?. dan{fi) an(e) neben der einsilbigen form, die zahl-
lose reime sicherstellen, so wie bei Wolfr. auch beim Stricker
noch die zweisilbige form daneben ausweisen, ebenso ist das
präpositionaladv. von{e) anceps, es reimt einsilbig auf gevoon Dan.
6373. 8383, Karl 1251, Pf. Ob. 5, 202, aber auch zweisilbig auf
iA loane Frauenehre D 573, Hahn xii 599.
Rudolf von Ems kürzt das schw. masc. swant beide mal,
wo er es reimt, um sein e (: fürspan gGerh. 785, : man ^vir'
Darl. 251, 11). ob er auch feminina wie diu mane, diu bane;
oder gar auch verbalformen wie ich mane, er erschine gekürzt
hat, ist damit noch nicht ausgemacht und ist aus dem material,
das uns die reime der beiden gedruckten werke dieses dichters
liefern, nicht auszumachen.
Dagegen reimt Rud. name und schäme nur untereinander
oder zu alsame und flectiertem lobesame (die zahlreichen belege
s. unten im excurs), kürzt diese subst. also nicht, abame jedoch
gebraucht er nicht nur zweisilbig, wie der Stricker, sondern auch
einsilbig (: nam gGerh. 1021) : das formwort ist anceps. darnach
ist im reim auf ich nime gGerh. 53, Rarl. 101, 19 zweisilbiges
ime anzusetzen, neben dem aber durch zahlreichere reime auch
einsilbiges im belegt wird, im : vemim imperativ Bari. 37,39.
173, 11. 262, 39. 366, 27. 371, 23. 396, 5, : Eliachim Bari. 59, 35.
deme ist nicht belegt, es reimt nur neme, vememe : gezeme gGerh.
2123. 3061. 4233. 6157. 6483, Bari. 152, 1. 228, 35. 335, 19.
dagegen ist durch die reinliche Scheidung von /hcme verb :lume
verb gGerh. 563 einerseits, dne drum : secularum Bari. 186,29
anderseits wider illustriert, wie Rud. das e nach dem m kurzer
Stämme bei verbum und nomen im reime nicht unterdrückt.
Ähnlich wie Rud. verfahren die Nibelungen, reimworte
auf einsilbiges -am sind die prät. nam (24, 1. 368, 3. 506, 1.
1617, 3. 1635, 1. 1919, 1. 2242, 1), benam (956, 3. 1149, 3.
1511, 3. 2022, 1), genam (561, 1. 661 , 3. 1126, 3. 1491, 1.
1771, 3), vemam (110, 1. 343, 1. 407, 1. 650, 3. 956, 3. 1101, 1.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 61
1637, 1. 1845, 1. 2242, 1), %am und gezam (3, 1. 24, 1. 244, 1.
343, 1. 407, 1. 506, 1. 533, 3. 561, 1. 650, l. 661, 3. 734, 1.
1101, 1. 1126, 3. 1491, 1. 1511, 3. 1617, 3. 1635, 1. 1637, 1.
1771, 3. 1845, 1. 1919, 1. 2022, 1), quam (1465, 3), die adj.
fnm (3, 1. 533, 3. 734, 1. 1149, 3) und Mesam (368, 4. 1465, 3).
diese worte reimeo nur untereinander oder auf sam, abam (100, 1.
244, 1). dagegen reimt schäme, subsL (243, 1) oder verbum
(287, 3. 805, 3. 1206, 3), nur auf same, alsame, was bei dem
grofsen Übergewicht der streng einsilbigen reimmOglidikeiten auf
-<ni Ober die auf alsam kein zufall sein kann, saoi(e) und aU
sam{t) sind also, so wie bei Rud., auch im Nib. anceps.
Ein andres biid zeigen die reime frumisun 123,3. 1851, 3.
1S51, 3 ist frum adj., könnte also ebensogut bei sonstiger er-
b»ltDng des e nach m einsilbig sein, wie bei Wolfr. (s. oben s. 57)
oder im MHelmbr. (s. unten s. 62). 123, 3 aber ist frum Sub-
stantiv 1 doch gehört der reim unter einen andern gesichtspunct
als den der apokope, nämlich den der synkope. denn an der
genannten stelle ist frum accusativ und wir haben es also nicht
mit einem reim frume : mn, sondern entweder mit einem reim
frumen : sun zu tun oder mit einem starken masc. frum. geradeso
wie Wolfr. zwar nie vane swane mane usf. zu van swan man
apokopiert, dagegen ganz ungescheut synkopiertes suns auf uns,
ymmu auf lant reimt, so fiele eine kürzung frumen zu frun,
sowie etwa ein acc. vanen zu van, auch bei solchen dichtem
nicht auf, die die nominative frume und vane nie apokopieren.
Tgl. auch noch Lachmann zu Nib. 216, 1.
Ulrich von Zatzikhoven verhält sich ähnlich wie
Rod. er kürzt nicht nur den dat. zane {:ran, prät. 2109) ^
sondern auch swane (:gewan, prät. 357, unentschieden bleibt
acan : an 8863), ja sogar, wenn man hier der unsichern Qber*
lieferung trauen darf, erschine (:m 4243). nach m aber wird
nicht gekürzt name reimt nur zu schäme subst. 2493, verb 1821;
ebenso gome *homo' zu ze frome 2247, s. ferner frome adj.
: bekäme conj. 339, frome subst. : kome conj. 5839, gefrume
1 sing. ind. ikume ebenso 2247. dagegen ist obam nur in der
korzern form belegt {:nam prät. 3085, :kam 5077), nie reimt
es zu name und schäme, auch für den dativ des pronom. haben
^ wol auch se ban^ von ban 'verderben' .* art adv. 3041.
62 ZWIERZINA
wir Dur ^inen beleg und dieseo für eiosilbiges im (: t7emifii, im-
perativ 7861).
Ulrich von Zatzikbo?eD steht wider Ulrich von Türbeim
am nächsten, dieser reimt nämlich, wie der dichter des Lanz.,
nur abam (: mm Rennew. Zs. f. d. ph. 13, 130% 45. Zs. 26, 2^ 35),
kürzt aber die vollworte in -ante nie. er bindet name mit schäme
subst. Trist. 505, 1, Rennew. Alem. 17, 178,29, Lohm. 318
und schäme j verb Trist. 545, 29. 577, 13, schäme mit an der
rame Lohm. 763, nie aber -ame mit nam vemam kam gezam
gram usf. darnach kennt der dichter auch deme und ime neben
dem und im : deme wird durch die reime auf gezeme TrisL 571, 31
erwiesen und ime durch die reime auf icft oemtme Trist. 563,11,
Rennew. Rother 306,123; dem ist natürlich durch den reim nicht
nachweisbar, aber es ist nach analogie von m anzusetzen, das
Trist. 580 , 9 mit dem imperativ vemim gebunden ist ebenso
dürfen wir also den bin'dungen gezeme : neme Trist. 499, 15. 586, 3
uö., vrume subst. : ich kume TrisL 570, 33, Rennew. Zs.26|l%3,
Rother 378, 9 ihr e in der Orthographie unsrer ausgaben nicht
nehmen.
So wie Ulr. vZatzikh. und Rud. vEms scheint auch der Tür-
heimer das e nach n freier behandelt zu haben , als das e nach
m. dass an den beiden stellen, wo in den von mir durchge-
sehenen Partien seiner werke der ane reimt, Rennew. Zs.f.d.ph.
13, 129^ 30, Roth 317, 20 dieses subsL mit vme und ich mane
gebunden ist, wird kein zufall sein, es fragt sich nur : spiegelt
sich hier die sprachliche conservierung des -€ oder die nach-
ahmung des Vorbilds? Wolfr. reimt ane vane nunu immer zwei-
silbig, Parz.501,23 und Wh. 157, 25 auch direct vane, resp. ich
wume zu der ane^ wie hier, im selben Rennew. aber finden wir
einmal in vom Türheimer so sehr bevorzugter rührender bin-
düng man *vir' : idh mane Alem. 17, 182, 231. darnach kOnnea
wir auch nicht sagen, ob wwm verb ivone Trist. 553, 1 zwei-
silbiges rofie beweist neben tn^ii, das durch den reim auf ungewon
Rennew. Zs. 38, 60 feststeht.
Selbst der Meier Helmbrecht apokopiert noch nicht das e
nach m. das verbum schäme reimt ihm auf nwme 1235 oder same»
adv. 1803, das subsL schäme auf akamc 335. 1201, aber nicht
auf iMWi gezam gram usf. 5asi(e) und a!sam{e) aber sind hier, wie
bei Rud. und in den Nib., anceps, sie reimen mit scAome, das
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 6»
Bie auf -um reimt, aber auch mit nam prät. 693. 1431 und
fficvt adj. 1771. das adj. frum ist streng einsilbig, wie im Nib.
und im Wb.« da Weroher es 597 mit drum bindet, dass der
daL S9m(e) 517 mit iuan gebunden wird^ widerspricht dem son-
stigen Terhalten des dichters nichts da solche dative bei ihm, wie
bei Wolfr. und zL auch in den Nib., auch flexionslos gebildet
werdeiu merkwürdig steht im MHelmbr. dieser conservatismus
IQ bezog aaf das e nach m im gegensatz zu den vielen apokopen
des e nach t und d : wir finden von kindes lit : mit 245, phärit:
n« 457, gmit 'faber' :müe adv. 1065, wit 'lignum' : mite adv»
1S27, höui, plur. von h^, : gewröut partic. 1655, erwachete : ge-
moAet partic. 859.
Koorad von Fussesbrunnen reimt i(h gefrume : ich
bme Kindb. 1617, aber drum : verhum 1021 und sun : gentium
117S, : Egyptum 1319, iJüum 2681. 2735. er reimt gewin :ze
m 1559 udgim., aber auf den conj. prät. sdiine reimt er nur
das adv. hin(e) 683.863. er reimt ungewon stets auf von 819. 1351.
1539. 2267, auf das subst. kone reimt er nicht gewon oder unge--
rim, sondern das doppeldeutige t70ft(e), dessen zweisilbige form für
Konr. also neben der einsilbigen festsieht, ebenso ime : ich nime
2967; $am aber gilt als einsilbig, aham : zam adj. 1399. 2619.
Himmelfahrt Hariä und Urstende geben wenig material.
die Himmelf. lässt aber die erhaltung des e nach m doch noch
erkennen, wenn dort name 1087 das einzige mal, wo es reimt,
auf same, 3 sing. conj. von zamen, reimt, sonst steht deme : be-
nau Himmelf. 519, vememe : neme Himmelf. 33. in der Urst»
nime : ime 124, 10^ der vane : her dane 106, 62. reime, die den
abwurf des e im vollwort bewiesen, fehlen hier und dort; dane^
ime^ deme aber stebn auch für Konr. vHeimesfurt fest.
Moriz von Craün ^scheint nur genau zu reimen, wie
beim Stricker reimt auch in diesem gedieht alsame : rame subst.
651, nie aber aham: -am. der t7ane reimt auf ane adv. 737,
frwtu subst. : kome 3 sing. conj. 1233.
Ebenso reimt der dichter der guten Frau genau, name:
Khame subsL 599. 2035, :la hone dame 3021, abame nur zu in
der rame 1945. das beweist zweisilbiges {etesjweme im reim auf
geseme 2843. s. ferner gezeme : neme 1421, vrume subst. : kume
3 sing. conj. 403.
Wenden wir uns nun zu dicbtern , die ungenau reimea
ZWIERZINÄ
und oboe scheu -ame mit -am« -ane mit -an biadeu. der uuler-
schied der technik wird sorort in die äugen spriagen und uns
lehreu, dass selbst vereinzelte reine bindungen von -ame:-ame^
denen keine unreinen gegen überstehn, schon die erbaltung das e
beweisen f da dort, wo -ame und -am gebunden werdeu, die reinen
bindungen ganz zurücktreten,
ßeirachten wir zunächst den Wjgalais. name subst reimt
auf das präC. gezum i03K 5887^ auf das adj, gram 8101^ das
subst< Slam 9297 , schamB subsL reimt auf die prai. nam 7640,
S979* 9799 uud gezam 957 6^ und ebenso reimt aham auf nam
präL 5339. 6627, nie aber reimen name^ schäme^ ahame unter-
einander« ähnlich werden gebunden diu mane mit wol getan 2400^
dm' kam mit man ^vir' 5055, der vane mit üf getan 10927. da-
neben bedeuten die reime von swane 2408. 2542. 10531 und
vane 10630. 10843 zu a»(£) adv. gewis nicht die erhallung des
-e, denn niemals reimen vollworle iu -ane untereiDanden
Hit der geoauigkeit der Nik (vgl. oben s. 60) halte man die
technik der Gudrun zusammen, hier linden wir auf schäme
subsU gereimt gemm 45> 1. 157, I, 165, L 613, 1, benam 879, 1 ;
auf «amfe) wird vernam 178, t. 1168^1 gereimt, nur Einmal
(1587^ 1) reimen sam(e) und schäme untereinander, unter diesen
um^clnden wird es zufall sein, dass der swane^ an der einzigen
stelle, wo (las wort im endreim steht (1372^ 1), mit daran(e) ge-
bunden isL in einem kritischen teit wäre hier sieber der swan:
daran (resp. dran) zu schreiben*
Auch Kourad Fleck scheidet -ame und Htm, -ane und
-an gar nicht, s. Sommer zu Flore 1259. er reimt schäme: kam
Flore 1428, :erkamb%{>S, name : lussam 309b (fehlt bei Sommer),
nicht aber schäme : name, ebenso man ^vif : swane 6903 » : diu
grane (gran7) 6342, :ich mane 6560. aUam ist ziemlich häufig,
aber immer reimt es auf einsilbiges -öct, :kam 1233* 5128, :^e-
nam 2927, : gezam 6832. 7485, : %am adj. 28681.
^ wir selten also Wtrnt, Gudr. und fltck \ Franken, Österreich und die
Scbweiz^ bier Kusammenilefan gegen etwa Stricker, Nib, und BudoLf ; wider
Frtnkea, Österreich und die Schw^elz. die beichtung de« alten « nach m
uud n im reime war eben eher eine frage der reimtechnik als eine fng^e
des dialekts. docli [»alt ich ausnalinisloses altame, tarne iüt ein nnerkmal
fränk. oder niederalem* sprachcharakters tWolfr», Stricker, Mor* vCr., gFrau);
ähnlich ist wol auch das vorkommen von dane und hine hei Wol fr.« Stricker
und Konr, THeimesf. zu beurteilen, fini uud i?<^n« sind all gemein er.
.1 f
r.\ SIUDIEN 67
L'.'lirauchs hervorgerufen:
, ■ .\:»r, und die dichter, die
. Mini (lio. auch -ame nicht
• ' :: ili'- ;nlj. auf -sanif von
';i" •;: :- ' Uli' -ame reimen, die an-
spi."i:i;i , /i..i.:ili riiil den adv. sam und
.1 j. ;= I. '.<um iiii vrrsinnorn zulässt, spricht
. I. M ii,.iUiiiss<', die Rud. in der hier
' '" '\ -'lin lins vielleicht einen fingerzeig
' «• hiMd»»i -am und -ame, er reimt schäme
Mftm. '/• zum, ^i(»nd(,'rii, nzw. häuGg, nur unter-
■ . '^:>. 109, 3. 157, 3. 189, 35.
7. :}5. 356, 27), ferner auf alsame
'■■ ■ fnf-r^tnnr Bari. 350, 5. alsam reimt
I ii-p nl»»r .Mif das priil. nam, er kennt dem-
!!"ii;,.> :ii|v. .5rim, setzt das wort aher überhaupt
...i IM ij' 11 iLiiii, sü also wie auch Wolf r. und der
■^ il -.wtm gehraucht Rud. viele; aber auch
vi»' xri reimen sind : auf -ame, das er nicht
??•> mrhl rf'imen, auf -am nicht same. und ich
:••>)( liii^ k]i|i(H^ dadurch. <lass er die adj. auf ^sam
.. .tj::iii ...In gereimt in flectierter form gebraucht,
. .:i.«ii /.woisdhig zu name (Bari. 350, 5) und
^'u lO.tIi. 167. 931. 2265. 6624, Bari. 51, 1.
:vJS. 13. 391, 31 in fester formel. nur Bari.
] * ujvt er gehorsam : nam prät. ; gGerh. 4369 steht
..u.i* HA £• ilcninncru. ehenso im innern Bari. 50, 30 ver-
^•i....:?.>liiUiüK.\ liKR VÜLGATA DES NIBELUNGENLIEDES.
- \Mini.^ si'lioii zu widerlinlten malen untersucht, wieviel
M.ii dt-r phisstrophen von *B in den ♦B mit
-. •.'fi4id:iijii'ii p.irlieii der Nib. ohne parallele bleibt, am voll-
.M:;.{.Mi :>inil dti noch immer die Sammlungen von Bartsch
• ..-. «. :\i)\} [^ einiges brachte dann noch Kettner Zs. f. d, ph.
* "*> solche lexikalische, syntaktische und formale Sna^
' .-.-r- i?iht «'S in jedem gedieht^ und ganz nackt und ohne
. cialiäiening neben einander gestellt, wie Bartsch sie ver-
,^'..\' liiicl, beweisen arta^ elgrjfiiva allerdings nichts gegen eine
[r ifMiaweifellp flberlieferung. wenn Bartsch zb. in einer -ganzen
i JÜWi *"l^* — ausdr'*'*>'> die vollkommen bedeutungslos sind : duz,
^fTWAn, encei "^ lanii auch kurz 'Krist 102, IT registriert,
tb( <iier • »^ gar keintMi eindruck. mehr aber schon,
jg& tvir '0. 440 hören, dass Krüt hier in der
5*
ff^
66 ZWIERZINA
alsame auch im Iw. nur ganz zu anfang des gedichts, v. 755, reimf,
wo Hartm. die technik, die er sich für den Iw. zurecht gelegt hat,
noch nicht voUsländig beherscht (s. Beobachtungen s. 504 0. im Er.
ist alsam ziemlich häufig und findet sich auch noch im Greg, und aH.
(s. oben s. 48) : im Er. siud aber auch die adj. auf -sam erlaubt und
auch im Greg, und aH. sind sie belegbar, während sie im Iw. fehlen,
s. Haupt zu Engelh. 1185. Harlm. setzt aufserhalb des reims gehör"
sam Büchl. 896, sorcsam Er. 8878. vorhtesam Büchl. 1040, arbeitsam
aH. 68. im reim gehorsam Büchl. 925, genözsam Er. 3868. Greg. 2425,
vorhtesam Er. 214. auch Wolfr. gehört bekanntlich zu den dichtem,
die die adj. auf -sam verschmähen, nur Parz. 798, 9 und Tit. 50, 2
(s. Steinmeyer Epitheta 19 anm. 30) finden wir gehörsam, Parz. 521,6
Tielleicht doch vreissam (s. laa.). alle beispiele treffen das versinnere,
besteht nicht ein Zusammenhang zwischen dem meiden von alsam im
reim und dem der adjeclivbildungen auf -samt sicherlich geht bei
Wolfr. und im Iw. dies und jenes band in band. Golfr. zb., der adj.
auf 'Sam lieht, zeigt auch sam und alsam des öftern im reim : Trist.
2877. 5371. 8489. 9981. 11737. 16661, und ebenso der Stricker
(s. oben s. 59). Gotfr. nun misst die nomina name und schäme
sowol zwei- als einsilbig; aber es ist ganz merkwürdig, wie relativ
oft mit name und schäme ein solches adj. auf -sam gebunden wird,
wir müssen bedenken, dass -sam bei Gotfr. nur 16 reime bildet, kam
allein aber ca. 100 solcher reime und nam, vemam, henam deren
noch viel mehr, nun reimt das subst. schäme Einmal rein auf name
(19235), Einmal gekürzt auf benam (11905), dagegen auf irresam
11829, auf trAresam 13429, iut alsam 11733; das subst. name das
erwähnte ^ine mal auf schäme, ebenfalls Einmal gekürzt auf kam 9655
und wider zweimal auf -«am, : gevallesam 2001, : gehellesam 2017,
schliefslich rame subst. ledigbch auf lussam 4691. es reimt also
-ame Einmal zu -ame, 2 mal zu einem der ca. 200 nam und kam, 5 mal
aber zu einem der 16 -sam. von diesen 16 adj. auf -^am, die reimen,
sind widerum fast ein drittel (5) mit -ame gebunden, nur 11 mit den
so ungleich bequemeren reimworten auf ^am. wenn auch die kürzung
von 'ame zu -am für Gotfr. feststeht, so scheinen mir doch die we-
nigen beispiele, zwei im ganzen, wo Gotfr. -ame aufser auf »ame und
•sam auf das ^am der präterita reimt, darauf hinzudeuten, dass er
erstens die kürzung ^ame zu -am noch als freiheit empfand und mit
ihr sparte, und dass er zweitens in bezug auf die Verwendung von
'Sam und alsam im reim seiner sache nicht ganz sicher war, dh. sie
ein- und zweisilbig ansetzte, diese technik Golfr.s setzt Konr. vWürzb.
fort» wie mich bedünkt, ich habe mir aus dem Troj. als bindungen
von -ame : -am notiert : schäme : kam nur 8031. 20979, dagegen
schäme :'Sam 14375. 15559.22081 und name : lobesam Ißbd. im
Engelh. steht nur rame : lobesam 2865. das nebeneinander von adverb.
sam und same, alsam und alsame hatte also m. e. eine nebenform
"Same neben 'Sam auch bei den adj. sich entwickeln lassen, dies aber
hatte in bezug auf sam und alsam sowol, als auch auf die form der
BnTTELHOCHDEÜTSCHE STUDIEN 67
adj. aof -sam eine gewisse Unsicherheit des gebrauchs hervorgerufen:
man waste nicht, was richtig und acceptiert war, und die dichter, die
nur sichere formen im reim zulassen wollten und die auch 'ante nicht
kflnten, Harun, und Wolfr., verwarfen nun die adj. auf -sam, von
denen einige etwa sagten, man müsse sie auf -ame reimen, die an-
dere aber wider nur »sam sprachen, zugleich mit den adv. sam und
aitwm. dass Wolfr. einige adj. auf -sam im versinnem zulässt, spricht
for meine auffassang. und auch die Verhältnisse, die Rud. in der hier
veriiandelleD frage erkennen lässt, geben uns vielleicht einen fingerzeig
ia Reicher nchtung. Rud. scheidet ^am und 'ame, er reimt schäme
und nawie nie auf kam, nam, gexam, sondern, uzw. häufig, nur unler-
eisander (s. gGerh. 5511, Bari. 65, 35. 109, 3. 157, 3. 189, 35.
191, 5. 196, 23. 230, 25, 267, 35. 356, 27), ferner auf alsame
Bari. 60, 33 und auf flectiertes lobesame Bari. 350, 5. alsam reimt
er noch gGerh. 1021, hier aber auf das prät. nam, er kennt dem-
nach ein- und zweisilbiges adv. sam, setzt das wort aber überhaupt
ganz aoffailend selten in den reim, so also wie auch Wolfr. und der
dicfater des Iw. von adj. auf -sam gebraucht Rud. viele; aber auch
er hat nicht gewust, wie sie zu reimen sind : auf -ame, das er nicht
korzt, konnte er -sam nicht reimen, auf ^am nicht 'Same. und ich
glaabe, er umschifft die klippe dadurch, dass er die adj. auf -sam
immer nur im versinnem oder gereimt in flectierter form gebraucht,
der lobesame reimt natürlich zweisilbig zu name (Bari. 350, 5) und
ebenso lobesamen : namen gGerh. 167. 931. 2265. 6624, Bari. 51, 1.
187, 25. 235, 35. 328, 13. 391, 31 in fester formel. nur Bari.
25, 35. 323, 19 wagt er gehörsam : nam prät.; gGerh. 4369 steht
dieses gehorsam im zeileninnern, ebenso im innern Bari. 50, 30 ver-
oam.
5. DIE PLÜSSTROPHEN DER VÜLGATA DES NIBELUNGENLIEDES.
Es wurde schon zu widerholten malen untersucht, wieviel
an Worten und formen der plusstrophen von "^B in den *B mit
A gemeinsamen partien der Nib. ohne parallele bleibt, am voll-
ständigsten sind da noch immer die Sammlungen von Bartsch
Unters, s. 309 f, einiges brachte dann noch Kettner Zs. f. d. pb.
26« 440. solche lexikalische, syntaktische und formale aTta^
dqilljiiva gibt es in jedem gedieht^ und ganz nackt und ohne
alle specialisierung neben einander gestellt, wie Bartsch sie ver-
zeichnet, beweisen ana^ elgrjfiiya allerdings nichts gegen eine
angezweifelte Überlieferung, wenn Bartsch zb. in einer -ganzen
r»be solcher ausdrtlcke, die vollkommen bedeutungslos sind : duz,
erringen, erweinen usf., dann auch kurz ^Krist 102, IT registriert,
so macht dies naturgemafs gar keinen eindruck. mehr aber schon,
wenn wir bei Kettner aao. 440 hören, dass Krist hier in der
5*
68 ZWIERZINA
formel wizze Krist steht und dass ^diese formel, wie überhaupt
der name Krist, dem Nib. fremd' sei, während gotweiz öfter be-
legt ist (s. SchOnbach Christentum s. 5) und *im ganzen solche
formein mit religiösen beziehungen nur in wenig Variationen vor-
kommen', das Verdachtsmoment, das wir aus diesem Stvo^ eigt]-
fiivov gegen die plusstrophe schöpfen, gewinnt aber noch wei-
tere bedeutung, wenn wir bemerken, dass wizze Krist rnnerhafb
des mhd. bei gewissen dichtem sehr beliebt ist, dem formelschatz
anderer aber durchaus fehlt, wie viele leute sagen und schreiben
heute jeden augenblick *Gott gebe, dass . . .', ^so Gott will' udglm.«
andre sagen nie so, ja es ist ganz ausgeschlossen, mit ihrem stil
und ton unvereinbar, dass sie derartige Wendungen gebrauchen,
und ebenso damals wol wizze Krist : wer es eben nicht gebraucht,
in dessen rede hatte es sich ausgenommen, als hätt ers aus der
predigt gerade mit nach hause gebracht, wir finden wizze Krist
zb. sehr häufig bei Hartm. (Cr. 4074, Greg. 1175, Iw. 815. 3127.
4785. 5485, stets in der rede handelnder personen)^ ebenso beim
Stricker (Dan. 502, Karl 2219, Am. 584, GA. 45, 150, Hahn xm 49,
nur an der letzten stelle in eigener rede des dichters) und bei
Konr. vWürzb. (s. Mhd. wb. i 883). auch bei Gotfr. steht es
10444 nicht vereinzelt, wie Bechstein in der anm. angibt, es
findet sich aufserdem noch 13445, doch ist es nicht unmöglich,
dass ein sprachkünstler wie Gotfr. sich das wort an diesen beiden
stellen bei einer ihm sonst fremden diclionsart ausleiht, nie aber
beteuern bei Wolfr. und Wirnt, nie bei Ulr. vTOrh., Rud. vEms,
Reinbot, Dir. vZatzikh., nie in der Gudr. die redenden mit wizze
KHst^. wenn das wizze Krist also von den Nib. A nicht gebraucht
wird, in einer plusstrophe der Nib. B aber vorkommt, so ist das
gewis ein argument gegen die echtheit dieser plusstropfaen«
Nur ganz bestimmte ana^ dgrifiiva können ako in fragen
nach echtheit und autorschaft entscheiden, sollen sie uns bei der
Untersuchung einer solchen frage fördern, so müssen wir ihr
vorkommen hier und ihr fehlen dort in gröfseren Zusammenhang
stellen, blofs wenn das ana^ eiqiqftivov einem bestimmten, in
den übrigen unangezweifelten partien erkennbaren stilprincip
widerspricht oder einem dort fehlenden stilprincip allein zukommt,
oder wenn dem &na^ elgi^fiivov in grofser masse die conse-
quente durchführung eines Schemas entgegensteht, wenn mit
* ebenso fehlt es ia Mor. vGr., Klage, gFrau — es steht MHeUnbr.635.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 69
wort das einmalige vorkommen des Wortes, der form, des
kein einzelner fall bleibt, sondern die durchbrechung eines
Systems bedeutet, den dichter aus der gruppe von Stilisten und
vcffsificaloren, der er sonst angehört, in eine andre gruppe ver-
wiese, oar dann wird das ana§ elQrjfiivov geeignet seio, unsern
^bnben an die Zugehörigkeit eines handschrifllichen plus zum
teKt, eines textes zu den werken eines bekannten dichters usw.
dauernd zu erschüttern.
628, 5 (B 681, 1) reimt ir zam und ouch ir schäm auf als
an da gezam. ich habe in der voranstehnden nr dieser Studien
ausgeführt, dass die gedichte, die das tonlose e nach dem m
korier Stammsilben gaoz spurlos schwinden lassen, sodass reime
von -a9i€ zu -am^ von -ime zu -m usw. des Odern erscheinen,
sieh streng von solchen scheiden^ die -ame^ -ime noch als zwei-
silbig mUen und die worte dieser zweisilbigen form mit den ein-
silbigen niemals binden, auch dichter (wie zb. Hartm.) liefsen
sich namhaft machen, die von der einen Übung in bewustem
fortschritt in spätem werken zu der andern übergehn, beweis
genug, dass die entscheidung für diesen oder jenen gebrauch zu
den principien der reimtechnik mhd. dichter geborte, wir haben
dort s. 60 ferner gesehen, dass sich die Nib., für die ich aao. den
Strophenbestand von A zu gründe legte, zu jenen dichtwerken
stellen, welche sam und abam anceps, dh. ein- und zweisilbig,
reimten, die subst. (schäme name rame) und verba (schäme) aber
nnr zweisilbig, hätten die Nib. schäme auf -am zugelassen, so
hätten unausweichlich, so wie etwa in der Gudr., die unreinen
bindongen -ome; -am über die reinen -ame : -ame das übergewicht
behalten müssen, daher halt ich es für im höchsten grade be-
zeichnend, dass wir in den wenigen plusstrophen von B eine Strophe
finden, die hierin aus dem allgemeinen Schema der Nib. herausfällt,
und sehe darin ein moment, das diese und mit ihr natürlich auch
ihre Schwesterstrophen im höchsten grad verdächtig macht, auch
die Überarbeitung C, nebenbei gesagt, verrät sich ua. dadurch als
spätere mache, dass sie 661, 4 tool gezam auf mit grözen eren
dne schäm reimt; dafür in AB dd si der tot von in genam.
583, 5 (B 631, 1) lesen wir vrouwen unde man (: getan).
das ganze Nib. kennt sonst nur wip unde man (68, 2. 757, 4.
1005, 2. 1319, 2. 1462, 3), wip oder man (1729, 3), man unde
wip (556, 3. 989, 3A. 2193, 4), man^ wip unde kint (989, 3 ß),
70 ZWIERZINA
von wibe und ouch von man (2270^ 3), von wiben und von mannen
(1430, 2). vrouwe verbindet sieb ritter : Ritter unde vrouwen
(1607, 2. 1610, 2. 2316, 2), Die ritter zuo den vrouwen (555,3).
60 wie es Diemals heifsl ritter unde U)ip, so beifst es aucb nie-
mals vrouwen unde man. hier föllt also die diction von +B
abermals aus dem ganzen Schema der diction der Nib. AB heraus,
das wort U)ip galt, bes. im plur., höfischer Sprechweise früh als
gemein — bereits bei Hartm. scheint eine derartige entwickiung
angedeutet, eine ausdrucksweise wie die der ersten zeile des Er.
wäre im Iw. unerhört, und Walth. muss ja schon für das wort
eine lanze einlegen — , sodass sich hier die art und weise des
dichters der plusstropben, wenn wir von einem solchen zu
sprechen berechtigt sind, als die jüngere, von höfischer form be-
einflusste manifestiert, und wider weist auch C eine höfische
abneigung gegen dieses wort auf, wenn würklich aus seiner Um-
arbeitung der drei ersten fölle des Vorkommens unserer formel
(68,2. 556, 3. 757,4) auf eine solche abneigung geschlossen
werden darf. bes. der zweite fall ist charakteristisch, hier wird
das wip durch hinzusetzung des maget unanstöfsig gemacht : nicht
weiber und männer, sondern ehefrauen, Jungfrauen und männer
(556, 3 manic man unde u>ip B] man magt unt wip C). dass C
selbst ein paar mal in ireimnöten dieses wip und man einführt
(zb. 36,4), kann bei der bekannten inconsequenz dieses Über-
arbeiters nicht auffallen.
394, 15 (B 414, 3) beifst es Mit guotem gelmze so minnec-
liehe 8tän. schon Bartsch hat aao. gelmze als aTta^ elQtjfAivov
qualificiert. ich möchte nur hinzusetzen, dass geldz und geUßze,
statt gebär^ gebmre^ gebwrde bei einer grofsen anzahl von dichtem
niemals vorkommt und durchaus nicht allgemein mhd. ist. wir
finden es nie bei Hartm., nie bei Wirnt, nie bei Rud.^, nie im
Parz.^ dagegen ist geldz bei Gotfr. sehr häufig (Trist. 963. 2851.
2737. 5001. 9997. 10997. 11091. 13635. 14995, hier auch subst.
inf. geläzen 6025), ein willkommenes synonymon zu gebdr und
' Rad. kennt, wie es scheint, aoch kein gebär, gebmre^ gebärde^ son-
dern gebraucht nor den sobst. inf. gebären (ib. gGerh. 6071, Bari. 360, 7)
und im gGerh. das a^j. gebcere (2163. 49S7), das er sich wol bei Gotfr.
auslieh.
> im Wh. dagegen des öftern gMz : 33, 13. 142, 17. 224, 19. 249, 3.
414, 5 and in den Liedern 7, 33.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 71
fAmrde. auch Konr. vWürzb. keaat es, am häufigsten aber er-
scbeinl es, wie die wbb. ausweisen , ia md. quellen, dorther
borgt es wol Uir« vZatzikh., wenn er gdiBze einmal ^ v. 43 ganz
zu anfang seines gedichts wagt, wo er überhaupt im bann der
dictioD rheinischer Vorbilder steht : hier auch das einzige hlide 231
und das einzige duoc 273 des Lanz. es ist also sehr bemerkens-
wert, dass +B ^^ <^CD Nibelungentext ein solches, in AB fehlendes
fdmxe einführt, gehmrde 381, 4. 429, 3, ungebcerde 2170, 3.
392, 5 (B 409, 1) reimen die beiden ersten zeilen der Strophe,
sowie ja Öfter im Nib., scheinbar klingend, mtBren : wcBren. aber
es ist bekannt, dass im Nib. AB diese klingenden schlQsse erster
endreimzeilen mit ausnähme von Uoten: guotm 14, 1 nur in der
zweiten hälfte des gedichts erscheinen (s. Lachmann zu 1362, 1):
1362, 1. 1449, 1. 1462, 1. 1467, 1. 1571, 1. 1653, 1. 1803, 1.
1962, 1. 2132, 1. 2133, 1, sowie (s. Lachmann zu 1916, 1) die
dreisilbigen Schlüsse derselben hier bedeutend häufiger sind als im
ersten teil, wir werden in der folgenden nr 6 hören , dass die
eine ausnähme klingenden und die ausnahmen dreisilbigen Schlusses
im ersten teile unter einen ganz bestimmten gesichtspunct fallen,
so zwar dass mmrm : tocBren in dieser ersten hälfte tatsächlich
ganz vereinzelt und beispiellos dastünde, dazu kommt, dass wir
von der verliebe des Überarbeiters C (s..l30, 5. 720, 5. 1082, 5.
25.33. 1654,1. 1848,9. 1939,9) sowie andrer späterer ver-
lasser von Nibelungenstrophen für diese klingenden, altertümeln-
den schlQsse kenntnis haben (s. Bartsch Unters, s. 8) und dass
auch in mancher andern hinsieht die erste und die zweite hälfte
ansers Nib. nach form und stofiTbehandlung auseinanderfallen.
^B reimt auch 13, 1 in jener oft besprochenen stelle, welche in
A lautet Ez troumde Kriemhilde in tugenden der si pflac (: ma*-
negen tac), Kriemhilde mit wilde, vermehrt also die beispiele für
zweisilbigen reim um noch ein weiteres, dass hier keiner der
gewis zahlreichen fehler der einzelhs. A vorligt, fehler, die an
so vielen stellen die la. A dem gemeinen text gegenüber ein für
alle mal discreditieren, beweisen Ik, welche an unsrer stelle, wie
so oft in den ersten 150 Strophen, mit A zusammenstehn. sonst
könnte der klingende reim auf Kriemhilde unter dieselbe rubrik
subsumiert werden wie das Uoten: guoten der folgenden Strophe und
würde eine gültige ausnähme von der beschränkung klingender
1 sonst gebtBre 3323. 7553, sabst. inf. gebären 6593.
72 ZWIERZiNA
schlösse auf die zweite hälfle des gedichts nicht constatieren
lasseD, s. darüber unten nr 6.
Aber mehr bedeutung als allem bisher gegen die echtheit
von +ß vorgebrachten, mehr auch als dem, übrigens nicht zu
unterschätzenden, geswam 421, 5 (B 445, 1) neben in A allein
üblichen gestoam (2017, 3. 20S6, 1^. 2087, 3. 2305, 2, s. BarUch
Unters, s. 180), schreib ich folgendem zu.
Nirgend findet sich im Nib. ein einziger verweis des dich*
ters auf schon vorher erzähltes, in -f-B 531,6 (B 571, 1) aber
steht als ich tu kdn geseiL
Hier fMli der stil des dichters der plusstrophen und der des
dichters der Nib. und seiner quellen am deutlichsten auseinander,
denn ich halt es für keinen zufall, auch für keine persönliche
geschmacksrichtung des dichters, sondern für eine aus den ge-
gebenen Verhältnissen heraus entwickelte Stileigentümlichkeit dieses
ältesten unter den strophischen mhd. volksepen, dass wir in ihm neben
den bekannten zahlreichen verweisen auf das, was später : sU, sint
und sider geschah, keine verweise finden auf das, was früher er-
zählt wurde, in den einzelnen quellen des dichters, in den alten
liedern, war früher eben nichts erzählt .worden, worauf der
Sänger mit einem ah ich tu hdn geseit, ah ir dd habt vemomen,
als tu ist vor geseit usw. hätte zurückweisen können, es fehlte
dort aber auch der bericht über die weitern Schicksale der beiden,
und der Sänger suchte nur mit einem da% toart im sider leit,
die betßeinten ez sii usw. auf die folgen der im lied erzählten
ereignisse, von denen das publicum in seinem vertrag weiter
nichts mehr zu hören bekam, gleichsam für den fehlenden ab-
schluss eine art ersatz schaffend, hinzudeuten, in den kunstepen,
wo anfiging und schluss in 6inem buche stand, hätten diese ver-
weise auf zukünlliges nur die Spannung verringert, dagegen
konnte dort der dichter sich überall auf seinen frühern bericht
berufen, in folge dessen finden wir in den einheitlichen erzäh-
lungeo, sowol denen des 12 jhs., im Roth., Rol. und Alex., als
auch in den romanen des 13 jhs., bei Hartm., Wolfr. und Gotfr.,
^ 2086, 1 fährt auch der andre uberarbeiter — wir sehen ihn immer
in den spuren des ersten — guwarn för getwom AB ein nnd wechselt
dann in IScherllcher art in zwei aufeinander folgenden Strophen : geswam —
vom • . . genowm — too/gebom. das klingt wie ein klapphomvers mitten
in Rodcgera seeleDconflict.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 73
?erwe»e auf früher erzfihltes sehr oft, verweise auf später ge*
schehenes nur sehen, ich habe, Beobachtungen s. 509, die bei*
spide fOr rOckTerweisungen bei Hartm. aufgezählt^, sie werden
im Iw. xwar aekener, als sie im Er. und Greg, sind, da der ge*
waotere dichter ihrer als flickreime nicht mehr bedarf, sowie sie
auch bei Gotfr. seltner sind als bei dem jungen Hartm., sie yer*
schwinden aber weder aus dem Iw. noch aus dem Trist, gänzlich.
umd die Nib., die flick- und fülWerse doch wahrhaftig nicht scheuten,
mieden diese verweise gewis nicht aus dem stilistischen feingefühl
Hartm.s und Gotfr.s heraus, sehen wir uns doch nur diese mannig-
faJügkeil an bei Wolfr. (s. Förster s. 33), bei Hartm. (s. aao.) und
bei Gotfr. : Von dem ich her gesaget hän Trist. 1967, Äh ich hie vor
getaget hdn 7183, ... ab ich gesaget hän 2619, . , . als ich tu hdn
gneü 3040. 9097. 9575, Reht als ich iu i seile 3467, ... als ich
tu e uiie 4243, Ah ich iu seile an dirre stunt 17667, ... als ick
i ku 7155, . ..als ich iezuo las 16493. 16931. 17577. 18605,
. . . van dem ich nü las 17421, Als ir wol habt gehwrel wie 4275,
Ab ir ez Mibe habet vemomen 10041, ... abir habet vemomen
3377. 6037, M grife wider, da ichz liez 72351 und oicbts,
gar nichts dieser art im Nib.I ich will nicht sagen, dass in
ansenn Nib.-text oder vielmehr in seinen quellen keine ver-
weisiiDgeD auf zukünftiges, das gleich eintritt, vorgekommen
wären, auf dinge also, die im selben lied noch erzählt worden
$ein konnten, auch nicht, dass unter den quellen nicht genug
aasgedehnte, inhaltsreiche lieder gewesen wären, in denen der
Singer auch einen verweis auf erzähltes hätte einmal für ange-
bracht halten konoen; ich meine nur, dass diese beiden parallel-
erscbeinungen : zahlreiche verweise mit sit, sider und sint, keine
verweise mit i und da vor sich in folge der beschafifenheit der
einzellieder von den Nibelungen, die dem dichter unsers textes
seinen Stoff geliefert haben, zu einem Ingrediens des ^Nibelungen-
stils' entwickelten, und weil es in den gedichten dieses Stoffes
and wol auch dieses versmafses stil geworden war, auf das später
geschehene (weil das interesse des publicums an dem fortgang
oichi im selben Vortrag befriedigt ward) hinzudeuten, und ander-
seits die gangbaren formein für berufungen auf vom dichter selbst
froher berichtetes (weil dieser bericht im gleichen Ifed eben nicht
^ ich trage ooch nach Greg. 1693 Und er sagte im vil gar, AU ich
tu S, wa% in war.
74 ZWIERZINA
gegeben war) zu entbehren, so mied auch der dichter des ganzen
Stoffes dieses nnd verwendete weiter jenes, obwol er mit den
Sängern seiner quellen nicht mehr in derselben notlage sich befand,
er schrieb also bis zu einem gewissen grade noch getreu den
Stil der quellen, sowie er ihr versmafs und die consequenzen
dieses versmafses (s. das oben s. 34 ff Ober pronomina im reim ge-
sagte) beibehalten hat^.
Berufungen auf sein wissen und glauben, auf seine quellen
— wenn auch nie^ wie bekannt, auf eine schrift — bringt der
Nib.-dichter Öfter an. sie sind zwar nicht gerade häufige wider-
strebten aber, dem stil des strophischen gedichts nicht, weder
dem unsers texies noch yermutlich dem der supponierten quellen
unsers textes.
Wir finden a) ab ich vemomen hän 1447, 2 2, daz hdn ich
Sit vemomen 197, 2, Waz dö die frouwen tdten, daz ist uns
sider geseit 382, 4, so mr hcsren sagen 371, 1. 662, 1. 767, 1^,
Wir hosren sagen tncsre 386 , 2 ^ , des ir diu meiste menege giht
1082, 4, ab uns daz ist geseit 265, 2. 416, 1. 1290, 1. 1815, 1 ^
man hat gesaget daz 1003, 1, daz mac man Uhte sagen 728, 4 ^»
ich u>il u>ol toizzen daz 133, 3, ... te& wil wizzen daz 347, 2,
. .. daz ist wdr 659, 1, daz ist altodr 137, 1. 1046, 1. 1082, 1.
1327, 1. 1672, 1, Daz ist an den triuwen u>dr 1594, 4B (in A
falsche la., s. Steinmeyer Epitheta s. 17 anm. 9).
b) der dichter hebt die grenzen seines Wissens, seiner Über-
lieferung hervor (im zweiten teil des gedichts viel häufiger als
im ersten!) : Wie si nü gefüeren, daz kan ich niht gesagen
* es scheint mir trotz allem, was schon zum gegenstände geschrieben
wurde, doch geboten, dass man sich die frage noch einmal klar vorlegt : wo
soll der dichter anders den stoff seiner erzählung mit all ihren ungleicbmäfsig-
keiten und widersprächen gefunden haben als in einzel- und teilberichteo ?
und doch wol poetischen berichten? woher aber kann er anders die Strophen-
form für sein wol niemals vorgesungenes epos genommen haben als aus der
tradition? dann also aus liedern gleichen themas, gleichen Inhalts, also aus
in der Nibelungenstrophe gesungenen Nibelungenliedern, das waren zugleich
seine quellen, deren Wortlaut aber uns auf immer verloren bleibt.
^ ebenso in directer rede handelnder personen : als ich vemomen hän
1717, 3.
3 in rede : 93, 1 (Hagens bericht Ober Sigfrid).
* in rede : Ich hörte ie sagen mare 1820, 3.
^ in rede : als mir usw. 89, 2 (Hagens erzählung). 109, 1. 1952,2. 2192,3.
® als ich tu sagen kan 1433, 2A, wol falsche la.
JilTTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 75
1039, 1. 1261, 1, ... des ist mir nitu bekant 293, 2, . . . dist
war unbAant 652, 1. 1289, 1. 1551, 1, Daz kan idi niht be-
sAdden 1369, 1 , Wir kunnen niht bescheiden, wd . . . 1567, 1,
JbJk enüran tu niht bescheiden, toaz sider . . . 2316, 1, Wer künde
iax beuheiden, wie sit 1322, 3, daz ist mir niht gewizzen 1367, 4.
c) Der dichter bekräftigt, dass nie etwas grOfser, schöner
osw. gewesen wäre : Man gehörte nie daz wunder von guote
mere sagen 1065, 4, Von bezzerm pirsgewcete hört ich nie ge-
sogen 893, 1, THamt stunden mire, danne ich iu kan gesagen
128, 2, Waz mac ich sagen mere . . . 2070, 1^; Iu enkunde nie-
wum daz umnder volsagen 977, 1 , Ez enkunde ein schriber ge-
briefm noch gesagen Die manegen ungebcerde 2170,2, Ob ieman
wwuAen solde der künde niht gesagen Daz man so richer clei-
der gesaehe ie me getragen 780, 1. — dasselbe vermutungsweise
ausgedrClckt : M wcene nimmer recke deheiner mir getuot So
gröze . . . 849, 2, Ich warn man von deheinem künege mire sage
1307, 4, Idi wan in an der verte nie so samfte geschach 1600, 4,
Si w4Bn so manegen man . . • nie ze dienste gewan 1305,4, 5t
Wien in Niderlande da vor nie gesaz 1308, 1, Im wasn vor
ünem töde so rehte leide nie geschach 2235, 1^. — Ob in daz
iemen seite daz man diende baz . . .ich wolte niht gelouben daz
560, 4, vgl. 293, 3.
d) Der dichter fordert die hOrer zur aufmerksamkeit auf:
ir suU gelouben daz 128, 3 ^ ir sult wizzen daz 596, 2^, Von des
geres sware hosret wunder sagen 419, 1, Nu hoeret wunder von
der Uehten wate sagen 354, 4, Ir muget von dem horte wunder
hmren sagen 1062, 1, Hie muget ir hceren wunder bi ungefuoge
' öfter in rede : 400, 1. 1585, 2. 1665, 2. 1668, 1.
> ähnliche ansdrucke des vermutens, die aber nicht unter unsern ge-
siclitspanct fallen : Si warn ,.. dd bt geloube ich daz 1308, 2 (in rede:
ich ttril gelouben daz 1213, 1. 560, 4), Ich warn in het ir herze rehie
das geeeit 71, 2, Ich wem in sagt daz herze, daz in dd von geschach
362, 1, Ich wem sin herze seite daz im was geschehen 957, 3, Ich wan
ir her%e in seite diu krefteclichen leit 1649, 3; Ich wan man alle zite
in eben Kriemhilte vant 1303, 4, Ich wan ir iegeKcher zer höchzü ge^
wan 1314, 2, Ich wan der übel vdlant Kriemhilt daz geriet 1334, 1, Er
ween an ir niht anders niuwan laugen vant 1 193 , 4. diese wan (auch
in rede: 1507,4. 1761,4. 1787,1. 1896,3. 2050,4) gehören zu den cha-
rakteristischea merkmalen des tons der volksepik.
3 IQ rede : 1394, 3, vgl. auch 1477, 4.
4 io rede : 1382, 2.
76 ZWIERZINA
tagen 1873 , 1 ^ Nu hcert ouek dmu tncere wie Günther gelac
583 , 2. 540 , 1 , Von grözer ühermüete muget ir hcßren sagen
944, 1. 1644, 2, Ir mnget daz hie wol hceren daz er . . .
2092^ 4. — Dö diu kUneginne Sifriden sach Nu muget ir gerfle
hceren wie diu maget sprach 398, IB. 1661, 2 AB.
e) Der dichter kflodigt an, dass er etwas zu sagen hat : Ich
sagiu von dem degene, wie ... 21^ 1^ Ich sagiu, wer der waere
182, 1, Wer der VoIkSr wcere daz wil ich iuch wizzen län
1417, 1, Die wil ich iu nennen 139, 1^. — Man möhie michel
wunder von Sivride sagen 23, 2, Von der höchzUe man wunder
möhte sagen 30, 1, Von geheize und auch von gäbe man möhte
wunder sagen 2067, 1.
0 Praeieriiio : Ich sage iu nü niht mere, wie . . . 583, 1,
Die boten Uzen rUen wir suln iu tuon bdcant 1230, 1, Alle ir
unmuoze läzen wir nü sin Und sagen ... 721, 1, Nu läzen
daz bdiben, wie si . . . 1446, 1, In solhen unmuozen sul wir
die vrouwen Idn 1595, 1^.
Die 64 plusstropben von B bieten für die kategorien von
a) c) d) belege, die qualitativ unauffällig sind, quantitativ jedoch
etwas über 4as mafs hinausgehn, das nach der durchschnittsziffer
für die 2304 Strophen von A (str. 1 — 12 ist nicht einbezogen)
in den plusstropben zu erwarten wäre, wir finden a) sd wir
hceren sagen 999, 5 (B 1059, 1), als uns daz ist geseit 559 , 7
(B 605, 2); c) Ze so grözem antphange, des wir wol mHgen jehen.
Wart nie . . . 540, 11 (B 583, 3), Von bezzer recken wate künde
niemen niht gesagen 359, 8 (B 370, 4), Von der besten siden da
von iu iemen künde sagen 531,8 (B571,4); d) Man möhte
michel wunder von ir rlcheüe sagen 655, 8 (B 711, 4).
Als ich iu hän geseit aber 531, 6 (B 571, 2) findet seine
Entsprechung nicht und entscheidet nach dem oben dargelegten
die frage nach echtheit oder unechtheit der plusstropben des ge-
meinen textes zu Ungunsten dieses.
Ich habe bereits in parenthesi gesagt, dass ich die str. 1 — 12
von den Zusammenstellungen über die persönlichen bemerkungen
des dichters ausgeschlossen habe, ich tat dies, weil mir diese
^ in rede : nü hceret wunder sagen 90, 2 (Hageos enahlung).
' in rede : daz wil ich iu sagen 1792, 1. 391, 1.
8 in rede : 1664, 1.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 77
Strophen unecht zu sein scheinen, uzw., wenn man ohne ao-
nähme von Interpolationen im text A nicht auskommen zu können
▼enneint^ späterer zusatz zu dem bereits interpoUerteo text.
Der durchaus einheitliche stil und reimgebrauch des liedes,
dessen gelinde Schwankungen niemals mit deo als interpoliert
geltenden stellen zusammenfallen, lässt mir Lachmanns ausschei-
dong TOD Interpolationen aus dem texte nicht recht glaublich er*
scheinen, was seit Lachmann in gleicher richtung vorgebracht
wurde, überzeugt mich noch weniger, am allerwenigsten freilich
die Ssthetischen zahlen Fischers (Zu den kunstformen des mittel-
alteiiichen epos s. 83ff), dessen ausfOhrungen Ober das Nib. das
dassischste beispiel eines gelehrten Zirkelschlusses sind, das ich
kenne : von Kettner zu Kettner.
Die so ungleich und sonderbar Qberlieferten eingangsstrophen
des Nib. 1 — 12 aber halt ich fflr eine interpolalion und begreif
es gern, dass selbst gelehrte, die auch die plusstrophen von C
noch als echt verteidigten, dennoch diese zwölf Strophen preis-
gegeben haben.
Ich will in diesem zusammenhange dem vielen, was gegen
die Str. 1 — 12 bereits vorgebracht wurde, nur noch weniges hin-
zufiQgen. auch hier verrsrt sich der interpolator durch eine formel-
hafte Verweisung auf schon erzähltes : Die dri künege wären, ah
i(^ gesagei kän 8, 1. der dichter wird kaum hier in den ersten
Strophen, wo er fast nichts noch erzählt hat, einmal auf früher
erzähltes verwiesen haben und dann im wettern verlauf seines
Werkes sich dieser rflckverweisungen enthalten haben, obwol er
dann ja, mitten im Stoff, zu anknüpfungen an den frühem he-
richt erst recht gelegenheit und anlass gehabt hätte, fast ebenso
Tereinzelt als dieses als ich gesaget hdn der achten strophe steht
auch in der zehnten 5t haen tnanegen recken. Den ich genennen
nihi enkan. man wird oben sub d) vergeblich nach einer ana-
logie zu dieser Wendung suchen, die aufserhalb der Nib. ja ziem-
lich häufig ist (s. Keltner Die Ost Nibelungendicbtung s. 39,
dazu etwa noch En. 11769, Herb. 3291. 4852. 8549. 12391,
Trist. 5435, Bari. 59, 38). ich merke noch an^ dass solcher per-
sönlicher bemerkungen des dtchters sich in den Strophen 1 — 12
noch zwei befinden (1 , 1 und 8,3), im ganzen also vier der
kategorien a) b) c), für die das ganze Nib. nur 49 belege bietet
4, 3. 10, 1. 11, 3 steht ganz gleichmäfsig, über die volle
78 ZWIERZINA
balbzeile sich erstreckend uod als apposition zum namen construiert:
ein Hz enoeUer degen, nun finden wir auch sonst : den {iz ertoelten
degen 996, 3, die üz erweiten degne 969, 1. 1698, 4 — 3 mal also
sonst im Nib. und 3 mal in den zwölf ersten Strophen! — , aber
niemals ist hier diese Verbindung als apposition zum namen ge-
stellt ^ an und für sich steht degen im Nib. sehr oft als appo-
sition hinter dem namen im endreim, viel öfter als Aett (2168,4),
aus leicht begreiflichem gründe, aber immer nur im selben halb-
vers mit dem namen, ohne attribut mit blofsem artikel : wan Ha-
gene der degen 55, 1, spra(A Günther der degen 111, 1, sprach
Sifrü der degen 178, 1. 303, 1. 443, 1. 805, 1, und Ortwin der
degen 210, 3, G^re der degen 710, 1, Spradi dö Gire der degen
714, 4, Sifrit der degen 722, 2, eam tet ouch Giselher der degen
2013, 4 usf. noch 719, 1. 1998, 1. 915, 1. 1766, 1. 1960, 1.
2018, 1. 1577, 2. 2284, 1. 1148, 1. 1947, 1. 1298, 3. 2200, 1.
1405, 1. 1533, 3. 1557, 1. 1864, 3. 1874, 2. 1768, 1. 2031, 1.
2109, 1. 2114, 1. 2118, 1. 2202, 1. füllt jedoch (te^«i 4- attrib.
in der apposition den zweiten balbvers, dann heifst es immer:
Günther, der vil zierliche degen 153, 4, Volker, der vil zier-
liche degen 2166, 4, Hagene, der vil zierliche degen 1137, 4.
2286, 4 oder Wolßart, ein tiurlieher degen 1745, 3. der (oder
der vil) zierliche degen steht aufserdem noch 189, 4. 288, 4.
583,3. 1977,4. 2174,4 und ebenso den tiurlichen degen 619, 1.
858, 3, immer die halbzeile füllend, im ganzen 12 mal. nie wird
helt, riter oder recke (etwa in der cäsur) mit diesem epitheton
versehen 2. nun ist charakteristisch und weist auf die spätere
entstehung dieses eingangs der Nib., welcher das formelhafte
Günther usw., ein zierlicher degen durch ein üiz erweiter degen
^ der degen üzerweU fehlt ganz, der degen üzerkom 1924, 1 ß
{riter A); vil manic üz erweiter helt 1207,4, Fon üz erweiten recken
448, 4; die ritter üz erkom 74,2. 819,3. 2086,2. auch zu diesen wenigen
beispielen ähnlicher nator fügt str. 1 — 12 ein weiteres : die recken üz er-
kom 5, 2. nie tritt sonst üz erkom als epitheton zu recke, — den drei
oben genannten stellen des eingangs vergleicht sich noch am genauesten
1745, 1 Häwart unde Irinc zw6n üz erweite man,
^ auch einfach ziere 1179, 4. 1740, 2 blofs mit degen verbunden, sonst
nur unsichere belspiele : 282, 4 den zieren helden BC, vil maneget heldes A;
1512,4 zieren recken AHd, riehen B; 752,4 zieren recken B, riter A;
2036, 1 ziere recken A, Binnen recken B ; 2268, 4 zieren recken A, guoten
recken B.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 79
3 mal ersetzt, dass in der Überarbeitung C 189,4 für der vil
zierttthe degm in B steht Sifrit, der As ertoelie degen, 2186, 4
für Hagenen^ den vil xierlichen degen in B : Hagenen, er was
em üz erweUer degen und 2174, 4 für vil manic zierlicher degen
in B : vil manic Hz erweiter degen^ schliefslich noch 583, 3 der
vil mctre degen für der zierliche degen in B. auch den tiurlichen
degen ist in C immer, 671, 1. 1745, 3 (str. 858 fehlt C), aus-
gemerzt«
Um das argument für die unechtbeit von str. 1 — 12 noch
besser ins licht treten zu lassen, mOcht ich darauf hinweisen,
dass die Verwendung von recke hell degen riter ^^ besonders was
die Verbindung dieser appellativa mit schmückenden beiwörtern
betrifft, in den Nib. AB (in C ist alles wider verwirrt) zt. streng
geregelt isU edele, so häufig in Verbindung mit riter (32,3.
441,1. 565,2. 584,2. 590,4. 779,1. 898, 1. 1157,4. 1237,3.
1287, 3. 2083, 1. 2135, 4; anrede : riter edele 434, 2. 586, 1.
1844, 2, edel riter Hagene 1475, 2, Edel riter küene 2230, 3, ir
tdeln Hier halt 910, 1), recke (314, 2. 344, 4. 399, 3. 666, 2.
978, 3. 1113, 2. 1243, 4. 1308, 4. 1574, 1. 2181, 3) und knekt
(1867,2. 2316, 3) ^ ferner bei man, herre, fürste, künec, vrouwe,
junevrouwe, maget, steht nie als attribut bei helt und degen. ferner
stdit edel im verein mit guot nur bei riter, nie bei helt und degen,
auch niemals bei recke und kneht : den edelen riter guot 1009,3,
dk edelen riter guot usw. 1088,1. 1107, 3A. 1167, 3A (recÄrenB,
also wol falsch!). 1128,4. 1345,4. 1506, 1, in anrede : edel riter
guoi 291,3. 1667,3. 1922, 1, vgl. noch der riter edelguot 598,2
Lacbm. dagegen sagt das Nib. vornehmlich der helt küene unde
guoi 837 , 4 B (degen A) , die küenen helde guot oder die helde
küene unde guot : 202, 4 A {riter B). 387, 4. 473, 4. 787, 4.
1027, 4 B (degen A). 1355,4. 1741,4. 1786,4. 1956,4, auch
in anrede : ir helde küene unde guot 1701, 4; und ebenso recke
845, 2B {riter A). 893, 3B {degen A). 1181, 4. 1521, 4. 2156,4.
2219, 4. 2236,4; viel seltener aber steht dieses küene unde guot
^ über das fehlen von w(gant im Nib. s. oben s. 46 anm.
* zomeist rtler e£/e/0 (13 mal), e^e/ ri7er nor 6mal, dagegen fast immer
edel recke (9 mal), nur ^nmaJ (1308, 4) S6 tnanegen recken edelen. warum?
genaue riier nicht fär die casar? auch in den sechs beispielen fär edel
riter steht riier mit ausnähme von 33, 2 nie in der cäsur : 2 mal folgt noch
ein adjo 910,1 (baU). 2230,3 (küene), Einmal ein name, 1475,2; aufserdem
edeler riier kint 779, 1. 1237, 3.
80 ZWIERZINA
bei Hier : 202, 4B {helde A). 229, 4. 845, 2A (recke B). 1697, 4
oder bei degen, übereiDStimmeDd in AB nur 839, 4, sonst 837, 4 A
{helt B). 1027, 4 A :{heü B). 891, 3 A (recke B). — siolz iritl, sei
es in Verbindung mit postpositivem gemeü (2024,2), sei es in
Verbindung mit ebensolchem ^or(890,l. 1154,2^ anrede : 1471,1),
nie aber alleio, zu riter, seltener, uzw. immer ohne zweites, post-
positives attribut, zu recke ^ (32, 2. 262, 3) oder heü (63, 3), nie
zu degen. dieses degen verbindet sich auch nur selten (einzige
ausnähme : ein degen küene und gemeit 1612, 4, I. daher wol
1723, 4 die zw^ne recken gemeit mit A gegen degen gemeit B) mit
gemeit (helt 12 mal, recke 11 mal, riter 16 mall) und überhaupt
nie mit lobelich und lobesam (bei heU, recke, riter im gaozen
14 mall), dass die Ursache dieser erscheinung im Stil, nicht etwa
in einer relativen Seltenheit des wertes degen zu suchen sei, be-
weist, dass küene, snel und hdU mit keinem der in betracfat ge-
zogenen Substantive so oft verbunden werden als mit degen^ und
dass aufser zierlich und tiurlich (s. s. 78) auch höchgemuot und
Übermüete (nie jedoch Stölzl) nur mit degen verbunden erscheinen :
35,4. 283,2. 1730, 4 2. — am interessantesten ist, dass mcere
im Nib. als epitheton ausschliefslich nur von heU gebraucht wird:
375,2. 652, 2B. 1917,2. 1992,1. 2216,1. man könnte bei
der verbältnismdfsig geringen zahl der belege vielleicht an zufall
denken, das verbietet aber der mit den Nib. übereinstimmende
gebrauch der Klage, hier ist, begünstigt durch die mOglicbkeit
klingenden reims, für den sich dieses adj. so vorzüglich eignet,
mcere viel häuGger als im Nib. es steht als postpositives attribut
im reim : 207. 458. 713. 917. 1048. 1298. 1460. 1901. 1919.
1930. 1949. 2010. 2133 und immer nur bei hek, nie bei degen,
recke, riter oder wigant, nur zum namen eines beiden tritt es
ein paarmal direct mit dem artikel als apposition : Imfrit der
mcere 188, Swemmelin der mcere 1550 und einmal mit kiknec:
Etzel, der künec mcere 1513. mit der Klage stimmt Ulr.s Lanz.
^ der dichter konnte nar der stolze riter guot, die stoUen riter ge-
meit in den endreim bringen. fQr die cisar aber war wol Die jungen
stolzen f^ter oder dgl. nicht so geeignet, wie Die jungen stehen recken
32, 2. 262, 3 oder Daz aUö stolze helde 63, 3.
* in den ausföhrungen ober die epitbeta vo» helt degen uaf. habe ich
nueh im Nib. des örtern bei den angaben in Bartschs Specialwb. beruhigt,
das sich mir meist als äofserst zuverlässig und vollständig bewahrt hat.
citiert ist natürlich immer nach A.
MITTELHOCHOEUTSCHE STUDIEN 81
ganz geoau fibereiD : mmre wird hier zwar in luanoigfaUigerer
weise als epilbetoo verweiKlet {daz her nuere 7023. 9138, prUani
wtmr€ 8477, KturüUl dk mteren 1265, nach flauster 4es bekaonteo
Mimu dm ttuare), bei personeo aber heifst e& nie der degen, der
redx oder der riUer nuere, aucb nie der masrt wigant, sondern
nw der Mi mare 33. 137. 429. 6637 (drei der vier belege gaoz
zu aolaiigl), aüfi^rdem Lmier der nuere 1677. 2223, Lanxelfit der
mutre 5321 oiui Anieem den künec mwre 7151, vgl. auch küMUC
mare 6989 ^. io der Gudr. Bod icb zwar eiomal nacbgestellt
der de^en nuere 660, 4^ aber aufser reim uad vor dem subst,
veoD icb ftichts Oberseben babe, nur der mcere keü guot 472, 2.
867, 1.
Wir babeo eben gehört, dass Molz als epitbeton hauptsäeh-
lich dem rüer zukooimt damit stimmte es übereio, weno wir
Nib. 6,2 lesen bn dietide von ir landen vil stolziu riterschaft.
aber diese siolziu riterschaft, wird uns durch eine andre erwägung
sofort höchst verdachtig werden, riterschaft bedeutet hier *ge-
samtheit der riiter*. es steht in dieser bedeutung neben rüer-
sAaft Viiteriiches tun' sowie gesMeschaft 'gesamtheit der gesdien'
neben geeelleaehaft 'geseJUges treiben, geselligkeit usw.' nun
kommen bei den meisten dichtem auch würklich beide bedeu-
taagen des wertes nebeneinander vor : bei Wolfr. und Gotfr. sind
die beispiele so dicht gesüt, dass ich sie mir sparen darf, auch
ia Harlm.s Er. und Greg, finden wir beiderlei Verwendung der
Worte : riUerschaft abstract Er. 758. 1266. 2456. 2557. 6885,
Grc^. 1468. 1495. 1615. 1822, rittersehaft concret : Dd stuont
a mnd diu rittersehaft Er. 1168, Nu lebte disiu rittersehaft 2404,
M beidenikalp diu rittersehaft . . . Zesamne liezen strichen 2606,
Ditz was diu junge rittersehaft 1266 und Des herzogen ritter-
sehaft Greg. 1977. im Iw. aber findet sich das wort nur als
abstract verwendet, im reim : 2100. 2443. 3764. 7004. 7102.
7256, die zahlreichen beispiele aufserhalb des reims s. in Be-
neckes wb. zum Iw.' s. 224 ^. dass dies nicht zufall ist, beweist
^ aorserhalb der tradition des volksepoe : Wig. nur maget mare 1746,
bei Hartm. nur Iw. 7741 (mit bestimmter slilabsicbt) der degen mmre, ebeoso
Parz. 603, 5, wo übrigens mare auch zu knappe^ fürate usf. hinzugesetzt
wird, s. ßeobacbUingen s. 456.
' bler wird Zwdre man muase in Idn Fon riUerschefte den strtt,
Sma% ritter lekU b( der %Ü 7006 ff ganz mit unrecht zur bedeutung 'die
gesamten ritter' gestellt Benecke wurde durch den vers Swa% ritter lebte
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXIL 6
82 ZWIERZINA
das correlate verhalten des Iw. in bezug auf das wort geseUeschaft.
im Er. finden wir neben abstractem geselleschaft (zb. 9510) auch
das concreium durch das wort ausgedrückt : Erec und sin geselle-
sehaft 9779, Noch solch sin geulleschaft 2282, Dar kom im sin
geselleschaft 2100^ Des trärte sin geselleschaft 8890; im Iw. aber
bedeutet geselleschaft immer nur das abstractum : 83.2621.2704.
2757. 5110. 5280. 5552. — das wort geselleschaft kommt im
Nib. nicht vor, um so häufiger ist riterschaft, aber stets hat es
die bedeutung ^ritterliches tun'. Bartsch verzeichnet 111, 4.
260, 1. 580, 1. 757, 3. 1246, 3. 1315, 2. 1817, 3. nur 6, 2
steht es in concreter bedeutung. da wir gesehen haben, dass
diese Verwendung des Wortes von Hartm. mit absieht gemieden
wird, dürfen wir wol schliefsen, dass sie nicht zum allgemeinen
sprachgut gehörte und ihr erscheinen im eingang des Nib. wird
uns neben dem fehlen derselben in den 2300 noch folgenden
Strophen nicht bedeutungslos dünken.
Noch einmal sieht riterschaft in diesem eingang : 12,2, hier
in Übereinstimmung mit dem sonstigen Sprachgebrauch in ab-
stracter bedeutung. nun aber wider in syndese mit werdekeit
(Von ir vil höhen toerdekeit und von ir riterschaft), einem ana^
elQTjfAivov schlimmster sorte, das unsern verdacht gegen die
echlheit dieser ersten 12 Strophen, seitdem wir durch Steinmeyer
(Epitheta s. 10) über das auftreten und die Verbreitung von wert
in mhd. dichtungen überhaupt und über die diesbezügliche
Stellung des Nib. im besondern unterrichtet sind, zu verstärken
besonders geeignet ist. nicht nur toert selbst (s. Steinmeyer
aao.), auch wirde und werdedichen stehn sonst nur in der Über-
arbeitung C, s. Bartsch Wb. s. 377. 380. 393. werdekeit gehört
übrigens ebenfalls zu den Worten, die sich Hartm. im Er. ge-
stattet, im Iw. aber meidet, s. Beobachtungen s. 499 anm. 3.
schliefslich möcht ich noch auf den famosen ersten vers dieser
Strophe aufmerksam machen Von des hoves krefte und von
ir u>iten kraftl was würde man sagen, wenn heute einer etwa
^dichten' würde *Und als sie sich gerochen Und sich so arg gerächt'?
asw. verfuhrt; aber die vorangehuden verse Do was hie kunst unde kraft:
Si mohlen von rittersehaft Schuole gehabet hän, Zwdre usw. hatten ihu
davor bewahren sollen, auch halt ich die construction bei Beneckes auf-
fassung für unmöglich« Bech erklärt die stelle in Übereinstimmung mit
meiner aulfassung.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 83
Ich habe oben eine gewisse übereiostimmuDg des stils von
Nib. und Klage in bezug auf die Verwendung des epithetons mcere
coDstatieren können, einen starken gegensatz auf demselben ge-
biete hat Steinineyer aao. in bezug auf die Verwendung von wert
berrorgeboben. Steinmeyer führt dort die mit dem gebrauch der
Nib. coDtrastierende bäufigkeit des attributiven wert in Klage und
Gadr. auf einfluss höfischen stils zurück, darauf könnten wir
alleofalls auch eine weitere , ähnliche discrepanz zwischen Nib.
üod Klage zurückführen, die epitheta gemeit und halt gehören,
dem subst. attributiv nachgestellt, zu den häufigsten reim Worten
der Nib. in der Klage ist das eine auffallend selten und fehlt
das andre gänzlich.
Wir lesen gemeit im reim als epitheton zu riter Nib. 80, 2.
118, 4. i30, 2. 145, 4. 148, 4. 152, 2. 454, 2. 652, 4. 665, 4.
804,4. 858,1. 1467,4. 1651,1. 1656,4. 1837,4. 2024,4,
zu heit 306, 2. 384, 1. 397, 4. 932, 4. 976, 2. 1036, 4. 1302, 2.
1804, 4. 1807, 3. 1815, 1. 1952, 1. 2045, 1, zu recke 360, 2.
663, 2. 842, 4. 939, 4. 973, 3. 1149, 2. 1688, 3. 1723, 4 B.
1945, 4. 2003, 4. 2241, 4, zu degen nur 1612, 4 (1723, 4 list
^B redce für degen A), zu fürste 1856, 2, zu ingesinde 1282, 1.
nur ein einziges mal wird gemeit als nachgesteUtes attribut zum
weiblichen appellativ gesetzt 1168,2 Diu vrauwe vil gemeit ^^
wahrend es hier bei Wolfr. zb. (s. Beobachtungen s. 457, Schilling
De Qsu dicendi Ulr. de Z. s. 19) ebenso häufig ist als in Verbindung
mit männlichen subst^ und bei Hartm. (Büchl.1655, Er. 12, später
nie mehr) attributiv nur zu frouwe und juncvrouwe coustruiert
wird, im Lanz. (s. auch Schilling aao.) finden wir wider sowol
(Hu vrouwe gemeit 85. 4318. 5993, wauwen gemeit 599. 1280,
maneger vrauwen gemeit 3569, sin vriundtn gemeit 4967 als auch
der ritter gemeit 2323, manec ritter gemeit 3445, Dirre betschelier
gemeit 2695, manic helt gemeit 3107 \ der Wig. meidet gemeit,
our Wig. 6384 steht Dm selbe frouwe ungemeit, was eine bewust
* dazu Doch Nib. 566, 1 Swester vil gemeit in der aosprache.
* dh. im Parz., nie bekanntlich im Wb. — Beobach langen s. 457 hab
ich aB. 1191 übersehen, es ist z. 15 also statt aH. : Gre^. za lesen.
> 11 mal, dazu noch pfert gemeit 467 (sowie gemeit im Er. za siege-
reife 7668, tatet 7698, vürbüege 7732 prädictert wird, hierher gehörte bei
richtiger äberlieferon^ wol aach gereite : gemeite 8074), darunter nur ein-
mal (5993) in der zweiten hälfte des gedichts!
6*
84 ZWICRZINA
vermiedene formel diu frouwe gemeit voraussetzt (s. Beobachtungen
s. 499 anm. 3); 9266 und manic rttter gemeit (vgl. Parz. 30, 7)
und 9635 ein küneginne gemeit (vgl. Parz. 81, 23) stehn direct und
lediglich unter Wolfr.s einfluss (s. auch J^nicke De dicendi usu
s. 9 0- in der Klage nun findet sich blofs 175 Zwei tAsent riter
gemeit und 1854 Vil manic vrouwe gemeit, obwol nachgesetzte
epilheta epischen Stils hier so häufig sind als in den Nib.
Postpositives halt (Er. der degen halt 5498, sonst nie bei
Hartm., Parz. der degen halt 26,6. 43, 7. 213, 3. 264, 20. 267,2.
285, 10. 293, 6. 319, 13. 339, 15. 397, 25. 435, 3. 534, 11.
601, 14. 747, 15. 820, 23, nie im Wh., s. Jänicke s. 8^) find
ich im Nib. in Verbindung mit degen 44,4. 440,4. 872,4.
1015, 1. 1176, 3; recke 218, 2. 859, 1; riter 379, 5. 869, 2.
910, 1; ßger 871, 2. es fehlt in der Klage durchaus 2.
Nun können wir aber ftlr das vorkommen von halt als epi-
theton Omans im Nib. ein sonderbares Verhältnis der Verteilung
der belege Ober das gedieht deutlich constatieren. halt erscheint
im Nib. 11 mal, aber alle 11 belege fallen in die erste hälfte des
gedichts, der letzte ist 1176, 3. während also bis dahin auf je
100 Strophen etwa tin halt kommt, fehlt halt den 1140 noch
folgenden Strophen gänzlich, wir kennen halt als 'unhofisches'
wort, wir wissen^ dass Wolfr. es im Wh., Hartm. im Iw. meidet
— darüber gibt es keine debatte mehr — , nachdem es diese
dichter in altern werken zugelassen haben, Wolfr. es im Parz.
sogar oft und anstandslos gebraucht hat. ist das allmähliche ver-
schwinden von halt aus den reimen der Nib. vom selben gesichts-
^ im Wigr. nur 9825 f^dfen über den helt balt, 10318 d^m fürsten
ball^ wol unter etofloss Wolframs, doch sagt Wolfr. nar degen baU, nie
Jtelt oder ftirste balt (aufser degen baU überhaupt nur einmal Junkfrouwen
kiusche unde balt Parz. 167, 12). helt balt fehlt auch in den Nibelungen,
und degen balt ist dort die gangbarste Verbindung; degen balt sagt end-
lich auch Hartm. an der einzigen stelle, wo er attributives balt in den reim
setzt, sehr häufig ist dieses balt im Lanz. (Schilling aao. s. 20 übersieht
sonderbarer weise 14 von den 19 belegen), hier aber ist helt balt die ge-
laufige Verbindung 301. 1361. 1595. 2267. 2297. 3463. 3579. 3889. 4235.
6203. 7115. 7287. 8385. 8663, neben der die andern : degen balt 2051. 5535,
den recken aU6 balt 1951, der künee balt 8059, die herren ball (welche
Stilmischung!) 8317 verschwindend selten sind.
« in der Gudr. degen baU 411, 2, helt ball 945, 1, reeke balt 1142, 1,
riter balt 355, 1.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 85
panct ZQ hetrachtefi? dann wäre die einheit unsers Nibelungen-
gedichts erwiesen, dafür, dass eio dichter seine concession an
den höfischen geschmack, was die epilheta anlangt, auf die ver-
meidang fon halt einschränkt, während er alle andern ^unhöfischen'
adliecÜTB, wie nuere ziere snel küene gemeit usw. ganz ohne scheu
beibehalt, hätten wir im notfall an dem dichter der Klage ein
aaalogoD. aber fehlt nicht vielleicht halt unter den epithelis in
der Klage nur deshalb, weil es, in der zweiten hälfte, nicht zum
Stil der Nib. gehörte? ich kann mir auch eine so minimale und
einseitige, künstliche beschränkung in der anwendung un-
höfischer epitheta, wie sie hier in Klage und Nib. ii vorläge,
durchaus nicht vorstellen, wenn aber die Sachlage nicht so auf-
zulassen ist, dann bleibt keine andre erklärung als die, dass der
dichter das halt im text der ersten hälfle seinen quellen verdankt,
dass er es aber, sowie etwa der dichter der Klage, überhaupt
nicht in seinem eigenen Wortschatz besitzt und es daher, weil es
in den quellen zum zweiten teil seines Werkes sich nicht fand,
in diesem zweiten teil zur anwendung zu bringen keine ver-
anlassung hatte, das heifst also, dass die vom dichter für str. 1
bis ca. 1200 benutzten volkstümlichen einzellieder degen halt, riter
halt usf. in ihrem dialekt oder stil oder formelvorrat führten,
nicht aber die, gewis österreichischen, von 1200 bis scbluss be-
nutzten poetischen Überlieferungen, wir sehen ja auch sonst den
ersten und den zweiten teil unsers gedichts nach inhalt und form
in einer weise auseinanderfallen, die nur in einer divergenz der
zu gründe liegenden quellen ihre erklärung finden kann, auf ein
formales element von m. e. allergröster bedeutung, das fehlen der^
wie wir durch die vergleichung der Kürenbergerstrophe wissen,
sicher altertümlichen klingenden Schlüsse im ersten teile des ge-
dichts, hab ich nach Lachmanns und andrer Vorgang schon oben
$.71 hingewiesen, all das setzt also voraus, dass der dichter
mehr von dem Wortlaut, dem tone, dem formelschatz, den stil-
und Verseigentümlichkeiten seiner quellen beibehalten hat, als
man sich jetzt, wo Lachmanns reconstructionsversuch alter, mehr
oder weniger unversehrter lieder, wenn ich mich nicht teusche,
allgemein und mit recht abgelehnt wird, vorzustellen scheint, die
Vermeidung gewisser persönlicher und unpersönlicher pronomina
im reim, die reste grobdialektischer fügungen, wie gegen min und
wider sin, haben uns bereits (s. s. 47) zu demselben scbluss ge-
86 ZWIERZINA
drängt, weiteres material zur entscheiduog dieser frage wird die
nächste nummer dieser Studien entrollen.
Der im ganzen gedieht gleichmäfsige sprach- und reimge-
brauch hat ja, schon bevor Kettner auch die gleichmäfsige be-
handlung der episoden gleichen Inhalts so erfolgreich ins treffen
geführt hat, als ein hauptargument gedient gegen Lachmanns aus-
schälung alter einzellieder aus dem überlieferten text. ich kenne
tatsächlich nicht zwei gedichte^ und stünden sie sich zeitlich, Ort-
lich und inhaltlich auch noch so nahe, die in den gewissen bei
den mhd. dichtem wechselnden einzelheiten des reimgebrauchs
einander so ähneln würden , wie die verschiedenen Nibelungen-
lieder Lachmanns, nur muss man, und das hat Kettner, wie ja
nun schon von verschiedenen selten hervorgehoben wurde, zum
schaden seiner forschung verabsäumt, dann auch die consequenz
ziehen und mit der annähme von interpolationen im texte A
brechen, das, was sich an vereinzelten discrepanzen etwa findet,
trifft, soweit der reimgebrauch in betracht kommt, niemals inter-
polierte, sondern nach Lachmanns und Kettners ansieht echte
Strophen ^
^ einzige ausnähme wäre der reim gecleit, part prät. von cleiden:
342, 3. 396, 1. 472, 1. alle drei belege fallen in Strophen, die Lachmann
als interpolationen zweiter Ordnung aus dem vierten Hede ausgeschieden hat.
dass der gebrauch und nichtgebrauch von gecleit, gespreit, gebreit usf. bei
den einzelnen mhd. dichtem streng geregelt war, zeigt Beobachtungen s. 485.
so wie Hartm. im Er., so reimt auch im Flore gespreü 5953, gecleit 5037.
3466. 4617. 4921. 753t, daneben prät bette 1343. 5645. Ulr. vZalz. reimt
becleit 7951. 8857. 8981, getpreit 4153. 6083, bereit, part. 2695, ich habe
mir kein ^eitet oder -eidet notiert, prät. enbeiie 6129, leite 7819. Rudolf
kennt nur bekleit gGerh. 663. 739. 3463. 5883. 5941, Bari. 6t, 1. 159, 17.
113, 5. 299, 2. 375, 11. 401, 7 (meist wol bekleit) und hdt bereit Bari. 42, 3.
46, 13, ferner find ich prät. gespreite 4933 und verleite Bari. 227, 9. auch
Gotfr. kennt gekleit 4065. 10755. 11217. 13117, jedoch nur gebreitet 4743,
bereitet 4983, geleitet 4743. 4983. jedoch im prät. bereite 2867. 4953. 4961,
üz reite 41 1. ebenso finden wir bei Wirnt nur gekleit 265. 743. 857. 2233.
2753. 2765. -4094. 4403. 4413. 5553. 5974. 6526. 9276. 9574. 10527, kein
gebreit oder geleite daneben aber prät. bereiten : arbeiten^ subst. 10S86,
anders kleiten, prät. von kleiden : bereiten, prät. von bereiten 4063. da-
gegen steht nun der Stricker ganz auf Wolfr.s (s. Beob. s. 485) standpunct:
gekleit so wol, wie gebeit (das wort beiten ist bei Stricker sehr beliebt),
gebreit, geleit (von leiten) fehlen durchaus, die part. heifsen gebreitet GA.
46, 177, gebeitet Am. 2199, bereitet Dan. 4655, Am. 2199, GA. 46, 177 usf.
ferner reimen die prät. bereite, leite (von leiten)^ bette nur untereinander
(also bereute, leitte, bellte) s. Dan. 2913. 3801. 7349. 7407, Karl 727. 7205,
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 87
Es ist nicht meioe absiebt, das gleicbmafs io wort- und reim-
gebrauch der Nib. hier neuerdiogs (obwol neue beleuchtung oft
recht erspriefslich wäre) darzulegen, ich will im gegenteil auf
einige Schwankungen des gebrauchs aufmerksam machen, ab-
weicbuDgen vom grundschema, die mir manchmal wider deutlich
auf Terschiedenen reimgebrauch der quellen zu weisen scheinen,
besonders wo sie eng beisammen stehn.
Dass die mhd. dichter sich in bezug auf den gebrauch von
kam oder kotn streng von einander scheiden^ wurde Beobachtungeu
s. 500r im anschluss an Schröder (Kaiserchron. s. 53) ausgeführt.
Schröder hat bereits hervorgehoben, dass die Gudr. nur kom kennt
und daher das prät. von komen niemals in den reim setzt, auch
den Nib. ist kam fremd, das gedieht zeigt nach Pressel s. 4
34 reimpaare des typus -am. dazu käme noch dan:gezam 1226,1,
wahrend die reime von schäm : aham abzurechnen wären : also
29 paare, von diesen 29 ist nur ^ins mit dem reimwort kam
gebildet : 1465, 3. die prät. nam, vernam usf. stehn 23 mal, zam,
gesam 22 mal im reim, und nur Einmal kaml im Er., der we-
niger stumpfe reime hat als die Nib., stehn 24 reimpaare auf
-am, die ohne kam gebildet sind, 56 reimpaaren mit kam gegen-
Qberl dass ein dichter den litterarischen reim seiner bequemheit
wegeo einmal sich gestattet, kann ja vorkommen und kam vor,
zb. bei Wolfr. (s. Schröder aao.) und Reinbot (kam nur 2193.
5735, kämen nie), die dichter der Gudr., des Ortn. und Wolfd.A,
der Rabenschl., ferner Pleier (wenigstens im Meleranz) behelfen
sich freilich ohne kam^. aber wenn wir nun sehen, dass dem kam
Habo IV 99, niemals auf -eile, auch nicht auf die praesentia betten, bereiten^
leiten, die von den präteritalformen streng geschieden bleiben (s. Dan. 4771,
Karl 4623. 5803. 8691, Am. 1787. 1901).
* auch die Klage kennt kein kam. Lachmann, sowie Bartsch und
Edzardi, schreiben zwar 1732 kam {:nam), aber die stelle ist sieber nach
2149 io beffan : nam zu ändern, mit einer unreinen bindung von n : m, wie
sie bei klingendem schiuss Kl. 709, bei stumpfem Nib. 1226, 1 (ebenfalls
vereinzelt!) und öfter in der Gudr. (49, 1. 218, 1. 856, 1. 894, 1) vorkommt.
KL 1732f lautet : ff^ie e& sich huop und wie ez kam Und wie ez allez
ende nam, und Kl. 2149, wo der richtige reim die richtige la. geschützt
hat : ff^ie ez sich huop und ouch began Und wie ez ende gewan. sollte
1732 kam nicht nur von den Schreibern, die den reinen reim suchten (ist
vielleicht gar auch gewan 2149 falsch?), eingesetzt worden sein, so muste
das prät. öfter im reim erscheinen als dieses eine mal. es reimen nam,
genam, vernam, zam adj., zam prät., ge%am, gram adj. Kl. 33. 60. 352.
88 ZWiERZINA
1465,3 ein 1(dnien:nämen 1571« 1 auf dem fufse foIgtS so gibt
dies doch zu denkeD. kämm und kam stehn in nach Lachmann
echten Strophen, bei<te im 14 liede Lathmaons, also in jener partie
des gedichts^ die wie keine zweite sich geschlossen aus ihrer Um-
gebung heraushebt, und die, wie die vergleichung mit der Thld-
rekssaga lehrt, deutlicher als jede andre altes sagendetail er-
halten hat. kämen muss unter den wenigen zweisilbigen reimen
neben dem fehlen von kam noch ganz besonders auffallen.
In diesem 14 liede (ich will damit nicht sagen, dass Lacb-
manns *lied' würklich unverändert das alte lied ist) finden wir
ferner ein im Nib. vereinzeltes ir hvrt 1578,2; heU zen handen
steht 1524, 2. 1543, 4. 1553, 3 (diese drei Strophen wurden von
Lachmann als interpoliert ausgeschieden!) und 1458,1 (echt nach
Lachmann!) im .14 liede. aufserdem nur noch 1728, 3. 1905, 4.—^
In was zeinander ger, die zb. bei'Hartm. so beliebte formel, find
ich nur 1548, 2, und im 14 liede finden wir auch das ähnliche
dö was in dannen gäch 1474, 2, jd ist iu gar ze gäch 1485, 2,
dar zuo wart im gäch 1516, 1, den was ein teil ze gäch 1538,2,
Dem Hute was so gäch 1541, 1 , Den was allen ze gäch 1556, 4
nicht weniger als 6 mal, während es im ganzen übrigen gedieht
nur noch einmal (404, 1) vorkommt, nach Lachmann wären
1474, 2 und 1485, 2 echt, 1516, 1 und die andern aber unecht!
duo : fruo reimt zuerst 1757,3, dann sofort wider 1768r 3.
sonst nie, jedoch sehr oft dö : frö. so fehlt unter den reimworten
des Nib.
In von Lachmann ausgeschiedenen Strophen des vierten
liedes' lesen wir : swarz alsam ein kol 356, 3, rabenswarz 386, 3,
wiz also der snS 353 , 1 , noch wizer danne sne 477 , 4 , in sne-
wizer wcete 380, 2^ sneblanc 384, 2, grüene so der kle 353, 2.
996. loa?. 1174. 1215. 1269. 2074. 2141. — kämen erscheint in den reimen
der Klage öfter : 288. 1436. 1770. 2089. aber kämen wird auch Ton andern
dichtem anders behandelt als Aram, s. über Wolfr. Beobachtungen s. 467, s.
ferner DFL, wo kam fehlt, kom 3325 zu ein om reimt, aber doch kämen
737. 3681, kisme 832. 4973. 5877, kismen 803. — meine conjectur zu Kl.
1732 soll natOrlich nicht Bartschs und Edzardis reconstructionen von asso-
nanzen gutheifsen. hier ligt Ja eine änderung des einheitlichen archetypus
war, ferne lag es mir, aus abweichenden laa. Ton B und G mit Bartsch
assonanzen zu combinieren, da man wol für die Klage wie för die Nib. wird
daran festhalten müssen, dass '"G aus '"B hervorgeht.
^ die zweisilbig klingenden reime der Nib. sind durchweg rein.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 8^
darcbaiw &ra$ ei^fiival in ^ioe reihe damit (wenn auch
1721, 3 eme parallele bietet) gehört aber doch grUene als ein gras.
388, 3, im selbeo vierten lied, aber in einer echten Strophe
Lacbmaons. — merktt rehte, fueret usf. am anfang directer rede
find ich iin Nib. nur im vierten lied^, da aber 4 mal : nu merket
wa% ich sage 349, 1, frouwe, merket rekle waz ich tu sage 351, 1,
wut wurke rekte, %oaz iA mich hcerest sagen 429, 2, nu hosret
wm% ttk sage 496,2. es werden also wo) kaum str. 349 und 351
interpoliert, 429 echt und 496 alte Fortsetzung seini
Einige reimfreibeiten, wenn man das so nennen darf, ßnden
sieh nur im zweiten teil, duo : fruo wurde erwähnt, ebenso c:ch
nar 1674, 1. 2147, 3, -aht : -dht nur 1390, 1. 1598, 3. ferner:
wU 1735, 2, wtegewant 1535, 3. 2254, 3; sä 881, 4. 1484, 4BC
(<M AI), fdn 891,2, dann: 1614, lA. 1824,1. 1901, lA. 2021,1.
6. DI£ EIGENNAMEN IN DEN REIMEN DER NIBELUNGEN.
Eis wurde schon oben s. 71 auf Lachmanns beobachtungen
zu Nib. 1362, 3 und 1916, 1 hingewiesen, danach nimmt die
zahl sowol der zweisilbigen als der dreisilbigen scheinbar klingen-
den schlösse erster reimzeilen in der zweiten hälfte des ge-
dichts, nach Lachmanns anschauung also in den liedern xti — xx
(slr. 1274 — 2316 A), unverhältnismäfsig zu. der einzige zweisilbige
schluss in den 1273 Strophen der ersten hälfte ist nach dem
strophenbestand von A der reim Voten : guoten 14, 1, dem in den
1042 Strophen der zweiten zehn gegenUberstehu. ebenso finden
sich ao dreisilbigen Schlüssen in der ersten gröfsern hälfte 9, in
düT zweiten kleinern 44. alle 9 reime der ersten hälfte betreffen
den namen Hagene {:degene 84, 1. 386, 1. 810, 1. 813, 1. 1123, 1.
1129, 1. 1143, 1, :jagene 873, 1, : tragene 330, 1), erst in der
zweiteo h<ilfte finden sich unter den dreisilbigen reimen neben
den zahlreichen bindungen mit Hagene auch solche ohne den
eigeDDameo, uzw. degene : engegene 1784, 1, : zegegene 1811,1.
diese letztgenannten entsprechen also durchaus den bis auf die
6ine ausnähme in ihrem vorkommen auf die zweite gedichtshälfte
beschränkten Zeilenschlüssen, wie sande: lande 1362, 1, verborgen:
sorgen 1467, 1, slüege : trüege 1962, 1 usf., mit denen sie auch
das gemeinsam haben, dass sie rein sind (denn -^ge- und -ige-
reimen im Nih. allerwärts), während die bindungen mit Hagene
* jedoch 586, 3 ligt andre firbuo^ und andre construction vor.
90 ZWIERZINA
viel häufiger uorein sind (33 mal :degene, 2 mal :gademe, Imal
:fnenege^ also 36 mal) als reio (7 mal :tragene, 5 mal :sagene und
je Einmal :dagene, erslagme, jagene, also 15 mal).
Unter diesen umständen ist es bemerkenswert, dass auch der
einzige zweisilbige reim in slr. 1 — ca. 1273 einen namen trifft,
dass 14, 1 Voten mit guoten gebunden ist und diese bindang, auch
eine typische, im zweiten teile (Uote : guote 1449^1) widerkehrL
Die unreinen reime von degene, gademe, menege auf Hagene
können unmöglich im 13 jh. vom dichter unsers Nibelungentextes
neu eingeführt worden sein, da dieser dichter sonst überall so
rein reimt wie die höfischen epiker, viel reiner etwa als Wolfr.
es iigt hier also eine tradition vor, uzw. eine tradition, welche
auf eine reimtechnik zurückweist, wie sie tatsächlich nur in den
gedichten des 12 jhs. in erscheinung tritt und im 13 jh. nur
roherem volksgeschmack eignen könnte, diese unreinen, also
altertümlichen oder wenigstens volksmäfsigen bindungen be-
schränken sich auf reime zum namen Hagene, andre dreisilbige
reime sind, wie gesagt, rein, ebenso sind nun die zweisilbigen
wie die dreisilbigen scheinbar klingenden Schlüsse der Lachmann-
sehen lieder i — xi blofs auf die reime mit namen, mit Hagene
und Uote, beschränkt, beiderlei bindungen Hagene : degene (Kl.
544. 1508), resp. : gademe (Kl. 589, auch 710?, s. Edzardi s. 23)
usf. und Uote : guote (Kl. 14. 1315. 1638; nicht zu subst. Auore,
dat. muote, bluote, prät. hüote, hluote, wuote usf.!) sind formein,
die nach dem beispiel des sie öfter verwendenden Nib.-dichters
auch in den spätem volksepen^ Kl. und Bit. zb., traditionell
bleiben, obwol die unreinen reime auf Hagene auch hier mit der
sonstigen übung der gedichte nicht im einklang stehn.
Wir nfiüssen also schliefsen : 1) es gab bereits vor unsrer
Nibelungendichtung ältere gereimte gedichte desselben inhalts, und
in den reimen waren hier die namen gewisser beiden bereits in
bestimmter, formelhafter weise gebunden, diese gedichte reimten,
zum mindesten in den dreisilbigen bindungen mit kurzer Stamm-
silbe, noch äufserst unrein, aber sie hatten bereits ihre reim-
formeln, ihre feste tradition, ihren stil. 2) der dichter unsrer
Nib. fand diese tradition vor und er schloss sich ihr an. er
übernahm gewisse formelhafte bindungen, von denen er sich
^onst in seiner modernen und höfischen bearbeitung des Stoffes
freigehalten hatte, aus dieser tradition. uzw. sind dies nicht nur
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 91
die unreineo bindungen mit Hagene, sondern auch die reinen
binduDgen oait diesem namen und die von Uote mit guote, welche
reime auf persooennamen im ersten teil des Nib. unter den reimen,
die nicht mit personennamen gebildet sind, ebenfalls keine paral-
lele ihrer eigenart haben, dann wären aber 3) die zweisilbigen
und dreisilbigen klingenden Schlüsse, in denen das endungs -e des
reioeo klingenden reims an die stelle des stumpfen trilt, über-
haupt eioe altertflmlichkeit , in der sich der dichter älterer tra-
diüon anschloss. dies wird erwiesen durch die beschränkung
dieser klingenden reime erster verszeilen auf traditionelle bin-
dungen mit namen, eine beschränkung, die in der ersten hälfte
der Nib. offen am tage ligt und die parallel läuft der im ganzen
gedieht wahrnehmbaren beschränkung gewisser unreiner, älterer
technik entnommener reime auf gleichartig traditionelle bindungen
mit namen. dass hier eine alte tradition über den bau der Nib.-
strophe vorligt, geht ja auch, wie schon lange erkannt ist, aus
der beobacbtung hervor, dass diese scheinbar klingenden Schlüsse
immer nur in den ersten beiden Strophenzeilen erscheinen, dass
dieser gebrauch des Nib. mit dem gebrauch der Kürenbergerlieder
abereinstimmt und dass schliefslich das vicariat von stumpf rei-
mender Stammsilbe und stumpf reimender endsilbe ein veralteter,
im 13 jh. kaum selbständig eingeführter gebrauch ist. nur hatte
die manier des Qberarbeiters von *C und teilweise auch des von
*B (s. oben s. 71), in ihren plusstrophen derartige, altertümelnde
Schlüsse anzubringen, den Sachverhalt wider getrübt aber wir
müssen jetzt auch 4) daran festhalten, dass die quellen des Nib.-
dichters in derselben Nib. - Strophe verfasst waren, die auch er
zur anwendung bringt, denn wollen wir es der tradition zu-
(treiben, dass die sonst in der ersten hälfte des Nib. unstatt-
haften klingenden Schlüsse erster Strophenzeilen dadurch weniger
anstofsig wurden, dass sie formelhafte reimbindung von namen
waren^ so müssen doch diese formelhaften bindungen von namen
in den quellen, aus denen sie als sonst überwundene, den un-
reinen reimen congruenle altertümlichkeit übernommen worden
sein sollen, in genau derselben Stellung und Verwendung eben
da gewesen sein« dem dichter genau so und genau dort vorgelegen
haben, darnach gab es also schon vor unserm Nib.-lied Strophen
derselben form, in denen Uote auf guote, Hagene auf sagene de-
gene usf. in den ersten endreimzeilen gereimt waren, deren inhalt
92 ZWIERZINA
also der Stoff der Nibelungen war. und endlich ist es wahr-
scheinlich« dass das bäufigwerden der zwei- und dreisilbigen
Schlüsse in den Strophen der zweiten hälfte des gedichts einen
näheren anschluss an die form der quellen bedeutet, der vielleicht
mit einem näheren anschluss an den inhalt derselben band in
band geht.
Ich möchte noch hervorbeben, dass meine auffassung der
besprochenen erscheinung von der durch Bartsch Unters, s. 8 ff
vorgetragenen weit absteht, dagegen sich mit der Pauls (Beilr. 1,
432 0 näher berührt. Paul will ja doch in bezug auf die unreinen
reime zu Hagene berücksichtigt wissen, dass ^bei eigennamen die
alte tradition festgehalten wird' und dass möglicherweise 'der ur-
sprüngliche dichter nach dem muster seiner quellen, der Volks-
lieder, sich dazu [zu diesen unreinen reimen] berecbligt glaubte'.
Mit den bindungen zu Hagene und Uaie sind aber die im
Nib. noch erkennbaren alterlümlichkeiten in der Verwendung von
eigennamen im reime noch nicht erschöpft, mit unrecht hat
Bartsch Unters, s. tO und 181 den reim Gemöt : tuot 2033, 1
und das zweimalige dö : fruo (1757, 3. 1768, 3, s. oben s. 88)
auf eine gemeinsame formel bringen wollen, dö : fruo, dem kein
s4 : fruo oder frö : zuo gegenübersteht^ beweist ebensowenig wie
etwa ein zumo : tuo für eine unreine altertümliche bindung von
ö, altem au : uo. duo reimt auch in der Klage (332. 1199. 1923.
2004), Gudr. (827,1), bei Uk.vLichtenst. , dem Pleier, in der
Steir. reimchron., endlich auch bei Boner (s. Weinhold Bair. gramm.
§ 113, Mhd. gramm.* § 137), ohne dass bei diesen dichtem jemals
eine andre bindung von ö : uo mit unterläuft, denn frö : zuo
Tand. 12631 (di. 12908 Kbull), das Weinbold Bair. gramm. aao.
ins treffen führt, ist die falsche la. einer einzelnen bs., es ist
an der stelle fruo : zuo zu lesen, wie Kbull auch in den text
setzt, erst ganz roh und unrein reimende dichter, wie der bearbeiter
des Wigamur, lassen mit allen andern Verwilderungen auch ö : uo in
andern bindungen als der von dö, resp. duo : -uo passieren^, im
^ den uDsinn eioes gedankenlos dahin schreibenden copisten, wie die
la. der einzelbs. B Nib. 2t 74, 1 : solhen mut für tolhe not dürfen wir wol
nicht mit Paul Beitr. 1, 430 fär die möglichkeit eines muot:-6t bei dichtem
des 13 jhs. heranziehn. hätte der Schreiber von B acht gegeben, so hätte
er den fehlerhaften reim wol bemerkt, wol aber anch, dass nöty nicht muot
io der vorläge stand.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 93
Bh. ouB erscheint (s. LadiinaDD Zu deo Nib. s. 288) n^o duo
(ftlr dd) : 9H0 and fruo (s. Jäoicke s. ix) auch G&n(U : die meeren
keUe vä gmot 13135 und Gemötm : den guoten 6207. maa kann
Bicbt SBgeo^ daBs dieser heldeoname M^hwer zu reimcD gewesen
wflre, sodass der dichter der Nib. sowie der des Bit. aus not zu
einem uogenanen oder meinetwegen dialektischen, jedesfalis aher
sonst uoerhlta*ten reim hätten greifen müssen : das Nib. allein
weist an 200 reimf>aare des typus -öt auf. -^ ; -u^ ist also eine
abertflmlichkeit, die im Nib. und Bit. vereinzelt bleibt, die der
soBst rein reimende Nibelungendichter nirgend wo anders zur
anwenduog bringt als bei der bindung auf 6^md^, bei der bin-
dang auf einen namen. ich stelle daher die bindung Gernöt:tuot
(Bit« gua) zu den üote : gnote der ersten hälfte der Nib. , den
Hofou : degene, gademe usf. und sehe darin von neuem einen
Dacfaklang der technik, die in den quellen unseres Nib. geübt
wurde und deren tradition sich bei den eigennamen zäher er-
hateee hat als sonst ^.
Aber die Verwendung des namens Gemöt im reim lehrt uns
noch in andrer beziehung ein fortleben alter tradition. Bartsch
hat es Uoters. s. 177 bereits mit recht als bemerkenswert ver-
leichnet, dass der name Gemöt^ im gegensatz etwa zu Edcewart
oad DtetriA, nie rührend auf not gereimt wird, ich füge bei,
dass diese tradition auch in der Kl. noch fortwürkt : Gemöt: tot
9^ 585. 1705. 1823, :töt subst. 1641. 1928, :röt 96. 939
(l.f^r?). im Nib. reimt G^rt^t 16mal auf bot, gebot usw., 23 mal
«tf töi, adj. und subst., Einmal, wie schon erwähnt, auf tuot, nie-
mals aber auf not, obwol not sonst das häufigste reimwort seines
ivpus ist und im Nib. 104 mal im reim steht, die Nib. scheuen
sonst den röhrenden reim durchaus nicht, wofür ich ja blofs auf
Bartsch aao. s. 177 und 178 (auch die nur in AB sich findenden
rekne haben natürlich für unsern dichter zu zählen!) zu ver-
weisen brauche. Bartsch befindet sich aber völlig im irrtum,
wenn er in diesen rührenden reimen etwas besonders altertüm-
* eSL ist äbrigeos i^leichgUtig , ob wir in GSmöi : iuot einen diaLek-
t(»clieo, osw. da er andern Österreichern der zeit fehlt, grob-dialektischen
■od Tulgareo oder einen altertümlichen reim .erblicken, in beiden fällen
spiegelt sich in ihm die technik 'der quellen, anch dann, wenn hier Gemuot
oebeo Gh^nöt stünde, s. jetzt Schatz Zs. 43, 23, also eine alte doppelbildung
des namens yorlage.
94 ZWIERZINA
liebes erblickt und dort, wo *C und *B von einander abweicben,
stets den rührenden reim der einen bearbeitung für das alte
original in anspruch nimmt, ja des Oftern ihn erst herstellt, es
ist ja sicher, dass die Schreiber des 13. 14 und noch 15 jhs.
rührende reime der Überlieferung öfter auszumerzen bestrebt sind,
aber ebenso sicher, dass das vorkommen des rührenden reims
kein kennzeichen der gedichte des 12 jhs. ist. ich will also nicht
behaupten^ dass ejue handschriftliche abweichung niemals aus der
abneigung jüngerer und slterer Schreiber gegen den rührenden
reim zu erklären wäre, läugne aber, dass sich spätere Überliefe-
rung gegenüber einem original des 12 jhs. jemals durch gröfsere
Sparsamkeit in der anwendung solcher reime auszeichnet. Hartm.
und vor allem Gotfr. zeigen viel mehr rührende bindungen nicht
nur als die Nib., sondern auch als etwa Roth., Rol. und Alex.,
und wenn Wolfr. diese reimart viel seltner verwendet als seine
höfischen Zeitgenossen, so zeigt er sich auch darin altertümlicher
und volksmäfsiger in der form als diese, sehen wir uns doch nur
die Zusammenstellungen bei WGrimm Zur gesch. des reims («=
Kl. Schriften iv 125 ff) anl aus dem Roth. (5200 verse) weifs
Grimm s. 178, obwol er Vollständigkeit der belege anstrebt, nur
5 solcher reime zu nennen, in den ersten 5000 versen des Er.
finden sich nach Vos Diction and rimetechnic of Hartm. s. 61
deren 64, und noch in dem viel vorsichtigeren und geschmack-
volleren Iw. in den ersten 5000 versen deren 17, in den ca. 1500
versen des aH. 8, in den ca. 4000 versen des Greg. 211 für
den Str. Alex, verzeichnet Grimm s. 173 zwar 65, aber dies sind
noch immer viel weniger als im Er. v. 1 — 7300 (88), und aus
dem Rol. (ca. 9000 verse) kann er s. 172 nur 21 rührende reime
beibringen, dazu kommt, dass gewisse arten rührenden reims,
wie wir noch einmal in nr 1 1 zu betonen haben werden, allerdings
für die ältere periode charakteristisch sind, aber wie bei den hO~
fischen epikern so auch im Nib. mehr oder weniger streng und
erfolgreich gemieden werden, es sind dies die schon bei Otfr.
gangbaren bindungen gleicher formwörter und partikeln (ist .'ist,
sich: sich, under in : wider in, wesen : wesen, sin inf. :8in inf.,
an : daran udgim.) und die bindungen identischer ableitungen
("Schaft: -schaft, -heit : -heit , -tuom : -tuom, -lieh, nicht gdichl,
:4ich, 'haft:'haft, -lös: -lös udglm.). von den 65 beispieleu
rührenden reims im Alex, fallen 22 in diese kategorien, von den
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 95
21 im Rol. 9, ▼od deo 5 im Rolh. 2. dagegen werdeo in den
Sltern gefliehten die rührenden bindungen zweiter compositionsteile
von namen aufis ängstlichste gemieden. Ruoth^e reimt 6 mal auf
flifre und in fester formel 22 mal auf overm^e, ferner Imal auf
jenfren 2018 (vgl. A^e ; tm^re» 2585), nie aber reimt iluo^A^e
:herel ebenso Berchtfr nur zu mere 462. im selben gedieht
reimt das pseudonym des beiden, Thtederich zu -Itch (825. 1613.
2181. 2393. 2509. 2781. 2849. 2917. 2997; 2151. 2899; 1252;
2319), za «VA (1435. 1912. 2807), zu mich (1381. 1985. 2213.
2195. 2307. 2407), zu dich (1758. 1965. 2221), zu lislich (2289)
und das flectierte Thiederiche zu -liehe (967; 2037. 2147; 1507;
2265; 1096. 2077; 1353. 2803. 2873; 1141. 1325. 1409. 1423.
1487. 1529. 1951. 2095; 1604. 2501; 1844; 1929), zu sumi-
liehe (2773), zu o/pe/lcAe (1347. 1517. 2493), schliefslich FneferlcA
2a sich (1617. 1652), nie aber reimt Thiedertch oder Thiederiche
zu rieh oder richel diese beobachtung ist auch fUr die kritik
des gedichts nicht ohne bedeutung. wir finden im Roth, bekannt-
lich eine anzahl von dreireimen, die bislang als besondre alter-
tamlichkeiten zählten, da aber v. 818f als solchen dreireim über
liefert : Ich bit üch alle geliche, Arme unde riche. Heizet mich
Thiederiche und wir hier bei dem sonst überall im gedieht gel-
tendeo meiden rührenden reims auf namen im zweiten vers des
dreireims sicher einen, übrigens pleonastischen und lästigen Zu-
satz zu erblicken haben werden, so werden uns auch die übrigen
dreireime arg compromittiert erscheinen, endlich reimt im Roth,
noch Wolfrdt und Wolfrdte zu hdt 3440. 3478. 4355, zu bestdt
4201, zu brdht 3582, zu drdte 3616, zu guolen 3593, aber nie-
mals zu rät, rdte und rdten. und ganz die gleiche erscheiuung
lassen die reime des Rol. erkennen : lant ist ja selbstverständlich
auch hier ein beliebtes reimwort seines typus, aber Ruolant reimt
nur auf wigant (4, 12. 41, 25. 224, 33), auf hant (5, 15. 10, 4.
29, 12 usf., 19 mal), auf gesant (30, 24. 40, 1. 142, 23. 204, 5),
aufpAaiU (143, 11), m( schiltes rant (144, 30. 221, 18), auf vant
(38, 24. 120, 3. 141, 31. 230, 3. 24. 234, 32), auf swant (183, 13),
auf aUe samt (38, 18. 48, 23. 128, 4. 147, 3. 211, 17. 212, 16.
253, 4) oder unrein auf dranc (46, 7) und gewalt (82, 22). aber
niemals auf lant, ebenso Ruolante und Ruolanten auf hanten,
banten, wiganten, vianten, enplanten, wanteln, nie auf lanten. da-
gegen sehen wir bei einem andern, viel seltener vorkommenden
96 ZWIERZINA
namen desselben reimlypus, weon auch nicht personepnameo, auf
(Hivanten 236, 15 lante gereimt, auch Waltere (nur so, und
nicht Walthfre, wie noch bei Konr. vWürzb. Part. 18805. 20167
— hier rührend zu hfrl — 20445, sagt der pfa(fe Konrad) reimt
auf sire 228, 28, mere 229, 11, mcere 120,5, s^en 230,21 und
nie auf das so häufige adj. herel
Der dichter unsers Nib. hat also damit ^ dass er es ver-
schmäht, einen namen in so bequemem rührenden reim zu binden,
wie Gimöt : nöt^ eine alte Qbung fortgesetzt, die technik der ihm
vorliegenden alten lieder in sein neues werk herübergenommen.
Hartm., Konr. vWarzb. uaa. waren durchaus nicht so sorgsam
<s. zb. Vos aao. s. 64 sub i), nur Wolfr. hat sidi auch hier der
volkstümlicheren tradition angeschlossen (s. darüber unten nr 11).
Sehen wir uns sonst im Nib. die behandlung derjenigen eigen-
namen im reim an, die gelegenheit zu rührendem reim boten,
so können wir beobachten, dass weder Rüedeg4r noch Volker je-
mals aufser mit Aer» mir und sir auch mit dem sonst doch nicht
ganz seltenen gir (reimt 211, 1. 212, 3. 1974, 1. 2065, 3) ge-
bunden sind, das könnte ja zufall sein, gewinnt aber neben dem
fehlen der bindung Gernöt zu not doch bedeutung. ebenso reimt
GiseUifr nur auf mer und wfr (1184, 1. 2043, 1) und nicht auf
her, das beide male, wo der reimtypus -er sonst noch vorligt, das
eine der reimworte ist (116, 1. 1872, 1)^
* dazu möcbt ich noch folgendes bemerken : eine form GüMSr ist
im Nib. nirgend belegt, der reim FolkSr : Gttelhf 1662,1, der einzige,
wo GCtelker nicb^t rein, di. auf -er, gebunden ist, ist gewis nicht als FolkSr
auf gelängtes GtselhSrj sondern als gekürztes Folker : Gttelher aufzufassen,
sowie ja aoeh 2117, 3 Riiedegir, das sonst meß^olkSr stets mit -Sr reimt,
einmal mit her (freilich her) gebunden ist. Lachraann und in noch weilerm
umfange Bartsch haben aus gründen der rhythmik Günther und Güelher
für das Nib. auch mit langer reimsilbe angesetzt, aber das fehlen von reimen
auf Günther spricht auch bei diesem namen für -her im zweiten gliede, für
welches -Aer, da das subst. her als rührende bindung ausgeschlossen ist,
in mer und w^r nur ungenügende und unbequeme reimworte zur Terfügnng
waren, auch GUelh^ reimt nur 2 (resp. 3) mal, dagegen beachte man, wie
oft Rüedeg^r (36 mal) und Folkir (8 mal) im reim stehn. hatte der dichter
Gunthar und Güelhir zugelassen, müsten wir sie jedes mindestens ein
dutzend mal im reime finden, wir werden also für den cäsurschluss ein
w X auch auf dritter hebung zugeben müssen , wenigstens für namen , wie
man sich auch zu den anmm. Lachmanns zu Nib. 118,2. 508,4. 601,4
stellen mag, sonst kommt man ja notwendig mit Bartsch auch zu einem
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 97
Dass Niderlant und Österlant nie zu lant reimen, versteht
sich fast VOD selbst
Nuo kommeo aber im Nib. auch rührende bindungen von
oamen vor. zunächst bei personen, die im gedieht keine hervor-
rageode rolle spielen, nur in eng begrenzten partien hervortreten^
wie Edcewart (; hewart 9, 3 — übrigens unecht — , ; wart 1223, 1)
ttod Häwart (: hewart 1285, 1), oder gar erst späterer umdichtung
uod neuerer sagenbildung ihre existenz verdanken, wie vielleicht
Bmmemart (: hewart 1592,1), Liudegir (:gir 212,3, m^Rüedegir
.gerl), über die also keine tradition vorlag, eine ausnähme macht
Duterich. dieser name reimt auf rieh verhältnismäfsig eben so
oft als auf 'lieh, nSmlich 1292, 2. 1667, 2. 1686, 1. 1690, 2.
1838, 1. 2250, 1. 2256, 3. 2266, 1 (vgl. AlherUh : rieh 335, 3).
wie diese ausnähme zu erklären ist, dafür kann ich nur ver-
mutuDgeo vorbringen, dem Roth, galt ja doch ein reim JAtede-
licfc .- rieh noch für unerlaubt, wurde -rieh erst später, dadurch,
4iass es auch zu -Hch gekürzt wurde (die reime Dieterich : -ich
im Nib. s. oben s. 29), seiner provenienz nach unklar, nicht
mehr mit rieh identisch gefühlt, so wie -not mit not, -gir mit gert
langen Sivride, Sivriden neben im endreim allein und oft belegteo Sivrit,
fär dieses Stvride aber fehlt sowol die stütze der reimbelege ans kliDgend
reimenden spätem epeo als auch die späterer sprachentwicklang. wir finden
Dämlich zwar in der Kl. zb. GtselhSre, GuntMre im reim (591. 1509. 1937,
aber aoch einsilbig Guelher:hSr 1517 — rührend, also nicht alte tradi-
tion! — Günther : mer 1963, and nie reimt Güelher, Gunth^rl), in diesem
spätem Giselher nnd GunihSr für das Gttelh^r und Günther der Nib., DFl.
aod Rabenschi, ligt jedoch keine längung des zweiten compositioosteils vor,
sondern eine Termengnng von Guelh^r mit GüelhSr, einem anders compo-
oierteo namen. dass die zweiten compositionsteile in germanischen namen,
auch wo sie dieselbe person bezeichnen , wechseln, mag diese vermengnng
begünstigt haben, im Nib. steht Folkher neben Folkger (s. oben), und es
gibt ein ßf^althSr (s. zb. oben die belege aus Rol.) neben fFaUkere (s. oben
die belege aus Parton.), fFaltharius, aber die doppelform ist auf den namen
Swrit nicht übertragbar, denn ein -vrid als namenbestandteü ist mir nicht
bekannt nnd man wird sich auch wol vergeblich nach einem Seifreid spä-
terer zeit umsehen, sowie auch Kl. (1186), Bit. (s. Jänicke s. xn), Gudr. (722, 1)
S6frit nnd Imvrit nur auf -Yt, nie Sivrtde, Storiden klingend auf &ienj mtden^
nide reimen, so bequem die bindnng dort wäre, darauf, dass unflectiertes
Sivrit ganz un verbal tnismäfsig leichter zu reimen gewesen wäre als Svorit^
weis ich erst in zweiter linie hin, da nach Bartsch ja nur die flectierten
formen von Günther, GUelher und Stvrit längung des zweiten gliedes er-
lüiren haben sollen.
Z. P. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 7
98 ZWIERZINA
oder, was mir eher glaublich erscheint, waren die lieder, die von
Dietrich erzählten, in ihrer technik verschieden von denen, die
von Gernot, Günther und Giselher berichteten? dass Dietrichs
gestalt erst später in den Sagenkreis der Nibelungen einbezogen
wurde, darf ja als ausgemacht gelten, dass die namen der drei
burgundischen könige auch in jenen partien dann nicht rührend
reimen, wo die beiden stoQkreise bereits vermengt erscheinen,
könnte nicht auffallen, denn hier mochte der dichter (oder die
dichter seiner jungem quellen) der altern, bereits adoptierten
Übung älterer Burgundenlieder weiter folgen.
Auch der name Sigfrids nun reimt niemals rührend und so-
mit auch niemals rein, liefe ein rührender reim zu diesem namen
der technik der Nib. nicht zuwider, so sähen wir nicht ein, warum
dieses sonst schwer zu bindende wort in seiner flectierten form
Sivride nicht auf wide, Sivriden nicht auf bevriden udglm. gereimt
erschiene, aber dieser reim widersprach der tradition und wurde
gemieden, dagegen reimt der nom. Sivrit auf ich bite 56, 2.
158, 2. 320, 2. 331, 2. 853, 2, auf siie 153, 4. 209, 4. 329, 2.
935, 2, auf mite 59, 2. 173, 2. 914, 2. nur die ieUte der drei
genannten bindungen könnte auch rein sein, denn es gibt, so
wie schon bei Otfr., auch im mhd. ein adv. mit neben mite, bei
Gotfr. zb. , der das e hinter dem t kurzer Stammsilben nie apo-
kopiert, reimt dieses dd mit auf lit nom. sing. 3177 und auf /nY
acc. sing. 11817. nie reimt im Trist, etwa bite, Site, mite, Ute
auf lit und trit, wol aber reimt neben mit nattlrlich auch mite
(:site 12311 usf., ctrite 14651 usf., ssnite 10905 usf.), so wie
wider Otfr. thdr miti (ii 4, 4. iv 9, 3) zeigt neben thdr mit. ebenso
bei Herbort neben dd mite auch dd mit : samit 2611. 8721. 8901,
.mit 2987. 14665, :berfHt 10193. 10467, :git<:^gibet 10903,
nie aber bite, site, rite : -it. aber da Sivrit nicht nur zu mit,
sondern auch zu bite und site reimt, so werden wir wol dies
und jenes unter 6inen gesichtspunct zu stellen haben, zu-
nächst hab ich zweierlei zu bemerken, fürs erste wider-
sprechen die apokopen in diesen reimen der sonstigen sorgfall
des Nibelungendichters gänzlich, im Nib. findet sich kein gebit :
stfte (hier, wo i und e nur vor liquiden unterschieden werden,
gewis ein möglicher reim), bete, mete usf., kein got, spät, gebot
usf. :gote, böte, geböte; auch kein State: bat, trat ist überliefert,
und bei einem dichter, der selbst -ame und -am so genau aus-
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 99
eioaoderhalt, wie wir dies unsern dichter tuo sehen (s. s. 60),
werden wir solche apokopen hinter dem t kurzer Stammsilben
auch nicht erwarten i. die reime zu Sivrit stehn also innerhalb
d^ sonstigen Obung des dichters so vereinzelt da, wie die Ger-
not : tuai. Hagene : degene, gadetne und, im ersten teile, die üote
:guoie und Hagene : tragene , sagene. und zweitens, so wie die
gerade genannten bindungen sich als typisch erwiesen, im Nib.
selbst Öfter erschienen und in den spätem epen zum stil ge-
horten, so auch die apokopierten reime auf Sivrit (s. bes. die
Zusammenstellungen bei Jänicke Biterolf s.xii); -vrit (auch Imvrit)
: bü, sü, mit zeigt sich alsbald auch in den plusstrophen von "^B
(338, 5) und *C (1968, 1), in der Klage, Gudr. und Bit., obwol auch
diese gedichte sonst gleichartige apokopen meist nicht zulassen 2.
Nachdem wir in den auft^lligen bindungen üote : guote. Ha-
getu : degene, Gemdt : tuet alte tradition, die alte technik der
quellen unsrer Nibelungendichtung, anerkennen musten, werden
wir doch wol auch erwarten, in den gleichmäfsig auffallenden
bindungen mit einem weitern namen, den reimen von Slmit zu
ich bite, siie^ mite, ähnliche Verhältnisse sich spiegeln zu sehen
und werden den gewaltsamen reim nicht blofs der reimnot des
dichters ankreiden wollen, da dieser ja zb. auch Gunthfr lieber
gar nicht als unrein bindet (s. s. 96 anm.) und die reine bin-
dong Sivride : vride nur der tradition halber verschmäht, die
reimnot bat freilich mitgespielt, aber nicht in der Übung unseres
dichters, sondern in der seiner quellen, denn diese bindungen
sind aus der technik der altern poesie heraus sehr leicht zu er-
klären, im Nib. des 13 jhs. ligt in einem reim von Sivrit auf
iA bii gewis eine gewaltsame und nur durch die tradition ge-
rechtfertigte apokope vor, in den quellen aber reimte einsilbiges
(Si)vrii auf zweisilbiges, stumpfes bite, site, mite, so reimt im
Rol. gebit zu tite 108, 24. 227, 32 und zu stete 211, 18 uO.,
ferner 309, 24 schäme : man (an ein apokopiertes schäm ist na-
iQrlicb nicht zu denken) und im Roth. 3906 (wenn nicht bair.
einscblag vorligt) sune : Basilistium udgim. zum Uberfluss finden
* aber die wenigen apokopen nach länge — meist dative, vgl.Woifr.! —
s. Lachmann Aoswahi s. xix (— Kl. Schriften i 170), wo aber noch manches
aoa Lacbmanns liste fär den kritischen text zu streichen wäre.
* Dar gebffi: stete Gudr. 1133, 1 wäre zu vergleichen, aber in Klage
ood Bit ist nichts entsprechendes.
7*
100 ZWIERZINA
wir Rol. 268, 15 nun auch würklich Gotefrit : süe. unter dem
einfluss der reimnot wurde nuo in den allen Nibelungenliedern
diese, der poesie der zeit auch sonst nicht fremde reimart für
den namen Sivrit tradition : es wurde feste Übung, Sivrit auf -tte
zu reimen.
Dass wir es hier mit einer althergebrachten gewohnheit, nicht
mit einer jungen, dem Nib. gar nicht zukommenden apokope zu
tun haben, lehrt uns auch die beobachtung, dass diese bindungen
auf Sivrit hauptsächlich in festen formein erscheinen. Sivrit
reimt nicht allgemein gesprochen auf hite, sondern es reimt fast
immer edel Sivrit {vriunt her Sivrit) . . . tuot des ich inch bit
320, 2. 331, 2. 853, 2. 158, 2 und das ist eine alte forme], vgl.
bes. Rol. 101, 25 Tuo, helt, des ich dich bite, ferner Durch dine
tugentliche süe Tuo des ich dich bite Rot. 126,28. 141,7. nur
einmal abstrahiert der dichter daraus : sprach dd Sivrit, Swaz ich
friuntliche niht ab in erbit 56, 2. — blofs Sivrit ist ferner, nicht
Hagen» nicht Günther, nicht Dietrich, der preisliche man (98, 4) :
kUngt da in der küene Sivrit Der gewan in dem stürme einen
vreislichen sit 209, 4 , ja auch noch in eprach dö Sivrit : Jd hat
diu kOneginne so vreislichen sit 329,2 nicht eine alte formel
an : Sivrit, Der het vil preislichen eite, Sivrit . . . mit preis-
lichem sitel ich weise auch darauf hin, dass an zwei von den
drei stellen, an denen site auf mite und nicht auf Sivrit reimt,
doch der alte reim und die alte formel noch durchzublicken
scheinen : Dö sprach der starke Sivrit mit herlichem site 856, 1
(es reimt mite), Dd mite reit auch Sivrit in Srlichem site 860, 1
(wider reimt mite)^. — endlich hiefs die dritte formel, mit der
Sivrit zu mite reimte^ vermutlich Sivrit . . . dem volgent recken
mt7, s. 59, 2 Sivrit : Daz mir suln ze Rine recken volgen mit,
172, 2 Sivrit : Sit daz mir iuwer recken wellent volgen mit,
914,2 Sivrit: Daz muget ir wol versuochen weit ir mir volgen mit
und mit {da mitl) wird nie anders mit Sivrit gebunden, als so.
Zugleich sehen wir, dass die lieder, die als quellen dienten,
auch die quellen des ersten teils, keine rheinischen waren, man
^ scheut sich der dichter, in doppelter ongenauigkeit gleichsam, den
dat. siie 8a( S(orit za reimen? da befände er sich natQrlich im gegensatz
zu seinen qaellen, was ja oben deutlich wurde, in Swrit:sit ist sit immer
4ICC., mit . . . Site reimt das Nib. auf mite (s. oben) oder es reimt mit (in)
. . . siten 318, 2. 498, 3. 670, 4. 765, 4. 1247, 3. 1339, 2. 1818, 2. 1819, 4.
1828, 4. wir sehen sehr oft, warum also nie S(orit : mit . . . sit^
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 101
köDDte ja iD Sivrit : mt , Sit die entsprechuog eines originaIeD
StMfride oder Sivrede (dat oder acc) : mide side, mede sede sehn,
aber Sivride : ich biddel schoD side für sidde macht für eioige
der rhein. dialekte Schwierigkeiten, aber sowol rheinfränkische als
mittelfräokiscbe denkmaler, geschweige denn niederfränkische,
zeigen nie ein ich bide (bede) oder biden (beden) im reim, dh. sie
sprechen nur bidde und bidden^ nicht die analogieformen bide
und biden. weder Alex., noch Credo, noch Roth., noch der Wilde
snaon, Wernh. vNiederh., die hannöver. Marienlieder Zs. 10,
Boschs mfr. legendär, Morant und Galie reimen jemals bide oder
biden, dagegen zeigt sich im legendär, Zs. f. d. ph. x 134, 11
bidden : bieden im klingenden reim, noch in rheinfrünkischen Ur-
kunden des 14 jhs. ist bidden die regel und biden vereinzelt, s.
Böhme Zur kenntnis des oberfränk. s. 35. 56. im oberdeutschen
Rol. aber finden wir natürlich alsbald tcA (oder er) bite : site, mite
(63, 9. 101, 25. 126, 28. 141, 7 uö.), daneben freilich noch den
inf. bitten (; in (Umitten 42, 5).
Mir scheint festzustehn, dass der dichter des Nibelungenlieds,
dessen text, wie ich mit Roediger Herrigs arch. 1898 s. 420 glaube,
dem stropbenbestande nach am besten durch A, innerhalb der echten
teile aber doch zuverlässiger durch *B überliefert ist, als quellen
oberdeutsche, in der Nibelungenstrophe verfasste, sangbare einzeU
lieder benutzt hat, die bereits feste traditionen in bezug auf
rhythmik, stii und reimtechnik befolgten, welchen traditionen der
terfasser unseres gedichtes sich noch vielfach anschloss. diese lieder
waren zt. in grobbairischem dialekt geschrieben und in ihrem
ton für das niedrige volk berechnet (s. s. 47), der höfische be-
arbeiter ihres Stoffes, unser Nibelungendichter, hat sich an vielen
stellen vom Wortlaut dieser roheren quellen doch nicht ganz
emancipieren können oder wollen, interpolationen im texte von
^A scheinen mir unwahrscheinlich, nur str. 1 — 12 halt ich für
spätem Zusatz.
7. DAS PRÄTERITUM VON HJN UND TUON.
Wie sich die verschiedenen formen des prät. von hän auf
die verschiedenen mhd. dichter verteilen, hat Lachmann Auswahl
s. IX anro. =» Kl. schriften i 161 zusammengestellt. Lachmann
zählt, ohne die stellen zu citieren, nur die würklich belegten
formen auf, er sagt uns nicht, welche von etwa neben einander
102 ZWIERZINA
gebrauchteD doppelformeo bei einem dichter die berschendeo sind,
welche aodere nur sporadisch vorkommen , und verzichtet auch
auf Schlüsse ex absentia. es lohnt die mühe^ Lachmanns angaben
hier nachzuprüfen und zu ergänzen, wenn Lachmann zb. kurz
verzeichnet, dass das prät. von hän bei Wolfr. im ind. und conj.
sing, hcete, im conj. plur. hStm lautet, gibt das ein andres bild
von den tatsacheu, als wenn wir erfahren, dass alle drei formen
hcBte ind., hcete conj., heten conj. in den 40000 reimen des dichters
nur je Einmal belegbar sind, während Gotfr. sein hate 61 mal
reimt, ich habe die angaben Lachmanns denn auch in diesem
sinne schon Beobachtungen s. 492 fr erweitert und specificiert.
es wurde aao. festgestellt, dass Hartm. im Büchl., Er., Grog, und
aH. ohne alle einschränkung und ohne Schwankungen im ind.
hdte, hdten, im conj. hate, hcetm sagt, im Iw. aber jedwede
präteritalform von hdn im reim mit absieht meidet, dass Wolfr.,
so wie Hartm. im Iw., ebenfalls dem prät. von hdn im reime
ausweicht, dass aber die sporadischen reime, in denen es sich
bei ihm findet, folgende doppelformen erschliefsen lassen : ind.
und conj. hcete hceten, ind. het heten, conj. häe hiten, schliefslicb
vielleicht auch het (hite) hdten. dass Wirnt einen ind. ich und
er het gebraucht und ohne scheu in den reim setzt, dass auch
der plur. hSten und conj« Mte wol nur in folge von reimnot bei
ihm fehlen, dass aber daneben keine andre form des prät., kein
hite hdte hcete, erscheint, auch die bei Gotfr. alleingeltende form
hcete hceten für ind. und conj. wurde aao. durch die verszahlen
belegt : die Ziffern ergaben, dass Gotfr. keinem bedenken gegen die
Verwendung des Wortes im reime räum gab. den ind. hcete hab ich
als analogiebildung zu dem ind. der verba pura {ncete, gcete, tocete,
drcete) in anspruch genommen ; die analogie gienge vom couj. hcete
aus, s. jedoch unten s. 116. die flexionslosen formen het, het, hiet
führte ich, s. aao. s. 494 anm., zurück auf eine analogie zu den
starken präteritis. vermittelt war diese analogie durch die form tet
für tete, die sehr früh flexionslos belegbar ist und mit der in der
reihe ich tet(e), du tcete^ er tet(e\ wir tdten nun auch die 1 und
3 sing, dem Schema der starken conjugation angeglichen wurde,
ist hite mit Schröder würklich als analogiebildung zu tete zu
fassen, so ist der Vorgang ja ganz klar, aber auch das flexions-
lose (nicht aus hete, hiete apokopierte) het, hiet wurde nach analogie
von tet gemodelt, s. die 2 pers. sing, du hiete neben du hcete.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 103
dass das fehlen der reime vod hete und der von tete in den
werkeD Wolfr.s in ursachlichem Zusammenhang stand, suchte ich
ebenda s. 495 wahrscheinlich zu machen, darnach wird man es
biUigeD, wenn ich im folgenden bei jedem einzelneu dichter immer
zugleich mit der angäbe der von ihm gebrauchten formen des
präL TOD hän aach seine formen des prät von tuon bespreche.
Schon WGrimm (Ober Freidank, Kl. schrillen iv 56) bemerkte^
dass die von Freidank öfter gereimten tit und fAe ^Walthers
lieder wol der schwankenden form wegen meiden', in bezug auf
die Verwendung des prät. von hdn aber zeigt Wallh. sich weniger
vorsichtig als Freid. er setzt den ind. hdte im leich 3,2, den
cooj. hwte in einem spruch 79, 31 in den reim. Freid. reimt
gar keine form dieses prät., weder einen ind. noch einen conj.,
und steht also da auf dem standpunct, den Wolfr. und vor allem
Hartm. im Iw. vertritt den conj. hätte auch der didaktiker leicht
reimen kOnnen, sowie er ja bcBte und tmte, s. WGrimms register
s. 407, tatsächlich Öfter reimU
Auch die Nibelungen kennen kein tet oder tete im reim,
ebensowenig irgend eine form des prät. von hdn. die klingend
reimenden waren freilich ausgeschlossen.
Wenn es bei Lachmann aao. s. 162 heifst, dass Rudolf,
wie Hartm. und Walth., den ind. hdte, den conj. hcBte unter-
scheidet, so ist diese angäbe ja richtig, aber die sache bekommt
ein wesentlich andres gesiebt, wenn wir beobachten, dass im Bari,
überhaupt keine formen des prät. von hdn reimen, im gGerh. jedoch,
dem jüngeren werke, nur 6in hdte 5139 und nur 6in hate 1891.
steht also für Rud. die form hdte fest, warum hat er sie im Bari,
nie zu kemendte (205, 19. 214, 35 uO.), rdte, spdte, losaphdte
(37, 1. 178, 1. 224, 35. 230, 29. 285, 27. 298, 15. 300, 5. 302, 23.
334,25. 352,35) und drdte (9,17. 18,37. 41,11. 135,37.
192, 37. 194, 23. 205, 19. 318, 15. 399, 25) gereimt und sie
auch im gGerh. nur so selten^an den versschluss gestellt? er
hat also diese seine leicht reimbare form des sich überall in den
Zusammenhang fügenden auxiliars im reim ebenso gemieden, wie
Hartm. sein hdte im Iw. mied^ ob er neben hdte nicht auch
* freilich, in der Weltcbron. (noch nicht, wie es scheint, im Wilh.) hat
Rudolf hdie and im weitesten maCse den conj. hate wider zugelassen, er
zeigt so selbst, wie seine reime im Bari, und gGerh. ohne absichtliche zurück-
haitang in diesem puncte beschaffen sein mosten.
104 ZWIERZINA
noch eine andre form sprach, die er ebenfalls nur nicht reimeo
wollte, kann natürlich nicht entschieden werden.
Das prät. von tuon gebraucht Rud. nur im sing, im reim.
täten und taten sind bei ihm, wenigstens im gGerh. und Rarl.,
ebenso unerhört wie häten und hwten. den ind. sing, spricht
Rudolf im gegensatz zu Hartm.^ der nur täte kennt, meist ein-
silbig, dies beweisen, da er e nach dem t kurzer stamme nicht
so wie etwa Wirnt apokopiert, die reime tet: gebet, nom. und
acc. gGerh. 229. 485. 493. 959. Rarl. 7, 21. 57, 19. 72, 1.
146,27. 186,7. 187,15. 37. 204,31. 302,3. 316,29. 345,35.
349, 21. 356, 17. 370, 35. 375, 39. 377, 15. 386, 1. 15. 392, 29.
398^ 25. diesen 24 beispielen für tit stehn nur 3 für tete ent-
gegen, täte : bite gGerh. 1027. Rarl. 336, 13, ; mit gebete Rarl. 169, 3.
tet ist gGerh. 959, tete Rarl. 336, 13 erste person, alle andern
beispiele betreffen die dritte person, die dort, wo in erzählenden
gedichten präterita reimen, immer vorwigt, s. darüber Reobach-
tungen s. 492 anm. 1. wir sehen aber hier auch die erste person
in flexionsloser form, was die Ton JGrinim und Lachmann ge-
machte Unterscheidung zwischen einem ich tete und er tet (s.
meine anm. aao.) nicht bestätigt, der conj« teete, getcete, 1 oder
3 sing., reimt auf baite gGerh. 1807. 2317. 6427. 6633. Rarl. 29,
27. 214, 27. 336, 35, auf hate gGerh. 1891, auf gerate subst.
Rarl. 14, 11, auf State subst. Rarl. 129, 3, adj. 334, 37.
Auch der Pleier, der tete sehr oft an den versschluss stellt ^
wagt seine form des prät. von hän nicht zu reimen, zum min-
desten nicht im Heleranz. ich vermute, dass seine form das bair.-
Osterr. het (dieses auch im Hai) oder das ebendort heimische hiet
war. diese beiden formen konnte der Pleier bei seinen mustern,
Hartm. und Wolfr., allerdings nicht im reime finden, hei Wirnt
freilich reimt he't.
Um den gegensatz, vor allem zu Rud., der seine formen
häte häten, hate hceten nicht zu reimen wagt, zu illustrieren,
schreib ich die belege für diese formen her, die der Stricker
bietet : wir finden häte (durchweg dritte person I) Dan. 1785.
* bei dem Österreicher weifs man natürlich nicht, ob sein tete auf äl-
teres tüte oder auf tete mit geschlossenem e zurückgeht, es reimt eben auf
b&e sowol als auf stete, denn die e waren in ofiener silbe vor muta in
Österreich schon im 13 jh. alle geschlossen geworden, so wie sie es (sc. in
der llngung) heute noch sind. s. darüber die folgende nr 8.
MITTELHOCBDEÜTSGHE STUDIEN 105
2121. 2237. 2271. 2747. 2867. 3417. 3861. 4399. 6203. 6795.
8097. 8325. Karl 145. 169. 959. 1845. 2141. 3193. 3433. 3599.
4127. 7445. 9093. 10041. 12097. Am. 251. 409. 739. 1267.
1315. 1397. 1529.1826.1935. 2275. 2475. WLeseb.» 801, 31 ;
hdtm Dan. 3453. 3487. 5235. 5691. 6863. 7549. 7965. 7981.
iarl 561. 857. 3011. 3151. 3577. 4149. 4203. 4291. 4361.
5891. 6271. 6999. 8235. 9297. 9387. 9667. 10625. 10729.
Am. 437. 867. 903. 1235. HGerm. 8,295. 137. HaliD ? 11;
du luBie Karl 10647. Hahn vi 63; ir hdtet Daa. 7749; conj. haste,
tera» Dan. 967. 1053. 1465. 1615. 3492. 4417. 5537. 6435.
6749. 6755. 7155. 7227. 7491. 7797 (1 sing.). 8321. Karl 4287.
4835. 5545. 6665. 6997. 8055. 10119. 10827. 11109 (1 sing.).
12117- Am. 53. IUI. 1239. 1733. 2437. 2463. Ges. ab. 59, 51
(1 siog.). 60, 107. 173. Altd. wäld. iii 220, 13; du hcetest Ges.
ab. 46, 11; ir htstet Dan. 6333. Karl 2841. also 111 reime in
nicht ganz 28000 versen, bei Rud. waren es 2 in über 23000 versen !
auch die pluralformen zu tete und tcete gebraucht der Stricker
ohne scheu (s. täten Dan. 363. 3453 usf. Karl 107. 1823 usf.
Am. 437. 867 usf., ir tätet Dan. 6043. 7749, ir tcetet Dan. 7927.
Karl 2841 udglm.). im ind. sing, kennt Stricker sowol tet als
tBe, ahnlich also wie Rud., nur dass bei ihm die form auf -e die
häufigere ist. ich finde tite Dan. 939. 2233. 3351. 6773. 7411.
7903. 8451. 8455. Karl 301. 309. 829. 1293. 3575. 3977.
7619. 10485. 10577. 10839. Am. 271. 1405. 2363. Ges. ab.
37, 47. 33, 199. 46, 119. Doc. Mise, ii 217, aber tet reimt auf
gebit, nom. oder acc, Karl 1839. 2909. 3581. 9369. Am. 1163
[Doc Mise, n 219?]. nur Karl 7619 und Ges. ab. 46, 119 ligt
die erste person vor; dass an diesen beiden stellen tete und nicht
t& reimt, also nur er tit belegt ist, ist natürlich zu fall, um so
mehr, da ja tete an und für sich 4 mal so häufig ist als tet.
Aufser häte, conj. hwte kennt Stricker keine andre form des
prät. vom auxiliar. im selben falle befinden sich auch Ernst B,
Konrad Fleck und der dichter des Moriz vCraun, welche
beide ihr häte, hcete auch so ungescheut reimen wie der Stricker,
über Fleck s. Sommer zu Flore 171 und 5074. über Ernst B
s. Bartschs einl. im Mor. vCraun reimt häte 1 sing. 429,
3 sing. 653. 821. 961. 1413. 1623; haste 1 sing. conj. 583. 1715,
3 sing. conj. 1079, auch 417 wird hcete conj. und nicht ind.
sein. — tete 3 sing. ind. Hör. 1011. 1463; tcete 3 sing.
106 ZWIERZINA
coDJ. 281. 315. 1251. 1427; twte 1 siog. codj. 583. 1353.
1715.
Mehr Schwierigkeiten als Stricker und Fleck macht wider
Ulrich vZatzikhoveD die wähl unter den reimformen unsers
Präteritums, wir finden bei Dir. im ind. sing, (immer dritte personi)
nebeneinander : A^/e 2753. 3119. 6185, hcete 5781. 5973. 8431
und hdte 9152, im plur. bäten 3003. 3251. 5555. 6241. 8699.
der conj. lautet hate 1307. 1577. 2717 (l sing.). 2945. 4689
(1 sing.). 4989. 5027. 5347. 7291. 7437. 7761. 8943. die
buntheit der formen bei Ulr« im vergleich zu der durchführung
einer einzigen reimform bei Hartm., Gotfr., Wirnt, Rud., Stricker
ua. entspricht Ulr.s roherer kunst, sowie es auch bemerkenswert
ist, dass er, der unbofischeste unter den höfischen dichtem, zu-
gleich dier erste ist, der die der zeit wol schon langst geläufige
form bete zu reimen wagt, aber wir können zeigen, dass dieses
reimende bete nur ein erster, tastender versuch war. es reimt
2 mal auf bete, 1 mal auf tete, warum aber nie auf Lanziletel warum
überhaupt in einem gedieht, in dem der name des beiden und
mehrerer nebenpersonen die reimform begünstigten, nur so spora-
disches bete? tete reimt auf bete 275. 979. 1033. 1193. 1625
(1 sing.). 2171. 2727. 3823. 4609. 5871. 7669, auf Lanzüete,
nomin.i 4941. 5203. 5529. 6817. 7495. 7683. 7829. 8041. 8691.
8703. 9202. 9212. 9293. 9407. 9421, dat. 7943, acc. 8999, auf
Orphilete nomin. 687. 5897, auf Iwerete 4164. 4527, dat. 9142,
SiufKaylete 6031, ^uf Karjete 6343, auf von Beforete 8719. also
tete sollte 37 mal, bete nur 3 mal reimen können? warum finden
Lanzilete, Orpbilete, Iwerete und die andern namen ihren reim
26 mal in tete und nie in bete, obwol sie aufser auf tete auch
10 mal auf bete, gebete, toete reimen? wir sehen also tete und bete
galten Ulr. , obwol er sie mit einander und beide wider mit bete
bindet, doch nicht für gleichwertige, gleich willkommene reim-
Worte, aber auch das 6ine bäte im reim des Lanz. ist kaum zu-
fällig im gedieht so vereinzelt, wie leicht reimbar die form ist,
sehen wir beim Stricker, bei Fleck, im Er. und Greg., dagegen
^ eJD sicheres tet ist bei Uir. nirgend belegt, die form des nomin.
LanzHete steht wol durch Lanzilete : bete 4705. 5113. 5209. 8777. 7273.
8049. 8199 fest, ferner acc. Lanzilete : zetamne wete 9391, : mit gebete
6059, dat. Lanzilete : bete 9311. 9341. daneben freilich auch Lanzilet :
gebet 9367, Iweret : gebet 3917, Orphilet : bret 1167.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 107
dass dichter sie absichtlich meiden bei Rud. und. im Iw. Ulrichs
form war häte sieber nicht, am Schlüsse des werkes stellen sich
bei ihm viele litterariscbe reime und reimfreibeiten ein, wie sonst
bei deo dichtem meist nur zu anfang (auch bei ihm s. s. 71).
er eilt uod flbereilt. da wird er sich den reim hdte 9152 aus
dem Er. geborgt haben, sowie er von Harlm., um nicht ohne
Meg zu sprechen, auch die form toeste, die er gegen schluss des
gedichts einmal verwendet, entlehnt hat. seine form ist totste^.
den plur. zu seinem ind. hete, häten, das als reim auch litterarisch
• überliefert war, gebraucht er ohne scheu und einschränkung,
sowie täten 1187. 2127. 2887. 3003. 5555. 7603. 8823. da-
gegen ist der conj. hcBte doch auffallend häufiger als der gleich-
lautende ind. — 12 : 3, bei Gotfr. 31 : 30. aber wir mtlssen
bedenken, dass Gotfr. nur die form hate für den ind. kannte,
während bei Ulr. sich Mte, häte und hcBte in den ind. teilen,
oder ist hete 6185 der conj.?
Gotfr. reimt tete bald mit stete, bald mit bete; stete und bete
aber lässt er nie unter einander reimen und beweist damit, dass
er das alte reduplications -e anders bebandelt als das altgerman. e
der Stammsilben und als das umlauts -e (s. Beobachtungen s. 495
anm. 1), eine Unterscheidung, für die wir hei UlQlas^ so sonderbar
diese Zusammenstellung ist , ihre analogie finden : ai in der re-
duplication, t im stammt. Konrad vWürzburg remitete nur
* Ulr. reimt gette{n) subst., engetten, gleiten ^ betle{n)y ze retten,
rette sahst., muotvette{n), nötvette unter einander : t39. 161. 763. 785. 897.
1117. 1345. 3717. 5567. 6273. 6623. 6675. 6803. 6829. 7407. 7615. 8307.
S515. 8597. 8741. 9043 (es reimte beste), nur einmal aber, und erst 7833
reimt er toeste (uzw. conj., totste ist immer ind.) mit zeleste, dagegen reimt
im typos 'isle{n) auf der einen seite nur gevristen : mit wibes listen 625
uod liste : vermiste 4473, auf der andern witte : liste 1923. 2037. 2747.
7183, Witten : listen 105. 5427. 6341, : vermisten 7037. reimbequemheit
var es also nicht, was Ulr. tviste dem weste vorziehen liefs. aufserdem bindet
er 3707 weste : messe, auch erst gegen schluss des gedichts erscheint
HartJD.s td, 7989, vorher nur sdn 2427. 3055. 5287. 581 1. ebenso drängen
sich seine alemannischen m:n alle im letzten drittel des gedichts, nur ge-
laden : tidfgaden 4117, sonst kam: man 6543. 7611, : gewan 7355, ruom :
tuon 7757, heim : schein 9303.
' nach Michels Mhd. elementarbuch s.l59 soll Gotfr.s tele analogiebil-
duog zu hete (aus hnbete) sein, aber wo gibt es denn im 13 jh. ein h^te^ wo
bei Gotfr. und wo bei allen andern? die ältesten dichter, die hete reimen,
reimen es coosequcot mit e, so Ulr. vZatzikh. , Konr. vWurzb. und die
108 ZWIERZINA
mit Umlauts -e, s. Grimm Gramm, i 885 (abdr.). der reim tete :
stfte begegnet bei Konr. mehr als 100 mal, nur die gSchm. und
das Turn, bieten keine belege, im Troj. : 4691. 4767. 5463.
5901. 6211. 6303. 6469. 6603. 7211. 7957. 9127. 9759. 10229.
10701. 10715. 11389. 12493. 12563. 12629. 14901. 17297.
18755. 20455. 23713. 24197. 24651. 26081. 26129. 26977.
27757. 27933. 31787. 31913. 34417. 35231. 35667. 36277.
36627. 37053. 37915. 38789. 39021. 39402. 39967, s. ferner
Engelh. 3107. 4425. 4537, Schwann 36. 141, Parton. 1559.
5381. 5899 usf. in der Halben birue reimt v. 17 tete, was Woiff
gar nicht bemerkt hat. aber die Halbe birne ist eben von ihrem
Verfasser, wie Lacbmann sich ausdrückte, Konr. vWürzb. nur auf-
gelogen worden, und dabei hätte man es bewenden lassen sollen,
der plur. täten ist bei Konr. vWürzb. sehr sehen i. in den ca.
22000 Versen des Parton. findet er sich nur Einmal : 5247, ferner
begegnet man ihm etwa Otte 611. auch in den ersten beiden
dritteln des Troj., ich meine v. 1 — 27000, stehl nur 6in reim-
beleg 6375, erst gegen schluss dieses spätesten Werkes unsers
dichters wird täten plötzlich häufiger : 27579. 28145. 29747.
31157. 33117. 33527. 33853. 39901, ohne dass es da in einer
hier erst aufkommendem formel oder redewendung steht, und
hier, nur hier gegen schluss des Troj., finden wir auch den
plur. häten{: täten 39901) und den plur. heten : getr&en 28195
(ind.) 30967 (conj.).
Bekanntlich ist die gewöhnliche form des prät« von hän bei
Konr. vWürzb. haste, haten, sowol für ind. als für conj., sowie
dies die einzige form Gotfr.s vStrafsb. und Herborts ist. daneben
kennt Konr. het, hete, u^w. hete wider für ind. und conj. dieses
hit, hete, im Troj. auch hiten, hat stets offnes i und reimt ausschliefs-
lich auf bete, gebet, br&e, tnete, getreten, nie auf stete oder tete.
dichter, bei denen hete auch zo stete, aufser zu bete udgl., reimt, die machen
zwischen e und e vor t dann immer überhaupt keinen unterschied, so Dir.
vEschenbach, £rnst D, Renner, Rupr. vWürzb. oder ist auch das tete
Konrads, neben dem kein tele steht, analogisch zu hete gebildet, ohne dass
Konrad hete jemals anders als mit e, als häte streng geschieden von tete^
gesprochen und gereimt hat? man mäste also annehmen, tite sei bei Konr.
nach analogie von hete zu tete geworden und hete gleichzeitig nach ana-
logie von tele zu hete. mau sieht, wohin solches der würklichen sprach-
verhältnisse unkundiges construieren grammatischer erklärungen führt.
^ vgl. das ähnliche verhallen Rudolfs vEms oben s. 104.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 109
wenn also der verf. der Halb, birne 337 heUe reimt, so gebraucht
er nicht nur in bezug auf das doppelte t, sondern auch in bezug
auf die qualität des e eine bei Konr. vWUrzb. unerhörte form :
die Halbe birne sagt tele, Konr. tele, die Halb, birne sagt hette ^,
Ronr. k€ie. als der Verfasser der Halben birne hefte in den reim
setzte, glaubte er wol besonders konradisch zu sein, denn die
reime rftte (f. redete) : bette : entoette sind für Konr. charakteristisch
(WolCr fttbrt zur Halb, birne 337 kaum die hälfte der belege an),
wahrend man bei den meisten andern dichtem der zeit den reim-
typus 'ftte vergeblich suchen wird, diesen reimtypus wollte der
Verfasser der Halben birne bringen und dabei entschlüpfte ihm sein
md. hette,
c
Ich führe nun die belege für hit, hete bei Konr. an, von
denen Wolff aao. auch wider nur einen teil bringt, auch sondre
ich hit von hite und merke an, wo die form den conj. bedeutet,
wir finden hete Parton. 5155. 5813. 5847. Silv. 325. 1291.
Pantal. 359. 656. Alex. 1357. Herzm. 339. Schwanr. 502 (conj.)
660 (conj.). Troj. 3263. 3677 (conj.). 5277. 11511. 15097.
15281. 16045. 16651 (conj.). 23537. 25040. 26601. 30315.
37565. 37781 (conj.). 38687. het reimt zu gebit, die hss. und
heraasgeber schreiben da merkwürdiger weise den nom. und acc.
oft gebete (s. auch Bartsch anm. zum Troj. 10284) : Silv. 1335.
1784. 5055. Pantal. 1599. Troj. 10284. 13013. 20441. dieses
ka ist nie conj., was ich mit rücksicht auf das s. 102 gesagte für
keinen zufall halte, hete ist erst im Schwanr. und Troj. auch
* dieses mitteldeutsche oder besser rheinische hette halt ich für die
aas hebita entstandene form; hete gibt es im mhd. nicht, neben hette steht
daDD meist ein hatte, das aus habeta entstanden ist, und beide formen gelten
io der regel für ind. und conj.; so in der Erlös, und £lisab., wo sie neben
iod. und conj. hmte (resp. hade) sowol beim auxiliar als beim vollwort
stebo, während Herb, neben hate (resp. h^de), das für ind. und conj. prät.
des auxiliars so wie bei Gotfr. (vgl. auch Konrads hoete ind.) allein gilt, ein
hette ODd hatte nur als präteritalformen des vollworts stellt, anders ist wol
das hatie^ conj. hette der Martina und Heinzelins (Ritter und pfaffe 232, s.
Pfeifers anm.) zu verstehn, das als auxiliar neben hdte, conj. hate, in diesen
gedicbteo steht, es ist zu beachten, dass Hugo vLangenst so wie Heinzelin
t und tt nach kürze ungescheut binden (s. unten s. 111 anm. 2), sodass hette
auch oft zu 'fte reimt (so wie hatte zu -ate), was aber nicht nach Michels
und Ehrismanns hele deutet, ebenso sagt Kunz Kistener hette y ob er es
jeut mit betU (201. 473) oder mit ttje (697. 833) bindet, ähnlich sind wol
auch die zahlreichen reime von hette auf itete beim Bäheier zu fassen.
110 ZWIEßZINA
coDJUDCliv, der plur. beten erscheint erst am schluss des Troj.
het hSte ist also wesentlich seltener als tfte, am häufigsten noch
im Troj., es fehlt im Engelh., Otte, gSchm., Weltlohn, Klage der
kunst, Turn, und den Liedern; im Parton. (22000 verse) steht
es nur 3 mal und die»e drei mal innerhalh 700 versen sich wider-
holend :5]55. 5813. 5847.
WolfT hat als parallele zu dem vereinzelten kette der Halb,
birne ein vereinzeltes hete und ein häte fOr Konr. beigebracht,
dieses hSte nun stünde zunächst im reim auf einen namen : Lu-
crete Parton. 269 — stund iz anderswar, Daz were valsch, und ist
ganz dar. Wand sich da rlmet der name (Hessler Beitr. 24, 183).
aber wer sagt uns denn, dass Konr. Lucrite gereimt hat und
nicht LuercBtel welcher reim beweist das? Milete : Lucrete Parton.
11145 doch gewis nicht, und hier ist auch LucrSte der name
eines landes, dort der einer frau und die hss. schreiben des öfteren
e für (B, ich würde also Lucraste : hate für den text in Vorschlag
bringen, und auch mit dem hdte : drdte adv. Parton. 11219 ist
es nichts, es ist mit Bartsch htste : drmte zu lesen und ein adv.
drate für Konr. zu constatieren , das auch Troj. 4383 auf hoBte
reimt, im Parton. steht übrigens auch häte in der hs., und wenn
daneben drate geschrieben ist, so beweist das nichts, denn der
Schreiber bezeichnet a, aufser durch regelmäfsiges ä und durch e,
auch durch a, s. zb. State : hate Parton. 13273. im Troj. aber
schreiben an der betreffenden stelle, wie es scheint, alle bss.
hcBte : drcBte (resp. die orthographische entsprecbung davon), auol]
ist hcBte hier wahrscheinlich der conjunctiv.
Neben gewöhnlicherem hdtehdten 12L 542. 656. 819* llOl
1437. 1521. 2145. 2207; 541. 693. 2408. 2497, codj. hmte km§
143. 203. 409. 927. 1937. 2523. 2657 und einmaligem iij
hate 55, zu anfang des gedichts, gestattet sich auch der verß
der guten Frau einmal, im reim auf einen oameQ^ da^
bei ihm wie bei Hartm., ßud. und Wolfr, verpOnte kii (;
Tolet 2433). ob hier das hit ein- oder zweisilbig reimt ,
schwer auszumachen, es ist 3 sing, oder ist nicht het :^
sondern het: Tolet anzusetzen? das scheint mir dur deu Alii
höchst unwahrscheinlich.
Dagegen reimt Wernher im Meier Helm brecht, bü\
het diuf glet 1847, eine andre form des prat von hän keo
uns ist dieses hit:glit sehr wertToll, da Lacbmaiia
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 111
(s. darflber Beobacbtungeo s. 492 aom.) behauptete, dass das ein-
silbige Aef blofs die form der 3 sing, sei, die 1 sing, dazu aber
zb. bei Wirot h&e lautete, ao uusrer stelle des MHelmbr. aber
ist kii erste person : es wird also Wig. 7114 sicher Mahmit:hä
anzuseUeD sein ^ wenn Wirnt auch die reimform Mahmite nicht,
wie ich aao. andeutete, erst aus dem Wh. hätte lernen können,
s. Malmet : iet Rol. 96, 1, ; bete Rol. 83, 7, : gebet Rol. 123, 23,
Makmeien : ze steie Rol. 31, 3. 144, 5. 147, 5 usf. — tete reimt
im MHelaibr. sowol zu bite 1147. 1265, als zu stfte 849 und zu
hfte (fQr bette, s. auch Warn. 711. 519, Kindh. Jesu 2415. 2569,
vgl. Lachmann zu Iw. 1212^) 1855. es findet sich daneben kein
andres beispiel der bindung von -ite und -^te, aber in dem kleinen
gedieht kann das zufall sein.
Neben dem ind. und conj. hete beten in Reinbots Georg —
kete : propke'te Zbb9. 4077. 4457 (stets dritte person), hSten.'pro-
* das eiDsilbii^e ich hSt {:ttSt) steht ferner noch in Mai und Beaflor
d3, 19 Debeo er hSt {: stSi^ 140, 15. 153, 37. — er hSt belegt schlieCalich aoch
ülr. vTürl. (xTi 27. clxxvii 11. ccxLvm 1, s. Singer s. xvn) und Weinhold
Bair. gramm. § 321 bringt reimbeispiele aus der Krone und dem Tundalus.
über andre formen des prät. von hdn in der Krone s. Reifsenberger s. 26.
freilich apokopieren alle diese österr. gedichte hie und da das e nach dem
I (dber MHelmbr. s. oben s. 63), da aber dem hSt meist kein klingend ge-
reimtes hete gegenöbersteht, ja bei manchen auch keine einer solchen apo-
kope ganz correlate parallele, dürfen wir hSi woi für die flexionslose form
in ansprach nehmen.
> Ygldrite KronelU, Mantel 348, Lanz. 6701, Mart. 100,21. 173,5. 208,
109 oö., Minne!. 853, in almiten Lanz. 2025. 3613. 5187, enmiten Bari. 68, 27.
340,5, Mart. 36,97. 87,73 uö., Minnel. 807, hatte : schale Mart. 161,21.
206,3 aö., rette, 'ttete MarU 43,53. 77,23, enwette : stete Mart. 101,75.
126, 69, spotte(n) : gote, bote{n), kriuzegote{n), kestegote — das o in diesen
rerfoen der 2 schw. conjug. ist in der Mart. (uud im Serv.) stets kurz, nie
laog — Lanz. 1847, Bari. 184, 13. 206, 21. 236, 37. 247, 31. 325, 7.
288,9. 200, 21. 233, 15. 257, 21. 260,31. 265, 15. 268, 7. 275, 13. 318,35,
Marl. 61,41. 76,13. 41,34. 139,69. 109,101, Minnel. 1289. bei spote{n)
wird man för Rud. und Dir. wol an vereinfachtes t denken dürfen, jedoch
ift mir im allgemeinen wahrscheinlicher, dass wenigstens die alemannischen
diehtQDgen (nnd alemannisch sind die meisten), die t mit tt nach kürze binden,
rinfaches t verdoppelten, die Österreicher haben bekanntlich den vocal vor
I io ofiber silbe gelangt freilich sind die betreffenden verse nur bei Hugo
in AtT regel dreihebig. Hartm., Gotfr., Wolfr.» auch der Türheimer, kennen
kein späten usf., resp. keine Verdopplung des t nach kurzem vocal, wol
aber kennt der Türheimer das alte bitten (.* enifitt<«n Trist. 589 , 25 , ich
bitte .'dritte Rennew. Zs. 34, 1, 75) neben dem allgemein oberdeutschen biten
IS. Rennew. Adel. Mag. n 1, 60, Germ. 16, 2, 30, Zs. 34, 1, 55).
112 ZWIERZINA
pheten 2665 (conj.), :planSten 3463 (conj.). 5711. 6009, .'Marga-
reten 4677 — bedeutet das vereinzelte hdten : täten 5569 vielleicht
nur einen litterarischen reim, auch täten findet sich nur an dieser
stelle gereimt, der sing, lautet bei Reinb. ausschliefslich tfte,
so wie bei Konr. vWürzb., er reimt auf stete (als 1 person 1389,
als 3 person 3719. 4149. 4587. 5169. 5893. 5913), nie aber
auf bete, gebite, mite usf.
Ganz so wie der Georg verhält sich auch der Servatius Zs. 5.
im ind. reimt heter auf P4ter 151. 3039. ob häer auf hetf er
oder auf het er zurückgeht, kann man nicht sagen, ebensowenig,
ob in der bindung hete 3 sing. ind. .'Mahmete 632 h€te anzusetzen
ist, oder hä hier, wie ich es oben s. 111 für Wirnt postulierte,
auf ein Mdhmä reimte, neben het(e) steht dann ein vereinzeltes
hwte (conj.) 1891, so wie bei Reinbot neben hite{n) ein verein-
zeltes häten (plur. ind.). — tele reimt im Serv. wie bei Reinbot
(und bei Konr. vWürzb. s. oben s. 108) stets nur auf stete, also
mit geschlossenem e^ uzw. Serv. 213. 899. 1381. 1823. 2139,
streng geschieden von bete : brete 3443 udglm. ein bete : stete
belegt der Serv. natürlich so wenig wie der Georg.
Häufiger als im Georg oder Serv. sind in der Kindhheit Jesu
neben den österr.-bair. hete (3 sing, conj.) 307 und hiten (ind.)
2531 — hiefs der sing, heti — die seit Hartm.s Er. und Greg,
litterarischen häte (1883) und häten (178. 1259) im ind., haßten
(803) im conj. der ind. hate, ferner hete und hit fehlen, tete
^ an täte : ttäte zu denken (also etwa das alte reduplications-e gleich
überofienem ä, dem laut des zweiten umlauts), verbietet Konr. vWürzb.s
gebrauch, da dieser als geborener Franke ä und e unterschiedslos bindet
<8. darüber die folgende nr 8), so hätte er *täte und *ttäte im angenommenen
fall auch mit Mte, bete usw. gebunden, was, wie wir oben sahen, nie ge-
schieht, er sprach tele also sicher so wie stete mit geschlossenem umlauts-«.
an State könnte man bei Wolfr. denken, der es mit bete bindet (s. Beobach-
tungen s. 495) und anderseits auch sehr oft ä : e reimen lässt (s. nr 8),
ebenso etwa bei Ulr. vEschenb., Ernst D uaa. wenn aber die Österreicher
und Baiern stete stets auch auf etymologisches -ete reimen lassen, so ist
an einen reim von ä (also stäte) : e nicht im entferntesten zu denken, denn
Österreicher und Baiero halten, wie wir sehen werden (nr 8), ä und t bis
auf die spätesten zelten streng auseinander, dagegen ist hier e vor muta
in offener silbe (wie der heutige dialekt beweist) zu geschlossenem e ge-
worden und der reim von stete: -ete dem dialekt nach insofern rein, als
etymologisches e und etymologisches e vor t (6, ^, <Q die ursprünglich
nur dem e zukommende geschlossene qualität hatten.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 113
reimt zu aeie 673. 899. 2051, nur eiomal zu b€te 2517, aber
auch u^esüete 2397. täten 178. 1259, conj. getate 411, ge-
tmtm 469.
lo der Urstende finden wir einen ind. sing. AiB/e 117,64,
als ind. plur. (zu einem sing.AeV?) aber nur heten 124, 44. 125, 13 ^ ;
jf^e reiml auf gehite 121, 17. 122, 25, tttt aber bleibt unbelegt,
men 105, 20. 106, 10. 108, 84. 112,73. 122, 3. dagegen reimt
in der H i m m e 1 f. M. tete : bete 387. 875, niemals -fte : -ite, täten
393. 877, conj. täte 537. das präl. von hän steht hier nie
im reim.
Eine interessante form überliefert Ulrich v Tür he im. er
reimt Trist. 555,25. 583,37 als 3 sing. ind. prät. von hän
heite: seile und Trist. 575, 27 heite: reite (di. redete), auch im
Rennew. steht öfter heite, uzw. für ind. und conj., belege bei
LachmaDD Kl. Schriften i 161 aam. neben heite stellt sich ein
präs. er heit Trist. 498, 4. 500, 29. 568, 11. sonst kennt Ulr.
im ind. sing, hwte : tCBte conj. Trist. 508, 5, ; stCBte Rennew. Zs.
26, 4% 36, :wcBte prät. (vgl. müete 553, 37) Trist. 575, 35; häte
ist selten, ich finde es nur im Rennew. Lohmeyer 306, der plur.
beifst hdten (wider nicht heeten) Trist. 517, 9. 551, 39. 574, 37.
578, 5, Rennew. Lohm. 265, der conj. hcBte Trist. 558, 31,
Rennew. Pf. Ob. 47,451, hcBten Trist. 540,9.
Die form heite entstand aus dem ahd. hebita (s. KOgel Beitr.
9,520), so wie einerseits häte aus hahita, anderseits seite aus
segita, neben heite findet sich bei Ulr. demzufolge auch das präs.
er heit aus er hebit, so wie er seit neben seite, er hat neben häte
steht, ich glaube nicht, dass dieses heite und heit (bei Boner auch
wir hein) nach analogie des conj. heige << hebege gebildet ist,
wie etwa Paul annimmt« es unlerligt diese herleitung eines be-
legten heit, hein, heite aus der analogie zu einem im 13 jh. un-
belegten heige derselben beurteilung, wie oben s. 107 anm. die her-
leitung des belegten tete aus der analogie zu dem nicht beleg-
baren hete. aus der form hebete entsteht also die form heite, ob
auch eine form hete aus ihr entstanden ist, wie Ehrismann Beitr.
22. 299 anm. und Michels wollen, bleibt mir zweifelhaft, denn erstens,
wo ist denn dieses hfte^ das älter sein soll als das daraus mit
> dieses Debeneinander von hate sing, und hSlen plur. auch bei Wolfr.
obeo s. 102. sing, hate, plur. hdten bei Dir. vZatzikh. s. lOG und Ulr.
▼Törb., 8. auch hdten neben hate bei Kour. vWörzb. s. lOS.
Z. F. D. Ä. XLIV. N. F. XXXIl. 8
114 ZWIERZINA
anlebnuDg an hcete oder tete entslandeae hite, io mbd. zeit be-
legt? ich find es nirgends, zweitens, wo ist das aus hebet entr
standene alte präs. er hftt ein prSis. h€8t, hit, hint kommt erst
in sehr späten, meist bochalemannischen texten vor und ist dort
natQrlich abstraction aus dem prSt. hile, dagegen reimt heüe^ das
alte resultat der contraction von hfhite schon in der Hochz. 373«
914. 932 (Karajan 27, 17. 39, 22. 40, 10) auf setVe, oder ist dort
wenigstens, wenn wir ESchrOders zwei£ei teilen (s. Anz. xvn 292),
so in der alten hs. überliefert, so wie es bei Konr. vWOrzb., in
der gFrau usf. ein rette gibt neben dem reite Ulrichs vTürh.^
Reinbots, Konrads vFussesbr« usf., aber kein r^e, so ergibt ahd.
h^hita höchstens neben heite ein hette (s. Halbe bir, ErlOs., Elisab«,
Herb., oben s. 109 anm.), aber kein hete^ uzw. einzig und allein
bezeugtes hite. ebenso steht nur hatte (s. oben aao.)^ nicht hate^
neben hdte <1 hahete und nur schattet latte, nicht sehate, lote,
neben schdte, läte << schadete, ladete. hSte kann also meines er-
achtens nur analogieform zu tete sein, in der weise, wie Schröder
die eotstehung der form erklärte, nur ein bedenken hab ich:
KoMT. vWürzb. sagt (so wie Reinbot, Servatius uaa., die also das
alte reduplications-e durch geschlossenes e widergeben, während
Gotfr. und andere Elsässer bei diesem und nur bei diesem e in
ihren reimen zwischen f und € schwanken) constant tete, aber
ebenso constant hite, doch kann, wenn hete mit dem gleichen
zwischen e und f in der mitte stehenden e gesprochen wurde,
wie tete bei Gotfr. ^ hier leicht blofs reimgebrauch und nicht
Sprachgebrauch die Ursache der Scheidung sein, für tete fand
Konr. die bindung auf stete bei Gotfr. vor, für hete, das Gotfr.,
Hartm«, Wolfr., Rud. usw. nicht reimen, muste er sich selbst
erst die ihm richtig scheinende bindung für dieses zwischen e
und i in der mitte liegende e suchen und entschied sich ftlr i;
dass er dann im gegensatz zu Gotfr. consequent blieb, kann nicht
auffallen.
Wenn Ehrismann im recht wäre, ein *hete aus hebete heraus-
zuconstruieren , so könnte man auch hite aus einem hebete ent-
standen sein lassen, dieses hibete liefse sich nämlich tatsächlich
aus den reimen des Strickers und des Bühelers abstrahieren, beide
dichter reimen niemals i : e, weder vor g, b, d, t wie die Öster-
reicher, noch vor andern consonanten. wenn also im Dan. 2211.
2353. 4153. 4237. 5933 (und ähnlich zb. auch im DiocI. 926.
MimiiHOCHDEDTSCHE STUDIEN 115
4961) ^ das piHt des voliworu^ sc swh gehebeU : lebete reimt, so
kaoD dies nicht gehebete mit geschlossenem e seia. der Stricker
keoot neben diesem hebeU auch nur ^in habte Karl 4967, und
di ist es direct aus RoL 142,21 übernommeQ. daher ist es
B. e. mttfsig, in der form kebeU dem habete gegenüber mit Rosen-
hagea Unters, s. 40 eine nicht vorhandene bedeutungsnuance 2u
Sachen 2. wenn schon nicht Aete,.so könnte man vielleicht die
km hieu (iod. Gudr. 443, 3. Riu 1677; conj. Gudr. 1015, 4.
Bit 3438. 7567. Krone 3548. Konr. vHaslau 727. 857. 945,
pkr. hieien 1216) aus solchem hebele erklären, aber wie dieses
hAeU selbst mit seinem alten e zu erklären wäre, wüst ich nicht,
ich beßlDde mich hier im umgekehrten fall, wie Ehrismann und
Michels, die ihr kete erklären, aber nicht nachweisen können,
da führt ums, glaub ich, die beobachtang auf den richtigen weg,
daas sowol der Stricker wie der Baheler dem ganz oder teilweise
trSnkiscbeD Charakter ihrer spräche gemäfs, wie wir nr 8 hören
werden, zwar nie e ; e, wol aber oß und unterschiedslos ä:€
reiraeQ. hebete im reim auf lebete kann also eben so gut häbete
als kehete sein, in bestimmten gegenden war also erst später
als analogisch gebildete form nicht habeta neben altes habila^ son-
dern habita neben altes habita getreten, erst als der process des
ersten umlauts bereits vorüber war. a wurde demgemäfs durch
das neue t nicht zu f, sondern nur zu ä umgelautet \ wir werden
ja in nr 9 sehen, dass die österr. - bair. set^e, hleile, vermit, »teii
(im gegensatz zu geleit <1 gtlegit) wahrscheinlich auf solche spä-
tere sagitOj klagita, verzagit, magit (db. magidi) über sägete, klä-
geie, verzaget, mdget zurückgehn. es wäre nicht unmöglich, auch
keiie, ja auch das wesentlich rheinische, indicativische kcBte (eine
1 s. auch Boncr ^01^6^ put. : geiekt 48, 3. auch Booer reimt ä:e,
aber oar selten e: e.
* nm dies ton 10 können, mass RoseiiliageB, der behaoptet, ^nnit'
iKtfoe beim Stricker habete, nicht hebeU, Dan. 4153 die bedeotang von he-
beiß 'zweifelhaft' sein. Daniel ist in ein zaubernetz gefiiUeo und wird dort
fettgebatten, daae er keinen finger regen kann : Er wolde M gewU wesen,
Dom in der i(oei hebete,
' einige rbeinfränkiscbe dialekte zeigen dieses ä^ resp. die entsprechung,
aoch beate noch, so erfahre ich durch Heeger s. 8, dass icA hib usw. (bd.
ick hmbe) mit offenem laut, dem secandären umlanls-e, in der Südostpftlz
gesprochen wird, das e (resp. ä) stammt aus der 2 und 3 person, wo habie,
kakit in dieser gegend erst später für habSe, habSt eingetreten war.
8*
116 ZWIERZINA MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN
andre erkläruDg dieses h(Bte s. oben s. 102) auf unser häbele
zurückzuführen.
Auch in bezug auf die präteritalformen von tuon gibt Uir.
interessantes material. er reimt tete zu 5e/e Trist. 514, 19. 571, 29.
Rennew. Zs. f. d. ph. 13, 119^ 55. Adel. Magaz. ii 1,56, Roth
308, 165. 314, 79, brete Trisl. 522, 37, Äntrite Trist. 529, 11.
534, 11. 565, 1 1 (vgl. Antrete : bete 528, 5), Mahm&e Roth 313, 39,
er reimt aber auch zu stete Trist. 515, 5. Uir. reimt sonst niemals
— freilich kenn ich vom Rennew. nur einen teil — €: e als in
Wirüersteten : gebeten Trist. 498,25, vielleicht mit einer reim-
freiheit beim namen. möglicher weise also hat auch er Gotfr.s
indifferentes tete gesprochen, ein einsilbiges tet kennt Uir. nicht,
wol aber ist tete bei ihm schon hier und da conjunctiv, so sicher
Trist. 534, 11, wol auch Trist. 514, 19. diesem conj. tete reiht
sich der conj. hete und plur. heten bei Konr. vWürzb. an. neben
tete heifst der conj. auch tcete Trist. 505, 18. 508, 5. 558, 31.
560,1. 573,11. Rennew. Pf. Üb. 47, 451. 48,599. 51,831.
Zs. 38, 63. Germ. 16, 2, 40 und tCBten Trist. 540, 9. den plur.
ind. täten find ich gereimt Trist. 574, 37. 578, 5.
Graz, mai 1899. KONRAD ZWIERZINA.
BLATTFÜLLSEL.
Walth. 9, 14 : die übliche beziehung der armen künige, die
das römische reich dringent, auf die flüchtig auftauchenden thron-
candidaturcn des Zähringers oder gar des Sachsen, des Pfalz-
grafen, die alle nie könige wurden, ist mir sehr unwahrschein-
lich, und Otto vPoitou allein ist eben nur singular. reguli
heifsen im ma. nun aber nicht nur die gegenkönige, sondern na-
mentlich auch die nichtdeutschen herscher, die fictiven .unter-
kOnige des kaisers (Wailz VG. vi* 159 f). Walther meinte mit den
armen künegen^ also entweder aufser Otto auch Richard vEng-
land, seine rückendeckung : hatte Heinrich vi den Engländer doch
nahezu als vasallen betrachteti oder aber der dichter fürchtet
von der kaiserlosen zeit eine allgemeine Schwächung der deutschen
Weltmonarchie, die gerade der grofse tote verstärkt hatte, fasst also
neben dem Engländer auch Philipp August ins äuge, den erst
der gemeinsame feind den Staufern verband, und den unruhigen
nachbar der nördlichen reichsgrenzen, den Dänen Knud, bei dem
man weifische Sympathien voraussetzte, im ersten falle wäre der
Spruch nach Ottos wähl, ja krönung abgefasst, im andern, bevor
Philipp Augusts bündnis mit dem Staufer (29 juni 1198) allge-
mein bemerkt war. R.
^ arm * wertlos' etwa im Iraditiönellen (HMS. ni 34*) Wortspiel mit Mche^.
AUS DEM
HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN,
Die von KSckröder Germ. 17,28 — 39 herausgegebenen bruch-
ifüdce des Gregor, die bei Goedeke i* 93 irrtümlich nach Colmar
versei%i werden, bedürfen einiger berichtigungen. icA gebe eine voll-
ständig nachcollation:
1507 oder lieze Did^ 1524 mir mir mio 1530 sinen
wolle 1535 zvivelen 1549 me aio ich 1565 sehen 1617
gelich^ I missitat 1627 alle tinte ist in dieser gegend abgewischt*
aber es ist deutlich, dass blofs h^-e, nicht miD stand, es folgt un-
mittelbar joch^ dann eher mine als minir, dann girde noch merre«
jedesfaUs ist -erre sicher. 1643 schief 1645 Schire l&gent
1667 kvrzen 1688 wnd'er 1701 möfzic 1707 vrlvgis
2105 hatde 2111 f&Ddenliche sache (das f ist ganz sicher)
2115 mfit' 2128 tauele 2134 er dar lachende 2144 und 2158
ivDcfrowe 2149 vile 2154 hatde iz die magit 2166 oder mochte
2168 tr^ric 2173 enhan 2180 gute 2181 getegitis 2182
segelis 2184 daz 2187 dfiz 2190 was mac 2191 vch
2195 genvme 2206 schit 2209 hvte 2215 higan 2219
brvsten 2232 sp^ch 2236 gesvnt 2248 Seh 2249 Nil want
2252 hören 2253 dö 2260 ad' 2263 wol zv 2267 ob sin'
zu lesen ist, ist nicht deutlich, das abkürzungszeichen scheint aber
siAer zu stehn, smerze scheint mir nicht zu stehn, swere e/a-
gegen möglich, zweifelhaft, ob zwischen swere und iender noch
ein punct anzunehmen ist 2270 vn sie ime beneme mohte
2273 zvge.
II.
2 blätter einer pergamenthandschrift des 14 jhs», 28 cm hoch,
22 cm breit, 50 Zeilen auf der spalte, enthaltend Bruder Phi^
lipps Marienleben t?. 5030 — 5429. ich lasse die bemerkens-
werten lesarten folgen:
5030 Sin nas waz auch 33 iebse 41 hewflein 55 in
schöner prait 69 — 72 Daz waz gar an pein Sein füzze vnd sein
hende M. zuhten er daz wende Daz . . alle die lobes iahen
77 mandel Irüch (: rokch) 78 siten (: Zeiten) 80 anfang von
118 FRANCK
l'b dhaineD scbuech phlagen er ze tragen 81 Vod seinen
chintleichen. darnach rote Überschrift Von der sAzzen sprach
87 f auch die er chunde Sey beschaiden alle wol 5101 Got vnd
schepher alles dester ist 8 von anegenge 9 Vnd ich gewinne
auch nimm^ ende 17 gewalticleich 22 gehaizzen ist
29 beginn von Vs 47 welcher sache not 48 wie text
60 iechen (: geschehen) 65 erlose von der tyefels crunne
(trünne? : chunne) 76 dinch dew suntleich 79 anfang von
l^b 86 — 88 Jesus sprach do von der valant An mir hat dhain
phant Je doch wil er verraten mich 90 Dar zo hat er beraitet
sich (: geleich) 92 Süllen ffigen 93 bring 303 da von ist
mein herz zebrochen 6 sprach ratne mfiter 7 warnen 8 Die
heiligen scbrift muesz 11 nicht sware 12 gedenches von der
red 15 In dem tempel sprach do rtt d!r 17 durch dem (oder
dein) hHczen 21 mein laid muezz ich sere chlagen 29 beginn
von 2'a ertötet (:vVaetet) 30 mein' sei (: cheln) 32—33
fehlen 34 Do chumt 37 — 39 Vnd hilft in von irn beinen
Sus wirt der tyefel hd Vff mit dem gewalt wsent er mein sei
An sich haben gezogen Dar an wirt er betrogen 42 — 43 ze
stören : fflrent 44 Vnd machent si vor dem tiefel 47 Aber
ich trawrich worn bin 48 So ich bor nennen deinen töd
49 Daz ist meines hertzen not 50 ganz rote initiale 62 Maria
73 grozz (70 so grozzen) 79 beginn von 2'b warden; diese
form öfter 84 sprach lieber herre mein 95 chind meins
300 — 301 Die sullen ern vnd trösten dich Vnd dir dienen alle
geleich 303 Alles trostes ich mich ab tun 6 sprach ia sende
8 trost satzehant 21 vil grozzew vrevd inne schawen 27 an-
fang von 2^a 32 Lange 36 nicht ganz deutlich, am ehesten
eruollen (: willen) 40 die meschait 45 den ewigen Ion (: ge-
tan) 47 Da 48 Solt immer ewichleich 52 Du solt sei wol
bewarn 53 sol von hinne vam 54 Vnd wil 59 Mit allen
vleiz ich ir hüte damoA rote ilbersehrift Daz Jesus die
christenhait an hAb 65 sand 67 zu dem wazzer nach 5371
rote Überschrift Daz Jesus an hueb ze predigen 74 — 76 Zwelf
iunger die wil schreiben alle mit nam Daz waz pet's v and*as
82 Sand 93 geben Wirtschaft 96 brawtlust 99 prawtlust
404 Vor den gesten wein ze ran 22 Jesus gab dar über den
«egen (ohne sin) 23 Daz wazzer ward al do ze wein 27 Vnd
iiie« alle sie trinchen (: scheuchen).
ADS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 119
III.
Zwei bldtter uni em halbes blatt einer pergamenthandschrift
des 13 — 14 jks., 35 em A^ft, 23 cm breit, in zwei spalten zu je
40 %eäeH gesehrieben, das durdisckmttene blatt enthält je eine
gamxe spalte van jeder seäe, auf dem einen blatt steht Recessus
Haosae Asoj 1597 Domioica post Trinilatis. aus dem Veter-
buch, das 1 blatt beginnt mit Franke o. 241. Aolbonius hat
eine rot uni blam verzierte initiale; auf dem mittdraum zwischen
den beiden spalten steht vö seote aotoDio und am runde in roter
sdurift die scUussoerse der einleitung Jhesu getruwer leitesman
Wä ich iz durch dich wil grifeo an. das blatt reicht bis 401.
wenn die einleitung gegen Frankes text nickt gdcArzt war, um-
foMste sie 6 spalten, es giengen also wel in der hs» 2 blätter
voran, und der text begann erst auf der rückseite des ersten, das
2 blatt war jedesfalls durch ein doppelblatt vom ersten getrennt,
sein text hat noch 30 verse von dem mü Der goles degen ge-
truwe (Franke 8ßS) beginnenden absatze, das blatt, von dem nur
die hdlfte erhalten ist, lag später, gegen den schluss enthält es
die verse
swer sich durch got hat gegeben
\u ein gehorsamez leben
VD doch wil ie die vrunt besehen (vgl. Franke 1829/f).
I?. Diaticha Catonis.
Ein zerrissenes pergamentbkUt , das jedesfalls ein doppelblatt
war, das äufserste einer läge, und dann nur einspaltig beschrie-
bene Seiten hatte, es enthält, zum teil sehr unsicher lesbar, reste
einer niederrheinischen version, die mit dem von Zarncke Der
deutsche Cato s.]60lf verzeichneten nd, texte übereinstimmt, vgl.
dazu auch Beets De Dist. Catonis in het middelnederl. 95 oben.
Das lat. war im manuscript rot geschrieben, im folgenden
ist unsicheres cursiv gesetzt.
1.
C
De sich msheit wail versan
Inde wais zu rome in eren gewis.
1 VOM der oberUen %9ile noch das heruntergezogenB G von Gat4i
sichtbar. 2 hinter wis ein loch.
120 FRANCK
Men du he sach der weyrelt bloss
5 Van duchden, seyden inde züchten,
Du begunde he sere suchten
Vm eynen sun, den hadde he du.
Den larde he inde sprach also.
Cum animadverterem quam plurimos homines
grauiter errare in uia morum
Eyn dencken mir zu herzen quam,
10 Da van ich in den moide vernam
Dat veil der lüde ir zyt verquisten,
Dey guder seyden neyt en wisten.
Succurrendum et consulendum eorum memo>
rie fore existimaui maxime ut gloriose vi-
uerent et honorem contingerent.
Du dacht ich doch an minen müit
Dat in zo helpen weir gftit,
15 So man in ge&e g&de lere,
Da mit si mochten crigen ere.
Nunc te fili carissime docebo quo pacto mo-
res . . . tui componas.
0 alre leifste sun min,
Nv wil ich dir eyn lere sin,
Wey du süyls (?) din leyuen maissen
20 Inde z& gftden dftchden saissen.
Igitur precepta mea legito ut intelligas ....
enim et non intelligere negligere est.
Lis dicke sftn inde ouch verstaut
Wat di bekant
2.
Du zu • . . taus
Dat d& geit in den büdel hais.
Wat boüh^ sallu ouch gelden,
So in darf man dich neit drugener scheiden.
Cum bonis ambula. Saluta libenter.
5 Sun du Salt wandelen da du weis
Gude Iftde^ dat is min geheis,
2, 1 hinter zu ein loch im pergament, 2 gelt scheint nicht zu
stehn, 3 vieüeiehJt wat du koifs?
AUS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 121
Inde alle I&de gerne grftissen,
So mach dir gude aotwerde gemftissen.
Ad coDsilium ne accesseris antequam voceris.
Sud, mirke vort dey lere myn:
10 Wa dey lüde zu sameue syo,
Neil in gancch in eren rait,
E man dich geiüfen hait.
Hundus esto. Verecundiam serua.
Du Salt kuysch syn inde reine
Mit denken, worden inde in werck gemeyne
15 Inde alle zyt halden schamelheit«
Hey leift der werelde we dat deyt.
Haiori cede. Minorem ne contempseris.
Sun, du Salt al zyt deme groissen
Wichen me dan dime genoissen
Inde den cleynen neit versmain,
20 So machtu lof der l&de hayn.
Faroiliam cura. Rem tuam custodi.
Sun, sorge ir&r dey deiner din,
Vp dat si dir getruwe syn.
Dine haue saltu wyslichen halden,
So in dartu neit in sorgen alden.
Conuiuia raro. Vino te tempora.
25 Wirtschaf zu dicke s[altu] laissen
3.
Wes du ane
Macht dat in saltu neit ...
Id haent dicke lüde ge . . .
Den gftden luden wail ....
Quod tibi suspectum est con
Namque solent prtmo que
5 Wuchs dinchs dft wairheit . . .
Des ganch snel us dac2 . . .
Want wat man leist in z . . .
Des mach man na maits ....
Quin te detineat veneris
indulgere gule noli que v
2, 25 hinter s des ergänzten saltu loch im pergamenl.
3, 1 die seile oben abgeschnitten.
122 FRANCK
SuD^ is dat dir vokiiische [minne]
10 Hait beklummen dine sione,
Sud, so saltu halden maissen
An aoer drancke inde ouer a[i88e]
Cum tibi proponas animalia cuoc . . .
Vnum precipio hominem plus ....
Bistu von 8yDB€Df sün, so cley[u],
Dat du ?ürtes alle dir geme[yD},
15 So ffLrte den rainschen vore [al],
Den man zu rechte vilr([en sal].
Cum tibi preualide f
Fac sapias situ poter
Sun haistu starke m . . .
Dey dir nature hait ge . . .
Bis in dinre starcheit w[ys?],
20 So wilt man dat du mecht[ich sys?].
Auxilium a notis petito qu
Nee quisquam melior medic
Bistu mit arbeide grois bea . . .
4.
fuge nomen auari
sint si pauper habundas.
•. . . . guit erspart
dins bedart
bistu riebe bekant
arch inde vreeh genant.
.... ruare velis dum vivis honestam
que sunt mala gaudia vite.
5 ferstain
eihie hayn
die gering
t böser duing$
noli ridere senectam
sene sensus puerilis in ilio est.
.... hailt dit gebot
10 ... . alden geynen spot
.... echt den wiseu kint
.... sinnen blint.
ADS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 123
Dam cum subito fortuua recedit
.... que hominis non deserit vnquam.
iMMii deutschen nkkts eieker zu hsen.
. . . acite quod quisque loquatur
. . . mores celat et indicat idem
hey in dort
de wort
den deil der munt
20 werden kunt.
V. 'Vom andern land'.
Das folgende gedieht steht, in schrift aus dem 15 jh,, auf
emem wolerhaltenen zweispaltigen pergamentblatt, das von anfang
an ein einxüblatt gewesen zu sein scheint,
Äufser dieser version A kenne ich vier andre : B bei Meusd
Hist.'litter.'bibliogr. magazin 7, 166/f noA einem Meininger nui-
nuscript von 1477. nach derselben hs. vemeuhochdeutscht mit aus-
lassung von 11 Strophen in Des knaben wunderhom iii \82ff;
auch übernommen bei Erlach Die Volkslieder der Deutsehen ii 599 /f.
€ bei Mone Quellen und forschungen i 126/f nach einem manu-
saripe, das Mone ins ende des H jhs. setzt, und das die inschrift
trägt : über monasterii beati Antonii in Albergben, canonicorum
regularium, datus a venerabili domino Hinrico Maibiae, vicario
in Wersloei. D aus einer Oxforder hs. des \h jhs. veröffentlicht
c4m Kalff Tydsehrift voor ndl. taal- en letterkunde 4, iSSff.
dazu 5,90/* und Priebseh Deutsche hss. in England s. 151Jf; vgl.
320 /f. E nach einer von Mantels Zs. d. ver. f. lübeckische gesch.
2, 528 /f veröffentlichten hs. der stadtbibl. zu Lübeck bei Oesterky
Niederd. dichtung im mittelalter 61)f. über den von Steinmeyer
Anz. vfi 172 erwähnten text in einer Danziger hs. weifs ich nidus
näheres.
Das verwantsehaftsverhältnis dieser texte untereinander ergibt
sich schon ziemliA klar aus dem Strophenbestand. A stehn B und
C nahe, in B feUt str. 4; 25 steht hinter 26; es hat je eine
Strophe mehr hinter 11. 16. 17 und 20. str. 36 findet sich allein
in A und B. C hat dieselben Strophen mehr wie B, es fehlen 23
und 36. recht stark weichen D und E ab; es fMen viele Strophen^
vereinzelt sind sie auch anders geordnet, und zwar stimmen beide
^ petzt in Brüssel Bibl. roy. 19575; vgl. Borchling Mnd. hss. 1 270. B.]
124 FRANCK
unter einander in dieser beziehung zum grofsen teil überein, von
den plusstrophen teilen beide die hinter 16, D die hinter 20 und
E die hinter 17 mit B und C. weitere plusstrophen hat noch eine
jede für sich, besonders E.
Eine ganze reihe stärkerer Verschiedenheiten in einzelnen les-
arten schliefst DE gegen die gruppe ABC ab; so 1, 1. 1, 3 — I>
las wie E; weitere abweichung unter einfluss von 3,3 — . 3,3.
4, 1—3. 5, 2. 6, 1—2. 6, 3. 10, 1—2. 13, 1 (B fehU). 13, 2
(B fehU). 20, 1. 20,3 — 4. 26,3. 27, 1. 27,2, 27,3. 28, 1
(E fehlt), 30, 1 — 4 — in 3 stand die gemeinsame vorläge von
DE dem ursprünglichen vielleicht noch näher — . 33^ 3 (E fehlt).
34, 1—4.
29, 2 dürften ABC auf einem gemeinsamen, allerdings nahe
liegenden fehler beruhen, ursprünglich lautete es etwa wy e»
wizzeo (oder wizzens) nihi, dals uose pyn (oder dat doet uns
pyn). E hat dann anders geändert.
In der gruppe DE steht D noch näher beim ursprünglichen
4, 3. 6, 3 (?). 13, 4. 27, 4; dagegen E 4, 1. 29, 3 (auch 4).
In der andern gruppe stimmt in bemerkenswerter weise A mit'
B. 11,3 daden ^e^en doen; 17,3 gerant gegen to hant (DE
fehlen); 21,4 seer swaer fehlt; 34,3 — 4 (B Und blibe doch
vmnier voser vorslaod, Als wir faro dahen in daz ander lant;
C und bliven unser underslant^ als wy komen int ander lant);.
35 , 3 — 4 (B Vnd behüte vns vor dem hoste (I) viant Daz wir
nit komen in daz hellische laut; C ende behoeden ons vor der
vianden hant (hant)^ dat wi niht en komen in der helle baut).
A und C stehn sich näher 1, 4 (C thuet; B bringe) und IQ, 2
mit dem übereinstimmenden fehler van für wan; femer 15, 4.
21, 3. 25, 1. 30, 1. 30, 2-3. auffällig ist 18, 3, wo die falsche
lesart von B Oder eyn uuwe kyste bekannt beweisen dürfte, dass
auch in der vorläge von A das in C stehnde nouwe (of nouwe
ene bloten kysten sonder gewant) noch ähnlich vorhanden gewesen
sein muss. B stimmt mit C auch 16, 1; sieh lesarten. wenn C
6, 4 in brenget mit E bringhet (D list anders) gegen sleyft von
AB stimmt, so ist das wol zufall.
Öfters hat B auf eigene hand geändert, so 5, 3. 7, 1. 11, 1.
18, 2. 18, 4. 32, 2 (?). eine {beabsichtigte?) änderung von C ist
sorghen 8, 1 für scorgen, von A 27, 1, wo alle andern das ad-
jectivum krumm haben.
ADS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 125
Nach diesem tatbestand dürften von den in A fehlenden
siropken dem ursprünglichen gedidUe angehört haben 11' (m B
und C) », 16' (BCDE)2, 17» (C und E)3, 20' (BCD)*, wogegen die
sonst nirgends vorkommende Strophe 23 von A oder seiner vorläge
xu^esetsa sein wird, hier und in Strophe 9. 11. 16. 21. 26. 32
utid 34 steht in unserm text dat ander lant, sonst stets eyn an-
der laot. offenbar war dat ander lant eine geläufige redensart,
^e B, D und E {in B mit ausnähme der ersten Strophe) überall
gegen den Wortlaut des ursprünglichen gedichts aufweisen^ während
auch in C daneben een noch oft stehn geblieben ist, ob die nur
in AB vorhandene schlussstrophe in C (und DE) ausgelassen wurde,
oder erst in einer gemeinsamen quelle von AB hinzukam, wird sich
ohne weiteres nicht entscheiden lassen.
Str. 14 {fehlt in D und E) ist Rome : schone gebunden,
^r. 11, 1 nemen : ontwenen (B hat geändert in Schemen; DE
fehlen), diese nicht ganz genauen reime müssen wir dem original
suschreiben. wenn also 10, 1 A krygen : liggen, B erkrygen : lygen,
* sie lautet in G:
gheen schände of schade saltu klaffen
van monken, «nunnen ende van pafTen;
se syn godes schal ende edele prysant;
se geven rede in dat ander lant.
• in C : wy gaen, als de hyr vor waren
starck, wys, rike, schone, jonck van jaren.
woe man se noemet of weren ghenant«
se syn al vort in een ander lant.
V. 1 gaen ouer hem, die lüde waren D, gen over se de ok lüde vereii
E; ursprünglich gaen over, als? v, 3 abel notabel wys ende becant D,
se menden van kranckheit syn ongeschantt £ v. 4 vor B, voer D, doch
al gevaren E.
' in C: alse god wil hebben rekenynghe
van onser tyd ende van allen dynghe;
wes wy van gode dan werden bekant,
daer nae gheet id uns in dat ander lant.
r. 3 — 4 so moten beven alle ofßciant, wente wy jo moten in dat
ander lant E.
* in C: 0 siele, o siele, geystelike creature,
god schoep dy na synes selves figure.
wat da heft gheseyt of gheplant,
dat nimpstu mit in dat ander lant.
V. 3— 4 In den lichaem heet gheplant Daer moet se ut ende int ari-
der lant D. V. 4 Daz saltu nemen B.
126 FRANCK
C abtr krigheo : bliveo reimtn (DE haben geändert) ^ so könnten
wir auch hier wol den consonantisch ungenauen reim von C für
den des Originals ansehen, da aber 18, 1 bei ABC krygen : ligen
widerkehrt (D wider geändert, E feUt), so isi auch der reim krlgen :
hgeü dem origmalzuztischreiben, dem femer gebaren (für geboren):
tzwareo angehört (D und E ändern), dien beiden reime beweioen
jedesfaUs, dass das gedieht nicht niederländischen, sondern deutschen,
und zwar mederrheinischen ur^rungs ist. nichts nötigt uns aus
dem gebiete der kölnischen litteratursprache herauszugehn, weder
die Vernachlässigung des lautlichen Unterschieds von ü und ü in
krude : lüde str. 7, von 6 und ö in Rome : schone str. 14, noch
der inf. benedidea : ziden str. 9 ii>gl Weinhold Mkd. gr.* § 189),
noch bescreven : leven str. 36 (bescreven 31, 1; hemelrych 35, 2),
noch auch gheplaat : lant str. 20* (vgl. Wahlenherg Die niederrh,
mda. und ihre verschi^mngsstufe s. 10 und 11). verwiesen sei
auch auf den gebrauch von klafTen (: paffen) str. 11* und auf die
form smachen 24, 2. bringen wir die paar unverschobenen formen
yc 7, 1.3, bloet 8, 4 und ungelyck 16, 1 — der fehler von B
vngelucke seheint merkwürdiger weise fast auf dieselbe form zu
weisen — in anschlag, die aus einem original mit zahlreicheren
unverschobenen formen stehn geblieben' sein könnten, so hätten wir
vielleicht möglichst nördlich, aber gewis nicht über Neufs hinaus
zu gehn. C ist also eine ziemlich getreue Übertragung in eine
plattdeutsche, wol dem nordwestl. Westfalen angehörige mda. ganz
nahe dem original standen offenbar die vorläge von A und von
B, welches letztere auA noA die niederrheinische färbung wahrt,
auf nd. gebiet wurde dann das rhein. gedieht stärker überarbeitet,
zum teil wol auch der spräche wegen, aus dieser bearbeitung
stammt das für die novizen eines nonnenklosters (oder für schule-
rinnen?) — 5, 2 wy sint tomale docbtere van asschen; 16, 1 al
siDt wy junghe lüde van jaren — znrecht gemachte E und D,
dessen original wol im Bremer gebiet entstanden ist; vgl die
21 Strophe bei Kalff. auch die in diesem text vorliegende um--
Schrift in eine local gefärbte nl. Schriftsprache verläugnet den platt-
deutschen Ursprung nichi ganz {rein plaUdeutsch ist 12, 4 hier
mede ward ik sent iot ander lant) und gehört jedesfalls ins rechts-
rheinische gebiet des niederländischen, das 'friesische Marienlied'
(s. Zs. 37, 240) dürfte also würklich auf altfriesischem boden ge-
schrieben sein.
AOS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 127
1. Et yn ys neit alwege vastauent;
Der doel der kompt eod brenget deo auent
Ende bynt tos myt eyme so vasteo bant,
Dat he vns trecket yn eyn ander lanU
2. Ouch eyo ys neit alwege i»ey;
Wyr moissen daussen an den rey,
Da Tns dat meyen wyrt yntwant,
Ind syngen voirt na eyn ander lanU
3. Alwege yn mögen wyr hyr neit blyuen,
Der doet wylt vns van hynne driuen
Noch schyr morn ofT altzo hant.
Got der weis yt; wyr moessen yn eyn ander lant.
4. Wyr hoffen alle tzyt lange tzo leuen
Ende begeren dat yt vns gae euen.
Also bleuen wyr gerne an dussen kant
Tzwair neynl wyr moessen yn eyn ander lant
5. Wie scone wyr vns tzieren ofte weschen,
Wyr synt alle eyrst comen van eschen.
Dat eyrste pair Volkes dat men vant
De synt och vort yn eyn ander lant.
6. Ocb, wat ys soessers dan dat leuen I
Wyr moissen steruen ynd allet begheuen:
Der doet der kumpt sunder wedderstant
Ende sleyft vns yn eyn ander lant.
7. Ich wach, yc brech, yc heue, yc krude
Vmb goer, dat ys doch ander lüde.
Yc was ouch hyr, do yck yt vant;
Ich laissent hyr end varen yn eyn ander lant.
8. Ich gaen hyr scheren ynd scorgen
Vmb goef, off ych mych solde erworgen.
Got en bait mych daer vmb neyt her gesant,
Want naket ind bloet varen ych yn eyn ander lant.
9. Ich solde byr got tzo allen tzyden
Louen daucken ind benediden;
Dat were myn schylt, min mure, myn want
lesarten der andern texte werden nur aus beeonderm anläse ge-
geben. 2, 4 So MDgen wir fort in das B, unde singea voert in een G;
die atrophe fehlt DE. 9, 3 wer myn schylt ond mya gewaat B, were
myn mure (ende) myn want G; in DE fehlt die strophe.
128 FRANCR
Voir Sathanas in dat ander lant.
10. Her gyr, her gyr, wat moecht yr krigen?
It mois doch allet hyr blyuen lyggen.
Myt vns moest yr vnder den sant
Ind varen hyn yn eyn ander lant.
11. Niemantz goet ofT eere to nemen,
Vrunt, des salstu dych yntwennen.
De dat daden, de worden geschant
AI hyr ynd ouch yn dat ander lant.
ir sieh oben s. 125.
12. Wair ys Karl, Hector myt Allexander,
Julius, Artes ynd mannych ander,
Rytter, knecht ind mannych scharyant?
War anders dan yn eyn ander lant?
13. Pais, keyser, hertzogen ynd greuen,
Geistlich, werentlich, nichten ind neuen:
Dysser ys mannyger voer gesant,
Sunder wedderkeren, yn eyn ander lant.
14. Were enych keyser van Rome
So wert, so edel ynd so schone
Als eyn karbunkel off dyamant,
Hy mois dannoch yn eyn ander lant.
15. Yr aduocaten, yr officialen,
Rychter, scheden altzomalen^
ir bleuet gerne hyr^ hed yrs hant;
Auer neynl yr moest yn eyn ander lant.
16. AI synt wyr hyr vngelyck van jaren,
It ys myslich, wan wy van hynnen varen.
Alt, jonck, starck ofT wal bewant,
Wyr moessen al yn dat ander lant.
16* sieh oben s, 125.
17. Der dach der mach tzom auende kamen,
Ti sy tzo schaden o(T tzo vramen,
13, 3 voer CD, vore E, oer A. 15, 1 Yr aduocaten vnd yr officiale
B, gy advocateQy gy officiale G, Yr officialen yr aduocaten A; in den
übrigen fehlt die strophe, 15,3 hant auch in BG. 16,1 Wol hen
vngelucke B, wal hen al syn wy öngelic G, AI synt wy jonghelic D, AI
synt wy junghe lüde £; wal hen ist offenbar ursprünglich, 16,2 van
wy van hynne (henne) AG, wan wir van hynen B, wen my van henne E,
wie voer sal D. 17, 1 mach] mot E.
ADS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 129
Na dem leuen kompt der doet gerant
Ind driuet ?08 yo eyn ander labt.
17' 9ieh oben s. 125.
18. As wyr syot doet wyr magen (I) krygen
Eyn alt lachen, da wyr yn lygen,
Off eyn bloisse kiste sunder gewant.
Das varen wyr arm yn eyn ander lant.
19. Och wat geselschaff vynden wy dairl
Kraden, slangen, wormen ?oirwair.
Eyn kalt graff ys vnse bedde altiohant.
Alsus sent men vns yn eyn ander lant.
20. Wyr werden alle naket gebaeren;
Geyn eygen goet yn haynt wyr tzwaren
Dan vnse siele, de ys eyn vnderpant;
Ir wercke vynt sy yn eyn ander lant.
20* sieh oben 8. 125.
21. So wat der lycham haet mesdaen^
De seyle yn mach des neyt yntgaen,
Se moys lyden pynen off den brant
Hyr nae al yn dat ander lant.
22. Och lieue mynsche, verstaut wal dat:
Wyr yn wyssen hyr geyn blyiiende stat.
Stunde alle de werlt an vns bewant,
Wyr moessen tzom lesten yn eyn ander lant.
23. Got halt vns vnse tzyt gegeuen,
Dair wy neyt mögen ouer leuen.
AI synt wyr nu slarck izo haut,
Doch moissen wy balde yn dat ander lant.
24. Vns yn hylfet kruyt noch wyn,
Wyr moissen smachen des dodes pyo,
Dae Lucifer eirst den vont äff vant;
Des moist he sceyden van den hilligen lant.
25. Intgayn den doet eyn ys geyn raet
Dan wal tzo doen ynd bissen dat quait.
Der doet yn wylt borge noch pant;
Wyr moissen vmmer yn eyn ander lant.
26. Dat beste dat ych mych kan versynnen
18y 1 mogea B, moghen G; D geändert, in E fehU die ttrophe,
20y 4 werck B, werke G ; DE haben geändert,
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXll. 9
130 FRANCK .: :::: i .
Dat ys got vorten ynd altzyt myanen.
Dat sal &yD vnser sieleo gewagt;
So vareo wyr sycher yn dat äoder lant.
27. Als wy werdeo alt, kranck ynd vos krummen^
So were yt tzyt dat wyr besegen vmme;
Als VDS vatfellet der lecker tzant,
So wyllea wyr balde yn eyn aoder lanL
28. Geduldkbeyt were rechte boiesse,
Tzo Jyden wat men lyden moesse,
Als der doet brycbt des leuens baot
Vod voert vns yn eyn ander lant.
29. Ocb got, wie sal vnse leytzman syn?
Wyr yn wyssen neit dan vnse pyn.
Der wech ys veer ynd vnbekant,
Dae wyr hynnen varen yn eyn ander lant.
30. Och lieue vrunt, bedencke den grünt:
We snel, we kortz de doet tzer slunt
Nympt den roynschen van dyssen bant
Ind voert yn hen yn eyn ander lantl
31. Na dem as men bescreuen vynt
So ys vnse leuei^ als eyn wynt.
De. der flueget ouer den sant:
So snel varen wyr yn eyn ander lant.
32. Och, dat ych ye wart gebaerenl
Dat ych myne ionge tzyt bayn verloerenl
Doch, here, myn siele setze ych yn dyn bant,
Als ych sal varen yn dat ander lant.
. <33. Wyr wyllen vmmer des besten hoffen
Die gpitz genaide steyt altzyt offen.
We wal vns got hait beer gesant.
Doch moissen wyr yn. eyn ander lant
26, 3'aticA'B und C giewänt; DE ändern den vers, 21 y 1 ynd
krum B, unde krum G, ende trom D, unde krumme E 27,2 sehen B,
seggen G, sien D, se^ E. 28,1 rechte boysse: moste G, gerechte bflsz:
mAsz B 28, 1 — 2 Verduldicheit waer ons dan^ guet Als wy emmer
Sternen moten D; in E fehlt die ttrophe. 29,2 Wir enwissen nit von
vnser pyn B, wy en weten nicht, dat onse pyn G, Ic weet des niet, des
doet roy pyn D; Bistu des nicht, so lyde wy pyn E 30,3 m^^chen A
bant aüeh in C; Wie. snel wie kortz ist des todes st&nt. Er drybet vns
von diesem kant B ; D Mtnd £ ändern abweichend von einander: .
ADS DEM HISTORISCHEN ARCHIV DER STADT KÖLN 131
34. Byddea wyr Marien de ionfrou fyn,
Dat sy vnse troesterynoe wyl syn
lod blyueo doch vmmer vnse vurstant,
As wyr varen yn dat ander lant.
35. Vose here Jbesus der wyl vns geuen
Int hemelrych syn ewych leuen
Ind beboeden vns voir den boesen vyant,
Dat wy neyt in komen yn dat belsche lant.
36. Dat ys vys, yn bayns neit me bescreuen.
Got de brenge vns yn dat ewyge leuen^
Dat wyr dair moissen werden bekant
Myt allen hylligen yn dat bemelscbe lanll
Amen.
35, 3 boese A 36, 2 Got der wyse vns B 36, 4 hemlche A
Bodo. JOH. FRANCK.
ALTSÄCHSISCHE WORTERKLÄRUNGEN L
atela.
In dem Merseburger cod. 42 findet sich niatela attedun als
glosse zu non ab re putauimus, s. Kleinere altsächsische sprach-
denkmäler, herausgegeben von Wadstein (im folgenden als KAS
citiert) s. 71,3 und Gall^e Altsächsische Sprachdenkmäler, facsimile-
sammluog x^ Gall^e fasst aao. 241 niatela als 6in wort auf. da
ein derartiges, hier passendes wort nicht bekannt ist, dürfte fol-
gende auffassung dieser stelle vorzuziehen sein, meiner an-
siebt nach sind hier, wie auch sonst in der hs. (zb. tithenthingun
— ti ihm thingun KAS 70, 7, alleramest — altera mest 70, 17—18),
zwei Wörter zusammengeschrieben worden und niatela ist ni atela
zu lesen, ni entspricht dem lat. it^^ft uqd atela dem lat. ab re.
aiela erklär ich aus ä'telo. wegen -a statt der adverbiellen en-
dung -o sind unteUica aus unteUtko, atistondanlica aus anstandan-
tiko in derselben hs., KAS 70, 1,9, zu .vergleichen, dieses ä-/elo
ist eine Zusammensetzung von dem negativen präfix ä- *un-' (zb.
in abd. ä-teili 'unteilhaftig', anfr. ä-wiggi 'unwegsamer ort', ags.
i'ScSre 'ungeschoren') und 'telo «= ags. tela 'passend, usw/
(vgl. aifch got. ga-tib 'passend'), ä-telo hat also dieselbe bedeu-
tong wie ags. un-tela 'unpassend usw.' ni atela attedun ist folg-
lich zu übertragen : 'wir hielten nicht für unpassend^
9*
132 WADSTEIN
uDangemessen*, was ja ganz zu dem lat. non ab re putaui-
mus stimmt.
biseffe.
Unter den Merseburger glossen steht s. 121^* der hs. (KAS
72, 4) neben der zeile constüuat qui ei stipendia das wort biseffe.
der Zusammenhang ist der folgende : ^Debet procurare praelatus
ut fratribus cellerarium . . . conslituat qui et stipendia fratrum
fideliter seruet et diligenti cura administret'.
Nach Gall6e Altsächs. sprachdenkm. 237 würde biseffe aus
HiseSje entstanden sein, diese auflassung ist nicht möglich , da
ein Übergang 8;>>/f ganz unerwiesen ist. biseffe dürfte vielmehr
ganz einfach zu mndl. biseffen^ mhd. beseben 'wahrnehmen, be-
merken' zu stellen sein, dass hier -ff- statt -M- steht, ist mit
der form afheffian Heliand Gott. 4324 statt des gewöhnlichen
aßebbian zu vergleichen, biseffe ist 2 sing, imperat. und be-
deutet also *merkl' es ist dies keine Übersetzung eines wortes
des handschrifttextes; der schreiber hat sich die stelle nur ge-
merkt, weil ihm der inlialt besonders gut gefallen hat.
drembil.
In der Prudentiushs. cod. Duss. f. 1 steht s.36^^ (RAS 93, 33)
togas : thrembilos und 8,62**" (KAS 101, 15) tage (dat.) ; drem-
bila, Schlüter hält jn seiner verdienstlichen darstellung der
altsächs. lautlehre in Dieters Laut- und formenlehre der altgerm.
dialckte s. 271 die Schreibung drembila für uncorrect, indem er
meint, dass hier d- statt ^A- stehe, meines erachtens dürfte in-
dessen drembila ganz richtig sein, thrembilos dagegen statt drem-
bilos stehn.
Es ist nämlich zu bemerken, dass eben in unsrer hs. ganz
sichre fälle von th- statt et- vorkommen, s. 29*^ (RAS 93, 17)
steht subfundere fumo : bithempan statt bidempan (vgl. engl.,
ndl., mnd. damp, aschw. damb 'dampf usw.) und s. 59^^ (RAS
98, 34) uaparat : t hörn da statt dömda (vgl. got. dauns 'dunst,
geruch', lit. dimai usw.) i, folglich ist von vorn herein garnicht
ausgemacht, dass von den Schreibungen thrembil- und drembil-
die erstere die correcte sei.
^ ob vielteicht auch io thrüfön : corimhos io derselben hs» s. 52^'
(RAS 95, 6) tk' statt d- sieht, bleibt unsicher, jedesfalls beweist die scbrei-
buog mit ih- also nicht, dass dieses wort urgerm. f- hat, wie vFriesen Om
de germiiiska mediageminatorna s. 88 glaubL
ALTSÄCHSISCHE WORTERKLÄRUNGEN 133
Für aDlautendes d- spricht zunächst die althochdeutsche form
des Wortes : tremM (das 'trabea^ toga, pallium' übersetzt wird).
den entscheideDden beweis für die ursprüoglichkeit des d- dürfie
aber das islandische liefern.
Das hier fragliche wort gehört nämlich ofTenbar mit isl.
ärmmb'hosw *art weite beinkleider' zusammen, ebenso wie asäcbs.
dremhil ahd. trembü nicht nur ein weites gewand ^toga') be-
zeichoen kann, sondern auch ein gewisses prächliges kleid,
Staatskleid ('trabea*), so bedeutet isl. dramb-homr auch ^court-
breeches' (Cleasby-Vigfusson s. v.); vgl. auch das einfache isl.
dramb : *pomp, arrogance\ .und norw. dramb 'pralilerei, Staat,
p rächt'.
Schaut man sich nach aufsergermanischen verwanten dieses
drawUh- um, findet sich vielleicht ein solcher im lit. drambäzius
^dickbauch, scbmerbauch' ; vgl. dass isl. dramb auch 'a roll of
Tat OD the neck of fat men' bezeichneu kann. lit. drambäzius
wird von Prellwitz Eu würterb. d. griech. spr. unter ^gofjßog
zu einer wurzel dhre(m)bho 'ballen, dick machen' gestellt, diese
ursprOogliche bedeutung passl auch gut zu den hier in frage
stebndeo germanischen würtern.
gethesuues.
Unter den Essener evangeliarglossen steht (?. KAS 57, 1 0
zu ^t in mente sua insidias habet canditas die glosse the the an
geihesuues lif radid. dieses gethesuues 'irgend eines' fehlt unter
deo indefiniten pronominibus der Altsächs. grammatik von Gall6e.
gethesuues ist offenbar mit ahd. etheswer 'jemand, irgend einer'
zusammenzustellen, es ist also zu den von Schlüter in Dieters
Laut- und formenlehre usw. s. 279 mitgeteilten formen mit ur-
geriD. // zu fügen, was ist aber das anfangende g-l zunächst
iigt es ja, dieses g^ aus ^e- zu erklären ; vgl. asäcbs. hwe : gi-hwe.
in diesem falle hat man es hier, wie auch in gnodor 'diligentius'
KAS 56, 31, mit einer in den altsächsischen grammatiken (Gall^e
Altsacbs. gramm. § 81, Schlüter aao. § 83, 9) übersehenen vocaU
losen form dieses präfixes zu tun^
* dagegen existiert kaum in altsächsischen Sprachdenkmälern die von
diesen gelehrten verzeichnete form ga- von dem fraglichen präfixe. gai-
kuuelhar in der Freckenhorster heberoUe (KAS 28, 16) ist wie geihuuetkar
(RAS 25,26) wahrscheinlich aus io-gi-hwethar entstanden, von gascöpun
sagt Gall^ selbst, dass es nicht sicher ist. ich konnte diese form in der
ha. garnicbt unterscheiden (s. KAS s. 71 note 3).
134 WADSTEIN
Eine andre mOglicIikeit wäre, getheguues aus io-ethes-hwes zu
erklären (über g- statt t- s. Gall6e Altsächs. gramm. § 94, Schlüter
aao. § 159 in 4). dies ist aber deshalb weniger wahrscheinlich,
weil in den Essener glossen to in altsächsischen Wörtern als ta
^aufzutreten pflegt; (die form farliesan 51,11 ist eine correctur
und nieht 53, 27 ist hochd.).
*hrttian.
In der Prudentiushs. cod. Duss. f. 1 findet man (KAS 96,8)
hritdnthion crämpon als glosse zu ungtUis scribetUibus^ und
exarabant (aao. 96, 10) wird rittun glossiert, ebenso weisen die
Essener glossen (aao. 60^2) ritta : scribebat auf.
Gall^e sagt in seiner Altsächs. grammatik § 130, dass in diesem
hrüdnthion 'kr fOr tor' stehe, durch diese (übrigens ganz will-
kürliche) annähme würden aber die zwei formen mit anlautendem
r- nicht erklärt werden; w- fällt bekanntlich im altsächsischen
und im niederdeutschen bis heute vor r nicht fort, man kann
sich auch nicht denken, dass das fehlen des lo- auf gedanken-
loser Übertragung von hochdeutschen glossen ins sächsische be-
ruhe, da formen ohne w- in zwei verschiedenen hss. belegt sind.
Diese drei glossen können also zu dem germ. tonr- ^schreiben'
nicht gehören, da in altsächs. denkmälern A- vor r- zuweilen
fehlt (vgl. zb. renän^a 'piaculi' KAS 97, 15, riuliko 49,22), können
die glossen dagegen sämtlich ein hrtlian voraussetzen, die länge
des wurzelvocals deutet die form hritdnthion an. nach langer
Wurzelsilbe kann nämlich in der hier fraglichen hs. t fehlen; vgl.
bithempan statt bidempian 'subfundere fumo' KAS 93, 17, lerdn-
thirv 'docenti' 96, 40, vvemmdnthi 'scaturiens' 96, 25 ^
Die existenz eines germ. hrit- 'reifscn, schreiben usw.' wird
auch durch mittelniederdeutsche, niederländische und schwedische
formen bestätigt, das mittelniederdeutsche hat ein ritm ^reifsen
usw.', das mittelniederländische ein ftten^ nndl. rijten ^zerreifsen
usw.', das schwedische rita * zeichnen, ritzen' und schwed. dial.
rita 'ritzen, schreiben', auch ^pflügen' (vgl. die altsächsische glosse
rittun ^exarabant'). in allen diesen sprachen bleibt to- vor r,
h f^llt dagegen in derselben Stellung fort, weshalb diese formen
nicht auf tori/-, aber sehr gut auf hfit- zurückgehn können.
^ indessen war es ja sehr möglich, dass hritdnthion zu einem starken
hrtian gehört hat. in diesem falle bleibt es ungewis, ob für die glossen
rliiun, ritta ein Infinitiv hritian oder hriltian anzusetzen ist.
. ALTSÄCHSISCHE WORTERKLiRUNGEN 135
Da in der fraglkhen Prudentiushs. eio A- im anlaut zuweilen
aorichüg geschrieben worden ist (zb. in hribtüngü ^normam' KAS
92,31, huai *nos' 92,36), könnte man ungewis sein, ob A- in
krÜdniUan wQrkiich berechtigt seL den beweis für die ursprOng-
lichkeit des A* liefern aber altschwedische runeninschriften*
bei Liljegren Ronorkunder nr 269 findet sich hriti runoR 'ritzte
die runen' und nr 158 Ift hrita stan Miefs den stein ritzen '%
Brate« der Antiqvarisk tidskrift för Sverige 10,39f über rtYa,
krüa in altschwedischen runeninschriften handelt, hält die Über-
setzung * zeichnen, ritzen' für unrichtig und setzt diese formen
gleidi isl. rata ^errichten', die formen mit hr- hat Brate aber
nicht erklären können; ^r sagt, dass sie fehlritzungen seiend
wenngleich Brate insofern gewis im recht ist, als runenschwed.
rüih wenn es als object ^stein' hat, wenigstens in den meisten
fallen ^errichten^ bedeutet, ist doch für das oben erwähnte
jbilrt runoR eine solche auffassung ganz unmöglich; das object
zeigt ja hier, dass ArtYt * ritzte' bedeutet^, da also ein aschw.
krüa ^ritzen' zweifelsohne existiert hat, ligt kein grund vor, hrita
in lii hrita stan Liljegren 158 anders denn als * ritzen* aufzu-
fassen, dass ^stein* in altschwedischen runeninschriften sicher
als object zu einem verbum ?on der bedeutung ^ritzen' auftreten
kann, geht zb. aus Liljegren 724 : Bali risti stan *B. (ein he-,
kannter runenritzer) ritzte den stein' (andre beispiele verzeichnet
Brate aao. s. 41) hervor.
Ein germ. Art/- 'reifsen, ritzen' wird auch durch got. dis-
dnrdtan^ -skritnan ^zerreifsen'^ Schweiz, schfissen, schreissen, bair.
sckritzen bestätigt, über den in germ. sknt- : hrtt- ^reifsen usw.'
vorliegenden Wechsel von indogerm. sk-'.k- s. Brugmann Grundriss
i' 725 und Noreen Urgerm. laut), s. 204.
metis.
Unter den Essener glossen steht KAS 60, 38 metis als glosse
zu facis {tt ipsum deum). Gall6e Allsächs. sprachdkm. s. 55 sagt
' TOD der form hrita io Ut hrita stan sagt Brate indessen aacb, dass
es TieUeicht ein *ä'rStta widergebeo könnte, was ich aber mit Bugge aao.
42 för nicht annehmbar halte. ^ auch in ikit riti stina *Egil r. die
steine' Liljegren 476 findet sich gewis ein {h)ritte * ritzte* (mit jüngerem,
laotgesetzlichem schwnnd des A-). dieses kann nämlich nicht <E. errichtete
die steine^ bedeuten, da es schon vorher in der inschrift angegeben wird,
welche personen die steine errichtet haben. Brate ist mit seiner auffassung
genötigt, auch hier eine fehlritzung {riti statt risti) anzunehmen.
136 WADSTEIN ALTSÄCHSISCHE WORTERKLÄRDMGEN
(s. fufsnote), dass hier mecis oder metis stehe, und zieht die
erstere form vor. ich las aber io der hs. ganz deutlich meiis,
die form gehurt zu metan, das hier (wie im ags., s. Grein u 234)
'wofür halten, scbäUen' bedeutet (vgl. auch isl. meia 'schätzen
usw/). facis te ipsum deum hat der glossator also als ^hältst dich
selbst für Gott' verstanden, was ja den sinn ganz gut widergibt,
wegen metis statt zu erwartendem müis sind ähnliche analogie-
formen in derselben hs. wie ginesid 'salvus erit' KAS 60, 5, uuer-
thid 'wird' 50, 15 zu vergleichen.
serieondi.
Die unter den Strafsburger glossen, KAS 107, 8, vorkommende
form scricondiy glosse zu garula (aüts), stellen Heyne Kl. and.
denkm.* s. 176 und Schade Altd. wb. s. 807, zu ahd. screcchön,
scricckm und übersetzen skrikon 'hüpfen*, dieses passt aber
garnicht zu dem lat. 'garrula'. scrieondi gehört vielmehr gewis
zu schwed.^ norw. skrika 'schreien', dän. skrige dass., isl. skrikja
'zwitschern', engl, shriek 'schreien, kreischen', ags. scric ein
vogel, schw. dial. en-skrika ein vogel : garrulus infaustus, norw.
skrikja ein vogel : garrulus. die wurzel skri 'schreien' ist also
in den germanischen sprachen sehr verbreitet, sodass Kluge Et.
wb., der (s. schrei) bierhergehOrige formen nur aus dem hoch-
deutschen kennt, gewis im recht ist, wenn er die wurzel für
zweifelsohne echt germ.' erklärt.
uuitharuuaid.
In dem Werdener Prudentiusfragment steht (KAS 105, 7)
uüithdruuaid als glosse zu restagnai. die Prudentiushs. cod. Duss.
f. 1 hat an der entsprechenden stelle (KAS 97, 16) vuühardvvdid.
hinsichtlich der letztern form ist indessen zu bemerken, dass
'üvdid auf rasur steht, und es beruht — da die form des
fragments ohne correctur geschrieben ist und mit den beiden
Schreibungen nicht gut verschiedene formen gemeint sein können
— offenbar nur auf einem versehen, dass das -d- bei dem ra-
dieren stebn geblieben ist.
Die form uuitharuuaid lässt sich aus uuitharuuägid erklären ;
ein g kann vor t geschwunden sein wie zb. in bacimäion 'lanci-
bus' in unsrer fraglichen Prudentiushs. KAS 93 , 2. dieses ver-
bum wägian gehört zu asächs. wüg^ ahd. wdg usw. 'woge, flut'
und bedeutet also 'wogen, fluten'. uuithar'Uua{g)id ist eine wort-
liche widergabe des laU re- 'wider' und -stagnat 'überflutet'.
Uppsila, juni 1899. ELIS WADSTEIN.
ZUR KUDRUN.
11, 4 bietet die hs. aUer hande vogelin. die neuero ausgaben
habeo die emendatioD diu v. aufgenommeD, doch ist wol der
Oberlieferung naher stehend alliu v. (s. 379, 3; Landegge vii 2^
HMS 1 354b; Tanhäoser iv31« HHSii87a; Winterstetien xl 1 f,
HMS I 169b; Lohengr. 3688 uaa.) zu schreiben, der zosatz
kande lässt sich dadurch erklaren, dass in der vorläge allev stand,
was der abscbreiber aller las und in folge dessen h. ergänzte
äholicfa wie 5,4 tage. Tgl. zur ganzen stelle Landegge xii 1
(HMS 1 357 a).
38, 2 zieh ich den bisherigen änderungen vor des (oder dö)
muosie man von der wilde den walt dar tragen, — walt =» holz
findet sich auch 104, 1, im jTit. 2169, 1 hous von starkem walde;
ebenso kommt in unsrer dichtuug tvilde vor (1142^4).
48, 1 schreiben die herausgeber mit recht höehgezit, welche
form, wie bereits Bartsch (Germ. 10,166) bemerkte, wol auch
sonst, wo das (Iberlieferte hochzeit zwei hebungen verlaugt, ein-
ZQseUen ist. dass HRied höehgezit beseitigte, ist nicht befremd-
lich, denn schon der Schreiber der Brixener Passionalhandschrift,
der ca. 100 jähre früher tätig war, nahm daran anstofs (s. WSB.
CT 50).
186, 1 ist under staube sicher lesefehler uud u. schilde (so
auch in der Nibelungenstr. 184) herzustellen.
221, 1 dürfte nach vür den nicht herren, sondern vürsten
ausgefallen sein.
228,4 sind die ergänzungen der herausgeber zwar sinn-
gemäfs, aber nicht derart, dass man daraus das versehen des ab-
scbreibers erklären kann, dies ist möglich, wenn wir swer immer
sichs vervdhet oder sw, s. des v. einsetzen (s. 1061,3 und wegen
immer 691, 4. 742,' 1. 770, 3).
281,3 kann ich mich mit der allgemein gebilligten emen-
dation mit strite solte erwerben, ob in des geschoehe not nicht be-
freunden, lautete die stelle so, dann hätte ein abscbreiber schwer-
lich daran geändert, ich lese mit auslassung eines Wortes dd man
da% magedin mite solte erwerben, ob in strites geschähe not. dass
ein gedankenloser copist dann nach mite (vorläge mit) das nach
seiner meinung fehlende Substantiv einfügte, lag sehr nahe, wie
denn derartige ergänzungen zu den gewöhnlichen erscheinungen
13S ZINGERLE
gehören, die zweisilbige Senkung im zweiten balbverse ist um
so weniger anstöfsig, als bei geschwhe synkope angenommen wer-
den darf«
294, If sind die bisherigen herstellungsversucbe^ besonders
was den mangelnden halbvers anlangt^ ziemlich unkritisch, dass
dieser einen teil der antwort Pruotes bildet, darauf weist das
folgende so, aber entschieden abzulehnen ist got bewar iuch immer
fiie (VoUm.), got müeze iuch hewam (Bartsch ^ Sym.), denn diese
häufige Wunschformel erscheint in der epischen dichtung nur
beim abschiede und bei wOrklicher oder befflrchteter gefabr ge-
braucht ^ so sagt 436 , 2 Wate vor der abfahrt zu Hagen got
müeze iuwer ire und iuch selben hie bewam. an unsrer stelle
ist sie also nicht passend, und auch dd was uns dicke u>4 (Ziem.,
Ettm.) klingt auf die frage des Stadtrichters, woher sie gekommen
seien ^ recht seltsam, hält man sich an die Oberlieferung von
wanne sy waren vber see dar gefaren, so kommen fQr den reim
des ersten verses gevam, s4 und dar in betracht. vam reimt
auch in der Kudrun (247. 436) mit bewam, aber damit oder
einem andern reimbildenden worte lässt sich kaum ein sinnge-
mäfser satz construieren, und dasselbe gilt von den in -i endigen-
den ausdrücken, von welchen mit se" gebunden sind wi (77. 116.
117. 287. 600. 748. 800. 897. 960. 967. 981. 1074. 1125.
1128. 1359), mi (757. 1027), erge (839), Alzab^ (673. 728),
und aufserdem im reim erscheinen e (subst. und adv.), galinS,
gi, kU, schrS, sne und einige Ortsnamen, für einzig brauchbar
eracht ich das im reime ziemlich häufig vorkommende dar {: ge*
var 173. 333, :sehar 507. 634. 777. 1412, :har 1006, : gar
1527, : gewar 152. 1510, : jdr 1090) und schlage vor (von)
^ 8. Nib. 449,2. 1366.4. 1448,4, BiU 795. 2264. 2654, Dletr. tL
2791, Virg. 895, 14 (i/ni), Wolfd. B 290, 2. 41 &, 3 — b v 4.1, 4» ApolL 6153,
Blansch. i 126 (Germ. 14,71), Flore 4929, SFroDcisken L 3§73, Garel 11140,
Reinb. Georg 1441. 1601, Helbl. vii 62. vm tOT, Hdiubr 1334, Mal IS, 12.
203,26, Makkab. (WM) 91, in einer jungem bearbeiiung (Germ, 2fi, 2ft1l^
T 65 (uns), Meleranz 304. 356. 1560. 1564. 244S. 3566. rmh 5720. blZ^.
6938. 8948, Parten. 2956. 3126, Schwann. 1Ü&3, Segrem. (Geriiu 5, 161) r 4at_
Freib. Trist. 3669, Wigal. 1065. 1293. \U\. 3126. 3936 i//«r>A), 4974. m
8841. 10197, Wigam. 5308,, GA m 250. vi 828. xvi 322. xnu 228 Jb
1054 (mich), xxii 300. xli 388. Li 464 {tmsl 574 {unt); Mm %M»kM^t
Eracl. 3438, Mai 232, 12 (v. 90, 36). beachtenswert ist, ^«'
Wolfram and Gottfried die fonnel fehlt.
ZUR KUDRUN 139
watmen n dar ü. s. g, wanren . daz sage ich tu vür war (s. 1571, 1).
der reim dar : war ist im hinbHck auf dar : jär kaum zu be-
aosUndeo, weanschon war sonst immer mit jdr gepaart ist. es
sei dazu auf 310 f verwiesen, wo es ähnlich he\[si : vrägen er be-
gan, von wannen si dar waren komen in daz riche (vgl. 79, 3,
Trierer Aegid. 570 ff, Alph. 339,4, Garel 11706, Reinb. Georg
1568, Gerh. 1362, Meleranz 280, Nib. 81,1. 105,2. 1117,3.
1371,2, Orendel 2993. 3457, Part. 13135, Siebenschi. 523,
Walb. 306, Wigamur 4731, Woifd. D v 200, 1, GA lxiv 202) und
fiorand dann wie Hagen 124, 1 seine antwort mit der phrase
einleitet daz wü ich tu sagen, Martin ergänzt daz sage wir tu
gar, doch erwartet man dann eine bestimmtere auskunft als unser
lant lit verren und überdies erklärt sich die lücke nicht so leicht
wie bei vitr wdr^ dessen graphische Ähnlichkeit mit g. w. (in der
▼orlage vielleicht wäre) das abspringen verschuldet haben kann.
390, 2 soll nach allgemeiner ansieht gesagt sein, der gesang
der geistlichen wollte denen, die Horands gesang gelauscht hatten^
Dicht mehr gefallen, und dem entsprechend wurde auch geändert
nehmen wir an, dass der dichter würklich dies zum ausdruck
bringen wollte, was der folgende vers zu erweisen scheint, so
ist sicher der phaffen statt der phafjfe zu schreiben , denn nicht
um den text, sondern nur um die melodie der kirchlichen ge-
länge kann es sich handeln, uzw. ist, worauf SchOnbach (Das
Christentum in d. altd. heldendicbtung s. 147) aufmerksam macht,
der gemeinschaftliche gesang. der geistlichen im chor gemeint.
Die neuern ausgaben bieten nach Wackernagels verschlag
sieh (oder sin mit beibehaltung von phaffe) unmdri in koeren oder
Hofmanns conjectur sin minnert in ze hasren^ nur Symons schliefst
sich wider mehr der hsl. Überlieferung an, indem er herstellt
ein minnert in den kceren dd von der phaffe sanc. und mit ge-
ringerer änderung begnügt sich ebenfalls Schönbach aao., der in
wesentlicher Übereinstimmung mit Ziemann schreibt sich minnert
in den kceren (Z. in k.) dd von der pfaffen sanc beide halten
dabei an der alten auffassung fest, doch ist für (sich) minnem
die bedeutung 'geringer geachtet werden, weniger gehen' uner-
wiesen und darum muss man sich für eine änderung oder eine
andre interpretation entscheiden, nach meiner Überzeugung kann
die Überlieferung bis auf einen puuct gewahrt werdea, es ist ein-
fach zu schreiben sich minnert ir koeren dd von der phaffen sanc.
140 ZINGERLE
und das kann nur besagen^ der chorgesang vermiaderte sieht
wurde schwächer, weil gar mancher pfaffe, durch iiorands gesang
angezogen und gefesselt^ ferne blieb, was recht gut zur voraus-
gehnden Schilderung der gesangswürkung passt. kranke und ge-
sunde konnten sich nicht trennen, die tiere des waldes liefsen
die weide stehn, das gewürm und die fische ihr geverte^ nienoand
wurde bei Horands gesang die zeit lang — 384, 3 si htetens niht
geahtet einer hende tolle, ob er soUe singen, daz einer möhte riten
tüseni mik — , was wunder, wenn geistliche die chorslundeD
Versäumten, man erinnert sich dabei an die bekannte gescbichte
vom bruder Felix (s. Zs. T. d. phil. 28, 35 ff und aufser den in
der anmerkung verzeichneten bearbeitungen Germ. 25, 339), der,
durch den wunderbaren gesang eines vogels bezaubert, durch
hundert und mehr jähre zuhOrte, ohne an kloster und milbrüder
zu denken, und an eine stelle in Reiubots Georg (v. 5297 ff), wo
der dichter bemerkt, hätte eine nonne von Geiselfeld Georgs
herliche gestalt gesehen^ so würde sie der mette vergessen haben,
aber die kräftigste stütze meiner auffassung bietet das in den
Altd. bl. I 52 ff mitgeteilte stück Was schaden tantzen bringt, in
dem dieselbe würkung weltlichen gesangs fast in wöriUcher Über-
einstimmung mit unserm verse hervorgehoben wird, der Verfasser
sagt (s. 52) : An dem tanz eint vil vrsach der sunde : vnderwiln
der gesanck der frawen bilde, der fimferley schaden bringt, der
erst, daz sie mit irme gesange ziehen zu ine und zu begirde des
tantzes ander zuchtig personen . . . und dann (s. 58) sie tünd
auch wider das sacrament der heiligen wyhung : wann solide
tentzerin sint äffen der priester. dann als die priesterschafft mit
gesang got loben und eren, also tunt dise dem tufel auch wirt
durch im gesanck versumt vnd gemynnert der gesang vnd
lop gottes : wann die in der vesper vnd in der kirchen solten
singen, die sint by dem tanlz — auf den Kudrunvers angewendet :
die hörten Horand zu. der parallelismus zwischen v. 2 und 3
ist nun freilich aufgehoben, aber trotzdem scheint mir v. 3 nicht
völlig isoliert zu sein, bekanntlich war eine hauptbestimmung
der glocken, die gläubigen zum gottesdiensle zu rufen, ob ihr
klang besonders schOu gewesen^ ehe man ihnen eine harmonische
Stimmung zu geben verstand, und dies gelang erst um die mitte
des 13 jhs. (s. Otte Glockeokunde' s. 90 f), ist zu bezweifeln,
doch vermochte er immerhin eine andächtige Stimmung zu wecken.
ZUR KUDRUN 141
Horands siDgen beeinträchtigt nun den eindruck, welchen das
geliute vordem machte, es klang nicht mehr so wol, so einladend,
dass man sich zur kirche hingezogen fühlte, denn alkz daz in
Mta; dem was näeh H, wi. der grundgedanke der Strophe wäre
also : H^ gesang war so schön, dass sogar der kirchenbesiich
fesp. die aodacht von geistlichen und laien nachliefs.
Schliefslicb mOcbl ich noch bemerken, dass die änderung
des Qberliefenen dienm in dcemn nicht zu rechtfertigen ist
(s. 378, 1. 4. 387, 2. 396, 4. 397, 4). H. dient mit seinem ge-
sänge, wozu an Virg. 768, 10 %e dienste sime sungen erinnert sei.
570, 2 ff Waie der. vil wise sehen liez er daz, dri stunt in
dem jdre er uehe sinen herren. dieser äufsvrung des dichters
hat man bisher keine bedeutung beigelegt. RSchrüder (Zs. f. d.
ph. 1, 262} führt die stelle zwar an, aber sie bezeugt ihm nun
dass Wate den hof seines kOnigs fleifsig besuchte, die dreizahl
ist indes durchaus nicht willkürlich gewählt, sondern der dichter
hatte unzweifelhaft bestimmte anlasse im äuge, uzw. müssen land-
teidioge gemeint sein, darauf deutet entschieden 1699,2, wo
Hilde der scheidenden Kudrun den wünsch äufsert : wil du mir
jl» getuedie, mich suln die holen din dri stunt des jdres sehen hie
zen Hegelingen, mit der begründung : dn michel ungemHete getrouwe
adk suM nimmer hie gedingen. Martin verweist bei 570^ 3 darauf,
erklärt aber in irriger auffassung der stelle, gedingen Verhandeln'
steh hier wol für ein allgemeineres Meben', während es doch
tenniDus der rechtssprache ist^.
Es handelt sich hier um das echte ding, das an bestimmtem
orte und zu bestimmten terminen abgehalten wurde und zwar an
jeder dingstätte gewöhnlich dreimal im jähre (s. Schröder Deutsche
rechtsgesch.' 552), was Karls d. Gr. gerichtsorganisation als das
maximuna der Vollgerichte in der hundertschaft bestimmt hatte
{Schröder aao. s. 168). dass dem dichter die institutionen seines
heimatlandes, also die von Österreich oder Steiermark vorschwebten,
tigt nahe, wie oft in letzterm lande, dem man jetzt meist die
Rudrun zuweist, allgemeine landteidinge an den hauptdiugstätten
* Siegel Die rechtliche stell uDg der dienstmannen in Österreich (WSB.
102, 8. 235 ff) bemerkt s. 265 anm. 5, dass dingen io den sächsischen rechts-
<lDeUen io dem sinne von gericht halten, gericht einem ansagen gebraucht
werde, in der bair. rechtssprache aber so viel wie ^appellare' bedeute, doch
ist dies Dicht durchweg der fall.
142 ZINGERLE
stattfaDden, ist m. w. noch oicbt aufgehellt, das Steiermark ische
landrecht (hg. voo FBischoff, Graz 1875), welches übrigens erst
um die mitte des 14 jbs. abgefasst wurde (s. BischofTaao. s. &3,
Luschio Österreich, reichsgesch.' 8.141), gibt hierüber keioe aof-
schlUsse, und aus den quellen des 12 und 13 jhs. (s. Krones Zur
quellenkunde und geschichte des mittelalt. landtagswesens der
Steiermark, bes. s. 7. 11. 23) ist es ebenfalls nicht festzustellen,
es dürften hier aber wol ähnliche einrichtungen bestanden haben
wie in Osterreich, über dessen gerichtsverfassung wir viel besser
unterrichtet sind (s. Luschin Geschichte des altem gerichtswesens
in Österreich ob und unter der Enns, Weimar 1879). das
Österreich, landrecht (hg. von HasenOhrl, Wien 1867), nach neuerr»
Untersuchungen (s. Luschin Die entstehungszeit des Österreich,
landesrecbts, Graz 1872) 1237/38 aufgezeichnet, stellt nun art. i
fest : Daz dhain lanndes herre sol dkain taiding haben, nur Über
sechs Wochen und nicht darhinder, und sulkn auch die taiding sein
nur ze Newnburg, ze Tüln und ze Ma%tttam, sie fanden demnach
9 mal im jähre statt — sechswOchentliche termine wurden 1338
auch Kärnten und Krain gewährt — , sodass auf jede der drei
genannten dingstätten, die ihren eigenen gerichtssprengel hatten,
drei landteidinge entfallen i. da die dreizahl Oberhaupt weit ver-
breitet erscheint (s. Grimm RA s. 822^fiO tind zwar auch bei den
niedern gerichten, wird gleichfalls in der Steiermark der zu-
sammentritt des landteidings (^placitum generale') jährlich dreimal
erfolgt sein.
Die teilnähme Wates darf nicht befremden, er ist Betels
man (518,1) und wird später (1611,3) als truhswze bestellt,
was bestätigt, dass er als ministeriale gedacht ist (s. OvZallinger
Die rechtsgeschichte des ritterstandes und das Nibelungenlied, im
Jahrbuch der Leo-gesellschaft für 1899 s. 41f), und diese waren
zum besuche der landteidinge verpflichtet.
Anders verhält es sich mit den boten Kudruns, die Hilde sich
erbittet, letztere übernimmt auffallenderweise (s. Zs. f. d. pb. 1,264)
* aus Helbl. ii 656 ff und 756 ff haben Luschiii und Seemuller (s. anm.
z. 6560 gefolgert, dass später nur drei landteidinge — also an jeder ding-
stätte eines — gehalten worden, aber driu lantteidinc kann sich auf jeden
der genannten orte beziehen, und meines erachtens ist diese aaffassung aUein
zulässig , nicht wegen der angeführten bestimmung des landrechts, sondern
weil diese im entwürfe von 1298 widerholt ist (s. Hasenöhrl s. !
ZUR KDDRUN 143
Bach Uetels tode trotz der mOodigkeit Ortwios die regieruog <•
Herwig, Kudruns gemahl^ hat aber als unabhängiger farst ihr
gegenüber keine yerpflichtung, daher die formulierung wil du
war <fe genmdie. die holen sollen der kOnigin, die fQrchtet^ an
wMd MHifemäete nicht gedingen zu können , offenbar als beirat
dieneii, doch ist schwer zu sagen, woran der dichter hierbei ge^
dacht bat. wie zu den reichstagen nicht den- reichssianden an-
hOrige personcn, die sich des hesondem königlichen Vertrauens
erfireuteDy als berater berufen wurden, mag ähnliches auch sonst
forgekommen sein, aber mit dem regelmäfsigen erscheinen der
boten Kudruns muss es eine andre bewantnis haben.
687, 2 steht in der hs. ich welk H„ wofür die herausgeber
kk emkelfe £f. (Bartsch me wege) einsetzten; welle ist aber wol
beizubehalten und zu lesen ich enwelle ze ff.
720, 1 hat Martin oinem wiuser der bs. in einer warte ge-
ändert, was Symons in seine ausgäbe aufnimmt, ich halle die
änderuDg scbou deshalb für yerfehlt, weil nicht einzusehen ist,
warum HRied oder ein früherer copisl die ihm yorliegende les-
art beseitigte, was mit absieht geschehen sein müste, da ein
lesefehler sehr unwahrscheinlich ist. dazu kommen noch gründe
sachlicher natur. mit warte finden wir 'specula, custodia, ex-
cubiae' und ^statio' verdeutscht, man verstand also darunter einen
zur ausschau, zur wache benutzten platz und aufserdem den- oder
diejenigen, welche ausschau hielten, einen Wachposten, hierzu
besonders geeignet waren höher gelegene puncto, daher auch im
uiiltelalter 'specula' schlechtweg erklärt wird als aUitudo quelibet,
de qua lote langeque pxospiei polest (Ahd. gl. iv 340, U), welche
Vorstellung auch mit warte vorwiegend verknüpft ist. entweder
haben wir es mit natürlichen bodenerhebungen oder mit künst-
lich hergestellten Standorten zu tun. erstere fungierten als warte,
sobald sie von Wanderern zur Orientierung, von streifenden kriegs-
leuten zum recognoscieren oder zur aufstellung von Vorposten
ausersehen wurden, aber nicht selten dienten aussichtsreiche-
puocte nicht blofs als gelegentliche, sondern als ständige warte,
^ weibliche erbfolge bestimmt der ödterreicbische freibeilsbrief vom
17 sept. 1156 folgeodermaÜBen : ul ipsi {Heinrieus u, Theodora) et liberi
eoram post eos indifferenter fitii sive filie euridem Austrie ducatum
kereditario iure a regno teneant et posndeant (s. dazu Hauke Die ge-
scbichUicheo grondlagee des moDarchenrecbts s. 6).
144 ZINGERLE
iodem man für warlleule eioe gesicherte Unterkunft schuf, ein
warthaus oder einen wartturra errichtete, solche warten legten
die Römer und andre Völker des altertums an, wir finden sie
ebenfalls bei (germanischen) wallburgen und selbstverständlich in
späterer zeit, wobei ich lediglich die ganz isolierten oder aufser-
halb der eigentlichen befestigungsanlage stehnden im äuge habe,
derartige kleine befestigungen, die einem ernsthaften angrifife nicht
lange zu trotzen vermochten, wurden also auch warte genannt,
aber auf grofse bürgen oder festen fand der ausdruck keine an-
wendung. betrachtet man nun die Situation in der Kudrun, so
muss die toarte befremden. Siegfried mit seinem beere ist ins ge-
dränge geraten, er sieht sich zum rückzuge gezwungen, und im
kriegsrate wird beschlossen : rtten in eine veste, da si genesen
künden, daran schliefst sich
720 Si wichen von dem strite ze einer warte dan,
da ze einer sUe ein grözer phlüm ran.
dö si begunden rilen, dar si entwichen soUen,
dö sach man mit in striten die in gemaches niht gunnen wolten.
trotz tapferer gegenwehr «nuss S. schliefslich zu einer feste
flochten, die von den Verfolgern belagert wird:
swie guot in was ir veste, etelicher doch dd heime gemer woere usw.
es fragt sich zunächst, ob die warte mit der genannten veste
identisch oder eine Zwischenstation auf der rückzugslinie ist.
ersteres ist nach dem oben gesagten ausgeschlossen — eine feste,
die ein ganzes beer aufnehmen konnte, würde der dichter nicht
als warte bezeichnen — und gegen letzteres spricht gar vieles,
entweder ist anzunehmen, dass die warte (len verfolgenden feind
aufhalten und den rückzug decken sollte, oder dass man dort
nochmals sich festsetzen und dem gegner die stirne bieten wollte,
im ersten falle könnte nur ein wartturm oder wartbaus gemeint
sein und eine solche fortificaiion hätte nur in einer talenge diese
aufgäbe für kurze zeit erfüllen können, aber da hätte sich der
dichter sicher anders ausgedrückt — er würde etwa klüse ge-
schrieben haben — , denn bei warte dachte jedermann an eine
höhenlage und nicht an einen pass, noch dazu mit besonderer
ierralngestaltung. im andern falle wären zwei möglichkeiten in
erwägung zu ziehen, die eine ist, dass man von der warte aus
die bewegungen der feinde zu beobachten gedachte, die andre,
dass man dort schütz zu finden hoQ'te. dieseq gewährte aber ein
ZUR KUDRUN 145
warllurm, selbst wenn auf einer seile ein fluss deckung bot,
wider nur unter bestimmten ortsverhältnissen, und so läge die
Sache ooch am einfachsten, wenn wir warte als anhohe, die einer-
seits eine weile ausschau gestaltete und anderseits einen angriff
der gegner erschwerte, betrachteten. aulTallend bleibt die stelle^
der ich keine parallele an die seile zu stellen weifs, auch bei
dieser deulung. es ist ja mehr als unwahrscheinlich, dass ein
geschlagenes beer ohne nötigung auf dem rQckzuge noch einmal
halt macht, um den Qberlegenen gegner zu erwarten, und was
sollte den Verfasser der Strophe hierzu bewogen haben? nicht
das geringste rootiv ist zu entdecken, unler solchen, umständen
scheint es geraten, die brauchbarkeit der ursprünglichen lesart
zu prüfen, und da stellt sich heraus, dass sie mit unrecht ver-
worfen wurde. Siegfried ist über s^ zu Herwigs land gekommen.
nach ankunft der Hegelingen wendet sich sein kriegsglück, er
zieht sich in eine feste zurück, aus 728, 1 Dö liezen die von
Stürmen ninder üf den se die von Mörlande und die von Alzabe
erhellt, dass die läge des zufluchlsorles beim meere gedacht ist.
wenn es also heifst si wichen von dem strite ze einem wazzer
dan^ so ist damit das meer, eine meereshucht gemeint und nun
hat auch der folgende vers — ich lese dd ze einer site ein grözer
pklüm in ran (hs. hinran^ wofür die herausgeber einfach ran
schreiben) — guten sinn, denn durch den fluss wird die ver-
teidigungsfcShigkeit des platzes erhobt, indem nur eine angrifls-
seitc dem lande zugekehrt ist. auf der von beiden gewässern ge-
bildeten landspitze haben wir uns die guote feste vorzustellen,
welche gerade so wie Tharsis im Apoll. lOSlfT und die im Gerb.
1272 (T beschriebene sladt situiert ist und wie diese platze die
Umfassung nicht knapp an das wasser vorgeschoben hat, worauf
die völlige cernierung weist, beachtenswert ist, dass der ausdruck
ceste 719,3 zum ersten male gebraucht ist und in der folge noch
723,4. 780,3 für Hetels bürg und 1255,4. 1427,3. 1452,3
für Ludwigs bürg, er gehört wol durchweg Jüngern Strophen an.
720, 1 hat M. die Änderung offenbar im hinblick auf 676, 3
vorgenommen, wo bereits Ziemann wargk der hs. in warte ge-
bessert hatte, darnach wäre Herwig in derselben Situation wie
Siegfried Af sine warte entronnen, da die warte aber hier wie dort
unhaltbar ist, wird man mit Vollmer und Symons marke zu lesen
haben. — 700,2 scheint mir Martins emendalion warten schon
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 10
146 ZINGEBLE ZUR KUDRUN
deshalb bedeDklich, weil das handschriflliche horten borlen-barten
voraussetzt, aber auch porlen, worauf die Überlieferung zunächst
deutet, will mir neben bärge nicht gefallen, es müsteu die tore
der äufsern Umfassung und die innere bürg, die hocbburg, ge-
meint sein, was ganz unglaublich ist^. andre substantiva von
graphischer ähnlichkeit passen nicht in den Zusammenhang, und
so kann hinter horten nur ein adjecliv stecken, es ist nach meiner
Überzeugung wU, das als attribut von burc neben guot und vesie
in unsrer dichlung mehrfach zu belegen ist (138,2. 685,3. 760,2.
1333, 2. 1536, 1 diu burc ist vil teste, wH unde guot), dass w
von einem flüchtigen abschreiber als ho gelesen werden konnte^
wird jeder,' der die to- formen des 13/14 jhs. kennt, zugeben
müssen.
843, 4 ist nach Idzen müesten kaum beide oder mit ir spise
ausgefallen, sondern eher zer merverte (hs. mauerte),
855,4 erganz ich nach icol üf niqht sprach dö, sondern
rief oder ruofte (hs. ruft?). 902, 3 lieifst es er sprach ^wol üf,
ir heldt\ — 1360, 2 Ludewiges wahtaere krefticlichen rief ^wol
üf, ir stolzen recken*, an obiger stelle ist 'rufen', abgesehen von
der graphischen ähnlichkeit von nf, rief, ruft, auch der Situation
angemessener, r. finden wir zb. noch Bit. 10038, Dietr. Fl. 15S6.
5463. 5804, Rabenschi. 831, 3, Wolfd. D iv 14, 1 (s. v 166, 3),
Reinb. Georg 301, Wigam. 5711 — spr. Nib. 471,4, Dietr. Fl.
5950, Rabenschi. 993, 4, Alph. 364, 1. 412, 3, Wolfd. D vii 53, 1.
IX 197,1. X 52, 2, Parten. 15696. 16398; beide verba Ulr. vdT.
VVilleh. ccxL 4.
Czernowiiz. OSW. v. ZiNGERLE.
KASSELER BRUCHSTÜCK DES RENNEWART.
Ein blaltausschnüt mit 17 + 16 verszeilen aus einer pghs, des
14 jhs.j im besitz der Kasseler ständischen landesbibliothek, 10 cm
hoch und 1 5 cm breit ; aus der innern columne (sp. a und d) eines
2 spaltigen codex in folio, der dem bekannten cod. Pal. germ. 404
{bei Lohmeyer s. 12 : /) sehr ähnlich gewesen seiti muss. rahmen
und linien sind vorgezeichnet, die spalten ebenso breit (9,6 cm), die
linie ebenso hoch (0,65 cm) wie in L die (grofsen) anfangsbuchstaben
der verse sind wie dort gleichmäfsig hinausgerückt und rot durch-
^ sonst werden neben den toren törine oder mauern genannt, letztere
zb. Konr. Troj. 23254 : die porten und die müre sterslwret man ....
SCHRÖDER KASSELER BRUCHSTÜCK D. REiNNEVYART 147
stricken, die eine rote initiale hat zwar an der betr. stelle keine
enisprechting in l, ist aber dem anderweiti(i vorkommenden initial-S
sthr ähnlich, freilich erreichte unsere hs. doch nicht ganz das
stattliche format von ( denn 1) sowol der räum zwischen den co-
Inmuen ist schmäler (1,8 cm gegen 2,1 cm), 2) als der erhaltene
innenrand (3,6 cm gegen 6 cm) — und so waren es wol auch die
übrigen r ander; 3) lässt sich die zahl der verse pro spalte auf b'.i
berechnen *, w^rend l 56 Zeilen aufweist, — das fragment hängt
wut keinem der anderweit aufgetauchten zusammen und weist gegen-
über l (bL 145 sp. a 49 — 6 9, d 40 — 55), das ich durch die ge-
fälUgkeit der Heidelberger bibliotheksverwaltung hier am orte be-
nutzen konnte, die folgenden laa, auf:
bL 145 sp. a : 49 oben weggeschnitten : Der fcbol vil .....
hao erfiriteD ist erkennbar, für prises stand ein anderes wort
50 der hat 51 Swie mit grofser roter initiale hin fehlt 53 rite
fv fo vor 54 enpor 55 ewrem 56 üch] ev hie. —
sp. b : 1.2 znigen : vaigpn 2 Ez, das übrige weggeschabt, aber
noch controlierbar 3 heyden immer gein immer 4 ma-
niges 5 Yngefchart 6 chomeo ovch, nachträglich umgestellt
S Hinlz da. — sp, d: 40 fwanc er vil chavm eiilwancle
41 fnellieil er phlac 42 Panthanys eiueo 43 den k.]
Rennewarten 44 tieffe 45 Dem helde in finen 46 firavchle
47 Vnti ovch nach 48 Rennewarten was vil gach 50 er
zornlichen 51 paide fine ftarke 52 ez wirl din 53 du
dich le min torft gewern 54 Din lehn mvfl du da von ver-
zern 55 La din dro vnd tu cHn weich.
Die laa. bezeugen die hs, ausreichend als bairisch, E. SCII.
ZUM REINAERT.
Zu den am meisten verderbten stellen unsrer Überlieferung
gehört die auFzählung der tiere, welche gegen Reinaert klage er-
heben : H I (a) 1845 — 1860, R ii (b) 1869—1885. man weifs
längst, dass hier der text der Comburger hs. (a) nicht fehlerfrei
ist, anderseits hat JVVMuller (De ouile en de jüngere bewerking
van den Reinaert s. 59) gezeigt, dass die (vuu bd überlieferte)
liste von R ii vielfach mit I gegen a zusammenstimmt, folgerungen
daraas für die reconstruction des textes von R i zu ziehen , hat
»ich Muller mit recht gescheut; bei dem radicalen vorgehn van
Reitens dagegen nimmt es fast wunder, dass er hier den text (bei
ihm vv. 1703 — 1718) wider genau so liefert wie Martin, ich glaube
wenigstens an einer stelle darüber hinauskommen zu können.
Dass die Comburger hs. (a) in dieser partie neigung zum
interpolieren zeigt, hat Martin erkannt, indem er nach 1855 einen
vers ausschied {Dat water var, dat butseel), durch welchen ein
* bei fort fall oder erweiterung der roten capitelüberschriften könnte
man alienfallt auch auf 52 oder 54 seilen geführt werden,
10*
148 SCHRÖDER ZUM REINAERT
dreireim entsland; JGrimm Iialie umgekehrt hier eine lücke, also
einen ursprünglichen vierreim angenommen, nach v. 1856 ende
dat eencoren here Rosseel fahrt dann a fort:
Dieweline, die vrauwe fine.
man nimmt, soviel ich sehe, allgemein an, diese ^Dieweline', die
sonst nirgends vorkommt, sei das weibliche eichhorn (so Martin
s. XXXIX und im Wörterbuch s. 450*"), wobei JGrimm (anm. z. st.)
freilich die Änderung von fine in fine für wünschenswert halt,
van Helten vor ihrem namen ein ende einfügt, dazu ist zunächst
zu bemerken, dass diese nennung eines Weibchens bei einem klei-
nern Säugetiere, wo das geschlecht für den menschen nicht ohne
weiteres erkennbar ist, um so mehr überrascht, als aufser widder
und lamm {Belijn und Hawij) in der langen reihe der tiere kein
weiteres paar auftritt, weiter ist der binnenreim Dieweline : fine
auflällig und anstOfsig, und schliefslich gehört die 'feine dame'
sprachlich unbedingt einer jungem schiebt an.
Wir wissen durch Sleinmeyer Zs. 34, 282 f, dass das dem
franz. entlehnte adj. fin in Mitteldeutschland seit Berthold von
Holle, in Oberdeutschland gar erst seit Konrad vWürzburg be-
zeugt ist. nun, auch im niederländischen kommt das wort nicht
früher auf : der Reinaerl i hat keinen zweiten beleg und im Rei-
naert ii erscheint fijn in charakteristisch enger Verwendung : van
finen goude 5323. 5495; fijn gonden 5502; van silver fijn 5487;
wo I\ II 2431 fijn selver ende root gout bietet, hat R i 2409 noch
einfach daer vandic selver ende gout. jene engere bedeutung 'fein
gold', 'fein silber*, weiterhin 'fein lasur', 'perlen fein* stammt aus
dem französischen, wo ich zb. im Roman d*En6as ausschliefslich
diese Verwendung gefunden habe : de (en) fin or 4071. 4083.
4483. 6435. 6457. 6489. 6928. 7174; de fin argent 4077. es
ist die bedeutung 'raffiniert', die in verschiedenen nuancen noch
heute in Frankreich wie in Deutschland fortlebt, im 12 jh. sprach
man von durhsotenem golde, auch bei Konrad vWürzburg hat
Steinmeyer aao. s. 283 diese ' Vorliebe', fin von gold und edel-
gestein zu brauchen, bemerkt und darin richtig die ursprüng-
liche bedeutung erkannt, ohne dass er dafür auf das französische
zurückgieng.
Im vorliegenden falle können wir also in der Überlieferung drei
Stadien beobachten : R i braucht das adj. fijn überhaupt noch
nicht, R II wendet es ausschliefslich in der engen, ursprünglichen
bedeutung auf (reines) gold und silber an, ein interpolator von
R I, wahrscheinlich derselbe, dem wir auch den zusatzvers nach
1855 verdanken, überträgt es bereits auf personen. der von ihm
herrührende vers 1857 Dieweline, die vrauwe fine (den nur a
kennt), muss unbedingt ausgeschieden werden : ob. aber darum
für die nunmehr reimlose zeile 1859 Cantecleer ende die kindre
sine ohne weiteres das reimpaar aus b (1883 f) eingesetzt werden
darf, möcht ich doch bezweifeln. E. SClI.
ÜBER DIE MHD. CONJUNCTION UNDE.
Die Partikel unde zeigt im mbd. eine fülle vod bedeutUDgeo,
die sie in ahd. zeit Doch nicht besessen zu haben scheint, und
die ihr in onsrer Schriftsprache zum grofsen teil wider abhanden
gekommen sind, so hat sich das interesse der philologen früh-
z^tig und anhaltend der Sammlung und Untersuchung der manig-
fiicben gebraucbsweisen zugewendet. LTo hier hat das problem
zum gegenstände zweier besondrer abhandluogen gemacht i, und
zahlreich sind die Sammlungen einzelner beispiele, die sich in
den aomerkungen zu mhd. ausgaben, in den wOrterbQchern , in
dissertationen syntaktischen Inhalts und sonst an allerlei orten
ferstreut finden, dank diesen bemühungen besitzen wir ein un-
gemein reichhaltiges material und eine in manchen puncten über-
zeugende erklärung, auf welche weise sich die manigfaliigkeit
der bedeutungen herausgebildet habe, das höchste interesse des
Philologen aber ist trotz allem noch unbefriedigt geblieben, der
Philologe muss darauf aus sein , den ganzen gedanken- und ge-
(Ühlsinhalt, den das wort, die phrase oder die construction eines
Schriftstellers in sich schliefst, so deutlich und lebhaft nachzu-
empfinden, wie es nur dessen gebildete Zeitgenossen einst ver-
mochten, wir sind freilich von diesem idealen ziele noch weit
entfernt, werden es bei der Schwierigkeit des weges auch wol
niemals ganz erreichen, vielleicht darf gerade deshalb auch der
kleinste schritt nach diesem ziele hin auf die teilnähme der alt-
deutschen Philologen rechnen. —
Wir finden^ dass dieselbe phrase bei mhd. autoren bald mit,
bald ohne unde erscheint; wenn Friedrich vHausen (MFr. 46, 2)
sagt und wil sts jehen, so lesen wir im Parz. (359, 30) u)ils jehen
frau Obie. wir bezeichnen also dieses und, das bald steht, bald
fehlt, als ^pleonastisches' und^ und geben es im nhd. in beiden
fällen durch ^wenn' wider, ebenso erscheint in andern fügungen
bald das relativpronomen, bald an seiner stelle unde : da nehmen
wir keinen anstand von relativem gebrauch des und zu sprechen
usw. usw. dabei hat man im ersten falle gänzlich unterlassen,
zu prüfen, ob denn allen arten von condicionalen Vordersätzen
^ Über den relativen gebrauch des deutschen und mit vergleicbung
verwanter spracherscheinongen KZ. 7, 353 ff; Germ. 13, 91 ff; eine kurze Zu-
sammenfassung der ergebnisse Beitr. 5, 375 f.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXll. 11
150 KRAUS
ein solches unde vorgesetzt werden könne — was doch sein
müste, falls es wQrklich rein 'pleonastisch' stünde — ehenso wie
man sich im zweiten fall nicht darum gekümmert hat, ob für
jedes relativum ohne weiteres unde als ersatz eintreten könne,
wenn solche gegenproben jederzeit gemacht würden, so würde in
nicht all zu ferner zeit die reiche liste der ^pleonasmen', ^tauto-
logien* und ^synonyma' ganz beträchtlich vermindert werden, so-
bald wir denselben begriff auf zwei verschiedene arten ausgedrückt
finden, sind wir eben nur allzu bereit anzunehmen, dass sich
diese ausdrucksweisen vollständig deckten, und lassen ganz aufser
acht, ob nicht etwa die bedeutungsinhalte der betreffenden aus-
drucksweisen sich nur zum teil schnitten, oder ob der grund des
wechseis der sprachlichen mittel nicht etwa darin zu suchen ist,
dass sich, wie Sievers das für die bewegungsverba gezeigt hat,
üne und dieselbe sache eben von ganz verschiedenen Seiten aus
betrachten und somit auch sprachlich darstellen lässt.
Von dieser eben skizzierten aufgäbe principiell verschieden
ist die aufgäbe, das herausbilden solcher sprachlicher erschei-
nungen historisch zu erklären, beide werden m. e. am besten ge-
trennt behandelt, weil sonst die gefahr besteht, dass das philo-
logische erfassen des tatsächlichen über dem verlangen nach hi-
storischem begreifen, wie es denn geworden ist, zu kurz komme,
das wichtigste und daher auch der ausgangspunct muss uns immer
die genaue erforschung des tatsächlichen sein, denn ohne sie kann
die historische erklärung, also die hypothese, höchstens durch die
gunst eines glücklichen Zufalls das richtige treffen : während um-
gekehrt die richtige erkenntnis des tatsächlichen auch ohne hi-
storische erklärung seines Werdens aufrecht stehn kann, ich sondre
demnach im folgenden Interpretation und hypothese durchaus, und
stelle erstere voran.
1. UJ\DE
LEITET DEN VORDERSATZ EINES HYPOTHETISCHEN GEFÜGES EIN.
Litteratur : Bechstein zu Trist. 212; Benecke zu Iw.
5829.6369, zu Wig. s. 729; Cordes Der zusammengesetzte salz
bei Nie. von Basel, Leipzig 1889, § 214. 226; Cutting Der
conjunctiv bei Hartmann, Chicago 1894; Diemer zu Erinng. 150,
Glossar zur Mst. hs. s. v. unde; Erbe Beitr. 5,7f; Erdmann
Grundzüge i§ 126; Grimm Gr.iv'1308f; Haupt zu Neif. 8, 17;
OBER DIE MHD. CONJÜNCTION UNDE 151
Jänicke zu Walb. 1251; Jellinek Hero s. 83; Kinzel zu
Alex. 4514; Kraus Aoz. xvn28. xix 58; Martin zu Kudr. 227,3;
Paul Beitr. 5, 48; Rothe Coodicionalsatze bei Gottfr., diss., Halle
1895; Roiteken Der zusammengesetzte satz bei Berthold, QF.53;
Tobler aao.; Mhd. wb. iii 184; soweit die im folgenden be-
sprocbeoen tMe nicht der eben angegebenen litteratur entnommen
sind, stammen sie hier wie später aus eignen Sammlungen.
Der gewöhnliche bedingungssalz drückt aus, dass eine be-
stimmte tatsache sich realisiert, wenn eine bestimmte bedingung
(annähme, Toraussetzung) sich erfüllt : Er. 1148 gelinget im, er
kumi dar zuo. daneben gibt es nun bedingungssätze, welche
obendrein besagen, dass die betreffende bedingung (annähme,
foraussetzung) die einzige ist, die erfüllt werden muss, damit eine
bestimmte tatsache sich realisiere, im neuhochdeutschen pflegen
wir diese Sätze mit ^wofern nur' einzuleiten^ im mittelhochdeutschen
ist der adäquate ausdruck das sogenannte pleonastische unde:
Parz. 645, 1 8 frouwe, ernbiut iu mere, daz er mit werden freuden
lebe, und vreischer itoers tröstes gebe 'wofern ihr ihn nur tröstet'.
Der grund, öttr den redenden veranlasst, in so nachdrucks-
foller weise hervorzuheben , dass die betreffende bedingung die
einzige ist, die notwendig realisiert werden muss, kann ein ver-
schiedener sein, in weitaus den meisten fällen ist er darin ge-
legen, dass die im nachsatz berichtete tatsache in würklichkeit
von einer reihe von bedingungen abhängt, die jedoch alle be-
reits erfüllt sind, sodass nur mehr die 6ine im Vordersatz an-
geführte bedingung — gewissermafsen als letztes glied der ganzen
kette von bedingungen — eintreten muss, damit die tatsache
realisiert wird, die beispiele hierfür sind zahlreich : Roth. 1953
den hetieh sicherliehe verholne gerne gesen, unde mochtiz mit ge^
vöge gesehen : 'wofern es nur mit anstand geschehen könnte'; also
das wichtigste, dass sie sich für ihn interessiert und dass sie ihn
gerne sehen würde, ist bereits tatsache; es müsle nur noch auch
dem anstand genüge geschehen können. — WMann ii 97 kumin
ich zu lande, ich reche sinen anden, undi (hs. undir) sal mir
ummir guot von im gischin : 'wofern mir nur je'; die notwendigen
Vorbedingungen, den tod Christi zu rächen, sind gegeben : der
kOnig hat die nötige heeresmacht sowie den festen entschluss, es
zu tun; es fehlt also nur mehr das 6ine, dass der vater geheilt
wird. — Er. 1007 nu geruochet mir den lip Idn. und habe ich
11*
152 KRAUS
iht des getan, des ich von rehte engeüen sol, daz widerdiene ich
harte wol : 'wofern nur*; die hauptbedingUDg, die bereitwilligkeit
zu sühnen , ist gegeben; und so braucht er es nur auch getan
zu haben, damit die sühne erfolge. — ebenso Wh. 306 , 12
der tötliche val, der hiest geschehen ze heder sit, dar umbe ich der
geteuften nit trag und ouch der heiden, daz bezzer got in beiden
an mir, und st ich schuldic dran. — Cr. 3534 und twinge iuch
dehein hungernöt (ich füer hie schultern unde bröt unde vil guoten
trin), nü Idtz in iuwem hulden sin, und heizt die frouwen biten :
die mittel und den willen, Crec zu speisen, hat der knappe; so
braucht also Erec nur würklich hungrig zu sein, und er mag sich
bedienen. — Er. 4885 und Idt mir got so wol geschehen, daz ich
im immer kume zuo, idi sage iu, herre, waz ich tuo : ich bringen,
mag ich ins erbiten : Gawein ist von dem kOnig Artus eben auf
das dringendste gebeten worden, Erec an seinen hof zu bringen,
und antwortet, dass er ja selbst niemand lieber sehen würde als
Erec : so braucht es also nur noch die äufsere mOglichkeit, und
es soll geschehen. — Er. 8585 * wan unde kumet ir dar in, so
geriuwet ir mich sere : wart so seht ir uns nimmer mere : das blofse
hineingelangen in den baumgarten genügt, die andern bedingungen,
die nötig sind, damit der eindringende das gefühl des mitleids
erregt, sind im baumgarten bereits gegeben. — ebenso Iw. 414
und heten si min war genomen, sone triut ich mich niht erwem.
auch hier ist an fähigkeit und absieht der untiere zu schaden,
nicht zu zweifeln; es fehlte also nichts als die äufsere Wahr-
nehmung, und Kalogreant wäre nicht davon gekommen. — ebenso
Iw. 555 zwäre unde kumestü dar und tuostü ime sin reht gar,
tuostü dan die widerkere dne gröze din unere, so bistü wol ein
vrum man : alle die andern bedingungen, die einen schluss auf
die tapferkeit desjenigen der sie übersteht zulassen, sind als ganz
sicher gegeben ; so reicht die blofse tatsache des rückkehrens hin,
um Kalogreant den rühm der tapferkeit zu sichern. — Greg. 3724
ich erkande in wol, und scehe ich in : ^beim blofsen sehen'. —
Er. 8030 und ist ez niwan ein man, an dem si ze gewinne stät,
des möhte werden guot rdt : 'es braucht nur würklich so zu sein,
und . . .'. — Wh. 88, 18 Mahmet, unt ganstu mirs, ich begrife
dich. — Trist. 3983 min nacketage enwirret niht, swie mich der
^ von Lachmann zu Iw. 155 mit unrecht bestritten, s. die beispielc für
wan unde bei Bech Germ. 7, 466 und Haupt z. st.
Ober die mhd. conjunction unde 153
künee nü vamde siht, er wirt mich gerne seilende, und wir de ich
ime vergehende umbe sinen neven. — Trist. 4878 und mag auch ich
dem (trahen) dd bejagen, so behalte ich mine stat da wol —
Trist. 5 t 44 und si daz dich got gewer, s6 soUü wider kiren. —
Trist. 5435 ich weiz too/, so manc edele man . . . sine hende mir
gecaiden hat; und hcBtens dise unidt^ der ir da jehet, an mir er-
kani, tr ddieiner hmte sine haut zwischen die mine nie geleit. —
Trist. 5715 und werdents (mann und weib) aber gescheiden, son
ist nihi an in beiden : *man braucht sie nur zu trennen^ und'. —
Trist. 6056 Tristan wart . . . empfangen niht so suoze, als er doch
w4Bre getan, und hwte si diz leit verlän. — TrisL 6191 und helfent
wUr die selben dri (Gott, recht und Selbstvertrauen), swie unver-
suocht ich anders si, so hän ich guoten tröst dar an, ich genese
iro/ vor einem man. — Trist. 7855 und kanstü keiner lere . . .
mere danne ir meister oder ich, des underwise si durch mich. —
Trist. 7930 sine erkande ir vindes niht; undmöhtesi dazwizzen,
an wen si was verflizzen und wem si half üz tödes not, wcere
iht ergers danne der tot, den hcete sim zewdre gegeben. — Trist.
9494 und kume ich wider ze miner mäht, so ist reht, daz ich tuo
unde sagBj swaz iu geliche und iu behage, — Trist. 10196 Isöt
wes hdsttl mich gemant? daz ich min leben ie gewan! und ist diz
danne Tristan, wie bin ich dar an so betrogen. — Trist. 13335
herre, herre gdt her an! und kumet min her Tristan^ die wile ir
an dem lande sit, uns begdt ein übel zit. — Trist. 14103 auch
mit ir iuch versinnen, und keret ir von hinnen^ wer beschermet
iuwer zwei laut? — Trisl. 14881 iuwer bete . . . und weste ich,
obe diu keine kraft von minem rdte hcBle, ich riete unde tcete . . .
dar an iu wol geschcehe. — Trisr. 18664 und sol ouch triuwe und
ere haben mit gote gemeine . . ., sone zwivel ich zewdre niht . . .,
sine sin vor gotes ougen. — Trist. 19543 daz solle sider gar sin
ersuocht, und hcete si min iht gemocht. — Wig. 5348 und hiet er
sich versunnen^ so wcer ez im beliben dd : *wofern nur*; die be-
gründung des 'nur' ist hier wie in den folgenden beispielen eine
ähnliche wie in den bisherigen, sodass ich sie wol nicht näher
anzuführen brauche. — Wig. 5373 m% si dir daz für wdr geseit:
und lebt er unz an den tac^ daz ez uns geschaden mac, wir stdn
in baz tasten : 'wofern er nur die nacht überlebt'. — Wig. 8959
der eren mich genüeget, die du mir herre hdst gegeben und Icestü
mir ze vröuden leben dise maget wol getdn, — Türl. Wh. 107,16
154 KRAUS
der göte helf ist doch niht laz, und weit ir si genäden hiten. —
Türl. Wh. 107, 19 ich bedurft tool helf, und fund ich die. — Nib.
1089,3 und ist ir lip so schcßne so mir ist geseit, minen besten
vriunden sol ez nimmer werden leit : *es braucht sich nur würklich
80 zu verhaken'. — ebenso Nib. 1091,2 und sol ich Kriemhilde
geligen iemer U, des wil ich dir lönen so ich beste kan : 'wofern
es nur auch dazu kommt'. — ebenso Nib. 1139,2 und ist daz
so getan ^ so sol st kröne tragen vor Etzelen recken. — ebenso
Kudr. 1 52, 2 sit irz der recke, der nach uns hat gesant, und gehet
ze einer muoter der edelen küniginne? und sint war diu masre,
so bin ich vrö von allen minen sinnen. — Nib. 1183,3 swester
mirst geseit und wilz ouch wol gelouben, daz alliu diniu leit der
künec Etzel wende, und nimes dun zeinem man. — Kudr. 227, 1
Hetele dö vrdgte : möhte daz gesln, daz mir ir vater gasbe daz
schcene magetin? und diuhte ich in so biderbe ^ so wolt ich si
minnen und woüe im immer lönen, der mir die maget hülfe ge-
winnen. — Kudr. 298, 1 und sol idi leben drter tage stunde, daz
si mir hänt gegeben, daz wirt den minen gesten also vergolten,
hänt si iehtes gebresten, daz ich immer mire bin bescholten. —
Kudr. 1167, 3 ich bin ein böte von gote, und kanstü mich gevrägen^
. . . so sage ich dir von dinen mägen : 'du brauchst mich nur zu
fragen'. — Kudr. 1267,4 find wirt des Gerlint innen, so getete si
uns mit siegen mch nie leider. — Kudr. 1646, 4 unde lobet siz
eine, so mügen wirs alle wol ze hulden bringen. — Helmbr. 217
her Nilhart, unde solt er leben, dem hete got den wünsch gegeben.
— Helmbr. 891 und het ich win, des müeste hinte getrunken sin. —
Frauend. 25, 5 und ist ez war, so helf iu got. — Frauend. 25, 29
und rüert ir iuch, ir nemt sin schaden. — Jüd. (Hahn) 130, 25
wurm, unt wcerstü wise, du rihtest din werc anderswä. — Jüd.
130, 28 unt west ich wd ich dich funde, du mUesest . . . amen
dise missetdt. — Hausen MFr. 46, 2 si darf mich des zihen niet,
ichn hete si von herzen liep. des mohte si die wärheit an mir
sehen, und wil sis jehen : 'wofern sies nur eingestehn will'. —
Walth. 22, 37 und volges du der lere min, so wis gewis, ez frumt
dir an dem muote : 'du weifst jetzt, was du zu tun hast, und gut
ist die lehre auch, du brauchst sie also nur mehr zu befolgen,
und . . .'. — ebenso Walth. 149, 25 und tuost also und volgest
miner lere, so büwes du üf iren strdze. — Walth. 32, 25 ich weiz
wol swer wiUecliche spridiet *jd\ der gäbe ouch gerne, und wwr
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION UNDE 155
e% datme dd : irooisch : *es brauchte nur auch noch vorhaodeo
zo sein'. — Walih. 82, 14 ich hdn niht rosses daz ich dar gerite.
"ich lih dir ein«, und wiU du daz' : Mu brauchst nur zu wolleo'.
— Frauenberg MS i 37* wt« sunge ich vil gerne, unt hülfe ez
mich ihi. — Gliers MS 1 43* des wolle ich geswigen hdn und swige
^uch nochj uni liez er mich : ^die leute brauchten mich nur in
mhe zu lassen'. — Stammheim MS ii 56* die vogel alle sint der
nanerumnne vrö : reht also teste auch ich, unt lieze ein ander swasre
aitich. — Neidh. MSH in 198* unt hcet ich got gedienet also sere^
drtzec jdr, er hülfe mir. — Otto zum Turne MS 1190** es möht
ein iant verderben^ unt twt ir ungendde an im diu fine, als si an
mir begdt. — Reinmar vZweter hrsg. von Roethe, nr 153, 1 her
kerre, unt habt ir einen man, der iu stnen dienest marketveile
wMchen kan, so mezzet sinen dienest ndch der miete unt ndch der
UAe niht.
Bei durchsieht der beispiele wird man leicht sehen, dass es
imnoer dieselben kategorien sind, die widerkehren, eine gruppe
bat den sinn *es braucht nur sich so zu verhalten, wahr zu
sein, sich zu erfüllen', eine andere Mu brauchst mir nur zu folgen',
eine dritte 'sie hätten es nur zu sehen, wahrzunehmen, zu haben
gebraucht', eine vierte *er braucht nur hinzukommen', eine fünfte
drQckt wider durch ein gerne oder toeUen im nachsatz aus, dass
der eine wichtige factor für das Zustandekommen der tatsache
bereits gegeben ist, usw^.
Lediglich eine Unterabteilung der eben besprochenen gruppe
stellt eine reihe von Sätzen dar, wo gleichfalls aus einer ganzen
kette von bedingungen alle bis auf die eine ausdrücklich genannte
bereits erfüllt sind : und diese eine, noch ausstehnde, ist eine
^ aaf dieselbe weise erklärt sich aoch der gebrauch von unde in ge-
visten i wonschsälzen (beispiele bei Grimm Gr. iv' 1309; Mhd. wb. s.v.
unde) : der redende wönscht sich in allen fallen eine reihe von tatsachen,
fahrt aber ausdrücklich nur ^ine einzige an, deren erfüllung die der andern
implicite enthalt, auch hier setzen wir deshalb im nhd. 'nur' : Rol. 36, 22
wolde got unde wSre ich ü wert, das mich vür oder swert gelüterte
an deme Kbe : s6 wSre ich dn swtvil^ daz mtn got mochte. — Woifd.
H. 2041 wolt got und (fehlt in der ausgäbe DHB. Wolfd. D ix 153, 4) wasrett
du gesunt. — Jac. vWarte MS i 28« ich wolt und wter er (der tobruch
des tages) verre. — Neidh. MSH m 224 *> nu wolt got und wahren si alte
erslagen. — Ls. i 118 wölt got und macht es stn . . , des war ich frö. —
Fraoeod. 39, 9 mir wwre liep, und war ich tot.
156 KRAUS
ganz selbstverständliche, ohne deren erfüllung die tatsache des
hauptsatzes überhaupt niemals realität gewinnen könnte, wir
pflegen im nhd. in solchen föllen S?ofern überhaupt' neben *wo-
fern nur* zu gebrauchen (doch kann ^überhaupt' auch in andern
Sätzen als den eben charakterisierten stehn : aber es passt für
alle diese), hierher gehört zb. Veldeke MFr. 59, 3 des sol mir diu
guote danc toizzettj daz ich ... 5t minne baz dann er (Tristan),
und mac daz sin : Svofern das überhaupt möglich ist'. — ebenso
Iw. 5827 man sagt von im die manheit, und sol ich min arbeit
iemer überwinden, so muoz ich in vinden. — Iw. 4050 daz lant-
volc hat uf mich geseit eine schult so swmre : und ob ich schuldec
wcere, so wcere ich grözer zUhte wert. — Parz. 163, 6 sit ir durch
rdtes schulde her kpmen, iwer hulde müezt ir mir durch raten län,
und weit ir rdtes volge hdn. — Wh. 232, 10 den knappen hete
gar bevilt, und het er sich versunnen, wie daz ors wart gewunnen.
— Trist. 3307 daz ich niemer hirz noch tier geho^iwen wil in
vier quartier^ und solt ich iemer mere jagen. — Kudr. 316, 1 und
weit ir recken bi mir hie bestän, so wil ich mit iu teilen diu lant,
diu ich da hdn. — VVig. 3783 wir haben funden einen list, der
uns benamen frumen muoz^ und sol uns leides werden buoz. —
bisweilen kann man zweifeln, ob die Übersetzung mit 'nur' oder
mit 'überhaupt' besser ist; so gehören vielleicht einzelne bei-
spiele der früheren gruppe hierher, wie Hausen MFr. 46, 2 oder
Er. 1007; Wh. 306, 12.
Der redende kann ferner versucht sein, den umstand, dass
eine bestimmte bedingung die einzig notwendige ist, deshalb durch
einen besonderen sprachlichen ausdruck zu bezeichnen, weil die
bedingung einen ganz speciellen Charakter hat, während die tat-
sache, die von ihr abhängt, eine allgemeine ist. durch das mhd.
unde^ nhd. 'nur' wird in diesen fällen die discrepanz zwischen
beiden scharf beleuchtet, beispiele sind: Parz. 645, 18 s.o. s. 151
— Wig. 1300 waz sol mir min starker lip, und sol ich mich nu
als ein wip verligen in diesem lande hie? Svofern nur dieses
eine geschieht, ist all meine stärke nichts wert*. — Trist. 11304
er wcere tumber danne ein kinty unt vcehte er mit dir umbe den
wint. — Wig. 2626 deiswdr so diAht ir mich ein kint, unde weit
ir den bestdn, dem so manec biderber man an riterschaft des
prises jach. — Wig. 3932 daz wcere ein slac aller miner eren, und
soldich (oder, wol besser, mit C woldich) von im keren sit ich
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTlOiN UNDE 157
nä(h riterschefie vor. — Hausen MFr. 53, 4 mich diuhte ein gewin,
unt tcoUe diu guote wizzen die not, diu wont in minem muote. —
Reinroar MFr. 152, 20 mich müel, und sol im iemen lieber sin. —
Uadlaub MS ii 191a und vröutet ir noch minen Hp mit iuwerm
holden ^ruoz, so kcBme ich gar üz leide, dar inne ich sterben
mmoz, ir{n) tuot mich sorgen buoz^.
Dieseo &i\\en Dur in gewissem sinne verwant sind endlich
zwei beispiele, wo eine aussage von allgemeinem Charakter giltig-
keit erhält dadurch, dass sich eine einzelne ergänzende bedingung
erfdlll: Freid. 80, 15 wol im wart der vil gereit, unt weiz er
reble was er seit : *wofern er nur weifs . . .' — Biler. 551 swä
noch füere alsam ein gast, und haste er dar zuo wisen muot, die
naktselede möhten werden guot. hier liegen mischungen vor : *wol
dem der viel redet und genau weifs was er sagt' sowie *ein gast
der IQ eben solcher läge wäre und obendrein verstand hätte';
die beiden zweiten glieder werden aber gleichzeitig hypothetisch
gesetzt
Aus den bisherigen darlegungen ergibt sich von selbst, dass
die conditionalen Vordersätze mit und an der spitze eine Unter-
abteilung der gewöhnlichen conditionalsätze darstellen, infolge
dessen kann man in all den gebrachten beispielen das und
streichen, ohne dass sich der tatsächliche inhalt der gedanken
irgendwie veränderte : aber die präcisere Fassung derselben wird
dadurch vernichtet, indem man nur das erstere beobachtete, ist
man zur meinung gekommen, und stehe in diesen fallen ^pleo-
oastisch'. dass das irrtümlich war und dass die oben betonten
unterschiede würklich vorhanden sind, lässt sich leicht durch eine
gegenprobe erweisen : wenn die salze mit und nur eine kleine
gruppe der gewöhnlichen condilionalsätze bilden, dann muss es
uomOglich sein, sämtlichen Sätzen der letzteren art ein und
hinzuzufügen, ebenso wie im nhd. zwar jedes ^wofern nur' durch
ein *wenn' ersetzt werden kann, nicht aber umgekehrt, die rieh-
tigkeit dieser erwägungen lässt sich durch beispiele leicht er-
weisen. Er. 92 wilt du deich dichs erläze, so rit dine sträze und
hebe dich der sunnen haz. hier geht einzig und allein ^wenn • . .
so' an : 'du brauchst nur zu wollen dass ich dirs erlasse, und'
wäre ganz unmöglich, man halte zu diesem beispiel als gegen-
* hierher auch Trist. 16372 owS, owS, und frö'uwe ich mich! wie tuon
ich ungetriuwe so, wo der gedaoke ebeDfalls conditional ist.
158 KRAUS
stück Walthers ich Hh dir einz, unt wiüü daz. — Er. 576 der
held erklärt, dass die armut Eniteos kein hinderois sei für seine
brautwerbuog : ir armuot hcßr ich iuch klagen : der suü ir stille
gedagen, ez schtidet iu nicht gegen mir, wand ich ir guotes wol
enbir. auch het ich einen swachen muot, nasm ich für minen
wiUen guot : 'ich brauchte nur geld zu nehmen, und ich hätte
einen schlechten Charakter' wäre ganz unmöglich : 'wenn . . so'
ist allein richtig, man vergleiche damit etwa das oben gebrachte
beispiel aus dem Wig. : 'ich brauche mich nur wie ein weih zu
verliegen, und meine ganze stärke ist nutzlos'. — Er. 5467 hat
dirre man ritters namen, so möhtent ir iuch immer schämen : 'falls
der (von euch so unwürdig behandelte) mann dem ritterlichen
Stande angehört, so gereicht euch das zur schände'; dagegen 'er
braucht nur ein ritter zu sein, und es gereicht euch zur schände'
gäbe hier gar keinen sinn. — Iw. 538 sl dir nü verre oder bi kunt
umbe seihe wäge iht, daz verswic mich niht. — ebenso Iw. 2800
wizzet ir iender hie bi eine stat diu mir gevellic si ... des be-
wiset mich. — Parz. 7, 28 het ich dar inne mer getan, etswä
man min gedashte. — Parz. 50, 12 ich muoz des eime tiuvel
jehen . . . : het er den pris behalten so din lip, für zucket gcBzen
in diu wip. — Parz. 56, 29 wil er wider wenden, schiere sol ichz
enden. — Parz. 81, 8 wcere worden der tumei, so wmre verswen-
det der walt. — Parz. 170, 23 ist hoch undhwht sich iuwer art,
lät iuwem willen des bewart, iuch sol erbarmen nötec her. —
Parz. 230, 28 sazte tiuch verre dort hin dan, daz wäre iu al ze
gastlich. — Parz. 356, 22 het den erzogen Gumemanz. so wcbt
sin pris gehwhet gar. — Parz. 585, 5 frou minne, weit ir pris
bejagen, möht ir iu doch Uzen sagen, iu ist an ire dirre strit. —
alle diese fälle, die sich ins ungemessene vermehren liefsen,
würden unde nicht dulden, weil die bedingungen, die oben
für die zulässigkeit des unde angegeben wurden, nicht vorhanden
sind, so dürfte es an jener stelle des Parz. (50, 12) nicht heifsen:
unt het er den pris behalten so din lip; denn die in diesem satze
ausgesprochene bedingung ist die einzige, die überhaupt not-
wendig ist, damit der nachsatz realisiert werde; und weil sie
dies^ nicht etwa das endglied einer reihe nicht ausgesprochener
anderer bedingungen ist, so ligt für den dichter keine veran-
lassung vor, unde zu gebrauchen, das immer nur dann steht, wenn
der gedanke des redenden sich Ober die eine genannte bedingung
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION UN DE 159
bioaus auch auf andere bediDgUDgen erstreckt, die entweder be-
reits gegeben sind, oder deren es in dem vorliegenden falle nicht
bedarf, der schwerpunct des gedankens ligt eben an dieser stelle
Didit darin, dass ein teufel nichts anderes zu tun brauchte, als
so tapfer zu sein wie P., damit ihn die weiber vor liebe fräfsen,
sondern einfach darin, 'wenn selbst ein teufel so tapfer wäre,
so wurden usw.'. dagegen könnte natürlich und stehn in einem
Vordersatz wie 'ich wQrde einem jeden meine liebe schenken,
wofern er nur so tapfer wäre wie P.' hier richten sich eben die
gedanken auf andere bedingungen, die nicht erfüllt zu werden
brauchen (*er braucht nicht klug, nicht jung, nicht reich usw.
zu sein').
Aus den bisherigen darlegungen ergibt sich von selbst, dass
ganze kategorien von bedingungssätzen die hinzufügung eines und
nicht vertragen, so vor allem die sog. 'höflichen' bedingungs-
sätze. denn da die in solchen salzen enthaltene bedingung gar
nicht ernsthaft als solche gemeint ist, so war es absurd, sie als
einzige deren erfüllung noch aussteht, oder als einzige die in
diesem speciellen fall nötig ist, damit die aussage des nachsatzes
realität gewinne, noch in besonderer weise hervorzuheben, es
steht daher in solchen föUen immer nur die einfache form des
condicionalsatzes : Parz. 26, 3 saget mir, oh trs ruochet. — 263^ 30
ruBchi trs, si täten strites schin. — 270, 1 ruocht irs, si sol «n-
sekuldic sin. — 369, 13 (fen nenne ich tu, geruochet irs. — 47, 21
gebietet ir, so lät in min geniezen, senftet sinen pin. — 59, 27
gdnei ir, so ist ez tßdr. — 535, IZ op mirs iuwer munt vergihty
so brich ich miner triuwe niht. — 695, 7 toelt irs jehen, deist
ParziväL — 649, 21 jd, herre^ ob ir wellet, zer vreude er sich
gesellet. — 682, 11 dd tioas, toelt ir glouben mirs, der kläre her-
tiout. — Wh. 15, 4 ob ir miers geloubt^ so wil ich zieren diz mcere
wni den vieren. — Walth. 74, 26 obe ir mirs geloubet, daz müest
üf iuwer houbet. — den unterschied zwischen solchen höflichkeits-
phrasen ohne und und anderen fällen, wo und steht, verdeutlicht
trefifend ein vergleich der stelle Parz. 359, 28 mit Hausen MFr.
46, 2. im Parz. ist die rede davon, dass der von Obie höhnisch
abgewiesene üebhaber Meljanz unter ihren äugen tapfer gestritten
und erfolge errungen habe; da heifst es nun, mit einem ironisch-
höflichen condicionalsatz: da ist mir gewannen danne verlorn ..
wils jehen frou Obie 'wenn sies gnädigst zugestehn will'; ganz
160 KRAUS
unpassend wäre hier : 'sie braucht es nur auch zuzugeben', da-
gegen die stelle bei Hausen lautet: si darf mich des zihen niet,
ichn hete si von herzen liep. des mohte si die wdrheit an mir
sehen, und wil sis j'ehen : hier ist die Übersetzung 'sie braucht es
nur auch einzugestehn' vollständig am platz K
Bisher sind lediglich beispiele vorgeführt worden, die einen
positiven Vordersatz aufweisen, ist die bedingung dagegen negiert,
so bedeutet unde, dass, wenn nur diese eine bedingung nicht
eintritt, die im hauptsatz berichtete tatsache unter allen um-
ständen realität gewinnt, die gründe, die den redenden veran-
lassen, die Singularität der bedingung besonders hervorzuheben,
sind wider dieselben wie bei den positiven Sätzen, immer denkt der
redende an eine reihe anderer bedingungen, die unter sonstigen
umständen gleichfalls die realisierung der tatsache des nachsatzes
hätten herbeiführen können, die aber in dem speciellen fall da-
für gar nicht in betracht kamen, sei es, dass sie diesmal nicht
nötig waren, oder dass sie bereits gegeben vorlagen, also nicht
ausdrücklich gesetzt zu werden brauchten, das letztere ist der
fall Iw. 561 waz vnimt ob ich dir mere sage? ich weiz wol,
unt bistü niht ein zage, so gesihestü wol in kurzer vrist selbe
waz diu rede ist : 'du brauchst nur kein feigling zu sein, und du
wirst dich bald durch den augenschein überzeugen'; alles andere
was notwendig ist, damit er sich würklich überzeuge, ist bereits
gegeben und tritt mit mathematischer Sicherheit ein, wenn es
durch dieses letzte glied ausgelöst wird. — der zuerst angegebene
grund für die setzung des nachdrücklichen unde ligt vor in fol-
genden fallen : Mst. Gen. 16, 8 ich hetis (die verbotene fruchi)
^ daraus ergibt sich, dass Er. 3515, wo die hs. bietet er sprach ^herre,
und warez in niht leit, ich frdgete iuch mtere war iuwer wille ware\
nicht mit Haupt blofs das er sprach zu tilgen, sondern auch und in en
zu ändern ist, wie schon Bech Germ. 7,448 vorschlägt, der noch auf £r.
3734 {herrCy wmr ez in niht leit) und auf Iw. 6304 (er sprach^ enwarez
tu niht leit, nur Ea t/A, A ne, die übrigen bss. ohne en) verweist, freilich
will Bech er sprach belassen und herre tilgen : dass das falsch und die
lesung ohne 'inquit' und mit en st. und allein richtig, wird schon durch die
entlehnung bei Wirnt sehr wahrscheinlich gemacht, wo es heifst (88,40):
herre, enwcere ez iu niht leit, ich fraget iuch gerne mare, war iuwer
Wille wtere, vgl. noch Parz. 774, 23 fi wurbenz, wcerez im niht leit. —
das beifügen des unde ist eine unart späterer Schreiber, denen dieses unde
bedeutungslos geworden war.
Ober die mhd. conjünction unde lei
nie enbixzen und hete siz i niht gezzen : alle anderen bedio-
guDgen, die Adam zum genuss des apfels hätten veranlassen können,
begierde, ungehorsam gegen Gott, nachgiebigkeit gegenüber dem
teufel, waren nicht vorhanden : Eva hätte ihm nur nicht mit
bösem beispiel voranzugehn gebraucht^ und ... — ebenso Trist.
17951 ez ist ouch noch min vester wdn^ Eve enhcBt ez nie ge-
tan, und enuxBre ez ir verboten nie. — Trist, 211 von den diz
semem(Bre seit^ und hceten die durch liebe leit^ durch herzewunne
iemedez klagen in einem herzen niht getragen, sone wmr ir name
und ir geschiht so manegem edden herzen niht ze scßlden noch ze
liebe körnen : 'alles andere hätte sie nicht berühmt gemacht als
das eine; sie brauchten nur dieses nicht getan zu haben, und . . .'
— Trist. 5821 nü uxBre uns michel baz geschehen, und hasten wir
iuch nie gesehen. — W ig. 2103 unser fröude wcer enwiht und
kiete wir der wibe niht : 'es brauchte sonst nichts weiter als dass
€s keine frauen gäbe, und'. — Frauend. 352, 19 einz ich von ir
gehceret hdn, und wenkstü an ir dienste niht, daz dir noch liep
geschiht. — Berthold vRegensburg 1, 340, 19 owe, ir unsceligen
tiuvel, unde hwtet ir den list niht funden (dass der mensch den
Sünden dient), so ist hiute niendert kein mensche vor minen ougen,
icA woüez dem almehtigen gote antwurten^ ez wcere halt wuocherer
oder fürkdufer usw. — ebenso 341, 21. auch hier überall kann
der redende auf die gröfsere präcisierung des gedankens, die durch
%nde erzielt wird^ verzichten und conditionalsätze ohne unde ge-
brauchen, aber nicht umgekehrt : durchaus nicht jeder negierte
Vordersatz verträgt die beifügung des unde. so wäre zb. unde
ganz unmöglich Greg. 2697 engezzent in die wolve niht, daz aber
vil lihte geschihty so muoz er da ungdz ligen und aller gndden
verzigen : denn der sinn 'die wOlfe brauchen ihn nur nicht zu
essen, und . . .' ist ausgeschlossen. — Iw. 1837 er bat mich iu
daz sagen, daz . . . der künec Artus wil zem brunnen komen mit
her. enist dan niemen der in wer, so ist iuwer ere verlorn, auch
hier ist einfache constatierung 'wenn . . ., so' das einzig
angemessene, 'es braucht nur niemand da zu sein^ und . . .'
wäre an sich denkbar, aber in diesem zusammenhange unpassend.
— Iw. 4899 doch wwre diu eine magt dd wider schiere verclagt,
wider dem schaden der hie geschiht, gieng ez mir an die triuwe
nibt. wer die stelle im zusammenbang list, wird nicht im zweifei
sein, dass ^es brauchte nur nicht gegen meine ehre zu sein,
162 KRAUS
und . . / auch hier ganz unaogemesseo wäre. — ebenso Wh.
160, 4 Wirt nu niht von ir geklaget diu dürren herzebwren ser
. . ., fr sol getrüwen niemer man.
Wer die beispiele mit unde im negierten Vordersatz vergleicht
mit den früher gegebenen, wo unde im positiven Vordersatz steht,
der wird in bezug auf die häuflgkeit des Vorkommens ein grofses
misverhältnis constatieren : so häußg positive, so selten sind ne-
gative Sätze mit unde (78 : 9). es erklärt sich das daraus, dass
die letztere conslruclion schwerfällig ist. verzichtete man des-
halb darauf, den gedanken so prägnant zu formulieren? keines-
wegs, die spräche hat hier vielmehr, soweit es sich um tat-
sachen, nicht um möglichkeiten handelt, ein adäquates und
kürzeres ausdrucksmittel in u>an daz mit folgendem positiven
satz. man sehe stellen wie Iw. 2967 er hele geweinet benamen,
wan daz er sich muose schämen, es hätte nichts gebraucht, als
dass ihm das Schamgefühl keine rücksicht auferlegte, und er hätte
geweint, widerum sind andere Vorbedingungen, seine traurige
Stimmung, das bedürfnis zu weinen^ gegeben : so bedurfte es also
nur noch des hinzutretens der möglichkeit, es zu tun, ohne un-
männlich zu scheinen, und er hätte würklich geweint, hier
könnte es also umständlicher ebensowol heifsen : unde ne müese
er sichs niht hän geschämt, dasselbe trifft für alle wan e/os-sätze
zu^ man sehe zb. die reiche liste im Mhd. wb. in 487 f. daher
lassen sich natürlich auch die oben citierten sätze mit unde niht
in wan (fa^^-sätze umwandeln, ohne dass der sinn geändert wird :
Mst. Gen. 16, 8 könnte auch lauten : ich hetis nie enbizzen, wan
daz siz 4 hat gezzen. und so bei allen jenen salzen : nur dass
natürlich in der stelle Iw. 561 aus der annähme eine tatsache ge*
macht werden müste — denn nur für letztere gilt wan daz —
also etwa : er mohtez selbe hän gesehen, wan daz er ein zage was.
— natürlich gilt ebenso das umgekehrte : für alle positiven sätze mit
und, soweit sie talsachen, nicht annahmen enthalten, könnten ne-
gierte Sätze mit wan daz eintreten, ohne dass der sinn an präg-
nanz verlöre, so könnte es also statt der fassung mit und in der
stelle des Frauenbergers MS i 37 a (s. o. s. 155) nu sunge ich vil
gerne und hulf ez mich iht auch heifsen : nu sunge icA vil gerne
wan daz ez mich niht enhilfet oder statt : die vogel alle sint der
sumerwunne vrö : reht also tCBte auch ich^ unt lieze ein ander
swfBre mich (Stamniheim MS ii 56 a) ebensogut . . . wan daz
OBER DIE MHD. CONJUNCTION UNDE 163
mek ein ander swigre enlät; wie es auch wUrklich im Iw. 198
beifst : in der werlde ist manec man . . . der gerne biderbe wcere,
wan daz in sin herze erdät. — aber wie die spräche den posi-
ÜTeo ausdruck mit wan daz bevorzugt vor der negativen wen-
dong mit und . . . niht, so wendet sie hier lieber die positive
mit und an, statt der negativen mit wan daz niht : daher sind bei-
spiele für letzteres verhüllnismäfsig selten, den 43 belegen, die
dbs Mhd. wb. aao. Tür wan daz gibt, stehn nur 6 für wan daz
Mtftf gegenüber 1; ebenso stark ist der unterschied der zahlen bei
den TOD Erbe aao. s. 17 f verzeichneten stellen: es stehn 32 po-
sitive Sätze gegenüber nur 2 negativen.
Im grofsen und ganzen kann man also sagen : sobald der
Vordersatz eine tatsache enthält, wird bei position dieses satzes
unde gebraucht, bei negation dagegen wan daz, weil die gleich-
bedeutende ausdrucksweise mit wan daz niht im ersten^ mit unde
nüU im zweiten fall umständlicher wäre.
Wie aber, wenn der Vordersatz keine tatsache, sondern eine
annähme, bedingung, Voraussetzung enthält? auch hier war unefe
bei Position massenhaft zu belegen, während nur ein einziges
beispiel (Iw. 561 unt bistu niht ein zage) unde mit negation auf-
weist, wodurch drückt also die spräche geüanken der letzteren
kategorie aus? natürlich durch die exceptivsätze. besagen die
positiven Sätze mit unde, dass nur eine einzige bedingung erfüllt
zu werden braucht, damit die aussage des hauptsalzes realität ge-
winne, so besagen die negativen exceptivsätze, dass nur eine
einzige bedingung nicht erfüllt zu werden braucht, damit die
aussage des hauptsatzes realität gewinne, und so wie es hier ein
umweg wäre, dieses Verhältnis durch unde niht auszudrücken,
also zu sagen, ^etwas geschieht, wofern nur etwas anderes nicht
geschieht', so wäre es dort ein umweg ez enwcere daz niht zu
gebrauchen, also zu erklären ^elwas geschieht, es wäre denn, dass
etwas anderes nicht geschieht', somit ist unde bei position, ez
tnwcere daz bei negation das gebräuchliche, theoretisch denkbar
aber wäre auch unde niht für alle fälle, wo die excep-
tivconstruction gewählt ist : also für Iw. 2931 er kceme wider, . . .
esn lazte in ehaftiu not könnte es auch heifsen und enlazte in niht
ehaftiu not. wenn Hartmann diese construction würklich einmal
^ zwei belege sind verdruckt (Nib. 1701,4 st. 701,4 und Walih. 117,7
it 117, 17).
164 KRAUS
anwendet {und bistü niht ein zage), so sind wol stilistische gründe
mafsgebend : *(iu ensist ein zage wäre an dieser stelle nicht mög-
lich, und *ez ensi, daz du . . , sist zu schleppend, umgekehrt
kann man auch alle salze mit positivem unde (mag es 'nur*, s. 151,
oder ^überhaupt', s. 156, bedeuten) in sätze mit ez ensi (enuxBre)
daz niht verwandeln, soweit sie nicht tatsachen enthalten (wo
wan daz niht eintreten müste). also zb. statt Roth. 1953
'ich würde ihn gerne sehen, unde mochtiz mit gevöge gesehen^ könnte
gesagt werden : *ez enwcere daz ez niht mit gevöge möchte gesehen,
usw. — die exceptivsätze unterscheiden sich also von den ge-
wöhnlichen negierten conditionalsätzen genau durch dasselbe (den
nachdruck, mit dem die Singularität der bedingung hervorgehoben
wird) wie die uiKie-sätze von den gewöhnlichen conditionalsätzen.
und die psychologischen gründe, die den redenden veranlassen,
die Singularität der bedingung ausdrücklich hervorzuheben, sind
ganz dieselben wie bei jenen und-säUen, nämlich in erster linie
dass zwischen dem allgemeinen Charakter des hauptsatzes und
dem speciellen der bedingung ein grofser contrast besteht, des-
halb findet sich auch diese construction meist nur, wenn der
hauptsatz negativen sinn hat^ (oder eine frage, ein al, iemer udgl.
enthält) : weil solche Sätze vollständig allgemeinen Charakter tragen,
daneben finden sich aber auch exceptivsätze, deren hauptsatz ein
so ausgesprochener allgemeiner Charakter nicht inne wohnt, in
solchen Sätzen wird die Singularität der bedingung deshalb be-
sonders hervorgehoben, weil, ganz wie bei dem andern teil der
unc^-sätze, die gedanken des redenden sich noch auf andere be-
dingungen erstrecken, die sonst auch in betracht kämen, in diesem
i^pecielien falle aber bereits erfüllt sind, sodass die ausdrücklich
erwähnte bedingung wider nur letztes glied einer ganzen be-
dingungskette bildet, wenn es zb. heifst (Nib. 164, 4) welln si
midi ab suodien her in miniu lant, mim zerinne friunde, in wirt
arbeit bekam, so ist hier eine reihe von bedingungen (Günthers
entschlossenheit und föhigkeit, gegen die Sachsen zu kämpfen)
bereits als gegeben gedacht : und es braucht also nichts mehr,
* Wackernapel Fundgr. 1 278. W.s crklärung für diese tatsache mo-
tiviert nur auf treffliche weise, warum in solchen fallen einfaches ne ge-
nügt : gibt aber keinen Innern grund an, warum nach negativem hauptsatz
die spräche neben den gewöhnlichen negierten conditionalsätzen noch ein
besondres ausdrucksmittel entwickelt habe.
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION ÜNDE 165
als das8 seine freunde ihn nicht verlassen, und die Sachsen werden
zo tun bekommen! — ebenso Iw. 7330 ez gienge denriteman
iax leben^ ir einem ode in beiden, sine wurden gescheiden : schon
der Torhergehnde kämpf hat gelehrt, dass die beiden so tapfer,
so stark und so entschlossen sind, dass der kämpf mit tOtlichem
ausgang enden muss : so braucht man sie also nur nicht zu
trennen, und das würde würklich eintreten, und so in vielen
anderen föllen. — daher versteht es sich auch von selbst, dass
die exceptivconstruction in gewissen kategorien von bedingungs-
sätzen nicht angewendet werden kann: so vor allem wider bei
den ^höflichen' : so häufig die wter ez tu niht leit sind, einem
tx enwcgre iu leit wird man kaum begegnen, aufser wo es einen
tieferen als den blofs höflichen sinn hat. dann dort, wo der con-
ditionalsatz einen weiteren inhalt, der hauptsatz den engeren hat,
wie Parz. 560, 1 toelt ir niht erwinden^ mir und minen kinden
getchaeh 8Ö rehte leide nie^ ob ir den lip verlieset hie : wenn er
von dem wagnis nicht absteht und dadurch seinen tod findet, so
kann ihr mehr, oder weniger, oder gar nicht leid sein udglm. ; nicht
aber lässt sich das Verhältnis umdrehen : sondern er muss unter
allen umständen sterben, damit der kummer der anderen in rea-
litat treten kann, solche Sätze vertragen natürlich keine darstel-
Inng in der form der exceptivsätze : denn es wäre absurd zu sagen,
eine tatsache werde, einen einzigen fall ausgenommen, sich rea-
lisieren, wenn dabei eben dieser fall notwendiger weise eintreten
moss, damit jene tatsache realisiert werden kann.
Überschaut man am Schlüsse des 1 abschnittes angelangt die
gesammelten beispiele, so findet man unde nirgends in der func-
tion einer die Wortstellung bestimmenden conjunction. der con-
dicionale Charakter des bedingungssatzes ist durch die fragende
Wortstellung an sich ausgedrückt, unde hat auf die Stellung keinen
einflass. das hat schon Paul (Beitr. 5 , 48 f) richtig hervor-
gehoben, an einzelnen stellen, wo man unde diesen einfluss zu-
schrieb, sind immer andere deutungen möglich oder nötigt.
* einige beispiele hat schon Paul richtig gestellt andre ßUe sind:
Isidor 47, 10 (et qui generationem ceteris tribuo, sterilis ero?) enti ih an-
{drem gt]bu %a beranne, scuH ih uueta\n . . .]? dass Tomanetz (Relativ-
sätze s. 40) hier mit unrecht conditionales enti annimmt, hat Rannow
(Satzbao des Isidor s. 43 f) überzeugend dargelegt, kennt doch die gesamte
ahd. litteratnr überhaupt kein enti im condilionalsatz , geschweige denn als
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXD. 12
166 KRAUS
2. VNDE LEITET DEN CONCESSIVSÄTZ EIN.
Litteratur : Cordes aao. § 279; Roelteken aao. §31;
Mensing Untersuchungen Ober die syntax der concessivsätze,
Kiel 1891, § 21; Kuhlmann Die concessivsätze im Nibelungen!,
u. in der Gudrun, Kiel 1891; Tomanetz Anz. xviii 201.
In den concessivsätzen wird der gedanke ausgedrückt, dass
eine bestimmte tatsache oder annähme realitat hat oder gewinnt^
obwol eine oder mehrere andere tatsachen oder annahmen dem
conjuDctioo. — ebenso ist eia fall, den Kinzel zu Alex. 4514 bespricht, an-
ders zn erklären : man lese mit geänderter interpunction : t% com«< dick»
%e fromen, daz der hSre $tne man xe n6te tool getrosten kan unde willi-
get mit dem gute — daz machet in (den mannen) stolz gemüte, — und
er wider ti {ist Wackernagel] eüze mit minKchem grüze und er ze vor'
derist an den scaren e0i here selbe tar bewam, — nebst diesem beisptel
fuhrt ferner Jellinek (Hero nnd Leander s. 83) an Trist. 13721 und 19504.
die erstere stelle (die auch Rotbe aao. s. 11 misversteht) lautet: der zw^el
unde der arcwän, den er zem neven solle hän, der töte in zallen stunden,
und in ouch unerfunden und unervaren hate dn aller slahte unttete, hier
ist zu und . . . hwte ein getan (wie in den von Haupt zu MFr. 80, 15;
zu Er. 9455; Grimm Gr. nr 137 nacbtrag; Kraus zu Hzt. 258 angeführten
fallen, s. auch Geo. 5256) zu ergänzen : *nnd hatte ihn auch getötet, wenn
er nichts wahrgenommen hätte*, unervunden und unervaren sind parti-
cipia prät. mit activer bedeutung, Grimm Gr. it 70 f; Lachmann zu Nib.
1723,4; Hahn zu Stricker 8,38; zu MFr. 84,4; Roethe zu Reinm. ii 73,9.
112, 4. — an der andern Tristanstelle ligt sog. concessives unde vor,
worüber weiter unten zu sprechen sein wird, somit muss für jene verderbte
stelle im mhd. gedieht von Hero und Leander eine andre bessernng gesocht
werden; ebenso für die erganzung Hzt. 864 f, die ich Anz. xvii 28 vorge-
schlagen habe, s. etwa Schröder Anz. xvii 300; Roediger Zs. 36, 263. —
ein fall bei Nicolaus von Basel muss schon deshalb aufeer belracht bleiben,
weil das fehlen des pron. personale bei der annähme von conditionalem und
unerklärlich wäre, s. Cordes aao. § 226. — aus demselben gründe kann
die stelle aHeinr. 1088 nicht in betracht kommen : ich ziuhe dich Hz rehte
bl6z und wirt din schäme harte gröz^ die du von schulden danne hast
unde nacket vor mir sldst, es ist ein beispiel för lässige Verbindung, wie
ein ähnliches etwa Parz. 139, 12 bietet : er fuort ouch dannoch beidiu phant
diu er von Jeschüten brach unde ein tumpheit dd geschach; ebenso
Credo 11 19 f. — zwei beispiele, die Roelteken aao. § 49 aus Berthold an-
gibt, gehören auch nicht hierher (beim ersten, i 552, 5, bleibt die stelle trotz
annähme des conditionalen unde ungebessert). — endlich im Wilden Alex.
MSHiii27b, wo Paul dieses «nife Haupl zuzugestehn geneigt ist, muste
Haupt Wirt für werde der hs. lesen; ich schlage vor : unt [woU\ wir nu
niht 6sen wol, unser schif wurd finden vol. — so bleibt also nur Neifen
22, 29 bestehn : aber dieses lied ist nur in C äberiiefert.
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION ÜNDE 167
bindernd entgegeostehn. fassen wir zuerst die fälle ins äuge,
wo es annahmen sind, die entgegensteho. dabei sind (ganz
wie bei den conditionalsätzen , s. o.) folgende fälle denkbar, es
kann nur ^ine, es können aber auch mehrere annahmen sein :
ist nun das letzlere der fall, so kann der redende sämtliche ent-
gegenstebnde annahmen anführen ; oder er kann aas einer grofsen
reibe solcher annahmen eine einzige herausgreifen; das muss dann
■atorgemäls diejenige sein, die der realisierung der annähme im
haaptsatz von allen annahmen am stärksten widersteht, im erste-
ren falle steht die gewöhnliche form des conditionalsatzes (mit
fragesatzstellnng, oder mit ob); im zweiten steht widerum das
charakteristische unde mit fragesatzstellung. im nhd. können wir
die Gonstniction ebenfalls mit 'und (wenn)' widergeben oder mit
'selbst wenn, wofern selbst', beispiele sind zahlreich : Eilh. 4068
mmd wusie ick daz man mteft pinge und hinge midi als einen dib,
ffcft enUzez doreh die quäle nU. — Trist. 2373 (5t) leiten an ir
Üp 9Ö jamerliche klagenöt, und wcsre er vor ir ougen tot, daz in
Hu $dbe 9W(Bre niht näher gangen wcere. — Wig. 4350 ez wirt
mir ein vil siUziu not, und soldich durdi si ligen tot, die idi ze
frmiwen hän erkom. — Nib. 604, 3 tuo ir 9waz du wellest, und
nitmesi ir den Itp, daz sold ich wol verkiesen. — 2196, 2 und ob
tdk hiute sähe tot den vater mtn, mir enwurde nimmer leider denn
nmbe einen lip. — Hausen MFr. 55, 5 des ist er von mir gewert
aOes swes sin herze gert, und solle ez kosten mir den lip. —
Honberg MS i 24 a uiU solt ich drumb verderben, ich diene ir alle
He wile ich lebe. — Nie. vBasel 236, 23 ich wil mich alzuomole
geite lossen, und solle ich dorumb einen bitteren tot liden, — Eilb.
3762 du sali bi mir sin alle wege . . . und zurizzen sie sich alle
vor leide. — Hausen MFr. 54, 29 ich wil tuon den willen sin, und
w€ere ez al den friunden leü, diech ie gewan. — Reinmar MFr.
159, 26 dem ich ze dienste, unde wctre ez al der werlde zom,
wmoz sUn gebom. — Trist. 9299 und hmte es al diu werlt ge-
swom, em wirdet niemer din man, — Eckenl. 186, 7 und bistuz
joch der tiuvel ikz der helle, du muost mir siges jehen doch. —
Virg. 651, 12 wir geben in allen kämpf es gnuoc, und wcerens ouch
des tiuvels kint. — Hadamar 190 daz tcet ich, und wcer offen mir
diu helle. — Nib. 159, 1 swenn iwer starke vinde ze helfe möhten
hin drizec tüsent degne, so woldich si bestän, und het ich niht wan
tüsent. — Nib. 406, 2 nu teilt swaz ir gebietet, und wares dan-
12»
168 KRADS
noch mer, ich besiümdez aUez durch iwren sehomen Up, — Nib.
1066, 1 ntide war Hn tüsmi siunt noch alse vä geweten, nnde
$olde Sifrxt gauni sin genesm, bt im wäre Krimhüt hendeblöz 6e-
ttän (eiD habsches beispiel, weil es beide tmde nebeneiDander
bietet : das erste bedeutet ^weno selbst', das zweite ^wofern nur*).
— Kudr. 1286, 2 und ob du tiUent sabene hate$t mir verlorn, die
woUe ich verkiesen. — Kudr. 1256, 2 und hat iA tüsent swester,
die lieze ick sterben e. — En. 12899 went an minen jongesten
dach, ende solde ich leven diisont jär. — Iw. 3485 esn dühtes
dannoch niht genuoc, und wcsr ir sehsstuni mi gewesen. — Iw.
6340 die sint abö manhaft^ und hetet ir sehs manne kraft, daz
wäre ein wint wider in. — Iw. 1847 und weer ir aUer vrumek-
heit an einen man gdeit, dazn wcer noch niht ein vrum man. —
Virg. 151, 4 und trüegest risen kraft an dir, so kanstu küme ent-
rinnen mir. — Wh. 262, 14 unde ob dL Todjeme Aräbie und
Ar6hi . . . mir ze dienste wcem benant, da bevilh ich allez iwerr
hant. — Trist. 18212 undwcere ein werc von ere und von golde,
ez endorfte . . . niemer baz gefHeget sin. — Hadamar 416 so mäht
du sin der arme, und wcer din al der Kriechen hört von golde. —
Berthold i 524, 14 unde daz man im ein künicriche drumbe gäbe,
swanne er zomic ist, em Icet sin niht. — Nib. 1063, 2 und ob
man al die weite hete versolt, sin wcere minner niht einer marke
wert. — Had. 549 und wceren halt die besten hunde min, si würden
da ze nihte. — Er. 356 und woer daz got hien erde rite, ich
wcen in gnuogte da mite^ ob er solhen marstdllare hmte. — Er.
650 ich läze iuch hiute schouwen . . . und war si nacket sam ein
hant, . . . daz mich sper unde swert volles lobes an ir wert. —
Berthold i 241, 14 und täte ein mensche alle tegeliche sünde, ez
enfHere dar umbe ze helle niht. — Berthold i 318, 8 unde swer er
dir als vil eide ak unze an den Atme/ geligen mühte, du soU ir
niht nemen. — Nicol. vBasel 120, 34 und hatte ein mensche aller
der menschen sinne, die in der zit sint, es müeste nochdan nUt
das allerminneste nüt begrifen. — x Eilh. 4236 ich wine, und süA-
tin sie in noch^ sie envundin sin doch nit, — Iw. 770 swie niugeme
ich anders si^ unde saz ich iemer da 61, ichn begüzze in niemer
mire. — Walth. 33, 33 es war ze vil und täte ein tumber leie
daz. — Eckenl. 169, 2 und wärest du noch niendert umnt, an
dir lag lützel iren. — Virg. 623, 5 wir wellen niemer gar ver-
zagen, und warens joeh von Saksen oder von Priuzen her bekamen.
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION UNDE 169
— Trist. 18600 ine ruoche, und ist mir iemer w4K — Pseudo-
Gottfried MS ir 184 b kint, unt welle dich gelücke mtden, so daz
dir got armuot gebe an Übe und ouch an guote, daz soUü gedul-
tAliche liden^ und ensoü dar umbe hän kein trüren in dem muote,
Natflriich wird das bedürfDis, die entgegeostehnde anDahme
in der angegebeDen weise hervorzuheben, auch dann bestehn, wenn
die anDahme^ die der redende stillschweigend daneben ins äuge
fasst, das gegenteil der ausgesprochenen, also eine für die er-
foUoDg des hauptsatzes weniger oder gar nicht ungünstige an-
nähme darsteliu Vorbedingung dafür ist, dass von der günstigen
annähme vorher die rede war, sodass sie dem redenden im geiste
gegenwärtig ist wir pflegen im nhd. solche Verhältnisse durch
^enn auch', 'selbst wenn' auszudrücken, als beispiele können
dienen : Nib. 156, 2 Nu lön iu got, her Sifrit. diu rede dunct
mich guot. und ob mir nimmer helfe iur eilen getuot, ich fröu
mich doch der mcere, daz ir mir sit so holt, eben hatte Siegfrid
dem kOnig gesagt, ich sol iu helfen wenden elliu iuriu leit : den)
antwortenden kOnig schweben also zwei annahmen vor, von denen
er nur die ungünstigere ausdrücklich erwähnt. — Nib. 1143,4
Hagene . . . sprach . . . : habt ir rehte sinne, so wirt ez wol be-
kuotj und ob sis (Kriemhilt) volgen wolte^ daz irz doch niemer
geiuot. eben vorher war die rede davon, dass Kriemhilt Etzel
heiraten solle, falls die verwanten einwilligten. — Nib. 1146, 3
ich kan vil wol bewaren daz, daz ich im kam so nähe daz ich
deheinen haz von ime (Etzel) dulten müese^ und wurde sl stn wtp,
es ist das die antwort Günthers 'auf Hagens worte : sol si in
danne minnen . . . so ist iu alreste von schulden sorgen geschehen,
— Klage 1350 ir sult och Dietelinde jehen, unt ob des niht müge
sin, so welle ich doch die niftel min gesehen, eben hatte Dietrich
verkündet, er wolle mit Rüdiger zusammen zu Dietelinde kommen.
— Klage 1042 daz soll ich pilliche tuon, und bcet ir des niht,
Dietrich, antwort auf D.s bitte. — Orto. 75,4 und werest du
mir die reise, s6 wil ich doch da hin. vorher gehn worte der
^ lehrreich ist hier wider" der aoterschied zwischen diesem satze mit
unde und andern (hei Erdmann Grundzuge i § 211) : Nib. 209 nune ruoche
iehj ist ez iemen liep ode leit. — Nib. 942 mir ist vil unmare, wirt ez
ir bekant, — Parz. 78, 12 em mochte, hetes der ander haz. in diesen
fallen ist die bedingung nicht das hemroendste endglied einer ganzen kette,
daher steht auch kein unde.
170 KRAUS
mutier, die zeigen, dass sie schwankt, ob sie ihn ziehen lassen
soll oder nicht. — Nicolaus vBasel 101,20 und $ol das war nn^
so wil i(h midi doch darumb nüt von dir scheiden.
Wenn der redende dagegen nur die üne ausdrücklich ge-
nannte annähme ins äuge fasst, ohne daneben an eine oder
mehrere andre zu denken, dann steht der einfache conditional-
satz ohne unde, so zb. Parz. 206, 27 wirt mir din meister niemer
holt, dins amts du doch geniezen soU. — Parz. 302, 27 vinde ich
nimmer von iu strit, doch sint diu lant so wit^ ich mac da arbeü
holn. — Parz. 532, 23 er ist doch äne schände, lU er in minnen
bände, — Wh. 220, 1 möhten höher sin ntl dine gote, so wolt ich
doch ze sime geböte unz an den tot beliben, der ie werden wlben
vor üz ir rehts also erbot usw.
Enthalten die concessivsätze eine tatsache (nicht eine blofse
annähme), dann werden sie durch doch oder, sobald dieses zu
veralten beginnt, durch swie eingeleitet vor diesen erscheint
(ebenso wie vor wan daz oder vor ez enwasre) niemals unde. die
erklärung dafür wird weiter unten gegeben werden.
3. UlSDE IN RELATIVSÄTZEN.
Litteratur : zu MSD 46,79; Diemer zu Erinng. 150, 1;
zu Hst. Gen. 3, 19; glossar zu Hst. hs. s. v. unde\ Grimm Gr.
III 283. ivM59. 1309f; Rehrein iii §457. 482; Lachmann
zu Iw. 1206; Tobler K. Zs 7, 353Cf; ferner einzelne stellen in
den im vorherigen angegebenen werken.
Die bestimmung, die der relativsatz bringt, kann wider die
einzige sein, an die der redende denkt : dann sieht der gewöhn-
liche relativsatz. oder die gedanken gehn neben der einen ge-
nannten gleichzeitig auf eine reihe unausgesprochener be-
stimmungen : dann steht wider unde. letzteres ist daher ange-
wendet in fallen wie jJud. 180, 27 in aller der wile und diu
frowe was en Übe, so stuont daz lant vridelichen cewäre : *so lange
sie nur lebte, war das land friedlich' dh. es war weiter nichts
nötig, als das sie lebte, und das land war friedlich, dagegen wäre
unde unmöglich in einem falle wie Nib. 759, 2 : ob ander nieman
lebete wan din unde sin, so möhten im diu riche wol wesen under-
tän : die wil daz lebet Günther, so kundez nimer ergän. wie ja
auch nhd. 'so lange nur' hier nicht am platze wäre.
Veranlasst kann der redende sein, nur eine einzige be-
OBER DIE MHD. CONJÜNCTION UN DE 171
sümmuog aasdrücklich zu nenDen entweder dadurch, dass die
»dem beräu als gegeben zu betrachten sind, oder aber dadurch,
dass er ausdrücken will, dass andre gar nicht gegeben zu werden
brauchen, dass Tielmehr die 6ine genannte allein genügt.
Ersteres ist der fall zb. an folgenden stellen : W. Gen« Fdgr.
3&, 37 er bat in daz er in gelabite mit diu und er dd habite ^was
er nur hätte'. — Mst. Gen. 80, 18 er gap in maz unde tranehj
4m in dienot er den gotee danch, er half in genöle mit diu und
er käe. — Er. 305 nü sit mir wiUekemen ze dem tmd ich nü
haben mac. — W. Gen. Fdgr. 55, 31 in eüiu diu und er tele,
so hete er guote site. — Mst. Gen. 77, 13 got gab im fransrnuat
ze allen dingen unde er bestuont. — Predigt Fdgr. i 91 , 36 der
mäze und iwer iegelicher gelceisten mege^ so irbietet miner frowen
s. Marien etiellche ire. — Mst. Gen. 3, 19 er gebot der erde daz
allez neren mit dem wuochir und si banre^ daz si dem allem vrum
mmre, — Mst. Gen. 14, 19 toan an der selben stunt^ unt ez im
dwm durch den munt^ dö verstuant sich der arme man^ daz er
ubil hete getan. — Mst. Gen. 36, 18 dei louJte si bestrouffent mit
diu und si verchouffent, — Mst; Gen. 59, 5 (ich) hän wol funten
daz von den stunden unde du zuo mir chöme unde mines dinges
phlwge, daz got durch dich mir was gencedich. — Reinmar MFr*
173, 10 doch so wil ich dienen ir mit den triuwen, und ich meine
daz, — Bit. 8428 in dem willen unde idi bin, den wil tcA iu vil
schiere sagen. — Frauend. 164, 9 si wil ouch wider niemen ein
wart sprechen, si gebiutet von dem tage und ir vart ein ende hdtj
an dem ahten tage einen tumei ze Niuwenburc. — Ls. u 198 si
ist mir nit dester gehasser, ob ich ir holdez herlze trag mit allem
dem und ich vermag. — ebenso bei die wile und : jJud. Diem.
180,27 in aller der wile und diu frouwe was en libe, so stuont
daz lant vridelichen cewäre. — Er. 4555 ouch sult ir mich ge-
niezen län daz ich iu State triuwe leiste äne riuwe al die wile
unde ich lebe. — Er. 6039 und krönde mich diu werlt al ze fro-
wen über elliu wip, so hat doch got den minen lip so unscBlic ge-
tan^ daz ich kumber muoz hän al die wile unde ich lebe, —
Trist. 1236 mäht du mir dar zuo guot gewesen, ich engän dir
niemer nihtes abe^ die wile und ich daz leben habe, — Trist. 1871
die wile unde er daz leben hat, so sol er mit den lebenden leben,
im selben tröst ze lebene geben, — Wig. 1 1 508 nü wizzet daz ich
iemer wil iu dienstes wesen underlän die wile und ich den lip
172 KRAUS
hän. — Berthold i 197, 11 wan alle die u>ih unde daz der mensche
lebet, 8Ö hat eht er frie willeküre. — Berth. i 408, 5 tcan die wile
und sie in der werlte wären ^ dö heten sie maniger hande stricke
von den jagenden; ebenso 408, 23. — Predigt Fdgr. i 126, 10
daz . . . die guoten unde die uheln sin under einander die wile
unde disiu werU stet, — jJud. Diem. 178, 19 die wile unt stät
Jerusalem, sone sol din lop niemer zegen. — Er. 5114 so kumber-
Hcher sache ergaztes mit gemache diu vil edele kunegin die wile
und daz mohte sin. — i Büchl. 1381 daz ich si gerne ervollen
sol alle wile unde ich mac. — Er. 8146 die wile und mich got
wil in siner huote hän so mac mir niht missegän. — Trist. 1755
der ere an Riwaline laCy der er nach grözen eren pflac die wile
und ez got walte, daz er ir pflegen solte : der leit was leider alze
gröz. — Trist. 11433 die wile und sitA ouch Tristan . . . bereite
unde berihte, die wile so betihte Isöt . . . einen tranc. — Nib.
1293,1 al die wile und Etzel bi Kriemhilte stuont, dö täten die
tumben als noch die Hute tuont. — Zs. 7 , 406 daz du nimmer
trinken verbirst die wile unt dich der släf lät. — Ludw. Kreuz-
fahrt 2434 die wile unde wir mit Salatine sin gefrit . , .iz dunket
wol nutze wesen mich die wile man des die muoze habe, daz ein
itslich man sich ummegrabe. — Berlh. i 136, 27 alle die wile und
er die harpfen hörte, so liez er im ruowe. — Berth. 1 182, 27 trän
die wile und daz der jungeste tac niht kamen ist, so hat niuwen
diu sele martel alleine. — Berth. i 422, 27 und alle die wile unde
ir die heiligen buoze niht ane grifet, so sit ir in der gevancnisse
des tiuvels. — Berth. 1 450, 20 und alle die wile und daz daz kleine
guot under dem grözen here was, dö muosten si des einen alle samt
engelten. — auch oacb aadern demoDstraliveo (adverbien udgl.)
Gndet sich dieses unde : Mst. Gen. 38, 10 inne diu unde si äzzen,
einer rede si niht vergäzzen. — Trist. 2651 Tristan da mite unde
er si ersach vorhtliche er wider sich selben sprach. — Trist. 16364
da mite unde ir daz hündelin ze dem aller ersten kam . . ., iesä
betrahte si daz. — Winsb. 23, 4 der man ist nach dem sinne min
dar nach und er gesellet sicL — Leyser Pred. 16,28 die zeher
reinigent den sunder. Si reinigten sant Peter, do er wceint darnach
unt er got verlouget hele. — Otto vBrandenburg MS i 5* swä
ritter unde vrouwen sint, al da mag eren vil geschehen, iedoch ist
daz vil gar ein wint da wider und ich min liep mak sehen. —
Er. 4270 swaz Erec not unz her erleit, daz was ein ringiu arbeit
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION UNDE 173
Mnde gar efn kindes spil da wider und (hs. umb) ich iu sagen wil
daz im ze Hden noch geschach : 'gegenüber dem, wie ich euch nur
sagen will, was ihm noch durchzumachen bevorstand'. — Berlh.
156,18 (la.) daz suü ir slihteti als verre und ir müget unde als
verre als ez iuch an gSt; ebenso als verre unde 336, 39. 361,34.
373, 25. 2, 4, 32 K
Wer die gegebenen beispiele betrachtet, wird bemerken, dass
die Terba des durch unde eingeleiteten relativsatzes vielfach die-
selben sind, namentlich 'haben, tun, leben, können, bestehn'
finden sich mehrfach in solchen Sätzen, das erklärt sich leicht
aus dem was oben über die natur solcher relativsätze bemerkt
wurde : denn diese und ähnliche verba drücken die grundbedingung
ans, sie stellen die weitestgehnde möglichkeit dar, die alle andern
in sich schliefst : wenn jemand alles gibt was er nur hat, so ist
impUcite eine reihe andrer bestimmungen mit ausgedrückt; ebenso
wenn jemand dankbar ist, solange er nur lebt usw. usw.
Auch hier kann der redende auf die nuancierung, die unde
dem Satz hinzufügt, verzichten : und so könnte in all den obigen
beispielen unde auch fehlen, aber nicht umgekehrt : vielfach er-
scheinen relativsätze, die unde nicht vertragen, ein beispiel wurde
bereits angeführt (Nib. 759,2). ein paar andre mögen folgen:
Anno 499 Wurmiz unti Spiri, die si worhtin al die wili duo Cesar
dar in lante was. — Erinng. 93 swaz er halt guter dinge bigät,
^ zu keiner dieser kategorien passt Wig. 8396 er genddete gote vü
taugen mit wazzerrtcken ougen der gendden unt er an im begie. übrigens
mnss unt hier nur von wenigen hss. geboten werden : denn Pfeiffer schreibt
die for Beneckes unty wodurch auch das metrum gebessert wird. — ebenso
mnss Greg. 2667 mit Paul und Bech nach AG gelesen werden : des sehet-
tems des ir (oder in der) man lete, des ervolleten ir diu ovgen; und EK
ist an sich oomöglich, und im Greg, auch schon deshalb verdächtig, weil
Hartmann ein solches und nach demonstrativem pronomen sich sonst nur
in Er. und im i Büchl. gestattet hat. Lachmann schreibt zwar auch
Iw. 1205 den mac niemen al die vrist und er in blözer hant ist, gesehen
noch gevinden, aber schon der ausdruck vrist macht und entbehrlich, zu-
dem ist es nur aus den abweichungen der hss. erschlossen (unz B, bisz b,
di wil Dad, dwil c), und die vier andern stellen im Iw., auf die Lachmann
z. St. selbst verweist, zeigen, dass der dichter dem t/nt/e 'auswich. — eine
sprachwidrige conjectur scheint mir auch Er. 1877 vorzuliegen, wo Lachmann
list : ez gerten ir sinne anderre minne danne (hs. darnach) und s{ ge-
mdzet sint : dar nach wird zu belassen^und das nach anderre zu erwar-
tende danne in dem also des folgenden verses zu suchen sein.
174 KRAUS
die wik er an dem unrecht stät, daz ist vor got verfluchet. — -
Parz. 110,18 daz wcer Gahmurets ander tot, ob ich mich selben
slüege, die tolle ich bl mir trüege daz ich von siner minne en-
phienc. — Parz. 220, \^ du weist wol daz in min lant dir matiec
laster ist getan, des vergiz nü, werder man, die u>ile ich hie ge-
vangen sl, läz mich sölhes hazzes vri. — Parz. 330, 17 ir gäbt
mir aüe geseUeschaft, die wile ich stuont an prises kraft : der sit
nü ledec. — Parz. 392, 2 iwer zuht was ie so ganz, die wile daz
ich wonte hie, daz iwer rät mich nie verlie. — Parz. 412, 25 nü
gebt uns einen vride her, die wil daz dirre tac gewer. — Parz.
485, 7 min küche riuchet selten : des muostü hiuie enkdten, unt al
die wil du bi mir bist. — Parz. 753, 12 Parziväl sprach zim : sU
ir so gewaldec iwerr Hute, daz se iwer biten hiute und al die ^ile
ir von in sit? — aHeior. 621 die wile daz er leben sol, so stit
iuwer sache wol. und läze wir den sterben, so müezen wir ver-
derben. — Iw. 3515 ouwi waz ich eren pflac die wil ich släfende
lac. — Iw. 6289 im wart al umbe genigen, und liezen ir werc
ligen die wile daz er bi in saz. ir zuht von art gebot in daz. —
Iw. 6610 ouch ist ez leider so gewant : die wil sie unerwunden
sint, sone mac ich min kint deheinem manne gegeben. — TrisL 13
ez zimet dem man ze lobene wol, des er iedoch bedürfen sol, und
läze ez ime gevallen wol, die wile ez ime gevaüen sol. — Nib.
2305,2 ja hän ich des geswom, daz ich den hört iht zeige, die
wile daz si leben, deheiner miner herren, so enwirt er niemen ge-
geben. — Bari. 113, 25 got zeichen vil an in begie, die wile daz
sie lebeten hie. — Flore 57 1 6 bluomen sint mir unm(cre und swaz
ze fröuden ziuhet, die wile mich daz fliuhet, daz rehtiu fröude
heizet. — Walth. 70, 25 wan einez soltü mir vergeben : daz mahtü
mir ze kurzewile erlauben gerne, die wile unz ich din betten soL —
audre Beispiele bei Köhler Der zusammeogesetzle satz bei Heiorich
vMelk (1895); bei Frey Temporalcoojunctionen s. 30; Heuck
Temporalsätze s. 40; Roettekea aao. id all dieseo fallen kommt
für den redenden nur die ^ine bestimmung in belracht, die auch
ausdrücklich genannt ist übersetzungmit ^solange nur' wäre
unpassend, es handelt sich eben hier durchweg um reine tem-
poralsätze ohne jeden andern nebensinn. —
In anderen relativsätzen setzt der redende nur üue bestim-
mung ausdrücklich, weil er anzeigen will, dass man von der
Setzung anderer beslimmungen ganz gut abstrahieren kann, indem
Ober die mhd. conjünction unde 175
die eine genaoote allein genügt, das bedürfnis, sich solcher weise
auf die anfObrung einer einzigen bestimmung zu beschränken,
wird naturgemäss dann bestebn, wenn es dem redenden darum
zu tun ist, nur das unomstofslicb sichere, das würklich beweisende
henrorzuhebeo und Ton allem unsichern oder discutablen abzu-
sdien. es wird also in solchen fällen immer ein gegensatz be-
stehn zwiscbeo der gesetzten (meist realen) bestimmung und den
anderen^ die anzuführen man bedenken trägt, diesen gegensatz
drAckea wir im nhd. durch 'doch' aus. beispiele sind: MSD
46, 79 oueh bite wir dich, herre, durch der wandelunge ere, unde
skk dixze opher tuot ze Christes liehe unde hluot . . ., du wende
«fu eUiu unsriu leü : 'in hinblick auf die Wandlung, wo doch
dieses opfer in Christi fleisch und biut übergeht'. — Nib. 1148, 3
ergezei si der leide und ir ir habet getan : 'die ihr ihr doch zu-
gefügt habt'; also 'von anderm will ich nicht reden : aber dieses
eine ist doch tatsächlich geschehen, und nur das sollt ihr gut
raachen'. — Nib. 2086, 1 ich mane iuch der gendden und ir mir
hänt geswom, do ir mir zuo Etzeln rietet, daz ir mir woldet dienen
WZ an unser eines tot, — Ulr. Trist. 1330 ine getriuwe niht ge-
cam da hin in der siecheit unde ich bin 'in anbetracht der
krankheit, die ich doch habe*. — (Jlr. Trist. 2386 din antlitze ist
erwildei der forme unt du soUest hän. — Rubin MS i 169 b ir
mnnMiche gHete zuo der schcene unt sl hat, der mak si wol ge-
tmret sin: '?on anderen Vorzügen^ die man mir vielleicht nicht
glaubt, will ich ganz absehen : aber ihre gute neben der Schön-
heit, die sie doch bat . . .' — Fdgr. i 112, 27 daz ich die buoze,
diu mir enpJiolhen wart vür min sunte, niht so Iceist et mit dem
vHze unde ih die sunde tet unde frumpte. — Ls. iii 305 ich sprach:
jvnckfrüw beschaidet mich der mcere und ich uch vrägen wil. —
Walberan 1249 die burgcer wilUc täten daz und schuofen ez in
dester baz und (Ja nicke wand) si wol sähen dar an, daz im
wiüic was der man, — ebenso nach demonstrativen adverbien :
Siebenschi. 579 er stuont vor in und sprach nie wortj wan er kein
aniwort an im vant nach dem und it was gewant : ' denn er wüste
sich keine aniwort, die dem entsprochen hätte, wie sichs doch
zugetragen halte*. — jJud. 305, 26 nu lä du {den erg. Diemer)
Zinn din über mich verworhten niht gdn dar nach unde ich daz
gamet hän. — Er. 9661 da wider und in lange daz herze was
getrOebet, so wart nü freude geüehet und Erec schöne geeret, sin
176 KRAUS
pris wol gemeret. — Er. 1439 dar zuo unde ez sanfte gie, so ge-
strächet ez doch nie : 'obendrein, wo es doch sanft gieng, strau-
chelte es nicht*. — Iw. 3481 des wcer doch alles unnöt da zuo
und man irz verbot : 'obendrein, wo man es ihr doch verboten
hatte'. — Er. 5541 der kolbe was s6 swcere, also dicke unde er
sluoc, daz er so sere nider truoc, daz er in s6 kurzer stunde [in
niht erziehen künde] : ^bei der häu6gkeit mit der er doch schlug'.
— ülr. Trist. 530, 10 war umhe er dich dö bete erlie, des enweiz
ich niht die wärheit; daz er ein ander strdze reit, so gHetÜche
und ichs in bat, daz ist miner vröuden mat. — Ulr. Trist. 532,
12 mit die rehten strdze und ganc die holzwege hin, alse lieb und
ich dir bin. — Ludw. Kreuzf. 4792 her keiser, so und ir diz haben
alle wolt an mir, s6 wil unde sal des ersten ich euch allen s&
des verbinden mich . . . daz ich niht wil noch entuo ez ensi nutze
der kristenheit. — Mezze MS i 163 b solhen kumber unde ich
llde, Sit ich sin erst genäden bat, den wendet si mir niht. —
Heinzenburg MS i 181 b ine getar vor gote niht verfehen, alse
kumberlich unde ez mir stät.
Vertreter des relativums ist in diesen Sätzen unde, wie be-
reits Paul aao. s. 48 f richtig hervorhob, ebensowenig wie Ver-
treter eines ob in conditionalsätzen. zeigte dort die fragesatz-
stellung oder ob den conditionaien Charakter des satzes bereits
hinlänglich an, so ergibt sich hier die tatsache, dass unde nicht
als relativum fungiert, dadurch zu erkennen, dass es nur in solchen
relativsätzen auftritt, wo das relativum fehlen darf, also immer nur
dann, wenn ein demonstrativum vorhergeht i.
4. ÜND£ — *W0 DOCH, DA DOCH*.
Litteratur : Benecke zu Iw. 155; Grimm Gr.iii 286; Mhd.
wb. s. V. finde; Roetteken §30, Mensing §111; Cordes
§ 280.
Ich stelle die beispiele für diese Verwendung voran und lasse
die erklärung folgen : Trist. 19504 dur waz habt ir mich mir be-
nomefi, und ir min also kleine gert und min auch iemer wol en-
bert? die Übersetzung mit 'ungeachtet' oder gar 'obgleich' (Mhd.
* charakteristisch Ist wider, dass eine gewisse kategorie solcher satze
ohne relativum niemals mit unde erscheint : er quam in eine stat heizet X
kann kein unde erhalten : well hier der gedanke des sprechenden auf den
reinen Terbalbegriif gerichtet ist.
ÜBER DIE MHD. CONJÜNCTION UNDE 177
wb. s. ▼. tmde) wird dem sione nicht ganz gerecht : vielmehr ist
unser *wo • . . doch, da . . . doch' der adäquate ausdruck : ^wo
euch doch nach mir gar nicht verlangt*. — Trist. 19507 d süe-
%im küniffmne Isöt, mit wie vil maneger herzenöt gdt mir min leben
wdi tu hin und ich iu niht so mcere bin, daz ir mich hwtet sit
hesani und eieswaz umb min leben erkant^, — Trist. 13879 schcene,
wfraek er, nü ist mir niht herzeliche liep wan ir, und ich von iu
nü scheiden sol, daz wetz got von himele wol, daz nimet mir mlne
shme. — Mai 78, 11 sit ir in solhem gelübede stät, wie stet iu, ob
BT dax läi, und ir iuch habet vertriuwet? — Nib. 1725, 3 nü saget,
her Hagene, wer hat nach iu gesant, daz ir getorstet riten her in
däxe laniy unde ir daz wol erkandet, waz ir mir habet getan? :
*wo ihr doch genau wüstet'. — Heinrich vMorungeu MFr. 147,5
•ar umbe weit ir testen mir den lip, und i'uch so herzedichen
mimne? — iiOnig Kourad MS i 1 b . . . der ungetät, daz si min
harze läi in ungemHete^ und ich mich ie mit, dienste in ir genäde
hö(. — - Toggenburg MS i IIa 5t tuot als si sich niht verstiidaz
tuat mir wol von schulden we und ich mit stcete nach ir minne
ringe, — RvRothenburg MS i 34 b wie hän ich gedienet daz, daz
ü hat so vil der vröude an mir zerbrochen, unt ich ir mit triuwen
nie vergaz? — Neidh. MS n 71 a scheid ich mich von ir und ich
herzenliche gir stcete nach ir minne hän, daz enist niht guot ge-
thu — vObernburg MS ii 158 a owi, daz mich diu liebe des (leides)
mto äne tuot I und ich ir mint besten tage mit stOBte her gedienet
Un. — auch wenn das pron. pers. der dritten person subject
des durch unde eingeleiteten satzes ist : Bari. 394, 38 sol der vater
w^ mir ebengliche kröne tragen, und er in also kurzen tagen sich
derh got garbeitet hat? — Berthotd vRegensburg i 374, 20 daz
dehein kreatüre so smwhe ist, si diene got in ir ahte, äne der
ibde mensche, und er ez doch dem menschen ze nutze geschaffen
hat, — Adelheid Laugmann 80, 9 dö wart si sere wundemt^ daz
er ir als gütlichen tet, und sl ez ni um in verdint het. — Herrn.
vSachsenheim Leseb. 999, 7 was hat getragen dich zu land durch
das wollende mer mit sand, und doch kein Schwab nie drOber
kam\ — andere beispiele bei Mensing und Cordes aao.
^ falsch aofgefasst von Rothe aao. s. 11.
* bei gleichheit des sabjects kaon das pron. im zweiten satz gespart
werden : Berthold 1 14,18 war umbe hästü mir ein als arbeitsamez leben ge-
geben, tmde manigem s6 gröze Sre geben hdstt — Myst. 45, 7 iz was ein
180 KRAUS
5. VNDE IN TEMPORALSÄTZEN.
Lilleratur: Grimm Gr. m 283; Haupt zu Neifen 8, 17; zu
Cr. 7028; Paul Beitr. 5, 48; Liechteusteiu zu Eilh. 3772;
RiDzel zu Alex. 1811; Kraus Anz. xix 28; Beilr. 21, 546; Zs.
f. d. ö. gymn. 1892, 1099. 1106. fgrner ein teil der im vorher-
gehoden citierteu lilteratur, bes. Mhd. wb. s. ?. unde und Tob-
lers aufsetze.
Auch hier zeigen die beispiele, wenigstens die älteren, eine
bedeutung, die im nhd. durch ^sowie nur' (nicht durch 'als')
richtig widerzugeben ist. somit drückt der redende den gedanken
aus, dass es nichts weiter bedurfte, als des eintretens eines be-
stimmten, ausdrücklich genannten ereignisses, damit sich ein an-
deres vollzog, die beispiele sind : Kehr. Schröder 2872 duo wurden
gote gehorsam alle di da wärent unt {wan hs. 3) 8t diu grözen
zaichen sähen. — Kehr. 7686 dem chunige begunde sin gemuote
harte swären, unt (als 2, (2o 4 viell. auch 5) Römiere daz er-
sähen^ si gehiezen im alle gellche, si newoUen im dar zuo niemer
geswichen, — Alex. D. 191, li unt diz A. vemam, niweht er ne
beite, e er zu dem rosse chorn. — Alex. D. 222, 5 unde i. sinen
vanen wider gewan, Mennes aber ime zuo chom, — W. Mann ii
195 unde (alse erg. Kohn) he dat antlitze undir sine äugen gi-
dvanc, he wart gisurU, — Er. 7028 und si wurden wol gewar, daz
im niht tCBtliches uiar, des wären si gemeine vrö. — Wh. 58, 12
den marcräven dühte gröz ir kraft, und (nur K, wan, wand 1 m n,
do 0 p) er si reht ersach. — ürst. 118, 61 unt sich der tat ent-
slöz unt der Hecht morgen schein, nü wurden aber die Juden enein
daz . . . sumeliche chömen hin. — H. Trist. 128 und er zwivalter
liebe enpfant, des nam in selber wunder, und wundert in besunder,
daz er leit herzeliche not umb ietweder IsötK — H. Trist 326
unde in begunde twingen diu minne vaste unde genuoc . . . er ge-
dähte an Kaedinen . . . und sante näh ime sä zuhant. — H. Trist. 367
und er Tristandes ernst ersach, gar sinnecUch er jach ... — H.
Trist. 3325 nü suochten die gehiuren aber die fossiuren . . . und
sie der niht enfunden, sie machten . . . eine hUtle. — H. Trist.
3783 und als daz engerlin wart naz, Isöl mit rede niht ze laz
was. unde ir dise geschiht geschach, si begtmde smielen und sprach.
— H. Trist. 4262 Nu quam der künec ouch geriten. unde er von
' kaum aber das. 332, wo ich ioterpangiere : nü Kdedin wart besant
unde er ze TrUtane kam^ Tristan in heimelicke nam.
Ober die mhd. conjünction unde n»
endsteUoDg des Terbums auch auf solche mit unde eingeleitete
dUe übertragee, wo die abhSCngigkeit nnr im gedanken ligt, somit
öoe logische ist, ohne jedoch sprachlich direct ausgedrückt zu
werden K also in rbetonscben fragen und erstaunten ausrufen.
eine frage wie oben Trist. 19504 ist ja gedanklich genommen
teeelbe wie etwa : ^es ist schlimm von euch, daz ir mieh mh^
hmomen habt und ir min aUö kleine gert\
Primär ist also unde mit der endstellung des verbums in
keioeni siisammenbang. wdre das der fall, dann müste dieser
gebraecb tob unde sich auch finden, wenn nur ein adversativ-
satz Torhaiideo wäre, also in fDgungen wie ^obwol er stark war,
wirf ihn Erec doch vom pferd':aber da steht immer nur doch
(oder spater, nach Haupts und Mensings hübschen beobacb-
taagen, ncie) : doch er guot eilen Mlege, Erec in von dem rosse
idUer (ebenso zb. Er. 941. 4160.4714. 8910; swie aHeinr. 423;
Wig. 2794; Waltb. 71, 32). und unogekehrt fanden sich, wo jenes
unde stand, immer aussagesätze oder Sätze, die von einem aus-
mf oder einer frage abhängen 2.
i£ Mündet rnne mir und ich ir vil gedimei hdn. der sinn ist aach hier:
^o ich ihr doch viel gedieot habe', aber der syntaktische aosdruck dafür ist
«■ reUtiTsatz : die sich versöodigt und der ich gedient habe {und ich ir ist ja
die mhd. entsprechuog unseres *und der ich*, s. Grimm Gr. iv 459; Benecke
IQ Iw. 3781 ; Kraus zu Rhein. Paulus 390- — ebenso Parz. 213, 26 ich trage
den lebendigen tot, Ht ich von ir gescheiden bin, diu mir herze unde sin
ie wüt ir gewalt beslSm^ und ich des nie gein ir genSz, — ebenso Hobesk
(Haapt) 6b, 14 er bezzerl alle die genesen sulen, unde siu iedoeh also un-
semfte se vertragenne sinL — Nicoiaus von Basel 266, 26 karg gegen den
wiensehen, die , , , es noch alle zit zuo vil enpfahent . . . und sü sich
selber toenent domitte fürdem und sii sich domitte hindemt,
* dagegen bleibt die ursprüngliche Stellung des hauptsatzes, falls der
mit und eingeleitete sata dadurch, dass der vorhergehnde abhängig wird, in
aeioer uoabhängigkeit nicht mitgetrofien ist : aus zwei sätzen wie got wit
wueh ftirbaz rouben und ist doch ein rihtare wird, falls man den ersten
Dor annahm weise setzt : wil got mich ftirbaz rouben, und ist doch ein
rihtare, s6 äuget mir daz mcere (Parz. 10,26). — ebenso Myst. i 262, 14
ats man siht^ daz sich ein gebüre schämt, daz er izzet, und ist doch ein
Mtmelick dine, also sülen wir uns schämen, — anderseits kann sich selbst
bei bauptsätzen, falls der erste aus irgend einem gründe endstellung des ver-
boms hat, dies auch auf den mit t/nct coordinierten übertragen: Penis MFr. 81, 11
wun grozru state mich des niht erldt und ez mich leider kleine vervdL
' daraus geht auch hervor, dass die von Lachmann Iw. 155 in der
ersteo ausgäbe gewählte la. Ton A unl wir daz wizzen vil wol, wo unt
'ungeachtet' bedeuten soll (s. Benecke und L. z. st,) sprachwidrig ist.
180 KRAUS
5. UNDE IN TEMPORALSÄTZEN.
Lilteratur: Grimm Gr. m 283; Haupt zu Neifen 8, 17; zu
Er. 7028; Paul Reitr. 5, 48; Liechteostein zu Eilh. 3772;
RiDzel zu Alex. 1811; Kraus Anz. xix 28; Reitr. 21, 546; Zs.
f. d. ö. gymo. 1892, 1099. 1106. ferner ein teil der im vorher-
gehnden citierteu lilteratur, bes. Mhd. wb. s. v. unde und Tob-
lers aufsetze.
Auch hier zeigen die beispiele, wenigstens die älteren, eine
bedeutung, die im nhd. durch ^sowie nur' (nicht durch 'als')
richtig widerzugeben ist. somit drückt der redende den gedanken
aus, dass es nichts weiter bedurfte, als des eintretens eines be-
stimmten, ausdrücklich genannten ereignisses, damit sich ein an-
deres vollzog, die beispiele sind : Kehr. Schröder 2872 duo wurden
gote gehdrsam alle di da wärm, unt (wan hs. 3) 8t diu grözen
zaichen sähen. — Kehr. 7686 dem chunige begunde sin gemuote
harte swären, unt (als 2, do i ?iell. auch 5) Röimere daz er-
sähenj si gehiezen im alle geliche, si newoüen im dar zuo niemer
geswldien. — Alex. D. 191, 14 unt diz A. vemam, niweht er ne
beite, S er zu dem rosse chom. — Alex. D. 222, 5 unde i. sinen
vanen wider gewan, Mennes aber ime zuo chom, — W. Mann ii
195 unde {alse erg. Kohn) he dat antlitze undir sine ougen gi-
dvanc, he wart gisunt, — Er. 7028 und si wurden wol gewar, daz
im niht tCBtUches uiar, des wären si gemeine vrö. — Wh. 58, 12
den marcräven dühte gröz ir kraft, und (nur K, wan, wand 1 m n,
rfo 0 p) er si reht ersach. — Urst. 118, 61 unt sich der tat ent-
slöz unt der Hecht morgen schein, nü wurden aber die Juden enein
daz . . . sumeliche chömen hin, — H. Trist. 128 und er zwivalter
liebe enpfant^ des nam in selber wunder, und wundert in besunder,
daz er leit herzeliche not umb ietweder IsötK — H. Trist 326
unde in begunde twingen diu minne vaste unde genuoc . . . er ge-
dähte an Kaedinen , . . und sante näh ime sä zuhant. — H. Trist. 367
find er Tristandes ernst ersach, gar sinnecÜch er jach ... — H.
Trist. 3325 nü suochten die gehiuren aber die fossiuren . . . und
sie der niht enfunden, sie machten . . . eine hUtte. — H. Trist.
3783 und als daz engerlin wart naz, Isöt mit rede niht ze laz
was. unde ir dise geschiht geschach, si begunde smielen und sprach.
— H. Trist. 4262 JVt* quam der künec ouch geriten, unde er von
> kaum aber das. 332, wo ich ioterpongiere : nü Kdedin wart besamt
unde er %e Tristane kam^ Tristan in heimeliche nam.
ÜBER DIE MHD. COMJUNCTION UNDE 181
dem mne saXj iu simm schimpfe sprach er daz. ^-- H. Trist. 548
Der Wirt «h tische nü §esaz . . . und er gaz, dd fuorte er die
§eMi€ dar. — H. Kreuz (Pfeiffar übfsb.) 95 N64ii Adämes misse-
tat uteä er smntlkher wise üz dem vrönsH paradise wart vertri-
kesi . . . ruofie (nach Hruscbka Anz. vm 304) er mit innerdiehes
ker%en ger. — H. Kreuz 239 und in ersach Cherubin, wn dem
weg fragt er m. — ^ Schretel GA ui 46 und er den hof so schoßnen
saA, er dähte in ünem sinne, da swxe ein ritter inne oder sus
ein guoterhande man, — Schretel 198 und ez des bern wart ge--
war, ex dähte in sime sinne : waz tuet diz hmder himul ein drittes
beispiel (v. 176) ist mehrdeutig. — Marl. 22, 47 als dirre sdmoler
wart gewar des morgens und die sunne üf trat, dö gienc er auch
uzar etat. — Tanhäuser MS ii 60 a und ich ir also nähe kam daz
icft ir bot den minen gruez . . . dö wart mw aller sergen buoz. —
lur bedeutUDg des blo^aen dö abgeschwächt erscheiot teruponiies
wmL öfler in Griesb. predigten : i 91, 14 und daz beschach, dö gebot
gU der schar, daz eis iemen sageten(vg\. Ludw.Kr«uEf.7297 und da»
beschach, ir stritlkh geverte niman me sach), — ii 36, 22 und daz
S. Peter getet, dö hiez si unser herre, daz si ieriii neiz würfen
und das si vische viengen, — ii 59, 26 und der blinde daz hörte
iez JhesMS da fUr in gienge, dö ruofter in an unde sprach, —
u 130, 1 1 und die boten körnen ze dem wissagen, dö sprach er ze in.
Widerum, wie schon ^Üter im vorbergehnden, fällt auf, dass
die verba in den durch unde eingeleiteten Sätzen vielfach dieselben
sind : e« finden sich in nicht weniger als 12 beispielen verba der
maücben Wahrnehmung {ersehen, sehen, war nemen, gewar werden,
eememen, hoeren, empfinden), der grund ist ofTenbar widerum
der, dass das blofse wahrnehmen die einfachste grundbedingung
ist für den eintritt der im anschluss daran erfolgenden tatsache.
*er brauchte es nur zu hören, und er eille sofort zum pferde' usw^.
Auffällig ist die beschränktheit dieses gebrauchs. Gottfried
bietet kein einziges beispiel^ Hartmann nur das eine angeführte^,
Wolfram aufser dem einen vielleicht noch ein zweites 3, die Kehr.
> daher lassen sich diese sätze auch wider in conditionalsatze mit unde
am wandeln : Kehr. 2872 und sahen st diu grözen zaichen, st würden alle
gole gehorsam usw.
^ ein zweites, das Haupt zu Er. 7028 anführt, gehört nicht hierher:
und ob das unde 7028 nicht etwa blofe deshalb temporale bedeutung zu
liabeo scheint, weil vorher etwas iehlt, scheint mir nicht ganz abzuweisen.
3 Wh. 48, 16 , wo jedoch wider nur K und Hst, wahrend Imnopt do bieten.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 13
182 KRAUS
liefert nur zwei belege usw. überdies zeigen auch die abweich-
UDgen der hss. mehrfach, dass den Schreibern das Verständnis
für diese Verwendung von unde abgieng. und auf der anderen
Seite befremdet die grofse zahl von beispielen, die bei einem ein-
zelnen dichter, Heinrich vFreiberg, begegnen : im Trist. 7, im
Kreuz 2, im Schretei (falls es Heinrich mit recht zugeschrieben
wird) ebenfalls 2. man hat es hier also jedesfalls mit einer lo-
cal sehr beschränkten, vorzugsweise mitteldeutschen gebrauchst
weise zu tun.
Dass unde hier einfluss auf die Wortstellung hat, ist deutlich,
minder deutlich, ob es ihn auch ursprünglich besessen hat. wenn
man an ßille denkt, wie sie bei unde in relativsätzen angeführt
wurden (zb. Mst. Gen. 14, 19 an der selbett stunt unt e% im chom
durch den munt^ do verstuont sich der arme man, daz er ubil hete
getan) ^, so wird man zugeben, dass hier imde eine bedeutung zeigt,
die, aus der ^relativen' erwachsen, vollständig temporal ist (wie ja
auch dö stehn könnte), sodass das Sprachgefühl leicht dazu kommen
konnte, unde überhaupt als temporalconjunction zu verwenden.
Noch eingeschränkter und sicher mitteldeutschen Charakters
ist die Verwendung von unde in der bedeutung 'bis', beispiele
sind : Pil. (Weinhold Zs. f. d. phil. 8, 280) v. 310 in der mulen
er si liez und iz quam an den taCy daz si des kindes gelac, —
Eilh. Trist. 3770 wen he bi der koninginnen lach also dicke s6
her wolde und (H bis) eines tagesdö solde der trogseze riten jagin.
— Eilh. 5907 zu heiin sie sich da begunden . . . und jene wordin
ir geware und hübin sich ze hant dare. — Eil. 6962 ich wil alhir
betin din und (bis H) du mich aber bestrichest. — Dieser ge-
brauch nimmt natürlich von unte = 'usque ad' seinen ausgang.
5. ABSCHLIESSENDES UNDE.
Diese Verwendung von unde hat in den Wörterbüchern und
sonst verhältnismässig wenig beachtung gefunden, in erster linie
wol deshalb, weil sie ganz allgemein gebräuchlich und im
nhd. noch ebenso zu finden ist. unde steht in solchen fällen
regelmässig am beginn des satzes und zeigt au, dass eine ge-
dankenreihe, die im vorhergehnden angesponnen wurde, durch
den dem unde folgenden satz fortgesetzt und zum abschluss ge-
* oder Fred. Fdgr. i 91, 32 zuo der selben wÜe unt min trehttn den
ersten man üz dem paradyso sitez, an der selben wtle fuorte er den
Schacher ... in die Schönheit des paradyses.
Ober die mhd. conjunction unde iss
bracht wird, unde fügt also hier wider das letzte glied einer kette
ao. solche Verwendung von unde findet vor allerlei arten von
Sätzen statt, steht es vor hypothetischen Vordersätzen mit frage-
satzstelluDg, so könnte man auf den ersten blick geneigt sein,
es mit dem unter i besprochenen unde zu idenlificieren, wie auch
mehrfach geschehen ist. ein paar beispiele mögen genügen:
I Büchl. 1157 das herz belobt den leib, dass er sich nunmehr
zur Umkehr entschlossen habe: verwirf mtnen rät und wizze daz
dir wol geschiht, und ist daz du war last als du mir geheizen
hast, so si der schade verhorn usw. der durch und eingeleitete
satz hriogt den abschluss der ganzen gedankenreihe. — Er. 5838
Erec ruft den wilden tieren zu, eines von ihnen möge kommen
und sie beide verschlingen, damit ihre körper nicht getrennt
würden, und ruoch got unser seien phlegen, die enscheident sich
henamen niht : ^und die seelen werden, so gott will, ohnehin bei-
sammen bleiben'. — Greg. 2025 si sprächen, ez wcer daz gröze
lant mit einem wibe umhewart von unrehter höhvart; und heten
si einen herren, sone mühte in niht gewerren. — Iw. 312 und vil
schiere sach ich komen . . . eine juncfrotiwen, diu mich empfienc
.. . diu enlwäfente mich, und einen schaden klage ich ... daz
der wufenriemen also rehte lützel ist, das si niht langer vrist mit
mir solde umbegän. ez was ze schiere getan . . . ein schar-
lachez mantelin daz gap si mir an, die Schilderung zerfällt in
verschiedene teile : er sieht sie kommen, sie empfangt ihn, ent-
waffnet ihn, bekleidet ihn mit einem mantel. den abschluss der
erwähnung des entwaffoens bildet der ausdruck des bedauerns,
üass dies nicht längere zeit in anspruch nahm, deshalb steht
unde. — Wh. 251, 17 weert ir niht stcete an uns belibn, wir
Citren üz werdekeit vertribn : und het ir minen sun verkam, da
mite wier diz lant verlorn, damit schliefst der erste teil der ge-
dankenreihe : was Gyburg hätte verderben können. — ebenso
Trist. S862. 10575. 11053. 13038. 13233. 13792. 14183; Frauend.
167,32 (nach man punct, nach hän komma); Nib. 395,2. 635,1.
768, 1. 1097, 1. 1391, 1; Kudr. 402, 1 usw.
Es ist aus dem gesagten leicht erklärlich, dass unde auf
solche weise gerne zur einleitung des zweiten alternativsatzes ge-
braucht wird : weil damit eben wider eine gedankenreihe zum
abschluss gebracht wird, so zb. : Iw. 2683 ein gast ist bald im
klaren über die gesinnungen seines wirtes; wander im bescheinet
13*
184 KRAUS
an elelicher swtrre, ist er im unmcere : und geherherget ein man
da ims der wirl wol gan, deme gezimet deete baz sin schimpf unde
sin maz, — Iw. 6369 die bediogung war : er muoz in ettiu j6r
gebn drizec mägde da her die wile si lebent und er. unde gesigte
ab dehein man iemer disen beiden an, so waren wir aber erlöst,
— ebenso Tml. 5668. 6419. 7462 usw.
Ebenso beim abschlusse einer discussion : Nib. 54, 1 d6
sprach dm- küetie Sifrit : 'vil lieber vater min, an edeler frouwen
minne wold ich immer sin, ich enwurbe dar min herze gröze liebe
hät\ swaz ieman reden künde, des was deheiner slahte rät. 'Und
wil du niht erwinden\ sprach der künec dö, *s6 bin ich dines willen
wwrlichen vr6\ — aus dem nbd. sind beispiele, wie *Und bisl du
nicbt willig, so brauch ich gewalt' zahllos.
Damit sind die verschiedenen kategorien des gebrauches von
unde im wesentlichen erscböpreod dargestellt : was sieb an bei-
spielen sonst, in Toblers aufsetzen insbesondere« findet, wird man
unschwer in die obigen gruppen einreiben können, soweit es
nicbt lediglich einer falschen interpretation seine scheinexistenz
verdankt ^ und so erübrigt es nur noch, eine erkläruug für die
behandelten erscheinungen zu geben.
Hat die darstellung des tatsächlichen beträchtlichen räum
iü ansprach genommen, so kann dafür der versuch, die ermittel-
ten tatsachen zu erklären, umso kürzer ausfallen : wie ja ofibei
wissenschaftlichen arbeiten beide bestrebungen in umgekehrtem
Verhältnis zu einander stehn.
Auszugehn ist dabei von der frage nach dem aller der be-
handelien gebrauchsweisen des %mde. wie sich aus den wörter-
* wie das ^causale* unde : die beiden belege, die im Mhd. wb. dafür
augeführt sind (Iw. 34S1 und Mai 7S, U) sind anders zu erklären (s. o. s. 176
und 177); ein beispiel bei Cordes s, 76f zeigt adversativ- verknöpfendem
unde^ wie Cordes selbst schon als möglichkeit erkannt bat. — im Er. 850S
{und die den Itp habent verloren^ so dürft irs niht versuochen) wird wände
St. unde zu lesen sein : dass Haupts nü (in der 1 aufl.) bedenklich ist,
hebt Hech (Germ. 7,465) unter hinweis auf L. zu Iw. 252S mit recht hervor.
wenn er aber vorschlagt, und habent die den i(j) verlorn zu lesen, so ligt
das von dem überlieferten doch zu weit ab; auch wird der dichter kaum
unmittelbar nacheinander zwei fortführende unde gebraucht haben. — bei
ßerthold i 541, 17 (s. Roetleken § 11) scheint mir der text verderbt — und
nach comparativ (Lachmann Kl. sehr, i 199) ist mir aus classischer zeit
nicht bekannt.
ÜBEH DIE MHD. CONJUiNCTION UNDE 185
bOehern sowie aus verscbiedeoeD specialabhaDÜlungeu über ahü.
sjotax mittelbar oder unmittelbar ergibt, ist keine der uoter i
bis IV behaodellen verWeoduDgen io abd. zeit zu finden K das
ist eio fiogeneig, die entstehung nicht irgend einer etymologie
za liebe io das dunkel der unlitterariscben vorzeit zu verlegen.
Yielnaehr seben wir ganz deutlicb, dass die älteste Function von
wiuie lediglich in der Verbindung von satztoilen und Sätzen be«^
suod, während die andern gebrauchsweisen sozusagen vor unsern
äugen im 12 jh. aufzutauchen beginnen, es ligt also nahe zu ver-
Sachen, ob die letztern sich nicht aus der erstem ableiten lassen.
Der zweite Factor, mit dem die erklärung rechnen muss, ist
die tatsache, dass unde niemals auf die Wortstellung einQuss bar,
(aufser wo, wie beim temporalen, ein solcher einQuss plausibel als
etwas secuodäres auFgefasst werden kann) : das steht mit der be-
obachtung, dass der gebrauch von utide als Satzteile (oder Sätze)
terbindeoder partikel der älteste ist, im schönsten einklang.
Drittens endlich wird zu berücksichtigen sein, was über die
bedeutung jenes unde ermittelt wurde, damit freilich, dass es
einmal durch nhd. 'nur', dann wider durch 'doch' oder durch
'Oberhaupt', durch 'wo doch' und durch 'als' passend widergegeben
werden kann, wird nicht ernsibafl zu rechnen sein, denn diese
bedeutungen sind zu verschiedenartig, als dass man hoffen dürfte,
mit der aufstellung einer derselben als Urbedeutung, aus der dann
die andern mehr oder minder gewaltsam herzuleiten wären, das
richtige zu (reffen, vielmehr ist es wahrscheinlicher, dass im nhd.
dieselbe sache einmal von der, dann von jener seile betrachtet
wurde und demgemäfs hinter dieser manigfaltigkeit nichts zu
suchen ist als das bedürfnis, das verschieden gesehene auch ver-
schieden auszudrückeo.
Aber ^ine beobachtung zog sich wie ein roter faden durch
die ganze Untersuchung hindurch, in welcher weise auch unde
Verwendung fand, immer konnte man wahrnehmen, dass in solchen
Sätzen die annähme oder tatsache, die allein genannt wurde,
eigentlich nicht die einzige war, mit der die gedankeu des re-
denden sich beschäftigten, sondern nur das letzte glied einer blofs
gedachten kette von annahmen oder latsachen.
Damit ist m. e. die erscheinung auch schon erklärt : denn
^ s. aufser den ahd. wörterbuchern und glossaren bes. die arbeiten von
BaoDow, Tomanetz, Wunderlich und Schollen (Beitr. 2*2, 394 anm.).
186 KRALS ÜBER DIE MHD. CO>JG>CTIO> ÜNDE
das ältere unde. das Satzglieder und sätze mit eioaoder verbiodet,
t)at ja ganz dieselbe fuDClioD : an YorbandeDe glieder weitere oder
eio letztes glied anzareibeo. der onterscbied ist Dor der, dass
bier die forbergehodeo glieder ausdrücklich gesetzt werdeo, dort
aber dem redendeo nar im geiste Yorscbweben. somit gelangen
wir zu folgenden pbasen der entwicklung : in ältester zeit dient
unde (bezw. aniü oUi, imti, unti) nur dazu^ an ein oder mebrere
genannte glieder weitere anzureiben ^ (woraus im weitem verlauf
die im abscbnitt ir erörterte construction erwächst).
Die zweite phase bildet dieselbe Verwendung von unde im
anfange eines satzes, wenn die Yorausliegenden glieder in vorher-
gehnden Sätzen genannt sind (s. o. abscbnitt vi) : diese Verwen-
dung tritt schon in abd. zeit auf, denn so zu erklären sind f^le
wie Otfr. i 10, 19 : Int ick scal tkir sa^, ikind min, thu hisi
forasa^ sin : Zacharias hat im vorhergehnden ausscbliefslicb von
Christus und dem, was man von ihm erhoffen darf, gesprochen:
nun wendet er sich dem Johannes zu; also das skelelt der ge-
danken ist : 'Christus wird das und das tun und du, du bist sein
prophet'. ebenso v 9 , 23 sie zaliun so man ofto duai, thaz ira
seraga nnuit. inti ihm ni kortos kiar in lante fon demo heilante? :
'wir betrauern Christus so sehr, und du, du hast von ihm gar
nicht gebort?'
Die drille phase endlich ist erreicht, wenn die vorangeh n-
den glieder Oberhaupt nicht mehr ausdrücklich genannt sind,
sondern sich lediglich aus der Situation ergeben oder dem re-
denden nur im geiste vorschweben : hierher gehören die unter
I — III sowie V besprochenen gebrauchsweisen von tmde. dass diese
erst im 12 jh. aufkommen, kann uns nicht wunder nehmen:
denn das bedürfnis, die feioeren bezöge, die zwischen den ge-
danken bestehn, durch das sprachliche mittel der conjunclioneo
auch äufserlich zum ausdruck zu bringen, zeigt sich im deutscheu
wie in allen cullursprachen um so lebhafter, je gröfsere fortschrille
die kunst der litterariscben Verwendung der spräche macht.
* deshalb fehlt es auch, wenn zwei haudlungea gleichzeitig erfolgen,
soDiit ZQ einer zusammenflierseo, also io fallen wie saz dageta ('safs schwei-
gend), wie deren bei Grimm Gr. it 216. 950; Beoecke zu Iw. 3620; zu Dkm.
xxxii 1, 54. 2, 37; zu meinen Deutschen gedd. des 12 jhs. t 52 zahlreiche
gesammelt und too Behaghel Germ. 24, 167 ff vortrefflich erklärt worden sind.
Wien, 23 Januar 1900. C.4RL KRAUS.
MÜNCHENER REIMPREDIGT.
Die Münchener papierhs. C^. 690, 4^, löj/i., vereinigt einen
bunten deutschen, lateinischen, deutsch -lateinischen inhalt in sich,
über den der handschriftenkatalog oberflächlich orientiert, sie ist
sif^lich Siusatnmengesetzt aus mehreren partien, die ursprünglich
nichts mit einander zu schaffen hatten, mich geht hier nur die
läge bL 244 — 256 «n, die durchaus für sich steht und deutsche
geistliche prosa und reime unbekannter autoren enthält,
Sie beginnt mit einem allegorischen tractat: 'der gaifilich wa«ien*,
der unter starkem aufgebet von citaten aus bibel und patres nach
einander die vier räder, die zwei gestelle, die vier pferde, den wagen-
mann und die deichsei erbaulich, zum gedanken an das ende mahnend,
auslegt, sehr merkwürdig ist zumal die form, der verf verfällt,
soiDie er aus den weit vorhersehenden citaten und ihrem einleitungs-
oder Verbindungstext einmal zu mehr selbständiger betrachtung
kommt, sofort in reime, die selten vereinzelt, meist in gruppen auf-
treten undj wenn er sie auch nicht all zu lange und streng fest-
hält^ wenn er sich auch im zeilenumfang viele freiheit lässt, er
kehrt doch immer wider zu dieser lockern reimweise zurück, das
angehängte, ursprünglich wol nicht dazu gehörige stück 'Von. dem
flrcDgen Jungflen gerichl fpricht ein weifer Alfo* ist ganz durch-
gereimt und sorgsamer gebaut, schluss : Deo gracias Aono mcccc 86
[hl, 252"^) ; dahinter eine rohe Zeichnung der vier räder.
Mit bl, 253' setzt, vielleicht von derselben hand, ein kurzes
gereimtes stück ein, das ich genau mitteile, aber so, dass ich die
al^rzungen auflöse, die reimzeilen absetze, den gebrauch von v
und u sowie, die reimpuncte oder -striche ignoriere, die grofsen
anfangshuchstaben reguliere, auch sichere fehler verbessere und die
nötigste interpunction einführe:
Jebus xps Alfo folt ir petteu.
Gol bat das heilig pater nofter felbs gemacht
Id allain anzupetten als UDferen valer mit andacht.
Aber es fein laider der vil die (mit)^ dem muod faft pappern,
Biitt pücber und pater nofter bin und her clappern-
5 Und ist oft das bercz gancz^ nyndert da pey;
* fe/ill hs. 2 clapperü ^ ich schreibe immer cz, doch sind
die c-siriche gerader als sonst das c, sodass t gemeint sein mag.
188 ROETHE
Merck ob das gepeU got genem fey,
Die fein heiligs gepet alfo mifhandelD,
Andre wort uad gedaocken darunter wandeln,
Hoffen, got werde sy darumb hol pegaben,
10 Und wiffen selbs nit, waß sy gepett haben.
Auch find laider vil der groben erdknollen,
Die das pater nofter nit wifTen noch lernen wollen ^
Und wellen fich doch criften nennen.
Aber got wirt der teufelifche^ kinder nit kennen.
15 Wann ein yeglicher crirtenmenfch ^ auf das minfie fol
Cr wilTen den pater nofter, Ave Maria und den^ glauben wo],
Und die weil er die nit lernet und erkent.
So ist im^ verpotten das heilig wirdig sacrament.
Darumb ifl dife figur zu einer gedachtnüß gemacht,
20 Das man dar auß lerne und betracht,
Wie uns got unfer vaier hat petten leren ß.
Das nyen^ant die wort folt myndern*^ oder meren;
Wann die felbigen fein gar tief gegrundt^,
Darumb fo fey euch dife auflegunc^ verkuut.
25 Zum ersten : vater unfer der pift
In den himeln, gleich einer vorrede ' ist.
Geheilig werd dein nam,
Da heben Heb die fiben fiuck an,
Dorjnnen dann got gepetten wirt;
30 Auch fiben färb fein do figurirt,
Dem laieni<> zu gedachtnüß gemalt,
Das er es defier OeifTiger behalt;
Auch pej yecczlichem stück sein drey,
Die mag man auß ynnigkait bedencken da pej;
35 Wann pefTer ift ain pater nofter mit andacht,
Dann hundert in dem herczen unbedacht.
Dar vmb wer wil petten mit andacht ^^ und rew.
Der merck gar eben mit vleiß auf die drew^
Wenn er pitt, wer der fey.
* wcllfl * leufelifchen? ^ ztosi worte,
* dem ^ dahinter p geHr. ^ leraea ^ Dymderu
* gegrudl '^ aurlegüt *^ laideo; aber der Schreiber setzt
awar für mhd, ei sowol ai ais ei ; für mhd, \ stets nur ei.
" oder andocht?
MÜNCHENER REIMPREDIGT
189
40 Wer ^ do pittct, merck auch da pej,
Was er pittet, fol feio heixzlich,
So erhöret 2 yn got genedigklich. etc.
Die rückseite, bl 253^ ist leer.
Mit 254' beginnt von selber band, nnter aufwand von roten
kreisen und linien eine parallelgliedervng, die ich hier im abdmck
ansck^mitcker vereinfache.
Spricht unfer herr : Alfo füllt ir pettenn (rot).
Die sibeD pluetvergifTeD ^ UDfers
herreo werdenl geordeot wider
die fiben todfuDde^ (rot).
Siben pett fein ^ in dem vater
uofer uod geschechen wider
die fibeo todfundt^. etc.
Das erfl gefchicht wider die
unkewfch.
Die ander wider die geitig-
kait.
Die drilt wider die tragkait.
Die befchDeiduDg ift wider die
fuud der unkeüfchait.
Die durchoagiang der heod ift
wider die fand der geitigkait^.
Der plütig angflfwais2 ift geor-
dent wider die fumi der tragkait^.
Die durcligaiflung iA geordent wi-
der die fund der uomeffigkait.
Die durchnaglung der füfß wider
deo rachfamen zoreo.
Des haupts krooung ift wider die
fundt der hochfart.
Die ofTQaDg der feitten durch das
rper wider denn neid. etc.
Eine zweite, compliciertere , graphisch nicht besser gelungene
gmppierung von siebenzahlen beginnt dann bl. 254^. die worte
des Vaterunsers stehn in roten kreisen, ich helfe im folgenden
wider der gmppierung nach; die zusammenfassenden klammem {
hat die hs. nur dreimal, einige beim binden abgeschnittene lettem
klammere ieh^ soweit sie sich ohne weiteres ergaben^ rund ein.
'Die vierd wider die frashait^
7 Die fünft wider deo zoreo.
Die fechft wider die hochfart.
Die fibeiTt wider den neid.
* were ' zwei worte. ^ fein Ubergesckr.
* gejigkait ^ vor tr. ist inärrigkait gestr. ^ frashat
' beide tätze stehn rot durchstrichen auch an falscher stelle, die
ganze vierte nr steht aufser der reihe, wird aber durch zeichen an den
richtigen platz verwiesen.
190
ROETHE
Vater
unfer
allmechtig in der fchoppfang
fleirTig in der Versorgung^
kunstreich ' in der underweilTung '
Derdupift*
in den^
himelen
ein Tchoner Tpigel der clarbait
ein edle krön der ewigkait
ein reicher Tchacz^ der faligkait
»Weiß be-
deüt (ra)in
in dem
(g)lauben
Geheilig
werd dein
nam
{unfers herczen rainigkait
unrers munds warhaftigkait
unrer werck heiligkait
das rein harpfen in o
eruns<ein honig im mi
fei lein ynnikait im
Plob be-
deut (rt)et
in der
(h)ofrnung
Zw kum
unr dein
reich
f alles gölten uberfluffikait
dar jn in < aller gemAt gancz ainigkait
l saliges wefens ftate ewigkait
frolich on betrabni
gerügsam" on hinc
gewirriich on verli<
Rot bedeut
gerecht in
der lieb
Dein will
gefchech
als in
himel und
in erde
durch
deiner
grorren güdtett betrachtung^
heiligen maieftat lobung
wirdigen gepot erföllung
alles das du liebest i
lieben
alles das du harTefi
auch halfen
alles dein gepot wi
volpringen
Gro bedeut
(.)anp8
in der
(d)emütig-
keit
Unfer tag-
lich prott
gib uns
heut
an fundlich Verschuldung
zu leiblicher aufenthaltung
zu pröderlieher mittaylung
das facramentlich^ zu
ewigkleich
das geiftlich zu behalten
leich
das materlich zu noturf
lieh
{bL 255')
Gel bedeut
gewert in
der pareni-
herczigkail
Und ver-
gib uns
unsere
fchulde
die ge-
fchechen
seien aus
die be-
laidigt
haben
als und
wir ver-
geben
unferen
fchul-
digern
* zwei Worte,
facz gestr.
nugfam?
unerkantnuß oderunwifenhait
kranckhait oder plodigkait
mötwillen oder poffhait
unfer perfon leiblich
unfer gut zeitlich
unfer ere unrechtigklich
übergeschr.
*^die wir haben getan w
wider unferen nechfte
lieh
wider unf felbs willi|
^®die uns betrübt habe
Worten
die uns verfert habe
wercken
die uns verdacht hak
herczen
untergeschr. * davor
^ steht fälschlich schon neben vater vnfer ^ wol ge-
betrachüg schreibt die hs. auch sonst. ^ facrametlich
^ zu lesen ist nur anp oder aup : vielleicht sanpe {f, sanpte)?
^^ beide gruppen erst später über oder unter der vorhergehnden
rubrik nachgetragen; übrigens trägt die A rubrik überall spuren späterer
hinzufi/gung.
MÜNCHENER REIMPREDIGT
191
be- Uod Dit
BS- enför * uns
[ ii iu rer-
küt röchang
{töckurch oder haimlich
frävell oder offenlich
rtel oder ungertumüch
der weit 2 faifcheit
des teufeis betrugligkeit
des fleirch lupkeil^
ircx -Sander er-
:dag| löß uns
^ ^e' ^oo übel.
tajt
mangerlay dürnigkail
meofchlicher wütlrickait
hellifcher pitlerkait etc.
vergangen runden
gegenwertigen runden
zukunftigen funden
Die eröffnenden reime beziehen sich v. 19 auf eine memorial-
figur, die, um dem geddchtnis der laien nachzuhelfen^ zu den sieben
stücken des Paternosters die sieben färben setzte und wol auch
nach zu Jeder bitte drei zeilen hinzufügte, von dieser figur können
uns die farblosen bll. 254^. 255' nur einen sehr blassen begriff
geben; zudem zeigt die vierte rubrik, die zweite triadenreihe , in
der hs. deutliche spuren nachträglicher eintragung, wenn auch wol
von der gleichen hand. die reime bilden also die einleitung zu der
tafelj die auch ihrerseits in allen 10 triaden, wo das allein möglich
war, durchgeführte reime aufweist, freilich auf die billigen endungen
Mngy -ail, -lieh, die 8 zusatztriaden der 4 spalte haben die reime
nur 3 Uta/ sauber, Imal grob rührend (funden); in der 2 bitte tritt
eine, vielleicht versehentliche Störung des reimes ein; 3 triaden be-
schränken sich auf rhythmisch' syntaktischen , aber doch ähnlich
klingenden parallelismus : die echten triaden würken also in dem
Zusatz nach, dagegen entbehren die zwischen einleitung und tafel
bl. 254' stehnden blutvergiefsen und todsünden sowol des reim-
Schmucks, wie sie in dem proömium unerwähnt bleiben : sie sind
also ein jüngerer bestandteil, eingeschoben^ aus dem grofsen bereit-
liegenden schätze symbolischer heptaden^ wie sie eine Patertioster-
erklärung stets nahe legte : die todsünden gehören geradezu zum
eisernen bestände dieser frommen siebenzahlen ; die sieben blutungen
Christi sind nicht so alt und fest {Borchling GGN, 1898, gesch,
min, 270 erwähnt einen tractat über eichl bluel slurIzuDge vns
leuen Herrn); aber auch sie waren durch die Vorliebe der beiden
letzten Jahrhunderte des ma,s für Maria und Christi sieben leiden
und ihre lyrisch-sentimentale ausnutzung in aufnähme gekommen:
auch eine predigt der Grieshaberschen Sammlung s, 120 hat dieselben
* ein für ^ oder woll? ^ doch wol ■= lüppekeit.
* dass es sich nicht um eine originalmifzeichnung des ganzen han-
delt ^ beweisen schon die foftnen wellen und lernen, die wider den reim
im texte der einleitungsreime stehn.
192 ROETHE
7 blulungen, tiur dass da die richtige chronologische reihe : beschnei-
düng, angstschweifs, geifelung, krönung, hände, füfse, seile inne-
gehalten ist : in der Münchner ks. hat der parallelismus der 7 bitten
und der 7 todsünden die um- nnd Unordnung bew&rkt.
Die reimeinleitung 253' also und die tafel 254^ 255' [mit
ausnähme der vierten ruhrik) bilden, trotzdem sie in der hs. ge-
trennt sind, eine eng zusammengehörige einheit. nach den quellen
der erbauungszwecken dienenden triaden hab ich nicht gesucht;
solche dreiheiten sind zumal in der predigtlitteratw in unüberseh-
baren massen vertreten; beim Paternoster treten sie zb, auf in
Wackernagels Altd. pred, s. 179/f*. interessanter war mir die ein-
beziehung der färben in die Patemostererklärung. denn es ist un-
verkennbar, dass diese concession an die laien hinausgeht über einen
blofsen sinnlichen anhält, meines Wissens sind die 7 färben kein
bestandteil der heiligen heptaden; selbst Isidor, der in seinem viel
benutzten eapitel über die siebenzahl schlief slich auch weltliche
septenen reichlich heranzieht, hat an die färben nicht gedacht, der
kirche fehlte zumal für messgewänder und manch stracht ^ eine ge-
wisse farbensymbolik nicht ganz {vgl, Wackemagel KL schrr. i 181
uö,; noch anders Musk, ^,12 ff; Nd. jb. 16» 74); aber einiger-
mafsen lebendig ist immer nur die bedeutung von weifs und rot,
jenes für reinheit^ Unschuld, dies für die göttliche liebe , die sich
im heiligen blut betätigte : ich verweise zb. auf Schönbach Altd.
pred. III 262, 21, Leyser Pred, 37, 19, Veghe s. 265, Iff, und diese
fromme Symbolik würkt auch im Münchner Paternoster nach, sonU
aber hat sein verf. sich an die minniglichen farbendeutungen ge-
halten, an denen sein jh. so reich war : natürlich wählte er nicht
die typischere sechszahl, sondern die für seine zwecke allein brauch-
bare und ebenfalls oft bezeugte sieben, der Zusammenhang ist
schlagend, zwar weifs ist bei ihm raiD, während es sonst deo
guoten wäD, die liebeshoffnung meint : das ist eben geistlicher ein-
fluss, dass plob, für religiöse betrachtung eine düstre färbe, hier
die stätigkeit vertritt, entspricht der.minniglichethregel{Germ,S,bOO);
auch die hoffnung ist in christlicher Symbolik grün, nicht blau,
beim r6r, der färbe der liebe, treffen kirche und weit zusammen,
das adj, des grö ist in der hs, nicht deutlich; zur färbe der demut
konnte mönchische vertoendung das grau empfehlen; in der minne-
spräche hat es keine ausgebildete rolle, nach Hätzl, 166*, 1 würde
es myone gut, daby adel uod hochen nult bedeuten, in dem Am-
MÜNCHENER REIMPREDIGT 193
braser liederbtuih nr 57 sir. 5 heifst es : grawe färb bringl mir
(>eia (vgl, Kd. jh. 15, 18); im 'Lofsbuch aufs der karten* (hsg. v.
HöfftimsUr) $. 4 trägt der elleode grabe kleider (vgl auch Fratücf.
mrtk, 3, 255); häufiger ab gr6 erscheint praun in der miuniglicheH
si^mboUk, ganz unzweideutig der minneterminologie gehören au
^ wms 'geweri', die färbe der erhörung, und grueo =3^ ^aDfaocJi',
die färbe beginnenden minneglücks {vgl. Germ, 8, 498. 499; die
beiepiele sind ganz dürftig), aber auch schwarlz fUgt sich ein : das
fwarU blDmlio das brioget mir die klag (Fratücf arch. 3, 256);
auch zoreu, irauer bedeutet es, ganz der letzten bitte, die vom
übel spricht, angemessen.
Der wesentlich minnigliche Charakter dieser farbendeutung
würde wahrscheinlich noch schärfer hervortreten, wäre mit den
färben nicht die weitere beziehung auf die sieben christlichen tU'
genden verbunden, atich dies eine variierende, aber normale rubrik
der siebenzahldeutung. die einen verwerten so die gaben des heil,
geiuee, die andern eine heptas : bumiiiias, maosuetudo, palieotia,
in^taolia boui, misericordia, parcimooia (oder pax), mundilia, mit
manchen Varianten (so in den sieben septenen des Johannes Saris^
beriensis, in den fiinfen Hugos vS Victor; twch zb. in da Butis
Dantecommentar ii 709); eine dritte art endlich stellt die drei
'virtuies theolugicae' tides, S|»es, cariUs voran und lässt die mehr
weltlichen 'virluLes cardioales' prudentia, iustitia, lemperautia, (orli-
tudo folgen (vgl. zb, Gregor Migne 76, 758; vor allem Bernard
vClairvauQc 184,574; Hugo vSVictor 176,1010). diese dritte
gruppierung behielt durchaus den sieg, und sie empfahl sich bei der
deutung des Paternosters um so mehr, weil man auch in ihm drei
geistliche und vier leibliche bitten unterschied (vgl. Patern. MSD. 43,
Str. 20; MSD.^ ii 264; Bernh, vCiairv. 184,811); sie hat sich
denn auch Hans Sachs vom predigflul her für den spruch an-
geeignet, in dem er das Vaterunser mit den haupttugenden in ver-
biudung setzt (Keller-Götze Kv3ll/f).
Auch unser Münchner poet geht diesen weg; auch bei ihm er-
öffnen glauben, hoffnung, liebe den reigen, in weifs, blau, rot, mit
einer abweichung also erinnernd an Dantes drei frauen, rot, grün
(di smeraldo), weifs, die Purgat, xxix 121 ff gleichfalls deth tanz
der sieben eröffnen, dann aber folgen bei unserm mann in den
abstraeten demütigkeit, paremherczigkait, weisbait, gedultigkait:
also von den 4 cardinaltugenden der 3 gruppe höchstens die weis-
194 ROETHE
hait, wenn man prudcntia so übersetzen will {mit VeghedlZ^ 10);
als sapienlia würde sie in die 1 gruppe gehören, demut, harm-
herzigkeit und geduld gehören in die 2 reihe; die humilitas wird
von Hugo vS Victor aao, übrigens als würzet aller 7 tugenden
auch seiner siebenzahl der 3 ort angegliedert, in den adjectiven
der 4 ersten bitten begegnen noch andre tugenden der zweiten reihe :
muDÜitia {auch bei Hugo der ßdes gepaart), inflantia boni, viel-
leicht maosuetudo; iuslitia (3 bitte) steuert eine weitere cardinal-
tugend der 3 gruppe bei. also ein compromiss zwischen der 2 und
3 tugendreihe, eine mischung und wirrung, an der widerum die ein-
mischung der weltlichen farbendeulung die hauptschuld tragen wird.
Für uns ligt darin gerade ein reiz, viel bedeutet er freilich
nicht, wir werden das stück doch als einen ausläufer der alten
Patemosterdichtung ansehen : das um so mehr, als im 1 5 jh. . der
dekalog die bitten für die katechetische und homiletische litteratur
weit zurückgedrängt hatte, der Münchner handschriftenkatalog und
nach ihm Goedeke {Grundr. i* 206) bezeichnen das stück als 'Pater-
noster, mystisch ausgelegt*, meinetwegen; nur darf mati nicht an
die neue mystik des 14 und 15 jhs. denken, zu der Goedeke
es stellt; das Münchner Paternoster huldigt in der methode ganz
der alten nur leicht verweltlichten ioterpretatio myslica, wie sie im
11 und 12 jh. unter französischem einfluss aufblühte.
Lohnt es, solch altmodisches stück abzudrucken ? mein haupt-
grund kommt, es hat eine Unterschrift, unter dem letzten kreise
des Paternoster steht noch ein kreis mit der eintragung : Das
chriflenlich voick : die christliche gemeinde ist also als beterin ge-
dacht, daneben aber die bemerkung : Der palernofter ift gepredigt
worden zw münchen io dem parfueffer clofter etc. Anno dni 1481.
es ist eine predigt, und eine reimpredigt, spät freilich, aber meines
Wissens doch die einzige deutsche, die gegenüber den französischen
und englischen Zeugnissen beobachtet ist : die zahlreichen belege, die
Wackemagel Altd. pred. 324/* /i'ir predigtreime anführt, stellen sich,
soweit es sich nicht um gedichte handelt, die gar keine predigten
sind, in ihrer Winzigkeit und Vereinzelung als ein fast zufälliger,
kaum gewollter schmuck heraus, noch kaum von dem gewicht der
von Linsenmayer Gesch. der predigt in Deutschland s. 156/" er-
wähnten schlnssreime oder der reimspielerei bei Schönbach Pred. 1 58, 8.
Der prediger legte, das ergibt die einleitung unbefangener be-
trachtung, seiner predigt die oben erwähnte memorialfigur zu gründe:
MCNCHENER REIMPREDIGT 195
etwa eine tafel mit den sieben grell aufgetragenen färben, die allen
körem sichtbar hing, ich verkenne nicht das auffällige dieser Voraus-
setzung, eine derartige figur eignete sich mehr für leset als für
hörer, und würklich hat Hugo vS Victor {Migne 176, 1010) einem
tradat von den tugenden und lästern eine arbor virtutum und
eine arbor vitiorum zur veranschaulichung beigegeben : der tugend-
ftottifi wurzelt in der humilitas und trägt 7 fruchte in kreisform,
nämlich die 4' weltlichen und die 3 theologischen tugenden, deren jede,
wider m kreisform, von 7 kleineren (die Caritas hat eine reichere
familie) iugendfrüchten umgeben ist. man könnte denken, dass
diese oder eine ähnliche Zeichnung unsern prediger angeregt hat.
denn die subscription um der figur willen anzuzweifeln , scheint
mir unzulässig, es handelt sich um nichts undenkbares, für die
laien braucht man etwas sinnliches : Berthold vRegensburg i 48 ver-
weist die laien ausdrücklich auf die betrachtung der erde hei tage,
des Himmels bei nacht; das sind ihm für laien die rechten heiligen
bücher. und wie das streben der versinnlichung die spätere mittel-
alterliche predigt überall durchdringt, warum soll sie in ihrer bilder-
lust nicht auch die letzte, vergröbernde consequenz gezogen haben?
da haben wir aus der Überlieferung zu lernen.
Die einleitung wird also der prediger gesprochen haben, wie
sie überliefert ist : reimprosa möcht ich sie nennen im hinblick
auf monstra wie v. 15. 16; gfrade für reimprosa gab die latei-
nische predigt muster zur genüge, v. 24 redet die gemeinde im
plural euch an\ der sing, merck v. 6 ist höchstwahrscheinlich auch
ein plural, der sein t verloren hat, wie geheilig (2 mal), faup,
belrachuDg (vgl. Weinhold Bair. gramm. § 143); übrigens ist auch
die singularische anrede der mittelalterlichen predigt nicht fremd:
gleich die erste predigt bei Schönbach ermahnt auch singularisch:
merke (i 5, 35). höchst predigtartig beginnt dann v. 25 die dispo-
sition : zum erfteu , zugleich eine art disposition der tafel. die
letzten 4 Zeilen, ihrem bau nach auffällig kurz^, sind recht
ungeschickt, mögen aber immerhin den trivialen abschluss der
einführenden ermahnung gebildet haben : die interpunction nach
V. 39 hat eine stütze in der hs. selbst.
* die verse l — 38 schwanken zwischen 9—18 Silben {durchschnitt
über 1 1 Silben) : ausgenommen v. 27, der Wortlaut einer Patemosterbitte^
und V. 33 (8 silben); — die 4 letzten Zeilen umfassen 6. 8. 8. 10
tilben.
196 ROETHE HDNCHENER REIMPREDIGT
Wie gietigs dann weiter? folgten die triaden, $o schlechtweg
an jede Pateniosterbilte gefügt ? die reimung der triaden beweist
wol^ dass sie auf zusammenhängenden vertrag der je drei glieder
berechnet waren, aber wol nur als disposition ; num gab ja gerne
eins kurze inhaJtsangabe vor der eingehnderen erörterung, die scharfen
und stark markierten dispositionen sind gradezu ein kennzeichen
des predigtstHs. und allermindestens die farbendeutung der ersten
rubrik brauchte unbedingt eine sehr viel breitere ausführung, wie
denn auch ein befriedigender homiletischer schluss fehlt, ist uns
die ausfahrung verloren? oder sollte sie improvisiert werden? jedes-
falls war sie in dieselbe lockere prosareimform gekleidet, wie die
erhaltene einleilung und der Geistliche wagen sie zeigen ; sehr mög-
lich auch, dass der prediger sich mitten unter den reimen prosa
gestattete, wie d»r Verfasser des Geistlichen wagens das reichlichst
tat. so ist leider das bild der reimpredigt auch in diesem falle
getrübt und unvollständig, dass der reim aber eine erhebliche
rolle in jener predigt des Münchner Barfüfserklosters gespielt hat,
wird man mir hoffentlich zugeben, trotz der zweifei, die die Über-
lieferung lässt ^. und da ist es doch vielleicht kein zufall, dass es
sich hier um eine katedutische predigt handelt, die stofflich schon
im 12 jh. ihre deutschen poetischen seitenstücke hat. der schluss
auf einen engeres^ Zusammenhang zwisdien dichtung und predigt
auch für jene frühere periode ligt um so näher^ als er nur längst
erschlossenes heUätigen würde. ROETHE.
* erwogen hab ich auch die möglichkeit, dass die tafel der ht. ledig-
lich die disposition des predigers festgehalten habe und dass erst nach-
träglich, für die schriftliche publication, die reimeinleitung hinzugefügt
wurde, aber wie gekünstelt! wie sollte man auf die idee kommen, die
figur einer blofsen disposition fnü einer an laien gerichteteti reimeinlei-
tung zu versehen?
ZU Zs. 44, 116.
Burdacli liat mir, veranlasst durch meine interpretatiou von
Wallh. 9,14, di« aushäugebogea seines im drucke befindticlien
bucbes über Wallher vd Vogelweide übersendel, und ich habe
daraus zu meiner Überraschung erseheu, dass sicli ihm dieselbe
erkläruug der 'armen künige* unabhängig von mir ergeben halle,
ich treue mich des zusammeulrefTeus um so lebhafler, als die
reichen, weilgreifendeu darlegungen, die Burdach an die slelle
knüpft, die Sicherheit und tragweile jener deutung erlreulieh
steigern. R.
HADLAUB UND MANESSE.
In der grofsen Heidelberger hs. fiodet sich zu Wisseolo ein
seltsames bild : ein liebespaar auf einer bank sitzend, zwischen
ihoeD ein kind, das beide anfassen, während es die dame streichelt.
einen Zusammenhang mit den unter Wissenlos namen überlieferten
gedichten aufzufinden gelang mir so wenig, wie es vdHagen (MSH
IT 457) gelungen war. da kam mir der gedanke : das ist ja ein
auftritt aus Hadlaubs liedernl hier haben wir ja den inhalt seines
anmutigen 4 liedes (Bartsch Schweiz, mionesinger s. 291):
Ach ich sach st triuten wol ein kindeÜD,
da von wart mtn muot liebs ermant.
si umbvieng ez unde truchte ez iiÄhe an sich:
dk von dächt ich liepltch zehant,
st nam sin aotlül in ir liende wtz
unde truchte ez an ir munt, ir wengel clär:
ow^ so gar wol kuste s!z! ...
Ich oam war doz kindelin Srst kam von ir,
ich uamz zuo mir liepltch ouch d6.
luDi ganzen minnesang ist mir keine andre stelle bekannt,
zu der dies bild irgend passen könnte — und hier passte es so
genau !
Die vermeintliche enldeckung berauschte mich förmlich, ich
suchte nach Hadlaubillustrationen in der Heidelberger hs. und
fand sie natürlich auch; ich sah den Zusammenhang Hadlaubs
mit dieser hs. und damit den manessischen Ursprung der Samm-
lung unantastbar bezeugt, bedenken, die Edward Schröder gegen
einige deutungen äufserte, vermochten meine grundidee nicht zu
erschottern, der aufsatz sollte bereits in die druckerei wandern —
als mir plötzlich in der nacht, während ich wider einmal über
diese zusammenhänge grübelte, eine ganz andre auslegung des
bildes zu Wissenlo aufgieng. nicht auf Hadlaub bezog es sich,
sondern — auf Aeneas. ^Ascanius der jongelinc' (vgl. Eneide ed.
Beb. 805 ff) wandert aus des Trojaners band in die der königin
und stiftet dort liebesbrand. so war denn auch wider ein. zweifei
des herausgebers dieser Zs. gerechtfertigt : sein einwurf, dass das
kindeitu doch 'so bestimmt als knebeltn^ ja eigentlich als knabe'
aufgefasst sei. ich erbat mir telegraphisch mein manuscript zurück,
und mit ^Hadlaub und Manesse' schien es vorläufig gute wege
zu haben.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 14
198 MEYER
Ich habe mir den gegenständ seitdem ein halbes lustrum
lang immer wider vorgenommen und glaube nun allerdings zu
ziemlich zuverlässigen ergebnissen gelangt zu sein, sie decken
sich freilich nicht mehr mit der ersten ^entdeckung'; aber das
Schlussresultat kommt ihr doch wider näher, als ich in langer
skeptischer pause erwartet hätte.
Mein jetziges ergebnis, um die hauptsache sogleich auszu-
sprechen, ist dies: die illustratoren der groTsen Heidel-
berger handschrift griffen in allen fällen, in denen
ihnen verbürgte ^porträts' der minnesinger nicht
überliefert waren, zu illustrierten andern büchern,
vorzugsweise natürlich epischen Inhalts, vielleicht
auch noch zu vorlagen andrer art, und wählten aus
diesen bilder, die zu dem text der gedichte eiuiger-
mafsen in beziehung zu bringen waren, natürlich halfen
sie auch durch allerlei kleine mittel der anpassung nach. — da
nun aber diese manier das Vorhandensein einer brauchbaren
'bibliolhek' mhd. bilderhandschriften voraussetzt, und da wir nicht
ohne weiteres für irgend welchen unbekannten platz voraussetzen
dürfen, was uns für Zürich und Büedeger Manesse ausdrücklich
bezeugt ist, so erhält der Zusammenhang unsrer sammelhandschrifl
mit dem Schweizer patricier allerdings von hier aus eine neue
Wahrscheinlichkeit; und diese wird noch durch einige einzeU
momeute erhobt.
Das ist indes immerhin erst Folgerung und hypothese. als
tatsache glaub ich den ersten teil dieser ausführungen hinstellen
zu können : die benutzung älterer, besonders epischer bilder-
handschriften für die minnesingerporträts in der Heidelberger
Sammlung.
Sieht man sich die folge der bilder, wie sie nun in Kraus
verOfTentlichung zuverlässig und zugänglich vor unsern äugen ligt,
unbefangen durch, so werden eine anzahl verschiedener typen
sich ohne weiteres dem äuge aufdrängen, mit den von Rahn in
seiner grundlegenden Untersuchung (Studien über die Pariser
liederhandschrift, in den Kunst- und wanderstudien aus der Schweiz
s. 79ff) unterschiedenen classen gehn sie nicht zusammen; und
das aus gutem grund : bei Rahn handelt es sich um dififerenzen
der ausführuogy in unsern typen um solche der anläge.
1. Den hauptstock der illustrationen bilden diejenigen dichter-
HADLAÜB UND M ANESSE 199
bilder, die unzweifelhaft von vornberein dazu bestimmt sini), eine
sammluDg von gedicbten des betreffenden Sängers einzuleiten.
dazu gehört vor allem die stattliche zahl von bildern , die der
Heidelberger mit der Weingartner bs. gemein sind, über die ty-
pischen Züge dieser dichterporlrüts handelt jetzt Fritz Trau-
gott Schulz in seiner diss. Typisches der grofsen Heidelberger
üederhs. (Goitingen 1899), obwol in ziemlich schematischer weise
and niemals durch beachtenswerte abweichungen von diesem mit
fast byzantinischer strenge festgehalteneu lypus stutzig gemacht,
es sind bilder, deren tradition noch heut in den titeibildern ly-
rischer gedichtbücber fortdauert, ein porträt, dessen haltung Uns
sofort in die grundstimmung der lieder versetzen soll, wird ge-
wisserroafsen als führender accord vorausgeschickt; die Situation
wird entweder im allgemeinen aus dem Charakter der dichtungen
entnommen — indem der Verfasser etwa als ritterlich- höfische
erscheinung, oder im liebeswerben, oder tanzend udgl. dargestellt
wird — , oder sie beruht speciell auf einem einzelnen charakte-
ristischen gedieht wie VValthers Ich saz üf einem steine.
Woher nun diese bilder tatsächlich stammen, wird schwer
auszumachen sein. wUrkliche porträtäholichkeit ist natürlich
höchstens für die fürsten anzunehmen, bei denen münzbilder be-
nutzt sein können; aber diese selbst sind selten ikonisch, und
den malern lag auch nichts an Individualisierung, und doch bat
gerade in der ikonographie der dichter bis in die jüngste zeit
hinein eine fast fanatische neigung zur Stilisierung geherscht — ich
habe mir darüber mancherlei angemerkt — und der typische ausdruck
der ^dichterphysiognomie' erschien fast bis in die mitte unsers jhs.
als wichtiger denn die charakteristischen einzelzüge [vgl. darüber jetzt
Roethe Anz. xxvi 12f]. es würkt ja fast komisch, zu beobachten, wie
Julius Mosen und lord Byron, Zedlilz und Freiligrath, Gutzkow und
Prutz bei aller unendlichen Verschiedenheit der persönlichkeilen
in den landläufigen bildern sich auf den ersten blick ähnlich
sehen I wie viel stärker muste im ma. das idealisierende moment
selbst da würken, wo etwa einmal die müglichkeit der porträt-
ähnlichkeit gegeben warl noch das berühmte ^älteste porträt
eines deutschen dichters', Frauenlobs köpf im kreuzgang des
Mainzer doms (in Könneckes Bilderallas s. 48) hat durchaus nichts
von der überzeugenden porträthaftigkeit etwa der frühsten Dante-
bilder, das eigentliche porträt existierte ja überhaupt noch kaum I
200 MEYER
DeDDOch wird man diesen eigCDtlicbeo Miederbuchbildern'
eine gewisse aulbenticitdl nicbt abstreiten dürfen, die überwiegend
genaue ricbtigkeit der heraldiscben beigaben deutet auf gute
quellen, während auch die beste, bezeichnendste auffassung des
dichters selbst — zb. die hübsche darstellung Veldekes mit den
singenden vögeln in den blumen (MFr. 56, If. 62, 25 f. 64, 17 f.
65, 28 usw.) — einfach aus dem text gefolgert sein kann, aber
Wappen und helmzeichen müssen natürlich auf tradition beruhen,
an ofQcielle ausgaben braucht man deshalb noch nicht zu glauben —
obwol sie vorgekommen sein können und etwa eine Warnung vor
entstellung wie Walther 18, 1 f ? 33,19 in diese richtung deuten
könnte, aber es genügte ja, dass die spielleute oder die samroler
sich die Schildeszeichen merkten und notierten, um darüber auf
befragen auskunft geben zu können; ist doch die ganze Neidhart-
legende auf die sammlertätigkeit, auf die notizen Verarbeitung von
fahrenden, die über den dichter genau bescheid wissen wollten,
zurückzuführen (vgl. Zs. 31, 64 0.
Ich denke mir also : die wappen und heimzeichen sind das
ältere, und erst bei der anläge gröfserer systematischer Samm-
lungen traten die ^porträts' hinzu, das wäre dann ein ganz ähn-
liches arbeiten mit tradition und auslegender phantasie zugleich,
wie später bei der anpassung epischer illustrationen.
Wie es sich damit nun auch verhalte — sicher bleibt, wie
gesagt, was auch niemand angezweifelt hat, dass eine grofse reihe
von dichterbildern von vornherein für die liedersammlung gemalt
sind, es sind in der regel einzelfiguren , seltner gruppen von
zwei gestalten, nur ausnahmsweise noch mehr.' das üguren-
reiche gemälde Wenzels von Böhmen kann etwa als ein alles
titelbild erklärt werden (über diese mehr unter 2); ist es
doch auch in Kraus reproduction dazu benutzt worden. — die
Üguren sind in einfachen typischen Stellungen gezeichnet, nach-
denklich, im gespräch, aufreitend — wie sie etwa auf siegeln
oder grabdenkmälern auch erscheinen, fast durchweg besitzen die
bilder dieser classe als besondres kennzeicben ein für die aufnähme
des namens bestimmtes schriftblatt [vgl. darüber jetzt Roethe
aao. s. 14 f]. dies ist etwa bei Kilchberg ein berabgereicbter brief,
bei Meinloh eine dargebotene gedichtrolle, bei Heinrich vRugge ist
die fahne hierfür ausgespart; Wallher, Veldeke, Penis und andre
halten einfach das blatt wie eine steife puppe in der band, es
HADLAÜB UND MANESSE 201
kann schwerlich bezweifelt werden, dass diese bläUer von vorn
herein fQr den nameu bestimmt waren; ich erinnere nur an die
manigfaltigen . arten, wie die modernen witzblätter (am geist-
reJchsleo die amerikanischen) in immer neuer weise ein Ordens-
band, ein muster an der kleiderschleppe , eine Fahne benutzen,
um den namen der skizzierten persönlichkeit anzubringen, wenn
io C durchweg die namen oberhalb des rabmens stehn, so be-
weist das eben nur^ dass altere bilder benutzt wurden; wozu
hatte man sonst diese breiten, so oft (zb. bei k. Heinrich) nur
störenden blätter anbringen sollen?
Schriftbldtter haben in der Heidelberger hs. kHeinrich,
Neuenbürg, Kilchberg, Botenlauben^ Hohenberg, Veldeke, Neifen,
— vdMure, Morungen, Wintersteten, Reinmar, Hohenfels? Bieten-
burg, Sevelingen, Rugge, Wallher, Seven? — Bligger, Munegiur,
Raute, — Reimar vZweter; bei Kürenberg, vermutet vdHagen mit.
guteo) grund, ein blatt sei beabsichtigt gewesen. Hausen, der
in B eine rolle ins wasser hält, hat in C kein schriftblatt. übri-
gens haben wir einige von diesen bildern — wie das Reinmars
vZweter trotz den schrirtblättern in andere classen einzu-
reiben.
Diese classe deckt sich weder mit einer der classen Rahns
oder Apfelstedts (Germ. 26, 2130 ^^^^ i^^ sie mit der gruppe der
B und C gemeinscharüichen sanger völlig gleich, wir werden
annehmen müssen, dass verschiedene ältere liedersammlungen be-
nutzt sind, darunter eine, nach deren muster dann sowol in B als in
C weitere bilder mit schriftblatt gezeichnet wurden, (das typische
bild einer solchen entwicklung gewährt der bilderkreis zum
Wälschen gaste, bei dem AvOechelhäuser die Variationen einer
original vorläge durch verschied ne hss. verfolgt hat), das Verhält-
nis der gemälde in den beiden grofsen hss. ergibt nicht ohne
weiteres aufschluss. ich habe mir schon vor langen jähren auf
Scherers veranlassung eine Zusammenstellung derselben angelegt;
ich muste damals noch die schönste unserer hss. in dem dunkeln
provisorischen lesezimmer der Pariser bibliothek benutzen — nun
ist es wider die 'Heidelberger hs.M damals kam ich zu dem er-
gebnis, bei vielfach, aber nicht durchweg gleicher grundlage sei
C altertümlicher, B variiere zuweilen willkürlich, wie weit neuere
Untersuchungen diese meinung bestätigen, weifs ich nicht, als
besonders charakteristisch halte ich mir neben Hartmann und
202 MEYER
Rielenburg damals schoo Hausen Dotiert (im allgemeinen vgl.
Uhland Schriften v 272, der B für allertümlicher hält).
2. Eine ganze gruppe von bildern trägt wesentlich den
gleichen charakler, wenn auch das Spruchband fehlt; wir sehen ja
bei Hausen, dass bei dem gleichen bild B es besitzt, C nicht,
hierher gehören Limburg, Wolfram, Singenberg, Künzingen,
Heinzenburg, Wallher vMelz, Hartmann, (der Winsbeke), Lichten-
stein^ Stadeck, Augheim, Tanhäuser, Buocheim, Hardegger, Taler,
der tugendhafte Schreiber, Steinmar, Reinmar der Fiedler^ Hawart,
Günther vdVorste?, Obernburg?, Friedrich der Knecht, bruder
W^ernher, der Marner, Tetingen?, Sunnenburg?, Spervogel, Boppe,
der Kanzler, bei einer ganzen reihe von ihnen tritt aber ein
auffallend enger, so zu sagen anekdotischer anschluss an die ein-
zelpersönlichkeit hervor, bei Hawart wird die Situation aus dem
Wappen abgeleitet. Spervogels bild ist fast eine art rebus, der
Tanhäuser ist ganz individuell aufgefasst. der Schreiber — auf
dessen bild Gawein und Kai disputieren (man beachte des einen
dialektische fingerstellung, wie sie etwa die heilige Katharina in
späteren darstellungeo ihrer disputation zeigt), während ein
Schiedsrichter, der landgraf, zuhört und ein diener symbolisch
die handlung des abwägens vornimmt — wird ebenfalls ganz
specifisch als der dichter des Streitgedichtes aufgefasst, während
vdHagen (MSH iv 965) jede beziehung auf seine poesie vermisste.
ganz specifisch ist auch das genrehafle herbstbild zu Steinmar.
des Fiedlers gemälde ist wider aus seinem namen gezogen, auch
die bilder zu Günther vdVorste, Friedrich dem Knecht und etwa
noch Marner haben mehr stofThchen, epischen Inhalt als die
'echten' liederbuchporträts. ich bemerke ferner, dass die am
stärksten genreartigen bilder in kleinen gruppen zusammenslchn.
— ich glaube innerhalb dieser reihe eine entwicklung annehmen
zu sollen, man emancipiert sich zuerst von dem scbriftblatt, ob-
wol dies doch eigentlich nach dem wappen das wichtigste war
und für den, der mit heraldik nicht ganz vertraut war — die
fahrenden waren es, die Sammler brauchten es nicht zu sein —
unentbehrlich, man kommt so aus dem typischen bilde des minne-
Sängers allmählich immer stärker ins genrehafte, und der anschluss
an epische illustrationen (vgl. u. zu Steinmar; ferner zu Alram
vGresten) tut das seinige.
Übrigens lassen sich in dieser classe der ^liederbuchporträts
HADLAUB UND MANESSE 203
zweiter ordouDg' wider einige familien absondern, die vieriigu-
rigen (Schreiber und Boppe) nähern sich den gruppen^ zu denen
Sachsendorf, Schwangau, Wengen, Niuniu, Süfskind gehören;
die eigeDlQmliche behandlung des arabeskenartigen baupies lässt
rar mehrere bilder auf die gleiche vorläge schliefsen. für unser
eigenlliches thema probandum ist dies aber nicht von belang.
3. Eine stattliche reihe von bildern zeigt immer noch wesent-
lich deDselben typus, l^Ut aber durch die scharfe horizontale
Zweiteilung auf. wappen und helmzier, die noch frei in der
ecke hangen, sind hier durch einen balken abgetrennt, der etwa
in der höhe des goldenen Schnitts über dem figurenbilde ligt.
Hier finden sich gemälde von allen arten:
a) einfache gruppen mit Spruchband : Reinmar der alle (man
beachte die 'fensler'; vgl. u.), Rietenburg, Sevelingen, Munegiur,
Rute.
b) ohne Spruchband mit dem arabeskenartigen bäum (wie
öiier in 2): Bernger, Horbeim, Altsleten.
c) ohne Spruchband, aber sonst in typischer hallung (wie
io 2): Johansdorf, Bligger.
d) ^enrebildartig: Lüenz (stein ewerf er), Adelnburg und Müln-
busen (gruppen mit dem Venuspfeil), Reinmann vBrennenberg
(Sänger unter bauern), Landeck (der schenk vor dem geistlichen
berro kniend), VVerbenwag (liebesscene im zeit).
Mehrfach (bei Rielenburg, Horheim, Landeck, Munegiur,
Rute) bildet noch das auffallend steif gehaltene oder Mn der luft
Letestigte* schwert ein kennzeichen dieser gruppe.
Das merkwürdigste und aufschlussreichste bild ist das Rein-
manns vBrennenberg. das* ist nämlich — wie sonderbarer weise
noch niemand bemerkt zu haben scheint — nichts anderes als
eine Variation des bekannten Neidhartgemäldes, der dichter ist
in haltung und ausdruck verzerrt, die beiden bauern rechts vom
beschauer sind vergröfsert und aus der drohenden haltung zu würk-
lichem mord und todschlag übergegangen, an dem auch die bei-
den klein gebliebenen bauern links teilnehmen (über die ver-
schiedene gröfse der figuren auf 6inem bild vgl. Oechelhäuser
aao. s. 6). die gesamtanordnung ist klärlich dieselbe, überhaupt
sonst nirgends wider vorkommende, es wird nicht zu bezweifeln
sein, dass das bild Reinmanns das Neidharts voraussetzt und im
siune biographischer nachrichten über den späteren dichter um-
204 HEYER
bildet, ganz uomOglicb war es freilich Dicht, dass irgend eio
episches gemälde — eio Sänger von bauern überfallen — beiden
zu gründe läge; aber wir haben schon so vielfach episch-bio-
graphische illustrationen getroffen, dass eine solche für einen mann
von Neidharts popularität gewis angenommen werden darf.
Ich erklär^ mir diese gruppe so. es werden zunächst fer-
tige (epische) illustrationen wie die zu Werbenwa^ genommen, und
da hier nua der in den 'echten' bildern ausgesparte räum für
wafl'en und heim fehlte, wurde er durch den oberraum eingebracht,
den man mit dem unkttnstlerischen querbalken gewann, dabei
hat aber gewis auch die analogie der doppelbilder (vgl. u.) mit-
gewürkf. man scbloss dann aber später auch bilder von älterem
typus — mit oder ohne schriftblatt — an diese tieue art an.
dass sie jung ist, dafür spricht wenigstens die Wahrscheinlichkeit,
man beachte auch, dass bei Werbenwag nur der leere schild
steht: dem maier fehlte hier eine vorläge, und so half er sich
durch ein gemälde der liebesfreude aus einem epos (aus einem
epos : dafür sind die zeltvorbänge beweisend) und liefs den räum
für die heraldischen zutaten vorerst frei.
4. Eine vierte gruppe schliefst sich immer noch an den
alten typus eng an, zeichnet sich aber durch das anbringen von
Spitzbogenfenstern über dem figurenbilde aus.
a) einfache gruppe mit schriftblatt: Reinmar vZweter.
b) einfache gruppe: (Winsbekin), Konrad vWürzburg, der
Kanzler.
c) genrebildartig : Hildbold vSchwangau im turnier nach
dem tanz (wie Schulz aao. s. 97 wol zutrefl'end erklärt).
d) eigentliches genrebild : Süfsklnd vTrimberg (Jude vor
dem geistlichen schutzherrn), Rudolf der Schreiber (in der kanzlei,
vgl. Schulz aao. s. 79), namenlos zu Regenboge (disputation zwi-
schen dem Schmied im schurzfell und dem dichter) — alle drei aus
biographischen nachrichten oder der namensüberschrifl gefolgert.
Die darstellungen erinnern lebhaft an die vorige gruppe:
Süfskind wie der schenk von Limburg vor einem geistlichen
herrn, Rudolf der Schreiber wie Reinmann in bewegter tätig-
keit, Hildbold und der Kanzler wie der burggraf von Lüenz —
der doch wol in einem ritterlichen kampfspiel in der art des
Steinwerfens im Nibelungenlied begriffen ist — in einem eigen-
artigen moment des typischen ritterlebens.
HADLAUB UND MANESSE 205
Schulz (aao. s. 47) oimmt die spitzbOgen als andeutung des
geschlossenen raums. das ist natürlich die ursprüngliche Be-
deutung; der geschlossene räum hat aber doch höchstens für
das bild Hildebolds und allenfalls noch für die disputation in
der schmiede Wichtigkeit, ich denke, wir werden auch hier zu
einer erklärung aus technischen rücksichten greifen müssen, es
ist doch wol kein zufall, dass diese bilder fast ohne ausnähme wappen«"
los und. einen selbständigen Schild samt helmzier hat nur Reinmar
▼Zweier; aber sie sind so gedrückt, eingeklebt, dass man zuversicht-
lich annehmen darf: sie sind nachgetragen, war doch vorher schon
die rosette gezeichnet, die auch bei Rudolf dem Schreiber das
wappenbild ersetzen mussl — Hildbold ist allerdings mit aller
heraldischen zier ausgestattet, aber er trägt sie an der gewandung.
Ich meine also: wo der illustrator kein wappenzeichen fand
oder finden konnte (wie bei dem Juden von Trimberg), oder wo
er keine lust hatte, die wappenbilder am waffenrock nochmals
zu aialen (wie bei dem Schwangauer), da half er sich, indem er
den dafür sonst leer gelassenen räum durch die 'fenster' aus-
füllte.
Geschlossene reihen finden wir in dieser gruppe so wenig
wie in der vorigen, wenn auch natürlich gelegentlich einmal
zwei bilder gleicher art neben einander stehn.
Aber all diese typen lassen uns doch schon ein Stückchen
tiefer in das verfahren der illustratoren blicken, diese erbalten
saainiluDgen mit wappen ohne bild (gruppe 3) — wie es wol
die alten Uederbücher der fahrenden waren — und zeichnen nun
geoQälde nach analogie anderer lyrischer porträts, oder auch nach
dem muster epischer illustrationen ein. sie erhalten anderseits
Sammlungen mit bildern ohne wappen (gruppe 4) und helfen sich,
indem sie den wappenplatz durch die immerhin heraldisch wür-
kenden spitzbögen ausfüllen, nachträglich wird dann auch wol
noch ein schild wie der Reinmars vZweter oder gar das groteske
handwerkerzeichen Regenbogens — neben dem doch das Frauen-
lobs fehlt — nachgetragen; letzteres hängt, bezeichnend genug,
an einem nagel an der decke und ist so mehr ein kennzeichen
des raums — der schmiedewerkstatt nämlich — als der person.
Übrigens ist auch die gemusterte einfassung dieser bilder —
die nur bei den ersten, Winsbekin und Hildebold, fehlt, — zu
beachten, wenn sie auch keineswegs ihnen allein eigentümlich
206 MEYER
ist, vielmehr bei den 'zuscliauerbildern' fast nie fehlt und auch
hei den 'echten lyrikerhildern' häufig begegnet.
5. Eine gruppe für sich, und zwar eine sehr interessante,
bilden die doppelbilder, obwol C nur zwei solche besitzt, es
sind die bilder zum Wartburgkrieg ('Klingsor von Ungerland')
und — zu Hadlaub. dass eine gewisse Ähnlichkeit mit den bil-
dern mit halkenteilung (gruppe 3) besteht, gaben wir schon zu.
aber dort ist der oberraum nur zugäbe; hier teilt ein querbalken
das blalt in zwei gesonderte, gleichberechtigte figurenbilder. das
ist nun der herschende typus in illustrierten epen wie der typi-
schen Berliner hs. der Eneide. es kann, glaub ich, nicht be-
zweifelt werden ; dass auch jene beiden bilder ursprünglich
selbständige ausgaben schmückten, der Wartburgkrieg hat für
einen liedersammler das allergröste interesse wegen seines bio-
graphischen Inhalts; und Hadlaubs gedichte müssen wol für den
Sammler etwas besonderes geboten haben, warum wären sonst
gerade hier zweiteilige figurenreiche bilder in die liederhandschrift
aufgenommen? man könnte antworten: weil der lebhafte, episch-
dramatische inhalt dazu auffordert, aber etwa Waltbers gedichte
bieten nicht weniger malerische Situationen, wie denn Burdach
(ADB41,83f) mit recht die anschaulichkeit in seinen gedichten
hervorhebt, und etwa bei Steinmar oder Neifen hätte man so gut
wie bei Hadlaub zwei bilder anbringen künnen. viel einfacher
scheint mir also die annähme: während der oder die redacloren
von C im allgemeinen nur Sammlungen benutzten, hatten sie hier
Originalausgaben vor sich und behielten deren titelbilder bei. es
handelt sich aber gerade um zwei liederbücher — denn in ge-
wissem sinn ist ja doch auch der Wartburgkrieg eine liedersamm-
lung — , die durch ihren episch-dramatischen ton eine ausstattung
in der an der epen ermöglichten, ja fast forderten. — und so
wäre hier denn wider ein bezug Hadlaubs auf die grofse Samm-
lung gegeben.
Nun aber: die beiden doppelbilder sind nicht völlig gleich-
artig. Hadlaubs gemälde bringt würklich zwei Situationen, wie
die doppelbilder der Eneide und des Wälschen gastes —
Klingsors nur eine, in zwei teile zerlegt: tinten die sänger, oben
das kOnigspaar. wäre räum, so konnte alles neben einander
platz finden, wie auf den disputationsbildern des tugendhaften
Schreibers und Regenbogens. daran ist aber natürlich nicht zu
HADLAUB UND MANESSE 207
denkcD, dass erst io C das bild zerlegt wäre: die anordouDg vor
allem des untern teils zeigt deutlich, dass dieser immer selbst-
ständig war.
^'un haben wir aber ein anderes gemälde, auf dem die beiden
groppen würklich in ein bild zusammengerückt sind, das ist
das Frauenlobs.
Ich Termute auf das bestimmteste, dass hier ein zweites altes
buch zum Wartburgkrieg vorligt. oben der richtende fürst, unten
sieben musicierende dichter — mehrfach mit den typischen rosen-
kränzen — und an beiden Seiten die henkersknechte mit den
fesseln ^ für den unterliegenden, was sollte das bild denn dar-
stellen, wenn nicht einen Sängerkrieg? wahrscheinlich safs ur-
sprüDglich auf der andern seile die landgräfin. dann wurde das
bild auf Frauenlob bezogen, weil dieser ebenfalls einen Sänger-
krieg — mit Regenbogen — ausgefochten hat; wie ja auch für
seineo gegner diese kampfscene gewählt ist. nun rückte der
Wappenschild in die ecke ein und eine Störung der Symmetrie,
die ganz beispiellos ist in der ganzen Sammlung, kam zu stände,
(ihnliche Verschiebungen zeigen sich auch beim VVälschen gast:
zusammeDziehung zweier bilder in eins Oechelhäuser s. 43; mehr-
fach die ^übereinander-anordnung' : s. 31, vgl. 49).
Trifft diese Vermutung zu, so ergibt sich ein weiteres,
dies Frauenlobbild ist von dem Klingsorgemälde zu stark verschie-
den, als dass wir beide der gleichen ausgäbe zuschreiben dürften.
6er Sammler besafs also den Wartburgkrieg zweimal — vermut-
lich einmal in einer liedersammlung (das einheitliche gemälde)
und einmal in einer sonderhs. (das zweiteilige bild). bei der
Wichtigkeit des gedichtes ist das verständlich; es wirft aber doch
ein interessantes hebt auf die litterarhistorischen interessen des
Sammlers.
6. Eine weitere wichtige gruppe bilden die zahlreichen ge-
mälde mit einer mauerzinne und zuschauenden frauen, bei denen
scboD gleich auffällt, dass vier von ihnen (zu Rinkenberg, Raprechts-
wil. Lupin, Düring) zu den anonymen gehören.
Rein äul^erlich stehn diese bilder in der mitte zwischen
den doppelbildern und denen mit balkenteilung. wie bei diesen
ist der halbierende strich nicht (wie bei den doppelbildern) in
der mitte, sondern zu etwa zweidriltel angebracht; aber wie bei
[* eine deatung, die Roethe allerdings lebhaft bestreitet.]
208 MEYER
den doppelbilderD ist auch oberhalb des Strichs eio figurenbiid.
auch an die ausfüllung des obern raums durch Spitzbogen darf
erinnert werden.
Dennoch ist diese gruppe eine reihe fUr sich, solche mauern
im hintergrund, wie sie hier durch die zinne angedeutet werden,
sind in der Berliner Eneide ungemein häufig (17 unten, 16 unten
und oben, 33 oben, 35 unten, 45 unten, 56 oben, 66 unten,
80 unten, 86 unten, 90 unten, 93 oben, 94 oben, 97 oben,
120 oben, 124 oben, 146 oben und unten), widerholt begegnet
auch die Ueichoskopie' (12 unten, 73 oben, ganzbild 93, 195
unten); oder die mauer in belagerung (15, 85 unten), hier ligt
also in C wol anlehnung an epische illustrationen — oder directe
Übernahme vor, und zwar so, dass diesmal die ganze anläge von
dem muster bestimmt wird, nicht blofs das eigentliche 'porträt',
das eigentliche 'flgurenbild'.
Wir haben folgende nuancen:
a) bilder vom habitus der 'echten' liederbucbillustrationen :
meister Sigeher, der wilde Alexander, Rumslant,
b) ähnlich, aber mit Verbindung zwischen der porträtgruppe
und den Zuschauern: Rotenburg, Rubin,
c) zweikampfbilder:
ä) zuross: Klingen, Raprechtswil (unbezeichnet), Ehenheim.
ß) zu fufs: Rinkenberg (unbezeichnet), ScharfTenberg, Diet-
mar der Sezzer,
d) Schlachtenbilder: herzog von Anhalt,.
e) aufzug zum turnier: Dorner (unbezeichnet) und heimkehr
von da : Heinrich von Breslau (mit anschluss an die zuscbauergruppe).
Unverkennbar ist hier ein besonderer typus bevorzugt: ge-
rade wie bei den bildern mit balkenteilung specifische momente
aus dem höfischen leben, sind hier solche aus dem ritterlichen
gewählt, solche bilder sind nun naturgemäfs in den illustrierten
epen besonders häufig; solche reitergefechte, Zweikämpfe zu pferd
und zu fufs, turnierbilder sind zb. in der Berliner hs. der Eneide
stark vertreten (35 oben, 66 oben und unten usw.). ich möchte
diese gruppe die der epischen genrebilder nennen, ihre durch-
aus typisch gehaltene art verbietet, irgend eine specielle quelle
aufzusuchen, (auch zum Wälschen gast werden solche allgemein
gehaltenen kampfbilder gezeichnet : Oechelhäuser s. 33; vgl.
s. 60). handelte es sich um die figuren allein, so würden wir
HADLAUB UND MANESSE 209
Dicht eiDinal mit bestimmtheit auf epische grundlage schliefsen
könocD. der typische rittersmanD sieht natürlich nicht anders
aas, wenn er als dichter oder als kämpfer gefeiert wird: eine
ritterfigur auf dahinsprengendem ross, wie schon die ältesten
l3fnkeraii&iaturen sie aufweisen, wird niemand auf epen zurück-
fohreo wollen, überhaupt ist eine starke berührung der typi-
schen Situationen ja schon durch die inhaltliche verwantschaft
da* mhd. epik und lyrik gegeben, ein schifTsbild, wie das wahr-
scheinlich doch alte, 'echte' Hausens, ist zb. in der illustrierten
Eneide häußg, allerdings (vgl. u.) mit stärkerer bemannung. bil-
der, die gleichsam das typische tagelied darstellen, wie etwa das
AltsteteDS, fehlen dort auch nicht: liebesgruppe unter dem linden-
baam, daneben das ross (26 unten), liebespaar mit Wächter
(79 oben) udgl. einfache 'conversazioni' im stil zahlreicher
lyrikerporträts fehlen dort auch nicht, zb. der könig mit beistand
(11 oben, 29 oben, 71 oben), zwei (25 unten, 30 unten, 39 unten,
41 unt^D, 51 unten, 69 unten) oder zwei und eine person
(22 unten, 34 oben, 41 unten) im gespräch, könig mit gefolge
(37 unten), einzelne figuren sitzend (59 unten; weibliche figur
46 oben) oder stehend (52), schreibend (55 oben) usw. dass die
lyrikerporträts eben überhaupt in der allgemeinen tradition und
dem herschenden stil wurzeln, versteht sich ja von selbst und
ist jetzt wider durch Traugott Schulz (aao.) belegt worden (vgl.
Kraus Gesch. der christl. kunst ii 452). aber die mauer im
hintergrund und die Zuschauerinnen (neben denen die Zuschauer
zurücktreten) dürfen wir allerdings sicherlich als epische kenn-
zeichen ansprechen, nicht nur ergibt die handlung des epos sehr
oft gerade diese Situation: kämpf vor der belagerten Stadt, turnier
im burghof — es entspricht auch der naiven gepflogenheit alter
kaust, den Zuschauer auf die bühne zu bringen; wie der chor
der antiken tragOdie vertritt diese Corona bewundernder frauen
das publicum, in der lyrik ist dazu kein anlass: da ist ja die
sonstige tätigkeit des ritterlichen dichters nebensache, und nur
auf sein singen und liebeswerben kommt es an.
Die bilder sind kunsthistorisch sehr interessant: die ent-
wicklung von der schematischen widerholung zweier Zuschaue-
rinnen (Anhalt, vgl. ScharfTenberg) bis zu der lebendigen Ver-
bindung von held und publicum (kranzspende: Heinrich vBreslau,
Rotenburg); das anekdotenbild der zum türm geschossenen bot-
210 MEYER
Schaft (Rubin) neben den typischen mensuren der heim- und
harnischlosen (Rinkenberg, Scharpfenberg); die komisch würkende
Vermischung dreier grörsenmarse(Raprechtswil) oder die unmögliche
kopfstellung des auf wildem ross dahinjagenden Alexander neben
dem sehr gut componierten tumierbild des DUrners — sie sind
geeignet, auch für die vorlagen den weiten zeitlichen abstand zu
erhärten, den Rahn für die illustratoren selbst annimmt. fOr
unsere aufgäbe aber ligt eben hierin die bedeutung dieser gruppe:
auch sie scheint das Vorhandensein einer ganzen 'bücherei' zu
beweisen.
Auch die blofs angefangene Zeichnung, die noch niemandem
zugewiesen war, gehört hierher.
7. Zwei bilden in denen das besonders lebhaft ausgeführte
Schlachtgemälde die burgmauer in eine ecke gedrängt und ge-
drückt hat — etwa wie das fürstenpaar in dem bilde Frauenlobs
halbiert und in die ecke geschoben ist — stell ich als Über-
gang zwischen der gruppe 'zinne' (6) und der gruppe 'eckturm'
(S) besonders, es sind die sich folgenden bilder zu Heigerloh und
Homberg. bei dem ersten ist noch fast ganz der typus der an-
dern Zuschauerinnen gewahrt — klagend, wie bei Wallher vKlingen,
— aber das bauwerk selbst ist durch starkes hervorheben der
Untermauerung ausgezeichnet, das wüste bild zu Homberg —
mit merkwürdig lebhaft individualisierten fufsknechten — zeigt
statt der burgzinne einen schlossturm mit Windfahnen, gockel-
hahn und aufgeregten mansardenßguren. ich möchte vermuten,
dass diese beiden figuren reichen gemälde nicht auf miniaturen
zurückgehn, sondern auf Wandgemälde; dass das zweite bild über
den rahmen geht, ist wol kaum zufall. in Runkelstein ist das
grofse schlachtbild (tafel xii der Seelosschen reproduction) ebenso
wirr, die allerdings einfacher gehaltenen burgtürme (tafel ix.
XV uö.) sind ebenso mit zuschauerköpfen überfüllt.
8. Aus miniaturen stammen dagegen gewis wider die bilder
mit eckturm. es ist wider eine ansehnliche reihe:
a) typische alte Situation mit schriftblalt: Kilchberg.
b) ebenso ohne schriflblatt: Seven, Wildonje, Stambeim.
c) Zweikampf: Leiningen, Lupin (unbezeichnet), Püller (oder
zwei ritter in gemeinsamem angriff?).
d) anekdotische Situationen: ritter klimmt zum kränz empor
(Toggenburg); kaufmann und burgfrau (Dietmar); aufzug am
HADLAUB UND MANESSE 211
türm (Harole) ; hin- und herschiefsen von briefen, im hintergrund
eine belageruDgsmaschine (Trostberg), besonders merkwürdig
floroberg: hier blickt stall der Frau der ritter aus der bürg und
statt des ritters reitet die dame heran, um ihn zu fesseln; denn
dass es die dame ist und nicht freu minne, bemerkt Oechelhäuser
(aao. s. 26 anm.) zutreffend, also eine ähnliche umkehrung der
situatioD, wie wenn zu Troslberg ein brief herabgeschossen, zu
Rubin aber (vgl. o. gruppe 6) einer heraufgeschossen wird (vdHagen
MSH IV 412). Schröder verweist mich für beide, mit unzweifelhaftem
recht wol für Rubin, auf Veld. En. 10785 ff.
e) grofse vierfigurige gruppe: Wengeu.
Toggenburg, Kilchberg, Leiningen — Hornberg (Werbenwag)
PQller, Trostberg slehn bei einander, alle fast befinden sich in
der Umgebung von bildernder späteren, episch mindestens be-
einflussten gruppen.
Wir sind hier mitten im bekannten epischen gebiet, im
ganzen hat die erklärung dieser bilder von JGrimm (Kl. sehr, vi
238) und vdHagen bis zu Traugolt Schulz kaum fortschrilte ge-
macbi, weil sie das typische zu stark, das eigenartige zu wenig
betonte und weil sie sich zu' sehr von der anschauung leiten
liefs, irgend ein geheimer bezug zwischen text und bild müsse
aufzufinden sein.
Aber nun gleich Dietmar! [vgl. jetzt auch Roethe aao. s. 14 u.].
'das gemälde scheint sich auf eine Verkleidung des dichters in
einem liebesabenteuer zu beziehen', meint vdHagen (MSH iv 111).
hMten wir nur in Dietmars gedichten den geringsten anhält dafür I
aber Uetels vasallen verkleiden sich würklich als kaufleute und
stellen ihre pracht vor den frauen aus: die krdme stuonden offen:
dd moht diu küniginne wunder schouwen (Kudr. 442, 4). dass das
bdd die verkaufsstätte von dem schifl* an den burgeingang verlegt,
erklärt sich aus dem herkömmlichen Stil, der für die ruhige
bandlung des beschauens ruhigen boden forderte.
Noch unmöglicher ist es, das bild zu Hamle biographisch
zu deuten. vdHagen (aao. s. 118) bezieht es auf die 'heimlichen
nachtbesuche', bei diesen sollte der miniator, ohne den geringsten
iobalt im text, auf die idee dieser winde gekommen sein? natür-
lich bezieht sich das bild auf liebesangelegenheiten ; aber es ist
von irgend einer stelle entlehnt, wo diese maschinerie erwähnt
wird, das kann VVolfdietrich B sein (DHB ni s. 189), wo das
210 MEYER
Schaft (Rubin) neben den typischen mensuren der heim- und
harnischlosen (Rinkenberg, Scharpfenberg); die komisch würkende
Vermischung dreier grörsenmarse(Raprechtswil) oder die unmögliche
kopfstellung des auf wildem ross dahinjagenden Alexander neben
dem sehr gut componierten turnierbild des Dürners — sie sind
geeignet, auch für die vorlagen den weiten zeitlichen abstand zu
erhärten, den Rahn für die illustratoren selbst annimmt, für
unsere aufgäbe aber ligt eben hierin die bedeutung dieser gruppe:
auch sie scheint das Vorhandensein einer ganzen 'bücherei' zu
beweisen.
Auch die blofs angefangene Zeichnung, die noch niemandem
zugewiesen war, gehört hierher.
7. Zwei bilder, in denen das besonders lebhaft ausgeführte
Schlachtgemälde die burgmauer in eine ecke gedrängt und ge-
drückt hat — etwa wie das fürstenpaar in dem bilde Frauenlobs
halbiert und in die ecke geschoben ist — stell ich als Über-
gang zwischen der gruppe 'zinne' (6) und der gruppe 'eckturm'
(S) besonders, es sind die sich folgenden bilder zu Heigerloh und
Homberg. bei dem ersten ist noch fast ganz der typus der an-
dern Zuschauerinnen gewahrt — klagend, wie bei Walther vKlingen,
— aber das bauwerk selbst ist durch starkes hervorheben der
Untermauerung ausgezeichnet, das wüste bild zu Homberg —
mit merkwürdig lebhaft individualisierten fufsknechten — zeigt
statt der burgzinne einen schlossturm mit Windfahnen, gockel-
hahn und aufgeregten mansardenßguren. ich möchte vermuten,
dass diese beiden figurenreichen gemälde nicht auf miniaturen
zurückgehn, sondern auf Wandgemälde; dass das zweite bild über
den rahmen geht, ist wol kaum zufall. in Runkelstein ist das
grofse schlachtbild (tafel xii der Seelosschen reproduction) ebenso
wirr, die allerdings einfacher gehaltenen burgtürme (tafel ix.
XV uö.) sind ebenso mit zuschauerköpfen überfüllt.
8. Aus miniaturen stammen dagegen gewis wider die bilder
mit eckturm. es ist wider eine ansehnliche reihe:
h) typische alte Situation mit schriftblatt: Kilchberg.
b) ebenso ohne schriftblatt: Seven, Wildonje, Stamheim.
c) Zweikampf: Leiningen, Lupin (unbezeichnet), Püller (oder
zwei ritter in gemeinsamem angriff?).
d) anekdotische Situationen: rilter klimmt zum kränz empor
(Toggenburg); kaufmann und burgfrau (Dietmar); aufzug am
HADLAUB UND MANESSE 211
türm (Harole); hin- und herschiefsen von hriefen, im hintergrund
eine belagerungsmaschine (Trostberg), besonders merkwürdig
flornberg: hier blickt statt der Frau der ritter aus der bürg und
statt des ritters reitet die dame heran, um ihn zu fesseln; denn
dass es die dame ist und nicht frau minne, bemerkt Oechelhäuser
(aao. s. 26 anm.) zutreffend, also eine Jihnliche umkehrung der
^ituatioD, wie wenn zu Trostberg ein brief herabgeschossen, zu
Rabin aber (vgl. o. gruppe 6) einer heraufgeschossen wird (vdHagen
MSH IV 412). Schröder verweist mich für beide, mit unzweifelhaftem
recht wol für Rubin, auf Veld. En. 10785 (T.
e) grofse vierfigurige gruppe: VVengeu.
Toggenburg, Kilchberg, Leiningen — Hornberg (Werbenwag)
PQller, Trostberg stehn bei einander, alle fast beßnden sich in
der Umgebung von bildemder späteren, episch mindestens be-
eioflussten gruppen.
Wir sind hier mitten im bekannten epischen gebiet, im
ganzen hat die erklärung dieser bilder von JGrimm (Kl. sehr, vi
238) und vdHagen bis zu Traugolt Schulz kaum fortschritte ge-
macht, weil sie das typische zu stark, das eigenartige zu wenig
betonte und weil sie sich zu' sehr von der anschauung leiten
liefs, irgend ein geheimer hezug zwischen text und bild müsse
aufzufinden sein.
Aber nun gleich Dietmarl [vgl. jetzt auch Roelhe aao. s. 14 u.].
'das gemälde scheint sich auf eine Verkleidung des dichters in
einem liebesabenteuer zu beziehen', meint vdHagen (MSH iv 111).
hätten wir nur in Dietmars gedichten den geringsten anhält dafür I
aber Hetels vasallen verkleiden sich würklich als kaufleute und
stellen ihre pracht vor den frauen aus: die krdme stuonden offen :
dd moht diu küniginne wunder schouwen (Kudr. 442, 4). dass das
bdd die verkaufsstätte von dem schifl' an den burgeingang verlegt,
erklärt sich aus dem herkömmlichen Stil, der für die ruhige
bandluDg des beschauens ruhigen boden forderte.
Noch unmöglicher ist es, das bild zu Hamle biographisch
zu deuten. vdHagen (aao. s. 118) bezieht es auf die ^heimlichen
nachtbesuche', hei diesen sollte der miniator, ohne den geringsten
iohalt im text, auf die idee dieser winde gekommen sein? natür-
lich bezieht sich das bild auf liebesangelegenheiten ; aber es ist
von irgend einer stelle entlehnt, wo diese maschinerie erwähnt
wird, das kann VVolfdietrich R sein (DHR m s. 189), wo das
214 MEYER
der iaschrifl Amor wol sicher auf einen hOQscben roman deutet;
welchen, liefse sich vielleicht aus den dem dichter nicht gehören-
den Worten des aufgeschlagenen buches (MSU 4, 472) feststellen,
dann das vier6gurige schifTsbild zu Niuniu, bei dem schon die
weibliche schifTerin auf eine bestimmte Situation weist; schiffs-
bilder sind, wie schon erwähnt, zb. in der Berliner Eneide sehr
häufig (fahrendes schiff 129 unten ^ 139 unten), das seltsame
genrebild des fischenden Pfeffel brachten wir vorher zu Steinmar
in bedingte beziehung; vielleicht ist es noch näher mit den jagd-
bildern (s. u.) verwant. das bilü zu Morungen ist wol nicht blofs
des Schriftblattes wegen zu den 'echten' zu rechnen, obwol
die lebhaft ausgemalte Situation episch anmutet, bestimmt möclu
ich die schach- und damespielbilder zu Otto vBrandenburg und
Göli auf epische miniaturen zurückführen: die Situation ist ja in
den romanen beliebt und wird zb. in der Eneide (s. 11 unten)
durch den text gehalten, ebenso wie im Tristan (Bechstein v. 2247)
und sonst, das sitzen beim Schachspiel gehörte im würklichen
leben (Weinhold Deutsche frauen i 416 f, Altnord, leben s. 469;
Schultz Höf. leben i 417 f) wie in der sage (zb. Frithjofssaga) so
sehr zu den typischen zügen, dass man es gern zur hervor-
hebung entscheidender momente benutzte (der Herulerkönig:
Deutsche sagen ii32; Konradin); wie natürlich ergab sich da
dies bild auch für die illustrationen im eposi dagegen ist für
den miunesinger, trotz gelegentlicher bildlicher anwendung, das
Schachspiel keineswegs bezeichnend: sind ein herr und eine dame
beisammen, so haben sie anderes zu tun. bei dem bilde Ottos
vBrandenburg sind noch die kleinen spielleute zu beachten, die
offenbar nur (wie sonst die Spitzbogen) den bei herübernahme
eines fertigen bildes entstandenen leeren räum auszufüllen haben,
b) eine gruppe für sich bilden die Zeichnungen mit kinder»
figuren. zwar das bild Reinmars des Fiedlers mit dem lang-
gestreckten tanzenden backfisch gehört nicht hierher, sondern zu
der Spitzbogengruppe, aber schon bei Sunnenburg kann man 4och
zweifelhaft sein, ob dies gemälde eines mannes, der ein kind
segnet und das andre bei der band fasst, nicht ursprünglich ganz
wo anders hingehört, etwa zu einer bibeihs. (Adam und seine
söhne? schwerlich Isaac mit Jacob und Esau). Wissenlos ge-
mälde glaubten wir zuversichtlich einer hs. der Eneide zusprechen
zu dürfen, und zwei solche kleine knaben begegnen nun auch
HADLAUB UND MANESSE 215
bei dem Litschauer. vdflagen (iMSH iv 700) machl sich die er-
klärung dieses bildes dccb zu leicht : der Sänger erscheine mit
eioigen knaben vor einem kOnige — ja warum denn? ich möchte
nicht gerade auf die schwertleite Tristans raten, wo der held mit
einem genossen (einem für dreifsig) von Rual zu Marke geführt
wird(Tr. v. 50 10 ff); eher auf irgend ein widerbringen zweier kinder.
ao Flore und Blanscheflur (etwa v. 884 f) darf man nicht denken,
weil beide kinder knaben scheinen und statt der kOnigin ein er-
zieher oder dgl. dasteht.
c) Jagdbilder trafen wir schon in andern gruppen. aber die
beiden zu Geltar (haseojagd) und Sunegge (hirschjagd) stehn iso-
liert, nur etwa noch mit dem Hawarts (bärenjagd, denn als bär ist
das gejagte tier wol doch mit MSH iv 476 anzusehen, wenn
auch der name Hawart früh zu den *hauern' des ebers volks-
etymologisch in beziebung gebracht ward : Mie strafse, in der die
familie zu Strafsburg wohnte, heifst noch heute Hauergässel',
schreibt mir Schröder und verweist auf Schmidt Strafsburger
gassen- und häusernamen s. 79 und Seyboth Das alte Strafsburg
s. 37. 66) zu vergleichen. Runkelstein zeigt IOwenjagd, derVVälsche
gast eine bärenjagd (Oechelbdusers. 38). aber jene beiden erstge-
nannten sind gewis peodants : die jagd zu fufs und zu pferde neben-
einander wie etwa Helmbr. v.963 (ener jagte, dirre birste), die mit
und ohne bracken, oder wie sonst der Zweikampf zu fufs und zu
pferde (besonders in den typischen epischen geurebildern s. o.).
den gedanken an fresken legt die eigentümliche technik der genau
cooiponierten bilder näher als eine beziebung etwa auf Tristans
Jagdgeschicklichkeit, denn der hase wird weder v. 2757 f und
V. I7246f erwähnt, und an die basensprünge auf. der wortheide
V. 4636 wird man nicht erinnern wollen — obwohl manche aus-
legung von minnesingerbildern nach textworten nicht weniger
gewaltsam ist als diese wäre! man denke nur etwa an den mit
Wandgemälden ritterhcher freuden geschmückten Palazzo Schiafa-
ooja zu Ferrara, um fresken als Vorbilder denkbar zu ßnden.
lieben doch auch die dichter, solche gelegenheitsbilder zu ganzen
cyklen zu vereinigen (zb. Iwein v.59ff, Meier Helmbr. v. 924 ff —
besonders reich an charakteristischen Situationen), aber es könnte
auch zb. eine illustrierte ^ars venatoria' benutzt sein.
Oder sollte statt an Gottfrieds Tristan hier an den Eil-
harts zu denken sein, wie er es erßndet, Jagdhunde auf die
15*
216 HEYER
fährte zu leiten (Lichtenstein v. 4541 fT)? dann hätten wir in
diesem ersten fischer (v. 4534 f) auch Pfeffels bild erklärt, aber
ich muss hervorheben, dass dies gemälde zu denen Geltars und
Sunecks im typus wenig, zu dem Winlis (s. u.) aber gar nicht
stimmt.
d) zwei figurenreiche bilder erinnern immer noch an die
typischen lyrikerminiaturen, verraten aber fremden Ursprung, was
soll bei Gottfried von Strafsburg das zeitdach? in der Eneide
aber kehrt es häufig wider : hl. 1. 36. 97 unten, auch auf 85 unten,
da passt es hin : es sind zelte der im felde lagernden (besonders
i)ei belagerungen) gemeint, in der tat erinnert das bild zu
Gottfried stark an ein blatt der Berliner Eneide : bl. 97 unten,
wo ebenfalls ein kOnig hauptfigur ist, neben ihm eine gestalt mit
der kappe sitzt, und wo weder der sprechende mit erhobener
hand noch die Zuschauer fehlen. — und das gemälde des burg-
grafen von Regensburg ist auch zu figurenreich, durch den alten
mit der krücke vorn (vgl. Parz. 513, 27) zu individuell, und der
köpf hinter dem grafen erinnert zu stark an die physiognomien
bei Neidhart und Brennenberg, als dass wir dies bild zu der
gattung der echten alten liederbuchillustrationen stellen dürfen.
e) ein anderes zellbild, zu Winli, stellt rein epische züge
dar : der ritter rüstet sich zur ausfahrt und erhält zum abschied
«inen ring, oder ist an Eilhart vOberge (Lichtenstein v. 6386)
zu denken, wo Tinas der kOnigin Tristrants ring zeigt? zöge
man das alte gedieht heran, so könnte man auch für den stein-
Wurf des von Lüenz dies gedieht (v. 7819) als vorläge annehmen
und etwa noch für das seltsame bild zu Heinrich vSax an
Tristrants Sprung (v. 7808) erinnern; das untere bild würde dann
Gariole vorstellen und der Steinbock die jagdlust ihres gatten
symbolisieren? — über die bilder zu Neidhart und Hesso vRinach
vgl. unten.
f) noch weiter entfernen sich ein paar andre genrebilder von
dem typus der liedersäogerporträts.
a) das berühmte Neidhartbild — ohne wappen I — sieht ge-
wis wie auf ihn gemünzt aus. aber auffallend ist doch, dass das
bild Reinmanns vBrennenberg, wie gezeigt, gerade sein Spiegel-
bild ist. solche umkehrungen eines bildes gehören nun zum
handwerksgebrauch der epenillustratoren ; wir haben sie in der
Berliner Eneide widerhoU : 42 oben — 45 oben (vgl. auch 52
HADLAUB UND MAiNESSE 217
oben), 115 oben uod uDteo, 116 oben und unten, oh am ende
doch an den von den knappen geschlagenen Tristrant (v. 7040t)
zu denken wäre? die physiognomieu könnten ja nachträglich
'ferbaueri' sein, so wie Reinroanns ermordung erst hineinvariiert ist.
ß) Rost vSarneus darstellung hat uns viel kopfzerhrechen ge-
macht, ich wollte es erst zu einem Hadlaubcyklus ziehen ; CSchrOder
dachte an Simson und Delila. aber jetzt scheint mir im Wolf-
dielricb eine wahrscheinlichere quelle vorzuliegen : Hugdietrich
entdeckt sich der schönen Hiltburg, mit der er bisher zusammen
weibliche handarbeit gefertigt hat — sie ist im hintcrgrund durch
den webeapparat symbolisiert — und umfasst ihr knie, um Ver-
zeihung bittend (was Wolfdietrich B, Ileldenbuch iii s. 180 f aller-
dings nicht steht), und dazu würde dann das bild Ottos zem
Turne gehören, wo die verkleidete Hildegunt dem — freilich sehr
jung gemalten, vielleicht aber auch nachträghch erst verjüngten —
kdoig die wol gezierte hübe (s. 177) aufsetzt, während die alte kö-
nigin daneben steht, der name ^zum türme' erklärt, wie man hier
gerade zu der sage von Wolfdielrich griff, freilich besitzen wir,
wie man mir einwirft, aufser der jungen Nibelungenhs. b keine
alten illustrierten hss. zur heldensage; aber beweisen nicht schon
die altnordischen Siegfriedsbilder, die CSäve beschrieben und er-
klärt hat, oder die Wielandsbilder des altenglischen wallfisch-
kästchens für eine alte Iradition, die schwerlich zur zeit der
buchillustrationen plötzlich erlosch? — beide bilder haben
nur erschlossene sprechende wappen : den rost und den türm;
beide haben reich stilisierte bäume und verwante anordnung. für
die hauptGgur des ersten gemäldes müste man freilich eine starke,
durch die bezeichnung des ^kirchherrn' veranlasste Umformung
voraussetzen.
y) völlig sicher scheint mir, dass das schmiedebild Hartmanns
vStarkenberg aus einem Encidbild, wie in der Berliner hs. 79
unten, abgeschrieben ist. dort hat es epische begründung : Vulcan
arbeitet die waffen des Aeneas (Veld. 5671ff); bei Hartmann nur
metaphorische, sprächen noch andre Zeugnisse für die benutzung
gerade der Berhner Eneide, so hatten wir hier einmal die sichre
quelle, aber so sehr auch das bild des Dürners zu Berl. ms.
Germ. fol. 282 bl. 73 unten stimmt, so sehr Sigehers und Gott-
fried vStrafsburgs bilder an andre gemälde jener typischen epenhs.
gemahnen — die Zeugnisse sind doch zu spärlich, wir müssen
218 MEYER
eine allere lis. mit bildero voraussetzen, aus der ueben diesen
Zeichnungen oder wenigstens der zu Starkenberg auch die mi-
niaturen für Wissenlo und Alram vGresten stanamen. platz dafür
lüsst ja die hsl. Überlieferung zur genüge! (vgl. Behaghel in seiner
ausgäbe s. xxxvi).
ö) das unbezeichnete bild zum Teschler verrät sich schon
durch das zeitdach als episch, mir scheint hier Ulrichs vLiecbten-
stein wunderliche Verhandlung am bell der geliebten (Bechstein
Str. 12200 illustriert, neben dem bell der dame kniet die niftel.
hinter Ulrich steht sein Schildträger, der zwar hier nicht erwähnt
ist, aber aus dem abenteuer mit dem auf- und abziehen —
Krislan vllamlel — herüber genommen werden konnte.
£) das greuliche bild Hcssos vRinach kann ein altes heiligen-
bild variieren, wie das Eberhards vSax. es kann aber auch —
freilich recht ungeschickt — darstellen, wie Ulrich sich unter die
aussätzigen mischt (Bechstein str. 1126f); schwerlich, wie Tristrant
unter die siechen trill (Eilhart v. 43150.
^) Sachsendorfs vicrfiguriges bild mit dem arzt möcht ich
nur mit einem grofsen fragezeichen als umgestallung des bildes
einer weiblichen ohnmacht oder eines plötzlichen todes — etwa
Blanscheflurens im Tristan, oder Herzeloydens im Parzival —
auslegen.
rj) dagegen stellt die miniatur zu Jacob vWarte wol sicher
nichts weiter dar, als eins joner in den höfischen epen so be-
liebten bäder, in denen die beiden von mädchen bedient und be-
kränzt werden (Alwin Schultz i 170). nur dass der dichter als
greis dargestellt wird, bringt einen persönlichen zug hinein, die
wähl des bildes könnte auf einem Wortspiel mit dem namen ^Varte
beruhen.
^) das unbezeichnete bild des Schulmeisters von Esslingen
erinnert an die professoren- und doctorenbilder italienischer Uni-
versitäten; könnte es auf ein grabrelief zurückgehn?
i) endlich das ganz eigenartige gemälde zu Eberhard vSax —
wie ganz anders sind die mönche gehalten als etwa bei vdMure! —
halte ich einfach für ein behebiges gemälde aus einem geistlichen
werk, eine darstellung von irgend einem heiligen dominicaner,
dessen heiligenschein durch die inschriflrolle — kein Spruchband 1
der name steht darunter — ersetzt ist.
g) noch bleiben ein paar schlachtenbilder, die ich nach der
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218 MEYER
eine allere lis. mit bildero voraussetzen, aus der ueben diesen
Zeichnungen oder wenigstens der zu Starkenberg auch die mi-
niaturen für Wissenlo und Alram vGresten stanamen. platz dafür
lasst ja die hsl. Überlieferung zur genüge! (vgl. Behaghel in seiner
ausgäbe s. xxxvi).
ö) das unbezeichnete bild zum Teschler verrät sich schon
durch das zeitdach als episch, mir scheint hier Ulrichs vLiecbten-
stein wunderliche Verhandlung am bell der geliebten (Bechstein
Str. 12200 illustriert, neben dem belt der dame kniet die niftel.
hinter Ulrich steht sein Schildträger, der zwar hier nicht erwähnt
ist, aber aus dem abenteuer mit dem auf- und abziehen —
Krislan vllamlel — herüber genommen werden konnte.
£) das greuliche bild Hcssos vRinach kann ein altes heiligen-
bild variieren, wie das Eberhards vSax. es kann aber auch —
freilich recht ungeschickt — darstellen, wie Ulrich sich unter die
aussätzigen mischt (Bechstein str. 1126f); schwerlich, wie Tristrant
unter die siechen tritt (Eilhart v. 43150.
Z) Sachsendorfs vicrüguriges bild mit dem arzt möcht ich
nur mit einem grofsen fragezeichen als Umgestaltung des bildes
einer weiblichen ohnmacht oder eines plötzlichen todes — etwa
Blanscheflurens im Tristan, oder Ilerzeloydens im Parzival —
auslegen.
rj) dagegen stellt die miniatur zu Jacob vWarte wol sicher
nichts weiter dar, als eins joner in den höfischen epen so be-
liebten bäder, in denen die beiden von mädchen bedient und be-
kränzt werden (Alwin Schultz i 170). nur dass der dichter als
greis dargestellt wird, bringt einen persönlichen zug hinein, die
wähl des bildes könnte auf einem Wortspiel mit dem namen Warte
beruhen.
^) das unbezeichnete bild des Schulmeisters von Esslingen
erinnert an die professoren- und doctorenbilder itahenischer Uni-
versitäten; könnte es auf ein grabrelief zurückgehn?
i) endlich das ganz eigenartige gemälde zu Eberhard vSax —
wie ganz anders sind die mönche gehalten als etwa bei vdMure! —
halte ich einfach für ein beliebiges gemälde aus einem geistlichen
werk, eine darstellung von irgend einem heiligen dominicaner,
dessen heiligenschein durch die inschriftrolle — kein Spruchband I
der name steht darunter — ersetzt ist.
g) noch bleiben ein paar schlachtenbilder, die ich nach der
HADLAUB UND MANESSE 219
iholichkeit mit den RunkelsteioerD mit grOfserer bestimmlheit als
frObere fQr freskencopien halten möchte : Johan vBrabant, das
wQste belageruDgsbild zum Düring (unbezeichoei), Buwenburgs
raabzug (deo grund der auswahl gibt Baechlold Gesch. d. d. dich-
tung in der Schweiz s. 159). die namenlose graustifizeichnung
uach Otto zem Turo haben wir dagegen wegen des leeren ober-
raums einer andern kategorie angereiht. —
leb glaube nicht, dass die zahlreichen hypothesen und oft
gewagten bebauptungen, die wir zur einzelerkläruug brauchten«
das gesamtresultat fraglich macheu. dass illustrierte ausgaben von
epen benutzt sind, machen wol schon allein bilder wie die zu
Wissenio, Starkenberg, Warte sicher, dass liederbücher mit bil-
dern ihre vorlagen hergeben musten, zeigen die miuiaturen zu
Klingsor und Frauenlob wol mit beweisender krafl. dass ^bilder-
bücher' für Hadlaub und Steinmar herangezogen wurden, hat nach
dem dargelegten wol grofse wahrscheinlichkeil, aber auch die
inOglichkeit weiterer quellen — fresken, grabtafeln, andachts-
liilder — scheint mindestens nicht ausgeschlossen, für den kunst«
historiker auf der einen, für den kenner des mhd. epos auf der
andern Seite ergibt sich nun die reizvolle aufgäbe, dem Ursprung
der 'epischen illuslrationen' in C genauer nachzuspüren, denn
dass würklich auch nur 27 bilder eigens für den codex compo-
niert sind, wie noch Rahn (Wanderstudien s. 97) annahm, wird
man schwerlich noch glauben dürfen. —
Aus dem Sachverhalt, wie wir ihn darzulegen versuchten,
ergibt sich nun die notwendigkeit der neuprüfung auch für zwei
allgemeiner bedeutsame fragen : nach dem biographischen wert
der gemälde, und nach dem Ursprung der handschrift.
In dem ersten punct wird wol eine gewisse vorsieht geboten
^eiu; aber bei Zeichnungen von jüngerem alter hat man diese ja
auch Trüber schon angewant. man wird auch fernerhin jedesmal
ZU fragen haben, ob das bild urkundlichen wert hat. wenn etwa
für Jakob vWarte, einen späten Schweizer dichter, über den die
Sammler recht wul unterrichtet sein konnten, ein bild epischen
Ursprungs so variiert wird, dass nun ein greis im bad sitzt —
wobei vurslellungen vom juugbronnen schwerlich mitgewürkt
haben — , so darf man diese miuialur auch fürderhin mit ganz
demselben recht verwerten, wie da sie für den dichter neu ge-
malt galt, denn die illustratoren werden einen grellen Widerspruch
220 MEYER
zwischen leben und bild vermieden haben, wo sie eben von der
biographie selbst etwas wüsten, die minialur zu Regenbogen be-
zeugt wol nicht mit bestimmtheit, dass er ein schmied war, son-
dern nur, dass er dafür galt (vgl. Roethe ADB 27^ 547); dies
jedesfalls nicht unbeträchtliche Zeugnis würde aber auch dann zu
beachten sein, wenn das bild nicht zu den sehr wenigen würk-
lichen originalcompositionen zu gehören schiene. — als wertlos
dürfen in litterarhistorischer hinsieht alle gemälde gelten, in denen
nur aus einem vers oder dem namen (wie bei Otto zem Turne)
das bild abgeleitet ist; uud die ganz allgemein gehaltnen genre-
bilder haben auch sonst schon nichts specielles lehren können.
Darf man an ein groteskes, aber wie mir scheint lehrreiches
neueres beispiel erinnern ? als Kortum seine Jobsiade mit allen
steifen holzschnitten von tabaksdüten und kinderfibeln schmückte,
muste er natürlich immer (wo nicht einmal gerade der mangel
an Übereinstimmung komisch würken sollte) bilder wählen, die
zum text einigermafsen passten. wenn er gleich über die vor-
rede das bild des schreibenden evangelisten setzt, so ist das ganz
dieselbe manier, mit der die lieder des Schulmeisters von Esslingen
in C illustriert werden, das bild beweist eben nur, dass der
Schulmeister für einen Schulmeister gehalten wurde, aber mehr
hat man auch nie daraus entnehmen können.
Wichtiger dürften ' unsre nachweise für die vielumstrittene
frage nach der entstehung unsrer grösten liederhs. sein, freilich,
dass zwischen den liederbüchern und den grofsen Sammlungen
kleinere standen, hat von JGrimm (Kl. sehr, vi 239) und Uhland
(Schriften v 272) bis zu Bartsch (Schweizer minnesinger s. clxxxix)
und Bahn (aao. s. 88) wol niemand bezweifelt, durch die Unter-
suchungen Apfelstedts und Oechelhäusers (N. Heidelb. jbb. 3, 152f)
ist das vollends sicher gestellt, aber um so stärker ist der ort
der redaclion neuerdings in frage gezogen worden. vWyss hat
wol zuerst wider energisch gegen die bezeichnung der ^Manessi-
schen hs.' einspruch erhoben, die GKeller für 'Hadlaub' mit einem
so köstlichen act htterarhistorischer cabinetsjustiz verteidigt hatte,
jenem folgen FXKraus (Die minialuren der Manesseschen liederhs.
s. 15f), obvvol er im titel seiner publicatiou die Züricher an-
sprüche anerkennt, und — ohne begründung — FrPfaff (Die grofse
Heidelberger liederhs. in getreuem textabdruck). aber auch PfafT
spricht für die nähe von Zürich, auch Kraus erkennt an, dass
HADLAUB UND MANESSE 22t
die aosprQclie Rüedegers denen des bischofs Heinrich vConstanz
die wage halteD. was er für Constanz anführt -^ die ähnhchkeit
der mioiatureo mit dortigen Wandgemälden — hat für unsce fresko-
bjpotheseo bedeutung; unmittelbar beweisend ist es nicht, da
abzeichnUDgeD bemitzt sein können, hätte gar Uhland mit seiner
aDDabme recht, dass B direct für C benutzt sei — was ich aller-
dings Dicht glaube — , so fiele dies argumeut ganz fort, wie auch
das, das Kraus aus dem auftauchen der Weingartner hs. in Con-
staoz zieht, nach Schröder (Zs. 43, 188) waren freilich die quellen
fOr B UDcJ C in Constanz und deshalb tritt er dem grafen Zeppelin
bei, der für Constanz kämpft.
Unsre betrachtungen liefern nun aber^ wie uns scheint, be-
deutsame stützen für die alte meinung ßodmers, die ja auch
JGrimm und Uhland (aao.) trotz gegenteiliger bedenken geteilt
habeo. selbst aus Scherers Worten (Gesch. d. d. litt. s. 220)
möcbt ich trotz der Wendung ^die sogenannte Manessische hs/
(s. 737) eine leise neigung, für Maness zu stimmen, herauslesen.
Dun machen aber wol unsre nachweise die annähme unvermeid-
lich, am ort des entstehens sei eine mhd. bibliothek — so dürfen
wir uns wol ausdrücken -^ vorhanden gewesen, das erklärt denn
auch den Jweiten abstand der Stile, den Bahn (s. 92) betont : die
oiiniatureD konnten auf ältere oder auch schon benutzte quellen
zurückgreifen, mit der einzigen bedingung, ein schon einmal co-
piertes bild nicht zu widerholen (während bei den epen die wider-
kehr des bildes erlaubt scheint), sie konnten wechselnden modeu
folgen oder den eigenen geschmack durchsetzen, treu oder frei
abzeichnen — mit der feststellung der vorlagen haben all diese
kunsigeschichtlich wichtigen probleme nichts zu tun.
Dürfen wir nun Uadlaubs zeugnis so kühl ignorieren:
Wk vund man sament so nianic liel?
man vuDde ir nicht im künicriche,
als in Zürich an buocheD stat.
Ein Sänger wie Hadlaub konnte darüber schon bescheid
wissen, noch mehr sein gOnuer;^ Püterich vBeicherzhausen fand
ja auch die concurrenten heraus und trat mit ihnen in Verbin-
dung, und der weitere vers: 'des prüeft man dick dd meister-
tand! eine mustersammlung wollte nach Hadlaubs bericht
Büedeger herstellen, an der die dichter das rechte singen studieren
konnten, den 'meistersang* — dann anders heifst es hier doch
222 MEYER IIADLAÜB UND MANESSE
nicht, trotz Bartsch (aao. s. cluxix). sein ganzer schätz an buch-
illustrationen ward aufgeboten, um diese sanomlung würdig aus-
zustatten, wie natürlich, dass Zeitgenossen und günsüinge wie
Steinmar und vor allem (ladlaub ihm entgegenkamen, indem sie
ihm schön ausgestattete iiederbücher dedicierten, und dass Had-
laub die gelegenheit benutzt, um dem mäcen mit jenen versen
ZU huldigen I
Ein bedenken bleibt, es sind grofsenteils gerade Schweizer
Sänger, die mit entlehnten bildern beschenkt werden : der Teschler,
Rost, Pfeffel, Wart ua. man wird einwenden: waren nicht ge-
rade hier leicht originalbilder zu erhalten? ich glaube nicht,
es sind kleine dichter, die man aufserhalb der Schweiz schwer-
lich überhaupt nur in das goldene buch eingetragen hätte, hier
fanden sie sie; aber ^ikonischer porträts' auch nur im sinn der
ältesten lyrikerminiaturen wurden sie nicht gewürdigt.
Und so kämen wir denn auf meister Gottfried zurück —
nicht den von Strafsburg, sondern den von Zürich, er blieb bei
Manesses titeln 'obgleich ein schulfuchs neulich den ton angab,
Rüedeger sein verdienst streitig zu machen — ein bakel, welchem
das werk selbst doch nach 500 jähren noch quelle und Werk-
zeug seiner tagesarbeit wurde' (Züricher novellen s. 23). der
Stadtschreiber von Zürich hat der bücherei Manesses ^uch den
Parzival und den Tristan einverleibt (s. 55), die kampfscenen
freilich (s. 105. 154) anders erklärt, hübsch wäre es doch, wenn
die Züricher dichter recht behielten, Bodmer und Keller, und
wenn herrn Manesse sein alter rühm neubefestigt zuerkannt wer-
den dürfte I
Berlin. RICHARD M. MEYER.
BLATTFÜLLSEL.
In Konrads v Würzburg Schwanritter ist zu lesen:
108 flöz sf. flouc, — 114 gtzüge ah dem vü starken, vgh 157.
191. — 614. 15 mit Umstellung : daz dirre strit gescheiden sol
mit kämpfe werden hiute, vgl. 589. — 787 min alte veter
hänt Verlan st. altfater der hs., vgl. Silv. 3369 dine veter alt. —
die verse 1113. 14 unde sprächen beide dö mit fretiden wider in
a^dsind ein unschöner Schreiberzusatz. — 1282 der selbe wunnec-
liehe swan st. minnecliche, E. SCU.
zu GENESIS UND HELIAND.
Ich habe die Genesisresle des Valicanus zum ersten male
auffflerksam gelesen und mit dem Heliaud verglichen, naclidem
oir bereits die recensioo von Sievers Zs. f. d. phil. 27, 534 fr be-
kannt war, und ich habe das bestimmte und gerade von dieser
Seite besooders eindrucksvolle urteil, dass wir es in der as. Ge-
uesis mit einem andern aulor als dem dichter des Heiland zu tun
haben, durchaus bestätigt gefunden, aber ich bin dabei doch den
wünsch Dicht los geworden^ es möchte aus der regsamen be-
schäftiguDg mit dem neugefundenen denkmal und der neubewerteteu
as.-ags. Genesis B heraus auch ein oder der andre greifbare beweis
fDr die Verschiedenheit der autoren geboten werden, und dieser
wünsch ist, soviel ich weifs, bisher unerfüllt geblieben : Hies Zs.
40, 287 f und Pachaly Variation im Heiiand und in der as. Genesis
s 108 und 111 glauben nur eben die Wahrscheinlichkeit erbracht
zu haben, dass wir mit verschiedenen äutoren rechnen müssen.
Unter diesen umständen scheint ein fündlein von bedeutung^
(las mir die lectüre der ags. Genesis (im Zusammenhang ihrer
öberheferung) eingetragen bat und das ich im weitern verlauf der
beobachtuog zu einem festen kriterium gestaltet zu haben glaube.
Indeqa ich die geschichte Adams im para diese überblickte,
fiel es mir auf, dass an den aufsenrändern der as. interpolation der
(m.w. bisher unerklärte) ags. name für den aufenthaltsort der ersten
menschen : neorxnawong recht oft erscheint ^ : v. 171. 208. 217. —
S54. 889. 929. 944 (dann noch einmal 1^24), während er in
dem altsächsischen stücke gänzlich fehlt, nun, das hat wahr-
scheinlich schon 1875 Sievers gesehen, wenn er es auch für seine
absichtlich knapp gehaltene und auch so völlig ausreichende be-
weisführung (Der Heiiand und die ags. Genesis) nicht mitverwertet
baL was aber merkwürdiger scheint, ist die tatsache, dass der
Verfasser von Genesis ß, wie er den altheidnischen ausdruck
Aiorxnawang nicht kennt, auch die anwendung des fremdworts
paradisus vermeidet, obwol ihm doch die darstellung des sünden-
falls dazu reichlichen anlass gab. beständig wird der aufenthalt
* ich eitlere nach Grein-Wulker, erinnere aber daran, dass nach v. 167
ein stück vom umfang dreier Matter ausgefallen ist, das die belege noch
gehäuft — und uns möglicher weise bei erster einfuhrung den ausdruck
neorxnawong erläutert haben dörfie.
224 SCHRÖDEK
Adams und Evas weit uod allgemein umschrieben : v. 395 hat
ihnen GoU gemearcod änne middangeard [doch vgl. hierzu Braune
in den Neuen Heidelb. jahrbb. 4, 227], 419 wohnen sie oti eori-
rice mid welan bewunden, 434 rechnet Lucifer mit der möglich-
keil : gif htm pCBt rice losai, 454 sucht er den Adam on eoririce
auf, und ohne dass eine genauere angäbe des locals folgt, wird
nun das sorgenfreie dasein der ersten menschen geschildert, nach-
her ist wol die rede von grene geardas (511), und nach der er-
kenntnis des Sündenfalls fordert Adam die Eva Siui : 'uton gän on
pysne weald innen* (839), ''on pone grenan weald* (841), aber
nirgends findet eine genauere bezeichnung ihres ersten aufent-
haltes statt : der dichter begnügt sich mit den aller allgemeinsten
ausdrücken, wie ihm der Stabreim sie nahelegte : on eoririce (zu
Adam und Eve 522. 548), on pdm (p^s) lande (zu libban 7S7.
805). es ist klar, dass er das wort paradisus (das er selbstver-
ständlich kannte) mied und ein heimisches ersatzwort, wie es die
angelsächsischen kunstgenossen besafsen, nicht zur Verfügung
hatte, für die Vermeidung des latein. Wortes liefse sich freilich
ein stichhaltiger grund anführen : die Schwierigkeit, es im Stab-
reim zu verwenden, kommt doch in der gesamten ags. poesie der
guten zeit kein j?-reim vor und verfügen die 617 -j- 332 verse
der as. Genesis auch nur über die eine verbalform plegode B 724.
für den Helianddichter freilich scheint auf den ersten blick diese
Verlegenheit nicht zu existieren : er verwendet paradise : Petrus
3136 (ohne anlass der quelle) und ; pine 5606 (= Luc. 24, 43)
und hat alles in alleia 9 langzeilen mit p-reim (2933 Petrus : pine.
4951 Petrus : portun, 5129 Pilatus : Ponteo lande. 5142 u. 5259
pdscha : Pilatus. 5179 päschadage : Pilatus. 5304 palencia : Pilatus),
ja er bietet auch aufserhalb des reimes, von den eigennamen ab-
gesehen, 9 i^lle von p-anlaut. aber mau sieht alsbald, dass von
jenen 9 p-zeilen 8 durch den eigennamen aufgezwungen sind,
und dass fast die ganze hälfte des gedichts — bis v. 29321 —
von dieser seltnen allitteration frei geblieben ist. ja es ergibt
sich etwas für die psychologie des reimgedächtnisses höchst lehr-
reiches : auch die sämtlichen ßille, in denen ein p-wort au fs erhalb
des reimes vorkommt, gehören der zweiten hülfte des Heliand an:
porta 3072'. palmun 3677". pdscha 4203". 4459". 4562^ plegan
547S^ 5482^ 5485^ peda 5548^ dh. erst unter dem zwange,
für die häufig vorkommenden eigennamen Petrus und Pilatus
zu GENESIS UND HELIAND 225
passende stabwOrter zu findeD, sammelte der Verfasser in seinem
ledächtois eioeo kleineD verrat von Wörtern mit p-Buhui, fremden
wie beimischen, an^ die ihm nun bis zum ende der arbeit gegen-
wärtig blieben, so war es ihm möglich^ den Pilatus alle 5 mal
glQcklich im Stabreim unterzubringen, der Petnis machte ihm
mehr Schwierigkeiten, deren er nur 3 mal durch einen p-reim
berr geworden ist. es ist interessant zu beobachten^ wie er sich
anderweit beholfen hat. entgegen der biblischen quelle, welche
bei einer nennung von zwei Jüngern den Petrus stets an erster
stelle hat, versteckte er ihn bei den drei ersten vorkommen hinler
Andreas : Andreas endi Petrus 1153'. 1166*. 1256% gegen schluss
der dichtung ebenso oft hinter Johannes : Johannes endi Petrus
4937*. 5895^ 5911'; einmal half er sich mit sancte Peter aus:
3069*; 19 mal griff er zu Simon Petrus : 3054'. 3093^ 3108^
31S7\ 3196'. 3201'. 3210'. 3306'. 4508*. 4516'. 4598'. 4673^
4S66^ 4883'. 4960'. 4992'. 4994'. 5835^ 5898^ und schliefs-
lich bat er einmal, die regel für den hauptstab verletztend, den
Damen an das ende der langzeile gebracht : Thö frdgode Petrus
324 1^
Haben dem Helianddichter die paar namen mit p-anlaut so
viel Schwierigkeiten bereitet, so wäre es immerhin nicht ausge-
schlössen, dass der unter ihrem zwange zeitweise präsent ge-
haltene verrat von stabwörtern in seinem gedächtnis bald zurück-
getreten war und er in einer spätem dichtung (denn das müste
ja die Genesis unbedingt seini) dem wprte paradisus wider mit
ähnlichem Unbehagen gegenüberstand, wie s. z. dem bösen Petrus.
ein beweis gegen die Identität ist also aus der fernhältung dieses
einen wortes nicht zu holen, allerdings wird jeder, der seinen
Heliaod kennt, mir zugestehn, dass das Ungeschick, mit dem der
Genesisdichter den begriff ^paradies' in weitem bogen umkreist,
dem dichter der altsächsischen evangelienharmonie nicht zuzu-
trauen ist : wo diesem auch nur die Vorstellung davon auftaucht,
bat er gleich zwei charakteristische Variationen : 3135 f was thar
gard gödlic endi gröni wang, paradise gelte, — überhaupt, wo
bleibt in der Gen. dies wang, ein lieblingswort des Heiland?
Ich wende mich vom paradies zur hölle. das ist nun ein
wort, das in der Genesis, deren reste nicht ganz ein sechstel vom
umfang des Heliand (949 gegen 5983 verse) ausmachen, gleich
häufig vorkommt, wie in der grofsen dichtung : ich zähle im He-
226 SCHRÖDER
liaod für hel(l) und hellia 22 belege ^ dazu 5 mit hei-, helli- im
compositum^, zusammen 27; in der Genesis Vat. sind es 2^
in Gen. B 20 U\r helle*, 6 für composita ^ also in allem 28. es
verdient bereits hervorgehoben zu werden, dass unter den belegen
für das Simplex im Hei. nur 2, in der Gen. 9 von jedesmal 22
aufserhalb des Stabreims stehn^. viel interessanter aber ist eine
beobachtung, die wir mit der Variation des begriffs machen, unter
den verschiedenen ausdrücken für Miölle' (vgl. Sievers ausgäbe
s. 424) folgt im Heliand auf hei, hellia, hellt- als näcbsthäufig das
fremdwort in fern 1490. 2641; gekürzt fern 899. 1276. 2141.
2510. 3358. 3368. 3401, dazu comp, fern-dalu 1115, also mit
zusammen 10 belegen. 8 mal steht fern resp. in fem unmittelbar
als Variation vor oder nach hei, hellia : 898. 99 an hellia . . , an
fem; 1275. 76 wii hellie gethwing . . . wii them ferne; 1490. 91
te them in ferne ... an helligrund; 2510. 11 ferne te boime, an
thene hetan hei; 2639. 41 hellie finres an themu in ferne;
3357. 58 an thene snarton hei, an that fern innen; 336S. 70 an
thit fern innan an thesaru helliu; 34.00. Ol an thea hell
innen, an that fem faren.
Die Genesis aber kennt dies infem resp. fern ganz und gar
nicht, während ihr die sonstigen synonyma und Variationen für
hölle wohl geläufig sind 7. freilich legt uns Gen. B ein paarmal
die Versuchung nahe, ein fpr der ags. Überlieferung durch fem
zu ersetzen, vgl. bes.
Gen. B 330 f tccBroji pd befeallene f$re tö botme
on pd hdtan hell,
und 361 { pCBt he iis heefi befylled f^re tö botme
helle p&re hdtan,
mit Hei. 2510 f elcor bifelliad sia ina ferne te boime,
an thene hetan hei.
aber nicht nur bleibt an beiden stellen der Gen. der sinn auch
bei f^r gut, in 330 wird sogar fpr verlangt : denn eben der be-
» vv. 898. 1038. 1275. 1778. 2081. 2145. 2511. 2601. 2639. 3072. 3078.
(3357). 3364. 3370. 3384. 3388. 3400. 4446. 4922. 5169. (5429). 5433.
« 945. 1500; 1483; 1491; 5774. ^ (2). (79). * 304. (308).
(312). (319). 324. 331. 348. 362. 368. 377. (389). 439. (529). 718. 721. 732.
746. (761). 764. (792). * 303; 373; 38ü. 447; 696; 775. « sie sind
oben in anm. 1 und 3. 4 eingeklammert. ^ das würde man aus einem
'Formel Verzeichnis' wie dem von Sievers leicht erkennen; bei Fachiiy, der
überdies Gen. B bei seile lässt, tritt es (s. 79) nicht zu tage.
zu GENESIS UND HELIAND 227
griff der feuerhOlle ist es, der im folgenden näher ausgeführt
wird : 333 f /«ps liges ful, fpres f&r micel wir werden also an-
oehmeo dQrfen, dass der, welcher in der nachbildung des Heliand-
▼erses 2510 ftme durch f^e ersetzte, schon der nachahmer selbst,
der Geoesisdichter, war, und nicht erst der angelsächsische um-
schreiber. und dies wird nun durch einen ausblick auf den
fremdwOrterbestand in Heliand und Genesis bestätigt.
Die Genesisfragmente V und B bringen, wenn wir einmal von
deo sehr frOh und jedesfalls lange vor einer würksamen christlichen
mission eingebürgerten Wörtern ^engel'^ und Ueufel'^ absehen,
oar ein einziges fremdwort, in 6inem beleg : clüstro acc. pl.
B416 — und dies ist mit dem Heliand und mit den Angelsachsen
(seit CynewulO gemein.
Der Heliand hingegen bietet bei freilich sechsfachem um-
fang ein recht stattliches material an fremdwOrtern. ich will es,
ohne mich auf erOrterungen über alter und natur der entleh-
Dung einzulassen, hier alphabetisch geordnet aufführen, indem
ich die zahlen derjenigen verse hinzufüge, in denen das fremde
wort im Stabreim steht, und da, wo noch belege aufserhalb der
allitteration hinzutreten, die gesamizahl in klammer vorausstelle:
alamösna 1226. 1556. — biskop 4146. 4470. 4941. 5081.
5098. — bref 230. 352. — disk 3020. 3342. — ekid 5645. —
eidcoro 861. — evangelium 13. — fakla (1). — fern 899. 1276.
2141. 2510. 3358. 3368. 3401; fern-dalu 1115. — figa 1743.
— in fem 1490.2641. - karkari 2723. 4400. 4680. — kastei
5959. — kelik 4764. — kesur (19) 62. 66. 342. 351. 3809.
3824. 5127. 5209. 5252. 5363. 5557. 5723; kesur - dorn mb.
2890; dazu adalkesur (2) und u?oroM-^eswr (l). — klüsiar 46^0;
klAstßrbendi 2723. — köp (2); köp-stedi 1191. 3736. — köpon
i-^an), far- (8) 3525. 4462. 4577. 4606. 4806. 4837. — kristin
2426. 3074. — crüci 4462. 5329. 5347. 5374. 5418. 5438.
5508. 5535. 5551. 5562. 5567. 5584. 5624. 5630. 5634. 5725.
5820. 5859.— iiUi 1681. — mangon 3737. — merigrüa 1721. —
mäier 30. 3192. 3258. — mnniteri 3737. — muniton 3823. —
müra 3626- — myrra^lb. — nön, nöna 3420. 3491. 5631. —
Mundeo 3299. -r- ark 2009. — palencea 5304. — pdma (1). —
« «7?^/7, enget V 8mal (3mal allilterierend), B 12mal (9m8l allilf.),
dazu engeleynn B 246.
^ deofol B 7 mal allitleriereiid.
^2S SCHRÖDER
paradisiil) 3136. 5606. — päscha (5) b\A2.b2b9; päschadag 5179.
— plna 2933. 5606. — portä (2) 4951 ; dazu himil-porta (1). —
segina 2629. — seginon 2042. — sikur 1720. 3875. 4209. 5440.
5477. 5595. — sikoron 892. — föt-skamel (1). — skriban, bi-,
gi- (17) 752. 1085. 5311. — sokri (1). — spumxa 5648. —
strdla (5) 2399. 5462. — tim 1195. 3190. 3207. 3810. 5189.
— tolna 1195. — tresurhüs 3766.
Das sind im ganzen 49 arlikel mil insgesamt 160 belegen
(1:37 — 38 verse); die 120 slabreimtelege entfallen auf 116 verse
(1 : 51—52 verse), denn es kommt widerliolt vor, dass die allittera-
lion durchaus von fremdwörtern getragen wird; 2723 karkarea :
kliistarbendiun , 4680 carcaries : chUtron^; 3737 mangodun —
manages : muniterias; 5606 paradpse : pinu.
Sehen wir uns die Verwendung dieses fremden sprachgutes näher
an, so können wir die beobachtuog, die wir oben über hellia und
infern {fem) machten, öfter widerholen : soweit die fremdwörter
nicht direct durch die quelle verlangt oder herbeigerufen sind
oder sich unter dem zwange der allilteration eingestellt haben,
dienen sie als erwünschte bereicherung des Variationsapparats:
da treffen wir direct neben einander disk und biod 3020. 21 ;
segina und fisknet 2629. 30; bref gemrkean, namon giskriban
writan . . . wordgimerkiun 230 — 233 ; pine tholon, watares
tciti 2933. 34; mangodun . . . habdun iro wesl garu te gebanne
3737. 38 f. — den helldoroji 5774 entsprechen die hellie portun
3072, und umgekehrt folgen auf die himiles dwru 985 später die
himilportun 1799. aus alledem sieht man, wie vertraut ein grofser
teil dieses Wortschatzes dem Helianddichter bereits ist. und. wenn
diesem reichtum und dieser leichten Verwendbarkeit der lehn-
wörter und fremdwörter ein fast absoluter mangel in der Genesis
gegenübersteht, so ist das unter allen umstülnden auffällig, man
kann gegen recht viele, ja gegen die meisten obigen Wörter sofort
einwenden, dass sie im rahmen der alttestamentlichen dichtung
(oder doch unsrer bruchstücke) keine Verwendung fanden, man
kann das fernbleiben jedes einzelnen Wortes erklären oder ent-
schuldigen, aber man wird nie und nimmer behaupten können,
dass der Helianddichter in einem spätem werke siph eines recht we-
sentlichen bestandteils seines Wortschatzes entäufsert oder enthalten
habe, denn selbstverständlich ist mit jenen 49 Wörtern der be-
* derselbe reim düstre : carcernes bei Gynewalf Jul. 236.
zu GENESIS UND HELIAND 229
flitz des diehters «i fremdem sprachgut nicht erschöpft : er ver-
fOgte Qber weil mehr derartige wOrter, und für manches, das
er im Heliräd anzuwesdeo keine gelegenbeit fand, hätte sich %m
in der Genesis der piMz von seihst geboten.
Die saebe bat aber auch noch ihre euhurbistorisch interessante
seile. TOD jenen 49 lehn- und fremdwOrtern des Heliand -— ich
beume nochmals, dass mich eine genauere scherdung zu weit
Muren würde — finden wir im Tatian und bei Otfrid die toU
geadeD wider^ : ekmatyna 0 (alamosan schon gl. K). — biscof
TO. — triaf 0, gebrieoen T. — disk TO. — ezzih TO. —
äum^dim 0. — faecala TO. — figa TO. — carcäri TO. —
kutd O. — keisur TO. — kekk TO. — couf TO. — coufen
{-im T) (fir- 0) TO. — ctüci TO. — kri^in 0. — lilia TO. —
merigrioz T. — meis$ar TO. — munizzeri TO. — munizön 0.
— m&ra 0. — myrra TO. — ndna O. — olbenta T. — pa-
Imxa 0. — palma 0, palmboum T. — parad^8(t) 0. — pirui
(kOi-pliia) 0. — porta 0, phorta T {helU-porta 0, hella-phorta
T). — s^'iM T. — se^nd» TO. — sicAor 0. — iichordn T. —
iCBBuU T. — serldon TO. — «sfert TO» — «ptm^a T. — sträza
TO. — «ins TO. — Äoi T. — tresohüs T (dreso 0).
Wir können also aus beiden werken zusammen 42 dieser
«Orter belegen, wenn auch nicht durchweg in der genau ent-
^rechenden hochdeutschen form; Tatian und Otfrid haben mit
ilem Heliand gemeinsam 23, Tatian allein 7, Otfrid allein 12.
Der rest ist nun freilich auch iu keiner andern abd. quelle
boeugt, wenn auch für ein wort wie ork («- lat. orca) das frühe
bestehen auf oberdeutschem oder doch hochdeutschem boden durch
spätere Zeugnisse wahrscheinlich wird 2. demags. und as. gemeinsam
sind aufser diesem noch ekid^^^gs^eced und klüstar'^sgs.clüstor —
aber auch mnl. (holl.) klüster^ und incoro ■» ags. dncra^ dem wider
abd. einchoran(er) nahe genug zur seite steht, schliefslich ist nur
* ich wähle die form des Tatian, wo sich eine solche bietet
* 8. hierzu nnd znm folgenden Kluge in Pauls Grdr. i* 33 3 ff. es ist
BBschwer nachzuweisen, dass sich vom Niederrhein aus eine stattliche an-
abl TOQ röm. wdrtern (und sogar snffixe) sehr früh nach dem norden und
Bordosten Terbreiteten, ohne in den hochdeutschen Sprachschatz aufgenommen
m werden, dahin gehören zb. von den obigen Wörtern eÜUtar^ ekid und
namenüicfa mangony, mangari^ das in Oberdeutschland erst später, durch die
rbeiiiischen handelsbeziehungen, fufs gefasst hat, besonders durch den Köln-
Begensbnrger verkehr.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 16
230 SCHRÖDER
festländisch sächsisch (und von da nach dem norden getragen)
pdscha, päschadag, und nirgends anders auf germ. boden als hier im
Heliand hezeugt ist die Umformung von 4nfernum' zu infem^ fem.
Eine directe anleihe oder eine Vermittlung vom angelsächsi*
sehen her ist merkwürdiger weise in dem fremdwOrtermaterial
durchaus nicht zu spüren : so zweifellos doch schon eine Ver-
deutschung wie gödspell den sprachlichen einfluss der angel*
sächsischen mission erscheinen lässt^. machen wir also eine
probe darauf, wieviel von den fremdwOrtern des Heliand im ags.
Sprachschatz widerkehrt, das angelsächsische wOrterbuch weisl
die nachfolgenden nummern auf 2, wovon die in() eingeklammerlea
nur in der prosa und in späten dichtwerken (vom 10 jh. ab)
vorkommen. Slmesse, — bisceop, — disc als 'schUssel'. — eud.
— (dncra. — ) {fmele. — ) (fic. — ) carcem. — (aistel. — ) crf-
sere, -cdserdöm. — (cwlc. — ) clustor. — ceitip. — ceapian. —
crüten. — [crUl s. Pogatscher QF 64, § 160. — ] Wie. — {mm-
gian. — ) {meregreot. — ) [mdgister, rnrngster. — ] {mynetere. — )
myutan. — mür. — {myrre. — ) nön. — orc, — {pdlendse. — )
(palma, — ) [paradisus nur in den westsächs. evangelien. — ]
[scrifan, s. Zs. 36, 145 ff- — ] segne. — segnian. — {sicor. — )
{scamoL — ) solor. — (spynge. — ) str&t. — (tolh).
Es sind alles in allem 34 resp. 37 (von 49); auf die gesamte
ags. poesie des 7 — 9 jhs. entfallen davon 19 (auf Olfrid 351). und
dieser festländische Charakter des fremdwOrterbestands tritt noch
weit mehr hervor, wenn wir die im ags. gänzlich fehlenden wOrter
unter beifügung der belegzahl im Heliand vergleichen : br^f(2).
— evangelium (1). — fern u. in fern (10). — crüci (18). —
mester (3). — olbundeo (1). — paradU (2). — pdscha (6). —
pinß (2). — porta (2). — sikoron (1). — skriian (17). —
tins (5). — tresur-hüs (1); im ganzen 71 belege^ beinahe die
hälfte von allen.
Die angelsächsische missionssprache zeichnet sich vor der
deutsch -festländischen durch die energie aus, mit der sie eine
reihe von kirchlich bedeutsamen begriffen in volkstümlichem
ausdruck widergibt; nicht nur 'pascha' und Mnfernum', womit
^ nach abschluss des grorsen ahd. glossencorpus wäre es gcwis lohDend,
diesem einfluss der Angelsachsen einmal weiter nachzospuren : er tritt gleich
im ahd. Talian dentlich zu tage; — hier übrigens auch in der bibelexegese!
^ immer unter weglassung von 'engel* und 'teufel'.
Zu GENESIS UND HELIAND 231
ttberbaapt nur das alts^chsische zurücksteht, soDdern auch ^para^
disiis' und 'eTangelium'y und vor allem ^crux', wofür die gesamte
sBgdsadisisebe poesie und prosa ausnahmslos gealga und röd bietet :
vir glanbeo die matten wellen des angelsächsischen einflusses zu
q^Oren, wenn neben 18 maligem crüci 8 mal galgo (5532. 5553.
5572. &591. 5623. 5685. 5726. 5730) und einmal ruoda (5732)
auftaucht ^ : man beachte, dass der dichter sich zu galgo erst nach
7 maligem Yorkommen von criiei^ zu dem einzigen moda erst nach
16 crAci und 8 galgo entschliefst : — dem gegenüber stehn zb.
iD Cynewulfs Elene 3 galga und 21 röd der Überlieferung.
Kehren wir von dieser abschweifung, die uns den Heliaud in
dem gewählten ausschnitt seines Wortschatzes eng verknüpft mit
hochdeutscher cultur und* nur mäfsig berührt von litterarischen
einüassen der Angelsachsen zeigte, zur as. Genesis zurück,
ich lege keinen wert darauf, dass jenes clüstor^ das wir aus ihr
als einziges fremdwort notierten, dem Heliand mit der ags. poesie
gemein ist, wohl aber scheint mir die tatsache von bedeutung, dass
hier jene durch das fremdwörtermaterial für den Heliand gesicherte
beziehuDg zu Oberdeutschland nirgends zu tage tritt, nun ist es
ganz richtig, dass dem dichter der as. evangelienharmonie der
biblische Stoff zunächst einmal in hochdeutscher widergabe ver-
mittelt sein konnte, wenn ihm auch bei der arbeit selbst keine ahd.
Obersetzung des NT zur band lag; für den dichter der Genesis
aber fiel solche litterarische Vermittlung naturgemäfs fort : eine
Übersetzung des ^ersten buches Mosis' hat es so früh sicherlich nicht
gegeben, er hat allem anschein nach überhaupt keine directe
fflhluDg mit hochdeutscher cultur; seine litterarische bildung ist
fast ganz auf dem boden eines sehr intimen Heliandstudiums er*
wachsen : das oft misbrauchte wort vom cento durfte Sievers nach
auffinduDg der vaticanischen fragmente auf die Genesis mit einigem
recht anwenden, aber warum bleiben dann — wird man mir ein-
wenden — die von dir vermissten fremd Wörter fort? ich will
darauf mit einem parallelen fall antworten. Konrad vWürzburg
hat ozw. Hartmann und Wolfram, wahrscheinlich auch einiges
von Rudolf vEms gelesen (beweisen kann ich es vorläufig nicht),
er ist ein ganz genauer kenner von Gottfrieds Tristan, und trolz-
dem hat er in allen dem Partonopier vorausliegenden werken
einen sehr geringen fremdwOrterbestand : was sich eben seinem
> bei Otfrid 1 galgo (iv 30, 15) neben 20 krüsi (und 3 krüsön).
16*
232 SCHRÖDER ZU GENESIS UND HELIAND
bildungftgrad nicht ohne weiteres anpaaste, glitt an ihm ab oder
entschwand doch rasch wider seinem gedächtnis. erst nachdem er
mit fremder hilfe den Partonopier abersetzt hatte, bekam er ge-
schmack am fremdwOrterwesen, der Schwanritter verstärkte das
noch, und als er wahrend der arbeit am Trojanerkrieg mit dem
Turoei von Nantheiz einen ersten and einzigen versuch in freier
composition machte, da verrät er überall, was er gelernt hat der
dichter der Genesis hätte für paradiii und mfem, fem, für ear^
cari und porta, für fina und sieur^ und gewis noch für eine
reihe andrer fremd- und lehnwOrter bequeme Verwendung gehabt:
dass er davon gar keinen gebrauch macht, beweist, dass er sie
entweder seiner bildung oder aber seinem geschmacke nicht
assimiliert hatte, — und in jedem fSlle unterscheidet er sich
darin von dem dichter des Heliand.
Marburg. EDWARD SCHRÖDER.
BEITBÄGE ZUR KUDRÜN.
Studien, die ich über die entstehung des Kudrunepos an-
gestellt habe, zeigten mir, dass hier auch der einzelkritik und
-erklärung noch manches übrig gelassen sei» da uns Ernst Martin
mit einer neuen bearbeitung seiner verdienstvollen ausgäbe be-
schenken will, so mOcht ich nicht mit den folgenden bemerkungen
zurückhalten, die sich auf den etwas stiefmütterlich behandelten
ersten teil des gediqhts beschränken.
1 , 4. Symons hat in seiner ausgäbe auf bedenken des
Sprachgebrauchs hingewiesen, die sich gegen Hofmanns Vermutung
riehe erheben, gleichwol vermag ich mich für. das handschrift-
liche reichen nicht zu erwärmen, ich glaube vielmehr,: dass das
wort hier nur unter dem einfluss der Umgebung in den text ge-
riet (vgl. 1, 1. 2, 1) und durch ein synonym, etwa helde^ zu er-
setzen sein wird, denn die dreimalige widerholung von Aetsen,
die Martin parallel stellen will, besitzt einen wesentlich andern
Charakter, vgl. auch zu 11, 1.
^ der HelianddictUer braucht 6 mal das adj. sikur, Imal das vb. #i-
koron : immer in Verbindung mit dem gen. sundea, sundeono ; der Genesis
aber, wo wort und begriff ^sönde' so häufig erscheint {sundea im Yat. 9 mal),
ist dieser ausdruck fremd ; er war wol für den nachahmer zu persönlich, zu
individuell.
JOSEPH BEITRÄGE ZUR KUDRUN 233
5, 1—4. Zacher bemerkt in Martins commentar zu st v. 1 :
*ob si Täter und söhn oder auch die mutter mit bezeichne, ist
nicht zu entscheiden', mir scheint die beziehung auf die mutter,
TOD der seit str* 1 nicht mehr die rede ist, völlig ausgeschlossen.
die beideo vorangehnden Strophen handeln allein vom söhn, und
daher könnte st auch nur von diesem neben dem vater gelten.
bei dieser Sachlage aber fällt nun dreierlei auf : 1) der ausdruck
iö s€kiei st der tdt, nach dem man voraussetzen sollte, dass vor-
her in irgend einer weise das zusammenleben von vater und söhn
hervorgehoben wurde. 2) die gedankenverbindung von 5, 1 und
5« 2. ^dass der tod vater und söhn auseinanderreifst, ist noch
heute ein ereignis, das edele liute in grofsen kummer versetzt'.
wir fragen : blofs edele liutel 3) auch das scheint nicht im Zu-
sammenhang zu liegen^ wenn es sich um das Verhältnis von vater
und söhn handelt, dass dann 5, 3 f von den Urkunden gesprochen
wird, die in aller vürsten riehen entstehen.
Alle diese mishelligkeiten sind beseitigt, sobald wir str. 5
unmittelbar nach str. 2 setzen, dann hat man unter si den kOnig
und seine recken zu verstehn, deren innige gemeinschaft der
dichter eben (2,30 gerühmt hatte, edele liute aber steht nun
synonym mit recken 2, 3. es wird also gesagt : noch heut ist es
eine höchst schmerzliche sache für die gefolgschaft, vom herrn
getrennt zu werden, und von aller vürsten rkhen endlich darf
jetzt im hinblick auf die verschiedenen länder gesprochen werden,
die dem verstorbenen kOnig unterstanden, wie es ja speciell von
könig Ger hiefs er het siben vürsten lant 2, 2.
Aber die verse 3 und 4 haben noch keine annehmbare deu-
tung gefunden. Martin übersetzt urkünde ^zeugnis, beispiel' und
mit sargen warten 'mit trauer erblicken', er fragt : ^bezieht sich
dies auf einen würklichen todesfall, etwa den Leopolds vii von
Österreich 1230?' Symons denkt bei urkünde an 'grabdenkmäler'.
auch ich verstehe unter urkünde gedächtnisbekundungen für den
verstorbenen : aber solche, die in frommen klösterlichen Stiftungen
bestehn , und v. 4 übersetze ich 'für die müssen wir immerfort
angelegentlichst sorgen', dh. unverdrossen weiter spenden, der
dichter dieser Strophe benutzt also die gelegenheit, die säckel der
gläubigen zu gunsten der kirche locker zu machen, für die
ricbtigkeit unsrer deutung bürgt die spätre stelle 909—917. man
vergleiche insbesondre:
234 JOSEPH
D6 riet der (legen Ortwtn *jÄ sal wir si begraben,
daz sul wir ahlen danne, daz si Urkunde haben
mit einem riehen kl6ster immer nAch ir ende
und daz ein teil guotes iegeliches künne dar zuo sende*. 909.
Alle die ir mdge heten dk verlin,
die gAben dar ir stiure, wtp unde man,
durch willen der s^le, der Itchnam si begrooben.
stt wart ez ab6 rtche daz dar dienten wol driu hundert huobe. 917.
Weitre beispiele aus der volksepik gewährt SchOnbach Das
christeDtum in d. altd. heldeDdichtung (1897) 21 ff.
10 — 12. In diesen drei stropbeo schildert der dichter an-
schaulichst eine landreise, in str. 13 aber verlSsst die junge braut
4lie See : mit recht nennt Wilmanns Die entwicklung der Kudrun-
dichtung s. 136 dies ^höchst überraschend', aber sein schluss
nun, dass die Strophen 10 — 12 erst der schildernde bearbeiter
hinzugetan habe, geht zu eilig, denn betrachtet man die verse
genau, so fallen sie nur dadurch auf, dass sie sich nicht in die
Chronologie der darstellung fügen, die landreise, um die es sich
handelt, betrifft den einzug der braut ins haus des mannes : ein
Vorgang, der natürlich erst nach der landung eintreten konnte,
nach der landung folgt nun im gedieht zunächst eine nacht der
ruhe 13, 4. str. 17 aber heifst es:
An dem naehsten morgen d6 wart viir gesant,
wie si komen solte in des vürslen lant,
d4 si bt dem recken solte tragen kröne.
Hier wird also der feierliche einzug in der tat ausdrücklich
angekündigt, wo bleibt seine Schilderung? in str. 18 ff befindet
«ich die braut bereits an ort und stelle : und der Übergang von
Str. 17 zu Str. 18 scheint so unvermittelt wie möglich, kein
zweifei : zwischen diesen beiden Strophen sind eben jene an
ihrem überlieferten platz überschüssigen 10 — 12 ausgefallen, die
richtige folge der Strophen, von der frage ihres ursprünglichen
bestandes abgesehen, ist also diese : 9. 13 — 17. 10 — 12. 18.
11, 1. Das handschriftliche bedecket versucht natürlich nie-
mand zu halten, aber es scheint mir überflüssig, hier nach einem
graphisch ähnlichen wort zu suchen, wie Hofmann mit seinem
gewetet, Zarncke mit zertretet, das wort kam dem Schreiber eben
aus 10, 4 in sinn und feder, und wenn wir uns der entsprechen-
den scene 183, Iff erinnern, so wird man geneigt sein, als die
A-erdrängte phrase ze molten zu betrachten.
BEITRÄGE ZUR KUDRÜN 235^
1 3, 1 ff schreibt man allgemein :
Enphangen wart vil scb6ne daz minnecltche kint
üf zweier lande marke,, da si der westerwint
YOD des meres üode waejen ab begunde.
Zu lt. 2 bemerkt Martin 1) ^was soll die grenze hier, wo die
braut zur see kommt?' und 2) 'der westwind soll demnach voi>
Norwegen (oder Schottland) nach Irland führen; die geographischen
begriffe sind unklar", die erste bemerkung Martins trifft sicher
zu. indessen in der handschrift steht nicht lande, sondern hande:,
and setzen wir dieses wort wider ein, so ist die sache ganz ia
Ordnung, auf doppellartiger grenze ward die braut empfangen,,
oämlich auf der scheide von wasser und land, db. gleich beim
ferlassen des schjffes .ward ihr ein willkommen bereitet : mau
wartete nicht erst, bis sie ihren neuen wohnsitz selber erreichte.
Zu Martins zweiter bemerkung ist zu sagen : überliefert ist
nicht der westerwint, sondern der veste wint. und auch in diesem
falle löst sich alles zur Zufriedenheit, sobald wir wider der hand-
schriftlichen lesart zu ihrem recht verhelfen, der veste wint ist
der wind, der die reisenden ans festland bläst, der landungswind»
der entgegengesetzte wind heifst wazzerwint, vgl. Nib. 494,3.
euch kom in zuo ir reise ein rehter wazzerwint : si fuoren von
dem lande, veste gilt hier also als Substantiv in einem sinn, für
den im Parz. 750, 9 und io Ulr. vdTürl. Willeh. (ed. Singer)
cLxxix 17 das compositum lantveste gebraucht ist;
Übrigens, was den geographischen gesichtspunct betrifft, so
Uefse sich auch der tgesterwint verteidigen, man muss nur fest-
halten, dass es sich hier nicht um die abfahrt, sondern die an-
fahrt handelt. landeten nun die reisenden an der Westküste Ir-
lands, so trieb sie in der tat der westwind an die küste.
19, 3. Auch hier empQndet Marlin richtig, indem er an der
folge von rossen und von kleidern, von maneger hande wcBte
anstofs nimmt, dennstr. 40, 1 — :3 lehrt, dass in unserm fall nur
ein lapsus calami vorligt und für kleidern stehn muss Schilden.
21, 1. im dienten sine huobe daz kreftige guot fasst man
gewöhnlich auf : *ihm trugen seine hufen reichliches gut ein',
aber hierbei bleibt, wie auch schon Symons bemerkte, ouch der
folgenden zeile ganz unversLändlich. ich schreibe in für im und
beziehe den plural auf die armen, von denen vorher die rede
war; daz kreftige guot aber nehm ich — dies schlägt auch schon
236 JOSEPH
SymoDS vor — aus sprachlichen grttodeD (vgl. Martins anmerkung)
als apposition : ihnen dienten seine hufen, der reiche ertrag, die-
selbe gesinnung besafs die kOnigin. sie hätte gar dreifsig kOnig-
reiche verteilt, virenn man sie ihr zu eigen gegeben hatte, str. 21
enthalt also nun zunächst die iUustrierung der zum schluss der
vorigen Strophe envähnten miUe des kOnigs.
52, 4 ist die übliche lesung:
und onch des wirtes vriunde : die zugen ez mit vltze stnen mAgen.
die fehlt in der hs. schon Hofmann sah, dass dieses wOrtchen
den sinn zerstört, da vriunde und mäge zusammen das kind den
eitern erziehen, also nicht entgegengesetzt sein dürfen; er schrieb
daher und oud^ des wirtes vriunde : sus «ugen ez mit vUze sine
mäget^; Symons und Bartsch (in Kürschn. Nat. litt. 6, 1) setzen
ja für sus. ich glaube, dass die dativform einen durch falsche
auffassung der form mägen entstand, die ihrerseits wider durch
das streben nach reimangleichung hervorgerufen wurde (vgl. Martin
4, 3 und auch Kudr. 799, 4. 1063^ 3). ich schreibe denn:
und ouch des wirtes vriunde zugen ez mit vlize, sine mäge.
jetzt steht also des wirtes vriunde and xoivov und sine mäge
appositionell dazu. vgl. 198, 3f sfn huoten edele vrouwen, sam
täten sine mäge.-
56, 2. Dass der greif stare war^ ist eben 55, 4 gesagt wor-
den, und man sieht nicht recht ein, in welchem Zusammenhang
hier diese seine eigenschaft widerbolt wird, mir scheint hier
strac an stelle von stare am platz : der greif hatte seine flügel
dermafsen ausgespannt, dass er einen schatten in der grOfse einer
wölke warf, aber trotzdem ward man ihn nicht gewahr, indessen
soll nicht verschwiegen werden, dass strac ein wort ist, das allen
bairisch-Osterreichischen quellen des 12 — 14 jhs. fremd scheint.
57, 1 lautet in allen ausgaben : vor des grifen krefte der
walt da nider brach. *eine abenteuerliche Vorstellung!' bemerkt
Martin und er hätte noch hinzufügen können : eine solche, die
gar nicht in die Situation passt denn man befindet sich nicht
im oder beim wald , sondern vor des wirtes hüse (51 f 3). auch
hier enlMnd der fehler, indem ein nahe liegendes wort für ein
ferner liegendes eintrat, ich lese
von des grifen krefte der val da nider brach.
*mit dem greifen fuhr das verderben hernieder' : mit diesen Worten
wird nicht übel der unerwartete umfall der freude in trauer ein-
BEITRÄGE ZUR KUDRUN 237
geleitet, nider brach hält die Vorstellung des aus der höhe
kommenden slOrenfrieds fest, mit eutgegeugesetztem bild heifst
es, der abweichendeD Situation entsprechend, in Nib. dö huop
sich ungemath von des volkes krefte in Burgonden laut,
79,4. Hier scheint mir eine bestimmung wie ze der zite
oder in der stunde am platz zu sein, während die (Ibiicben er-
gänzungen gen den vroutoen (EltmUller), harte sere (Bartsch) nur
lackenbüfser sind.
81, 4 wird nach Vorgang vdHagens allgemein geschrieben:
si lobelen gotes güete und wdren in ir tumben jären wtse.
der preis Gottes steht hier völlig aufserhalb des Zusammenhangs,
in der hs. finden wir lebeten für lobeten und ich begreife würk-
lich nicht, wie man diese lesart je aufgeben konnte, sie, die
kOnigskinder, die schenken und truchsessen bei ihrem mahl ge-
wöhnt waren, zeigten sich trotz ihrer Jugend einsichtsvoll genug,
sich mit dem zu begnügen, was Gottes gute gab, dh. mit dem,
was in freier natur wuchs, st begunden balde suochen würze und
ander krüt fahrt der dichter 82, 1 fort, güete ist natürlich genitiv,
wie es ja auch 83, 3 heifst des si dd lebeten, vgl. ferner 74, 2
nod auch 103, 3.
86, 4 list man den ersten halbvers nach Vollmer : des der
junge Hagene oder nach Bartsch : des manic wip von vrdge. über-
liefert ist nur des frage, ich schlage vor : des vrdge sinen mdgen.
das aage des Schreibers eilte von ma^en auf vra^e zurück, vgl. 67, 4.
88, If schreibt man jetzt allgemein nach Bartsch:
Hagene rät der liute sach ligen \A dem mer
(die d& wAreu ertrunken daz was ein gotes her).
der salz in parenthese steht ganz unvermittelt da. für rdt {= ge-
ratschaften) bietet die hs. noch, ich schreibe mit möglichster an-
Dflherung an die überlieferte lesart:
Hagene nacket liute sach ligen b! dem mer:
die d& w&ren ertrunken» daz was ein goles her.
Hagen bemerkte, dass leute angespült lagen, die keine rüstung
trugen : die verunglückten waren nämlich fromme pilger. daher
also waren sie nacket, nun begreift sich auch die gegensätzliche
Stellung von gewdpent 89, K
98,2 hei waz er von tieren sneller Sprunge nami
man erklärt ^wie schnelle sprünge er von den tieren lernte 1'
dieser gedanke fällt aus dem Zusammenhang. Wilmanns s. 120
238 JOSEPH
wird dem sinn gerecht, indem er ändert : hei waz er tiere in
siieUen sprangen naml ich halte mich wider ganz nah an der
üherlieferung und wandle blofs das handschriftliche von in vor:
er erjagte die tiere, indem er, schnell wie ein panter, ihnen den
vorsprung abgewann, so wird von Hagen nachher rUckgreifend
noch einmal erzählt : er wuohs in einer wüeste, der edele vürste
junc, hi den wilden tieren. des mähte im einen sprunc lebendes
niht enphliehen, swaz er wolle vähen 167, 1 (T; vgl. auch Krone 265'
(Mhd. wl). 11^ 546) daz er vor dem degen junc nam manegen
snellen sprunc,
111,4. Bartsch, Martin, Symons schreiben erbaldet für das
handschriftliche erkaltet und Martin bemerkt : *der schrecken oder
die furcht erhitzt nicht, das gemüt kann also nachher nicht ab-
kühlen', indessen findet man bei Lexer unter erkalten eine stelle
citiert, die wol geeignet sein dürfte, die Überlieferung an
unsrer slelle zu stützen. Roth Denkm. 57, 25 heifst es in der
wol zum Veterbuch gehörigen Piacidus-Eustachius-legende cUs im
die vorchte erkalte und ein teil gelac der schrie (es ist die Situa-
tion, wo Christus zu Placidus aus dem geweih des hirsches spricht).
116^ 2. diu ungewonheite erklären Bartsch und Martin *die
ungewohnte Umgebung', Symons und Bartsch (in Kürschners Nat.-
litt.) beziehen den ausdruck auf 'das ungewohnte tragen von
mänuerkleidern'. ich meine : diu ungewonheite besteht für die
frauen vielmehr in dem nächtlichen beisammenseio mit den
männern, von dem im vorhergehnden vers 116, 1 die rede ist.
die herren wollten ihnen aber mit ihrer persönlichen sorge nur
hofliche rücksicht erweisen und daher heifst es 116,3 hceten siz
vür wirde, s6 diuhten si mich wise.
116, 4 schreibt Martin : von Garadie der grdve hiez in geben
gttotespise; Symons : der grdve von G. hiez in balde geben guote
spise; Bartsch : der grdve iiz fi. hiez in allen geben guote spise.
Symons text steht der Überlieferung am nächsten, indem er
nur balde ergänzt, aber dieses wort stünde gerade so wie Bartschens
allen hier doch gar zu müfsig. ich schreibe : der grdve von
Garadi hiez in geben gnuoc guote spise ^ vgl. Iw. 791 min hon-
delunge wcer gnuoc guot, der ausfall von gnuoc vor guot erklärt
sich leicht, wegen der form Garadi vgl. 150, 4.
117, 3 lesen die neuern ausgaben : wer si so rehte schome
brcehte zuo dem se, so ist aber erst zusatz der herausgeber und
BEITRÄGE ZUR KUDRUN 239
für wer sieht in der hs. woheer, offenbar ist zu schreiben wer
her 51 brcehte etc., vgl. Iw. 2381 wer brdhte disen riter her!
117,4 deo kinden tele sin vrAgen und ouch ir arbeile we.
Martio und Bartsch erklären 'sie waren schüchtern und müde*.
Deiol die frage des grafen ist ihnen deswegen peinlich, weil
damit io ihnen die schmerzliche erinnerung an die ausgestandenen
qualeo, ir arbeite, aufgeregt wird, daher bemüht sich auch
5tr. 122 der graf vergeblich, näheres über ihre leidenszeit aus
ihnen herauszubekommen, ähnliche deutung bei Piper(in Kürschners
Nal.-litt. 6, 1).
118,2fr list Martin:
ich bin von verren landen, herre, wizzet daz,
von Indi^ der guoten (da was künic inne
min vater) : da ich kröne leider nimmer mere gewinne.
Bartsch und Symons schreiben die beiden letzten verse:
von Indiä der guoten; da was künic inne
min vater d 6 er lebte, da ich kröne leider nimmer
m^r gewinne.
an stelle des gesperrten steht in der. hs. der da und da erlaite.
ich behalte die Überlieferung wörtlich bei und schreibe die bei-
deo letzten verse:
von Indi4 der guoten. der d4 was künic inne.
min . vaier, da erleite, da ich kröne leider nimmer m^re
gewinne.
'der da als kOnig herschte, nämlich mein vater, machte sich ver-
hasst, und ich bin daher dort für immer der kröne verlustig ge-
gaogen'. sie ist also eine verbannte, für das intransitive erleiden
in dieser absoluten Stellung vermag ich freilich kein zweites bei-
spiel beizubringen.
122,4 schlage ich vor des st gegen im doch nie gewuogen,
IQ den texten ergänzt man mit Ziemann meVe statt gegen im.
134, 1 schreibt Martin : s(n gesinde wesen; Bartsch und
Symons sin ingesinde wesen. die Überlieferung daz sy ewer g. w.
führt aber auf daz sin gesinde wesen. denn wo der echte text
bestimmten artikel vor Possessivpronomen enthielt, weist die hs.
oft fehler auf. so fiel 131, 4. 567, 4 der artikel aus, 89,4 ver-
mutlich das pronomen (sinen)^ 357,4 gibt sich die Verlegenheit
des Schreibers in völligem ändern kund, und als ähnlichen fall
werden wir gleich nachher 149,4 kennen lernen.
240 JOSEPH BEITRÄGE ZUR RUDRUN
141, 3 lese ich dSr st sage, vgl. Zs. 43, 75.
149, 4 ist zu lesen daz sin jungez ingesinde; vgl. zu 134, 1.
überliefert ist des seines tunge ynngesynnden, die texte schreiben
nach vd Hagen : st heizent dines jungen ingesinde, was soll hier
dines jungen bedeuten? etwa Meines jungen'?!
181, 2 list man dö man vol gesanc, obwol man nicht ver-
kennt, dass mit diesen Worten zu spät und zu abgerissen von
dem gottesdienst die rede ist. für vol gesanc ist tiberliefert u>ol
sanc. ich behalte das erste wort bei und suche den fehler in
sanc. der echte text wird sein : dö in wol getane ^nachdem sie
so rühmlich das turnier beendet hatten', ganz entsprechend heifst
es im Iwein nach beendigung des turniers : 3067 dö sluogens df
ir gezelt vür die hure an daz velt. da lägen si durch ir gemach,
unz si der künec dd gesach und die besten alle . • wand im was
komen mcere wie in gelungen wcere, er sagt in gndde undß dane,
daz in so dicke wol getane,
186, 1. Martin beanstandet mit recht das überlieferte under
stoube, aber für das von ihm später eingesetzte u, helme [und
Zingerles u. Schilde oben s. 137] schlag ich vor u. schouwe : sie
ritten unter dem zuschauen der schönen freuen ; vgl. 184,4. 181, 3 f.
196,3. Für das unerklärbare in siner vorgetcene sind die
verschiedensten Vermutungen aufgestellt, offenbar ist zu lesen
in siner vorhtgetcene Sn seiner schreckensgestall'.
Strafsburg i. Eis. EUGEN JOSEPH.
Der räum gestattet, noch zwei weitere Vermutungen zur ein*
gangspartie derKudrun vorzutragen. 146,3 lesen die ausgaben
mit der hs.
daz mir des kindes t6t
dicke h^t erwecket mines herzen sinne.
genügt dieser ausdruck für einen oft widerkehrenden ausbruch
des väterlichen Schmerzes? oder ist nicht vielmehr zu lesen mines
herzen winne * krampfartigen , rasenden schmerz'? dies winne
und (daraus umgedeutet?) winde^ dazu die Verbindung totnn« unde
we belegen die mhd. wbb. freilich nur aus westdeutschen quellen
von KvWürzburg über EWindeck zu Geiler. — 203, 2 les ich hdt
ie einer Übermuot st. ir, vertauschung von ie und ir ist wie überall,
so auch in unsrer hs. häuQg : 10,1 muss ir fürye, 995,4 umge-
kehrt iedoch f. ir doch gelesen werden (s.Zs.34^77 n.l). E.SCH.
DIE
CX)MPOSITI0N DER TREVRIZENT-SCENEN.
PARZ. 1x452, 13-502.
lo einem excurs zu seiner schrift ^Das hohelied vom ritter-
iam' gibt GBOtiicher eine aoalyse der TrevrizeDtscenen des
a buche« des Parzival und eine kritik ihrer composition. er
findet die composition höchst mangelhaft und hat mit diesem, ur»
teil bisher m. w. noch keinen Widerspruch gefunden, über die
einzelheiten seiner analyse und kritik will ich hier nicht be-
richten, das wenige, was ich im folgenden selbst über die com-
position dieses abschniltes ausführe, wird, denk ich, zeigen, dass,
von kleinigkeiten abgesehen, die kritik Böttichers der berechtigung
dorcbaus entbehrt.
Vergegenwärtigen wir uns zunächst im allgemeinen, was den
iahalt dieser scenen bildet, der ganze lange abschnitt gibt (aufser
natOrlich in den reden der beiden personen) so gut wie gar keine
erzählung zeitlicher ereignisse, sondern nur gespräche, zum grOsten
teile sogar nur reden 6iDer person, Trevrizents. was kommt in
diesen gespräcfaen alles zur darstellung? die beiden personen,
Parzi?al und Trevrizent, treten sich als gänzlich unbekannte
gegenüber, sie müssen einander namen und geschlecht mitteilen.
Parzival kommt als sUoder, er muss seinen abfall von Gott und
seine schuld gegen Anfortas bekennen, ebenso <len leichenraub
an Ither; er erfährt von Trevrizent, dass er in Ither einen ver-
waoten getötet habe, dass auch seine mutter aus schmerz über
seinen abschied gestorben ist. daran knüpfen sich belehrungen
und trOslungen Trevrizents. über Trevrizents vorleben hüren wir
verschiedenes, über Ither, über das geschlecht Parzivals, über das
Oralsgeschlecht, besonders über Anfortas, über den Gral usf. der
ganze grofse abschnitt wird ausgefüllt durch bekenntnisse , be-
lehrungen und aufklarungen über eine grofse anzahl von dingen,
und gewis muste es nicht geringe Schwierigkeit bieten, all diese
Sachen natürlich und übersichtlich zu ordnen, selbst wenn dies
gelungen sein sollte, so lässt sich vermuten, dass die disposition
doch eicht sofort mit dem ersten blick zu flberscliaueo sein
mochte, namentlich bei einem dichter wie Woifram, dessen art
es auch sonst nicht ist, die einzelnen dinge mit sirenger Schei-
dung in parade neben einander zu stellen. — ich komme zur
(orüaulenden analyse des abschnitts:
Z. F. D. A. XUV. N. F. XXXII. 17
242 NOLTE
(A) 452, 13 — 461; 2 : ankunft, empfang, erste gespräche.
452, 13 — 28 : der dichter über Trevrizents einsiedlerleben
{der kiusche Trevrizent).
452, 29 — 455, 24 : excurs. weoduog an das publicum:
die iflogst gewünschte auflcläcung Ober den Gral soll
jetzt kommen, bericht über die quellen, am schluss
(455, 13fiE) geschickte zurücklenkung zu Parzival.
455, 25—457, 3 : die ankunft. Parzival bekennt sich als
Sünder, Trevrizent verspricht ihm rat.
457^ 4 — 20-— 458, 12 .: gespräche ohne besondre be-
Ziehung auf den hauptpunct dieser scenen, erste con-
versation der beiden sich begegnenden, zuerst die frage
Trevrizents, wer Parzival hergewiesen habe; eine gewis
sehr naheliegende frage, die auch dem leser weitere
Bufklärung tlber den alten ritter verschafft, sodann
Parzivals gleichfalls sehr natürliche fragen in Trevrizents
antwort kurze Charakterisierung des einsiedlers (auch
nach seiner Vergangenheit) und seiner Waldeinsamkeit;
dadurch wird die Situation , . die gegenüberstellung des
ritters und des einsiedlers, erst ^anz anschaulich; um
dieser künstlerischen würkung willen wichtig und un-
entbehj^lich.
458; 13 — 459, 30 : die aufnähme, Trevrizents behausung.
460, 1—461, 2 : an den reliquienschrein angeknüpft : wie
lange Parzival umhergeirrt; sein kummer. Überleitung und
Vorbereitung zum hauptteil.
(Bi) 461, 3 — 467, 18 : Parzivals erstes bekenntnis und belehrung
durch Trevrizent.
461, 3 — 26 : Parzival bekennt seinen abfall von Gott und
sucht itin durch anklagen gegen Gott zu begründen.
461, 27 — 462, 10 : die erste sehr schOn dem leben abge-
lauschte antwort des aufs höchste betroffenen beraters.
darauf folgt erst die zusammenhängende belehrung.
462, 11— 30 : Trevrizent über Gottes triuwe (sehr wichtig).
463, 1 — 467, 10 : führt das unter dem gesichtspunct des
lohns und der strafe weiter, zunächst durch beispiele aus
der heiligen geschichte.
463, 4 — 14 : die bestrafung der abtrünnigen enget.
463, 15 — 465, 10 : der Sündenfall, Kain, die mensoh-
COMPOSlTIOiN DER TREVRIZENT-SCENEN 243
werduog Gottes und die eriOsung. hier tritt das rätsei
sehr störend Qip, weon es auch keineswegs nur äufser-
lieb und um seiner selbst willen eingeflickt ist; man
beachte, wie ^s zb. zur einfubrung der menschwerdung
Gottes dient.
465, 11 — 467, 10 : führt den gedanken des lohns und
der strafe rein belehrend aus (465, 19—30 : zeugnis
Platong und der Sibylle); neu tritt das motiv der bufse
hinzu.
466, 15 — 30 : verstärkendes motiv : Gott sieht selbst
die gedanken.
467, 11 — 18 : Parzival nimmt die belehrung an; sein irrtum,
dass Gott nicht helfen könne, ist widerlegt; indem er sich
jetzt Gott wider zuwendet, hofft er, dass Gott, der nichts
ungelohnt lässt, es auch ihm vergelten werde, dass er immer
treu gewesen sei und um der treue willen kummer ge-
tragen habe.
Damit ist dieser erste wichtige hauptteil zu ende, das ireue-
verhaltDis Parzivals zu Gott ist widerhergestellt ; der gßnze übrige
teil des ix b. (bis 502, 22) kommt auf diesen punct mit keinem
Worte mehr zurück und muss dem ersten hauptteil gegenüber
als zweiter hauptteil gelten; er enthält die eigentlichen Schwierig-
keiten der composition in der immer weiter fortschreitenden er-
kennung und aufklärung auf beiden Seiten, man halte als haupt-
gesichtspunct für das Verständnis des aufbaus fest, wie jedem
weitem bekenntnis Parzivals eine weitere aufklärung Trevrizents
entspricht.
(B II a 1) 467, 19—471, 30 : bekenntnis Parzivals, er§te aufklärung
Ober den Gral.
467, 19 — 468, 22 : durch Parzivals letjEte worte veranlasst,
fragt Trevrizent weiter, und Parzival erklärt, dass er sich
nach dem Grale und nach seinem weihe sehne. Trevrizent
lobt die treue liebe zur gattin, sie schütze vor derhölle;
dagegen nach dem Gra|e sich zu sehnen, sei töricht; den
könne niemand gewinnep, als wer vom himmel dazu be-
stimmt sei. wir erfahren, dass er selbst dep Gral gesehen
hat, während Parzival noch verschweigt, dass auch er dort-
bin gekommen ist.
17*
244 NOLTE
468, 23—471, 30 : auf Parzivals frage gibt Trevrizent aus-
führlichere aufkläruDgeu über den Gral.
468, 23—30 : die Templeisen.
469, 1—470, 20 : der Gral und seine kräfte.
470, 21 — 471, 14 : wie man zum Grale berufen wird.
471, 15—30 : die frühern hüter des Grals (die neu-
tralen enge]).
Damit ist die aufklärung, die Trevrizent geben will und
vorläufig nur geben kann, beendigt.
472, 1 — 474, 24 : ein abschnitt, der einerseits d^ vorigen fort-
setzt, anderseits den folgenden vorbereitet.
472, 1 — 11 : Parzival äufsert voll rilterlicbeD selbstbewust-
seins : Gott müsse ihn um seiner ritterschaft willen zum
Gral bestimmen.
472, 12 — 473, 4 : Trevrizent warnt ihn vor solcher hoffart,
hoffart müsse den zum Grale berufenen fremd sein; er ge-
denkt des Anfortas, den hoffart zu falle gebracht habe,
(natürlich kann es ihm nicht einfallen, hier schon dem ihm
unbekannten Parzival die geschichte des Anfortas ausführlich
erzählen zu wollen.)
473, 5 — 30 : mit beziehung auf Parzivals streben nach dem
Gral bemerkt Trevrizent weiter, dass der Gral von der
bruderschafi verteidigt werde und dass nur die zu ihm be-
rufenen ihn gesehen haben, nur einer sei unberufen ge-
kommen, die schuld dieses unbekannten wird angedeutet,
vorher sei nur noch Lähelin in das gebiet des Grals ge-
langt, habe einen ritter im Zweikampf getötet und dessen
ross geraubt.
474, 1-^24 : Trevrizent erinnert sich, dass auch sein gast
ein Gralsross reitet, anderseits bemerkt er eine ähnlich-
•keit Parzivals mit Frimutel, und so kommt er zu der ge-
spannten frage an Parzival : wer er sei.
In dem die frage vorbereitenden abschnitt (von der er-
wähnung Lähelins an) beachte man, wie jeder gedanke ebenso
um des folgenden, wie um des vorangehnden willen da-
zusein scheint, diese gedanken sollen eben in ihrer psycho-
logischen, nicht logischen Verkettung die ideenassociation
darstellen, welche Trevrizent zu der in der entwicklung des
gesprächs nunmehr notwendig gewordenen frage führt.
COMPOSITION DER TREVRIZENT-SCENEN 245
(a2)474, 25 — 484, 30 : die erkennung und die daran sich
schUefsendea aufklärungen.
474, 25 — 476, 30 : Parzival nennt sein geschlecht und be-
kennt, dass auch er (wie Läbelin) einmal in seiner tumpheit
leichenranb begangen habe, an Ither. Trevrizent sieht, dass
er den söhn seiner Schwester ?or sich hat, gibt sich als
oheim zu erkennen und teilt dem niedergeschmetterten mit,
dass Über sein (Parzivals) verwanter gewesen sei, und dass
auch der tod seiner mutter ihm zur last falle.
477, 1 — 484, 30 : Trevrizent erzahlt nunmehr dem nefTen von
seinen übrigen geschwistern und ausführlich vor allem das
traurige Schicksal des Anfortas, seine schuld, seine strafe,
seine leiden, seine durch die schrift am Gral erweckte, durch
die tumpheä des fremden ritters aber grausam getäuschte
hoffnung auf erlOsung. diese mitteilungen üben auf Parzival
eine würkung aus, von der Trevrizent nichts ahnen kann,
eine würkung, die um so grOfser ist, weil er noch nicht
seine schuld in dieser sache bekannt hat. sein selbstbewust-
sein ist jetzt völlig gebrochen, und das gefühl seiner schuld
so niederdrückend, dass er noch nicht den mut finden kann,
sich seinem oheim sogleich zu entdecken.
485, 1 — 487,30 : episode, über deren künstlerischen wert
an sich und für die composition kein wort zu verlieren
ist, zumal sie auch von Bötticher gut gewürdigt wird.
(b) 488, 1 — 489, 21 : Parzivals bekenntnis seiner schuld gegen
infortas und Trevrizents trost.
489, 22 — 501, 10 : nachdem nun Trevrizent erfahren, dass
Parzival auf Munsalvaesche gewesen ist, gibt er noch eine
reihe von aufklärungen über das, was Parzival dort gesehen
bat, über den blutigen speer, die silbernen messer usw.,
über die Jungfrauen und ritter im dienste des Grals, daran
anknüpfend über seine eignen ritterlichen fahrten im minne-
dienst; abschliefsend wird die rede noch einmal auf Parzivals
schuld gegen Ither, seine mutter und Anfortas gebracht, auf-
forderung zur bufse. scbluss des ersten tages.
501,11 — 18 : fünfzehn tage hält sich Parzival bei Trevrizent auf.
501, 19—502, 22 : (der letzte tag) über Titurel, frauen und
priester.
(C) 502, 23 — 30 : absolution und abschied.
246 NOLTE
Ich glaube, man wird sagen müBseo, dass, von wenigen
einzelheiten abgesehen, der abschnitt etwa von 455, 25-^489, 21
geschickt und würksam disponiert ist. der dichter beherscht
seinen Stoff, er weifs, was er sagen will, und er sagt es. freilich
finden wir nicht jene durchsichtigkeit der disposition, welche auch
die kleinsten einzelheiten scharf von einander trennt; das ist auch
sonst nicht Wolframs art. er liebt es, unmerkliche flbergänge
und Vermittlungen zu schaffen, jede neue Wendung des gesprächs
sorgfältig vorzubereiten, sodass die grenzen der teile in einander
verfliefsen. er greift vor und zurück, aber nie verliert er dabei
den natürlichen fortschritt der erzählung aus den augeki, er ver-
schleiert ihn,, aber er verdunkelt ihn nicht, wir erhalten den
eindruck eines würklichen lebendigen gesprächs, das ungezwungen,
aber nicht nachlässig, unmerklich, aber sicher fortschreitet, diesen
Charakter, sowie anderseits die besondre eigontümlichkeit des im
gespräche zu entwickelnden Stoffes hat Botticher verkannt, der
abschnitt 489, 22-^502, 22 i^llt allerdings nach dem voraügehn-
den stark ab, er ist zu lang und sein inhalt zu unbedeutend,
wenn er auch dem dichter und seinem publicum interessanter
gewesen sein mag als uns. zwar konnten die meisten der neuen
aufklärungen Trevrizents vor Parzivals letztem bekenntnis nicht
gegeben werden, auch für die erzählung von Trevrizents ritter-
lichen fahrten war vorher kaum platz, insofern war solch ein
letzter aufklärender abschnitt in der composition nicht zu ver-
meiden; aber er hätte doch kürzer gefasst und namentlich auch
noch der schluss (499, 11 ff) straffer und kräftiger heransgearbeit«!
werden können.
Ich will versuchen, den hauptentwicklungsgang noch in einem
Schema kurz darzustellen.
A. 452, 13 — 461, 2 : ankunft und empfang.
B. 461, 3 — 502, 22 : bekenntnisse, belehrungen, aufklärungen.
I. 461, 3—467, 18 : Parzivals abfall von Gott (erstes be-
kenntnis).
II. 467i 19 — 502, 22 : Parzivals schuld gegen Anfortas; der
Gral.
a. 467, 19 — 487, 30 : Vorbereitung des bekenntnisses der
schuld.
1. 467, 19 — 474, 24 : Parzivals Sehnsucht nach seinem
weihe und nach dem Gral, aufklärungen Ober den
COMPOSITION DER TREVRIZENT-SCENEH 247
Gral, welehe das vergebliche seine» strebeos nach dem-
selben dartun sollen.
2. 47 4y 25 — 484, 30 : Parzival gibt sich zu erkenneni^ er
erf^rt seine schuld gegen seine mutter und kher^
Trevrizent erzählt ihm ausführlich die geschichle seine»
oheims Anfortäs.
485, 1—487, 30 : episode.
b. 488, 1 — 489, 21 : das (zweite) bekenntni»; Trevrizenta
trost.
489, 22—502, 22 : letzte aufklärungen.
C. 502, 23—502, 30 : schlusa.
Soviel zur composition der Trevrizentscenen an sich, da
Rötlicher zu seiner kritik dieser partie von der Untersuchung über
den grundgedanken des ganzen epos aus kam und sie gerade
auch in der darstellung diese» grundgedankens mangelhaft fand,^
90 sei auch hierüber noch einiges bemerkt, im letzten gründe
erkUrt sich Bottichers so gänzlich mis verstehen de beucteilung
der Trevrizentscenen aus seiner in der bekämpfung der theolo-
gischen speculationen San -Maries verdienstlichen', aber selbst
falschen und verflachenden grundauffassung des epos. der Parzival>
ist 'das hohelied vom riltertum' höchstens insoweit, als er von
einem mit starkem standesbewustsein erfüllten ritterlichen dichter
fir ein ritterliches publicum verfasst ist und mit zahllosen äufeer-
lichkeiten und zuiUlligkeiten in ritterlichen zuständen und anr
schauuDgen wurzelt* dagegen ist er in seinen wesentlichsten
inneren motiven von solcher beschränktheit auf die zufälligen Ver-
hältnisse des dichters und seiner zeit frei, eine aufmerksame und
unhefangene betrachtung des ganzen Werkes und insbesondre auch
des IX buehes lehrt, dass, wie auch der eingang bestätigt, nach«
der eignen auff^ssung und absiebt des dichters da» centrale motiv
des Parzival die treue, die centrale handlung Parzivals untreue
gegen Gott einerseits, seine treue in andern Verhältnissen, na-
mentlich in dem mit höchster reinheit und Zartheit dargestellten
Terhältnis zu seiner gattin anderseits ist. Parzivals abfall von Gott
vollzieht sich im vi buch (332, tff), er kommt besonders zum
ansdruck in der begegnung mit dem alten ritter (ix446f!), und'
die widerherstellung des treueverhältnisses gegen Gott ist der
gegenständ des ersten und wichtigsten teils der Trevrizentscenen.
die arty wie die begegnung mit Trevrizent durch die begegnung
248 NOLTE COMP(»rnoei DfX TRCfBBEIIT-SCENEN
HMt dem allen ritter vorliereiteC ist, we»c mit gemtgesder deot-
liehkeit auf die erste und wesentlicbate bedescoog der TreTrizent-
seenen bin. allerdUiff wird der erste hnapcteii dieser scenen
an umfang doreli des foigeadeii weic ttbertrodea; aber hieriD
spiegelt iieb nnr die tom^eMkm des ganzes Werkes wider, in
weichem rein anfseriieh Parzi^als scbold gegen Anfortas und sein
streben nach dem Gral einen weit gr(l(seren raaan einnimmt, als
iein trenbmcb gegen Gott, der sich weniger durch den ihm gewid-
meten ranm, als durch seine Stellung in der composition des ganzen
and dareh die im eingang und sonst gegebenen hinweise als der
mittelponct der ganzen weitschichtigen handlang zu erkennen gibt.
Für die beurteilong der quellenfrage dOrften die Tre?rizent-
scenen besonders grofses interesse haben, bei Chrestien ent-
sprechen, wie ich den anfahrungen Rochats und Kopps entnehme,
den rund 50 absetzen oder 1500 versen Wolframs noch nicht
200 verse, die kaum das notdarftigste gerippe fOr Wolframs dar-
stellung enthalten. Botticher legte die nach seiner ansieht so sehr
unvollkommene composition der vorläge Wolframs zur last; wir
worden nach unsrer analyse wol eher geneigt sein, fOr das, was
Chrestien nicht hat, Wolfram allein verantwortlich zu machen.
Kassel, 5 november 1899. ALBERT NOLTE.
WoLFR. Parz. 201, 12 : Bartsch erklärt den vers er sazt die
U)$rden, dier da vant 'er wies den vornehmsten ihre platze an',
sollte Parzival würklich in dem augenblicke, da es gilt brennen-
den hunger zu stillen, an das placieren denken? der vers scheint
der geHainlslimmung zu widerstreben, die Übersetzer lassen ihn
sämtlich Tallen, und ich selbst habe früher an äzte f. sazte ge-
dacht (vergleicht das überkrüpfe 201, 14 die bürger doch mit
fisenden falken, vgl. 191, 120« atich so/fe Osättigte', im gegensatz
lur QberfOllung) erwogen, was besonders leicht zu sazte (D satze)
sich misverstand. dennoch wird die Überlieferung recht haben.
$H%en {doM iitzen bticheiden) ist vor der mahlzeit so ständige
ceremonie (Pars. 311. 636. 762, Wh. 172. 261. 263, also selbst
bei der henkersmahlieit vor der entscheidungsschlacht), speciell
das amt des wirtes (Wh. 263, 10), dass es schlechthin 'bewirten'
bedeutet, der kOnig lässt Wh. 173,23 die gaste seUen nicht
nitk ir &eH, sondern ndck Hnen &m^ Usst sie 173,21 im/
ietztn, di. wohl bewirten; Wh. 234, 17 will Willehalm die seinen
ebenso «e iDirrseke/^e gesetzen. in diesem sehr prägnanten sinne
bedeutet mzte auch in der Parzivalstelle, was dort allein not tut:
^er sori^te als wirt für die edeln'; der eigentliche sinn ist Ober
dem sjmbolischen vergessen. R.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN.
8. DIE Ä-LAÜTE IN DEN REIMEN DER MHD. DICHTER.
Dass Umlauts-^ und altes e von den mhd. dichtero im reim
geschieden werden, war eine der frühsteo erkeDOtoisse der
deolschen philoIogie und grammatik. heute sind wir hauptsäch-
lich mil hilfe der mundartenforschung darüber belehrt, dass ein
grofser teil der früher zur regel constatierten ausnahmen darauf
zorQckgeht, dass einerseits e in gewissen Stellungen und Worten
(vgl. zuletzt Paul Mhd. gramm.^ § 43 anm. 3, Michels Mhd.
elementarh. § 48) seit jeher den geschlossenen laut des § hatte,
and dass anderseits der umlaut des a, dort wo er secundär ein-
tritt ^ offenes ä ergibt, welches bei manchen dichtem und in
manchen mdaa. mit dem offenen e zusammenHlllt. nichtsdesto-
weniger ist diese erkenntnis, dass qualitativ ungleiche e-laute von
den mhd. dichtem nicht gereimt werden, noch immer nicht con-
sequent weitergeführt worden : man operiert noch immer mehr
als hillich mit den 'ausnahmen', führt die bindung von elymol. ^
and elymol. e stets am liebsten auf die gröfsere und geringere
Sorgfalt der reimtechnik des einzelnen zurück, verbreitet so durch-
aus schiefe und vage lehren wie ^sorgfältiger reimende dichter
meiden die bindung von e:e, dulden dagegen meist e:ä* und ist
meiner erfahrung nach auch noch heute geneigt, Weinholds aus-
spruch (Mhd. gramm. §41), dass die bindungen von Qie 'gegen
ende des 13 jhs. kaum noch als ungenau galten', zu unter-
schreiben.
Nicht auf die Sorgfalt der technik, sondern auf die mda.,
auf diese immer zuerst und meist ganz allein kommt es an, ob
ein dichter ^ mit e bindet und welche f er mit e bindet ^ dass
^ ich ziele hier nicht auf die e, die in vielen oder allen mdaa. im
klang mit q zosammenfallen, da ich überall in diesen Stadien die blofs ety-
mologischen, aber nicht lautlichen e, also die geschlossenen e in swesterj
gcMler^ weste {nest, fest *die8 festus'. breiten, gebrSst haben auch oft ge-
schlossenes e, verlangen aber für jeden dichter und jede mda. gesonderte
betrachtung), fels, heim, belUz, welker (eben verlangt wider gesonderte be-
trachtung), etewir usw. direct als e ansetze, dass ich ferner auch den
Worten ihre richtigen e-iaute zuzuteilen bestrebt bin, denen man in folge
falscher eljmologie oder nichtbeachtung ihrer mundartlichen lautung ein
amlauts- r^sp. brechungs-e fälschlich zugeteilt hat [vsgen, röchenen, jener,
tneeke, schenket usw.), and dass ich schlierslich zwischen e und ä genau
scheide und dieses auch von i gesondert betrachte, versteht sich von selbst.
250 ZWIERZINA
* auch nur hinein hochd. dichter des 13 jhs« und seis dem letzten
e und e im reim gleich galt, laugen ich. es gibt bei unrein
reimenden autoren natürlich reime von ^:e so gut wie etwa
andre unreine reime, immer lässt sich aber dann die reine bin-
dnng der e-laute als das regelmäfsige erweisen, das zur un-
reinen ausnahmsbindung genau im gleichen Verhältnis steht, wie
reine und unreine bindung bei diesem autor überhaupt, und
auch hier spielt die mda. die hauptroUe. denn nur d^r au-
tor bindet ausnahmsweise ^;e, in dessen mda. die beiden laute
auch heute nicht zu weit von einander abliegen : ein Hochale-
manne wie Walth. vRheinau lässt den reim -^.'-är ausnahms-
weise passieren, dass ein Baier oder Österreicher, auch noch
im 14 Jh., jemals -^ mit -er gebunden hätte, halt ich für aus-
geschlossen.
Ferner find ich, dass selbst für unsre mhd. hauptdichter die
kenntnis ihres Sonderverhaltens in bezug auf die e-laute noch
immer nicht sichrer besitz der Wissenschaft ist. und diese kennt-
nis ist leicht zu erlangen und höchst wichtig für die richtige
einordnung des betreffenden dichters. zöge man Wolframs ge-
brauch der e-laute im reim in betracht, so würde man nicht, wie
dies heute allgemein geschieht, den bairischen einschlag seiner
spräche so ganz ungebührlich überschätzen, aber da list man
immer und immer wider und zuletzt noch in Michels Mhd. ele-
mentarb. § 74, 3 anm. 1, dass Wolfr. ^ und e häufig binde und
bes. häufig vor g : all das nur, weil Schulz in seinem reimregister
aus purer Unwissenheit einige 70 bindungen von ^:e, darunter
viele vor g, für Wolfr. ansetzt, die mit ausnähme der zwei reime
von st^teibete und der fölle, in denen nicht ^, sondern d mit e
gebunden ist, von ihm alle einfach falsch beurteilt sind, nein,
es gibt keinen dichter, der {i und e schärfer und sichrer zu trennen
wüste als Wolfram, aber so wenig ist die bedeutung dieser
Scheidung in fleisch und blut der altdeutschen philologie über-
gegangen, dass etwa WolCf noch im xix band des Anzeigers s. 155
auf grund einer überall corrupten Überlieferung des 16 jhs. den
reim von A(T zu ger Konrad vWürzburg octroyiert, obwol
dieser dichter innerhalb von nahezu hunderttausend versen -er
und -er niemals bindet und die beiderlei reimpaare -^;-fr und
-^r; -er, die bei ihm zu hunderten vorkommen, stets streng aus-
einanderhält, und dies, trotzdem Haupt in der anm. zur stelle den
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 251
kOnftigeD ^kriiiker' auf die vorliegende Schwierigkeit eigens auf-
aterksam gemacht hall ^
Merkwürdig bleibt es mir schliefslich auch, dass man sich
fOr die ▼ielen unter den altern und Jüngern dichtem, die ^ und
e im reiai noch durchaus trennen, jedoch mehr oder weniger häufig
kurz ^ auf lang 4 reimen, m. w. noch nicht gefragt hat, welches
^ (f, e odier ä) denn von ihnen auf 4 gereimt wird, und welches
i (i oder a) auf I^K es ist doch nicht anzunehmen, dass der-
seS>e dichter, der f und #, 4 und CB dort, wo er die etymol.
quantiiaten in sich bindet, feinhörig scheidet^ dieselben laute
durcbeinaDdermengt, sobald er etymol. kürze mit etymol. länge
bindet, sodass sein reimpaar dort auch qualitativ unrein wird, wo
es (voB historischem standpunct aus) schon quantitativ unrein ist.
man hat über die ursprüngliche qualität des aus ai hervorge*
gangeaen e schon viel debattiert und widersprechende ansichten
gedufoerL für die mhd. zeit wurde jüngst von Michels Mbdl ele-
meDUrbucb § 26 s^ 27 für e die offene qualität in anepruch ge-
nommen, uzw.. allein mithinweis auf den Wbergding herre^ hirre;
denn erze >- irze wollen wir doch besser bei seite lassen, in der
hoffnuDg, dass das Ahd. elementarbuch der Sammlung uns darüber
bald richtiger belehrt, mit der einschränkung ^wenigstens oberd.'
bringt Michels selbst seine ansieht vor ^ : mit der einschränkung
'wenigstens ostschwäb. und bair.' werden wir sie gelten lassen
kftnnen. dass fürs 13 und 14 jh. die beobachtung des reim-
gebraocbs der dichter, die § und ß, i und €B trennen, aber die
qnantitaten mengen, die entscheidung bringen muss, war leicht
vorauszusehen, sie föllt zu gunsten derjenigen, die hier den zu-
sammenfall der altern mit den heutigen dialektverhältnissen ver*
fochten haben, die nähere ausführung dieses themas wird uns
im folgenden in erster linie beschäftigen.
Die bairisch-üsterreichische gruppe. — ich schicke
die betrachtnng jener ^ausnahmen' voraus, jener 'unreinen' bin^
dangen von ^ :e, die den bair.-Osterr. dichtern, sei es des kunst-
^ Wolffs verweis auf die 'weitem fälle des reims e : 6\ die bei Konr.
ZQ constatieren wäreo, hat scbofi ESchröder in der anm. aao. zurückgewiesen.
^ jedoch scheint Ehrismann auf richtigem weg, s. Beitr. 22, 289. 291.
3 auch hkrre ist nicht allgemein mhd., sondern hat dialektisch be-
grenzte geltung, s. darüber Studien nr 10.
252 ZWIERZINA
epos (Heinr. vTürl.I), sei es des volksepos (Nib. usw.!) seit jeher
vorgeworfen werden, als wäre die tecbnik hier roher, das ohr der
dichter hier weniger fein gewesen als anderswo, während sie in
würklichkeit nur einen unterschied nicht hOren konnten , wo er
in ihrer mda. seit ältester zeit nicht mehr bestand.
Ich gebe in dieser nr der Studien nicht für jeden dichter
die sämtlichen belege, die mir aber, wie ich betone, für jeden,
der genannt wird, vollständig zur Verfügung stehn, sondern lege
nur die resultate vor und illustriere sie dann durch die bei
diesem oder jenem der genannten erkennbaren einzelverhältnisse.
da ja immer auch die zahllosen reinen bindungen neben den sog.
unreinen, uzw. nicht nur für die gerade in behandlung stehnde
gruppe von dichtem selbst, sondern zu vergleich und contrast
auch für die ander ndichter, hätten heruntergezählt werden müssen,
so hätte das diese nr unnötigerweise aufs fünffache angeschwellt.
Es ist festzustellen, dass alle Osterr. volksepen : Nib., Gudr., Klage,
Bit., Dietr. Fl., Rabenschi., Wolfd.B, Roseng. A, Laurin; fernerauch
alle andern österr.denkmäler:Neidb.,Warnung, Heinr. vTürl., Mantel,
Ulr. vTürL, Pleier, Mai und Beaflor und ebenso noch die spätem und
spätesten : Ulr. vLichtenstein, Herrand vWildon, Gundach. vJuden-
burg, Ottokarl, Konr. vHaslau, Lutwin, Seifr. Helbling, Suchen-
wirt, Christoph. Zs.l7, SOswald ed. EttmüUer, dass also alle diese
österr. denkmäler, die ältesten wie die jüngsten, ^ und € vor r,
doppel-r und r-^cons., vor / und /-f-<^<>QS-^ ^üf das peinlichste
und ohne dass wir auch aur 6ine ausnähme von der regel zu-
geben dürften, auseinander halten, spätere Franken und spätere
Alemannen scheiden e und 6 ja auch noch meist in ihren reimen,
aber es gestatten sich viele von ihnen hie und da auch eine un-
reine bindung, hier in der tat eine unreine, weil ihr das gros
der reinen bindungen gegenübersteht, diese sporadischen reime
von ^ : 6 finden sich bei Franken und Alemannen ebenso oft vor
liquida wie vor muta, weil sie hier und dort ihre e- laute in
gleicher weise trennen oder mengen. — nicht so die Österreicher.
Die ganze reihe der Osterr. denkmäler nämlich, die ich eben
genannt habe, wider die Jüngern so gut wie die altern, reimen
^ die kenntnis der reim- und sprach Verhältnisse OUokars verdank ich
den Sammlungen SSingers.
' für Stellung vor doppel-/ ist jeder Österreicher für sich zu unter-
suchen.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 253
-f6(«)- und -e6(e)-, -^(«)- und -ärf(e), -f(7(e> und -ä^(c), -(?((«)
und *d(e)- ohne die geringste eioschränkung unterschiedslos mit-
eioand^r. auf dieses ^unterschiedslos' setz ich den accent, denn
daK f : e vor g in diesen gedichten des öftern gebunden wird,
ist 8choo iwiderholt und von verschiedenen seken notiert worden t.
immer aber rangieren dann diese bindungen unter den *reim-
freih^ten' Hod nirgend wird betont, dass sämtliche Osterr. dichter
f und e vor einfachen b, d, g, t überhaupt gar nicht unter-
scheideo. dass die bindungen von ^he : ehe und ^de : ede trotzdem
selten sind (s. aber etwa gehabe: lebe Krone 13018, gr^et riebet
4971, Warn. 1293, h^ben ;lebeji Lbuv. IM , : geben Lutw. 394,
flnftf6en : degen Christoph. 265, ^del : sedel Gudr. 1631, 3.
Sochenw. 41,1303, anderes unten bei den belegen für ein-
zelne didiler), beweist so wenig etwas dagegen , als dass in
den weniger umfangreichen österr. dichtwerken auch die bindung
von fge : ege hie und da nur sporadisch auftritt, dies findet seine
volle erklärung im wortmaterial. in §be gibt es aufser den doch
sicherlich im reim nicht häufig zu erwartenden h{*ben, grabet keine
reim Worte ^ und noch schlechter ist es für ede mit den dem dichter
zur Verfügung stehnden reimmOglichkeaten bestellt, so müssen
notwendig die sogen, unreinen bindungen von h^be(n) : -ebein)
hinler den reimen sou geben : leben '.streben isweben: eben ganz
aufl^llig zurückstebn. aber die hauptsache ist nicht, dass neben
der in der ganzen mhd. litteratur wuchernden reinen bindung
von ebe:ebe, Sgeiege in der Osterr. auch einige §be:ebe und
ege : ege stehn, sondern dass hier neben den unreinen bindungen
die reinen von fbe und ^ge in sich ganz oder fast ganz fehlen
und dass man daneben q und e vor liquida auch in den schwie-
rigeren reimtypen reinlich scheidet.
Denn ähnlich wie für f und e vor h ligt die sache auch für
e vor g, auch hier überwiegen die reimmöglichkeiten in ige
{wige subst., alle wige, under wigen, wegen verb, sich bewigen, üz
erwegen^ digen, »igen, gelegen part., stege, phlege subst., phlegen verb,
' 8. th. Martin Kadr. gr. aosg. s. ix, Jänicke Heldenb. i s. ix, Martin
HeMenb. n «. lv f, Amelong Heldenb. ni s. lviii, Holz Roseng. s. lxxxi usf.
* eben gilt den meisten mhd. dichtem als eben, für die Österreicher
üsst sich Dalürlich nichts entscheiden. enUeben ist keine I>air.-Ö6terr., son-
dem eine hauptsächlich md. Tocabe). der plar. von itap hat meist secon-
dären omlaat.
254 ZWIERZINA
regen subst.) bei weitem Ober die reimmöglichkeiteq in ^ge (sl^ge
8ub8t., kgen, w^gen ^schütteln'; r^gen verb, m^gen auxiliar), wenn
dieser auch mehr vorhaodeD sind^ als derer in ^be und ede. das
illustrieren uns schon die zahleaverhältnisse in den reimen jener
dichter, die ^ und ü auch vor 6, d, g unterscheiden. Hartm. zb.
überliefert 10 reimpaare in ^ge(n) ^ dagegen stehn 62 reimpaare
in ege{n). bei Wolfr. stehn 12 ^ge{n) : ^ge{n) gegen 89 eg$(n)::
ige(n)^. wir sehen also, dass die wahrscbeinlichkeit mipdestens
6 mal so grofs ist dafür, dass §ge(n) bei dichtem, in deren spräche
es mit ege{n) identisch ist, zu diesem ege{n) gepaart werde, als
dass es mit ^g€(n)^ also in sich reime, da § vor g bei den
Österreichern nun tatsächlich diesem Verhältnis gemäTs fast immer
zu g reimt und nirgend sich ein wort mit dem passenden ^ suchte
so dürfen wir wol behaupten, dass die Österreicher ^ und e vor
g (b und d) gar nicht unterscheiden, eh ich die Sachlage im ein-
zelnen an einigen der oben genannten denkmäler, die sich alle
gleich verhalten, illustriere, müssen wir noch die weiteren für die
richtige Wertung des materials notwendigen darlegungen hören.
Für ^ vor t handelt es sich hauptsächlich um die bindung
des Wortes st^te^ resp. si^m* hier brauchen wir nur zu Consta-
tiereo, dass die bindung 8t^e(n) : 'iae(n) (bBU, gebete, gebeten,
triften, ßten, hete usw.) bei allen Österreichern häufig ist. jedoch
^ von den reimen in eget (nur Er. 4686) ist bei der berecbaung ab>
zusehn, da leit und treit von Hartm. stets, von Wolfr. fast nie conlrahiert
.werden und auch die Österreicher, wie die nächste nr lehrt, sich da ver-
schieden verhalten.
' bei Schulz sehr viel unter f : i s. 49. — von eget seh ich wider ab,
s. die voranstehnde anm. zu den beispielen für igen bei Scholz s. 43 füge
noch hinzu dsgen : phligen Parz. 427,21.
^ ein überwiegen der reinen bindungen von ige in sich ist aber na-
türlich auch für die Österreicher selbstverständlich, da die worte in ^e eben
viel häufiger zur Verwendung kommen als die in ege. in kleinem gedichten
kann auch das vollständige fehlen einer bindung von ^ :e vor g neben zahl-
reichen ige : ige unsrer auffassung von der Identität des e und des i in
.Stellung vor muta bei den Österreichern nicht ins wanken bringen, solange
nur auch kein ege:^e widerspricht, so wird der Laurin nur durch die
bindung von Af6en .* /^60n 751 in unsre gruppe gewiesen, ige: ige ist häufig,
^e : ige fehlt, aber das ist lufsll, deno es fehlt auch ein ege : ^ge. ebenso
kann es ib. nichts iweifelhaft machen^ wenn etwa im Roseog. A nur 2 mal
*legefh:digen reimt, s. Holz s. lxxxi, sonst kein f:i. die hauptsacbe ist
M»ch hier, dass im gedieht sonst nirgend ^e reimt, als dort, wo es mit
ige gebunden ist.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 255
ist diese biodung Dichte speciell Österreichisches, sie greift über
öatoreich und das engere Baiero hinaus auf fränkisches und ale-
manniscbes gebiet, aber so viel unterschied bleibt doch : es gibt
keinen Oslerreicher, der diese bindung sichtlich meidet ^, dagegen
gibt es eine ganze reihe alem., fränk., oberpf^lz. dichter, die ^e
and &e auseinandertiaiien. so von Hartm. und andern altern
Alemannen ganz abgesehen, zb. Konr. vWürzb., Reinbot, Servatius
Zs. 5, die alle drei t§te^ nicht tete^ sagen (s. s. 107. 112) und
dieses i^e nur mit €t^e binden, über Gotfr. vStrafsb. s. oben
s. 107. noch Hugo vLangenstein und Hugo vTrimberg halten
ttete und bete auseinander, man pflegt für die bindung von stete
i-ite in neuerer zeit, bes. seit Ehrismanns Zusammenstellungen
Beitr. 22, 298 f, stdte statt $t§te anzusetzen, aber damit kämen
wir etwa für Wolfr. aus, nicht für die Österreicher, denn diese
reimen ä : e erst recht nicht, übrigens stehn neben st^e : -ite
dach auch die v^ter : weter und k§ten : getreten, s. u.
Wenden wir uns nun zur betrachtung der reime von kurz
i auf lang e in den genannten Osterr. denkmälern. ich setze die
reihe noch einmal her : Nib., Gudr., Klage, Bit., Dietr. Fl. und
Rabenschi. ^, Wolfd. B, Roseng. A, Laurin, Neidh., Warnung,
Bemr. vTürl., Mantel, ülr. vTürl., Pleier, Mai, ülr. vLichtensL,
Herrand vWildon, Gundach. vJudenb., Ottokar, Konr. vHaslau,
Lutwin, Seifr. HelbL, Suchenw., Christoph Zs. 17, SOswald
ed. EttmUller. alle diese nun reimen, wenn sie die ungleichen
quantitäten binden, und das tun so ziemlich alle (über Ulr.
?Torl. s. unten), i nur auf e, nie auf ^. i kann ja aus ety-
mologischen gründen hauptsächlich nur vor r, A, tr, resp. im
aaslaut, ferner in sile <C saiwala vor I erscheinen, das e in grede,
bede, wenie, gen und eten lass ich vor der hand bei seite. sein
klang wird unten noch zur besprechung kommen, die zwei erst-
^ wo stete :-ele in einem osterr. gedieht fehlte wie zb. in den NIb.,
lisst sich der 'zafall*, wie wir sehn werden, fast mit den bänden greifen.
* man mass dabei in anschlag bringen, dass Dietr. Fl. und RabenschL,
sowie die Nib. (s. oben s. 96 anm.) als zweiten compositionsteil der namen
lediglich -her kennen und nicht -A^, s. Dietr. Fl. Starcher 955, Ruother
1315, Sigehfr 2069 (der Sigeher oder wol besser Sigeger 5859 ist ein an*
drer), Dielher 2409. 7445, fFalther 5902. 9244, Günther 9229; 'Rabenschi.
Günther 489, 2. 722, 1, ÄTfcW 72, 1, Alpher 256, 1, Diether 349, 2. 379, 4.
428, 2. im Bit. wechselt -hqr und -h^y s. Jänicke s.x, ebenso im Roseng. A,
wovon noch unten, in der Kl. herscht -hSr,
256 ZWIERZINA
genannten können bei dichtem, die zweisilbig klingend und zwei-
silbig stumpf nicht binden und so starke apokopen wie gred, bSd
im reim scheuen, mit kürze ja überhaupt nicht gebunden werden;
ebensowenig wenic. hauptsächlich wird es sich bei allen dichtem um
die reimlypen -^r und -er handeln, und hier ist zu sagen, dass die
Österreicher zwischen den reimlypen -er und -er so gut wie gar nicht
scheiden : -er und -er fallen auch bei denen unter ihnen zusammen,
die, wie etwa der dichter der Nib., zwischen -ar und -är noch
genau unterscheiden, aber nur -er* und -er fallen zusammen,
die bindung -^r ; -^r (her, m§r, w^, em§r, verz^r usw.) fehlt auf
dem ganzen gebiete, wie leicht und gefällig die letzlere gewesen
wäre, wird uns noch der gebrauch der dichter andrer mdaa. de-
monstrieren, auch die bindung 'Srte'.-erte und, bes. bei den
spätem, die stärker synkopieren, -emi-em ist in österr. denk-
mälern gang und gäbe, so gut wie nie reimt hier aber -er/e : -§rte
(ncrte, WQVte, h^rte, gev^te us^,) oder -^mi-^m (tß^m, ern§m,
verz^m, beh^m usw.), diese bindungen eignen andern mdaa. von
einigen fast immer nur scheinbaren ausnahmen wird unten noch
die rede sein, zu sei, das apokope nicht scheuende denkmäler
auf mel, hei, gel usf. reimen, gibt es freilich schon an sich
leichter bindungen mit -el als mit -f{ (bem. übrigens ich z^l, wfl,
ferner *$eln : zf2n, w^Jn usf.), aber wäre S und e vor I nicht
qualitativ gleich gewesen, so hätten die spätem Österreicher ihre
bindung meiden können, wie die spätem Franken etwa sie meiden,
dasselbe gilt von den lehn, vUhn : sehn, geschehn, jehn, lieh, ver-
zieh : er jech, ez geschech usw., vlihte : rehte, knehte usw.
Während in Österreich nun, wie wir gehört haben, e und
f zusammenfallen vor muta, bleiben sie vor r, l (und h, über -6%
und -ch s. unten) getrennt nichts natürlicher also, als dass zu
-eVy -il und -ih nur eins der beiden i, c oder e, reimen konnte,
es wäre denn, dass die qualität des e eine mittlere gewesen wäre,
die zwischen e und f iu der mitte stand, das war in Österreich
nicht der fall : auf i konnte nur e gereimt werden, dh. i hatte
hier die qualität des e vor r, l, hK
Sowie einem Österreicher kein i:€B und kein e (geschweige
denn c) ^^ reimen kann, so kann ihm seiner mda. gemäfs auch
nie ein e oder f mit a reimen, ce und ä reimen nur in sich.
^ aaslautendes S {S, mS, sS, tnS, kiS, wS usw.) und S vor w (Swic usw.)
kann ja aus begreiflichen gründen keine bindong mit ^ finden.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 257
ich berOhre dies hier our, die nähere ausfübrung bringt ein späi-
terer abschnitt noch dieser nr.
WcDB wir sehen, dass mit dem i das dann vor r, l, h lu
slfthn kaounonde e zusammengebt und nicht das ^^ so wird uns
dadurch our ein detail der (Vsterr. dialektgrammaiik schon fürs
13 und 14 jb. bestätigt, das für die gegenwärtige zeit längst
GODStatiert ist. denn auf Osterr. (und auch bair.) boden fällt das
i mit dem in gleicher Stellung gelängten i, nicht aber mit de«
f, heate vollkommen zusammen, uzw. teils in einem offenen
ksgen e, teils in einem daraus in einzelmdaa. vor r, seltener
vor I entwickelten ea, teils, vor I, in einem offenen langen o usw.
ich Terweise dafür auf die ausfahrungen von Luick Beitr. 14, 129.
133, Nagl Beitr. 18, 263, Schau Mundart von Imst s. 50 f. 52,
Maister Voqalverbältnisse der mda. des burggrafenamtes, Meraner
progr. 1864, s. 7. 10, GMaurer Die mhd. e, o und tu der Stamm-
silben in der jetzigen mda. an der Hz (Ostbaiern) s. 7 f.
Da nun ^, wie wol feststeht, den offenen, ^ den geschlossenen
laut in älterer zeit so gut wie heute repräsentiert, so hatte ^ also
in österr. (und Baiern) schon im 13 und 14 |h. den offenen
kbng, der ihm auch heute eignet.
Nun fragt es sich weiter : in welchem laut fielen in der
spräche der österr. dichter des 13 und 14 jhs., sowie ihre reime
es erkennen lassen, die f und e vor g, b, d, t zusammen? es
wurde zur sache schon viel verkehrtes vorgebracht, so will Hok
Roseog. ein], s. lxui die beiden reime von slegmk : -^gen^ die srin
gedieht ausweist, dadurch erklären, dass, nacb einem sonst ja
ganz bekannten Vorgang, der plur. von slae in folge der beein-
flussung durch das a des Singulars statt des zu erwartenden
ersten zweites umlauts-e, also ä, erhalten habe, das nun mit
offenem e reimte, aber erstens hat Holz nicht bedacht, dass im
gedieht zwar nur siegen: -igen 2 mal gereimt ist, aber nirgend
sonst ein -egm auch rein in sich reimt, zweitens dass wir diese
bindung von ^:e vqr g im Roseng. A nicht losreilsen dürfen von
den zahllosen ganz gleichartigen reimen der andern österr. denk-
mäler, in denen aber bindungen von lfg$n, megen, eng^gen : -igen
neben den slfgen : -egen stehn. ferner ist — und das wäre allein
schon entscheidend — eine bindung von ä : e wol in md. und
spätalera. denkmälern an ihrem platze, in österr. oder bair. aber
kann ä mit e gar nicht reimen, sowie diese beiden laute ja auch
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXIl. 18
258 ZWIERZINA
heute eben in allen md. uod den meisten alem. dialekten zu-
sammenfallen, in Osterreich und Baiern aber himmelweil ver*
schiedene laute bleiben; und schliefslich gehört gerade der plur.
von ^schlag' zu den nicht zahlreichen pluralen von i-substantiven,
die ihr altes ^ durch das a des sing, nicht beeinflussen lassen,
sondern es auch in den jetzigen dialekten, und nicht nur auf
österr. gebiet i, fest in der alten qualität erhalten haben; s. zb.
wider Luick Beitr. 14, 130, Schatz aao. s. 44, Maurer aao. s. 7.
auch für den Wiener dialekt kann ich dies bezeugen : das de-
minutiv heifst sldg^^l (hohes d »=: mhd. d), der plur. aber sl^k
mit langem geschlossenen e.
Allgemeiner hat kürzlich noch Michels Mhd. elementarb. § 74,
anm. 1 s. 61 zur erklärung unsrer österr. reime von mhd. q:e
vor g — von den gleichartigen bindungen vor b, d, t nahm er
nicht kenntnis — der Vermutung räum gegeben, dass im bair.
'g die volle durchführung des umlauts verhindert habe', danach
wären also, wenn wir diese hypothese auf unsre beobachtung
ausdehnen, q und e vor g, b, d, t bei den österr. dichtem mhd.
zeit im offenen laut des e, nicht im geschlossenen des ^ zu-
sammengetroffen, dass gerade das umgekehrte der fall ist, hätte
Michels ein blick in die den bair. - österr. 6-laat behandelnden
Schriften lehren können.
Auf bair.-österr. Sprachgebiet behalten einerseits ^ und e vor
r und / ihre ganz heterogene qualität : das e bleibt, wie die
einzelmda. es auch entwickelt, stets ein offner laut, das f stets
ein geschlossener und geht, namentlich vor r, vielfach direct in
einen t-laut über oder, namentlich vor [, in ein geschlossenes ö.
so bei erhaltener kürze, so in der dehnung. in den übrigen
Stellungen aber (von Stellung vor nasal wird am schluss der nr
zu handeln sein) hatte anderseits das offene e die tendenz, den
geschlossenen laut des q anzunehmen, 'uzw. greift diese tendenz
ausnahmslos durch vor einfacher muta, wo also heute immer
dehnung des vocals vorligt, dh. vor (, d, g, t. hier ist in den
österr. mdaa. das gedehnte mhd. e geschlossen, ein f oder ^',
ein 6 oder ^t usf. und hat den lautwert des umlauts-f, mit dem
es gänzlich in eins fSlllt. die tendenz wird behindert durch
schärfere consonanz oder vielleicht vielmehr durch bestimmte un-
betonte Silben, die der Wurzelsilbe folgen und die im nhd. sonst
* fürs alemann. von Baselstadt vgl. zb. Heusler Germ. 34, 118.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 259
häu6g auch coosoDaoteDScbärfuDgen und erhaltUDg der kürze im
gefolge haben (-er, ^el, in der flexion weDigsteos dialektisch
darchstehndes -en). so wurde der Vorgang zuletzt von Brenner
und Maurer formuliert i. ich verweise auf Luick Beitr. 11,492fr.
14, 127 er. Nag] Beitr. 18, 262 ff, Gradl Die mdaa. Westböhmens
Bayerns mdaa.i411 — 13. 415 — 17 und die dort in den anmm. ge-
gebenen verweise auf Schmeller; ferner Brenner Beitr. 20, 87,
Maurer aao. s. 7 — 17, Schatz aao. s. 49 ff.
Was die berührten ausnahmen von der allgemeinen entwick-
lung des e zu ^, dh. die f^lle anlangt, in denen e aufser vor r
und / auch sonst (vor scharfer consonanz usw.) im bair.-österr.
nicht geschlossenen laut erhält, so sind nur darin, wie es scheint,
alle einzelmdaa. einig, dass e vor ht (knikt, reht usw.) seinen
offenen klang behält, vor einfachem h bleibt € (auch in der deh-
nung also) ebenfalls meist offen, jedoch tritt hier zb. in der
Imster mda. schon öi ein, also der laut des gedehnten ^ (resp.
e vor b, d, g, 0« s. Schatz aao. s. 50. wo e sonst der allgemeinen
tendenz zuwider seine alte qualität (meist zugleich mit seiner
alten quantität) auf Osterr. gebiet erhalten hat, da gehn die einzel-
mdaa. oft stark auseinander und jedes einzelne wort verlangt ge-
sonderte betrachtung. fest steht aber für das zusammenhängende
gebiet der ganzen mda., dass f und e vor liquida getrennt bleiben,
vor einfacher muta (6, d, g, t) im geschlossenen laut zusammenfallen,
dass dieser lautstand schon im 13 und 14 jh. der gleiche war, wie
heute, beweisen uns die reime unsrer mhd. dichter aus Österreich*^.
Was schlietslich noch die Verbreitung und die grenzen dieser
die e-laute betreffenden dialektischen Verhältnisse angeht, so scheint
sich der zusammenfall von mhd. -er und -^r auf oberpfälz. und
westbobm. gebiet heute nicht zu erstrecken, dafür greift er über
die westgrenze Baierns auf ostschwäb. gebiet hinüber, s. Kauffmann
^ da wir den fibergang des e vor einf. mula in den geschlossenen laut
jetit als im 13 jh. bereits vollzogen annehmen müssen, da ferner alle osterr.
gedichte des 13 jhs. zweisilbig stompf and zweisilbig klingend noch streng
aoseinanderhalten, die dehnong der kurzen rocale in offener silbe noch nicht
vollzogen haben, können wir in der tat nicht mehr mit Laick dehnung und
ond Übergang des e in geschlossenes S in irgendwelchen causalzusammen-
haog bringen. ^ zuerst hat Maurer aao. s. 20 f im Zusammenhang mit
dem lautstand des heutigen dialekls auf die bindungen von q:e vor g und
die Seltenheit der correlaten bindungen vor r und / bei den öslerr. dichtem
hingewiesen, [s. jetzt auch WHorn Zs. f. hd. mdaa. 1, 181.]
18*
260 ZWIERZINA
Gesch. der schwab. mda. § 72, FrScbmidt Die Rieser mda. § 14 s. 31 .
dagegen ist der zusammeDfall von ^ uad e vor einfacher muta
(und, was aber die mhd. reime, da die lautgruppe -^a- fehlt, nicht
berührt, vor einfachem s) im verein mit vollkommener Scheidung
der ^ und e vor liquida fürs Osterr. gebiet ind. Tirol (s. Luick,
Nagl, Maister, Schatz), für Ost- und Sttdostbaiern (s. Maurer,
Brenner) und von GradI aao. auch für den grOsten teil der
Oberpfalz und Westböbmens vermerkt, macht aber im westen
zum mindesten an der schwäb. grenze halt und greift nicht auf
ostscbvväb. gebiet hinüber, wir werden sehen, daas uns die reime
mhd. dichter darauf führen, dass, im 13 jb. wenigstens, e vor
muta auch im Ostlichen Ostfranken , in Wirnts vGrafenberg hei-
mat, also in einem grenzgebiet gegen Baiern hin, den Übergang
zum geschlossenen laut mitgemacht hat, hingegen in einigen
teilen des engern Baiern, wie ich vermute, den westlichen und
nordwestlichen, ans ostschwäb. und fränk. grenzenden gegenden
olTen und von e verschieden gebheben war. wie sich dies heute
verhält, weifs ich nicht.
Damit hab ich. die gegenwärtig in den bair.-österr. mdaa.
gegebenen lautstände nur ganz im allgemeinen, im anschluss an
die mir vorliegenden dialektuntersuchungen skizziert : jede einzel-
mda. hat ja noch immer weiten Spielraum i. mich interessiert all
dies hier nur vom standpunct des mhd. lautstands aus, wie er
durch die reime mhd. dichter aus Österreich erschliefsbar ist.
das resultat ist : die österr. dichter reimen -er:-eV, -el : -el,
'ih : -eh unterschiedslos, weil in Österreich schon im 13 jh.
längstens die beiden e-laute in dieser Stellung im offenen laut
qualitativ, sowie beute, zusammengefallen waren, und sie reimen
f und e vor einfacher muta unterschiedslos, weil in Österreich
schon im 13 jh. längstens die beiden e-laute in dieser Stellung
(und vor s) im geschlossenen laut, sowie heute, zusammengefallen
waren, vor r, doppel-r und r-f-cons., vor { undZ + cons. (und
vor h, ht) waren damals wie heute p und e grundverschiedne laute,
und ebenso wurden w und ä nirgend in Baiern einem andern
e-laut gleich gesprochen : daher werden e und e vor liquida, d
^ [dass aber die Wiener mda. mhd. mSr *plas' und mqr *mare* gleich,
uzw. m^ spreche, ist nicht die einzige unrichtige angäbe ThGartners Zs. f.
hd. mdaa. i 146. ich habe immer nur mi* für m^r *mare* gehört, wie auch
Hügel Der Wiener dialekt (1873) s. lUS bestätigt.]
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 261
uDil e (f) alber id atten Stellungen von den österr. dicbtern nie-
mals gerehiit. Mr den l&rtttwert des e vor U, ck, U, )f, zz, tz usf.
siDd die reime jedes einzelnen bsir .-österr. dichlers gesondert wol
ontersuGbcn. gtsieherte ausbeute werden diese letztem unter^
sochimgen Hiebt taanier ergeben^ weil der mögUchkeiten, die beiden
e hl solchen steUiingen im reim zu mengen, nur wenige gegeben sind,
diese einzehintersucliungen liegen hier nicht in meinem plan.
Dai nun aber Ober die reimverhältnisse der Österreicher nicht
ganz ohne belege gesprochen zu haben, will ich im folgenden
die einscbldgigen beobachtungen an dem reimmaterial von sieben
der oben genannten Osterreich, dichter illustrieren, ich stelle
zunächst je ein älteres und ein jüngeres denkmal zusammen und
briDge die belege aus Nib. und Osw. ed. Ettmttller, Mai und
Konr. vHaslau, Fleiers Meleranz und Seifr. Helbl. dann schliefs ich
noch die betrachtung der e-reime Ulr.s vTürl. ao, weil die spräche
dieses dichters des Oftern, wie mir scheint mit unrecht, als md.
bezeichnet wurde, nicht von seinem herausgeber, der sie richtig als
österr. fassL, aber zuletzt noch von Michels Mhd. elementarb. s. 23.
Far das Nibelungenlied kommen nur stumpfe reime in
betracht. ich benutze Presseis reimbucb, das freilich die e nicht
scheidet und eine der beiden wichtigen bindungen von '&:-ir
nicht verzeichnet, es reimt 425, 3 wel 'rund' :mil^ -el fehlt;
innerhalb des typus -eb reimen die subst. gezeU : veU : gilt 8 mal
untereinander, dagegen reimt helt nur zu ir weh 1207,3. 2168,3 ^.
ebenso reimt Gisdker nur zu mfr 'mare' 1184, 1 und wer 'de-
fensio' 2043, 1* und Spr 'exercitus' nur wider zu wer 1161, 1^
* wellen ist ntlArlich ininer (dem laut nacii) mit f aDzusetzeo, s. oben
s. 249 aom.
* dass nnr GUM^ and Gunth^ nnd Dicht Gdelhir and Gunthar
die form des Nib. (sowie noch Dietr. Fl. and Rabenschl.), ist, wurde schon
oben s. 90 anm. nnd s. 255 anro. hervorgehoben, der reim Glselher : Folker
1662, 1 ist — ich habe das s. 96 vielleicht etwas schief ausgedräckt — als
reim Ton -hfr : -h^r zu fassen, gewöhnlich reimt im Nib. Folkir^ also
FolC'ger. hier wurde f^olker < f^olcgSr mit Folker < Folkhqr confandierL
an GüelhSr: FolkSr dürfen wir ebensowenig denken als an GUelh^r : Folkir,
warum würde dieses -hir, resp. -Afr, nur hier so unklar zu Folker reimen
und nicht zu einem der so häufigen hir, mSr, sSr, gSr oder RüedegSr? —
da die obliquen casus von Günther, GUelher und Storit im endreim ge-
mieden werden nnd in der cäsur des öftern als zweisilbig klingend zählen,
könnte man doch vielleicht (anders oben aao.) an eine flexion GUelher Güel-
here, Storit Sivrtde denken, die nach analogie von Dieterick Dietertche
262 ZVVIERZINA
1872, 1 1. -er reimt nur 1 mal in sich, sper : gir 1548, 1 und
2mal reimt her adv. zu -er, uzw. :mir 400,1, : Rüedeger 2117, 3.
diese zwei reime genügen vollkommen, um -er und -er schon
fürs Nib. als, was den reim anlangt, identischen typus zu er-
klären 2. denn da -ir häufiger mit -er als in sich gebunden ist,
können die vielen bindungeu von -er in sich natürlich gar nichts
austragen ^. nirgend reimt also ^ : e vor r oder l und nirgend {i : e*.
entstanden wäre (später auch Ludewic Ludewige). dass die längong von
'h^r dann ein e andrer qualilät zur folge hat (denn q ist geschlossen und
S in Österr. offen), durfte man dagegen nicht ins feld führen, denn auch i
und f hatten zur zeit des Nib. gewis schon ToUkommen verschiedne quali-
lät, befand sich doch i auf dem wege zum diphthong, und doch steht hier
auch Dietertche neben Dieterich. die mda. hatte eben kein andres f und
kein andres e zur Verfügung, denn (b kann fürs frank., aber nicht fürs österr.
für den langen e-Iaut in betracht kommen.
' s. aufserdem gsmcffewern 524, l, bsrn *ursum' :we>n 888,1 aui
der einen seile, abei erw^m : des lebenes beh^rn 2310, 1 auf der andern,
für 'Srt belegen die Nib. nur 9 reime von -ert in sich {g^gert, w^rt adj.,
danwSrt, swerl, gewerl, ungewiri); die typen -eich, -erc und -erch^ die
gar keine möglichkeit einer mengung von f und e geben, kommen für uns
hier nicht in betracht.
^ ebenso ist zb. für den Roseng. A durch die einzige bindung Guelher
: hir 305,2 der zusammenfali der lautgrnppen -er und -Sr genügend illu-
striert, da im ganzen gedieht -Sr daneben auch nur Imal (Folker : her
278, 1) rein, dh. in sich gebunden erscheint, die bindung mit her beweist,
dass im Roseng. Gunthar uthtn Gunthar (:w^r 302, 1) steht, sowie etwa
auch im Bit., denn an -qr : -6r oder -ir ist in dem österr. gedieht natürlich
nicht zu denken. — auch dass in der Gudr. -Sr.-'er gar nie reimt, kann
nicht als beweis angeführt werden dagegen, dass im dialekt dieses österr.
denkmals -er und -sr nicht hatten reimen können, denn in der Gudr. reimt
zwar sehr oft mqr:hqr:wqr 85, l. 88, 1. 453, 1. 594, 1. 750, 1. 844, l.
985,1. 1073,1. 1126,1. 1128,1. 1141,1. 1242,1. 1514,1. 1561,1. 1570,1,
16S9, 1; 703, 1, aber der typus -ir ist in den reimen des gedichts überhaupt
nicht verwendet, wenn er nun nirgend in sich reimt, warum soll er zu -er
reimen? anderseits sehen wir wider deutlich, wie genau -^r und -er im ge-
dieht auseinandergehalten werden : obwol beide reimtypen ungemein häufig
sind, bleiben sie getrennt, ähnliches gilt für die Warnung.
^ ein 'dr:-ar fehlt bekanntlich im Nib., dem nur -dn und -an^ 'dhi
und -aht als gleich gilt, in der Gudr. ist -drc-ar auch nur vereinzelt
(jdr:dar 1090, 1), 'dn : -an massenhaft zu belegen.
^ deshalb muss Nib. 1537, 3 die la. der einzelhs. B, die den reim h^r
^exercitus* : oder mer ergibt, notwendig falsch sein, die la. hat übrigens
wenig Verteidiger gefunden : Lachmann schreibt mit ADbg schar :ze helfe
dar, Bartsch (1597, 3) mit HdC ser : oder mer, hqr : mer stünde nicht nur
im Nib., sondern in der ganzen österr. litteratur vereinzelt da.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 263
Aber vor muta wird zwischen ^ und e. nicht unterschieden.
▼or b reimt freilich nur e in sich, aber der typus -f&e- fehlt ganz
und es gibt vor ( also auch keine reinen reime voo ^•^* da es
hier hauptsächlich auf ün wort ankommt, auf h§ben (^enn enf-
seben fehlt dem Osterr. wertschätz), während auf der andern seite
werte von allergrOster häufigkeit stehn wie liben und giben, so
ist der tatbestand ja durchaus unauffällig auch unter der vorausr
setzoDg, dass ^ und € im dialekt des di^hters lautlich gleich
waren, dasselbe gilt von §de und ede : beide reirntypen fehlen
hier im Nib. upd ebenso kann es schliefslich nicht auffallen,
dass auch die bindung -^te : -€te in diesem gedieht nicht nach-
weisbar ist, da wider beide reimtypen, sowol der mit ^ als der
mit e, hier überhaupt fehlen, dagegen führen ups nun die bin-
dungen des e vor g die Osterr. Verhältnisse aufs deutlichste vor
augeo. die reinen bindungen von ege in sich ipteressieren uns
nach dem s. 253 f gesagten nicht weiter : die reimworte in ege^
die viel häufiger und geläufiger sind als die in ^ge, haben sich
oaturgemäfs öfter zusammengefunden, aber aus eben demselben
gnind kann einen) dichter, dem ^ und e vor muta gleich steht'
die binduog ^gei^ge in sich nur selten liegen, und so sehen wir
denn auch, dass im Nib. §ge(n) nirgend rein, oder besser nirgend
in sieb, sondern überall wo es reimt, zu €ge{n) reimt, welches
ebeo die stärkere reimmOglichkeit beistellte, da kann man doch
nicht von ^reimfreiheit' oder ^Sorglosigkeit' sprechen, sondern ^
und € war vor g in Osterreich eben identisch, es reimt. 8%e
nur zu toe^e .1556, 1, skgm nur zu dßgen 189, .3. 1912, 3. 1976, 3.
1977, 3. 1998, 1. 2013, 3. 2284, 1. 2286, 3, gekg^ nur zu fhUge
1135, 3, kgen nur zu phUgen 743, 3. 748, 1, zu under wigen
647, 1 und zu degm 210, 3. 619, 1. 915, 1. 2031, 1.
Und genau die gleichen Verhältnisse lässt nun auch der viel-
leicht tirolische, sicher Osterreichische ^ S Oswald erkennen, den
^ dieser Osw. gehört zu den oben 8. 87 anm. genannten osterr. denk-
mälero (Klage, Dietr. Fl., Rabenschi.), die zwar kein kam reimen, jedoch
kamen kmme unbedenklich finden, also nur kom, aber auch kämen könne
gesprochen haben rofissen. Ettro. 3363 ist kam : nam natürlich nach MI, das
den reim giene : gevienc ergibt, zu bessern, so fehlt das leicht reimbare
kam, das viel schwerer zu bindende kämen steht 87 und 3139 unbestritten
im reim, ebenso fehlt schliefslich auch beim Pieier kam nicht nur im Meier.
(s. oben s. 87), sondern in allen epen so gut wie ganz, aber kämen (s.
Tand. 12612, Gar. 1048. 9124) und keeme (s. Tand. 13604 uö.) reimt er hie
2«4 ZWiERZINA
Ettmfllier nach der schlechtestea , der Scliafifhauser hs. ge-
druckt bat. collatioD einer MflDchDer hs. Germ. 5« 142 (M), eiD«r
Innabrucker Zs. f. d. ph. 6, 377 (I). die legende ist, so wie sie
ums voriigt, eitt werk des 15 jha. aber auch hier bleiben e und
6 Tor r und l noch durchaus geschieden i. ich bringe nur die
beispiele für versauegang in -er. mfr 'mare' reimt immer nur
zu her 'exercilae' 63. 265. 351. 601. 1039. 1105. 1187. 1333.
im 156*. 1609 M. 1617. 1743. 1823. 2257. 2399. 2565.
2609. 2955 1 ^; niemals reimt es eu -ir und niemals zn -er. «to-
gegen reimt -ir nur 3 mal in sich, hir adv. :ggr 773, :eih-
twir ad?. 2409. 3227 und 26mal tu -^, usw. kir adv. :lSr^ 51.
463. 1942. 1989, :mer 373. 699. 807. M840». 1017. 2361.
344«, :er§ 387. 977. 2137. 2199. 2334. 2382 M. 2472. 2833,
:$& 1291. 1661. M59, hir 'ursus' :/^ 2813M, girim^r 3232,
:9^ 719. 2111'. da auch die bindung von -^ in sich vor diesen
bittdungen ven -^ : *ir weit zurücktritt, so wird man nicht laugnen
können, dass dem dichter -er und -ir voUkommen gleich galten,
er aber *fr von diesen beiden wol zu scheiden wüste, ebenso
reimt es nur zu m oder d, ni6 zu e, e oder ^, denn 1857 ligt
rtUr : hit vor, nieht rUitt : A^, dae unbetonte -er gilt als -Ar.
hn eonMst mit dieser reinlichen acheMung der e^laute vor
iiquida steht nun wider das vollkommene zusammenwerfen der-
selben vor einfacher mnta. nur Imal reimt hier e in sich, in
hfben : rifgen 2805 MI, sonst ist e stets nur mit S gebunden.
lehm:&ten* 2441. 3329, :giben 985. 112&. 3145, :d€gen 1523;
legen :degen 1628, ;pM#^€ii 2751, .vermigen 3447, :libeH 1613.
2012 ^ femer eift: gilh€i 1205, :tit 2502 M, iMahmlU 913.
sehen wir uns einmal zum vergleich den Wiener Oswald Zs. 2
an, der md. gekeimt ist, so können wir den 14 ^:e vor muta
uod da. kam steht in d€n 50000 ver8«o des Pleier nur ^iaiiial (Gar. 20448)
im reim.
^ 2955 (Elt». hSrre:m^) ist nach I zu lesen, 2121 (Ettra. twert
:gev^) mit Bartseh nach MI, 2035 1. mmre : tchmre mit M, ebenso ist
2117 (EtCm. iere: wären) nach M zu bessern.
* ebenso nur w^m : em^m M 2792'.
' vgl. auch im:ghm adv. 293. 455. 895 usw. kein -im .-^m.
^ ich sette überall etymologisch &ten an, welche laatnng ja auch die
weiter verbreitete und allgemeinere war.
^ 3277 (Ettm. l^en : tragen) ist nach Ml in tragen : haben zu corri-
gieren.
HITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 265
des aaden gvdichts hmr fceiii einsigvs entgegensetzeD, ofawol der
md. Obw. woI Dock Bpflter Mit mtl liederlicher gereimt ist als
der MItTTfkMBdbt. vä jefteta wftre fg:e§^ eh:ib eben ein un-
reiner reim geiveeen, in dem (leterr. war die bindung reim.
Zmi beweise, daas auch in Hai und Beaflor ^nnd^ vor
i gnoreont bleiben, seil ich die citate her für die bindnng von
-eli iD sinli anerteüs and -iü anderseite. es reimen heU : tV toeft
: eerteft : gmA : zf» verb : erwfU 38, 21. 79, 35. 80, 27. 107, 1*5.
113, 13. 136,20. 209,33 vaUkoaimen geschieden ?on veU.'gB"
sdl siibsl. 70, 9. 108, 5. 206«p 35. und ebenso die andern e vor
iL zur exenpliflcation der trennung von ^ und i vor r^ verweis
ich darauf, dass io^ ; mer : der ^bacca' : A^ 'eiercitus' nur unter»
eamMWöer gebunden werden, uzw. 43, 39. 53, 3. 107, 23. 112, 7.
12S, 29. 157, 25 und ebenso gef snbsu und verb ;A^'r adv. ; Ar
:et:9par:temir 23,9. 34, 11. 109> 13. 126,23. 133,31. 163,27.
178, 23. 190, 19. 202, iU 210, 15. 23. 224, 39. 235, 1. 236, 37.
239, 31. oder -A* reinii mit -Sr. dabei sind die reime von -er
:-^ gar nicht viel seltener als die von *er in sich^ ja -^ wird
sog^ nie in sich^ sondern stets nur mit -^ gebunden {mer:k&r
adv. 31, 35. 59, 9. 92, 39. 114, 13. 118, 19. 202, 35. 217, 17.
241, 23, harzeiSt'.d^ 171, 1), was doch klarlich beweist, dass ü
■ad i "foT auslastendem r für den dichter identisch waren, eine
bwduBgf von -er : -it aber isl auch im Mai so unerbört wie eine
fon -er zu -*r.
Und widf^ steht mit dieser genauen Scheidung der e^hinle
for liquida im contrast der vMlige 2usammenfaU von e und e vor
^> d, g, I. evor ( reimt nur 13, 31. 159, 27 in erkfbet und da
betdemaie auf {jjt)lehet^ ebenso f vor d nur in edeliteid 238,9
ond auch für ^ vor *ge(n) steht keine einiige bindung in sieh
(est; erwogen :phkgm 53, 23, l^€n:phUgm 62, 9 und auch l^gtn
:mk des bewegen 157,23 bleiben Treilich unentschieden, da der
dinier pkUgen und sidi dee bewegen auch schwach flectiert, nicht
aar stark, s. pfkgte 110, 31, Der vart st sich bewegte 151, 25.
aber ^ reimt sicher zu e in eng^gen : segen subst. 6, 39. 141, 33,
ü^genzdegen 116,7, beg^gent : gesegent 122,33 und wol auch in
kge:wege verb 34, 1. dagegen können die reinen bindungen
^ 33, 5 ist sicherlich mit hs. B wiU enbsrn im reim aaf gern za lesen
ind Dicht mit Pfeiffer wiU erw^m, auch die zweite hs. (Ä) schreibt erbem,
oicht erufem.
266 ZWIERZINA
1^gte:phkgte 110, 31 und : bewegte 151, 25 nicht ausgespielt wer-
den, denn nur vor -ge und -gen sind die reimmOglichkeiten für
ige gröfser als für ^ge, umgekehrt aber steht die sache für eget
und egte : hier müssen wir notwendigerweise ein prävalieren der
bindungen von -fget, -^gte in sich erwarten, wie dort von
-ege^ -egen in sich^. s. ferner 8t§te:bete 6,7. 191,5, :häe
65, 15. 124, 25. 213, 1 ^, :tete 77, 31. 89, 27. 225, 25.
Stellen wir an die seile des dichter^ von Mai und Beaflor wider
einen etwas jungem : Kon rad vHaslau. in dessen Jüngl. (Zs.8)
reimt kein f.e vor / (sondern erw§lt : z§lt verb 365), kein ?.e
vor r, sondern w^ nur zu h§r *bacca' 423 oder zu m^r 523,
dagegen her adv, nur zu swer 'dolor' 489 oder zu entwer adv.
605. aber auch hier reimt -er nie in sich, wol aber her: gewer
1020, rert : in daz trinken mert 619 und auch hier werden ^ und
i vor muta nicht geschieden : l^gen reimt zu verpMigen (pari.,
also sicher etymol. e) 101, siegen : under wegen 1213 , 8t('4en : treten
929. eine bindung von ^ in sich fehlt vor muta.
Für den PI ei er verweis ich wider ^u^ h^lt : ir w^lt : (Hz)
erw^lt Meier. 3567. 4581. 5263. 6333. 8179. 8851. 9324. 10921.
11027. 12131. 12397. 12751, welche bindung getrennt bleibt
von der der subst. velt : gek : gezelt Meier. 5833. 7981. 7985.
8127. 9407. 11727. 11947. und auch sonst findet sich kein
f,:e vor L ebenso reimt -^ nie zu -er, sondern nur m§r:n{r
:Mr:w§r Meier. 375. 7243. 7253. 7259. 7960. 8313. 11585.
11689 auf der einen seite und er : her : gär : spar : wer pron. Meier.
205. 361. 809. 879. 2429.3091. 3209.3375. 3417. 3511 usf.,
im ganzen 73 mal im Meier, auf der andern, diese vielen spar : ger
und sper:her stebn meist in festen formein, die in kampfschil-
derungen oft zu sechs und sieben malen innerhalb weniger verse
sich auf dem fufse folgen, da ist es nicht zu verwundern, dass,
obwol gewis auch für Pleier -er und -^ identisch waren, die
bindungen der durch die formein aufgebrauchten -er mit einem
-er ein erkleckliches seltener sind, als eben diese bindungen in
sich, absolut selten sind sie aber durchaus nicht, ich finde im
^ für 'iget kämen höchstens die 2 plur. wie ir bewöget , pkleget in
betracht, aber das sind, wie bekannt, seltne versschlüsse.
' 93, 19. 140, 15. 153, 37 reimt aber natürlich nicht hite, sondern das
österr. het (s. oben s. 111 anm. 1) :stSt, nie reimt bite, t^te, st^te zu get
oder stet.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 267
Melcr. *«-ad?. :mSr 5661. 9809. 11447. 11921. 11979, €r:mer
805. 3943. 9329, :her 113, spir:m4r 3371. 5667. -^r bleibt
fon -er so gut geschieden wie von -er^.
Vor g aber wider voUkommeDe vermisdiuDg. im Meier, keine
dnzige bindung von §§e in sich, sondern nur liegen; phUgen^
1345, $l^gen:digen 6025. 8319. 10169, m^gen : degen 7245,
erwfgen : digm 10223, ir m^get : ir stSget 12115. s. ferner noch
a^:b&e Meier. 6463. 7433, :t&e 1535. 6493^. einschlägige
beispiele aus dem Garel stehn einige bei Walz zu Gar. 15065.
dort wird auch -^rte.'-erte aus dem Gar. (5771. 15513, füge noch
hinzu 20155), bei Weinhold BGramm. § 48 s. 59 eine solche bin-
dung aus dem Tand., (3999 di. 4013 Khull, füge noch hinzu 761)
nachgewiesen, im Meier, fehlt dergleichen wol nur zuföllig.
Sehr interessantes material liefert uns der sog. Seifrid
Helbliog, auch bei diesem Spätling bleibt -§1 und -e/, -§r und
-er streDg geschieden, so reimt zb. hfiü : gez^U verb ; (er)w§U : ir
9fU : 9est^l{U)t : ges^(U)t 13, 59. 1, 1386. 2, 867. 3, 177. 4, 613.
15, 553. 8,637. 949. 1141. 1215. 11,67 geschlossen auf der einen
und m£ld^ : velt : Wintervelt : Trpunveli : geh 6,21. 1, 181. 4, 167.
325 ebenso geschlossen auf der andern seite. und auch -^ reimt
Bor iD sich, uzw. A^r 'exercitus' ;f0^subst. : {ah)gez§r verb :b§r
^bacca' .iwfr *mare' 6, 141. 1, 564. 812. 4,421. 15, 523. 653.
723. 747. 757. 8,971. 1041. 11,13. 7,147. 255. 471. 509.
687. 985. 1051 und nie reimt -^ zu -er oder zu -^r, denn in
*■ Tand. 16748 ist im reim auf her nicht Mit rehter manischer w^r
m lesen, sondern Mit rehter manischer ger, wie 16770. 2275 und Gar. 1413.
14637 in genau stimmenden parallelstellen auch tatsächlich überliefert ist.
v^r wurde 16748 aus v. 16741 irrig herObergenommen. die umgekehrte
Terwecbslang ligt vor Tand. 2807, wo in derselben phrase wider ^^r für
wer steht {w(^r s. zb. 2870). hier überliefert die beste hs., die hs. h, übrigens^
ohDfhio das richtige w^r. Gar. 1072 I. aber mit h^r (:fnqr) für aber htr
der hs.
* ich kenne keinen sichefn beleg für das österr. phl^gen schw. verb
bdm Pleier.
' zu streichen ist Bartschs itqte : hete Meier. 2486 , denn es ist nach
der hs. slat:hdt zu lesen, 12340 belässt Bartsch diese lesung im ganz
correlaten fall, ein hele kennt der Pleier nicht, s. oben s.'^04. auch Gar.
1M)S9 reimt wol hat : ttdt, nicht ein ganz vereinzeltes h^t : stSt, da würk-
Uch beweisende reime für het oder hSt beim Pleier fehlen, an den drei ge-
oannten stellen ist hat wol auch nicht apokopiertes hdte, sondern es steht
io österr. weise das umschriebene perfect* an stelle des Präteritums. — q:e
Tor d : Gar. 5147 rf / < redete : bei.
268 ZWIERZINA
hfr: Terramer 7, 842 hat Seifr. entweder das fremde e' gesclilossen
gesprochen (wovon unten gleich nach zn sprechen sein wird)
oder er hat den zweiten bestandteii dieses namens mit m§r 'mare'
in Terbindtmg gebracht, was mir noch wahrscheinlicher ist. denn
her 9&V. : ger : 8per : gewer : entwer süv. : er : RiJtikmmer reimen
nur unter sich (13, 31. 97. 135. 1, 215. 855. 4, 182. 8, 1061)
oder zu langem -^r, uzw. 9rnd diese letzteren hindongen hier ^o
dicht gesät, dass sie an zahl nicht nur die reime von -er in sieh,
sondern auch die von -eV in sich übertreffen, ich finde her adv.
:sir 7, 1081, :mer 1, 1070. 4, 687. 15, 575. 7, 997, : RüedMg&
1, 1022, :er2, 1475. 8, 357. 15, 545. 781. 8, 825. 1035. 1237.
7,430; er:mSr 8,493, :A<fi-2,95; ier:mir 1,560. 1266.
7,341. 893, :er 2, 1145. 7,931; ger subst. oder verb :m^
I, 479. 15, 132. 274, ;^ 2, 1261. 8, 49, (je)wer subst. oder
verb :Rüedeg^ 1, 944, ;**• 10, 17. 2, 1515. 15,649, :eri, 403;
mir : mir 1, 674, : ir 4, 341 ; entwer adv. ; mir 14, 31. ebenso
reimt auch gl^m adv. :Um 5, 61, :im 1, 554. 4, 141. 661. 669.
15,727. 7,901. 1017; enhem : gim subst. 1,497; item : im
II, 15; wJbrt adj. :lert 8, 1019, :veücirt 2, 1485. 9, 163, fhm-
wert : mgirt 13, 121, :kirt 2, 1175; mm «taucht' :gemirt
U 1046; gM^ : gmnirt 2, 447 ; gew%rt ; Urt 2, 467. dass es immer
-^ ist^ das bei ungleicher qnantitfilt auf -tfr reimt, nie -^, ist
für Seifr. um so bemerkenswerter, als bei ihm die historisth
reinen bindungen von -fr in sich, wie wir oben belegten, viel
zahlreicher sind, als die von -^ in sich.
Seifr.s gebrauch der «-laute im reime gibt uns nun auch
anlass zu einigen kleinen digressionen. Seifr. reimt e zu e nicht
nur vor r, sondern auch vor h (geschi^hn : lehn 8, 477. 515, jeck
:aUer8vech 8, 385) und / (kel : Aehtdersel 13, 159, sneLsil 1, 383.
15y 331, gel:9il 2, 1190). da könnte es auffallen, dass er nie
— und, sowie er nicht, auch kein andrer der von mir unter-
suchten Österreicher — g^t oder stet .'-et reimt, denn dort, wo
diese get und stit zu het reimen, ist für den Österreicher natür-
lich so lange immer het (ev. neben hä) anzusetzen, als die bin-
dung von -^ti-et nicht durch eine sichre bindung zu het, gebät^
tet usf. festgelegt ist. und diese sichern bindungen, wie gesagt,
bleiben aus. warum reimten die Österreicher nun nicht get und
$tet zu -eY, wo sie doch e:i so häufig und nicht nur vor r
reimen ? der reim war ihnen doch gewis erwünscht gewesen^ da
HITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 269
sie, um diese luieatbehrUcheo verba nicht immer nur wider mit
äcfa selbBt zu binden, Mgar zu den für ihre mda. gewis nur eot-
Mmtan« liUerariscbeo (f-fornen ihre zuQucht nabaien rauslen
(s. Bobnenberger Beitr. 22, 209, Siuger Uhd. schriftspr. ajun. 51
s. 190- ab«r die aal wort ist leicht gefunden : e ist vor muta,
wie wir bArten, in Österreich schon im 13 jh. ein geschlossner
laiiU fiel im klang mit ^zusammen und kann zu e, das in allen
Stellungen (aufser vor nasal) ofTeo gesprochen wurde, vor t nun
ebeiisoweDig reimen, als § selbst je zu i reimen kann, vor r,
i» / bat e seine alte offne qualität erhalten (s. s. 258) : hier reimt
es auch zu i. dass e in gA stit offne qualität hatte, wie sonst,
hiireiseii die gegenwärtigen mdaa.^
Dem scheint es nun zu widersprechen, dass bei Seifr. hSden
:mUr^dtn reimt (1, 1315) und diese bindung von bede:r^ auch
bei Ottokar und dem Teicbner belegbar ist zahlreiche beispiele
bringt Weiohold B€ramm. § 48 s. 59. hier wäre also doch ge-
scblofiseoea ^ zu offenem S gereimt? wir wissen^ dass beide und
hÜB fOr die zweiheit beute aus dem wertschätz vieler ei nzelmdaa.
gescb wunden ist, nicht nur üsterr.^ sondern auch fränk. (s. zb.
Lenz Vergl. wb. der nbd. spräche und der Handschuhsheimer
nda. s. 10 s. v. beide) und alemann, dieses ^beide' wurde dann
lan einigen dialekten wider aus der spräche der gebildeten zu-
rflckenüebnl und wird daher zb. in Osterr. dialekten nicht mit
dem oa, das sonst mbd. et entspricht, sondern mit dem ge-
Wdeten ei gesprochen, sprachen nun Seifr. und Ottokar auch
Me mit dem gebildeten 4^ di. dem geschlossenen e der Mittel-
deutschen? dass das e io lehnworten im gegensatz zu dem bei-
mischen e als geschlossener laut gesprochen wird, dafür find ich
bei Luick Beitr. 14, 132 zahlreiche belege aus Niederösterreich,
bei Gradl Bayerns mdaa. i 435, 158 solche aus oberpßilzisch^west-
böhmischer gegend, und mir sind aus dem Wiener dialekt diese
gKcblossenen e in fremdworten wolbekannt. für bede in bair.-
österr. mdaa. verweist Singer aao. anm. 27 s. 16 auf Nagl Das
hohe a s. 32. in Zingerles wb. der Luseroiscben mda. von Tirol
find ich 8. 23 p^de für nhd. ^beide' augegebep, mhd. S aber gibt
diese mda. sonst durch das tirolische ea wider, s. geäst, geat für
* diese offenen e in gH stet, gett tlfst hat Luick bei seinen ausfüh-
mo^co Beitr. 14, 133 auCser acht gelassen, sie machen Luicks argumenta-
tüm uomöglieh.
270 ZWIERZINA
mhd. gest, gel Zingerle s. 18, ferner sea^ si, seal'^sile s. 10,
earste> erste s. 13 usw. ähnlich reimt Ottokar auch gencecUc auf
ledic (oder l^dic), s. Seemüller s. cxn, di. <b auf geschlossenes, ge-
dehntes e, wobei die unregelmäfsigkeit zunächst noch stärker er-
scheint als in der bindung Ton e;f. aber mhd. genadic wird in
Österreich heute allgemein mit e, nicht mit hohem d (= mhd. ee)
gesprochen und ist in der mda. ein lehnwort, s. Nagl Roanad
s. 103, Luick Beitr. 14, 131.
CB (resp. ä) und S (resp. e) bleiben auch in Seifr.s mda.,
wie in jeder bair.-österr. mda., getrennt, die reime in cmre^ ar
(wcer^ leer, ableilung -cer, -hcer, swcer usw.) und die reime in
ere, er stehn einander in durchaus gesonderten gruppen gegen-
über; denn dass 1, 1374 für das selten herr der hs. im reim auf
unmcere das bekannte scBldenbcere und nicht ein im mhd. als
Sna^ elgri/Äivov dastehndes saldenhere zu conjicieren ist, scheint
mir um so wahrscheinlicher, als die adj. in -beere bei Seifr. äufserst
beliebte reimworte abgeben, in dem dreireim gemceret : enbäret
.'bewceret 11,89 ligt im zweiten wort sicher d, der secundäre
Umlaut, vor, nicht enb^m, da die ältere spräche nur enbam sagt,
aber vor / scheinen Seifr. <b, ä und e\ d zusammenzufallen, auf
die bindung von sil:snel, kel, gel hab ich schon hingewiesen,
sei reimt aber auch anstandslos auf sunder hcel 8, 102. 9, 17 und
ebenso gelt: gevcelt 1, 281, velde:s(elde 7, 1187, meldec : einfäldee
3, 381, hals, plur. von hals, :Wels 4, 169. jedoch auch diese
Spracheigentümlichkeit Seifr.s findet im heutigen dialekt ihre volle
bestätigung. es ist bekannt, dass in einigen Osterr. und bair.
gegenden ce und d zwar vor allen andern consonanten den ihnen
unter den e-lauten allein eignenden klang des hohen d haben,
vor l aber in einem ofTenen ö mit der entsprechung des mhd. ä
und e (nicht des ^ natürlich, das geschlossener laut bleibt) zu-
sammenfallen, die mdaa. schwanken da oft, hie und da sogar je
nach dem einzelnen wort, sodass in dem einen das hohe d vor /
in der gleichen mda. dem b vor { im andern gegenübersteht , s.
Luick Beitr. 14, 131; aber es ist kein zweifei, dass Seifr. voll-
kommen seiner mda. gemäfs reimt, wenn er (b und ä mit e und e
zwar nie vor r und andern consonanten, wol aber vor l bindet K
§ steht auch hier abseits.
^ Seemüllers anm. zu 4, 229 beweist also nicht, was sie soll, an der
stelle ist an Pfeiffers undermmt festzuhalten. 15, 609 1. phleg (:gel^) für
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 271
So geoau oun auch, wie wir gesehen haben, ^ und e (e') vor
r und l bei Seifr. Helbl. geschieden bleiben, so convergieren sie
for muta doch auch hier zu einem und demselben laut, vor 6
reimt ^ our in gr^el 'spaten' und da zu nebel \, 183, dann ist
auch h^en:nioen 4, 353. 8, 485 zu nennen, vor g reimt ^:§
in ich phl^ge ind. ; ab dem wege 1, 123 ; kge : pMege conj. 15, 609
(sicl); Ragzg^gmt : phligent 1, 167; eng^gen : under wegen 9,46^
legen : phl€gen 1, 199. 4, 531. 8, 811. 939. 7, 7, :under wegen
4, 689, :d§gen 7, 199, :8€gen *benedicere' 4, 785, : wider wegen
:gepfUegen (part.I) 9,67. die reime von -^gen 2um inf. phlegen
bleiben zwar unentschieden, da Seifr. phlegen stark und schwach
fleetiert, aber das einzige sichre beispiel eines reims von -^gen in
>ich, dem mindestens ein halbes dutzend sicher 'unreifer' g6gen-
obeFstehD^ ist 'doch nur siegen : eng§gen 7,957. auch in Seifr.s
mda. waren die e vor muta also geschlossen, s. endlich noch
üH.gebei 5, 92. 7, 253, :het 1, 1066. 2, 655. 4, 673. 743, :hret
13, 91. 8, 307, :m 15, 491. 7, 101. %%^ ^ ,st§ten : beten 7,245,
:meien 7, 831, nnderr§tt <^underr^det : tet 4, 289 und vor allem
auch keten : geweten 2, 1225, v^ter:weter 8, 509^.
Zum schluss noch einige worte zu Ulrich vTQrlein. im
grofsen und ganzen stellt auch er sich in der behandlung der
e-laute zu den Österreichern, widerlege : pflege subst. 230, 10;
t» wfffe *in bewegung' :pfl€ge subsU 182, 1, kgen : degen bS, 19.
257, 5, : wegen subst. 336, 11, .über wigen 95, 29. 315, 25^
:gephl€gen 305,5^. diesen 8 reimen von f.e vor ge{n) steht
nur einer gegenüber, der § in sich bindet, l^gen : erwogen 196, 21 ;
das phlwg SeemöUers. ''wii wai weV : bat ^, 801 kann naturlich nichts de-
moDStiiereo ; ich glaobe, dass hier wat : bcBt ursprünglich reimte und Seifr.
den klang des fremden a persifflieren wollte, dagegen ligt 8, 1099 vielleicht
die biodang gmbe: Habe vor (nicht wie Seemöllers text ergibt, gebe : tt^bsy
was für Seifr. ja auch ganz sprachgemäfs wäre), denn der plur. von ttap
hatte für Seifr. wol so gut secundären umlaut wie für Oitokar, für den er
durch den reim zu urloub (di. österr. urldb mit hohem d für ou vor lab.)
feststeht 28211. auch Hugo vTrimb. sprach »tebe mit offenem e, also se-
condärem umlaut, s. unten, über ttäbe in alemann. mdaa. s. Heusler Germ.
34,118.
1 het kennt Seifr. so wenig wie Pleier und dir. vTörl. er sagt nur
ket^ das er dann anstandslos mit g^t^ complet usf. reimt, im plur. hSterij
zb. : Propheten 11, 3 uö.
* diese bindung schon Müelmbr. 1197.
3 ich kann aus Ulr. kein schwaches pflegen belegen.
272 ZWIERZINA
deoD beweget : gekget 249, 27 darf, wie 8. 266 ausgeführt ist, dort,
V90 es sich darum handelt, die ideotität voq § und e vor g fest-
zustellen, ebensowenig in anschlag gebracht werden wie die bin-
düngen von 'ege{n) in sich, auch Ulr. vTürl. gelten also ^ und
e vor einfacher muta gleich, sowie allen österreiobern. auf die
binduDgen dieser beiden laute vor / sei noch verwiesen, s. st^t
:bet 198, 11, :tet 15, 5. 103, 21. 287, 17. 342, 15, :Duzet
294, 7; veter :weter 241, 27. auch Dir. vTürl. scheidet aber ^
und e vor I und r, wider, sowie alle Österreicher, vgl. zb. helt
: ir u>eü : ge89Ü : (üz) erwelt 23, 2. 28, 10. 37, 13. 97, 11. 102, 25.
110,15. 124,25. 127,9. 139,23. 151,29. 157,23.213,9.
246^ 15. 256, 15. 315, 3, dagegen in ebenso geschlossener reihe
velt : gelt : gezelt 231,15. 263,1. 267,7. 296,25. 298,29.
300, 19. vor r haben wir auf der einen seite wfr:hpr:tner:xer
:ich swer 49, 3. 11. 50, 19. 51, 1. 55, 3. 60, 25. 106, 9. 121, 21.
126, 3.'l41, 25. 149, 7. 150, 15. 159, 9. 174, 11. 231, 7. 240, 1,
auf der andern wer : ger : er : der : her adv. ; spar : FimUater 25, 21.
33,29. 38,8. 41,21. 50, 13. 58,5. 73, 17. .83,25. 87,27.
107, 23. 140, 15. 152, 1. 198, 1. 208, 27. 229, 13. 234, 13-
281, 19. 285, 29. 291, 20. 293» 1. 305, 9. 309, 1. 312, 7; auf
der einen seite vert : {ver)z^t : (0r)w^t : {er)np't 30, 19. 65,11.
86, 9. 88, 25. 131, 1. 160, 27. 214, 1. 290, 21. 291, 11. 314,27
und v^rst.'z^rst 140,23, auf der andern wert ad'}. : (ge)wert : gert
:wert < werdet : swert : der hert : Kybert 6, 7. 11, 25. 13, 1.
16, 7. 23, 1. 25. 28, 5. 52, 9. 94, 5. 98, 27. 105, 27 usw., im
ganzen 35 solche bindungen; auf der einen seite (er)w^m:b^n
'schlagen' :h^m dat. plur. : {er)n^rn : sw^m 10,21. 51, 25. 85,5.
118, 29. 120, 15. 145, 25, auf der andern g€m : (ge)wem : (en)bini
:gem§ : lim 7,5. 15, 27. 20, 9. 59, 9. 81, 9. 94, 29. 98, 9.
109, 21. 182, 27. 291, 15. danach kann es mir nicht zweifel-
haft sein, dass in dem einzigen beispiel S wo vor r bei Ulr. der
^ 161, 15 ist in tolher veste wer das wer nicht gleich w^r, sondern
sicher gleich wer, wie in zahlreichen andern verbindongen von wer mit dem
gen. eines abstracts (fröuden wer, iriuwen wer), die Ulr. Wolfr. nachbildet,
ebenso erledigen sich, glaub ich, die drei noch übrigen beispiele, die Singer
s. XIV für bindung von ^ : e vor r beibringt, leicht : 18 , 23 kann Herben
{: ^rben) schwaches verb sein, welche auffassong schon Singer selbst dorch
sein fragezeichen nahelegen wollte, and 24, 15. 29, 27 muss in werben
(ritterltchez, poynderltchez werben) das durch die wbb. auch bei Wolfr.
und Reinb. belegte schwache warben vorliegen ; bes. da das wort in dieser
Verbindung von Ulr. beide male mit -^rben gebunden wird.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 273
Qbeiiieferaog nach ^:€ reiint {mfr:hir 153,27), zu bessern ist
(nelleicbt ht zu lesen daz h^r Der heiden für her Die heiden).
Aber darin weieht die spräche Ulrichs von den meisten an-
dern Oslerr. denkmalern doch ab, dass die bindung -^;-^ ihr
fehlt. deoB g&r: TemmSr 72, 5 ist kein sichres beispiel, wenn
dieser name auch von Wolfr. nur mit langem 4 gereimt wird,
«nd wenn auch Ulr. selbst ihn sonst immer nur mit -ir bindet
(s. :her%e9ir 25, 23. 104, 25, :mer 66, 29, .er 133, 17 usw.).
^ e der reimsilbeo fremder namen sind Ulr. jedesfalis anceps
gewesen, so reimt er natürlich nie bit, tit, gebüt : gii, stit^ so
kann kein Österreicher reimen (s. oben s. 268 0* und so ist an-
derseits kein sichres h& durch die bindung mit 6^T, tet oder st^
belegt neben dem gut Osterr. h4t {:gä, $tä 16,27. 177,11.
248, 7. 303^ 9) : aber auf die -«r fremder namen reimt dieses M
so gut (:Beonet 38,3. 312,21; : Serina 59,27; :Rivetin^
192, 15. 205, 15. 213,19. 323,23; :FUret21d, 15) wie /elf, «r^
ued b& (8. zb. 41, 23. 195, 1 uO., ferner etwa Beoneten : üzer-
jHm 41, 7)1.
Wenn uns Ulr. aber auch — ich glaube direct aus rttek-
sicht auf sein md. publicum — kein -er ; -& belegt, so belegt er
doch auch kein -^;-er und kein -er.'-anr; und das liefse er seiner
zeit und techntk nach sicher belegen, wäre er selbst ein Mittel-
deutscher gewesen, davon noch spater mehr.
Nachdem ich so die österreichische 'regel' dargelegt und an
beispielen illustriert habe, wend ich mich nun zu den ausnahmen
oder zu dem, was man als solche bezeichnen könnte.
Die bindungen von ^:e ?or liquida, ^:^, 4:<b und ^.'(6,
die Weinhoid BGramm. § 12 s. 25, § 43 s. 55, § 48 s. 59, Hhd.
gramai.' § 89 s. 84 in reicher anzahl aus bair. und österr. dicht-
werken beibringt, zerfiattern, man darf fast schon sagen alle —
nicht nur die meisten — bei näherem zusehen, entweder ist das
citierte denkmal mitteldeutsch und nicht bairisch, so das als
Trauenlist' von Majlälh und Köffinger nach dem Coloczaer codex
gedruckte gedidu oder die Wiener meerfahrt vom Freudenleeren,
oder es sind die ansätze falsch : bald ist ^ statt d, bald ^ statt i,
bald 4 statt ee angesetzt udgim., oder die citate treffen auch ander-
wärts corrupte Überlieferung, sei es die la. überholter oder
^ gaox ihnUch verbot sich in bezug aof Mt oad die reime zq frem-
dem -et auch Heinr. vTärlein.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXU. 19
280 ZWIERZINA
gescheut gehört also auch der Orto., sowie der Alph., ins eogre
Baiern? durchaus oicbt; denn die behaodluDg der «-laute in ihreo
reimeu verweist Orto. und Wolfö. A güozlich aus bairisebein
Sprachgebiet und zwingt sie in Frankeu zu localisiereu. keio
Österreicher uod kein Baier kann mit Terscbiedoer quaotitllt -er
anders reimen als auf -er, und keiner kann ferner w und ä anders
reimen als in sich^ Ortn. und Wolfd. A aber reimen -er nur zu
-^, s. mer.h^ 'exercitus' Ortn. 424, 1- Wolfd. A 333, 1. 388, 1
und ebenso consequent -er nur zu -<9r, s. ^uotiu mcer : her ad?.
Ortn. 233, 1. 249, 4. diese tlbuDg, gelängtes -^ nur mit -ir,
gelängtes -er nur mit -cer zu binden, tritt in allen fränkischen,
franco-alemannischen und ostmd. denkmälern, soweit sie 4 und <b
überhaupt auseinanderhalten, so gesetzmäfsig auf, dass sich ein
denkmal, wie Ortn. und Wolfd. A^ dadurch allein, dass es sich
hierin der genannten Übung anschliefst, von selbst und mit not-
wendigkeit in die gruppe md« dichter einstellt, die wir nun zu
besprechen habend, ist in einem gedieht, wo her : -ir reimt,
das lier gleich her adv., so ist das gedieht aus Baiern oder aus
Österreich, ist her dort gleich h^ ^exercitus' and reimt zu gleicher
zeit her adv. zu -cer, so ist das gedieht aus Mitteldeutschland.
Die mitteldeutsch-alemannische gruppe. — der
soeben skizzierte unterschied zwischen bair.-österr. und md. ge-
brauch der 6-reime ungleicher quantität hat folgende sprachliche
grundlage : in Baiern , in Österreich und in Ostschwaben hatte
mhd. S die offene qualität, mit der es auch heute dort gesprochen
wird, dieselbe qualität kam und kommt dem e vor liquida zu,
-67 und -er konnten also nur mit -ei und -er, nie mit -fl und -^
gebunden werden, denn f war vor / uod r geschlossen, im md.
aber hatte mhd. e die geschlossene qualität, mit der es widerum
auch heute noch dort im grofsen und ganzen gesprochen wird,
dieselbe qualität kam und kommt dem mhd. e zu, i konnte also
bei ungleicher quantität nur mit f, nie mit dem offenen e ge-
bunden werden, in Baiern und Österreich und, wenigstens in
älterer zeit, auch im grOsten teile Alemanniens wird a mit dem
überoffenen laut gesprochen, der nur in sich oder bei ungleicher
^ natürlich nar Wolfd. A 1—505, nicht seine unechte fortsetznng.
* über andre unbair.,aber frank. Sprachmerkmale des Orln. and Wolfd. A
wird noch unten nr 9 und 10 der Studien gehandelt werden.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 281
qaantiut mit ä, dem secuDdäreo umlaut, gereimt werden konnte,
weil sowol € als ^ in so ziemlich allen Stellungen von diesem
laut TerschiedeD gesprochen wurden, den überofTenen e-laut
kennt das md. dieser zeit nicht, ä, der secundäre umlaut, ist
offen sowie i^ und mit diesem wird er hier auch unterschiedslos
gereimL da nun in so ziemlich allen mdaa. dem ä, dem secun-
dären umlaut des kurzen a, das ce, der umlaut des langen d, als
qualitativ identische länge gegen übertritt, in den md. mdaa. aber
d auch dem e qualitaü? gleichstand, so steht natürlich hier cb
dem gelangten e gleich, deshalb reimt bei den md. dichtem,
deren mda. e und ce schied (nur auf diese kann es mir hier
aatOrlich ankommen), sowie zu ^ das geschlossene |, so z\x <b
nicht nur a, sondern ebenso gut e, denn CB und d waren hier
einfach offene, nicht überoffene laute.
Auch hier beweisen die lautverhältnisse in den heutigen mdaa.,
(bss die genannten bindungen in den fränk. und anderen md.
denkmdlern rein waren, so wie es sich mir hier, wie gesagt, nur
iun md. denkmäler handeln kann, in denen nicht, wie zb. in
Herborts Trojkr., 4 und cb zusammenfallen, so handelt es sich
mir auch nur um solche md. mdaa., in denen noch heute e und (b
verschieden lauten, ferner ist es mir nur darum zu tun, den
in betracht kommenden lautstand der mdaa. in der hauptsache
festzustellen und daran den reimgebrauch der älteren dichter zu
messen, den manigfaltigen Variationen rechnung zu tragen, die
in der entsprechuog der mhd. e-laute in heutigen fränk. einzel-
mdaa. insoweit wahrzunehmen sind, als hier und da einzelne
Worte und wortgruppen sich dem allgemeinen schema entziehen^
Variationen, denen zb. Jellineks eingehnde Untersuchungen über
reim und Orthographie des Paulus Schede Helissus (Halle 1896,
s. cxxni — cxxxiii) erfolgreich nachspüren, ligt nicht in meinem
plane, ich bemerke nur, dass in sehr vielen (aber nicht allen)
fränk. mdaa. die verba pura wie mhd. majen, swjen, drcejen, ux^jen
usw. in ihrem stammvocal heute nach mhd. S, nicht nach as, zu
weisen scheinen, dass in manchen Wörtern wie mhd. stwte (s.
aen) oder scbUc (s. sele) durch spätere Volksetymologie (b und i
sich ihr gebiet gegenseitig verringerten, die auf weiten gebieten
der ost- und rheinfränkischen mda. geltende beeinOussung der
e-laute durch das folgende r des Stammes, wodurch teils ganz ver-
schiedene 0-laute (e und (b wie e und e) in einem einzigen offenen
282 ZWIERZLNA
laut zusaromeugefalleo sind, teils qualitativ ursprQoglich gleiche,
aber quaotitaliv verschiedene laute auch qualitativ auseioander-
gerisseo wurden, f^Ut vielfach erst in die zeit nach der dehnung
der kürzen, also nach der mhd. periode. dies hat OHeilig Gramm,
der ostfr. mda. des Taubergrundes § 201 s. 91 zb. im rahmen
seiner mda. dargetan, hier und da scheint auch die dehnung die
kürzen von den ihnen qualitativ ursprünglich conformen längen
entfernt zu haben.
Eines bleibt sicher : wenn in den fränk. dialekten, die rolid.
e und ce durch verschiedene laute widergeben, ein ursprttngUch
kurzes e nach der dehnung mit einem ursprünglich langen e-laut
heute zusammenfallt, dies immer nur e und e oder € (d) und CB
ist, und überall weist hier e mit e auf die geschlossene qualität
zurück, ich verweise zur bekräfligung auf Heilig aao. § 53 s. 28
(§ 160 s. 74) 'mhd. ^. gedehnt > ef V gedehnt vor r > ? (di.
geschlossenes langes e) : § 76 s. 37 'mhd. i >> e* (mhd. e fällt
also mit gedehntem ^ vor r ganz^ und wenigstens qualitativ mit
als kürze erhaltenem ^ in allen Stellungen zusammen), § 77 'mhd.
i verkürzt >> e' (gekürztes e f^llt also mit als kürze erhaltenem
Umlauts-^ zusammen), § 76d 'die p-mda. hat e zu >» et diph-
thongiert', 'nur vor r bleibt V (hier also fällt gedehntes ^. und
mhd. 6 in allen Stellungen zusammen); § 56 s. 30 (§ 170 s. 78)
'mhd. i gedehnt >> i^ (im 0[sten] d, im S[üden] und der p-mda.
> e)'; § 73 s. 35 *rahd. £P > «, § 73 c, s. 36 '0[sien] hat dafür
ü\ die S[üd]-mdaa. wider e^. ebenso fallt gekürztes mhd. ce (s.
§ 183 s. 83) mit als kürze erhaltenem e (s. § 54 s. 28) in einem
laut zusammen, in der Blankenheimer mda. (s. EDittmars diss.,
Darmstadt 1891) sind die Verhältnisse ziemlich verworren; aber
mhd. %* und mfr werden doch auch hier mit demselben langen
geschlossenen e gesprochen wie mhd. mir 'plus', eVf 'bonos', ler^
'doctrina' und mhd. begem, her adv., geswer 'dolor', gerne mit
demselben langen offenen e als mhd. wcer^, Ubt^ adj., mceren,
' hier hat aber r blofs den gedehnten vocal vor der diphthongierong
bewahrt (s. Heilig § 194), die gleichheit von gedehntem f und e vor r ge-
hört also nicht zu den spätem ausgleichungen der verschiedenen e-laute
durch folgendes r, von denen oben die rede war.
^ di. offenes langes 0.
3 damit fallt e und a (resp. gedehntes e) noch lange nicht zusammen,
weder in der p-mda., der mhd. ^>et wird, noch in S, wo S ebenfalls
diphthongiert wird, s. Heilig § 76 c, d.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 283
jieric usw., und da es bei deu mbd. dicblern ja zuoächsl auf
die reimsilbeo von e und ^, ce uud e vor eiofacbem r ankommt,
bleibt mir dies die bauptsacbe, s. Diltmar s. 17, 4. 18, 3. 19, 1.
20, 1. in der mda. von Buchen (s. Breunig Die laute der mda.
TOD Buchen und seiner Umgebung, Tauberbischofsheim 1891) ent-
spricht dem mbd. ^ in der dehnung ei und vor r >> e'' und
ebenso dem mbd. c' > ei und vor r >> e, ferner mbd. e in der
debnuDg > e und vor r > df, mbd. « > e* und vor r > df, s.
Breunig s. 18. 19. 22 f. in der Hersfelder mda. fallen zwar ce
und ty sowie gelängtes e und ^ vor r in den meisten Worten im
selben halb offenen 6-laute zusammen (s. Salzmann Die Hersfelder
mda., Marburg 1888 s. 27), aber es steht doch auch hier sei <C
mbd. seU mit geschlossenem e gegen ßl <C mbd. fwlen mit ganz
offenem e einander gegenüber ähnlich wenigsten wie u>el <^ mbd.
vfln, zel <1 mbd. z^ln mit halb offenem einem kel 'gelb', mel
'mehr usw. mit ganz offenem e, s. aao. s. 22. 27. 30. der aus-
gleichende einfluss des folgenden r mag auch hier späterer zeit
aogebOren. in der Handschubsbeimer mda. ist gelängtes ^ >> ei
s. hetw9 << heben, eijd << egen, leijd < l^gen, tseih < z^len, kd-
vetftP < gewfnen usw., ebenso ist mbd. c>> ei, s. frei <igen,
itei < «/«n, pÄ€f7" << Peter, rei << rcA, sct7 < se7e, feiVia < fe-
kenen; dagegen ist gelängtes e"^ e (geschlossen), s. eio'^ <C eben
(adv.; das adj. ist ^ti?° <^eben, s. Jellinek Schede s. cxxx), rejd
< regen, fejd <C fegen, kel <^ gel, toek < wie, kdlejd << gelegen
usw., und ebenso ist mbd. (B > e, s. ßh < /Vpfen, fr^ < ^(BAe,
kdnerie <^gena!dic, steK^sicete usw. nur vor mbd.r fallen alle diese
laute in einem und demselben offenen e zusammen, s. hälpe'^ <<
heidelbfr, we^n < wem 'dauern', /c* < fcre, ?c" < torc usw.
ich verweise auf Lenz Wörterverzeichnis : Der Handschuhsheiroer
dialekt i, Leipzig 1888, s. v. die ausgteichung in den offenen
laut vor r ist natürlich auch hier spätere entwicklung. damit
brech ich ab, da ich vollsiändigkeit und sichere abgrenzung weder
anstrebte noch mit dem mir zu geböte stehnden roaterial an-
streben konnte.
Dass auch in Aleroannien die Verhältnisse heute ähnlich liegen,
gelängtes ^ mit e, gelängtes e mit w zusammengeht, könnt ich
zb. durch verweise auf Hoffmann Der mundartliche vocalismus von
Baselstadt, Basel 1890, s. 36^ Schild Brienzer mda., Lieslal 1891,
* geschlossen.
282 ZWIERZINA
laut zusaromeugefalleo sind, teils qualitativ ursprünglich gleiche,
aber quantitativ verschiedene laute auch qualitativ auseinander-
gerisseu wurden, fällt vielfach erst in die zeit nach der dehnung
der kürzen, also nach der mhd. periode. dies hat OHeilig Gramm,
der ostfr. mda. des Taubergrundes § 201 s. 91 zb. im rahmen
seiner mda. dargetan, hier und da scheint auch die dehnung die
kürzen von den ihnen qualitativ ursprünglich conformen längen
entfernt zu haben.
Eines bleibt sicher : wenn in den fränk. dialekten^ die mhd.
e und ce durch verschiedene laute widergeben , ein ursprünglich
kurzes e nach der dehnung mit einem . ursprünglich langen e-laut
heute zusammenfällt, dies immer nur e und e oder i (d) und w
ist, und überall weist hier e mit ^ auf die geschlossene qualität
zurück, ich verweise zur bekräftigung auf Heilig aao. § 53 s. 28
(§ 160 s. 74) 'mhd. ^. gedehnt > eC '^ gedehnt vor r > ? (di.
geschlossenes langes e) : § 76 s. 37 'mhd. i >> ff (mhd. e fällt
also mit gedehntem ^ vor r ganz^ und wenigstens qualitativ mit
als kürze erhaltenem q in allen Stellungen zusammen), § 77 'mhd.
i verkürzt >> e' (gekürztes e fällt also mit als kürze erhaltenem
Umlauts-^ zusammen), § 76d 'die p-mda. hat e zu >» et diph-
thongiert', 'nur vor r bleibt e^ (hier also fällt gedehntes ^. und
mhd. 4 in allen Stellungen zusammen); § 56 s. 30 (§ 170 s. 78)
'mhd. ^ gedehnt > c^ (im 0[sten] S, im S[üden] und der p-mda.
> e)'; § 73 s. 35 'mhd. £P > «, § 73 c, s. 36 '0[sten] hat dafür
ä\ die S[üd]-mdaa. wider e^. ebenso fällt gekürztes mhd. CB (s.
§ 183 s. 83) mit als kürze erhaltenem e (s. § 54 s. 28) in einem
laut zusammen, in der Blankenheimer mda. (s. EDittmars diss.,
Darmstadt 1891) sind die Verhältnisse ziemlich verworren; aber
mhd. h^ und m§r werden doch auch hier mit demselben langen
geschlossenen e gesprochen wie mhd. mir 'plus', eVf 'bonos', Ur^
'doctrina' und mhd. begem, her adv., geswer 'dolor", gerne mit
demselben langen offenen e als mhd. wcer^, Usr^ adj., mceren,
^ hier hat aber r blofs den gedehnten vocal vor der diphthongierong
bewahrt (s. Heilig § 194), die gleichheit von gedehntem f und S vor r ge-
hört also nicht zu den spätem ausgleichungen der verschiedenen e-laute
durch folgendes r, von denen oben die rede war.
^ di. offenes langes e,
3 damit fallt e und a (resp. gedehntes e) noch lange nicht zusammen,
weder in der p-mda., der mhd. S:>ei wird, noch in S, wo S ebenfalls
diphthongiert wird, s. Heilig § 76 c, d.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 283
jtme usw., und da es bei deu mhd. dichlern ja zunächst auf
die reimsilbeD von i uod (^, ce und e vor eiofachem r aokommt,
bleibt mir dies die bauptsache, s. Diltmar s. 17, 4. 18, 3. 19, 1.
20, 1. in der mda. von Buchen (s. Breunig Die laute der mda.
TOD Buchen und seiner Umgebung, Tauberbischofsheim 1891) ent-
spricht dem mhd. f in der dehnung ei und vor r >> e' und
ebenso dem mhd. c' > ei und vor r >> e\ ferner mhd. e in der
dehouDg > e und vor r > d, mhd. « > e* und vor r > df, s.
Breunig s. 18. 19. 22 f. in der Hersfelder mda. fallen zwar ce
und e, sowie gelängtes e und ^ vor r in den meisten Worten im
selben halb offenen 6-laute zusammen (s. Salzmann Die Hersfelder
mda., Marburg 1888 s. 27), aber es steht doch auch hier sei <C
mhd. sele mit geschlossenem e gegen ßl <C mhd. fcelen mit ganz
offenem e einander gegenüber ähnlich wenigsten wie wel << mhd.
wdn, zel <1 mhd. %§ln mit halb offenem einem Icel 'gelb', mel
'mehr usw. mit ganz offenem e, s. aao. s. 22. 27. 30. der aus-
gleichende einfluss des folgenden r mag auch hier späterer zeit
angehören, in der Handscbuhsheimer mda. ist gelängtes ^ ^ ei
s. heiw9 << h^ben, eijd << §gen, le\jd < l^gen, tseih < z^len, kd-
weind < gew^nen usw. , ebenso ist mhd. e > ei, s. kei < ^en,
h^ <C «'^w, pAeÄ" <; Peter, rei < rcA, sei7 < se7c, fema < fc-
kehen; dagegen ist gelängtes e > e (geschlossen), s. eu?" < eften
(adv. ; das adj. ist ^w" <C§hen, s. Jellinek Schede s. cxxx), rejd
< regen , fijd <C ßgen, keKigel, wek < wie, kdlejd <; gdigen
usw., und ebenso ist mhd. (B > e, s. ßh < /itpten, ke << ^(Bfte,
hneric<Zgen(cdic, sleK^slcete usw. nur vor mhd.r fallen alle diese
laute in einem und demselben offenen e zusammen, s. hälpe'^ <<
hddelbfr, we^'n < wem 'dauern*, W <C l^re, /c* < leere usw.
ich verweise auf Lenz Wörterverzeichnis : Der Handscbuhsheimer
dialekt i, Leipzig 1888, s. v. die ausgteichung in den offenen
laut vor r ist natOrlicb auch hier spätere entwicklung. damit
brech ich ab, da ich Vollständigkeit und sichere abgrenzung weder
anstrebte noch mit dem mir zu geböte stehnden material an-
streben konnte.
Dass auch in Alemannien die Verhältnisse heute ähnlich liegen,
gelängtes q mit e, gelängtes e mit (Jb zusammengeht, könnt ich
zb. durch verweise auf Hoffmann Der mundartliche vocaiismus von
Baselstadt, Basel 1890, s. 36, Schild Brienzer mda., Liestal 1891,
* geschlossen.
284 ZWIERZINA
§ 76 s. 59, § 77 s. 60, § 79, 3 s. 62, § 80 s. 63 belegen, oder
es falleo ^ und e, e und a wenigstens der qualitflt nach in eins,
s. Stickelberger Lautlehre der lebenden mda. der Stadt Schaff-
hausen s. 20 ff. 32 usf. aber für die alemann. dichter der mbd.
zeit ist daran festzuhalten, dass der Übergang des e in die über-
offene, die df-qualität des as und ä (so ligt hier, wie mir scheint,
meist die sache, während in Mitteldeutschland cb und ä die e-qua-
lität haben) nicht alt und auch heute noch nicht in allen einzel-
mdaa. gültig ist. dalier können wir bindungen fon ceiS^ sowie
solche von d : ^, auch nur bei jungem Alemannen erwarten,
ferner erhalten die Alemannen alte kürze viel zäher als die Mittel-
deutschen, sodass auch diejenigen unter ihnen, in deren spräche
die qualiläten von § und 4, von e und m gleich waren, dennoch die
quautitäten sorgfältiger zu scheiden wüsten als die dichter andrer
mdaa. dort wo e sich auf alemann, gebiet heute zu d geöffnet
hat, wurde ^ nicht selten zu offenem e, trat also in die qualität
ein, die von e verlassen worden war; so zb. in BaselstadL aber
nur kurz gebliebenes § nimmt dort zb. die offene qualitflt an,
gelängtes § nur vor r, während sonst gelängtes ^ geschlossen
bleibt, sowie das e in allen Stellungen aufser wider vor r. dass
§ auch in der längung in einzelnen gegenden die mittlere Öffnung
hat, mbd. i aber ganz geschlossen ist, s. Heusler Germ. 34, 124,
welcher aufsatz die uns hier betreffende frage überhaupt am ein-
dringendsten behandelt, im Aargau sind die kürzen, wie es scheint,
überhaupt um eine stufe offener als die längen: bei Blattner Ober
die mdaa. des Kantons Aargau. vocalismus, Brugg 1890, s. 50 f,
s. 57 f erscheint mbd. e und d als a widergegeben, ^ als e, da-
gegen (B als e und e als (geschlossenes) e. sicher ist aber auch
fürs alemann., dass die entsprechungen des mhd. e zurückweisen
auf die geschlossene qualität, sei es die qualität des ^, sei es eine
noch geschlossenere.
Die gegenwärtigen und zukünftigen herausgeber solcher md.
texte, die, wie Mor. vCraun, Elisab., Erlös., MHimmelfahrt Zs. 5,
Ulr. vEschcnb., Ernst D, Renner, Minneburg, König vOdenw.,
Heinr. vFreiberg, Ludwigs Kreuzf., Heinr. vKroIewitz usw., etymol.
ce und e in ihren reimen scheiden, sind inbezug auf die Ortho-
graphie des e in einer bösen läge, schreiben sie e für a und i
in Übereinstimmung mit den hss. , so bezeichnen sie zwei laute
mit demselben buchstaben, die die Orthographie unsrer mhd. texte
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 285
auseinaDdersohaken gewohnt ist und die auch in ihren texten
nicht nur etymologisch, sondern auch lautlich auseinanderfallen.
trennen sie aber m und ^ in ihrer Orthographie, so tun sie das
im gegensatz zur Orthographie des gesamten deutschen mittelalters,
daß nur das zeichen e kennt für offenen und geschlossenen laut,
für ^ und e, md. nnd Osterr. 4, ako auch für das dem e qualitativ
gleiche md. m (und d) und das dem ^ qualitativ gleiche md. i,
and das durch das zeieben ä^ as^ ä usw. nur den lediglich auf
oM. boden heimischen tLheroffenen, niedrigsten e-laut von diesen
e und e bald regelmäfsig bald gelegentlich unterscheidet, da nun
onsre mbd. ausgaben darin den alten Schreibern folgen, dass sie
e und e mit demselben zeichen drucken, so war es consequent
bei den md. dichtem, die cßie oder wenigstens die reimen^ (ß
and ä also mit der qualität des e sprechen, ebenfalls e für beide
bute, etymol. os und 4, durchzuführen und auch für den zweiten
amiaut (im gegensatz zu obd. texten) beim a zu bleiben, doch
mach ich darauf aufmerksam, dass man bei durchführung dieses
principes dann auch in Wolframs gedichten zb., wie wir sehen
werden, a und e in einer kritischen ausgäbe nicht mehr scheiden
dürfte.
Und nun zu den md. dichtem — diese stehn hier in erster
reihe — , die sowie i und as auch q und e auseinanderhalten,
aber e-laute verschiedener quanti tat aufeinander reimen 1 von allen
gilt, dass sie ihre ^ und e im gegensatz zu den Österreichern vor
rauta nicht anders bebandeln als vor liquida. lassen sie — dann
immer sporadisch — unreine bindungen von ^ zu e zu, so finden
sich diese vor liquida sogut wie vor muta. femer : bindet ein
md. dichter lange und kurze e-laute miteinander, so kann er zu
i nur f reimen und e nur zu os.
Ich stelle dasjenige material an die spitze, das uns in seiner
ausdehnung und klarheit die consequenz und gesetzmäfsigkeit der
fränkischen ^e-regel' am deutlichsten vor äugen führt, und be-
ginne mit Hugo vTrimberg. mit identischer quantität reimt
Hugo ^ nur in sich, e nur in sich oder zu ä, endlich e und cb
jedes wider nur in sich, die belege spar ich mir, denn nur die
absenz von ^.*e und 4:os^ also die null, ist es, was uns hier an-
geht i. mit ungleicher quantität aber reimt Hugo zu 4 das um-
^ aoch vor b, d, g bleibt e and ^ getrennt, s. si^en : üf w^gen
'(schlage) auf streichen' 6038, t<;^^0n^ 'bewegen' .* r^gent 19068, nqget : wqgel
286 ZVVIERZINA
lauts-f, zu (B (las alte e oder den zweiten uaalaut (d), uzw. aus-
nahmslos.
Im Renner reiml -er (in mer 'plus', gemer^ verb, ir^, ler§,
s&r^) nur zu -^, uzw. zu h^ 'bacca' 9901, :h^ 'exercilus' 2865.
2870. 4765. 7712. 10400. 12350. 14050. 15746, :m^ 'mare'
6883. 7364. 8230. 19687, : w^ 'arceo' 13688, : verz^ 2416.
4766; aber -wr (in trtprf conj. präl., Icer^ adj., swcsr^ adj., m(pr§
subst., unmcBr§ adj., den ableitungen -cer^ und -bcBre) reimt nur
zu -er, uzw. zu er pronom. 2620. 5437. 8030. 8757. 9045.
15154. 19883. 19885. 21763. 23406, .(/er pronom. 1095. 7722.
8010, ;Aer adv. 1256. 1774. 3726. 3731. 5690. 5813. 5957.
6135. 6161. 7019. 7799. 10494. 11390. 12422. 12610. 13480.
18474. 18696. 21986. 22842. 22983. 23410. 23444. 23504.
23734, ; trer 'dauere* 17256. ebenso reimt -ert (in gemert, ver-
kert, geert, gdert) nur zu -^/, uzw. zu v^t 3 sing. 1872. 17553.
18486.23246, :em§rt 8763, :w^t 'arcet' 10482, :verz^t 17102 S
unerle : w^te 'arcuit' 13692; aber beswcert reimt zu girt 8726,
:iun)wirt adj. 5503. 16796, : gewirt 'gewährt' 13266, gewalti-
gcBvn : gern adv. 24387, bewcBm : sch^m 10418, ervcemt : wemt
'dauern' 21395, besweemt : g€mt 22300. und nicht nur vor r
gilt die ausnahmsfreie regel, dass mit 6* nur ^, mit w aber € ge-
bunden wird, sondern auch vor andern consonanten. die zahl-
reichen beispiele für -ceh'.'-eh- übergeh ich, da hier die gegen-
probe, der reim zu '^h- fehlen muss. freilich ist auch hier hervor-
zuheben, dass nur stncBhen, drcBhen, ncßhen usf., brcehte, dahte usf.
au{ jehen, sehen, geschehen usf., räite, knßhte usf. reimen, niemals
vlehen, lehen, vlehte usf. ganz regelmäfsig stehn sich wider gegen-
über Jerusalem : l^m^ subst. 13130. 21973 und sein : i\z schein
18442 auf der einen seite, dagegen tßiderzcBtn : dem 8049, nasm
conj. prät. : dem 3915. 20399 auf der andern, ja auch, da für
Hugo vTrimberg sicher t^te, sowie für Konr. vWürzb. s. oben
^erschüttert' 9454. in Stäben, plur. von stap, :eben (so und nicht ^ben
reimt Hugo) 6029 ligt zweiter umlant vor, worauf ich schon oben s. 271 anm.
hingewiesen, in der mda. andrer steht freilich auch ein »t^be neben diesem
$täbe, s. zb. Sibotes Frauenzucht 133 stqben : enttqben. Renner 2710 ist
heben wol ebenfalls gleich haben und das ä zu erklären, wie ich dies oben
s. 115 angedeutet habe.
* 20945 1. bewwrt : dervterty nicht dervqrt, vgl. 21395; ferner 21158
W^i weer : gesnar *geschrei' vor. — über herren : zqrren 890 8. unten nr 10
8. V, hSrre herre.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 287
s. 107, aDzusetzen isti, planeten : steten 8961, gSt:(ge)t^t 7137.
7776. 14822. 19801. 21293, stä : t^t 18972, laphet : t^ 1392
auf der einen seite und bestwt^ : b€t§ 3521, rcet^, plur. von rät,
.gO&e 3881 (— 15607), W(Bt§:bret§ 1888, :gebele 20775, mit
mimigerkie guottat^ : gehel^ 20349. 24507 auf der andern, s.
ferner Icege : pUege 8997, : wege 12760, welche bindungen es
evident machen,- dass für Hugo e vor einfacher muta offen ge-
blieben war und nicht wie im österr. und in Wirnts ostfränk.
gföcblossene qualität angenommen hatte.
Ich glaube, das entrollte material des Renner ist so aus-
gedehnt und gruppiert sich so deutlich, dass darüber ein zweifei
nicht bestehn kann, dass für Hugo vTrimberg die oben formu-
lierte md. 'e-regel' volle gellung hatte.
Die mda. Ulrichs vE sehen b ach, die weder bairisch noch
böhmisch ist, sondern deutlich westmd., macht die gleiche Unter-
scheidung wie Hugos vTrimberg fränkisch; s. zb. Aer, m^, ler,
ker:m^ Alexand. 897. 4259. 4299. 4361 usw., :h^ 'exercilus'
4645. 4663. 4789. 5435 usw., :ichsw^ 1373. 4237 usw., :w§r
13915 usw.; lerte:u>^te 1391, mSrte.h^te 9811 usw. Toischer
bringt io seinem programm über Ulrichs spräche (Prag-Neustadt
1888) s. 8 f aus dem Alexand. 54 (jedoch noch nicht sämtliche)
beispiele für -er : -^r, darunter 52 -er : -^ und nur 2 -erc-gr.
wie sind nun aber diese beiden ausnahmen zu fassen? wir werden
sofort sehen, dass es unreine reime sind, die in ihrer ausnahms-
stellung unsre regel glänzend bestätigen helfen. Hugo vTrimberg
reimt niemals e:ce oder f.-e, daher reimt er auch e:^ und ce : e
ausnahmslos. Ulrich vEschenbach aber gestattet sich neben der
durch hunderte von beispielen als regel belegbaren trennung von
e und w oder q und e dennoch ein paar ganz sporadisch bleibende
bindungen dieser laute. Toischer will aao. mit den vier einzigen
belegen für die bindung e.'a, die er aus den mehr als 40000 versen
Ulrichs beibringen kann^ den md. zusammenfall dieser beiden laute
* die reime von hete:-ate können nicht mit angefahrt werden, da
flo^o wol auch das md. hate für ind. und conj. gekannt hat. daneben
stand aber vielleicht auch ein hqtte^ wie die bindung h^Ue:stqte, plur. von
»tatj tS942 wahrscheinlich machen könnte, denn e und e, S und e bleiben
auch vor t bei Hugo getrennt [darnach ist oben in der anm. auf s. 108 der
Renner aas der reihe der dort aufgezählten frank, dichtungen zu streichen]:
nie reimt itete zu sichrem -etfi, s. aber stete: wette 4425, steten : planeten
S96t. ein hfite mit einfachem t gibt es nicht.
288 ZWIERZINA
beweisen, aber wären in Ulr.s spräche i und cb zasammengefallen,
so hätte er die reimtypen -ere und -cBre nicht in dieser weise trennen
können : sie zu mengen hätte er jeden augenblick gelegenheit
gehabt, nein. Ulrichs reime beweisen die Unterscheidung von i
und £?, sowie die von ^ und e für seine spräche; wie er sich
jedoch einige unreine bindungen von -^;-fr erlaubt (die wenigen
beispiele s. bei Toischer aao.), so erlaubt er sieb natürlich auch
solche wenige unreine bindungen von -er ; -£pr -^ und genau so
sind wider (es wäre ja direct auffällig, wenn gerade sie fehlten)
die im selben ausmafs seltenen bindungen von -er ; -er bei ihm
zu beurteilen, so stebn also die bindungen i:^ und f ;^ der
bindung e:§ gleich : das waren die bindungen identischer qualitäten;
der 'ausnähme' e:ce und §:e aber steht die 'ausnähme' e:B gleich:
das waren die unreinen bindungen verschiedener qualitäten.
Für den reim von ce : % liegen bei Ulr. zahlreiche beispiele
vor. ich verweise etwa auf htswarden : die werden Alexand. 3297,
unervart : g'ert Wilh. vWenden 1170 udglm., geware : swehere (di.
stoere mit langem e, langes e aber ist md. gleich al) Alex. 17846.
dieses lange e, das aus contraction von -eAe- resultiert, kann nie
mit e' reimen, sondern reimt entweder quantitativ rein zu ce oder
quantitativ unrein zu ä, so reimt denn auch jen <</eAen, sin
<C s^hen nie zu 8t4n oder gen^ sondern nur zu den, wen usw.
(zb. Alexand. 9298. 14722 uö.), welche reime deuen von ob : ä
ganz gleich stebn. flen <^ flehen aber reimt natürlich zu st^n
(zb. Alexand. 18686); s. auch Icwmen : n'emen 10466 ^ aus dieser
Unterscheidung von gelängtem -en und von -en geht hervor, das»
in Ulr.s spräche die heute für die meisten dialekte geltende aus-
gleichung der e-laute vor nasal noch nicht platz gegriffen hatte,
aufser vor r +• cons. und n bindet Ulr. w :i noch in gmnoBlde :
velde Alexand. 443 anh., cehte : rähte Alexand. 7347 udglm. nie
bindet er ob : e vor einfachem r oder l, sowie er etwa -ir mit -fr
bindet, es scheint ihm also mit dem kurzen e nur das vor con-
sonantverbindungen stehnde (gekürzte?) ce und das aus contraction
über A entstandne gelängte e vor n, r uam. — alle bedingungen
' wenn daneben öfier gehH:Het (zb. Wilh. vW. 3628) oder tet:*tH
(zb. AI. 18239) udglm. reimt, so widerspricht das nicht, da Ulr. und Ernst D
zwar vor liquida und vor b, d, g ^ und e noch unterscheiden, wenn sie
auch öberall unreine reime zulassen, diese laute Tor t aber gar nicht mehr
auseinanderhalten und sehr oft st^te : »ete reimen, s. darüber oben s. 108
anm. und 255.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 289
kaoD ich nicht aufzahlen, da ich nicht im besitz des ganzen
materials bin — , nicht aber das cb vor einfachem r qualitativ
zii8aiDineDgefalleD sein, denn warum sollte er sonst nicht, wie
Hago vTrimberg, seine W€er§, wuBrf, Ubt^, mwr^, sündcBr^ usw.
;«r, der, war, gär, h&r neben die ir^, Ur^, kir^cm^, h^ usw.
stellen? ich habe oben die regel über die bindung von e-lauten
voYchiedner quantität für die Franken auch nicht so gefasst,
dass bei jedem unter allen umständen ^ zu ^, (B:ä reimen muss,
sondern sie nur dahin formuliert , dass, wenn ein md. dichter e
oder m mit der ungleichen quantitflt bindet, er dann S mit ^ und
4K mit e reimt, und nicht i mit i oder te mit ^. wenn t mit §,
4B mit e vielleicht auch auf dem ganzen gebiet ursprünglich iden*
tischer qualität waren, so wurden doch, wie die gegenwärtigen
einzelmdaa. lehren, die verschiedenen quantitäten durch lautver*
ändeningen aller art, die sich nur auf eine der beiden quantitäten
erstreckten, in gewissen Stellungen, werten usw. in den einzelnen
Sonderdialekten oft auch qualitativ auseinandergerissen, s. darüber
auch oben Sw 281 f.
Auch der dialekt von Ernst D ist westmd. der Verfasser
dieses gedichts stammt wahrscheinlich aus der fränkischen um*
gebung von Rossfeld und Ansbach, s« Ahlgrimm Unters. Über die
Gotbaer hs. des Herz. Ernst s. 32. sollte er nicht von Eschenbacb
her sein? Steinmeyer hat im Anz. zv 220 f erwiesen, dass Ulr.
vEschenbacb den Ernst D gekannt hat. ich meine, er hat ihn
gekannt, wie man seine eignen gedichte kennt, denn dass der
nacbahmer Wolframs, der auch hier sich wunderreiche orient-
fahrten zum stoff erwählt hat, kein andrer war als Ulrich von
Eschenbach, der Verfasser des Alexander und des
Wilh. vWenden, wäre nicht schwer zu erweisen.
Aach im Ernst D nun reimt auf mir, tir, hir, ker^ nur kfr
exercitus' (4 mal), m^ ^mare' (10 mal), z^ (Imal), nie aber her
adv., sper, ger, der, er usw. ebenso nur v^i auf ISrte 1379
und verz^m resp. w^m auf Sm 2271. 3101 ^ nur einmal 3&45
reimt, wenn die stelle richtig überliefert ist, Mm : verbem. aber
* bei den bindongen ron -eren.'-^ren, 'aren:'eren^ -Sre:'^e usw.
kommt es für meine zweeke nicht in betracht, ob die reime durch gyn- und
apokope als stumpf oder durch debnung der kürzen als klingend anzusetzen
sind, meine scbreibuog macht nur rechts und links gleich und soll nicht
vorgreifen.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 20
290 ZWIERZINA
3203 reimt eben auch v^geiherge^ uod hier wie bei ülr. eol-
spricht der vereinzelte unreine reim von 4 : e dem vereinzelten
unreinen reim von ^ ; e. ferner reimt vor r + cons. (nie vor
einfachem r) cb : e, s. unervcert : swert 901, ferner -Sfce- ; £P (nicht
zu e1) in besen <. besehm : verncen < vemasjen 3377. s. ferner
noch phalzgrcBve : n'eve 1367.
Noch der König vom Odenwald^ lässt ^ und £p, e und e
nie zusammenfallen, denn die gültigen beispiele vBahders für den
reim von umlauls- und brechungs-e betreffen alle secundäreu um-
laut. und ebenso bindet dieser dichter nur -ter mit -ir, also
gewcer : scher, gebcerde : werde , wcBm:enbem, ableitnng -wrjher,
ger usw., s. vBahder Germ. 23, 196. § reimt niemals zu cb, freilich
auch nicht zu i. für diese Unterscheidung gilt natürlich wider
das zu Ulr. vEschenbach s. 289 bemerkte.
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse im ostfränk. gedieht von
der Minneburg, für das schon Ehrismann Beitr. 22, 289 con-
statierte, dass offenes e nur zu offenem e, di. mhd. a, reime,
die bindungen von cece sind zahlreich, für ä:e bringt Ehris-
mann nur ein bede.rede. die sonst bei md. so häufige bindung
-^.-^ fehlt also ganz.
Von kleinern md. deokmälern erwähn ich etwa noch den
Zwingäuer (Gesamlab. 24) mirt : v&rt 141, k^te : ernste 389;
Der Wiener meerfahrt (Lambel Erzähl. 5) s^:mer 275, Frauenlist
(Koloczaer codex s. 97 fQ sir: b^ 407, dagegen \un)m(Br:her 195.
249, schuolcer : her 235; Heidin (Ges. abent. 18) tocerjsp'er 135,
su)(Br:h'er 177. 1149. überall bleibt hier i und cb, ^ und e ge-
schieden und finden sich keine andern reime von e-lauten ver-
schiedner Quantität als die genannten.
Daran schliefs ich zunächst einige spätre Franco-Ale-
mannen, die mit den Franken gleichen schritt halten, weil auch
ihnen ä ein geschlossener laut und a sowie ä nicht der über-
offene laut der Oberdeutschen ist. ich beginne mit dem Bübeler,
für dessen mundartlichen merkmale ich vor allem auf Behaghel
Germ. 36, 243 verweise, ich ziehe den Diocletian ganz und von
der Königstochter v. 2000—4000 heran, es reimt s^r, kir, er,
A^, 1^ zu -fr, uzw. ;Afr 'exercilus' DiocI. 5049. 9049. 9111.
Kgst. 3628, .wfr *mare' Diocl. 1441. 7327. Kgst. 2579, :sw^
> den Schröder als einen Würzburger aus dem fünften Jahrzehnt des
14 jhs. zu erweisen verspricht.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 291
'iaro' DiocI. 8360, : zer DiocI. 4475; dagegen war, mcer, swcer
20 -er, uzw. : hir adv. DiocI. 1387. 3889. 7011. 7702. 7786.
S404 Kgsl. 2119. 2149. 2315. 3100. 3198. 3729, : d€r proo.
DiocJ. 8514, : gir, beger DiocI. 123. 1839. 3097. 3973. 6077.
7205. 8978. 9239. Kgsl. 2958, :wer verb Kgsl. 3204, Bühel(er
:heg€r Kgsl. 3745. ebenso Um, kirn, §rn zu -cni, uzw. : nem
DiocI. 199. 1437. 3943. 8756. Kgst. 2701, :swem DiocI. 9323,
:wfrn Kgst. 3983; dagegen mcem : gern DiocI. 1569, Romcem
.wem DiocI. 4133. ebenso ert, {ge)k§rt, unversirt zu -ert, uzw.
erw^t DiocI. 876. 9018, : hert^ adj. DiocI. 1355. 4077, : ge-
verif DiocI. 4071, .-^cn^rf DiocI. 2805. 9221 und kSrie : geverte
DiocI. 2781, .ernste 4479, von erst : erv^st Kgsl. 2929; dagegen
htswfETt :wirt adj. DiocI. 2673, : gert DiocI. 4185. 5815, gebcerde
werde DiocI. 255, gefcerde : u>€rde DiocI. 431. 2075. ebenso
$eU:w^le DiocI. 84. 772, Israhiln : erz^ln DiocI. 7718; dagegen
ftfcsU : weit 'mundus' DiocI. 762. 2217. 6473, : gelt DiocI. 5373.
5443. Kgst. 2804, fcBln : hiln Kgsl. 2279. schliefslich reimt
ct:e auch sehr häufig vor einfachem h und ht, s. DiocI. 131.
3643. 5897; 2315. 922. 7375. Kgsl. 2631. 3671.
Neben dieser compacten masse der belege für die regelrechte
scheiüuDg der qualitälen laufen einige, ganz sporadische aus-
oahmeD her. da sich der Büheler auch bei gleicher quantität
gegen seine gewohnheit einige vereinzelt bleibende reime von
e:cB gestattet (s. w(Bre:Mre DiocI. 8350, .•^re9271), so können
wir UDS über ebenso vereinzelte reime von i:e nicht wundern,
iwar lert : begert DiocI. 476, gelert : begirt 7265 gehört nicht
hierher, denn hier bedeutet lert Mernt', nicht 'lehrt' und es hat
sich da wol aus den synkopierten formen wie lim <C lernen, limt
< liment ein falsches lert herausgebildet, aber DiocI. 3053 reimt
sere.'begere und 3487 kirn: gern adv. die bindung von tocBnen
mit z^nen aber DiocI. 1511 und wcen mit z§n Kgst. 2065 beweist
uns nur, dass in der spräche des Büheler der folgende nasal
bereits alle e-Iaute im geschlossenen laut vereinigt hatte, sowie
das beute auf fränkischem und niederalemannisch -schwäbischem
gebiet zu tage Iritis
Aus dem Elsass gehört der Rappoltsteiner Parzival
* denn nur das obd. uberoffene ä und a bleibt von der würkung der
oasalis exempt, so in Alemannien (s. Heusler Germ. 34, 117) wie in Baiern,
Dicht aber das md. und spätalem. dem e qualitativ gleiche ä und as,
20*
292 ZWIERZINA
hierher, ich habe deo prologus und v. 5000 — 8000 (Schorbach
114, 1 — 180, 46) verglichen, eioem hir : m^ 130, 44 steht da
geschlosBCD gegeoüber mcBrshir adv. 165, 11, : 8p€r prol. 281.
321, gewcer adj. :Sr 165, 23, :sper prol. 311, tocer 'esset' :er
144, 27, :hir adv. 157, 10, :dir (di. dar) 178, 20, swtsr : dir
(di. dar) 131,24, ableitUDg -CBr.&r 125,26. 128,34. 172, 19,
:hir 174, 33. 176, 1, :gir 175, 9, ferner 8W€Brn:wirn 123, 29,
phti<Bm:u)em 159, 20, beswcert : wert adj. 128, 25. 175, 37 und
lwgs:wege 131, 33.
Der Rappolst. Parz. kennt das elsäss. der für dar, das nach
analogie zu her gebildet ist, sowie im selben dialekt auch ein har
neben her steht, da» schon von Paul Mhd. gramm.^ § 111 anm. die
richtige deutung erfahren hat. diese har neben her und der neben
dar sleho auch in Kunz Kiste ners Jäcobsbrüdem^ auch diese»
spät-elsäss. gedieht reimt -(Bt nur zu -er, nie zu -^ (s. mar : er
243. 737. 827, :der < dar 433. 523. 531, :her 577. 605. 1115;
«rar/^r 1023, ;d(?r<(tor 615, trojr.-^r 697, ;ä^ 643. 721. 727),
sowie das gedieht auch e und (B zu trennen weifs. i:^ fehlt hier
gänzlich, wie es ja auch im Rappolst. Parz. selten ist K
Dass die Alemannen grund haben, die quantiUiten genauer
zu scheiden, als die Ostfranken und Österreicher, wurde im Ter-
lauf dieser Studien schon des öfteren betont, nicht nur wird bei
ihnen die alte kürze zäher festgehalten, sondern es geht bei ihnen,
vor allem bei den a- und e-lauten, neben dem unterschied der
quantität oft auch ein unterschied der qualität einher, der sich
freilich wol erst mit der zeit schärfer accentuierte. hierin stehn
auch die altern Süd- und Rheinfranken zu ihnen : Stricker, Hör.
vCraun und noch Erlös., Elisab., MHimmelf. Zs. 5.
Rei den Alemannen wird, wie ich oben s. 11 notierte, o
und ö hauptsächlich vor r 4- cons. gebunden, wo die dehnung
der allen kürze also früh eingesetzt hat : die reime von h&rtt auf
parte, warte usw. können wir schon bei Dir. vZatzikh., Ulr. vTürfa.,
Rud. vEms nachweisen, ebenso zeigen nun einige alemannische
und fränkische dichter die bindung -6te;-frre, ohne die binduog
-^;-(T sonst zuzulassen, so an der grenze fränk. und alemvnn.
gebietes Konr. vHeimesf. hinv^rte : hekirie Uimmelf. 966 und später
* diese Terhaltoisse entsprechen der heatigen mda. : im Elsass fällt
heute e, ä und m meist, azw. in beUem d zosimmeo, ^ erscheint als odnes^
(2, dagegen i als geschlossenes i oder örtlicb auch als ie.
MITTELHOCBDEÜTSCIIE STUDIEN 293
in ScbwabeD KoDr. vStoffeln gsv^en : Herten 3780 und am Bodeo-
see das gedieht von den zwei Jobaoseo verkerte : versärie : n^rte
52 1 ojid im ElsassEgeDolf vStaufTenberg miirt : verz^t 27. wir wer-
deo hAren, dass auch Wolfr. auf diesem altera standpuuct steht.
in Augsburg ireilicb muss Ulr. vTttrh. -ert und nicht "^4
mit 'in hiodeu , a. verkirt : wert adj. Trist. 562^ 25. wir haben
ja gehört, dass die offne qualität des S über Baiem hinausgreift
ond auch den Östlichen teil Schwabeus erfasst.
w:e konnten die altern Alemannen überhaupt nicht reimen,
denii erst f päter ßlllt die qualität von ä (cb) und i hier in manchen
gegenden io eins, die Jüngern Hochalemanfien fügen sich der
oben für die Franken formulierten e-regel. nur ist zu bemerken,
dass diese Alemannen in noch viel weiterm mafse als die ^ und
(Bj ^ und € im reim überhaupt scheidenden Mitteldeutschen un-
reine bindungen von i mh ce und ^ mit? zulassen, die compacte
masse der diese laute trennenden reime beweist auch für sie die
Unterscheidung als regel, aber die anzahl der als ausnahmen zu-
gelassenen, unreinen bindungen ist bei ihnen meist beträchtlich.
sehen wir uns zb. den gebrauch Walthers vRheinau an, dessen
eigenart weder aus den Zusammenstellungen VOgtlins s. 25 noch
Haufifens Anz. xiv 38 ganz klar wird. Walth. reimt -^r- rein in
sich 105 mal, -ar- in sich 125 mal, unrein -^e:-<Bre nur 20mal;
ebenso reimt er -^- rein in sich 17 mal, -er- rein in sich 58 mal,
onrein -^-;-er- nur 3 mal (42,7. 120,48. 156,4)2. ebenso
reimt er natürlich nun auch meist qualitativ i*ein '&r:'^r und
'9r:-iT^ uzw. dieses 8 mal 3, jenes 46 mal; 2 mal reimt er aber auch
-eri-tr^ uzw. %^:%r 198, 23 und gerM : hßrt 'humus* 264, 18.
Sowie die weslmd. und spätalemann. dichter verhalten sich
schliefslich auch die ostmd., soweit sie S und cb scheiden und
Unge mit kürze binden, auch bei ihnen also entspricht im reime
dem e das f, dem (B das S. so bindet Heinrich vFreiberg
m^.'Sr, her, der, ger Trist. 11. 63. 2167. 2483. 2851. 3241.
3275. 3593. 3983; marntBr,, kerkcer usw. :er, her usw. Trist.
* der Verfasser der Gonstanzer liebesbriefe (Lieders. i) reimt schon
aocb mer.sw^r 21,73 neben lert : erwqrt 16,43, verrSrt : wqrt 17,27, s.
EHeyer Anz. xxv 3"3. * von erb-, -erk-, -err- and -erd- sah ich
dabei ab; nur -er, -er/, -er/&(ra) und -em sind gezählt.
3 A'e>.OT^r224,3, iwer ; Äfr 275, 24; Arern .w^rn 136, 51, iem:genqm
141,41; verkert : wqrte 159,43, bekert : erwqrt ^ , {^i , geert : widervqrt
2S8, 3, gelert : unversch^rt 52, 47.
294 ZWIERZINA
1541. 2377. 2381. 3000. 4057.4361.6343.6847, vruhtboBr : er
Trist. 6873, gebcerde : erde, werde Trist. 311. 1191. 1707. 1867.
3013. 5317. aber mSr, sir, Mr, h^r usf. werden bei ihm nur in sich
gebunden, nie zu -cer oder zu -er, freilich auch nie zu -^. im
gedieht vom hKreuz stellt er neben wcer : er Pf. Ob. 129,285
auch ein s^r : her 129, 243, wenn die stelle richtig überliefert ist.
Auch das schlesische gedieht von Ludwigs Kreuzfahrt
trennt ö und CB im reim genau, denn die bindungen des ind.
prüt. von hdn mit -cete sind nicht mit Kinzel Zs. f. d. ph. 8, 381
für den md. zusammenfall des CB und ä heranzuziehn. dieses
hcBte für ind. und conj. ist eine echt md. form, und ich begreife
nicht, wie Elster Beitr. 10, 111 sie als markant obd. und Mte als
md. bezeichnen konnte, gerade das umgekehrte ist richtig. Mte
und h^t eignen neben hiete und hiet am öftesten Baiern und
Österreichern, der ind. hceie (neben het und h^Ue) aber, der zb.
zu den rheinischen eigentUmlichkeiten von Gotfrids und andrer
niederalemannisch gehört, steht ua. auch für die rheinfränk. Erlös,
und Elisab. fest, die ja te und ^ auch nicht mengen, und auch
Herborts Mie geht wol auf hcete zurück, nur dass diesem dichter
nun tatsachlich a und i in eins fallen, ebenso ist hcete für den
Renner, die Minneburg und andre md. gedichte gesichert, auch
f und e trennt Ludw. Kreuzf. nur das e in helt 'vir fortis* ist
dem Verfasser indifferent, denn nur dieses reimt er sowol zu c
(zb. 4876 uö.) als auch zu e, s. h^lt:feU 'campus' 475. 4176.
6726. 6902, : gezelt subst. 6192. sonst weifs er den typus -fft
vom typus -elt zu scheiden, aber hell ist ihm nur ein littera-
risches wort, es fehlt seiner mda. und er weifs nicht, wie man es
spricht, über gegen .-egen s. unten.
Die reime zwischen ^ und ^ in Ludw. Kreuzf. zählt Kinzel
aao. s. 380 auf. es sind noch hinzuzufügen m^r:h^ ^exercitus'
1546. 1824. 7090, :w^r 3240, ferner unversärt : v^rt 652. in
allen diesen fcillen — es sind nun 18^ — reimt ^:§, dagegen
bringt Kinzel s. 381 drei bindungen von unervart : wert adj.,
wozu noch heswasrt : wert 804 kommt^. also (B:e (dieses nur vor
^ denn es zahlt natürlich Gunthar : herzesSr 3128 und ff^alth^r : mir
1692, aber nicht, wie bei Kinzel, auch Günther :w^r und s^r, Walth^r
: h^r, diese bindungen sind auch quantitativ rein.
' im heutigen schles. dialekt freilich fallt a mit f quaUtativ zusammen,
^ wird helles d und i ein i-lant, s. Braune Beitr. 13, 573, Drechsler Wencel
ScherfTer s. I2f.
HITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 295
f + coDS.) wie ^ : §. tomne : s^ne 7632 widerspricht dem nicht,
deoo es zeigt sich darin die ausgleichende wUrkung des nasals,
die wir oben s. 291 auch für den Büheler festzustellen hatten.
Schliefslich erwähn ich noch Heinrichs vKrolewitz
Vaterunser. S und w bleiben getrennt, ebenso ^ und e, aufser
506 üifTS ; ir$ < er tst. mit ungleicher quantität ist gebunden
her:xe iD^r 664, m^r:tD§r 2322, ;A^rsubst. 1741. 2001. 4877;
dagegen ze 9war:etewer 4607, wuocherwr : gewer 4445, bewcert
:gegert 1378, swcerden : erden 3187, : gewerden 4734. besonders
herrorheben mochte ich die bindungen sl^ht (nicht reht, kneht!)
:viht 218. 229 und $lit<$Ifhet: beetät 4244, welche leUtre die er-
gänzuDg bildet zu der art, wie Ulr. vEschenb. sich zu i<ehe stellt.
Die biudung von ä und e. — die Unterscheidung der
beiden umlaute des a, des altern (^) und des jungem (({), gieng
aus von der erscheinung, dass die beiden mhd. e, umlauts-e und
altes e, in gewissen worten und Stellungen von dichtem, die die
zwei laute sonst im reim genau auseinanderhalten, miteinander
gebunden erscheinen, s. Gramm, i^ 139 f, bes. die reime von ge-
däkte, dhte, fnähte(n) zu rehte, knehte{n), v6hte{n) waren mafs-
gebend, s. Franck Zs. 25, 221. 224. heute wissen wir, dass wir
nicht annehmen dürfen, es sei bei solchen dichtem, die -dhte
und -ehte, phdrt und -ert, wälde und vglde nicht aufeinander
reimen, das ä in den genannten Stellungen und werten etwa mit
dem alten umlauts-^ zusammengefallen und im verein mit diesem
von offenem e unterschieden worden, sondern wir werden im
(Gegenteil zu dem Schlüsse gedrängt sein, dass bei diesen dichtem
das d noch eine weit offnere qualität gehabt habe oder das e
weniger offen gesprochen worden sei, als bei den andern, dass
d und € also getrennt blieben, weil d offner war als e, nicht
weil d mit dem geschlossenen § zusammengieng. man wird die
Untersuchung für jeden einzelnen dichter vor der herausgäbe seiner
werke zu machen haben, reimt er d und e, dann mag man,
wie man es bis jetzt gewohnt ist, ruhig geslehte, mehte, ehte, phert,
eme, weide usw. drucken; reimt er d aber nur in sich und nie
zu e, dann dürfte es sich empfehlen, das von den obd. hss. ja
ohnedies, wenn auch selten consequent, gebotne d für den zweiten
Umlaut im normalisierten text durchzuführen, auch in worten
natürlich, deren d durch keinen reim bewiesen werden kann:
296 ZWIERZINA
also etwa auch in tägdieh, väterlich, mdnnegUch, mägede,gäru>en,harwe
usw. eigeutlicb müslen wir für jeden dicbtert für den wir m und ^
durch die schrift scheiden, auch d und e auf diese weise sondern,
und umgekehrt etymol. cb und S durch S widergeben, wo uns die
reinoe nötigen (K als e (•» e) anzusetzen, s. darüber auch o. s. 285.
Eine anzabi Schwierigkeiten bleiben freilich bei jedem dichter
in bezug auf die aufleilung von ä und §, wo der reim nicht ent-
scheidet, zurück, diese aufteilung ist ja in den sämtlichen heutigen
dialekten durchaus nicht glatt und historisch consequeot durch-
geführt, eine der consonantverbindungen, die am sichersten zu
den alten umlaut hindernden gerechnet werden darf, ist zb. rw
und der dialekt, der heute noch ä und ^ am weitesten ausein-
anderfallen lässt, ist der bair.- Oster. : und dennoch gehn auch
hier die einzelnen worte in bezug auf den eintritt des umlauts
auseinander, im Wiener dialekt heifst es heute ßrbm ^f^rben'
(fdrbln, ein kartenspiel, hat secundären umlaut — di. hohes ä —
wegen der Jüngern denomination), hingegen hdrb *böse' für mhd.
hdrwe. das t entspricht vor r dem mhd. ^, das d dem ä, ebenso
heifst es im tirolischen zu Imst zwar hdrb, gdrwd^ aber wider
förvod (ö < ^) neben fdrw9, s. Schatz s. 42. 43. Schmeller-From-
mann belegt dagegen aus Baiern nur gdrbm i 934 und farbm 750.
dass aber das § einzelner mdaa. nicht ganz junge entwicklung
ist, beweisen die reime mhd. dichter, die älteren unter ihnen
können '^rwe- resp. -ärtce- ja immer nur in sich reimen, also
das § nie beweisen. Jüngern Baiern und Österreichern f^llt aber
u) und b nach r schon in eins und von diesen, die doch, wie wir
überall sehn können, ihre e-lauie streng nach ihrer mda. reimen,
ä von ^ und S also sondern, reimen einige -^betK-^rwen mit
^ben, $t^ben schw. verb, verd^ben schw. verb usw. mit altem
umlaut also^ mit geschlossenem ^, nicht mit brechungs-e, denn
^ben, verd^ben weisen m. w. zu keiner zeit und in keiner mda.,
trotz der r-verbindung hinter dem vocal, ein d aus. so find ich
beim bairiscben fortsetzer des Lohengr., der ä nur in sich reimt,
sowie (B nur auf cbS v^bm:bid^ben 278, 2777, :verd^ben 742,
' die beiden bindungen er brat <i hrehet : tomt 548,5474, brcsn<i
brehen : wan 498, 4978 bedeuten keine ausnähme : hier beweist der e-Iaut
der 3 sing, schon, dass wir es mit einem schwachen brähen zu tun haben,
bei dem ä für ^ als wörkung des h (säher, äher) oder wegen erst späterer
ableitung eintrat.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 297
7413, gmf^rba:an ^bei 309, 3083 und beim Teichoer, dessen
a<iDhd. a darch reime auf österr. (i<mhd.^(m feststeht, v^het
:prb^ Lieders. 210, 53 oder es reimt der Vintler h^ 'berwe* zu
mpr 6954 neben ad?, harhiniarh 7582.
Ferner steht folgendes zur erwdguug. dass im piur. vou
»oft ^ in tfme, welches wort eine Sonderstellung einoimmt^ schon
weil die r-?erbindung hier auch im md. umlaut hindernd gewürkt
hat, in ffärt zweiter umlaut gilt, können wir, selbst wenn wir von
den gegenwärtigen mdaa. abseben, für die mhd. zeit dadurch con-
statieren, dass diese worte von md. dichtem auf -^/de (veUe, müd$\
-eme {gime\ -irt {wirt, g&rt usw.), von den obd. aber, die auch
d und e auseinanderhalten, wenigstens nicht auf -fMe {h§lde, s^lde),
'^me, -frt (i?(T(, to^t, verz^, em^t usw.) gereimt werden, für
den umlaut des a vor ht haben wir sogar nur die md. controle,
denn das fehlen apokopierter -dhi im reim auf slfhi * schlägt',
twchi ^wascht' kann nie auffallen, nun würken aber von den
consonantverbindungen nur no und ht, hs auch im md. umlaut
hindernd, s. Braune Ahd. gramm.' § 27 anm. 2^ wahrend die
andern r-verbindungen und die Z-verbindungen nur auf obd. ge-
biet und auch hier seit der mhd. zeit nur in gewissen worlen
omlautbinderod würken. vor rr zb. steht einem obd. ä im md.
nicht das offne e (■» e) des zweilen umlauts, sondern direct das
geschlossne ^ des ersten umlauts gegenüber, hier kann uns kein
sperren, zerren, denen im reim zu gewirren, virre usw. bei md.
dichtem den zweiten umlaut demonstrieren^ denn die md. kennen
vor rr nur den ersten umlaut, geschlossenes §. anderseits kann,
da im bair. - Osterr. umlaut des a vor rr ja theoretisch in jedem
fall auch ä sein könnte und hier wider ä : i nicht reimt^ der
umstand, dass bei den bair.-österr. dichtem die genannten worte
in ^erren immer nur untereinander reimen, weder für ^ noch
fDr ä etwas beweisen, daher ist es nicht unbedenklich, wenn
wir heule überall nur sp^en, z^en, d^en ansetzen, denn
auch vor rr wechselt heut im dialekt je nach dem wort und je
nach der eiozelmda. d<d und t (resp. o, ^<^. in Wien sagt
man Iptni, was für gperren mhd. ^ voraussetzt, aber zdm für
> das ä in wälde ist nicht würkaog des /-{-cons., diese gibt es ja
im md. nicht, sondero durch walt beeinflusst. der t-plaral vielleicht über-
haapt erst spätere bildaog, das ahd. kennt nur den a-plural, heutige Österr.
mdaa. weisen jedoch nach mhd. ^.
298 ZWIERZINA
mhd. zerren di. zärren und ddm, därt für mhd. derren, gederret
di. darren, gedärret. ebenso verzeichnet Schatz für Imst einer-
seits spörrd ((7<mhd. f) und auch dörrd, aber wider tsdrrd, aao.
8.41. 43; s. auch Schmeller-Frooimann u 681. i 530. ii 1146.
Anderseits ist es direct unsinnig, wenn jetzt zb. Michels im
Mhd. elementarb. dem teuren Mautgesetz' zu liebe Schreibungen
wie käue, wärme, wärmer , wärmen oder gar gevärte und härte
durchführt, hier beweist der consens fast aller obd. dialekte und
noch dazu die reime der mhd. dichter selbst, dafs das ä dieser
rein construierten formen falsch ist. ^kälte' und 'wärme' ist im
ganzen Osterr. dialekt, soweit ich einblick habe^, und, wie die
mundartenmonographien mich lehren, auch im alemann, mit dem
dem ersten umlaut entsprechenden e verbreitet, der Teichner zb.,
der nie und nimmer sein ä (di. d) auf ^ hätte reimen können,
reimt ruhig keU§ : erw^Ü Lieders. 85, 13 und für gev^te und h^rte ^
stehn uns bei den dichtem die für ^ inappellabel beweisenden
reime zu n^rte^ erw§rte^ verz^te usw. in fülle zu geböte, so bei
Hartm., Ulr. vZatzikh. Fleier, Mai usw. bis auf Ottokar, Seifr.
Helbling, Suchenwirt und Teichner. auch k^rge, §rge : sch^ge^ v^ge
finden sich des üftern (s. zb. MHelmbr. 1647)^.
Gegenwärtig unterscheiden sich etyrool. ä und etymol« e ihrem
klang nach aufser auf dem gebiet des bair.-österr. auch in den
schwäbischen und in einem teile der hoch- und niederalemannischen
mdaa. Heusler vertritt Germ. 34, 127 f die ansieht, dass die beiden
laute in mhd. zeit im gemein-alemannischen noch getrennt waren
' 6. auch Schmeller-Frommaon ii 1000, nur an der Obef-Isar heifst es
wdrm^ comparat., warm subst., wdrma verb.
^ in Österreich sagt man auch /urtn *bärle', hirf^ ^härter', die schmiede
hirin den stahl (Waidhofen a. d. Ybbs), s. auch Schmeller-Frommann 1 1 167.
mit d vor rt kenn ich in Wien nur ^drtn *gerte, virga', s. auch FSHugel
Der Wiener dialekt, Wien 1873, 8.65» Schmelier-Frommann i940. der plur.von
bort hat bei Ottok. und Enikel schon ä, bei Heinr.vMeik noch ^ (Erinn. 221).
' auch heute heirst es in der mda. irg9m, irg9r 'irgern, ärger' mit
t <mhd. ^ in Wien oder örgar, örgora im tirolischen zu Imst (Schatz s. 42);
also nirgends d <, mhd. ä vor rg, s. auch Schmelier-Frommann 1 141. merk-
würdigerweise setzen Ottokar und einige andre das e der reimsilbe von
h^berge als umlauts-« an, uzw. constant, wodurch die annähme unreinen
reims ausgeschlossen wird, hier ist wol das tieftonige e vor r -(- muta von
dem hochtonigen ^ vor r-j-muta, das vorangeht, mitgerissen worden. —
[s, ferner österr. i*ml < ^rmel, mi^kn <C m^ken, Hi*k* <C starker bei
Gärtner Zs. f. hd. mdaa. 1, 143. 145 udglm.]
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 299
aod erst durch jüngere sonderentwickluDg io der mehrzahl der
alemano. sonderdialekte zusammenfielen, mir scheint Heusier
seine ansieht aao. woi begründet zu haben und ich glaube, dass
sie der Wahrheit sehr nahe kommen wird; ob nicht in solchen
niederalemann. gegenden, die auch sonst in ihrem dialekt merk-
male frdnk. sprachfärbung zeigen, dh. mit den benachbarten süd-
uod rbeinfränk. dialekten gewisse Spracheigentümlichkeiten teilen,
d und e seit alters nicht geschieden waren, lass ich dahingeslellt.
sicher ist, dass gegenwärtig in allen fränk.^ thüring. und ostmd.
gegenden ä und e durchweg gleich lauten, s. vBahder- Grundlagen
des mhd. lautsystems s. 110. sowie in Hitteldeutschland der umlaut
des langen d bis zum klang eines ^ vordrang, der sich in vielen
gegenden aber von dem geschlosseneren laut des altern ^<;at noch
unterschied, nicht einem gelängten ^, aber einem gelängten e gleich
stand (s. oben s. 2800« so drang hier auch der secundäre umlaut
des kurzen a nicht nur bis zum oberd. überofTnen d vor, sondern
bis zum offnen e, welches sich vom geschlossnen ersten umlauts-^
zwar noch deutlich unterschied, mit dem offnen e aber im klang
zusammenfiel, schon vBahder vertrat die ansieht, dass der zusammen-
fall von d und ^' schon in ältester zeit gemein-md. war: diese an-
nähme wird durch die reime der alten gedichte voll bestätigt.
Bei einer die einschlägigen Verhältnisse aus den reimen mhd.
dichter betrachtenden Untersuchung handelt es sich hauptsächlich
um die bindungen von gesldhte, mdhte^ dhte^ gebrdhie, von phdrt^
dme und allenfalls wHde. besonders die absenz der bindung von
phdrt (einem wort, das in keinem epos fehlt) zu wirt adj., danwert^
kinwirt, gewert^ girt usw. ist wichtig i. dass jihdrt nie zu v^^
verz^, em^rt, erw^rt reimt, ist selbstverständlich, das fehlen
von bindungen des worts gesldhte ßiUt immer auf (;r^Are, knihle,
vihte) und macht es wahrscheinlich^ dass der betreffende dichter
d und e geschieden hat. Sicherheit bringen dann jene dichter,
die zu mac das prät. in a bilden, hier beweist erstens die absenz
eines mdhteirihtt^ knihte usw. die für die dichter vorliegende
Unmöglichkeit sich des bequemen reims zum auxiliar zu be-
dieuen auf das deutlichste, und zweitens ist dann in gleicher
richlung beweisend die allenfalls erkennbare trennung der bindung
mdhte : gesldhte : dhte von der bindung rihte : knfhte : vShte.
* für manche dichter braucht freilich die aus phärfrit, phärit ge-
kürzte reiffiform des Wortes noch nicht die geläufigste gewesen sein.
300 ZWlEßZINA
Schon Heusler hob aao. «. 130 hervor, dass ilie reime von
'ähte.'ihU bei deo äitera AieoiiiDueD weites sind und das« die
weoigeD, die sich fiodcD, kaum genau aein dUrHen.
Hartmanu «literscheidet ganz genau, phdrt reinst bei ihm
nicht, dme kommt nicht vor, aber im Er. und fireg.» wo er mdue,
eonj. mähte neben ntoA/e, coja^mtfA/e bildet, reimt er «ein mähte nur
auf gedähte Er. 4522. Greg. 1107. 1325 und trennt diese bindung
strengstens von der von knehte : rihte : dihte adv. £r. 350. 365.
1064. 1502. 1602. 1614. 1790. 2070, 2384 usf. (29mal ailesn
im £r.I). der ty^nis -ehte hätte für gedähte uod mälue bedoitend
mehr reimmOglichkeiten geboten als der typus -dGtoe, und •dennodh
reimen geslähte und rndhie nur in sich, ja geslähte^ fttr das im
Iw. das reimwort fehlt, reimt dart gamJcht mehr, da 4ie hindung
mit rehte und knehte für Hartm^s. dialekt unmöglich ist.
Genau so wie Harim. trennt auch Flectk 4 und €. auch er
bildet das prät. makie-mähte (s. Sommer zu Flore 382) und auch
er reimt den conj. mälUe nur zu geslähte (Flore 667. 1683, 3831.
7067. 7123), nie mAte oder geslähte zu räUe, knäkU, die natür-
lich auch bei ihm untereinander sehr hfiufig reimen.
Auch bei Ulrich vZatzikhoven heilst das prät. von mac
im iud. meist mahU^ s. Lanz. 1861. 2023. 2145. 3817. 6547. 6583.
6615. 6693. 7739. 7749. 8899 S viel sekner mohte 159. 4165.
4509. 8167. 8879. der conj. aber reimt nie als mihte^ sondern
nur als möhte (resp. mohte): 5861. 6793. 8711. 9035. 9413.
warum? ich denke, weil der dichter^ der »ur faiUme (2359. 3331.
5095. 5249. 9243) und daht^ dahte (4105. 4123. 4813. 5381.
5821. 8523 nö«) reimt, das wort gedähte zu seltea (a. aber im
innem 5749) anwendet, als dass er damit zu mähte tkk bequemes
reimwort zur Verfügung gehabt hätte, dann hat er aber rähte,
hiA/e, vihte(n) mit andeitn e-laut gesprochen als »({A/e. in dem
wehten des Verses 1774 ^ (der gefiingene sagt So wä ick gemer
vehten Dann ich langer müexB wehten In dbre vinstemme) können
wir also kein wähten (zu wakte)^ sondern nur ein wehten vor uns
haben, an ein solches st. verbum wihten hat wol auch Hab«
(s. anm. zur stelle) gedacht, wenn er auf Pass. H. 99, 54 (di. 66**
' Ulr. kennt, sowie Hartm. in bestimmten partien seiner werke (s.
Kraus Abhandlungen z. gerro. phii. s. 1500 neben mähte auch ein wir
m^fftn 3283. 6638. 7025, ir m^et 347, das Fleck und Golfr. fehlt.
* 8. Heusler aao. s. 130.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 301
der Im.) verwies Und vo» dabi tac und» näht Da man mit argen
Usiem umkt, Wü man in gevtenge Und an ein kriuze hienge.
wihie, wehten, waht Uefse *sich abmüben'. dieselbe bedeutung
hal e» auch aa der drilten stelle, wo es Torkommt, in Welzels
Marg. 794. dort bittet die heiF^e Gott um bilfe gegen des teufeis
imgminde^ Bm mit in selben vehtent Und zaüen zitem wehtent
Widm dinm huMen. auch Wetzel kennt sonst keine bindung
V4» ä:€^ ist wehten ein an vihien angeglichenes wehen? wider
»ehe» DrsL 123, 54, s. ubarwehenGnä i 701, subst widxrwehe
Mhd. wb. Hl 6&0', faner Neidh. 54, t9^ La.
mähte (ürst. 116, 75. 117, 59. 121, 75, 124, 26) neben
mähte (Uinunelf. 95, ürst. 119, 6- 125, 65), mühte (Urst. 117, 1)
ist auch Konr. vHeimesfurt geläufig^, und dea couj. mähte
reimt auch er nicht »uf rdite odier ÄrneA^e, sondern iu oberd. weise
auf mit überbrähte Drst. 121, 67.
Bei Ulr. vTürheim reimt dasselbe mähte^ zu gesldhte
Rennew. Zs. f. d ph. 13, 130% 27 und nie mähte oder gesldhte zu
kmehte usw. aycb Ulr. vTünb. hält also ä und e auseinander ^
und ebenso bindet Hud. vEms nirgend diese beiden laute.
Bei den spätem AI enrannen tritt verwicrung ein« ä und e
zeigen auf aiemaon. beden offenbar schon früh neiguag sieb
eioaocier zu nähern, sowie sie heute hier gröstenteils zusammen-
gefallen sisdi. die bindung äme: gerne in der gFrau 381 aber
^ ebenso wir megen ÜTSt. 1^4^ 59. 115, 4d. 122, 75,. ir meget 116, 57,
«onj. mege Himmel/. S71, Urst. 110,^50, megen Himmelf. 653 neben miige
Crst. 103,7. 115,7.
^ über mahle, mege bei Ulr. s. Kraus aao. s. 152. füge aus dem
Renoew. hinzu mähte Germ. 16,1,13. Lohm. 798, mähte Zs. f. d. phil.
13, 130«, 27, m^gen Pf. Üb. 46, 409. 50, 803. Z». f. d. phil. 13, 130«, 55,
mägen 2sk 38, 61. Alem. 17, 184. 279*
3 merkwürdig bliebe dann värten, prät von värwen, : lerten Rennew.
Pf. Üb. 47,518. denn v^rten etwa nacfh dem s. 296 gesagten dürfen wir
nicht ansetzen, da Ulr. in ostschwab. art e, nich ^, zu ^ bindet (s. oben
s. 293). aber ich glaube, dass an der betreffenden stelle die la. der von
Pfeiffer gedruckten Beidiiberger hs* DU zäher ir ougen värten» Zwei dinc
düx leii lerlen : Ir triuwe unds WiUehalm Gäben ir des leides galm Und
künden sie an freuden letzen zu ändern ist in Die zäher ir ougen värten.
Zwei dinc sie freuden lisrten usw., s. Parz. 503, 1. der reim värten: ItBrten
könnte dann so wenig auffallen wie Ulr.s parte :h6rißy wort .-gehört, wert
hekert, ». obeo s. 11, und bewiese nur die überaus offne qaalität von Ulr.s
ä, die andern bss. dea Rennew. werden hier wol ecst Sicherheit bringen.
302 ZWIERZINA
schreib ich noch den zahlreichen Tränk, merkmalen der nieder-
alemann, spräche dieses gedichts bei, von denen \^ir noch hören
werden (here, sint, geltch^ aZy seltenes gueit usw.).
In Hugo vLangensteins Martina reimt nur geslähte.'-ehte
191, 51. 207, 61, die andern -ähte reimen nur unter sich oder
zu geslähte. vielleicht nahm in seinem dialekt gesldhte dieselbe
doppelstellung ein, wie wir sie für dieses wort bei den spätem
Österreichern zu constatieren haben werden, s. 30, 14 gebrähte
(sie) : gesldhte, 47, 75 erphdhten (sie, s. 52, 1. 81, 12. 268, 50.
279, 31) : spähten (zu späht, vgl. auch spähten : brdhten Heinzelin
103, 83), 56, 7 phdhte (sie; dat. von phaht, s. 47, 75. 52, 1) .ge-
slähte, 77, 19 ähte numeral iphähte. dagegen find ich den reim-
typus -ehte 29 mal in sich verwendet.
In Konrads vStoffeln Gauriel reimt zwar 3915 ähte
numeral : gebrähte, aber auch 686 gebräht : kneht.
Walth. vRheinau macht zwischen ä und e keinen unter-
schied mehr, er bindet geslähte : rßhte 17, 23. 132, 38, mähte conj.
zwar 148,19 zu gebrähte, aber 180,41 zu rehte, gemähte suhsl :rehte
115, 28. zu seinen bindungen von ä:e gehören auch die reime
von {en)gegen : phlegen 143,37, :d^gen 207,1. 271,19, : sägen
227, 43, : wegen 72, 47, :gewegen 276, 30, .gelegen 177, 52 und
gegen subst. .gelegen 5, 25. etymol. ä:ä reimt in engegen : kUgen
(aus klagen später umgelautet) 144, 31. nie reimt {en)gegen (oder
klegen) i-^gen, sonst aber trennt Walth. e und ^ vor ^ durchaus:
er reimt legen nur auf wegen 210, 25, megm 37, 6 und siegen
79, 72 und siegen sonst nur auf regen verb 163, 17.
Auf dieses mhd. gägen < gagani , das neben gfgen<gegini
und gagen<gagan steht, hat man bisher kaum geachtet, dort
wo ä und e nicht gebunden werden, ist es ja fürs mhd. schwer
nachzuweisen, bes. wenn der dichter daneben etwa auch noch
gegen gebraucht, bei solchen dichtem aber, die ä mit e binden,
während ^ von e getrennt bleibt, hebt es sich deuthch aus den
reimen heraus, so bei Lampr. vRegensburg, dessen deutsch nicht
das Regensburger deutsch ist : dar gegen : regen subst. Sion 21 84^
sonst nur gegene : engegene Fr. 2764. 4869. in Ludw. Krzf. reimt
gegen zu phlegen 1846, zu erwegen 1494 und begegent : ges^geni
^ soDSt trennt Lampr., hier wie so oft im gegensatz zum bair. ge-
brauch, ^ und e vor mnta ganz consequent, s. Sion 530. 1035. 1749. 2322.
2831. 4259, Fr. 2368.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 303
6720 9 aber A^gen nur zu r^gen verb 7398, bei Ebern. vErf.
reimt €mkegm:degen 383, .gelegen 1763. 1933, aber gelegen nur
XU geregen 2669, A^(n) ; entsebe{n) 4169. 3785, verhebet : entsebet
4647, reda : verphedet 4399.
Was die heuügeo mdaa. anlaogt, so verweis ich fürs ale-
manDische Waltbers etwa auf Blaltoer Ober die mdaa. des cau-
tons Aargao s. 51 , wo mhd. gegen mit dem sonst e und ä ent-
sprechenden laut nachgewiesen wird, fürs fränkische etwa auf die
mda. TOD Handschuhsheim, das keJ9 spricht, nicht keij9 (s. Lenz
Vergl. wb. s. 26 s. v.) , während in der mda. e dem gedehnten
ä und e, gedehntem ^ aber et entspricht, s. oben s. 283.
Sowie ftlr Wallh. vRheinau gilt auch für Bon er ä und e
schon als identisch. 10^ 15 reimt bei Boner zwar gesWUeige-
krdkie, aber 7,23. 95,7 gebräht : r'eht , 12,21. 49,83. 71,25
geddhi:reht, 76,39 bräJuireht.
Am frühesten ist natürlich bei den Elsässern, die den
Md. zunächst stehn, ä und ^ zusammengeworfen worden.
Dass Gottfrid makte mähte neben mohte i7i(7A(e setzt, ist be-
kannt, aber er reimt sein mähte, das einzige mal, wo er es in
den versschluss stellt, noch auf ^es/dAre 1487, und auch dieses
gedähte reimt er nur hier, niemals reimt er die beiden zu rehte,
kmdUe oder zu diu vehte, einem seiner lieblingsworte ^ aber
Trist. 3731 reimt Gotfr. phärt:gert. er behandelt also das ä in
diesem worte anders als das ä vor ht.
Spätere Elsässer, wie derStauffenberger {s. phärt : beg'ert
181, : swert 195, : wert adj. 449. 773; gesläht : reht 653) oder der
Rappoltsteiner Parz. (s. |)Ad(r/;u)erf 130,26 usf.), reimen ä
aod e natürlich ganz unterschiedslos, das müssen ja alle jene
AlemanneD tun, die sich auch darin md. gebrauch anschliefsen, dass
sie neben S:^ die bindung tB:e stellen, s. oben s. 293.
Der Bob ei er möge uns von den Alemannen zu den Mittel-
deutschen hinüberleiten, er reimt a'.e in mähte dat. : rehte Diocl.
9079, gebrdhte : knehte Diocl. 1269, geslähte : knehte Diocl. 5615,
Kgst.3 3213, trähen: beschauen Diocl 1980. 2775. 4753, Kgst.
^ 16977 ist mit Bechstein slefUe als das von Gotfr. selbst gebildete,
im Tergleich zu «A'A/« jaoge femininabstract zu sieht (8.2570!) zu nehmen,
oicht mit Grimm Gramm, i^ 140 als stähle, den dat. zu manslaht bildet
Gotfr. sogar ganz ohne umlaat, manslahte : ahle 10397.
' Ton der Königstochter hab ich auch hier nur v. 2000 — 4000 ein-
bezogen.
304 ZWIERZINA
3504, '.gesehen Diocl. 2283. 2923, Kgst. 3049, phärt:wert Diocl.
2059, iswert Kgst. 2816. davor tritt die etymol. reioe bioduDg
von ä:ä gaoz zurück, s. nur mähte gen. igeslähte Diocl. 4037,
mähte^ conj. prät. voo machen, : gesläkte 4053.
Bei west- und ostmd. dichtem ist aber nun die bindung von
ä:e ganz allgemein, und ihr verhalten lehrt uns erst die absenz
der einschlügigen reime bei den altern Alemannen und bei den
Baiern-Österreichern richtig würdigen.
Bei Her bort reimt ^esMAfe : rebe Trojkr. 677. 2639. 4083.
5939. 6213. 6607. 8391. 8523. 9159. 9185. 10081. 11141.
11515. 11975. 13803. 15133. 17480, :knehie 1579. 6067, :vehie
1617. 3079. 7929. 14364, ferner phäft : wert adv. 7687. 9025.
12985. 16066, ; wert adj. 8157. 8489, ; swert 4745. 7595. 7815.
8699. 8731. 9043. 11309. 11569. 13161, phdrde : durch unwerde
13215, phärden : üf der erdm 9170. 12663. 12699. 14763, femer
wäldt : ze gelde S257.
In Ottes Eraclius reimt gesldlUe : rehte, unrehte 660. 1431.
4673, phärt:gert 1547, : gewert 2863.
Im Mor. vCrau 0 gemähte^ conj. prät. von machen:rehte 1743,
daneben gemähte : geslähte 1137.
In MHimmeir. Zs. 5 geelälUe : knehte 77, :rehte 462. in
Erlös, und Eiisab. phärt.wert adj. Elis. 229, :Wert adv. ErlOs.
3386, Elis. 549. 3621, daneben geslähte : gehrOhie Erlös. 2755.
Auch im Ernst D, der sich zwar einige q:e gestattet, die
beiden laute aber in der regel noch auseinanderhält (s. s.282), reimt
ä:e ohne zwang, s. geslähte : rehte 3797, phärt:wert adj. 1123.
1851, fhärden : werden 5254, und ebenso bei Ulr. vEschenb.,
der, wie gesagt, mit Ernst D einerlei spräche reimt, geslähte : ge-:
rehte Alexand. 1079 uö., :knehte 2809 uö., :rehie 3059. 3731.
5513 uö.; phärt.wert adj. 1658. 1697. 2929. 6080 uö., :iwert
3425 uö., phärde : werde subst 1221 uö.
Auch Lamprecbt vRegensb., der, wie schon Rosenhagen
bemerkte, fränk. and nicht bair. reimt, bindet ähte nameral ; rehie
Fr. 1076, gehrähte: rehte Sion 4241.
Reiches material bietet wider Hugo vTrimbergs Renner, hier
reimt, wahrend ^ und e streng geschieden bleiben, geirähte : rSkte
920. 4109.13196. 14488, geslähte ihahte 1412, :{%n)r&Ue 1700.
1706. 5111. 15588. 17608. 23290, äJue numeral ; rf *le 7482,
gebrälue:rthte 2252. 3809. 15876, iknihie 5535. 8118. 14110,
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 305
Wäkien Inf. :vehien 6825. 13990. 14106, mdhte(n\ codj. prät.
TOD maehen.rehte 2785. 24320, :knehte(n) 7523. 18928; ferner
phärtsswert 2442. 24004, ; u^err adj. 8885. 12654. 15196, phdrde
: werde Terb 7039, phärden : erden 1094. 1315. 2528. 3743. 13758.
16407. 18138. 19516; feroer wälde{n) : vglde(n) 17604. 19617.
22704, :m€lden 22730^ und endlich särken 'einsargen' (junges
deDominativ Ton sare) : wirken 18092 ^. dagegen steht ä : ä (oder (b)
nur in ähie.nälUe 7497, gebrähte : mähte 9480. 19553, mähten
igedwkien 9670. 24214, geträhte : bedashte 22328, phärt : bewcert
14428.
Von kleineren md. Sachen citier ich noch Adam und Eva
(Gesamtab. 1) geslähte : rehte 222, : kn'ehte 403; Rittertreue
(Gesamtab. 6) phärt.w'ert 185. 499. 735. 859, :swert 199. 206;
Trist, als mOnch (ed. Paul) phärt : wert di9j :beg'ert 445; Sieben
schläfer (ed. Karajan) nähten adv. ; r'ihten 350, äffen : treffen 488.
endlich verweis ich für den KOn. vOdenw. auf die beispiele, die
vBahder Germ. 23, 196 für die bindung von umlauts-e und altem
e zusaoimeustellt. soweit sie geltung haben, ist hier das um-
lauts-e immer ein secundäres, gebrähte : knihte^ phärt:w'eH^ äme
: gime, äffen : triffen.
Ganz ohne scheu und einschränkung bindet auch Konr.
vWOrzb. sein ä und ^, s. Gramm, i' 131. 139f, Haupt zu Engelh.
1611, Weinhold AI. gramm. § 15. er reimt wälde:mlde^ -äht
:äu (fQge zu den beispielen bei Grimm und Haupt noch hinzu
gdnräkte : knihte Silv. 4843, geslähte : rehte gSchm. 45), phärt : -trt
(Troj. 23019), Jäger : leger usf., sprach also sein i und ä nach
md. weise aus, wie maus in seiner heimat sprach.
Von Ostmitteldeutschen reimt zb. Heinr. vPreiberg in
zahlreichen fallen phärt : -ert^ resp. phärde{n) : -ärde{n), uzw. Trist.
1527. 2179. 2195. 3613. 3655. 4191. 4497. 4553. 5009. 5547.
aber Ludw. Krzf. s. oben s. 302, dazu noch geslähte : knehte 1106,
phärt: wert 5614; ebenda über Ebern. vErf., dazu noch einnähte
:knAte 411, gedähte: knihte Hb, gebrüht : kniht 2323. in Hein-
richs vKrol. Vaterunser reimt mähte : rihte 502. 3895, geslähte
: rehte 733, gebräht : kniht 2531, ungehäbe adj. :vergibe 3293.
Den contrast zu den mitteldeutschen bilden nun die bair.-
Osterr. dichter, deren mda. heute noch ä und i ganz scharf
' Die h^ldSy s^lde : velde, melde, wälde.
' aber merken oatürlich nur za starken gereimt
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXH. 21
306 ZWIERZINA
UQterscheidet. ich behaupte, dass in Baiern und Osterreich ä und
e niemals gereimt werden konnten, und dass die wenigen reime, die
dem zu widersprechen scheinen, andrer auffassung unterliegen, was
aus der litteratur des 13 jhs. hier angeführt werden konnte, ist bald
aufgezählt, ich kenne nur mähte, conj. prät. zu megen^ :knihie
Bit. 3981 und phärt.wirt Tandar. 8994, Gar. 16778. also man
merke : ianerhalb der ganzen Osterr. voikspoesie, ferner Koor.
vFussesbr., MHelmbr., Heinr. und Ulr. vTürl., Pleier, Mai, Neidhart,
Warnung, Reinbot, Ulr. vLichtenst., Herrand vWildon, Serv. Zs. 5 ^
Lohengr. 11^ usw., in mehr als 200000 versen nur diese drei
beispielel wie oft hätte in den riltergedichten phärt:wert und
swert reimen können, und wie oft reimen es da Herbort und
Otte! aber der Österreicher kann es, wenn er seiner mda. folgte
nur zu värt<vdrwet reimen, wie Ulr. vTUrh. Wh. 253, 4 dies tut',
die spräche . eines dichters, der sich durch diesen reim allein
schon so deutlich als solchen manifestiert, der ä : e nicht binden
kann und für sein phärt den reim weitab vom gemeinen wege tu
suchen gezwungen ist, wird man wol nicht als ^wesentlich md/
bezeichnen dürfen . denn eines der ersten und untrüglichsten
kennzeichen md. sprachcharakters ist der lautliche zusammenMt
von d (a) und i : die reime von phärt auf -er(, von ge$l(fhtt,
ähte, gebrühte auf -ihte fehlen bei keinem Hitteldeutschen.
Wie der 6ine reim im Bit. zu erklären ist, kann ich ni<At
^ im Serv. Zs. 5 reimt cooj. wähle (za megen) : ähte nomeral 209,
.'dumähte S97, : getlähte 1139, nähte : ähte numeral 3035 und mit Ver-
letzung der quantität, aber nicht der qualitat mähte : bedahte 53. dagegen
rehte : Humbrehte 2165 und trehten 'dominus' ; veA^en 3375, wodurch, wie
schon durch Hartm.s bindung trehten : vehten Iw. 4773. 5013 bewiesen
wird, dass die bei unsern herausgebern beliebte Schreibung trähten nnd
trähtin nicht für alle dichter giltig ist. — ind. mähte im Serv. 118. 680»
863. 2774, mohle(n) 499. 3385; aber nur müge 219, kein m^e(n),
' in den 67 atrophen des md. Lohengr. i findet sich schon ein phäri
: wert 21 , 201 ; in den 700 Strophen seiner bair. fortsetzung kein einziges
und auch die -ähte {-ahte) reimen nur in sich, nie zu -ehte. — ich macbe
etwa noch darauf aufmerksam, dass die bindungen von ä:e, die sich In
allen Reinhartfragment finden, gebrähte : knehte , überbräht : reht in der
bearbeilung 1845. 1871 fortgeschafft wurden, was darauf hinweist, das»
vBahder Beitr. 16, 53 den obd. bearbeiter des gedichts in Baiern richtig lo*
calisiert hat.
3 phärt ist heute in den bair.-österr. mdaa. fremdwort und lautet mit
dem hd. e, nur in der Oberpfals gilt a, s. Schmellet^ i 441.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 307 .
mit bestimmtbeit sagen, ich möchte darauf aufmerksam machen,
dass auCser an der genannlen stelle im ganzen gedieht keine a-
form TOD migen reimt.
Die bindung phdrt:wgrt hat PI ei er an den zwei stellen, an
deäeo er sie überhaupt anwendet, samt den dazu gehörigen versen
aus dem Parz. herübergenommen, er reimt Er huop die küneginne
wert Sunder sehamel (so ist natürlich mit der besten hs., der
bs. h, zu lesen,* nicht Sunder schänden, wie Khull im Tand, in
den lext seUt, s. Steinmeyer GGA. 1S87,793) i^f ir phärt Tandar.
8994 ^ Gar. 16778, weil er hier den Parz. plündert, wo es
89, 3 heifst 5t huop Kaylet, der degen wert. Sunder schamel äf
ir phärt. ich habe schon im Anz. xxii 363 darauf hingewiesen,
dass der Pleier dann seiner mdn. widersprechende reime zulässt,
wenn er die ganze stelle samt dem reim entlehnt. Wolfr. setzt
fhärt (:'irt) in den ca. 24000 versen seines Parz. 15 mal in den
reim, der Pleier in den ca. 53000 versen, die er uns hinterliefs,
nur an diesen beiden aus dem Parz. entlehnten stellen, beweis
genug, dass auch seine mda. das im versinnern so häufige wort
nicht reimen konnte^.
Aber so genau auch die bair.-österr. dichter der altern zeit
d und e zu scheiden wissen, die Jüngern und jüngsten der mhd.
autoren dieser mda. tun es ihnen darin noch immer gleich, nur
muss man die fingerzeige, die der gegenwärtige dialekt uns an
die band gibt, bei der beurteilung ihrer reime mit in betracht
zieheo.
Der frage, wann der Übergang von ä in hohes d auf bair-
österr. gebiete eingetreten sei oder ob nicht doch ä hier seit je-
her mit dem hohen d gesprochen wurde, tret ich zunächst nicht
Qäber. letzteres scheint mir jedoch nicht unwahrscheinlich 2.
jedestalls sprachen Ottokar und der Teich n er d und w bereits
als d, was uns die bindung von ä (und cb) :ou vor labial, die
sich bei diesen dichtem findet, beweist, s. stdb : urloub, geäfft
* übrigens haben sich die altern formen phärfrit, phärft, phäril ge-
rade in Baiern-Österreich sehr lange gehalten, s. Schmeller' i 441; MHelmbr.
reimt phärlt : sit 457.
^ bindungen zu mhd. a können natürlich nicht erwartet werden, denn
a war immer, auch vor seiner yerdumpfung, als reines a verschieden von
dem hohen d, das (nach Heiligs definition Mda. des Taubergrunds § 25 anm.)
mit zurücktretenden mundwinkeln und stark genäherten zahnen gesprochen
wird.
21*
308 ZWIERZINA
:kouft bei Seemüller OUokar s. cxii, äffen : roufen Teichner,
Karajan s. 17, äfft : verkauft Lieders. 223, 31. mhd. ou ist heute
ja in der mda. vor labial ebenso durch d vertreten als mhd. ä
und ce, da ist es nun begreiflich, dass Otlokar und Teichner und die
andern jungem Österreicher ä oder (b mit e oder gar f nie und
nimmer reimen konnten. Ottokars verhalten kenn ich durch Srngers
gute, für den Teichner orientierte ich mich aus den im Liedersaal,
in PfeifTers Übungsbuch und bei Karajan gedruckten stücken, beide
reimen sie ä nur in sich, zu CB oder, vor labial, zu ou. nur
6ine ausnähme herscht bei ihnen, das ä von geslähte gebrauchen
sie anceps : es gilt ihnen bald als ofTenes e und reimt dann zu
e, bald als d und reimt dann zu ä. mähte (so ist statt möhte
und mohte der ausgaben im reim auf -ähte oder 'Cehte immer zu
schreiben), gehrähte, geträhte, ähte reimen bei Ottokar nie zu
-eA/e, sondern nur in sich oder zu -(sfUe; geslähte aber reimt
zu 'ähte und -cehte nicht öfter als zu -ehte. ebenso kennt der
Teichner. nur bindungen von ä (ce) in sich, aber gesläht reimt
er mit e so gut wie mit df, s. zb. gesläht :kneht Pf. Üb. 161, 132.
in Lutwins Adam reimt 361 gesläht :rehty obwol auch diese
dichtung sonst ä und e auseinanderhält, und in Vintlers Blumen
der tugend reimt zwar mähte nur auf geslähte 9510 und phärt
auf gebcBrd 5560 und bewcert 5808 (dass danach pherde : erden
litterarische bindung sein müsse, ist oben s. 276 ausgeführt),
aber gesläht reimt meist zu reht und kneht, s. 6186. 6994.
8118. 9593.
Diese verschiedene bebandlung des -ähte in geslähte und des-
selben 'ähte in andern Worten, wie sie die reime der spätem
bair.-Osterr. dichter erkennen lassen, hängt nun zusammen mit
der gleichen Unterscheidung, die heute der dialekt macht. WHorn
hat in seinen Beiträgen zur deutschen lautlehre, Leipzig 1898,
s. 9ff darauf aufmerksam gemacht, dass in mdaa.^ die sonst ä
und e im laut zu trennen pflegen, doch immer einige worte vor-
handen sind, in denen die mda. statt ä den laut spricht, der
§onst mhd. e zukommt, unter diesen worten steht im bair.-
österr. gslext (mit offenem e statt d) obenan und ist so ziemlich
das einzige von ihnen, das für den reim stärker in betracbt
kommen kann, denn mähtic, prähtic können ja doch wider nur
auf 'ähtic reimen, wie sie auch ausgesprochen würden, dieses
gslext statt gsldxt aber scheint in den verschiedensten bair. mdaa.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 309
heiroisch zu sein. Hörn verweist für WestbObmeu auf Gradi
Bayerns mdaa. i § 27. auch in Imst sagt mao zwar sldxtig und
kildxt adj. *tod einer gestalt' s. Schatz § 37 s. 43, aber subst.
kilex^^ plur. kslexter, welches wort Schatz in der reihe seiner e
für ä<:ä s. 46 vergessen hat, das er aber s. 140 uö. mit e an-
setzt. Hörn statuiert für dieses e eine dritte, mittlere umlauts-
periode, Schatz erklärt das e durch fremden einfluss, für einen
teil der worte auch durch neuerlichen umlaut des schon umge-
lauteten vocals. ich lasse das dahingestellt. Horns ansieht scheint
mir deshalb unwahrscheinlich, weil sich bei allen mhd. dichtem,
die dieses geslehte statt geslähte reimen, daneben auch das bei den
altern alleingültige, also wol auch ältere geslähte nachweisen lässt.
zu den worten, die e statt d als zweiten umlaut ausweisen, ge-
hört auch ksefKgeschäffede. für dieses will auch Hörn die er-
klärung zulassen, dass es iu der mda. lehnwort sei. Schatz hat
dieses kseft in Imst, Maurer in Baiern an der Hz (s. s. 8. 19)
nachgewiesen, ich mache darauf aufmerksam, dass auch in diesem
wort für unsre Österreicher die alte qualität des d (neben der
neuen?) feststeht, s. zb. geschäß : geäft Teichner Lieders. 85, 203.
Viele der jungem Österreicher kennen auch geslehte gar
nicht, so reimt Suchenwirt nur geslähte : mähte (conj. prät. zu
megen) 6,33. 141. 20,2 streng geschieden von knihte : slihte
:vihte:rehte (s. zb. 30, 261. 35, 106. 38, 66 usf.), vgl. femer
mdhtic : einträhtic 33, 1, : ühertiähtic 39, 223, gehäzzie : mwzte
19, 51,; Jäger : trcBger 26, 59. auch Suchenw. gehört also noch
zu den Österreichern, die ä und i scheiden, ebenso reimt Seifr.
Helbl. etwa gebrdhte nur zum conj. mähte 2, 828, dagegen knehte
:rehte:v€hte blofs untereinander, uzw. einige dutzend male, über
d und (B vor l bei Seifr. s. oben s. 270. noch der ganz junge
SOswald, den Ettmüller herausgegeben hat und dessen heimat
zweifellos Österreich ist, reimi gebrdhte : mähte 31.55.363.723,
: brcphte M 840" ziemlich consequent geschieden von knihte : (ge)-
rehte 17. 90. 107. 147. 839. 1425. 1467. 1835. 2141. 2193
und tehten :rihte 1945. 1993. nur einmal (453) tritt vermengung
ein in gebrdhten : knihten.
Den unterschied zwischen md. und bair.-Osterr.
dichtem kann ich in bezug auf den gebrauch der e-laute
im reim auf grund der voranstehnden Untersuchung wol so formu-
310 ZVVIERZINA
lieren: die md. dichter behandeln § und 6 gleichmäfsig vor liquida
wie vor muta, die meisten scheiden sie hier und dort noch genau,
ä und e aber i^Ut ihnen allen in einen laut zusammen, binden sie
lange und kurze e-laute, so reimen sie auf ^ das erste umlauts-^^,
auf <B aber das alte i und das secundäre umlauts-df. die Osterr.
dichter scheiden § und i nur vor liquida, da aber bis in späteste zeit
ganz genau, vor einlacher muta aber fällt ihnen schon sehr früh,
schon in der zeit der Nib., das ^ und q in eins, uzw. nimmt e
in dieser Stellung den geschlossenen laut des ^ ^n; ä aber bleibt
sowol von e als auch von ^ stets getrennt, binden die Oster-
reicher die 6-laute ungleicher Quantität, so reimt nicht §, sondern
das offene e zu ^, und auf CB kann nur d reimen.
Vergleichen vcir nun damit die Übung zweier dichter, deren
beider spräche m. e. fälschlich meist klipp und klar der bair.-
österr. ma. zugezählt wird: die des Strickers und die Wolframs.
In bezug auf den Stricker fass ich mich ganz kurz: hier
hat ja schon Rosenhagens Untersuchung die frage erfolgreich an-
geschnitten, die 6-laute verschiedener quantilät reimt Stricker
nie^ wir können also über die qualität seines ä nichts bestimmtes
ausmachen, freilich ist schon die für ihn durchaus geltende
strenge Scheidung der quantitäten gerade kein bair.-österr. merk-
mal, denn die ostdeutschen dichter sind die ersten daran, länge
mit kürze zu reimen, aber ^ und € hält der Stricker nun aus-
einander vor muta so genau wie vor liquida. das tut kein
Österreicher seiner zeit, und schliefslich reimt er auch ä: e ohne
alle scheu, s. zb, jägere : legere Dan. .3645. geslähte : rehte Karl
3387. 11859. Am. 1271. Pf. Ob. 2, 92 usf.; und das tut wider
kein Österreicher seiner zeit.
Auch Wolfram, der sich zwar selbst (politisch?) zu den
Baiern zählt, in dessen heimat aber heute fränkisch gesprochen
wird, nicht bairisch, scheidet ^ vor 6, d, g so gut wie vor r und
Z, ohne sich auch nur 6ine ausnähme zu gestatten, dass er daneben
st^te zweimal auf bSte reimt, gehört auf ein andres gebiet, da, wie
s. 255 uO. gesagt wurde, die vermengung von i und ^ vor t viel
verbreiteter war als vor andern muten und auch bei einigen
Franken und Alemannen, die sonst genau sind, vorkommt, aber
diese Scheidung der (' und ß vor b, d, g ist noch nicht ausschlag-
gebend, denn grade in denkmälern des engern, nordwestlichen
Baierns (Alphart und Lohengrin) fanden wir ja die gleiche Scheidung
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 311
im gegeosatz zu dem Ostlichen gebrauch, schoo viel wichtiger
aber scheioen mir Wolfr.s reime von e* : ^. nach ältrer art (s.
obeD &292f) fioden sie sich nicht vor einfachem r, sondern nur
▼or r + eons., weil nur hier die kürze bereits auf dem wege zur
länge war. nun reimt aber Wolfr. immer § auf e\ nie e, wie ich
schon Beobachtungen s. 476 notiert habe, die reime sind in
Schule register s. 53 verzeichnet, es sind erte:w^te Parz. 212, 7,
kirte:n^e Pari. 603, 11, ;w^/e, Wh. 82, 11 ISrte.h^rte Parz.
261, 11, :vpie Tit. 143, 3. Wolfr. sprach also sein i§ nicht,
wie aUe Baiern und Österreicher inclusive der Oslschwaben, oflfen,
soodern geschlossen, wie die Franken und Alemannen.
Dem schiene die bindung lShn:zehn numeral Wh. 372, 7
zu widersprechen, aber sie schiene auch nur. Wolfr. hätte zu
lehn Dicht sehn^ gesch€hn binden können, wie etwa Neidhart (s. 18^
27. 76, 21); zehen aber hatte in seiner mda. geschlossenes e.
dieses geschlossene e ist in sehs nach s§hse<,z€hsi ja durch die
beatigen mdaa. bekannt, es findet sich auf oberd. und fränk.
boden, natürlich immer so, dass in einzelnen mdaa. des gebietes ^,
in andern aber e gilt, ebenso steht nun aber auch z^hm nach z§hene
<i zehini einzelner mdaa. neben dem zäien in andern, uzw. wider
auf oberd. und auf fränk. boden. für Baiern (an der Hz) verweis
ich auf Maurer s. 8; dort steift ds4h9< zehen mit geschlossenem
e gegen kse9 < geschähen, sid < sihen mit offenem e. für Ale-
mannien verweis ich auf Slickelberger Schaffhauser mda. s. 21,
wo mhd. ^ in offner silbe in ts^a < seAen ^ausnahmsweise' als mit
geschlossenem e gesprochen angeführt wird. s. ferner Haag Mdaa.
des obern Neckar- und Donaulands s. 24. fürs fränkische verweis
ich auf Handschuhsheim, wo nach Lenz Worterverzeichn. s. 50 die
zahl ^zehn' tsei (flect. tseim) heifst, mit dem et, das in der mda.
nur e oder gelängtem §, nie € entspricht, neben tsein9 < z§hene
steht hier leim < Hhenen j dagegen (s. Lenz Vergl. wb. s. v.)
kse9<: geschähen, se9< sähen, ebenso weist der von Heeger be-
schriebene dialekt der Südostpfalz mhd. z^hen aus, nicht mhd.
sehen, s. Heeger § 7 s. 8. Wolfr. reimt daher auch zehen nie
tu jähen, sähen , geschähen (man sollte die absenz dieser bindung
in umfangreicheren denkmälern auch sonst wol beachten i), er
kann das wort, wenn er es überhaupt reimen will, nur mit der
^ etwas anders Isis naturlich, wenn zb. der Stricker diu zehende auf
sehende udgl. reimt, Karl 5971. 9560.
312 ZWIERZINA
reimfreiheit , die Wb. 372, 7 sich gestattet, zu langem -ehen
reimen, denn e war ihm geschlossen — nur den Baiern und
Österreichern war ^ offen.
Und schliefslich finden sich bei Wolfr. die vollkommen un-
bairischen bindungen von df zu e in massen, wie bei so alten
dichtem aufserhalb Mitteldeutschlands niemals, wir werden jetzig
wo die fabel, dass Wolfr. in bezug auf die bindung ungleicher
qualitäten des e zu den nachlässigen dichtem gehörte, hoffentlich
zerstört ist, diesen bindungen ihre volle beweiskraft zuschreiben
müssen: seine e-lante wenigstens hat Wolfr. nach fränkischer
art ausgesprochen, er reimt also ähte numeral, geslähu, gebrühte
mit rehie, knehte Parz. 233, 25. 253, 27. 422, 7. 455, 15. 483,
17. 585, 11. 680, 1. 790, 29. 818, 29. 827, 15. Wh. 13, 29.
16, 27. 43, 3. 64, 19. 73, 21. 150, 29. 173, 11. 192, 29. 217,
29. 283, 17. 291, 27. 331, 11. 347, 19. 415, 3. Tit. 53 s.
Schulz s. 49; ferner frävel:nebel Parz. 302, 13. Wh. 253, 29.
auch den reim phdrt.'-ert kennt Wolfr. und wendet ihn im Parz.
sehr oft an: 63, 13. 89, 3. 126, 19. 256, 29. 274, 1. 512, 23.
513, 21. 514, 11. 515, 23. 521, 9. 615, 17. 624, 13,666, 17.
784, 21; phärden: die werden 718, 13. später gibt er es wider
auf, das wort in dieser weise zu binden, sowie schon von buch ix
an in seinen reimen keines seinei' md. sdn, kein cluoc usw. mehr
erscheint, im Wh. steht phärt^ das im Parz. 15 mal reimt, kein
einziges mal mehr am versschluss. umgekehrt erscheint seine bin-
dung von 'ähte'.'ihte erst von buch v des Parz. ab und ist im kürzern
Wh. häufiger als im längern Parz. (Wh. 14, Parz. 10), sowie Wolfr.
sein sider erst von buch in ab wagt gegen Hartmanns sU (Beobach-
tungen s. 478) und sein -uont^ -uondej -üende: -unt, -unde^ -ünde
nach Behaghels vollkommen zutreffender beobachtung (Germ. 34,
487 f, s. auch Nolte Anz. xxv 299) erst von buch iv (180,7), sein
-uort, 'Uorte:-urt, -urte sogar erst von buch ix (444, 13) an und
häufiger erst im Wh. (dort auch erst gewuohs : fuhs 61 , 7).
beides geht eben in der entwicklung der technik des mhd. dichters
band in band: gröfseres selbstbewustsein und vertrauen in seine
form (vgl. die c:ch, hast erst im Iw.I) und gröfsere kunst in
der Vermeidung dessen, was ihm trotz allem zu dialektisch, veraltet,
traditionell, mit einem wort verwerflich schien^.
^ zu den reimen von ä:e gehört vielleicht auch die bindung von Schemen
: nemen (erstes beispiel Parz. ^67, 23), scheme : deme : neme, die bei Wolfr., im
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 313
Walther von der Vogelweide reimt in den beiden
sprachen gegen Gerhard Atze phärt:wert und gewert 82, 19.
104, 7. das stimmte schlecht zu seiner österr. heimat. aber das
ohr desseo, den ez bestdt, war ein thüringisches, sowie dag ge-
¥Uit <c gdclaget 25, 23 für ein österreichisches ohr bestimmt war,
an das sich wol alle Sprüche dieses tones wendeten. §ge:€ge
reimt Walth. nicht, ^ge in sich aber auch nur in l^get : r§get 54,
11, also Yor -^ef, s. darüben oben s. 266. der ?iei besprochene
reim f?enDarren : pharren 'parrochiae' 34, 18 beweist aber nichts.
erstens scheint mir ein so grober dialekticismus, wie mhd. ar : or,
fOr Waltb. überhaupt unmöglich, der doch wort .'-art^ den ersten
reim von ar:ar den sich höGscbe Österreicher gestatten, nicht
kennt, zweitens hat doch schon Weinhold Mhd. gramm.' § 60
s. 60 dieselbe bindung veru^arren.'j^^arren (hier aber ^stiere', also
Dicht nachahmung Walthers I) in Hugos Martina nachgewiesen
(223, 64). drittens steht neben diesem part. verworren der conj.
prät. verwüere {: gefüere) in Strickers Dan. 4311. es scheint mir
daher wahrscheinlich, dass sich mit analogie zum schwachen ver-
werten^ das zb. in derUrst. erscheint (s.Lexeriii 305 s.v.) Sein starkes
urwerren^ verwuor, verworren (s. h^ben, sw§m) herausgebildet hat.
Orto. und Wolfd. A., bei Konr. yWurzb., im Reoner häufig ist. die bindungen von
tekemen : nemen aber, die sich beim Pleier, im SOsw., bei Seifr. Helbl. und
andern Österreichern finden, mästen dann auf schämen mit allem umlauts-f
znräckweiseD , wobei vor nasalis ^ und e schon in der weise des heutigen
Dialekts ausgeglichen wurden, von welcher ausgleichung aber ä und a im
bair. nicht betrofien werden, danach hätte es also im österr. neben dem
schämen (heute schämen in ^ien, ferner von Schatz für Imst nachgewiesen,
s. s. 44), das nicht rein reimen kann, in einigen einzelmdaa. auch ein schämen
gegeben, sowie neben fdrbm <, färwen auch ein firbm <, färben sieht. —
im Ernst B reimt ä:e recht häufig, s. mähte :rekte 765, gebrähte : knehte
2827, :vehten 5171. aber ober die spräche dieses gedichts ist noch gar
Dicbts ausgemacht, rein-bairisch ist sie auf keinen fall, die ä:e könnten
allerdings aus der niederfränk. quelle stammen, wie die u:gewu, schöne
.'grüene usw.
^ w^rrent Mart 128,58, nicht werrent, wie Lexer in 793 ansetzt;
denn es reimt auf sp^rrent und die Mart. kennt keinerlei ^ ; e, nicht einmal
fUUz-ete. (auch gebreste, nest haben ihr e fest und reimen nicht zu
feste, beste, gesie, weste; swester, gesier aber haben natürlich, sowie weste,
anch hier f, nicht e). das schwache wqrren der Mart. ist aber gleich w^m
mit der für Hogo charakteristischen alemann, ausdehnung des consonant-
omlaots (s. verharren Verheeren', verzerren 'verzehren', wollen 'wählen',
Immen lähmen' udglm.).
314 ZWIERZINA
e vor nasal. — noch niemand hat untersucht, ob die heute
in den meisten hd. dialekten sich bemerkbar machende einwürkung
der folgenden nasalis auf die qualität der e-iaute auch schon im
mhd. hervortritt, wir wissen ja, dass sowoi in fränk., als in
alemann., als in bair.-Osterr. mdaa. ^ und € vor nasal, sei es nur
vor gedecktem, sei es vor einfachem wie vor gedecktem, in Einern
laut zusammenfallen, entweder im geschlossenen laut, wie zb. in
den fränk. (s. etwa Heilig aao. § 208 ff) und niederalemann.-
schwäb. (s. Kaufifmann Gesch. der schwäb. mda. §§ 67. 70), oder
im offenen laut, wie zb. in den hochalemann. dialekten (s. bes.
Heusler Germ. 34, 116ff)t oder endlich in einem mittleren e, wie
auf bair.-Osterr. gebiet (s. bes. Luick Beitr. 11, 499fif. 14, 131 f).
auch ich kann hier nur einige andeutungen geben, die vielleicht
eine Specialuntersuchung anregen; aber ich verfüge nicht über
ausreichende Sammlungen, um der frage energischer auf den
leib zu rücken.
Das material, das die reime der einzelnen dichter geben,
kann immer nur sehr gering sein, und den schluss aus der absenz
einer bindung von ^ zu ^ vor nasal verbietet zumeist die geringe
reimmöglichkeit auf der einen oder der andern seite. vor n -4- cods.
gibt es auf bd. gebiet natürlich nur f und kein €. ob eine bindung
von firmamint^ prfyint^ driint zu gekürztem ^nd, s^nd oder ge^t
< geendet udglm. von vornherein als sichre bindung von € : c
aufgefasst werden darf, ist fraglich, unter den worten mit e vor
einfachem n überwiegen die mit § (s^nenj d^nen, j^er^ w^nen)
an zahl und häufigkeit des gebrauchs bei weitem wider die mit
i, von denen nur ISnen ernstlicher in betracht kommen kann, nur
vor einfachem m stehn sich n€menj zemen ^ziemen', hreme, dem
und, mit gewissen einschränkungen s. s. 312 anm. 1, Schemen,
schäme auf der einen und etwa Ifmen, l^me, z^men ^zähmeu\ ergr^en
auf der andern seite einigermafsen gleichberechtigt gegenüber.
Wir können nun constatieren, dass Wolfram ^ und e vor n
und m noch scheidet; denn er reimt erl^mt nur auf gez^
'gezähmt' Par. 95, 17. 441, 27 und nie -^e(n), -c^net auf die
so häuGgen breme, scheme{n), dime, gezSmen^ {ver)nime{n)^ nhnt,
schimt (s. Schulz s. 45 fl). ebenso reimt er lint nur zu Trevresfint
Parz. 251, 15. 268, 29, Unte : Nourünte 790,15 und ebenso
biasch€nt, Gent^ Nouriint, pris€nt, firmamint usw. nur unter-
einander (Parz. 77, 5. 313, 3. 658, 27. 786, 27 uö.) und trennt
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 315
sein läHi(e) und das fremde 'int{e) von den nicht seltenen bin-
duogen der (ge)s^nt : (ent)w^ : {un)gew^nt : gemfnt , s^nte : m§nte
zm^nte (s. Schulz s. 40. 46)^. da Wolfr. seine e-laute nach md.
w^e aussprach (s. s. 312)^ so hätte sich die würkung des nasals
auf den vorangehnden e-laut in seiner spräche wol auch m der
frlnk. ari gezeigt, dh. § und S und ä wären hier im geschlossenen
€ zusammeDgefallen. wenn er nun das fremde -ini nur auf Unt^
Bicht auf 9f!tiU usw. reimt, so hat er sein 6 also auch noch vor
nasalis + cons., nicht nur vor einfacher nasalis offen ausge-
sprochen, € und ^ also vor allen nasalen noch unterschieden.
Und sogar Hugo vTrimberg scheidet ^ von i wenigstens
noch sicher vor einfachem m. das beweist schon der umstand, dass
er auf fremdes -^(/enisa/^) nur 7^me, dagegen auf widerzmm und
nam sein dSm reimt, wie ich oben s. 286 ausführte, auch sonst
sind die bindungen von lernen : z^en ^zähmen', l§mt : z^mt ^zähmt*
bei ihm häufig, s. zb. Renn. 20589. 22004. 22307 uö., bleiben
aber vollkommen geschieden von den bindungen von schime{n\
iieaien, gezimm usw.
Wenn Ulr. vEschenb. nur vlSn <vKhen zum alten -^n von
$t^ und gen reimt, das lange e aber, das durch contraction von
tiken, geschähen usw. entstand, nur zu -cen in vemcBtKvemwjen
oder zu dSn und w€n, so hat er vor einfachem n offenen und
geschlossenen e-laut noch unterschieden, s. s. 288. 290.
Dagegen kann man sonst fOr spätre dichter den zusammenfall
von € und ^ vor nasal meist schon nachweisen, der Boheler
treoDt zb. f und ^ noch streng, aber §€nde< gebende reimt ihm
Diocl. 6265 auf h§nde und wane auf z§ne s. oben s. 291. ebenso
»<en:-^A in Ludw. Krzf. s. oben s. 294.
Bei den Mitteldeutschen und jenen Alemannen, denen
heute d und € ebenfalls in eins fällt, tritt vor nasal (resp. nasal -4- cons.)
aosgleichung aller e-laute ein, nicht nur des §, S und ^, sondern
auch des ä und a. bei jenen wenigen Alemannen aber, die
heute noch den überoffnen laut für ä reservieren (s. Heusler
Genn. 34, 117), sowie bei den Baiern und Österreichern bleibt dem
ä (und w) auch vor nasal seine Sonderstellung bewahrt, ein reim
von wwnen auf '§nen ist hier auch später nicht möglich, nur
^ Wh. 276, 5 sente : pigmente ergäbe tente als prät. zu s^nen gefasst
baren unsino. wie die überlieferoDg zu fassen oder zu bessern ist, weifs
ick nicht, 8. Lachmanns Vorschlag in der ia. zur steile.
316 ZWIERZINA MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN
e, e und e fallen hier vor nasal (resp. nasal -+- cons.) in eins,
s. auch oben s. 312 anm.
Am frühsten trat wol auf bair.-Osterr. boden dieser zu-
sammenfall des § und € im mittlem e ein.. Heinr. vTUrl., der f
und e vor liquida so streng auseinander hält, wie nur irgend
einer, reimt l^e : neme Krone 14058. 23350, 8§ne:den 11123.
ebenso reimt auch Ulr. vTttrl. schon s^n : den Wh. 26, 9. 80, 15.
133, 11, wen: den 209, 23. 269, 1, s. auch firmament : ^nd
225, 12. der dichter des Mai reimt erlernen inemm 68, 5, des
jTit. erlernende : nemende 3420, von den jungem, wie etwa
Seifr. Helbl. (s. sich gremt: vememt 2, 1245, scneiden 1, 1297.
7, 433, en *ahne' : dn 8, 507, pre*sent : sw^nd 1, 982), ganz
abgesehen, obvvol sie alle, wie gesagt, ^ und e vor liquida genau
unterscheiden.
Freiburg i. d. Schw., dec. 1899. KONRAD ZWIERZINA.
Nachtrag zu s. 9 der Zs. : es ist mir entgangen, dass das
d, welches Kochersberg und Zorntal für mhd. ä spricht, ein offenes
ist und also auch dort von dem geschlossenen, ti- ähnlichen
ö<n\M.d geschieden bleibt. K. Z.
ZUM ERSTEN BEKANNTWERDEN OTFRIDS.
Es ist allbekannt, dass die erste ausgäbe von Otfrids Evan-
gelienbucbe, durch Flacius vermittelt, im j. 1571 erschien und
zwar auf grund des Palatinus. nicht beachtet aber ist, dass we-
nigstens din dazu gehöriges stück bereits einen älteren abdruck
erlebt hat : der brief Otfrids an den erzbischof Liutbert von Mainz
wurde 1562 (noch nicht 1556) in dem Catalogus testium veritatis
p. 158—160 von Flacius zum ersten male mitgeteilt, der von
ihm gegebene text zeigt (unter verzieht auf Orthographie und ein
paar druckfehler) folgende abweicbungen von der 1882 veröffent-
lichten ausgäbe Pipers : s. 6 z. 9 (Piper) ut partem evang. 11 de-
lerem für deleret 13 iungebant quertmoniam s. 7 z. 14 Vergilius
16 Nostrae tarn f. etiam 21 pigere f. pigrescere 24 francisce
27 Denique f. Deique 32 item f. pene 34 Et quamms f. quam-
vis {hoc — edidi ist vorhanden) 40 — 41 quibusnam f. quibus-
dam et suam doclrinam praeclaram mundo notam fedt f. doctrina
DOMMLER zum ersten bekanntwerden OTPRIDS 317
— titftolictlr s. 8 z. 45 SB a f. sese a 59 scriptum f. scripta
61 m vor tono fehlt 63 videtur f. videhatur 64 Graeciae f.
Ei Hiam 65 sese f. se 66 jtit grammatici s. 9 z. 71 praevi-
ümu rationes 75 ^o<i wertes 77 Aptum 80 — 83 et hoc —
imvenitnus fehlt 84 Imem f. 2enam 88 oper/tu« f. apertior
89 m f7/t5 f. cum illo 91 Dtiae etiam negativae s. 10 z. 92
fmae in f. dum in 93 — 94 et quamvis — curavi fehlt 97 ne-
cissarfa et f. neeessarie 109 Cat^enr ea'am aliarum deform.
110 sicam f. «if ortim 111 m propria 112 generant Res —
höhere fehlt 116 cormptae f. corrupta seu s. 11 z. 117 stt^e
integrae laudet f. laudent 118 et f. ets 119 qaaerit fehlt
121 labiorum in, servitutem 123 Rabano 124 |)anim fehlt
126 part fehlt sanctitatis 129 eundem f. eac^em condemnet f.
cmaempnet 130 decemendam 133 ac m recfa f. rectaque.
Cberblickt man diese laa., die man keinesfalls alle dem heraus-
geber, sondern zum allergrösten teile sicherlich seiner vorläge wird
zuschreiben dürfen, so erscheinen einige davon als Verbesserungen
uosers textes, so z. AO t quibusnam, z. 84 lenem, z. 129 condemnet
und z. 130 decemendam, jedesfalls und trotz der übersprungenen
stellen wird man nicht einfach von Verderbnissen und Verschlechte-
rung reden dürfen, und der gedanke, dass eine der uns bekannten
hss. hier zu gründe liege, ist damit ausgeschlossen, dass dieser
brief aber nicht etwa einzeln überliefert war, sondern einer hs.
des Evangelienbuches entstammt, sagt Flacius (p. 158) in den ein-
leitenden Worten deutlich : 'Floruit hie vir (sc. Otfridus) circa
aoDum Domini 860 ac plura quidem scripsit, sed tarnen inter
alia edidit etiam vernacula lingua v libros titulo Gratia, quorum
argumentum sequens eins praefatio indicat. Vidi autem eos libros
et iingua adeo a praesenti variat, ut a nemine Germano nunc
quidem intelligi queat, .imo vix pauca verba possunt percipi'.
weshalb er aber an diesem ihm unverständlichen werke besondern
anteil nahm, verraten die folgenden äufserungen : 411ud autem ibi
observandum est ante annos 700 . . non esse habitum nefas, sed
potius summam pietatem vulgari lingua idque rhythmis sacras literas
wertere, cum quidem Germanica lingua tunc multo minus apta
esset ad scriptionem . . Haud dubie autem in ipso textu multa
dicit alienissima a praesentibus paparum erroribus et abusibus'.
späterhin sei das buch, weil man es wegen der Umwandlung der
spräche nicht mehr verstand, in Vergessenheit gei'aten.
318 DÜMMLER ZUM ERSTEN BEKANNTWERDEN OTFRIDS
Er gibt indessen doch noch eine andeutUDg darüber, wo die
voD ihm benutzte hs. sich befand, indem er bemerkt : ^versio eius
etiam Liutberto episcopo comprobata est. Nam pene in omnibus
bibliothecis eius fragmenta reperiuntur'. diese worte — auf welche
schon Piper Einleit. s. 242 verweist, ohne die sache im zusammen-
hange zu erwägen — liefern den beweis, dass in dem Mainzer
Sprengel, also vielleicht in Frankfurt, sich damals eine jetzt ver-
schollene hs. (oder sogar bruchstücke mehrerer?) befunden haben
muss. es wird am nächsten liegen, auf diese auch die ergänzuog
zu dem im Palatinus fehlenden teil der widmung an könig Ludwig
zurückzuführen, vgl. Keiles ausgäbe des Otfrid s. xx— xxii, der
hierbei an die Wiener hs. dachte, in den Centurien (Cent, ix
col. 592) schöpfte Flacius seine künde von Otfrid nur aus Trit-
hemius. der text des briefes an Liutbert kehrte in den spätem
ausgaben des Catalogus tesU unverändert wider und wurde so
auch noch von io. Cordesius (Hincmari opuscula p.631 — 634) ohne
angäbe der quelle (I) und daraus von der Biblioth.patr.max. Lugdun.
XVI 764 — 765 widerholt, man wird hiernach dem um die ge-
schichtswissenschaft hochverdienten Flacius wol den rühm zugestehn
müssen, dass er nach Beatus Rhenanus der zweite entdecker Otfrids
gewesen ist^ wie wir seiner mitwürkung die erste ausgäbe verdanken.
Berlin, im märz 1900. E. DÜMMLER.
u.
Der letzte satz Dümmlers wird einer einschränkung bedürfen,
zwischen Beatus Rhenanus (1531) und Matthias Flacius (1562)
schiebt sich mindestens 6in weiterer kenner Otfrids ein : Jo-
hannes Eck, der in der widmungsschrift vor seiner Bibelober^
Setzung (Bibel. Alt vnd new Testament, nach dem Text in der
hailigen kirchen gebraucht, durch doclor JohaQ Ecken, mit fleiß,
auf hohteutsch, verdolmetscht) 1537 bl. *ij*^ auch auf 'das alt
Euangelibfich in frenckischer teutscher zungen geschribeo' zu
sprechen kommt : er verdankt seine bekanntschaft dem bischof
Philipp von Freising, pfalzgraf bei Rhein und herzog in Baiern,
der ihm 'der selben exemplar ains gelihen, das Bischoue Vualdo, sein
vorfaren hat schreiben lassen, wie der Schreiber priester Sighard
bezeugt'. Eck kannte mithin denselben codex F, aus dem auch Beatus
Rhenanus sechs jähre vorher seine mitteilungen gemacht hatte.
Diese proben des Beatus Rhenanus waren die einzige quelle für
die Sprüche aus Otfrid, welche im j. 1548 den infanlen Philipp (ii)
SCHRÖDER ZUM ERSTEN BEKANNTWERDEN OTFRIDS 319
▼OD Spanien bei seinem einzug in Gent von einem triumphbogen
herab begrOfsten und die jetzt KVoIl aus der 1552 erschienenen
besdireibang der fQrstiicheo reise von Juan Cristoval Calvete de
Estrella Qberraschend ans licht gezogen hat (Beil. z. Münchner
AUgem. Zeitung 1900 nr 57). es sind die Zeilen i 1, 59 u. 64,
in Tier kurzverse abgeteilt, und da sie zweifellos aus Beatus Rhe-
nanus (Rer. Germ, libri tres m 107) entnommen wurden, so ist
die Termutung Volls hinfällig, dass uns Calvete einen teil der in-
sdirifl ▼orentbalten habe : denn weitere verse, die auf den triumph-
bogen gepasst hätten, bot diese quelle nicht.
Als fernere proben der *]engua Franconica antigua (que es
la que us5 Carlo Magno)' umrahmten diese Otfridverse zwei Sätze
aus der bergpredigt des ahd. Tatian : 22,8 u. 12, welche ge-
schickt die Sanftmut und milde des infanten apostrophierten, über
dem ganzen stand : Thie Purist ist Gotes Bilidi, und diese zeile
wurde dem berichterstatter ausgelegt als 'EI principe que (I) es
ymagen de Dios'; ich bin geneigt, sie mit Voll (resp. Paul) für
tm erzeugnis des gewährsmanns zu halten, welcher dem fest-
comit6 den wunderlichen gelehrten beitrag lieferte : neben dem
doppelten fehler in thie furist[o] (form und bedeutung) bestärken
mich darin die majuskeln, die nur hier in moderner weise an-
gewendet sind.
Aber wer war dieser niederländische germanist, der nicht
aur einem gelehrten druckwerke die Otfridzeilen als einen lecker-
bissen entnahm, sondern auch aus einer hs. des ungedruckten
und unbekannten Tatian schöpfte und sich obendrein mit einer
'titfränkischen' Überschrift eigener mache versuchte? wir er-
innern uns sofort, dass sich am ende des 16 jhs. eine jetzt ver-
lorene Tatianhs. (B) im besitz des Bonaventura Vulcanius zu Lei-
den befand (Sievers' s. xv), und wenn das miltidum des Calvete
fiDr mHiidun (22,12) richtig überliefert ist, hätten wir hier wenig-
stens 6ine alte lesart. die einzige persönlichkeit in den Nieder-
landen aber, die, soviel ich sehe, für jene frühe zeit in betrachi
kommt, ist der 1518 geborene, 1572 gestorbene Jobannes
Goropius Becanus (Raumer s. 89), der im nahen Antwerpen
(dem druckort der reisebeschreibung CalvetesI) lebte, er hat
von seinen germanistischen Studien freilich erst 1569 umfassen-
dere proben gegeben, scheint aber diese liebbabereien schon
lange jähre hindurch getrieben zu haben. E. SCH.
ZUR HELIANDHEIMAT.
War dos, thea thar ehuscalcos Uta voarun, weros an tcahtu,
^igg^o gomean, fehas aftar felda, das sind Hei. 387 fT die hirten
auf dem felde in der christnacht; 422 beifsen sie dann einfach
hirdios, dass der dichter sie zu pferdeknechten macht, liat man
aus seinem nationalisierungsbestrehen erklärte aber trotz dem
guten rufe, in dem die sächsischen pferde standen, hat doch
unsers wissens die pferdezucht die übrige Viehhaltung nicht der-
artig zurückgedrängt, dass der dichter zu jener specialisierung
der hirten des evangeliums getrieben worden wäre, und nun gar
nächtliche pferdewärter draufsen auf dem felde? sollte es mit
ihnen nicht eine eigne, locale bewantnis haben? und wie mögen
sie sich dann zu meiner heimatsbestimmung stellen? eine an-
frage deshalb bei dem besten kenner des alten Friesenfeldes und
Hassegaues, herrn prof. dr HGröfsler in Eisleben, brachte alsbald
den erwünschten aufschluss, den ich hier mitteilen darf.
Im kreise Sangerhausen und zwar in demjenigen teile, der dem
ehemaligen gau Frieseofeid angehört, finden sich in manchen
fluren kleine schlage, welche 'nachtOeck'^ beifsen; nach aussage
der ortseingesessenen führen sie diesen namen davon, dass sie
früher als nächtliche p ferde weide gedient haben : in diesem
falle sind natürlich knechte^ zur bewachung draufsen geblieben,
solche nachtflecke finden sich in flur Beyernaumburg, Bornstedt,
Sotterhausen, Ritteburg 3, Martinsriet, Katharinenriet und wo!
noch andre mehr, dies ist derselbe bezirk des südöstlichen
Sachsenlandes, in dem auch die ältesten kirchen liegen : Allstedt,
Osterhausen und Riestedt, alle drei Schenkungen Karls d. Gr. an
Hersfeld ^. auch sonst find ich bei Grüfsler anhaltspuncte dafür,
dass gerade in diesen teilen des Unstruttales die pferdezucht
einst eine hervorragende rolle gespielt hat^.
^ Vilmar Altertümer 37, Kögel Gesch. d. d. litt, i 288a.
' vgl. hierzu auch DWb. vn 8. vv. naehtetze und nachtweide.
3 vgl. Gröfsler Milteil. d. ver. f. erdk. z. Halle 1892 s. 92. es ist der
Mocus Riade', wo 933 Heinrich i gegen die Ungarn sein lager aufschlug
(ib. 91. 96) : ist es blofser zufall, dass in dem von Jostes richtig erkannten
kalender im Cod. Valic. die einzige politische noliz gerade der von spätrer
band eingetragene todestag Heinrichs i ist? Memleben, des königs sterbe-
ort, ligt nur wenig die Unstrut abwärts, zu den uralten besitzungen Hers-
felds gehörig.
* vgl. zuletzt Mitt. d. insL f. öst. gesch. 20, 364 f; sonst Gröfslers
Hislor. karte d. beid. Mansfelder kreise aao. 1896.
^ aao. 1892 s. 132 f; wenig aufwärts von Memleben ligt Wendelstein,
vom 16 bis ins 19 jh. ein renommiertes gestüt, weiter abwärts Burgschei-
dungen, die residenz Irminfrids, dessen silberfarbige rosse schon Gassiod.
Var. IV 1 gerühmt werden.
Marburg i. H. FERD. WREDE.
ÜBER
DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL.
I$i %wivd herzen näehgebür, Daz muoz der $ele werden sür.
Nolte Der eiDgang des Parzival s. 2 meinte der sinti des zweiten
Terses kOnne 'nur der sein, das» »wivel in diesem leben die
qualeo der faolle in jenem nach sich ziehe*, das wäre im all-^
gemeiiien zuzugeben, webn N. nicht s. 3 deb ausdruck umschriebe
mit ^dessen seele wird in der hölle büfsen müssen', also offenbar
äqualen der bölle' fOr gleichbedeutend mit 'quälen in der hölle'
nähme« davon aber, ob der xu>tvel(Bre seine quälen in der hölle
oder im fegefeuer abbofst, ist in dieser zeile nichts gesagt, es
inOste dedn N. *hOlle' in jenem umfassendem sinne nehmen, den
auch mhd. helle meist hat, der die ganze unterweit bezeichnet
und vorhoUe, hölle und fegefeuer begreift jedesfalls mein ich,
dass der zioit?eUBre die möglichkeit hat, der eigentlichen hölle zu
entgeha und nach verbtifsang des fegefeuers in den himmel zu
kommeD. N. nimmt zwivelwre als gleichbedeutend mit unstcete,
lässt also auch für den unstCBten diese möglichkeit zu. er überseUtt
offen har unefwte mit ^unbeständig', was es nattfrlich auch heifsen
kann, aber an dieser stelle sicher nicht beifs^t. denn es ist hier
gleich bedeutend mit vtUsdi, was auch N. nicht in abrede stellt,
und far dieses jene abgeschwächte bedeutnng zu belegen, dürfte
N. kaaro gelingen, den mischen in den himmel zu bringen,
anter welchen umsländen immer, konnte Wolfram, der deti be-
griff eigentlich erst geprägt hat (es ist ein tor ihm, in der prosa
noch lange nach ihm, seltenes fremdwort), gar nicht einfallen,
so bleibt mir nichts übrig, als bei meiner dreiteilüng zo bleiben,
und sie ist auch gar nicht so unerhört, wie N. glauben machen
will. 7^0« art not fcUse but Ihou ort fiMe hat Bürns gesungen,
und das ist der gegensatz^ auf den es hier ankommt : beide be*
griffe, unter ^nander entgegengesetzt, sind jede^ für sieh gegen-
sätze zu 'treu', stcete.
Nach Wolfram (oder dessen quelle) kann der eis t er fär-
be ne noch in den himmel kommen, nach der strengern ansieht
(ich habe Festgabe f. Heinzel s. 360 auf den Jacobusbricjf ver-^
wiesen) ist er der holte verfallen, am besten belegt uns diese
orthodoxe ansieht der IlencIusdeMoifliens, ein französischer
didaktiker des 12 jhs. in seinem Romans de Carito spricht er
cLxxvii von Christi menscbwerdung : 'damals wurde def bäh er
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 22
322 SINGER
{li gais) gerupft, der stolze, der elslerfarbene {li pfelSs)'.
cxxix ^der häher bedeutet unsern Widersacher, und seia buntes
(vaire) gefieder seine ranke; satan ist bunt wie buntes geßeder'.
cLxxxi ^Magdalene beherbergte diesen häher, aber später rupfte sie
ihn und nahm grausame räche'. cLXxxn 'dieser stern der reuevollen
war einige zeit ohne licht; als sie aber ihrer eignen finstemis
gewahr wurde, da wollte sie nicht mehr die Freundin ^es schlauen
häbers bleiben, weinend lief sie zur sonne, und der dunkle stern^
bewegte die sonne zum mitleid und warf sich so lange weinend
vor die füfse der sonne, bis er den strahl der gnade empfieng'.
in dem zweiten gedichte desselben autors, dem Miserere, be-
gegnet ein ähnliches bild : lxviii ' niemals wendet Gott sein
antlitz zum almosen, das mit blutschuld gemischt ist 2. wehe
dem menschen, der doppelte spur verfolgt, der wolle und leinen
mischt 3, der sein leben elster färben {pielie) macht, aus gut
und böse gemischt; er gleicht einer geschälten rute^. vernichtet
sei, wer es tut^ und wisse, dass aliDosen, Gott dargebracht mit
blutiger band, niemals gnade erwerben wird' 2.
Es wird gewöhnlich angenommen, dass die ganze einleituog,
einschliefslich der ersten 14 verae, Wolframs eigentum sei und
in seiner vorläge, selbst wenn man eine solche aufser Chrestien
annimmt, keine entsprechung gehabt habe, ich habe bereits
Festgabe für Heinzel s. 372 die meinung verteidigt, dass diese
einleitenden verse ^den ursprünglichen grundgedanken des ganzen'
enthalten haben, der allerdings zu dem gegenwärtig Oberlieferten
gedieht, an dem in abweicbung von dem anfänglichen plane
manigfache änderungen vorgenommen worden seien, durchaus
nicht mehr stimme, ich dachte mir damals Wolfram als den Ur-
heber dieser änderungen, da ihm ja jedesfalls nach dem, was wir
aus seinem verhalten im Willehalm gegenüber der quelle wissen,
eine grofse freiheit in der quellenbenutzung zuzugestebn ist.
* nichts andres ist sicher unter dem tunkelsteme MFr. 10, 1 gemeint;
es ist der durch das sonnenlieht yerdunkelte stem, am tage sind alle sterne
tunkelsteme, ^ Isaia 1,13 Ne offeratis ultra sacrificium firustra; 15 ma-
nus enim vestrae sanguine plenae mnt, ^ Deul. 22,11 ßfon indueris
vettimentOy quod ex lana linoque eontextum est.
* Gen. 30 , 37 Tollens ergo Jacob virgas , , , ex parte deeortieavil
eas .... aique in httnc tnodum eolor effectus est varius, die bunten
schafe, die durch empßngnis beim anschauen der bunten Stäbe erzeugt wer-
den, sind Jacobs eigen, während die weifsen und schwarzen Laban gehören.
ÜBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 323
ich bin aber jetzt durch die lectüre von Wesselofskys Skasaoija
o WawiloDJe, Skinij i sw. Gralje (Die erzählungen von Babilon,
der Bliflshütte und dem hl. Gral, Petersburg 1896) zu der ansieht
gekommen, dass wir diese Änderung Kyot zuschreiben müssen,
oder vielmehr, dass der mangel an einheit im ganzen einer
mischung zweier verschiedener quellen bei Kyot zuzuschreiben
sei, die wir wol als die östliche und die westliche bezeichnen
können, obne dass wir deswegen der Versicherung Kyots von dem
arabischen buche so viel glauben beizumessen brauchen, wie
Wesselofeky es tut. denn orientalische sagenelemente mochten
sich auf den verschiedensten wegen in den westen verlieren und
mochten gerade durch ihre leicht erkennbare art Kyot den an*
iass zu seiner erfindung bieten, einer solchen Versicherung mittel-
alterlicher dichter ist nur ein sehr beschränkter glauben beizu-
messen, und ich widerhole, dass es durchaus nicht die angäbe
Wolframs ist, die mich veranlasst, eine andre quelle als Chrestien
anzunehmen, sondern innere gründe, und dass auch der name Kyot
för mich nur eine marke zur leichtern bezeichnung ist und nicht
mehr, der held jener westlichen erzählung war Parzival, ihr in-
halt ahnlich dem des gedichts Chrestiens, der held des östlichen
Feirefiz, der könig von Äthiopien, der herr von Patelamunt
s= mons patena (s. Bartsch German. stud. ii 138), den Gral zu
erwerben berufen, wie die könige von Äthiopien in den von
Wesselofsky besprochenen quellen die Stiftshütte (bundeslade) er-
werben, und, wie diese, frucht der Verbindung eines weifsen
konigs mit einer mohrenkönigin. hierher stellt Wesselofsky mit
recht auch die zusammenhänge mit der sage vom priester Jo-
hannes, auf die ich noch zu sprechen komme.
Auf dieselbe quelle geht, wenigstens mittelbar, auch der ndl.
Moriaen zurück, dessen held, der mohr dieses namens, auszieht,
um seinen vater Agloval, Perchevals bruder, der seine mutter^ eine
mohrenkönigin, verführt hat, zu suchen, in der einleitung erwähnt
aber der dichter eine andre Überlieferung, wonach Percheval selbst
der vater des mohren wäre, die er als der traditionellen Jungfräu-
lichkeit Perchevals widersprechend verwirft, die aber nach te
Winkels nachweis sicher die ursprüngliche ist. diese Überlieferung
wird wol auch die frühere sein gegenüber der unseres Parzival, in
dem das Verhältnis mit der mohrin dem vater des titelhelden, Gah-
maret, zugeschrieben wird, denn Parzival selbst erscheint hier als
22*
324 SINGER
musler, wenn auch nicht wie sonst der mcluDlicben Jungfräulich-
keit, so doch der ehelichen treue und der entbaltsamkeit in der
€he, sodass ein aufsereheliches Verhältnis seinem sagentypus durch-
aus widersprochen hätte, mit recht hat Geering Die figur des
kindes in der mhd. dichtung s. 25 darauf hingewiesen, dass die
persou seines valers in dieser richtung in bewusten gegensatz zu
der seinen gestellt wird, die erklärung, die Braune Beitr. 24, 191 fT
von Parz. 139, 15 IT gibt, ist daselbst ohne begründung, aber sicher
nicht ohne berechtigung abgelehnt, man muss die sache nur nicht
einerseits zu crass auffassen : denn diu buckel wcere gehurtet haz
heifst durchaus nicht ^Gahmuret hätte sie genotzttchtigt', sondern
^er hätte es verstanden, den äufsersten beweis ihrer liebesgunst
zu erringen'; anderseits muss man nicht philiströs sein und sich
vor äugen halten, wie galante ritter solches alleinsein mit damen
zu benutzen verstanden : man denke an Gawans verhalten gegen
Antikonie, an das Gasozins gegen Ginover in der Krone, wenn
€r das sagen wollte, was Braune ihn sagen lässt (*so würde er
sich ritterlicher, tactvoller aufgeführt haben') ^ so hätte er sehr
unrecht getan, sich nicht gegen die obscöne deutung irgend
eines spafsvogels zu verwahren, wie es vorsichtiger weise
UvdTürlein tut 218, 20^ da er beschreibt, wie man acht geben
muste, dass die damen in dem gedränge nicht zu schaden kämen:
Daz sie von hurte iht underlcegen, indem er hinzusetzt : Daz suU
ir mir verkeren niht : Ich mein, alse dick in drang geschiht. Des
selben schaden vorhte man hie. denn derartiges war ein allgemein
gebräuchlicher euphemismus, vgl. UvEschenbacb Alexander 737
Dö wart nach der minne gir Behurtet nf der minne schilt, 6872
Ja wart aldä üf dem de Uf der süezen minne schiü Solicher tjost
ulsö gespilt, die citate aus den Fastnachtspielen DWb. iz 117 a,
vielleicht auch Rosengarten D 571 (s. Holz anmerkung), noch
Shakespeare Much ado v 2 Margaret : Give us the swords, we have
bueklers of our own, von dem bewustsein dieses gegensatzes
aus lässt sich sehr wol die Übertragung vom söhn auf den vater
auf irgend einer stufe der sagenentwicklung begreifen, auf den
namen Gomeret im ^Cimeti^re perilleux' hat Hertz Parzival s. 469
hingewiesen, ist es zufall, dass er dort als genösse des Orgeu-
illeux fei erscheint, der an den Orgeuiüeux de Ja lande der
Parzivalsage erinnert? ist es zufall, dass sein beiname le demesure
so gut denselben Gahmuret charakterisieren könnte? haben wir
OBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 325
hier nicht nur deo gleiche» namen, sondern auch die gleiche
sageogestalt? was von ihm und seinem genossen erzählt wird,
die tOtUDg eines Gauvain ungemein ähnlichen ritters, erzählt die
Krone von Gtgeanee und Zedoeeh, so wie auch die daran schliefsende
klage der freunde Gaweins Aber den vermuteten tod desselben.
aber die Krone hat^ wie Hertz aao. richtig gesehen hat, doch
auch den namen selbst an andrer stelle 2338 als Quino^oi$
GmnerH (s. die lesarten), di. doch wol qai n'ot quoi, 'qui non
habüit quietum' (mit der Verwendung von cot als Substantiv wie
noch bei Lafontaine, s. Littr6 s. v.), was noch trefflicher auf un-
sere Gahmuret passt. jedesfalls ist seit Hertz nachweisen nicht
niehr daran zu denken, dass Wolfram den namen aus dem namen
des Jandes Gomeret bei Chrestien gewonnen habe.
Der Moriaen beginnt in Velthems compilation folgender-
mafsen : Ic toane die gene die lancelote maecte Bat hem in sijn
dichten vaeue. Bat hi vergat ende achterliet Van Moriaene dai
icone bediet, Franck vermutet (Tijdschr. v. Ned. taal- en lelterk.
19, 49) sehr einleuchtend, dass erst Velthem Lancelote für
Perchevale eingesetzt habe, erinnert das nicht sehr an den tadel
eines andern Perchevaldichters, Chrestiens, durch Wolfram? im
Moriaen verlässt Agloval die mohrin, um den verlorenen Lancelot
zu suchen; wir haben für Agloval Percheval und, nach GParis
sehr plausibler construction (Hist. litt, xxx 252), statt der suche
nach Lancelot die Gralsuche als ursprünglich anzusetzen, warum
verlässt aber Gahmuret Belakane? sollte hier nicht eine ähnliche
annähme am platze sein? bei Wolfram zieht FeireOz aus, man
weifs nicht recht, aus welchem anlass, kämpft mit Parzival und
und besiegt ihn. wenn wir das oben gesagte bedenken, so haben
wir einen in der afrz. epik ungemein beliebten sagentypus vor
uns (Busse Beitr. 26, 28), demzufolge valer und söhn mit ein-
ander kämpfen, der vater den kürzern zieht, die ganze sache aber
mit erkennung und Versöhnung endet, im Moriaen zieht der held
aus, um seinen vater zu zwingen, zu seiner mutter zurückzu-
kehren, der vater fügt sich freiwillig — war ursprünglich ein
kämpf notwendig, um ihn zu seiner pflicht zurückzuführen?
oder ist die friedliche lOsung die ältere? Heinzel hat (Ob. d.
franz. Gralromane 141) gezeigt, dass der Gralerwerber Galaad durch
seine mutter von Calafes Älphasan, di. dem historischen könig
von Abessynien Caleb Elesbaas abstammt, diese abessynischen^
326 SINGER
kteige leileD sich aus der verbiadung Salemos mk der königin
vofi Saba her, uad Wessela&ky hat, darauf luiigewiesen, daas hier
der Gral, das christUdbe heiligtam, nur an sldle euieB tAyen jH-
discheo getreten kt der älteste Bämüch jener aihkyiDcfaen lUtaiige
üeht zu seinem vaier Sak)OM, bewegt ikm^ ihm die Imdesiade
auszuliefern, und führt sie in sein laod Äthi^fden, wo äe sich
seitden hefindeu im Moriaen kawi Perchevil den GiaJ nacht er-
lange, weil er seine muUer, indem er sie veriefe, getötet vftd
sich dadurch des Grak unwürdig gemacht hat. war es dem
reinen sohse hesiimiiit, ihn zu erweriwn? w«ib der eigentüdie
Moriaen auch diesen achluss gehabt bitte, wflr4e ihn Vdtbem im
zusammenhange seines Laozelot haben ändern »llsseD. im jTiL
wird ParziTal allerdings Gn^önig, muss aber nadi jidrea» weil er
schuld am tode seiner mutter gewesen ist, die bersdiaft dem pnester
Johann^ dem söhne des Feirefiz, abtreten« da» wir fir ifie schkus-
pmie des jTit (und die frübern voraosdeutmigen auf diesdbe)
eine zweite quelle neben Wolfram annehmen mfissen, hat anch
Borchling (D. jTiU u. sein voiiiltnis z. WvE« 105) zugegeben,
nur will er den einfiuss dieser zwdten quelle auf die auffassung
des Grals als abendmahlsschOssei beschrinken und nimmt fQr sie
kurzen umfang und abfassang in lateinischer spräche an. diese
beschi^nkung hat gar keinen grund, die lateinische spräche mag
man gelten lassen, dass unter dem Indien des priesters Johann
gerade in diesem zusammenhange auch Äthiopien gemeint sei,
darauf hat schon Wesselofsky hingewiesen.
Alle diese Vermutungen sind natürlich fOr denjenigen zieoH
lieh hinfällig, der mit G Paris (aao. 253) und and^n die Über-
einstimmung zwischen Woliram und dem Moriaen fQr zufiQlig
hält 'die schwarze färbe der mutter des helden drängte sich der
Phantasie mittelalterlicher erzähler auf, sobald sie aus ihr eine
heidin machten, und bemerkenswert ist nur das zusammentreffen,
vermöge dessen das nämliche abenteuer hier Parzival, dort seinem
vater zugeschrieben wird\ auch fOr denjenigen, der die Moriaen-
sage nur aus einem misverständnis des keltischen personennamens
Mwr herleitet, wird ein Zusammenhang nur mOglidi, aber nicht
notwendig erscheinen (vgl. Hertz Parzival s. 476). ich bemerke
noch, dass auch in einem gascognischen märchen der söhn dnes
mofaren und einer weifsen frau den namen Mourei fahrt (RKöhler
Kl. Schriften i 90).
OBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 327
Dass «A solches zusammeotreffea zufällig ist, scheint mir an
sich gar nicht ausgeschlosseo. es scheint mir nur in diesem falle
uDwahrscheiDlich : 1) weil Wolfram nicht nur die Torgeschichte,
sooderD auch die nachgeschichte seines Parzival mit andern
lassojigeii der Gralsage gemein hat, während beide Chrestien
feklen. wenn ich heides zugleich ins äuge fasse, so scheint mir
liier aRerdiags annähme eines zufalls über das erlaubte mafe
lünausasgehn. 2) weil sich die Vorgeschichte nicht nur in dem
Gra^oraao von Moriaen widerindet, sondern a) in entfernterer
äkolichkeit im Grand SGral, wo der Gralsucher Galaad der söhn
einer äthiopischen prinzessin und eines Europäers ist, b) in der
▼erwanten sage von der erwerbung der bundeslade durch einen
abessyoischen kOnig, den söhn eines weifsen (Salomo) und einer
mohrin (der königin von Saba), c) in besonders naher ähnlichkeit
iB eioer der fassungen der verwanten sage vom babylonischen
reich, auf die beiden puncte müssen wir nun näher eingehn.
1) die Übereinstimmung in der Verknüpfung der ^nachge-
schicfate% der Schwanrittersage, mit der Gralsage bei Wolfram und
Gerben bat zuleUt BlOte Zs. 42, 50 ff für zufällig erklärt, dagegen
ist an sich nichts einzuwenden, wenn man wie BlOte die Vorge-
schichte aufser acht lässt. aber wir haben es gar nicht notwendig,
darauf zu recurrieren, da die Verbindung mit der Schwanrittersage
oech in einem dritten von Gerbert wie von Wolfram unabhängigen
Gralroman vorkommt, es ist der von MGoldschmidt 1899 in der
BibL d. litt Vereins 216 herausgegebene roman Sone de Nausay.
auf einzelnes hat schon Goldschmidt s. 556 aufmerksam gemacht,
ich gebe eine detailliertere inhaltsangabe der für unsern zweck
in betracht kommenden stellen : Sone kommt an den hof Alains, des
kAnigs von Norwegen, der kOnig führt ihn einmal an den meeres-
Strand, dort bläst er in ein hörn, zwei mönche kommen in einem
boot und führen sie auf eine insel, auf der ein herliches schloss steht,
das Ton den mOnchen bewohnt wird, dort übernachten sie. am
nächsten tage erzählt der abt die geschichte des klosters, wie sie
der bL Joseph von Abarimatie, der grttnder desselben, an seinem
letzten tage aufzuschreiben befohlen hat. er hatte dem Pylates
7 jähre gedient und verlangt zum lohne dafür den leichnam Christi,
er begräbt denselben, wird aber deswegen angeklagt und in einen
kerker geworfen, der von gewürm und schlangen erfüllt ist. da
sucht ihn Christus selbst auf und gibt ihm ein gef^fs {vaissiel).
328 SINGER
solchen glänz verbreitet das wahre blut ({t vrais sans) wie die
sonqe; als er es aq den mund hält, ist er so gesättigt davon,
als ob er eben gegessen hätte. 40 jähre bleibt er dort. Vaspa-
sianus war miielsücbtig, er wird durch Verone geheilt, aus dank-
barkeit gegen Christus sieht er gegen Jerusalem, in der Stadt
ist solche not, dass die mutter ihr kind isst. sie wird erobert
und man gibt 30 Juden um einen pfennig. Joseph wird aus
dem gef)ingnis befreit, alle kommen, das gei^fs zu küssen; ist
es ein kranker, so wird er dadurch geheilt. Joseph hat einen
söhn Josapbus, der der erste biscbof war. er nimmt noch das
hl, ei^en, mit dem liongins gottes seite durchbohrt hat^ unter einer
mauer hervor, unter der es vergraben war, und verlässt auf den
befehl Gottes das land, bei Escalone findet er ein schiff ohne
mast und segel, das fuhrt ihn nach Gayete. dort lässt er sich
ritterliche rüstung reichen und verübt nun durch viele länder
ziehend grofse taten zur erhOhung des glaubens, bis er endlich
nach Noruweghe kommt und die Sarrasins aus diesem lande
vertreibt, er tötet den kOnig des landes und heiratet dessen
schöne tochter, die er sehr liebt, sie aber glaubt nicht an Christus
und hasst in ihm seibat den mörder ihres vaters. zur strafe
für seine liebe lässt ihn gott au den lenden und unterhalb der-
selben erkranken {Es rains et desous Vafola). Joseph lässt sich
zum könig krOnen, seine frau gebiert ihm einen söhn und wird
ebenfalls gekrönt, der könig kann kein glied rühren und muss
immer liegen, er lässt nun dieses mächtige und schöne schloss
bauen, rings herum sind viele fische, und das einzige vergnügen
des königs ist, mit einem schiffmann hinauszufahren und fische
zu fangen, woher er den namen rois pesehieres bekommt, das
dauert so lange, bis ein ritter ihn heilt, dann wird er wider
mächtig in den waffen und besiegt die ungläubigen, sein sobn
starb jung, er aber wurde sehr alt. so lange er krank war, hatte
das land den namen Lorgres, denn Lorgres ist ein name der
trauer (Lorgres est uns nons de dolour). damals säte man nicht im
lande, kein kind kam auf die weit, kein mädchen heiratete, kein
bäum trug laub, keine wiese ergrünte, kein vogel und kein tier
brachte ein junges, solange der könig krank (mehagnies) und
sündhaft war. denn Christus kränkte es sehr, dass er mit der
ungläubigen lebte, so weit erzählt der abt die geschiohte, dann
verspricht er Sone das gefäfs zu zeigen Qui jadis fu grealz nommes.
OBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 329
Sncor e$i ü nommis gr%al%, er holt quo ein kreuz, in dem ein
grofser teil desjenigen sich befindet, an dem Christus gekreuzigt
wurde, dann nimmt er den greal aus einem elfenbeinernen käst-
cheo, legt ihn neben das kreuz auf den altar^ dann holt er die
hL lanze, ao welcher ein blutstropfen hängt, von dem grtal wird
das ganze land erleuchtet, der abt zeigt ihnen die gräber von
Joseph und seinem zweiten söhn Adans, sein erster war Josaphus
gewesen, der erste bisohof. darauf fahren sie von der insel zurück
zuai hafen Saint Joseph, der so heifst, weil Joseph dort gelandet
ist. Sone erschlägt einen feindlichen kämpen, den Sachsen Aligos^
mit deoi schwort des hl. Joseph, das ihm der abt geliehen hat.
als er Norwegen verlässt, soll er das schwert zurückgeben, was
ihm grofsen schmerz verursacht; Odee, die tochter des kOnigs, die
ihn liebt, gibt ihm das schwert heimlich mit. er reist ab. nach
maoDigfachen abenteuern am hofe des kOnigs von Frankreich
angelangt, wird er dort durch eine botschaft der Odee er-
reichtn, die durch das schöne 'spilwlp' Papegais und die hässliche
gräfio Orvalle ihre ansprüche auf ihn geltend macht. Orvalle ist
von fabelhafter hässlichkeit : vorn und hinten hat sie einen mund^
ihr gesiebt ist schwärzer als tinte, sie hat einen grofsen hart und
2 fioger lange zahne, ihre äugen sind grofs wie pferdeaugen, ihre
augenbrauen 3 finger breit, ihre arme lang und dick, ihre fauste
grofa. Sone fragt sie nach dem befinden seiner geliebten, sie sei
sehr traurig, antwortet sie , ^wenn ihr mich nicht so wohl em*
pfangen hättet, so würde ich euch so schelten, dass jeder euch
verachten müste; aber dazu kann es noch kommen, wenn ihr
nicht meinen willen tut', darauf singt Papegais einen May', den
Odee gedichtet hat, in dem sie ihre ganze liebesgeschichte erzählt,
aber ohne namen zu nennen, nachdem sie gesungeu hat, ver-
langt Papegais das urteil vom kOnig, ob die dame, um die es sich
handle, nicht doit avoh $on ami. der kOnig entscheidet, nachdem
er seine barone angehört hat, zu ihren gunsten, und Sone, sowie
die gräöu von Champagne, die sich selbst hoffnung auf ihn ge*
QUichl hatte, fügen sich der entscheidung. er zieht nach Norwegen,
wo unterdessen der könig Alain gestorben ist. er soll Odee
beiraten und könig werden, vor der kröuung muss er das geseti
beschwören, das der hl. Joseph vom hl. Petrus (Satn^Pterre) empfing,
oach einsegnung der ehe wird der greal gebracht, dann die hl. lanze,
dann das kreuz, in dem ein teil des kreuzes Christi ist, dann ein
330 SI.NGCR
goidaer ieuchter mit 5 kerzea, dereo oütliere mmmtr breiiDL diese
i^ eine voo den dreies, die die enge! bei Ckräli gebort vom
hinunel bracbien, die iwei asderen süid im tem^l MabaauDeU. sie
ziebeo oud in processioo, foraus der kscktcv, d»mm das kreuz,
daDD die lanie, zum schluss der kömg Mit den frcdL der leicbnam
der heidoischeB gemablin des Josepb wird durch etneo blitz aus
dem grab gerisseo. Sone ziebt deia pauste gegen die Sarazeoeo
20 bilfe. io einem briefe erklärt der SaraMneakönig Bladoc^ die
berschaft der christeo beruhe auf uerecht, desA sie führe sieb
auf Julius Caesar zurück, der seioe regiemog mit verrat ao
Pompeius begODoeo habe, nachdem er gesiegt hat, kehrt Sooe
Dach Norv^egeu zurück, sein soho Heori zieht ins hL land und
heiratet dort die erbin von Danich (di. Beiml). sein ältester
soho Houdiaot heiratet die bOse Matabrooe von Boeme [hier endet
das gedieht; das folgende nach der prosaeioleitong]. ihr söhn
Oriaot heiratet Eloose, die ihm drei söhne mit goldketten um den
hals gebiert« die böse Schwiegermutter Matabrooe nimmt aus
hass gegen Elouse dem einen kinde eine goldkette weg, wodurch
es in einen schwan verwandelt wird und nach Galoches fliegt, wo
<ler Gral bewahrt wird, das ist der schwao, der später seinen
broder Elias zor befreioog der Biaotris führt er tötet den
Sachsen Animaye, verlässt aber seine frau, die ihm eine tochter
Yde geboren bat^ als sie ihn nach seiner herkuoft fragt, aof den
ruf eines bornes erscheint der schwan und führt ihn nach Baruch,
wo er, selbst ein urenkel des Sone, eine enkelin desselben namens
Fane heiratet und mit ihr drei söhne hat aus einer Schlacht mit
den beiden wird er durch seinen bruder den schwan sterbend
nach Baruch heimgeführt, seine frau hat diese ganze gescbicble
durch ihren schreiben Branque aufschreiben lassen.
Ich brauche dieser inhallsangabe nichts hinzuzufügen, die
ähnlichkeiten mit Wolfram, auch wo er nicht mit Chrestien stimmt,
springen in die äugen: die krankheit des Gralkönigs als strafe
für liebe zu einer heidin, die hässliche botin aus dem lande des
Grals (Chrestien sagt nicht woher?), ihre botschafl vermischt mit
botschafl und gcricht der Vorgeschichte, in der eine Gralpriniessin
und eine französische fürstin um den beiden sich bewerben, endlich
ansüliluss der Schwanrittersage. nur ein voreingenommener kann
noch behaupten, dass Wolfram Chrestien benutzt habe.
2) Die gescbichte des Apollonius von Tyrus, wie sie
OBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 331
HTNeiLftIa dt erzählt, eathält ebeafalls das liebesverhältois des
h^den mit einer mohrin. es l^sst sich zeigen, dass dieser zag nichts
wie mao ftuslier meinte, aus Wolframs Parzival entlehnt, wenn auch
iD der ausfahrung von ihm beeinOusst ist, dass er vielmehr einen
orsprODglichen beslandteii der einen der beiden quellen Heinrichs
bildet, diese beiden quellen waren beide romane, die das leben
des Apoltonius lojn Tyrus behandelten ; während der eine derselben
aber sick genau an den bekannten lateinischea roman anschloss,
schmflckte ihn. der andere mit allerhand phantastischen erfindungen
aus^ nahm vor allem die sage vom babylonischen reich in sich
auf, uzw. in einer form^ die bereits mit der sage von der gründung
der abessynischen dyaastie verschmolzen war. in dieser form hat
die sage vom babylonischen reich ^e ^östliche' fassung der Gral-
sage beeinflusst, die naeh Wesselofsky durch Kyot mit der wesi*
lidieo fassung derselben verschmolzen wurde, eine analyse des
gedicbts von HvNeustadt in den hier in betracht kommenden
panien soll all das näher ausfuhren.
a) Das gedieht beginnt mit dem träume Nabuchodonosors.
das geschieht in sehr verwirrter weise: die beiden träume (Daniel
cap. 2 uad cap. 5) werden vermischt, der träum wird abweichend
voD der gewöhnlichen deutung, wonach er die 4 Weitmonarchien
anzeigt, auf die 4 lebensaller des menschen gedeutet, dann fährt
er fort: Nu ist der träum pescheiden. Ir soU iu niht län leidm,
Dax idi daz zwispü hän gitän^ E% ist ein Mhm glös daran.
der dichter entschuldigt sich also, dass er den träum zwiefach aus*
gelegt hat; denn ein Substantiv zwisfil, das 'gleicbnis' bedeutet,
wie Lexer und StrobI meinen, gibt es nicht, vielmehr nur ein adverb,
das ^zwifach' heifst. er meint also, er habe den träum doppelt
ausgelegt, einmal nach dem eigentlichen sinn (die 4 wcltmonar-^
chieen), das zweite mal nach der glds, nach einem commenlar,
der die entferntere bedeutung angibt, er hätte sich aber gar
nicht zu entschuldigen brauchen, denn er hat überhaupt nur die
zweite deutung gegeben, und nach diesem musterstück von Ver-
wirrung findet er einen höchst gezwungnen Übergang zu seinem
ihema : Ez lit ein höhiu glös dar an^ Diu gä ouf aller werlde kint^
Die nü und fürbaz lebende sint. Sie gSt auch gar auf einen man
Von dem ich muot ze sagen hän. man sollte meinen, das wäre
der held des gedichtes, aber durchaus nicht: es ist Antiochus,
der überhaupt nur im ersten teil eine rolle spielt, wenn eine
332 SINGER
eiuleitUDg für ein gedieht, vor dem sie steht, u i c b t geschrieben
war, so ist es diese, sie gehört offenbar vor den zweiten teil,
der die Zerstörung des babylonischen reiches behandelt, aus dem
allerhand, wie wir sehen werden, schon in diesen ersten teil
aufgenommen wird.
b) Es folgt die geschichte der blutschande des Antiochus mit
seiner tochter. über den namen der amme Pinelle, der sonst
nirgends vorkommt, weifs ich nichts zu sagen, hervorzuheben ist
das orientalische märchen in der scheltrede an die minne, das sieb
am übereinstimmendsten imTuti-Nameh (nach der türk. bearbeitung
übers, von GRosen ii 71 ff, 20. abend, geschichte von Gülfischän)
findet, da dort sowol der rösenlachende man als der tanzende
krüppel erscheinen, andere fassungen s. Heinzel WSB. 97 (1888)^
91; Strauch zu Enikel 25177; Hist. litt, xxx 66. eine eigentüm-
liche Variante, geistlich ausgedeutet in ^S.alomonis hüs' bei Adrian^
Mitteil, aus hss. s. 419. über die folgende heraldische Variante
weifs ich nichts sicheres beizubringen.
c) Apoilonius zieht in Antiochia ein in begleitung eines
mohren Falech und eines zwerges Galiander. beide spielen keine
weitere rolle im gedieht, kommen auch in keinem andern Apol-
louiusroman vor. doch gehört der erstere jedesfalls in die Vor-
geschichte des babylonischen reiches, denn er ist der Phaleg
(var. Faleg, Falech) der Vulgata Gen. x 25. xi 16. 18, der so
genannt ist eo quod in diehus eins divisa sit terra, der FälSk de»
iithiopischen Buches der Jubiläen (Kautzsch Die apokryphen und
pseudoepigraphen d. alt. testaments ii 55), der tochtersobn des
Nebrod, des gründers von Babylon, als titel der beiden, die in
Antiochus dienste stehn, werden aufser dem mir unklaren tanelier
und den bekannten admiral und satrape* noch die nur bei
HvNeustadt vorkommenden alfaki und mutkali genannt, wie mir
prof. Marti nachweist, gleich dem arab. elfakih (oder elfakih), der
rechtsgelehrte, und muttakil (oder mutawakkil), der präfect.
d) Als Ap. sich Antiochia naht, reitet ihm ein ritter ent-
gegen: Er flouc dort her durch den wint^ Als er waer des tiufels
chint . . . Er fuort ein trackenhoubet Ouf dem heim gepunden.
Oben unde unden Was sin decke alliu swarz. Recht als ein ge-
prantez harz. Sin schilt was von golde Geslagen, als er stholde:
Daz swarze trackenhoupt daran, es ist Taliarcus, der roarschall
des Antiochus. Ap. hingegen führt die sirene im wappen. er
pBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 333
sucht deo gegner beim zweiten wafTengang vom pferde. dass Ap.
die Sirene im wappen führt^ ist ein vorausgreifen der erzählung;
deon erst im zweiten teile der geschichte wird ihm von der sirene^
die er tod dem angriffe eines Centauren befreit hat, das recht
verliehen, ihr bild im wappen zu führen (Strobl s. 24). dass als
gegoer des beiden hier Taliarcus erscheint, ist vom dichter gilt
ausgedacht, um die spätere feindschaft der beiden zu erklären.
im französischen prosaroman der Wiener hofbibliothek (s. meine
inbaltsangabe^ Beibl. d. Anglia x 1080 ist es ein ungenannter
^kevidier ardant. dort kommt Ap. auf dem wege zu Antiochus
nach Gresse, dessen kOnig Alexander ihn gegen den feindlichen
ritier schickt, der auf einer insel regnoit par Vart du deable, er
lührt einen feuerspeienden drachen im Schilde. Ap. gelingt es
den drachen selbst zu verwunden, da wendet sich dieser gegen
feinen eigenen herrn und verbrennt ihn. Ap. bringt seinen mit
kostbaren steinen geschmückten heim als beute zurück, man
«ieht wol, wie HvNeustadt im bestreben seinen Taliarcus noch
weiter ira gedichte zu verwenden, dgßu gekommen ist, diesen
charakteristischen zug zu verwischen, wir sehen aber zugleich,
dass dieser scheinbar bedeutungslose waffengang vor dem zusammen-
irefifen mit Antiochus aus der erzählung vom babylonischen reich
stanunen muss, wie sie nach russischen quellen Wesselofsky aao.
s.22 mitteilt: 'Nabuchodonosor liefs um Babylon herum einen grofsen
drachen machen, im köpfe dieses dracheu ist der eingang in die
Stadt, er befiehlt drachenbilder zu machen auf alle gerate, auf die
paläste, auf alle türen und auf das vieh; für sieli selbst aber
macht er das schwert ^Selbsthau, aspis-drache'. als er stirbt,
befiehlt er das schwert in die Stadtmauer einzumauern und ver-
bietet es herauszunehmen bis zum ende der weit, da aber einstmals
QbermäcUtige feinde gegen die Stadt heranziehen, bewegen die
Babylonier seinen söhn Wassili (Basilius) gegen sein verbot das
schwert aus der mauer zu nehmen, 'da fuhr Selbsthau aspis-
drache aus der scheide und schlug des kaisers Wassili haupt ab,
erschlug aber auch alle die feindlichen kOnige mit ihren grofsen
beeren, aber alles an der armee der babylonischen krieger, was
an ihnen von abzeichen an kleidern, waffen, pferden, zäumen,
Sätteln und rüstzeug von drachen war, alle diese begannen zu
leben und frafsen das ganze beer, und was in der Stadt von
drachen bildern war, die frafsen die frauen und kinder und alles
334 SINGER
vieh; und auch der grofse drache um die Stadt herum wurde
lebendig und zischte und brOllte'. später schickt der griechische
kaiser Leo boten in das verödete Babylon, sie müssen dabei über
die grofse schlänge steigen und bringen aufser anderem kostbare
steine zurück, in unserm prosaroman erscheint statt des kaisers
Leo dessen mitregent Alexander, aus dem die russische erzählung
eine kaiserin Alexandra gemacht hat (Wesselofsky Arch. f. slaw. phil.
2, 331). Wess. hat (Skasanija) auf verschiedene ähnliche nordische
sagen verwiesen, ich will noch zwei weitere anführen, die ihm
entgangen zu sein scheinen, in der saga von Eirik hinn vidfbrli
kommt der held an die grenze von 'Odäinsakr'. um dieses land
ligt ein drache herum, er springt ihm in den rächen und ge-
langt durch denselben in jenes land. er gelangt dann in einen
in der luft aufgehängten türm, der an den babylonischen türm
einerseits, an den in der luft hängenden tisch der Konradssaga
anderseits erinnert, von dort nach hause zurück. kOnig von diesem
lande ist anderwärts Güdmund af GlaesisvOllum. bei Saxo (ed.
Holder s. 290 f) führt dieatr seine gaste in eine hohle, wo kost-
barkeiten liegen, als sie sich dieselben aber zueignen wollen, ver-
wandeln sie sich : Armilla siquidem anguem induens uenenato deneium
acumine eum, a quo gerebatur, appedit, Cornu in draeonem
extractum sui spiritum latoris eripuit. Os ensem fabricans aeiem
precordiis gestantis immersit. diese parallelen lassen uns eine
symbolische bedeutung der sage von der Stadt Babylon ahnen,
wie sie uns der unten zu erwähnende hymnus in der vita von
Cyricus und Julitta offenbart.
c) Ap. nennt als seinen vater Chalidem (Chaliden), di. doch
wol patrem Chaldeum, was wider auf die sage vom babylonischen
reich weist im genannten ft*anz. prosaroman ist der vater kOnig
von Antiochia, Tarsus, Äthiopien und Arabien, die beiden ersten
stammen aus dem lateinischen Apolloniusroman , die beiden
letzten aus der tradition vom babylonischen reiche nach welches
Nabuchodonosor der söhn der kOnigin von Saba ist.
Es folgt rätsellOsung, Verfolgung durch Antiocbus, flucht nach
Tarsus gemäfs dem lateinischen roman. nur die breit ausgeführte
beschreibung dieser Stadt ist ihm fremd, folgt reise nach Pentapolis,
Schiffbruch, Vermählung mit Lucina, abreise, Scheintod der Lucioay
erweckung durch Cerimonius. über dessen schüler Phiiominus
s. meinen Apoilonius von Tyrus s. 51 f und meine recension von
OBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 335^
Klebs BeibL z. Anglia x.237f. die berührung mit slavischeth
{assuDgen ist mllefieht beaehtenswert.
f) Ap. übergibt das Deugeborene kind dem Strangwilio ii>
Tarsus und nimmt darauf abschied: Urloup nam er sä %e Kant
Und woü fHtrmi gen Egiptenlant. Daz ich sage daz ist war, B&
»of er mne mame j4r. Wes er da pegunde Und pflcBge ze aUer
simmie. Des ist ze sagen min gedanc. so geschrieben im aoschinss
an deo lateiDiscben roman. was aber folgt, stimmt durcharas
nicht dtzUy dettn Ap. geht Oberhaupt nicht nach Ägypten, sondern
ronSchst nach Barcelona^ dann nach Galacien, Armenien, Romfania,.
Indien usw. der bs. A, die Oberhaupt bessert, ist dieser wider-
sprach auch aufgefallen: der Schreiber schrieb zuerst ürlaup-
nam er sa ze hant^ strich dann aber diese zeile und Irefs die
folgende aus, so dass von Ägypten liberhafupt nicht mehr die-
rede ist; die übernächste ändert er in Sy pliben da manig jar,.
so dass sie sich auf Tarsus bezieht; in der nächsten hatte er
zuerst ebenfalls da pegunde geschrieben, radierte es dann und
schrieb auf der rasur dar nach pegunde. ob schon der arche-
t3^u8 ändernd in der zweiten zeile woU er varen statt vuor ein-
gesetzt bat, will ich dabin gestellt sein lassen, hier verlässt der
aotor seine erste quelle für längere zeit und wendet sich der
zweiten zu. die bruchsteile ist deutlich, diese zweite quelle war
ebenfalls bereits ein Apolloniusroman , die Übertragung auf den-
beiden ist nicht erst durch HvNeustadt vorgenommen woi*den:
das beweist vor allem die Übereinstimmung in den anfangscapiteln^
mit dem französischen prosaroman. auch dieser füllt die 14jährige
abwesenfaeit des beiden mit allerlei abenteuern aus, die aber mit
denen bei HvNeustadt gar keine ähnlichkeit mehr haben: diese
zweite quelle war ganz nach dem muster eines französischen
Karlsromans resp. kreuzzugsromans umgestaltet worden und bewahrt-
nur noch im anfang spuren der erzählung vom babylonischen
reich.
g) Ap. 2ieht nun zunächst nach Barcelona dem köoig Baldin
zu hilfe gegen die Völker Gog, Hagog und Rolch. die zeit, in
der das geschieht, gilt als die des griechischen kaisers Julian,
derselbe tritt hier gar nicht hervor, wenn man aber seine Stellung
gegen den christlichen glauben bedenkt, die ihn wol als den
Antichrist erscheinen lassen konnte, zu dessen Zeiten diese völkär
hervorbrechen sollten, wenn man erwägt, dass sein nachfolger
336 SINGER
in dem von Nüldeke Zs. d. d. morg. gesellscb. 28, 268 ff be-
sprocheoen roman, iDdem er seine kröne auf das kreuz nieder-
legt, die bekannte rolle des letzten kaisers spielt, wenn man
sieht, wie in der gestalt des Jovinian der Gesta Romanoruro, in
dem Julian und sein nacbfolger verschmohen sind, die ge-^
stalten von Nabuchodonosor einerseits, Salomo anderseits auf-
zuleben scheinen, so wird man diese Zeitbestimmung vielleicht nicht
für zufällig hallen, dass Apollonius als besieger von Gog und
Magog auftritt, ist von zwei gesichtspuncten aus zu verstehn.
wir finden ihn später (im franz. prosaroman gleich von anfang
an) als herscher von Äthiopien: von dortber aber soll nach
Pseudo-Methodius und andern der genannte letzte kaiser kommen,
der seine kröne auf dem kreuz niederlegt, vor allem verweise ich
auf den genannten Cahb-Elesbaas (s. Sackur Sibyllin. texte und
forscbgn. s. 166), den wir in dem Gralkönig Calofhe-AlfaMon
widergefundeu haben, anderseits aber ist schon nach dem Psetido-
Kallisthenes der besieger von Gog und Magog Alexander d. Gr.,
zugleich nach verschiedenen sagen söhn und gemahl einer äthio-
pischen kOoigin (Sackur aao. 27 ff), über die merkwürdigen be^
Ziehungen der Gralsage, auch speciell in Wolframs fassung, zum
Alexanderroman hat Gaster Folklore ii 198 ff gehandelt (vgl. auch
Wesselofsky Skasanija 50 fi). über das local der handlung wie
auch über das volk 'Kolcb* s. Festgabe f. Heinzel 427.
h) Es folgt nach verschiedenen abenteuern, die unserem
gegenstände fern liegen, die Sendung des beiden in das wüMe
Babylon, die überraschende Übereinstimmung dieser episode mit
der byzantinisch-russischen geschichte vom babylonischen reich
hat Wesselofsky Arch. f. slav. pbil. 2, 326—331. Skasanija ss. 15.
17. 25 aufgezeigt, anlässlich des Gentauren Piramort will ich
nur auf den Centauren Piritous hinweisen, den Moses vChorene
{Wesselofsky Arcb. 2, 315) mit dem drachenkönig Dhochäk der
iranischen sage indentificiert, der dem grofsen drachen in der ge-
schiebte vom babyl. reich entspricht, wie auch auf die Onocentaureu
und Hippocentauren , die der hl. Cyricus in dem hymnus der
syrischen legende von Cyricus und Julitta (Dillmann SB. d.
Berliner Ak. 1887) vor Babylon antrifft, diesen in der bekannten
lateinischen Vita der Acta Sanctorum fehlenden hymnus hat nun
Zwierzina doch in einer lateinischen Pariser hs. aufgefunden, die
in dem öden Babylon schachspielenden (Kentauren erinnern einer-^
ÜBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 837
Seite aa dM sebacbspiel Percevals mit dem unsiohtbareD gegner in
dem cinnmeD scfalo» bei Gautier uod im Petit SGral, anderseits
an dhs spiel der adilangen der Kosradssaga mit dem grüaeii stein,
der hier diHrch die kestharen schachsteine vertreten wird, die
onl Pirasort zusamnes schachspielende Centanrin PUaits habe
ick Festgabe aao. als Atodo gedeutet, vidteicht ist aber statt
dcssea oder dasebsD (da solche doppelbeiiehungen für unier
godicht charakterisüscb sind) an das stembild der Pleiadm lu
«rioocnL dies drängt nch auf, wenn wir an den folgenden kämpf
des ApolloBivs mit Serpanta und Ydrogant dettken, welch letatrer
mit einem kruge ausgerottet ist^ durch dessen zerschlagen er uih
gewitter erregt (?gl. Schweiz, arcb. f. Volkskunde 1, 208 anm. 5).
ligt es hier nicht nahe, die Sternbilder Serpens und Ht^a, die die
bfirim, den wasserkrug auf dem rOcken trflgt, zur erklirung beizu*
ziehen ? wir werden unten einen sichern faiil finden, in dem Apollo*
mos an die stelle des gottea Apollo getreten ist. erklärt uns dies die
Abtragung aller dieser abenteuer oder eines teiles derselben auf
ApoUonios? haben wir hier einen astronomischen mythus vor uns?
aocb die kämpfe mit den Centauren, die beziehungen zu dem
einhorn oam. liefsen sich so deuten. Sacknr aao. 150 ff hat
geieigt, dass als der letzte kaiser der Weissagung der tiburtioischen
Sibylle ursprünglich der Sonnengott Apollo gemeint ist
i) Ap. kommt nach ttberwindong verschiedener schwierig*
keiten nach Indien und heiratet die tochter des dortigen kOnigs.
Indien ist sonst das land des priesters Johann, mit dessen b^
Schreibung stimmen aufser verschiedenen geographischen notizen
vor allem einige unter den daselbst berichteten wundern: der
JQBgbrunnen^ die wundertatigen steine usw. wir erinnern uns,
dass das land des priesters Joliann sich auch über Rabylon er-
streckt (Wesselofsky Arcb. 2, 322X dass nach der einen russischen
erzäblung vom babylonischen reich Nemrod eigentlich 'Joannes' ge*
beüsen haben soll (ib. 311), wir erinnern uns aber anderseits
daran, dass er bei Wolfram söhn des Feirefiz und im jTiturel
Gralkönig ist. von Feirefiz erzählt Wolfram Parz. 328, 14 Man
bett ihm an (de einen got, von dessen vater Gahmuret ib. 107, 19
Em hetent heiden sunder spat An in ah an ir werden goi. ist es
da Zufall, wenn in der sonstigen Überlieferung vom priester
Johannes dessen vater den namen Quasideus fahrt? er regiert
Ober 72 vOlker und baut auf befehl gottes einen palast, dessen
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 23
338 SINGER
decke aus saphiren zusammengesetzt ist, in welche da und dort
leuchtende topase eingesetzt sind, wodurch der himmel mit seinen
Sternen nachgeahmt werden soll, dadurch erweist sich dieser
vater des Johannes als eine ins gute gewendete contrafactur der
bösen heidenkOnige Nimrod (Nibelot, Tmelot), Nabuchodonosor
und Chosroes (s. Wesselofsky Arch. 2, 311). ich fOge noch den
Sigelot des Rolandsliedes hinzu, then ane peteten thie heithenen
vur einen got (ed. Bartsch 5592. Grimm 198,21). Gahmurets
gegner sind die nelTen des Nabuchodonosor, von dem hervorge*
hoben wird Parz. 102,4, dass er an trügelichen buochen las, Er
solle selbe sin ein got, die söhne des Ninus, des gründers von
iVtnntW ;ApoIlonius ist ein nelTe des sultans von NinnivS. einer
dieser gegner Gahmurets ist Pompeius : Wolfram lehnt ausdrücklich,
wol aus besserer geschichtskenntnis heraus gegen seine quelle
polemisierend, die identification desselben mit dem Römer des
namens ab, aber im Willehalm 338, 26 lässt er den heidenkOnig
Terramer seine abstammung eben auf diesen Römer zurückführen,
vielleicht wie so oft den Willehalm aus dem Parzival ergänzend:
ihm gebühre als dem erben des Pompeius das römische reich,
die herschafl der Christenkaiser, die sich auf Caesar zurückführe,
basiere auf unrecht; vgl. die oben aus Sone de Nausay ausge-
hobene stelle, die vierte erzählung der deutschen Gesta (ed. Keller
s. 7) beginnt Pompeyus in der stat zu Babylon waz gewaltig; die
entsprechende geschichte von den 3 Jaulen in den lateinischen
Gesta Romanorum (ed. WDick cap. 22, s. 19) nennt den namen
Pollemius, in der ersten erzählung der von Dick herausgegebeoen
Gesta wird die tochter des Pompeins, der regnauit diues super
omnes ac potens (wol in Rom? es wird nichts darüber gesagt),
von einem könig von Babylonia verführt.
Chosroes versieht seinen künstlichen himmel mit röhren, ui
quasi deus pluviam desuper videatur infundere (MafsmeoD
Eraclius 503). er wird von den beiden als gott angebetet, damit
aber auch die Christen dasselbe zu tun scheinen, lässt er das kreuz
neben sich aufrichten (id. 499). ebenso wird der tote Gahmurel
von den beiden als gott angebetet, auf seinem grabe aber steht
ein kreuz, vor dem sich nun wol auch die Christen neigen, auf
dem kreuze ist seiu heim befestigt, wie die kröne, die der letzte
kaiser abgelegt hat, auf dem kreuze hängt*
Die indische prinzessin, die Ap. heiratet, heifst Diomena^
ÜBER DIE QUELLE VON WOLFRAMS PARZIVAL 339
ibre matter Palmena (an späterer stelle freilich Ekä), ihre tochter
AÜmenm, ihr söhn Plolemcßvs, der astronom. da dieser aber auch
sonst mit dem diadochen verwechselt wird (s. Wuttke Ob. erd-
konde und erdkarten d. ma.s s. 22)^ denk ich an letztern, der
soost als nalQj 'puer* Alexanders d. Gr. bezeichnet wird, was
Mieaei^ bedeutet, aber wol fölschlich als *sohn^ genommen werden
konnte (Sackur aao. 31 ß)* ^^ franz. prosaroman ist Antiochus,
ein anderer der diadochen, eigentlich vasall des Apollonius und
bat nur die berschaft in Antiochia usurpiert.
k) Ap. kommt nach Äthiopien, heiratet die kOnigin des landes
Palmina, die tochter des Änphytimon {Anfimon)^ sie gebiert ihm
zwei kinder, eine tochter und einen söhn, das ist eine Variante
der vorbergehnden geschichte. über Äthiopien-Indien s. o., den
oamen der frau des Ap. führt dort deren mutter. wir kommen
zu einer genealogie Ätnphytimon (di. Amphytrion) — Palmena —
Diomena — AUmena (di. Alemena); man beachte die gleichheit
der zweiten compositionsteile. Amphiiryon ist hier der urgrofs-
vater der Alkmene, in der griechischen sage ihr gatte und oheim.
es ligt nahe, eine ?ei4chiebung von enkelin und nichte (neptis)
anzunehmen, was aber hier die Heraklessage zu tun bat, wüst
ich nicht zu sagen, auch als Ap. einstmals durch windstille auf
dem meere festgehalten ist, kommt ihm unter andern helfenden
gottbeiten merkwürdiger weise frou AUcmena zu hilfe.
Als kinder werden Ap. und seiner frau^ der mohrin, hier
ein knabe Garamant und eine tochter Marmatora beigelegt, ich
habe bereits Festgabe aao. darauf hingewiesen, dass hier Apollonius
an die stelle von Apollo getreten ist^ der in der antiken mythe
als vater des Garamas (s. Servius ad Vergil. Aen. iv 198. Isidor
Origin. IX 2), des Stammvaters des grofsen Volkes der Garamantes
im innern Africa, erscheint, ich habe gezeigt, dass hier HvNeu-
stadt durch Wolfram beeioflusst ist, indem er den knaben ge-
fleckt und das mädchen ganz schwarz sein lässt, während in
seiner vorläge offenbar die elsterfarbe nicht dem söhn sondern
der tochter Marmorata zukam, ich glaube aber keinem Wider-
spruche zu begegnen, wenn ich behaupte, dass gerade dieser Sach-
verhalt darauf weist, dass für die ganze episode unmöglich Wolfram
die quelle gewesen sein kann, dass bereits die vorläge Heinrichs
unabhängig von Wolfram die Verbindung des weifsen mit der
mohrin und die figur des daraus hervorgehnden elsterfarbenen
23*
340 SINGER
raen&cheikkiodes gehabt haben muss. iiienn wir dhq in Garamamt
den staoimvaler der Gar§ma»te9 sehen, eiaeii älhiopischen k&aig,
der wie Nabijcbodonosor in der suge, die reiefae tob Äthiopien
und Mesopotamia in seiner band vereiDigt, so werden wir nicht
anstehn^ in ManMrüla die stavrnimutter der MarmaridoB, der be-
wohner der benaclibarlen MaQptaQinii^ der marmmica regio zu er-
kennen, eine falsche elymologie des naoiens als die ^marmorierten'
laig nahe, baUen doch schon die alten die bekanktschaft mit dem
partiellen albinismus der neger gemacht, wie die erwdbnung des
öiXQw^Qg äv'^Qtüitag bei Lukian, auf die Hertz Parzival s. 476
bioweist, zeigt; ein gaa^sKS voik dieses Schlages aozuaebmen, war
nftlürlkh unberechtigt, aber nicht unbereehtigler als die aus-
debnuDg der beobachtung des totalen aUnnismus anf einen ganzen
volksstamm, die Letüctethiopes (Plin. Hist. nat. n 8, 1), die weifsen
neger; dass in Guinea ganze länder mit solchem Albinos ange-
füllt seien, behauptete noan noch im vorigen jb. (s. Zedlers uni-
vcrsallexikon sv. Albinos), aucb die rndDung, dass diese ^elster-
neger' aus der Verbindung einer wei£sen mit einer mobrio hervor-
gtengen, war noch bis ins vorige Jahrhundert verbreitet: 'Les
n dividus qui la pr6sentent (ranomaüe de Talbinisme partiel cbez
les n^gres) sont les £uneux hommes ou enfants pies, qui ont tant
excit^ la curiosit^ au si^cle dernier. On les a consid^r^ pendant
long temps comme n^s d^une n^gresse qui aorait eu commerce
avee un blanc: on sait mainteoani querien n'autorise une pareille
supposition' (Grande Encyclop^die i 1178).
'Ob man Astagout mit den äthiopischen Azachai Solin 30t 4
znsammettbringeu darf? für Zttzamam boten sieb dann freilich
nur die Garmn(mt$s, die böclistens vermittelst einer bedenklichen
annähme von textverderbnissen mit jenem namen in nähere ttber-
einstimmung gebracht werden könnten' (Martin Zur Gralsage s. 6).
das zusammentreffen dieser hypothese Martins mit dem wttrklicben
verbalten im ApoUonius des HvN. ist sicher kein lufiüliges« z
fUr g, % für r, c für t sind jedes für sich paläographiscb leicht
erklärlich : wenn ich die last auf Kyot und Wolfram gleicbmäfsig
verteile, scheint sie mir nicht zm schwer zu sein, freilich meint
Marlin, dass W. den Soiio direct benutzt habe, aber das scheint
mir ebenso wenig bewiesen, wie dass er das Marbodsche lapidar
benutzt hat. Martin slülzl sich (s^ 41) auf die namen Agaiyrsjmte,
NemjmUt, N^maifitUe^n, Trog0djeMtesiny Atr^fagente, Orastegem-
OlER Dl£ QUELLE VOJN WOLFRAMS PARZIVAL alt
/Min, iuM kmmmt nodi Satardy9tUe für SMcrtl^efUe avs Satarehw
gemiu (aaou 5). Maitia Aeiai iiud^ 'i^ oder das gMdibedeuteiid«
j vreiBt auf Jatenische grandfonn; a«s französiscber torbge wttrde
sctoU ^osieo sein, wie aus 658, 27 ernchtlieh ist\ das« j onil
§ gkicUicAntend nod, ist aber DkiK ricliiig; y tritt aUerdio^
orlhognpiuacb Tor t fir / ein, selten yot €y wie etwa »cr^eAan
Pifz. 286, 20, der ongekelHte Wechsel kommt JcaiuB vor. imter
d&k obigen 8 fidko zeigen 6 s\ nur 2 p, vo« wekbea einer so-
fort sa eÜBunierea ist, da sein g auf ^f zurückgeht (iin/Aropo-
|)A«^' fOi^M)) «^ andern mag ein gelehrter Schreiber, dem das
lateinische gen^ einfid, auf den gewissen haben, was tatlbb
einen Deutschen Tennocht, in der meiHrzahl der flille lateioiscbee
g durch j vä ersetzen ? französisches g vor e gab er freilich durch
seh wider, Iranaasisches / aber durch j. und für den Franzosen
Jag wol eifl gruod vor, hier ^ in / zu wandeln, und iVamcah'
gaU9s sauste, wenn es nach aaalogie französischer worte hehan-
deil wurde, sein intervocalisches g in j verwandeln (s. Schwa«
Afrz. graflMD. § 201). dabei ist freilkh das beibehalten der ia-
ieifiischen endung auffaiiend.
Dann amss man aüerdiogs die meinong aufgeben, als hätte
WoJfiram die aamen Azagmc und Zazamanc aus dem Nibelungen*
lied bezogen (vgl. Braune Beitr. 2&, 86£r)* gerade wenn man mit
Bravne die ströme 417a für ursprüngKch hält, verliert die an-
nähme des umgekehrten Vorgangs sehr an Schwierigkeit, ein oo
weit Terbreitetes gedieht wie der Parzival konnte doch wd de«
dichter des Nibelungenliedes wie dem bearbeiter von C bekannt
sein und von jedem besonders benutzt werden, dass man daraus,
dass man keine sichern beziehungen zwischen zwei gedichten auf-
weisen kann, nicht schliefsen darf, der dichter des einen habe
das andre gedieht nicht gekannt und deswegen nicht mistrauisch
sein darf gegen annähme von beeinflussung im einzelnen falle,
hab ich Festgabe f. Heinzel s. 377 ff zu zeigen versucht, mich
hat freilich die hübsche deutung von Nib. 720 durch Martin Zs.
32, 384 f oberzeugt, doch erkenn ich wohl, dass sie nicht für
jeden ttherseugend sein muss. hingegen ist die Strophe von C
80 ungeschickt, dass sie mir kaum anders erklärlich ist, als durch
läppische benutzung des geistreichen Wolfiramschen einfalls.
1) Ap. koflunt zum paradies : wie Alexander, danach wendet
sich der dichter wider der ersten quelle zu : es wird die ge*
342 SINGER ÜBER DIE QUELLE VON WOLFRAHS PARZIVAL
schiebte der Tbarsia erzählt, ihr zusammentreffen mit ihrem vater^
fahrt nach Ephesus und erkennung der Lucina. darauf eine reihe
von festen und turnieren, die dem lateinischen roman natürlich
fremd sind. Ap. gründet die tafeirunde : ich erinnere bei dieser
gelegenheit daran, dass in der Thidrekssaga Apollonius der söhn
des Artus ist. Patrochel von Mirmidon und Archilan von Yakitron
(Slrobl s. 115) widersagen der tafeirunde, es sind wol Patroclus
und Achilles, worauf bei dem ersten der beiname weist, bei dem
zweiten der umstand, dass früher (s. 59) ein Achilles von Barcilon
vorgekommen ist. über Verwechslung der namen Achilles und
Archehus s. Heinzel WSB. 126 (1892), 65. Apollonius selbst ist
der neffe des königs Priamus von Troya (Strobl s. 120), was die
gegnerschaft wol erklärt, ich verweise darauf, dass Beldkäne, die
mutter des Feirefiz, die cousine der Eckuba von Janfüse ist,
deren beinamen ich freilich nicht erklären kann, wenn Bartsch
German. stud. ii 154 recht hätte mit der deutung de gente fusa,
so würde das für die vertriebenen Trojaner scbliefslich passen,
charakteristisch ist aber ihr zweckloses hin- und herreisen : das
local ist wol ursprünglich Afrika gewesen , und sie hatte nicht
Parzival, sondern Feirefiz vor der Gralsuche zu ermutigen, ich
verweise zum schluss noch darauf, dass Priamus und Hecuba
(Sackur aao. 177) die eitern der tiburtinischen Sibylle sind, mit
der die königin von Saba leicht vermischt wurde, ist Belakäne
etwa aus Balkis, dem arabischen namen der königin von Saba
entstellt?
Ich glaube gezeigt zu haben, dass die Übereinstimmung des
Apollonius des Heinrich vNeustadt mit der Vorgeschichte des Par-
zival nicht auf entlehnung, sondern auf urverwantschaft beruht
und deren bedeutung innerhalb der geschiebte der bildung der
Gralsage zu erbellen geeignet ist. S. SINGER.
WEITERE VERBESSERUNGEN
ZUR ALTSÄCHSISCHEN GENESIS.
Dass in der partie von Kains Verfluchung das metrum von
V. 51 an recht auffallend ist, wird wol von manchem bemerkt
worden sein, vermutlich hat man sich das aus eingestreuten
schwell versen erklärt, die an sich in dieser scene ja nicht un-
angebracht wären, in ihrer unregelmäfsigen Stellung muss ich
FRANCK VERBESSERUNGEN ZUR AS. GENESIS 343
sie trotzdem bezweifeln, und es kommen andre momente hinzu,
^e zur Jcrilik herausfordern. 1) die allitteration auf dem ein-
führenden fiMuf V. 56^ man könnte sich auf 245^ quddhe gemo
bemfeo. immerhin ist hier dadurch, dass der abhängige satz
nicht mit ihai eingeleitet ist, also eine kleine pause hinter guad
erfordert wird, das verbum etwas gehoben, und jedesfalls ist in
der regel ein solches quad tonlos (auch 98^), und auch in dem
mit UDserm verse gleichlautenden Hei. 2968 quadun that sie
uuissiH garo allitleriert uuissin und nicht quadun. im folgenden
halbverse soll das von dem zugehörigen bidemid weit getrennte
unerdan ganz in die Senkung fallen, der vers scheint mir ge-
radezu unerträglich, wenn mau nicht eine, m. a. nach unerlaubte,
dreifache aHitteration annehmen will. 2) der dat. von uualdand
lautet sonst stets uualdande^ nicht wie in 57 uualdand^ und es
kommt auch sonst im as. keine entsprechende form vor (Holt-
faausen As. elementarb. § 320 Q. mit Braune den acc. anzunehmen,
(Glossar s. v), geht nicht an, denn {bi)demian regiert den dat.
der person. 3) sehr mit recht hat Jellinek DLZ 1898, 92 v. 66^
beaustandet : hugi wäre unerklärlich, tfiuua kommt niemals als
subst. fem. vor, nur treuua^ und er nimmt darum das adj. an.
allein die fügung nu ik ni uuelda minan triuuan haldan \ hugi
dürfte beispiellos sein. 4) während in der wörtlich entsprechen-
den antwort 70^ — 71* hier den höchsten verston hat, soll das
wort 67'' ganz in der Senkung verschwinden, diese Schwierig-
keiten sind durch eine andre einteilung der verse zu lösen, die
dann freilich noch einige weitere notwendige änderungen im ge-
folge hat. 56* ist der rest eines langverses, der sich schwerlich
mit genügender Sicherheit wider herstellen lässt. an sich möglich
wäre wol einfach
Kain aftar them uuordun aftar them quidiun drohtinas.
eine andre möglichkeit wäre, dass ein adj. vor oder hinter qui-
diun — etwa craftigunl — ausgelassen wäre, die beiden folgen-
den langverse ergeben sich sehr einfach:
quad that hi uuisse garo that is uuerdan ni mahti
uualdanda uuiht an uueroldstundu
an der zweiten stelle ist die Verwirrung etwas stärker, was sich
aber auch schon darin erweist, dass der Schreiber ja tatsächlich
das subst. triuua statt des adj. eingesetzt hat. ich schreibe
344 FßAKCK VERBESSERUNGEN ZUR AS. GENESIS
nu ik triuuan m uuMi
{haUan mmtm hngi eber) m. hugi haUan unid tkem thinum
Uuinm mmeda;
nu UH€t äc thai ik hier ni mag tmga hmla IMian,
mau kODiile gegen diese coDJecturen eioweeden, dass 4adurcb
kurz hiüCereinander zweimal langverse oiit gleicher allitteratioD
gescbafTeD werdeo. dass das gern vermieden wird (Zs»40, 217f)t
ist uotweilethafl. aber es kommt doch ?or; ia den fragmenieD
noch zweimal, in Hei. 1—1000 6mal (155 f. 234f. 291 f. 307f.
673 f. 718 f), und die Utsacbe kaoa ja gerade mit schuld sein an
der Verwirrung, wenn die ergänzung im folgenden halbverae, wie
ich froher aauabm, notwendig, und licbt etwa absichtlich $o hmai
statt 80 huwr gesetzt ist, um die gr<)6te allgemeiabeit zu be-
zeichnen — die quelle und^ wie es scbetot, auch die commeutare
geben keinen anlass dazu — , so ist vielleicht die Stellung kuand mi
uuer0 mUnoirkit vorzuziehen. 90 hntU kannte sowol zum 1 wie
zum 2 halbvers gezogen werden, für 71* siud die erwaguageo
von Ries Zs. 39, 302 voUig überzeugend; doch ist der vers wol
noch, trotz 20* und verwantem^ durch eiosetiutig von huü auf
ein beschf^nkteres mafs zu bringen in genauem anschluss an
HeL (C) 5S02 Uf Imgenm kuä. ~ v. 77 hab ich schM frflber
in zwei langverse zerlegt auch 78* wird man in der Umgebung
noch far einen scbwellvers ansehen, die notweudigkeit Usst sieb
leicht umgeho, indem man Mnon uuordon schreibt steh aualogie
von v. 228. übrigens ist vielleicht an beiden stellen mtd zu
streichen und wie im Hei. der einfache iostrum. zu setzen, sa
bleiben in der ganzen partie nur v. 51 und 52 als solche übrige
bei denen die Wahrscheinlichkeit für schwellverse ist.
Wie wir bei den zahlreichen fehlem der hs. manchen an-
dern kleinen bedenken gegenüber kühner sein dürften, so brauchet»
wir uns auch bei der Schwierigkeit, die bifallan v. 185 bereitet,
nicht aufzuhalten; es ist bifellan zu lesen.
V. 277^ ist zu schreiben im an is selbes duom. wir haben
es mit dem adverbiellen ausdruck an is selbes duöm (neben duoma)
^nach eigener Verfügung, freiwillig' zu tun, der parallel dem ad*
verbialen an is uuilleon ist.
Bonn, februar 1900. J. FRANCS.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN.
9. MflD. £1 < BGB, AGB, BDE, MHD. /< IGE, IBE.
HFischer bat in seiner bekannten, aber noch inuner nicht
genug berQcksichtigten schrift Zur geschichte des mhd., Tübinger
uoiv.-progr. 1889, die dichter, welche das neue, aus contraction
Ober g entstandene -eid, -eit, -eist im reime mit altem -etd, -ctY»
-eisi binden, in drei gruppen geschieden, er kennt eine gruppe
aasschliefslicb mitteldeutscher (s. aao. s. 61) dichter, die -eü <C
'fgei, -eisK^^gest nur in ireit <^ traget (resp. treisi) und fett <
l^gei (resp. leist, leite, geUit), ferner, füg ich hinzu, in meide <C
mfgede, getreide <C getr§gede zulassen, nicht aber in seit <^*s§get,
mhd. saget (resp. seist, seite, geseit). er stellt diese dichter in
seiner tabelle als nr 37 — 47 zusammen, wir werden sehen, dass
auch noch eine reihe der von ihm wegen der reimform geine <C
gfgene (subst. oder adv.J gesondert aufgeführten md. autoren (tab.
or 141 bis schluss) hierher gehören i. eine zweite gruppe meist
(doch nicht durchaus) alemannischer und frankischer dichter (tab.
nr 48 — 98) stellt neben treit und leit auch das seit \ welches auf
ein älteres *s^git, *s§gist (neben dem allgemeinen sagSt, sagest) zu-
rückgeht, reimt aber sonst kein -eit <C gleichsam mhd. -aget. die
dritte gruppe endlich kennt neben treit, kit, seit, meide auch ein
verseil < verzaget, verdeit < verdaget, gekleit <1 geklaget, meit <;
wmget asw. Fischer stellt die bierhergehOrigen, meist bair.-Osterr.
dichter in seiner tabelle als nr 99 — 140 zusammen. Fischer hat
ferner schon bemerkt, dass bei den alemannischen dichtem in
treit und leit die contraction schon mhd. obligatorisch ist und
sich neben den et^formen in der 2. 3 sing, prfls. ind. von tragen
und l^gen, im prat. und part prät. von l^gen keine j^-formen
finden, dass aber die 2 plur. hier natürlich nur ir traget, ir l^get,
sowie fr saget heifst, da -etY nur aus ahd. '§gitp nicht aus ahd.
-agai, -aget, '§get <^ -agjat entsteht heute sind in vielen ale-
mannischen dialekten auch die ^-formen von sßget sagest gesaget
^ ich bemerke gleich hier, dass ich auf diese vierte von Fischers
giuppen mhd. dichter, die ei<,ege:ei reimen, nicht naber eingeh.
' ich schreibe hier und im folgenden nach Fischers Vorgang zur ver-
ciiifMihvDg oft ireiiy leit, seit, wo die andern einschlUgigen formen : treist,
iButj kiU, gekU^ 9eiU^ weUe^ geseit mitverstanden sind.
346 ZWIERZINA
ausgestorben und herschen auch bei diesem verb allein die con-
Iractionsformen. in mhd. zeit reimen alle alem. dichter ohne eine
einzige ausnähme neben seit seist geseit auch die anders gebildeten,
nicht auf *sfgist *s^git *gis§git zurückzuführenden saget sagest ge-
saget, und es ist kein anlass vorhanden zur annähme, dass diese
^-formen nicht auch dem würklichen dialekt der damaligen Ale-
mannen entsprochen hätten und etwa aus einer aufseralemanni-
sehen Schriftsprache geholt wären, dagegen spricht die einmütig-
keit aller autoren, die gleichzeitigen Schreibungen alem. hss. und
der umstand, dass ja bei tragen und l^gen, wo die altern formen
in "^git eben keine anders gebildeten formen in ahd. -aget neben
sich hatten, auch tatsächlich in den reimen der Alemannen treit
und leit allein gilt, die dichter also von ihrer mda. hier zu gunsten
der p-form nicht abgewichen sind, alle bair.-Osterr. und die
meisten fränk. und md. dichter zeigen dagegen neben den be-
quemer zu reimenden et/- formen auch immer ^-formen, uzw. so-
wol saget, beziehungsweise klaget daget maget usw., als (dies geht
vor allem die Franken an) leget und treget. dabei ist zu be-
merken, dass die dichter der dritten gruppe zwischen den ver-
schiedenen -aget unterscheiden, der eine etwa neben geseit auch
ein g^eit und gekleit, aber kein meit und zb. verzeit setzt, der
andre etwa neben geseit gerade nur noch meit und verzeit reimt,
und dass nur seit für saget, geseit für gesaget allen gemeinsam
ist. dadurch wurde Fischer mit bewogen, alle contractionsformen
der Baiern und Österreicher für Zugeständnisse an die dichter-
spräche und misverständnisse der alem. et-formen zu halten : man
hätte sich nach analogie zum alem. er seit und geseit ein unalem.,
schriftsprachliches schiboleth ir seit und gekleit usf., nach ana-
logie von der meide ein diu meit gebildet und so, weil man bei
den alem. Vorbildern ein geseit für eigenes gesaget fand, auch dort
ein -et/ für -aget gereimt, wo es historisch ganz unberechtigt war.
nach dieser auffassung begriffe Fischers dritte gruppe durchaus
dichter, die eigentlich ihrem dialekt nach weder, wie einige
mitteldeutsche, treit leit meide getreide noch auch, wie die Ale-
mannen, aufser diesen noch seit hätten reimen können, dies sei
hier schon vorausgenommen, ich werde Fischers auffassung unten
noch kritisch zu beleuchten haben.
Im folgenden werden nun zu jeder der drei gruppen Fischers,
der mitteldeutschen, alemannischen und bair.- österreichischen.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 347
der reihe aach nachtrage beigebracht werden, nachtrage nicht
nur 2um material, sondern auch und vor allem zur beurteilung des
materials.
Die mitteldeutsche gruppe. — nicht alle md. dichter
gehören hierher : viele ostmd. und auch einige ostfränk. dichter^
zb. Wirot, geboren in die bair. - Osterr. gruppe und die haupt-
masse der Süd- und Rheinfranken steht zu den Alemannen, aber
alle dichter der gruppe sind Mitteldeutsche, wenn wir einmal die
Ostfranken auch zu den Mitteldeutschen rechnen.
Die dichtungen des 12 jbs. zeigen, eioschliefslich der Vorauer
bOcher Hosis (tab. nr 4), Wiener Gen. und Exod. (nr 14), Kaiser-
chroD. (nr 22), Rother (nr 24), GrRudolf (nr 27), Credo (nr 30),
der alten fragmente von HErost (nr 25), von Eilharts Trist, (nr 25)
und einschliefslich Heinrichs Eneit (nr 28), meist gar keine treu, hü
oder seit, auch dort, wo diese formen in dichtungen des 12 jhs.
vorkommen, sind sie fast immer nur vereinzelt, oft wird es da
wol Dur Zufall sein, wenn im gedieht gerade nur 6in hit belegt
ist oder, nur 6in treit, wie etwa im Rolandslied (nr 40) und nicht
ein oder zwei seit, wie etwa im alten fragm. des Reinb. Fuchs
{nr 55) uaa. aber es wird, wie schon Fischer bemerkte, kein
zafaU sein, dass fast alle altern mitteldeutschen gedichte des
12 jbs., wenn sie vereinzeltes ei<^ege überhaupt belegen, dieses
ei in treit und leit, nicht in seit belegen, so besonders Pilatus
(nr 39), Alexander (ur 41), Athis (nr 44). denn wie unter den
et <C ^9^ immer nur sporadisch aufweisenden gedichten des
12 jbs., sind es auch unter den spätem, zu deren zeit die con-
tractions-ei bereits weiter um sich gegriffen hatten, eben nur
aiitteldeutsche werke, die neben treit, leit kein seit kennen, dazu
gebort aufser den von Fischer nr 46 und 47 verzeichneten Oswald
Zs. 2 und Eraclius auch Herborts Trojanerkrieg, den die
tabelle wegen seiner geine ^ regio', engeine und engein in eine
letzte, ebenfalls hauptsächlich. md. gruppe (nr 142) einreiht, aber
ancb Herb, weist in ca. 18500 versen zwar 40 geleit, 4 leite,
3 treit und sogar ein beweit auf, jedoch kein seit und seite und
nur ein einziges geseit. und dieses eine geseit steht ganz zu an-
(aug des gedichts, v. 216, und steht in einer fest geprägten und
fertig aus der traditioo entnommenen formel : Als ich iu dd vor
hdn geseit. diesem geseit in v. 216 folgen noch alle 40 geleit.
348 ZWIERZINA
ab€r kein geseü mehr, sondern nur t9 gesagü (:maget, verzaget^
usw. 589. 1161. 1213. 1695. 1717. 2007. 3271. 4363. 4731.
9516. 10633. 12489. 13593. 13762. 14386. 15832, 16428.
16831. 16904), ferner er saget 545, sagete 1188. 1295. 10946.
13545. deutlicher kann skh ein liUerarischer rein als solcher
schon nicht mehr präsentieren.
In uesre gruppe gehören ferner drei fränkische dichtwerke,
die Yon Fischer bei seinen zusammeostelhingen nicht berücksich-
tigt wurden : Hugos Renner, der Mor. \Craun und die Heidin.
Zwar weist der Renner auch, sowie Herborts Trojkr., eiD
vereinzeltes geseü : unbarmherzikeit 9104 auf. aber dieses eine
geseü steht in den ca. 25000 versen des Renner neben den 67
geUit (51. 242. 268. 771. 842. 870 1512. 203S. 2354. 2454. 2888.
3465 usf. . . . 24370), 17 er leit (1938. 2088. 2727. 3178. 4969.
6345. 7627. 8075. 8294. 8730. 8811. 10098. 10681.16310. 16525.
16785. 22528) und 57 treu (313. 401. 468. 805. 1148. 1868.
2954. 3009. 3438. 3453. 3485. 3730 usf. ... 21410)^ so Ter-
einzeit da, Hugo reimt sonst immer so consequent nur gesaget
:maget 1640. 4687. 24096, : gedagH 20517 ubL, er saget : unver-
zaget 7003. 22548, :behagH 18074, sa§ete: behagete 5851. 5877^
dass wol kein zweifei beslehn kann, dase wir es in dem änen
geseit mit einer litterarischen reimform zu tun haben, die Hugo»
dialekt nicht zukam, aufserdem finden wir bei Hugo häufiges
meide, meiden für m^ede{n){i21. 317. 3779. 8995. 11833. 11910.
11938. 12082. 12478. 12528. 12582. 19546) und getreide far ge-
tr^ede (7700. 8148. 13555). das unflectierte maget reimi immer
aar auf -aget (1624. 11944. 12328. 13050.22298.23078; 11936.
12630; 8198; 397; 13054; 1640.4687.24096).
Im Mor. vCraun reimt geleit auf altes -wT 781. 1689, tre^
:gelät 1117, aber nie setY, ges^t^ sondern st^t: taget 1601 und
gemget:maget 485.1363. ebenso in der Heidin (Gesamtab. nr 18)
geleit auf aites -eü 267. 477. 692. 1616, treU auf altes -eit 1719,
aber nie seit, geseit» sondern gesaget : gt^aget snbst 720, ; oerso^e^
' dazB ftoch 4ie «euiraiee ireil : vertreti 8099 and geleit : vertrmt
19168.
^ dass die bs., welche in der Bamberger ausg. abged/uckt wird, für
alle -agel conseqaent -eit oder -ail schreibt (nur in den prat. 5851. 5877,
ferner 6365. 8198. 18106. 18226 steht die ^-form), tat natarlich nichts zur
saehe. Hogo reimt maget, klaget, gefdaget, verzaget, behaget, gefaget,
bejüget sehr oft (in 27 reimpaareo), aber immer nur in sieh, nie cn -eit.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 349
1565, ;«ia^ 1611t :v€rdaget 1617; sa^te : verzagete 15, : wägete
1105. 1663; tageiut : hihahiU^i 1421*
Die reime des EracliiiB hat Fiacher nur dem gana uiige-
•OgeBden reimveraeicbiiis'. MafsmanDs eDtDommen und Terxeichnel
^angemafs filr daa gedieht Uofa 6 Int und 1 trnt neböD dem gSaa-
lichen loangei tob mt. diese absenz gewiont aber erst ihre
^eUe beweiakraft, weon wir die nchtigeo, viel höheren zahlen
iTM imt luid trnt keimeo. er trmt reimt oicht eiomai, sondern
zweiiiial auf altes -eär ;2019. 3948 (ich citiere nach Graef), ferner
Selmt 12mal:315. 1310. 1799. 2517, 3819. 3895. 4167. 4397.
4510. 4713. 4941. 4983 und l§üe 2mal:299, 5293. zweimal
reimeD ferner treu und geUit (resp. leit) untereinander : 2049.
5303. nebeD gehit findet sich einmal getaki 2975, eine form,
die auch in MBimmelf. Zs. 5, Elisah. und ErlOs. widerkehrt
<s. unten) und die Herb., wie ich glaube, nur aus rücksieht aufs
hochdeutsche meidet, dagegen reimt nun seit oder geseit im
CracL nie zu einem der 124 reimenden alten -eit oder einem
der 18 treit und gekit, sondern nur zu maget {813. 1869. 2287.
2363)t nnverzagel (1189, wo Graef also ganz falsch geHtt.'un-
4fer%eü schreibt), genau so wie maget und verzaget aufserdem
eor zu fagH 3 sing. (3141) und bdutget (3299) reimen, auch
mfie(n) reimt nie zu hite <<. legte oder einem der 20 im gedichte
reimenden alten -eitern), sondern nur zu hekagte 4619 und tagte
4739.
Den sogen. Wiener Oswald hat schon Fischers tabelle in
unsere gruppe eingereiht, ich will auch ftlr dieses gedieht die
belege einzeln vorfahren, weil die tatsächlichen, nicht auf zufall
beruhenden Verhältnisse mehr als durch die nackten zahlen Fischers
durch die citate und gegenproben anschaulich werden und weil
wir gerade in diesem gedicjit ein Zeugnis haben, dass auch md.
Tutoren spätester zeit sich noch der reget unsrer gruppe fügen.
auch hat man ja gerade diesen Osw. als alemannisch in anspruch
«efamen wollen (s. Rodiger Anz. ii 24511): dem widerspricht sein
ferhalten inbezug auf die reime von leit und saget durchaus.
freilich bedflrfte es dieses neuerlichen Zeugnisses fOr md. abkunft
dieaes einheitlich gereimten gedichtes m. e.' nicht mehr: man
kann ja vielleicht jede der md. merkmale seiner spräche als einzel-
erschein ung durch einen paragraph unsrer alem. gramm. belegen
— welches denkmal konnte man auf diese weise nicht als ale-
350 ZWIERZINA
maDoiscli erweisen? — aber man wird kein sicher alemannisches
denkmal finden, in dem sich eine gleiche anzahl md. eigentüm-
lichkeiten zusammenfand, wie in unserm gedieht ^
Der Wiener Osw. reimt b\so geleit : -eii 339. 1110, leite :-eit
1160, treic-eit 369. 543, aber gesaget nur zu tnaget 105. 640,
sagete : frdgete 51.212. 1282. 1297, saget§:maget 1084, sowie
auch sonst maget nur zu unverzaget 163. 409. 524. 877 und keiD
-aget .'-eü. vergleichen wir damit etwa das einschlägige verhalten
in dem ungefähr gleichaltrigen österr. Oswald, den EltmOlIer nach
der schlechtesten hs. herausgegeben hat. gdeit.'-eit nur 3270,
leü§:'eit 584. 1625; aber geseit : -eit 271, 1041. 1169. 1345.
1410. 1612. 1769. 1997, seit:-eit 1555. 2077. 2306. 2454. 3382
und gar kein (ge)saget : -aget. der contrast ist deutlich und be-
weist, dass das fehlen von geseit neben gesaget und leit und treit
im Wiener Osw. trotz dem geringen umfang des gedicbts nicht
auf Zufall beruhen wird.
Dazu kommen nun eine reihe md. denkmale, in denen die
hindung von seit : -eit zwar relativ häufiger ist als im Trojaoerkr.
oder im Renner 2, in denen aber die seit vor den leit und treit
einerseits und den immerhin schwerer zu reimenden saget ander-
seits so auffällig zurücktreten, dass wir berechtigt sind, in deo
seit der betreffenden denkmale litterarische, oder vorsichtiger aus-
gedrückt, der reinen mda. des autors nicht genehme reimformen
zu vermuten, es ist dabei in betracht zu ziehen, dass bei den
' sal, waneriy -iiere : -iire 401, tragen :gdn 381, mir: zier uaa. 286.
153. 993, spil: gefiel 260, kiele: He 792, helfenbeinerij verzUn 223, gewi
1031, tuon:nu 169, karte 851, twer <^ sweher 1216. \lh% sehen : den 1262,
getreten 1009, conj. prat. scbw. verba vom ind. getrennt, -er.*-a>, e:ä
(s. oben s. 304), gienc liez, kein gie He (s. nnten nr 10) usf.
' einfach falsch ist Kinzela angäbe (Zs. f. d. ph. 8, 390), dass sich in
der zu Troppau in Schlesien verfassteo Krenxf. Ludwigs *fflr »aget nie eeiC
fände, 'wie auch bei Wolfr.' .• geeeit {verseii) reimt la altem -eit 109. 197.
3372. 4094. 5422, er seit 5527, eeite 3656. 4070. 4762. 5810. 7135. 7776
und seil ist im gedieht häufiger als sagH. anlserdem gel&U 311. 545. 407«
666. 1142. 1344. 4626. 6082. 6228. 6480. 6898. 7055. 7476. 7068, er treit
7631, endlich geleit :ge»0it 6 . daneben kein tegH tregei^ aber auch kein
-eitK^-aget. dieser Scbletier gel t i ir 'alemannlKh-frinkitehen grappe*.
ebenso Ebernand vErftirt. i fm U<§em^gH 8108 ndien Crmf Uit
seit (vgl. Herborts bew^ a Hdnr« vEialewiti kennt nur ireii
leit seit, aber bei il i. oben Im tot s. 860 n. 851) m^
seltner » (ßMÜ).
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 351
dichtero der alem. gruppe, der seit ebenso gut wie leit und treu
eignet« seit an häufigkeit des Vorkommens erstens den leit und
treii die wage halt und zweitens die daneben üblichen saget (; -aget)
stets abertrifft, ich will zunächst, um die gegebenen Verhältnisse
ein für alle male klar zu legen, für einen fränkischen dichter,
der die et-formen von sagen noch relativ häufig reimt, durch vergleich
seiner Qbung mit der Übung ungefähr gleichzeitiger Alemannen, die
seit in der eigenen mda. vorfanden, die Sachlage anschaulich
machen und den contrast zwischen alemannischer und mittel-
deutscher Qbung beleuchten, ich wähle als beispiel den Stricker,
den ich mit Rosenhagen in Franken, jedoch in Südfranken, nicht
in Ostfranken localisiere, ungefähr in der gegend, wo auch der
dichter des Hör. vCraun zu hause war. der epigone, der sich
an verschiedene classische muster anschloss, an Wolfram wie an
Hartmann, der mancherlei publicum zu lust und gefallen zu
dichten hatte, der weit herumgekommen ist und für den zb. ein
anfenthalt in der österreichischen fremde feststeht, lässt mehr als
ein andrer litterarische , seiner alten heimat nicht entsprechende
reimformen seine technik beeinflussen, während er das viele po-
sitiv dialektische, das sich in seinem erstlingswerk (das bleibt
m. e. der Daniel) noch findet, immer mehr aus seinen reimen
zorOckdrängt.
Der Stricker reimt nun neben 31 gekit (Dan. 1571. 2059.
2613. 4269. 4873. 5195. 5299. 5333. 5863. 8367, Karl 3801.
4063. 7835. 10725. 10753. 10899. 11129, Frauenehre 203. 611.
971- 1505, Am. 427. 1459. 2201, Bloch 407, Gesamtab. 60, 67.
46» 4. 25, Pf. Ob. 3, 21, Hahn m 7. iv 335), 1 hit (Dan. 7523)
mid 5 treit (Karl 3767. 10595, Frauenehre 280. 655, Pf. Üb.
3,62) nur Iroal treit: leit (resp. traget :l§get) Hahn xii 463 und
Imal das nnaiemannische gel^i :ger^get Dan. 4137, ferner ge-
kfU^r^gU Dan. 7487, dem na ;h md. art kein leite zur seite steht ^
dats diem Stricker sowie dieses leite auch das seite fehlt, während
liiirflg >t (Dan. 1051. 5309, Karl 33, Frauenehre 489.
5. 0 591, Am. 1485, Bloch 628, Zs. 7,16,23), könnte
nicht weiter aurfalkn and wenn wir nun hören, dass er seit und
gueit in des Slrickers gedruckten werken zusammen 25 mal im
reim belegt &ind («r sett Karl 2183, Frauenehre D 361, GesamUb.
m^ 1, Zs. 7, 16, 35, HGerm. 8, 298, 157; geseit Dan. 123. 463.
' s. dtrSber anteo.!
352 ZWIERZINA
2987. 3105. 4277. 5759. 7435, Karl 239. 8245. 9075. 12175,
Frauenehre 95. 697. 783, D 622, 5, Am. 169, Broch 345. 617,
Hahn iv 307. m 615), so wären wir leicht geneigt, den dichter
mit andern Franken in die zweite, vorwiegend alemannische groppe
einzureihen, von der Osterr. gruppe kann die rede nicht sein
bei einem dichter, der aofser in seü kein -€t^ •< Higet reimt, ver-
gleichen wir aber nun das verhalten der hauptreprSsenlanten der
alemann, gruppe, so werden uns die 25 8e& and geseit des
Stricker nicht mehr imponieren, sie siehn in ca. 28000 versen.
Hartm. reimt in ca. 25000 versen seit und gefeit 91 mal, Gotfr.
in ca. 19500 versen 54 mal, Rudolf (gGerh. und Bari.) in ca.
23000 versen ISOnul, Dir. vZaUikb. in nur 9444 versen 46mal
usf. ferner ist beim Stricker saget und geeaget im reim viel häu-
figer Bu belegen als seit und geseit^ wahrend die absolute reim-
mögiichkeit für seit doch 15 mal grüfser ist als fQr saget, denn
sehen wir von seit und saget ab, so verhält sieh die zahl der
reimverse in -aget zu der der reimverse in -etlr beim Stricker
etwa wie 1 : 15. er saget reimt aber Dan. 6385, Karl 7373.
10135. 11795, Frauenehre 377, Am. 1577, Doc. Mise, n 224.
225, HGerm. 8, 291, 101, Germ. 6, 465, 51, Aktd. wäld. in 228,19,
Hahn vii 85. xi 129. xu 393; dA sagest Gesamtab. 45, 41. 46, 91 ^
52, 249; gesaget Dan. 805. 3427. 5357. 6369. 6647. 7419. 7761.
8041, Karl 215. 247. 945. 2839. 4039. 11279. 11377. 11387,
Frauenehre 743, D 559, Am. 197. 1255. 2311. 2455, Bloch 115,
Pf. Ob. 5, 198, Grimm ReinhF. s. 324, Doc. Mise, ii 222, Hahn
m 139. XI 5. 41. bei Stricker ist also das Verhältnis von se&: saget
wie 25 : 43 , bei Hartm. wie 91 : 52, bei Gotfr. wie 53 : 25, bei
Ulr. wie 46:19, bei Rud. gar wie 180:13. dabei sind seist
sagest, seite sagte, wo Stricker gar keine belege der contrahierten
form ergibt, noch gar nicht mit gezählt, sonst stünden bei Stricker
25 : 55 gegenüber 100 : 63 bei Hartm., 70 : 33 bei Gotfr., 49 : 34
bei Ulr., 192: 18 bei Rudolf: also bei Stricker seit 31 ^o« ^aget
&9^jo, bei Hartm. umgekehrt seit 61 Vo» saget 39<^/o, bei Gotfr.
Hit 68<>/o, saget 32o/o, bei Ulr. seit 67<)/o, saget dd% bei Rud.
seü 91^lo, saget 9^/o der beiden in betracht kommenden formen,
die Alemannen ergeben also ganz andere Verhältnisse als der
Stricker, dieser sprach seit und geseit, wenn er sie auch oft
' du tragest macht natürlich gar keine Schwierigkeiten.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 353
fenag reimt, jedesfalls ?iel seltener als saget und gesagst, ja viel-
leicht waren seiner mda. diese formen ohne g ganz fremd.
Da wir nun fOr die hier in betracht kommenden zahlen den
richtigen blick gewönnen haben werden, kann ich mich für die
Doch za besprechenden md.-fränk. dichtwerke der gruppe viel
kOrzer fassen.
Ich nenne zunächst die Siebenschläferlegende (ed.
Karajan) : gdeit reimt 77. 226. 504, geseit nur 787, dagegen
gat^ 206, sagte 783.
S. 61 anro. bemerkt Fischer selbst die Seltenheit von seit
und geseü neben häufigem treu, kit und geleit in M Himmelfahrt
Zs. 5 und in der Erlösung, in dem erstgenannten gedieht
findet sich treit 691. 864. 1120. 1249. 1820. 1834, geleit 1171,
^esetir 3 mal. alle diese drei geseit stehn knapp hintereinander
und fast in der gleichen phrase : 731. 767. 805.
Zur Erlösung tritt noch die von Fischer nicht in den kreis^
seiner beobachtungen gezogene Elisabeth, diese vermeidet eine
grofse anzahl litterarischer, di. oberdeutscher reime, deren sich
der Verfasser in seinem altern werke, der Erlös., noch bedient
(bena. vor allem das häufige gän stän, gät ^ät der Erlös., das
aas der Elisab. bis auf wenige reste verschwindet : nur die ^-
formen waren des dichters formen, s. unten nr 10 s.v. vän vdhen),
wahrend sie anderseits in gröfserem Selbstvertrauen reime des
eignen dialekts zulässt. geseit findet sich nun in der Erlös, noch
6aial gereimt : 1189. 1331. 1768. 2930. 4376. 5852, neben
19 maligem ^efeiY: 114. 219. 478. 553. 790. 1029. 1189. 1331.
1768. 1906. 2219. 3539. 4660. 4761. 5254. 5700. 6319. 6354.
6443; in der Elisab. aber, die fast doppelt so viel verse zählt
als die Erlös., finden wir neben 28 gehit (52. 869. 982. 2015.
2137. 2225. 2304. 2335. 2775. 2795. 2831. 3001. 3289. 3335.
3575. 4023. 4119. 5333. 5659. 6053. 8610.9411.9491.9511.
9531. 9545. 9561. 10239) gar nur 4 geseit, davon zwei ganz zu
anfang und eins ganz zum schluss des gedichtes (87. 302; 10495),
in welchen partien der dichter auch sonst litterarischem reim zu-
gänglicher ist, ferner 6053. dazu kommt, dass auch in der Elisab.
dieses geseit im reim nur in 6iner phrase vorkommt, und wider,
wie bei Herb., in dem formelhaft tlbernommenen ah iu ist geseit
(so 87. 6053. 10495, und ähnlich auch 302). sonst herscht ge-
saget :magei usw. natürlich gilt nur maget, kein meit für den
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXU. 24
354 ZWIERZINA
dichter, dagegen kann meide Erlös. 5646, meiden Elis. 2431
DebeD megede : missehegede Elis. 4097 hier ebeo so wenig aufTalleD
als etwa oben bei Hugo vTrimberg ^
Ich habe oben s. 280 im anscbluss an die behandlung der
e-laute in den reimen des gedichts hervorgehoben, dass Ortnit
und Wolfdietrich A unmöglich in Österreich oder in Baiero ge-
dichtet sein können, sondern sicher in ostfränk. gegend localisiert
werden müssen, damit stimmt es überein, dass der Ortn. (nicht aber
der Wolfd. A, wenn für ihn auch nur str. 1 — 505 in betrachi
kommt, s. geseit 17, 1. 328, 1. 456, 1) noch deutlich dieselben
Verhältnisse von leit zu seit, von seit zu saget erkennen lässt, wie
der Renner und die andern oben erwähnten md. denkmale. im
Ortn. reimt treit:-eit 13,4. 84,1. 117,3, geleit.'-eit 350,3.
422,4, niemals legt und (regt; dagegen reimt hier widersaget
:maget 276, 31, : verzaget 264, 3, gesaget : geklaget 17, 1. 281, 3,
:maget 393, 1, niemals seit oder geseit : ^eit. ebensowenig andre
ei<age, sondern maget: verzaget 193, 2. 383, 3, : geklaget 475, 3*
nur ^in reim widerspricht, verzeit < verzaget :kleit ^vestimentum*^
95, 2. können wir aber für den dialekt unsers dichters ein ver-
zeit zugeben, der doch sicher nicht zugleich geseit gesprochen
und nur gesaget gereimt hat? verzeit ist also litterarischer reim
und ist geholt aus den gedichten der heldensage : Nib., Gudr., Alph»
und den andern, für diese gedichte ist ei<:age charakteristiscb
und, wie wir hören werden, das fehlen von gdeit die regel. der
Ortn. verhält sich also gerade umgekehrt wie sie. im Wolfd.
prävaliert wenigstens geleit (zb. 145, 2. 216, 3. 292, 3) im verein
mit gesagt (87, 1. 273, 1) Ober geseit : man wird kein österr. volks-
epos finden, worin dies der fall ist 2.
' ein er leit belegen Erlös, and Elia, nicht; nur in der Erlös, findet
sieb geleget neben geleit (sicher im reim in neget 1802, wol anch n treget
6572), er ireit nur Elis. 8617. 8705. das dialektische geiaht (a. oben ober
Eracl. und Herb. s. 349) ist, in ubereinstimmang mit der besprochenen Wand-
lung in der teebnik des dichtera, in der Eliaab. binfiger ala in der Eriöa.»
es sieht Erlös. 2014. 2735. 4405. 5543, aber Eliaab. 1883. 3423. 5775. 6663.
7721. 8307. 8605. 9239. 9475 und hier aocb lükiU (ebenao MHinmdf. Zt.
5, 1057) 91. 1385. 1468. 3538. 9097, coq. laAla» 1608, die in der £ri6a.
fehlen, über legete^ leite a. onten i. 857 f.
' vielleicht gehört anch die nicdcraleDuiiliche yFra« in diese md.
grnppe troU der drei genU:wifhkM (Immer n«r n wärhetii 1086. 3093.
2999 in an Hartm. anklhiocMleo (iw. 601, Ir. IT64) Yenea. gemgef reimt
viel öfter : 119. 1253. 20M. »Ol« 781. 000. OSO. gekU leimt OBL lOOS.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 355
Wir werden quo begreifen, warum Wolfram» der nur saget
trtgei legii sprach i, unter seinen litterarischen ei<ege (s. Be-
1809. 2507, leite 813. 955. 1545. 2725 (dagegen nur tagte 535), er leit
: er treu 1553. legen bildet auch -egei-formeiky was auch mit der rein-
alemannischeo Übung (s. s. 346) in widersprach steht, bei Mitteldeotschen
ond Balern aber häufig ist : part. umbelegt : erwegt 2409. ich bin geneigt,
die gFran in ein grenzgebiet Atemanniens und Frankens zu verweisen, denn
die sehen, die ons Behaghel vor den einst von dichtern so reich bevölkerten
'grenzgebieten' eingejagt, brauchen wir wol nicht so weit zu treiben, dass
wir non keinen dichter mehr in solchem gebiete suchen wollen. — endlich
erwähn ich noch den md. Segremors, wo die wenigen erhaltenen verse frei-
lich keinen sichern schluss gestatten, es steht da geleit Zs. 11,495, 115
neben geltet Aitd. bll. n 152, 5, Zs. 11, 498, 221, aber kein geteit neben
versaget Germ. 5, 462, 95. ahnlich in Rittertreu (Gesamtab. 5; ostfränk.)
oar ireU 7, geleit 205; dagegen gesaget : magel 19 uam.
' ich möchte hier einen kleinen nachtrag zu meinen Wolfr. betreffenden
aosföhniDgen, Beob. s. 472f, vorbringen, es ist mir entgangen, dass vor
mir schon Wrede Anz. xvi 287 bemerkt hatte, dass Fischers angäbe, Wolfr.
kenoe kein sichres l^ei und tr^et (also l^get^ resp. traget : m^get ^ be-
w^et, r^et\ durch einen mangel des Schulzschen reimverzeichnisses her-
vorgemfen ist und durchaus nicht den tatsachen entspricht. Wrede selbst
war so liebenswördig , mich darauf aufmerksam zu machen, wenn Wrede
at>er im Anz. aao. behauptet, die hs.-liche Überlieferung beweise, dass in
den fallen, wo Wolfr. treget und leget untereinander reimt, die reime als
trnt : leit anzusetzen seien, so ist er im Irrtum, dass die hss. , worauf er
sich beroft, nirgend ffir ein saget gesaget sagete Wolfr.s eine et-form be-
legen, die indifferenten reime von tregt (resp. treit) anf legt (resp. leit)
aber alle mit ei schreiben, beweist gar nichts, denn gerade durch Fischer
wissea wir ja, dass es für den, der leit und treit sprach, meist keine
oebeofonn mit g gab, er also, wenn er seine Orthographie einführte, immer
ei abreiben moste, dagegen kannte auch der, welcher seit, geseit und seile
in aeioer mda. hatte, daneben immer auch die formen saget, gesaget und
sügeie. die Schreiber hatten also gar keine veranlassung, dieses überlieferte
sag€i Wolfr.8, das aoch sie ja neben seit sprachen, zu ändern und schrieben
CS» da CS hier noch dazo aof wenigstens för alemannisch-fränkisches sprach-
ftbiet sichres ^aget reimte, naiüHich als saget ^ wie sie es in der vorläge
ftodf n^ «b, anders aber bei leget und treget, die s* iber, die offenbar der
«nip|ie von Piachera tab. nr 48— 9S hlen d, i en kein l^et und
tregeL w^ ^hf^ dt^r reim äle niclil b, leot n , schrieben sie
ulilrlkh i*it und treit; ja sie %i Den l nie und da anch
^oft, wo sm m% sicherm 'f*gH gel en . ibnagen, die er
erwähnt^ hatten Wfede daror be^ aoi mr. nach antorität
(he»er bsa. 15 liehre ^Ht < egei \r% 166, 23 gibt D geleit
ireÜ »tmU geilet :rtget, Z%'i, 5 G leU:n t{ * t), 103, 21 G treit
^weigei {far Hf^et)^ mn^b Gg in reit (kur i ; nb. 38, 21 K leüen
i meßUm pr vtegeien}^ 168, 29 Ki i 337, 17 liin treÜ:erwe(t (für er*
^^^—^— 24*
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356 ZWIERZINA
obachtungeD s. 472) wol wenige treit, geleit und leite, aber kein
seit, geseit und seite zulässt : denn nur jenes, nicht dieses hörte
er aus dem munde seiner fränk. nachbarschaft. berOhrungen von
Wolframs spräche mit der spräche fränk., ost- und sOdfränkischer,
bei leibe aber nicht thüringischer gedichte, werden wir in der
folgenden nr auf schritt und tritt begegnen und sind wir schon
oben s. 310 f in einem für die Scheidung von bair. und frSnk.
grundlegenden Sprachmerkmal begegnet.
Wirnt schliefst sich auch hier, sowie in der behandlung der
e-laute, s. oben s. 276, obwohl seine heimat der bair. grenze we-
niger nahe ligt als die Wolfr.s, doch im gegensatz zu diesem
jenen ostfränk. dichtem an, die mit den Baiern zusammenslehn.
der Wigal. weist 32 geleit < geleget ^ auf und 12 treit < treget.
einmal reimt treit aufserdem noch zu geleit (3858). das gedieht
unterscheidet richtig zwischen er treit und ir traget (2823), kennt
kein er legt, er tregt oder gelegt und anderseits kein ir leit. aber
auch er seit findet sich im Wigal. (145. 153. 199. 7917. 8810.
9842. 10439. 10529) und einige dreifsig geseit. jedoch neben
organischem er seit auch das nach Fischers auffassung unorga-
nische ir seit (136. 1776. 4910) der Baiern und der imperativ
seit (3161.6033.8566). neben geseit finden sich bei Wirnt auch
die part. erjeit 2883. 3833 und bejeit 7831, denen vielleicht
gar kein bejaget gegenübersteht, da bejaget : gesaget 3091 ebenso
gut bejeit : geseit vorstellen kann, es ist bekannt, Aass jagen in
manchen dialekten in bezug auf den gebrauch der contractions-
weget). die formeD weii<^weget, reit KU reget, die bei Wolfr. sowie bei
allen andern hd. dichtem — Fischer belegt nar ^inen beweisenden reinn
nzw. aus Herbort — niemals auf -eit reimen, werde auch ich, sowie Wrede,
nicht für Wolfr. in ansprach nehmen, wir sehen dann aber, dass gerade die
liaupthss. des Parz. und Wh. lieber zu weit and reit als zu legt and tregf
greifen, was beweisen da ihre leit und treit in den nentraien reimen der
beiden worle? es scheint also doch bei Wolfr. flberall, wo der reim aicbt
entgegensteht, tregl und legt, tregst Dod legti und oiemals die el-form lo
schreiben zu sein, nur die ^ioe möglichkeit stände noch offen, doe n5g^
lichkeit, die ich auch durchaus oieht ganz von der band weiten wollte:
dass nämlich Wolfr. den diphti in eii nnd IM andeft •!• altflt #1 ge*
sprochen hätte, etwa ähnlich üem r aus f enl^Undenen ej% sowie dir
Österreicher ihr leit und ge nen, wie wir utilen üehea werden.
> nach Fischer wären i tl. ich zlhle : 794, 1375. n3j. 234§.
2382. 2763. 2895. 3423. 34«!. Ol 74, ^619. 3601. 4Q33. 4 (32. 4409.
7227. 7370. 7387. 761 47. 9377. SS50, 8905. &91L 9740
9954. 10393. 10556.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 357
farmen beute mit sagen und legen zusammengeht uod nicht mit
klagen, verzagen uaa. so sagt zb. die bair.- tirolische mda. von
hnst nach Schatz neben söist, söit und ksöit auch jöist, jöit und
gjöii. ebenso wie bei Wirnt scheint jeü im Willehalm Ulrichs
vTarleiQ nur contractionsformen zu bilden, und wir werden unten
bei besprechung der bair.-Osterr. gruppe sehen, dass es auch in
andrer beziehung bei diesem dichter mit dem immer contrahierten
leit zusammensteht, näher als mit seit, neben dem saget vorkommt.
aus Fischers tabelle nr 119 lernen wir, dass in dem genannten
gedieht neben 12 fetV, 2 treit, 38 seit nur 4 meit < maget ^ stehn,
kein kleit, verzeit usf., aber 13 jeit. ebenso steht im ostfränk.
Wolfd. A (s. oben s, 354) nur ein jeit 3 sing. 91, 1 neben der
bekannten dreiheit von leit, treit und seit, im ostfränk. Ernst D
2 jeit^ neben 6 leit, 1 treit, 3 seit und einem (von Fischer
lab. 110 übersehenen) meide 2794: aber kein meit, verzeit neben
äofserst häufigem maget, verzaget, und endlich reimt in Ronr.
fWQrzb.s Engeih. (tab. nr 118) ein jeit (1244) neben sonst allein
geltenden leit treit seit.
Aufser diesem durchgehnden jeit nun findet sich bei Wirnt
nach bair.-Osterr. art gekkit < geklaget (Wig. 4966) nur ein ver-
einzeltes mal in einem dreireim und ebenso ^in verzeit < verzaget
(8411) neben regelmäfsigem geklaget 938. 2159, klaget 2051.
2601. 2778. 7913 und verzaget 2778. 4372. 10801. dem ent-
sprechend sagt Wirnt auch zwar daz gefeit (584), ob analogisch
zu gejeide, bleibt mir zweifelhaft, aber nicht meit analogisch zu
meide ^ : maget reimt nur zu -aget (saget, gesaget, klaget, geklaget,
verzaget)^ uzw. 27mal ohne Störung, sodass es sicher ist, dass
ein *meit bei Wirnt unerhört ^ e.
Zeigt sich Wirnt auf der ei te gegen die bairisch-
Osterreichische -eiK^aget nicht durc s ablehnend, so steht er in
«tner andern beschränkung des geh :hs von contractionsformen
nit einer reihe von westmd. i zusammen, trotz seiner
Z% gtleii und ca, 40 seit bell it kein leiten) oder seitein).
ebenso zeigt der Renner nf n 61 geteit, 17 leit, 1 geseit kein
leite oder seile, s. s. 348, der Stricker neben 32 geleit und leit,
^ dniti kommt noch ein ged <.ged i: bereit 188, 17.
* di Wtrtit auch melde tiie , hat er wol mägede ge-
«pr^chrQ* mBidt etttspricbt eiueir le^ \ ist sehwSbisch, rheinisch-
»1>iiiitmtsch und rfänkiich.
358 ZWIERZINA
25 geseit uod seit kein leite oder seite, sondern nur 1 legte und
9 sagte, s. s. 351f. auch die rheinfränk. Elisabeth und Er-
lösung kennen neben zahlreichen geleit und vereinzelten geseit
(s. s. 3530 l^ein leite und kein seite. sagete, conj. segete, ist häufig,
daneben legete Elisab. 508. 622. 4459. 4945, lohte 91. 1385.
1468. 3538. 9097, conj. lehte 1608. dass leite und seite auch
hier fehlen, ist um so auffälliger, als die reimmOglichkeit dieser
formen hier eine ungeheuer grofse ist; denn der Verfasser liebt
die flectierten formen der subst. in -heit und lässt aufserdem noch
-ei/e und -eide zusammenfallen, auch HHimmel fahrt Zs. 5
bildet das part. von legen als geleit 1171, das prät aber heifst nur
Iahte \^hl. dazu stimmt ferner noch das verhalten von Albert s
Ulrich, einem südfränk. gedieht, das nach Fischers tabelle nr 58
2 leit, 1 treit und 5 seit, aber nur sagete und nur (s. v 694) legete
kennt, und leite fehlt neben leü, geleit und treit auch in Moriz
vCraun und in der Heidin (s. oben s. 348). der Eracl. (s.
s. 349) und Herbort (s. s. 347j kennen leite neben geUit, legete
und Iahte sind ihnen fremd.
Ich habe ursprünglich gedacht, dass diese Unterscheidung
zwischen dem gebrauch von leite und von {se)Uit ihre erklärung
vielleicht darin fände, dass die ausspräche des neuen, durch cou-
traction entstandenen ei sich in offner silbe von der ausspräche
des alten ei stärker unterschied als in geschlossner. dem wider-
spricht aber, dass Renner, Elisab. und Erlös., gedichte also, die
kein leite reimen, dennoch meide und getreide im reim nicht
scheuen (s. s. 348. 354). der grund der Unterscheidung muss wol
darin zu suchen sein, dass neben älteres md. Iahte erst später
analogisches legete trat oder Iahte durch dieses tegete ersetzt
wurde, während güegit, aus dem geleit entstand, natOrlich schon
von allem anfang an neben gilaht geltung hatte.
Die alemannische gruppe. — diese gruppe (tab.
nr 48 — ^98) steht in Fischers abhandlung mit recht im Vorder-
grund des Interesses, meine nachtrüge beschränken sich hier auf
wenige eiozelheiten.
Zunächst ist mehr als Fischer dies tut zu betonen, dass
Dicht wenige bairiscbe and Osterreichische autoren, von frühester
bis in späteste zeit, von Konrad vFufsesbrunnen bis Jans Enikel,
gerade so gut wie Alemannen und Franken nur et < e^.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 359
Dicht et < age, nur treu leit seit, nicht meü verzeü gekleit
usw. reimen, blofs dass sie dann immer im gegensatz zu den
AlemaDuen und in Übereinstimmung mit den meisten Franken
auch die uncontrahierten formen von tragen und legen, also auch
gelegt (ireget) neben geleit (treit)^ nicht nur geeaget neben geseü
belegen lassen : s. zb. leget: reget Walth. 54, 13, legest : megest
Kindb« 1771. auch der Oberpfälzer Reinbot gehört in unsre
gruppe, nicht in die, der Fischers tabelle nr 120 ihn zuzählt,
denn die part. verüeit 3047 und gekleit 3539 sind falsche le-
sungen des vdHagenschen resp. Vetterschen textes, s. Kraus Anz.
XXV 55 f. natürlich fehlt aber auch bei Reinbot neben leit und
g^ü nicht er leget (: reget Geo. 1025) und geleget (:weget 1215.
2061). und ebenso reimt der Verfasser des Wigamur : blofs treit
leit seit, kein eit<aget, kein meü verzeit trotz sehr zahlreicher
wuMgei verzaget, jedoch wider das unalemannische gelegete 1007
neben Uite, leit, geleit. die heimatsfrage scheint mir für den Wi-
gamur noch nicht sicher beantwortet zu sein, nur dass das ge-
dieht nicht nach Alemannien gehört, ist zweifellos i. die frage
ist, wie ich schon s. 274 hervorhob, nicht au& den reimen der
bei vdHagen gedruckten Überarbeitung, sondern. nur aus den
rdmed der den Originaltext überliefernden fragmente Germ. 27
und Zs* 23 zu beantworten, diese fragmente lehren uns doch
wol auch, dass der Wigamur etwa um ein halbes jh. alter ist,
als man ihn bislang anzusetzen pflegt
Der gegensatz zwischen lautgesetzlicbeiti meide < m§gede <
m^gidi und lautgesetzlichem maget<magad gilt hauptsächlich nur
fttr die Franken, sowie für diese nur noch für wenige rheinische
Alemannen und ein oder den andern Schwaben, keineswegs aber
für die ganze alemann, gruppe, wie dies aus Fischers darstellung
benrnraügeha achiene. die frankischen m^d$ und meiden des
Renner (s. s. 348), der fidOs. und Elisab. (s. s. 354), des Ernst D
(2794), des Bonus (97), neben denen kein meiKmagei vorkommt,
stellen sieb zu den, nach Fischer ebenfalls hauptsachlich fran-
kiacben und md. ^etite < gegene (Herb. , Elisab. , Erlös« , s. tab.
nr 14211)« wir beben oben s. 302 gehört, dass uns die reime
akttiann. ctiebtar und die lautung heutiger dialekte lehl*en , dass
wir in alemanil« ^ej^^ne vielfach zweiten, nicht ersten umlaut zu
gilt Too Erast B, der nach tat), nr 57 ebenfalls in nosre
pappe fdiMt a. aach oben s. 313 anm.
360 ZWlERZliNA
coDstatiereu habeu» also gägene < gagani , uicht g^gene^. im
frSink.2 muss das t der dritteo silbe sich schon früh das a der
vorletzten silbe assimiiiert haben, sodass die stammsiibe noch pri-
mären Umlaut erhielt, so in gegene wie in megede, denn nur ^ge,
nicht äge wird bei Franken und Alemannen (wie wir sehn wer-
den, im gegensatz zu den Baiern) zu et. das alemannische ge-
gene hat aber oft, das alemannische megede fast immer secundären
umlaut, sodass auf alemannischem Sprachgebiet aus gägene und
mägede natürlich nicht geine und meide werden konnte, während
meide <cmi'gede hier sogar so obligatorisch hätte werden müssen,
wie leite <I^'gete,
Dazu stimmt das alemannische reimmaterial vollkommen, wir
finden bei so gut wie keinem altern Alemannen ein die contraction
beweisendes meide oder meiden im reim, und der reim wäre so
leicht, bequem und geßlllig gewesen und hätte den mhd. dichtem
gelegen wie kaum ein zweiter, wie ja schon das verhalten etwa
Hugos zeigt (s. oben s. 348), der eben meide{n) sagt, es dann
aber auch oft genug reimt, bedenken wir doch die reimmöglich-
keitenl meiden : scheiden , meide : augenweide , meide: leide, meide
: beide, meide :heid$ usw.! aber weder Hartm., noch Gotfr., noch
Rud., noch Ulr. vZatzikh. oder Ulr. vTürh., noch Fleck ^ reimt
meide{n). ja auch die Franken^ die nicht auch zugleich geine zu-
lassen, kennen es nicht, zb. nicht Wirnt und nicht Stricker« und
schliefslich auch Wolfr. nicht, auch Reinbot nicht, auch der Wi-
gamur nicht, natürlich handelt es sich uns nur um jene autoren,
die nicht zu gleicher zeit mit meide auch im nom. acc. sing, meit
sagen, denn die hypothese, dass hier meit analogisch zu meide
gebildet wäre, könnte nur für jene Sprachgebiete geltung haben,
> neben gagani "> gägene hat es im adv. aoch ein gegini^-g^ene
gegeben, das ib. in Baiern -Österreich allein gilt, aber nicht in allen oberd.
gegenden als ahd. entsprechung des mhd. gegene angesetst werden darf.
' ich meine nalflrllch nicht : Im gesamten Pranken, sondern : anf frin-
liischem gebiet, denn nicht alle frink. litteraturwerlce kennen das geine
und meide.
* Fleck gehört in nnsre alemsDD. gmppe, nicht in die bair.-österr., in
die Fischers tabelle nrllT ihn setst denn klaiten <. kiageten : gekaiiem
<:gelUibeUH Flore 3216 Ist orthognphie des hertosgebers, die hss. schreiben
klageUn :gehmbHm and diese leichte nngenanigkelt des reims können wir
Fleck Tlel eher sntraoeni als ein Ms^lait und geheiien^ welche hier Ja ge-
rade so TcreiDielt stflndcn, wie die bindnng von g:h im 3aUbigen reim
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 361
io denen ein meide neben maget stände, also allenfalls für die
spräche des Renner und der Erlös., aber nicht für das gros der
alemano. dialekte. wenn zb. Walth. vRbeinau sehr oft metir 4,21.
20, 47. 23, 3 usf. neben maget 5,24. 9, 20. 10, 20 usf. sagt,
ohne je aufser den alemann. treu leit seit sich sonst ein ei<age
zu gefttalten, so hat er dieses meit sicherlich nicht der analogie
zo *Meide, sondern der spräche bair. - österr. geistlicher poesie
entnainmen und es allein von allen andern bair.-Osterr. ei<age
zugelassen, weil gerade die bequemere reimform dieses wortes
ihm in folge des behandelten Stoffes so sehr gelegen kam, sowie
etwa ein und der andre unter den spätem Alemannen sich auch
gelegentlich ein degen unverzeit aus der österr. heldenpoesie aus-
leibt : ich nenne beispielshalber etwa Ronrad vStoffeln. wer aber
kann sagen, dass die halr.-ösierv. meit < maget analogiebildungen
lu meide <mägede seieuj wo doch meide hier nie ohne begleitung
Yon meü erscheint und überhaupt alle im «ahd. vorkommenden
-^gei auch als -eit gereimt werden? warum sollen wir für meit
< magei gerade diese, für gekkit < geklaget, verxeit < verzaget
wider jene analogiewürkung annehmen? wir werden bei be-
sprechung der dritten gruppe Fischers sehen, dass die österr.
-eü<,aget organisch entwickelte formen sein müssen und nicht
auf analogie zu '^'t<eget zurttckgehn können.
Auch Konr. vWürzburg gehört zu jenen dichtem, die, sowie
kein meit, auch kein meide reimen i. er ist uns besonders
interessant, weil die flectierten formen von maget bei ihm ziem-
lich häufig im versschluss stehn, dort aber immer nur zu ^e-
Urej/ede, gAlegede, gefegede gebunden werden (s. zb. Lied 32, 241,
Engelh. 2139. 2221, Troj. 14309) und nie zu altem -eide.
Aufser dem Schwaben Gotfr. vNeifen, der nach Fischer
* Koor. TWfirzb. gehört ebenfalls (wie Reinbot und Fleck, s. obeo 8.359
B. SM MUH. 3) nicht in die bair.-österr. gruppe, In die Fischer ihn tab. nr tl8
•etst, wegen tüntB f^eit^g^agei Engelh. 1244. Fischer bat nur den Engelh.
hcnogesafco, Koor.8 Terhaiten in den Qbrigen werken lehrt uns aber, dass
mhtr fHt-^ ja^et kein ei<.age bei ihm belegbar ist. denn Troj. 13313
wttAeü wir wo] mit den bss* and dem beransgeber verleget : leget schreiben
Qitd aicht verseü.-hii cofrigieren. Konr. gehört daher, mit röcksicht auf
da« oben 8. 357 gesagte» •oeb dann zu den dichtem, die nur ei < ^e, nicht
#j<a^e conirfthiereOf wenn die coiyectur Haupts an der genannten Engel-
hanlsUlle richiig ht freilieh reimt auch hier gejeit:geleit<, geleget, es
lioQAtr q]$ci ebenftUs chi g^'^ei mit analogischem umlaut gemeint sein.
360
ZWIERZINA
coDstaliertfi] hab^Pr also gägme < §a§am ^ DJclit §^§me^, ioi
fräok.2 musäi das i der drille» silbe sich schon früh das a der
vorletzte D silbe assimiliert habeii^ sodass ilie Stammsilbe noch pri-
mUveü umlaui erhielt, $q in gegifts wie lo megede^ deao uur f^e»
nicht äge wird hei Franken und AtemaDnen (wie wir sehn wer-
den, im gegensaiz zu den ßaieru) zu ei. das alemannische ge^
gene hat aber olt^ das alemannische megede fast immer gecuDdäreo
umlaut« sodass auf alemannischem Sprachgebiet aus gägene und
mägede Datürlich nicht geine und mHäe werden konnte, während
meide <m^gede hier sogar so obligatorisch hätte werden müssen,
wie UiU<Llcgete~
Dazu stimmt das alemannische reimmaterial vollkommen, wir
Üoden bei so gut wie keinem altern Alemannen ein die contracltou
heweisefides meide oder meidai im reim, und der reim wäre so
leicht, bequem und gefällig gewesen und hätte den mhd. dicht^ro
gelegen wie kaum ein zweiler, wie ja schon das verhalten etwa
Hugos zeigt (s. oben s. 348), der eben meide{n) sagt, es dann
aber auch oft genug reimL bedenken wir doch die reimmüglich-
keiten I meiden : scheiden , meide : ouginweide , meide : leide » meide
: beide f meide :heide uswj aber weder Ha rtm*, noch Goifr*, noch
Rud., noch CIr. vZatzikb. oder Ulr, vTUrh,, noch Fleck ^ reimt
meidei^* ja auch die Frauken^ die nicht auch zugleich geine zu-
Ussen, kenneii es nicht, zb. nicht Wirnt und nicht Stricker, uad
scbliefslich auch Wolfr. nicht, auch Reinbot nicht, auch der Wi-
gamur nicht, natürUch handelt es sich uns nur um jene autoreu,
die nicht zu gleicher zeit mit meide auch im nom, acc. sing, mtii
sagen« denn die hypoihese, dass hier meii analogisch zu meide
gebildet wäre, könnte nur für jene Sprachgebiete geltuug haben.
^ neben gagam ^ gäg^tm hat es im adv, auch ein g^ini^g^g^ne
gegeben} dis zb. Id Baierji>Osterreicb sUein gill^ aber nicht in allen ot^rd.
fegenden sli ahd. entspr^chung des mhd. gegene angeseUt wercfen darf.
^ Ich meine natürlich nicht : Im gesamten Franken, sondera : auf frln-
kf seh ein (gebiet, denn nicht ftlie frank, littera tu r werke kennen das geine
und meiäe^
^ Fleck gebort in onsre alemann« gruppe, nicht in die bair,-§iterr,, i»
die Fischers lab eile nr 1 17 ihn setxt, denn kimien < kt&geien : gehmien
<:gehaöeUn Flore 321S ist Orthographie des herausgebera^ die hss. Ächreit»en
klage ten : gehabeten und diese leichte ungenauigkeit des reima können «rir
Fleck TJel eher lutranen, als ein khHm und geheiten^ welche hier ji ge-
rade 10 vereinzelt stünden, wie die bindung von g:b im IsUbigen reiro
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 361
in denen ein meide neben maget stünde, also allenfalls für die
spräche des Renner und der Erlös., aber nicht für das gros der
alemann. dialekte. wenn zb. Walth. vRheinau sehr oft meit 4,21.
20, 47. 2a, 3 usf. neben maget 5,24. 9, 20. 10, 20 usf. sagt,
ohne je aufser den alemann, treit kü seit sich sonst ein ei<age
zu gestatten, so hat er dieses meit sicherlich nicht der analogie
zu *meide, sondern der spräche bair. - Osterr. geistlicher poesie
entnommen und es allein von allen andern bair.-Osterr. ei<age
zugelassen, weil gerade die bequemere reimform dieses wertes
ihm in folge des behandelten Stoffes so sehr gelegen kam, sowie
etwa ein und der andre unter den spätem Alemannen sich auch
gelegentlich ein degen unverzeit aus der Osterr. heldenpoesie aus-
leiht : ich nenne beispielshalber etwa Konrad vStofTeln. wer aber
kann sagen, dass die bair.-Osterr. meit<maget analogiebildungen
zu meide <magede seien, wo doch meide hier nie ohne begleitung
von meit erscheint und überhaupt alle im mhd. vorkommenden
'Oget auch als -eit gereimt werden? warum sollen wir für meit
< maget gerade diese, für gekkit < geklaget, verzeit < verzaget
wider jene analogiewürkung annehmen? wir werden bei be-
sprechung der dritten gruppe Fischers sehen, dass die Osterr.
'eit<aget organisch entwickelte formen sein müssen und nicht
auf analogie zu 'eit<eget zurückgehn können.
Auch Konr. vWürzburg gehört zu jenen dichtem, die, sowie
kein meit, auch kein meide reimen^, er ist uns besonders
interessant, weil die flectierten formen von maget bei ihm ziem-
lich häufig im versschluss stehn^ dort aber immer nur zu ge-
tregede, geklegede, gejegede gebunden werden (s. zb. Lied 32, 241,
Engelh. 2139. 2221, Troj. 14309) und nie zu altem -eide.
Aufser dem Schwaben Gotfr. vNeifen, der nach Fischer
> Konr. vWürzb. gehört ebenfalls (wie Reinbot und Fleck, s. oben 8.359
u. 360 anni.3) nicht in die bair.-österr. gruppe, in die Fischer ihn tab. nr 118
setzt, wegen €\aes gejeit<:g^ejaget Engelh. 1244. Fischer hat nur den Engelh.
herangezogen, Konr.s verhalten in den übrigen werken lehrt uns aber, dass
Buiser jeit<Z jaget kein ei<iage bei ihm belegbar ist. denn Troj. 13313
werden wir wol mit den hss. und dem herausgeber verzeget : leget schreiben
und nicht verzeit : leit corrigieren. Konr. gehört daher, mit röcksicht auf
das oben s. 357 gesagte, auch dann zu den dichtem, die nur ei < ^0, nicht
ei<Zage contrahieren, wenn die conjectur Haupts an der genannten Engel-
hardstelie richtig ist. freilich reimt auch hier gejeit:geleit<. geleget , es
könnte also ebenfalls ein gej^get mit analogischem umlaut gemeint sein.
364 ZWIERZINA
tiger, weDD wir bedenken, dass Hartm. mit diesen bindungen von
ei<egi:ei keiner feststehenden tradition folgt, denn wer hat vor
ihm diese reime so durchgreifend zur anwendung gebracht? weder
die uns erhaltenen geistlichen noch die Spielmannsdichtungen des
12 Jhs., noch Eilhart, noch der Veldeker. wenn er also diese reime
in die litteratur als 4itterarische' erst einführt, dh. sie erst durch
ihn zum festen erbgut mhd. dichtung werden, dann sollten wir
freilich erwarten, dass sie auch für Hartmanns idiom in dem
hohen grade, den er sonst für die reinheit der reime forderte,
rein gewesen seien.
Es scheint nun nach Fischer, als ob kein einziger alemanni-
scher dichter, auch unter den Schwaben keiner, einen anhalts-
punct dafür gäbe, dass altes und neues ei verschieden lauteten,
denn wenn in ein paar Strophen eines oder des andern schwä-
bischen lyrikers sich gerade zuPallig keine oder nur ^ine solche bin-
dung findet, darf man das würklicb nicht mit Kaufmann pressen«
Ich habe nun doch ^in dichtwerk herausgefunden, in dem
altes und neues ei streng geschieden bleibt, obwol ei<ege darin
feststeht ^. es ist dies der sicher oberdeutsche Servatius Zs. 5. er
reimt geseit nur auf geleit, di. geleget 1825. 2297, seile nur auf
leite, di. legete 1927. 2469 und widerseit nur auf vertreit, di. ver-
treget 1517; diese reime beweisen ei<ege. ich stelle ferner noch
hierher geleit < geleget : treit< treget 521. aget wird im gedieht
nie zu eit, es wird nur maget : gesaget 337. 2817, jagten : klagten
2635 und unrein verzagten : toägten 637 gebunden, bedenken
wir, wie sehr die auf altes -eit endenden verse in allen mhd.
dichtwerken die verse an zahl notwendigerweise nbertrefTen« die
auf ein wort in 'eit<eget ausgehn, so werden wir hier von zu*
fall nicht sprechen wollen, muss aber deshalb der Servatiu»
schon schwäbisch sein? dafür spräche so manches : vor allem
etwa die zahlreichen reime der schwachen verba in -o/e, -of, wo-
rin das 0 immer kurz ist, geradeso wie etwa in Hugos Martina,
oder das lied ist unecht, wie manche andre In B Dod G onter Hartm.»
namen äberlieferte lieder, ein drittes gibt es nicht angesichts des unttands,
dass Hartm. in 25000 versen a mit ä nicht ein einziges mal bindet.
^ [wie ich nun bemerke, ist in dem ältesten alem. (also wol nieder*
alem.) denkmal, das die contractions*«^ dorchginglg belegt» im Schoph vim
dem lone Zs. 40, neues und altes ei im reim ebenfalls geschieden, es rdmt
altes -eit in sich u« 17. n^ 30; aber ireit:seii n« 1, virtBÜ s ktü < kMi
<hat' in« 52. m« 24, treit : heit < hebii m^ U.]
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 367
.-retV prat. 18779, :behendekeü 7A6ß; reit^ < redete :jeü^ 14560,
: eUhrperheit 11787; Warnung gereit < geredet 3529.
Sonst kennl, abgesehen von Hartm.s ganz unsicherm gereit,
wofür Bech wol richtiger geseit list, im reim auf arbeit Er. 7049^
keins der altern von mir untersuchten gedichte des 13 jhs.
reii oder reäe für redet, redetet die gFrau (1549), Konr.vWür^b.
(s. Woirr zur Halben bim 337), Konr. vStofiTeln (Gaur. 193), Hugo
TLangenst. (Mart. 77,23. 103,43. 110,59. 138,10. 141,11
usf., p9rt. gerett:$tet§ 33,41), der Büheler (Diocl. 1209. 1451.
1879 usf.) reimen rette: bette, wette, allenfalls stete bei denen,
die t : tt binden, wie Hugo 2.
Die bairisch-öslerreichische g r u p p e. — diese
gruppe (tab. nr 99 — 140) ist bei Fischer am schlechtesten fort-
gekommeo. hier kann ich im nachtrag zu Fischers ausführungen
beobacbtuogen mitteilen, die mir die an meine materialsammlungen
gewendete mühe reichlich löhnten.
Zunächst muss ein irrtum Fischers berichtigt werden, der
schon weite kreise gezogen hat. Fischer behauptet, dass auf
bair.-Osterr. boden die mhd. ei<ege und ei<age heute nirgend
in den bekannten verbalformen gesprochen werden und gründet
darauf seine hypothese, dass diese bair.-österr. gekUit < geklaget,
verzeit <c verzaget msv. nach dem muster des alemannisch-schrift-
deutscben geseit, neben dem das bair.-Osterr. gesaget stand, von
den mhd. dichtem zu reimzwecken gebildet worden seien, s. oben
s. 346. er schiebt dabei eine bemerkung SchmQllers (Bayerns
mdaa., s. Fischer aao.), wonach die ai {a») für age in den auf t aus-
lautenden formen der verba sagen tragen usw. mehr in den gegen-
den längs der Alpen als an der Donau gehört würden, durch den
hinweis bei seite, dass hier wol von den westlechischen , den
*■ s. aber schon Erion. 435 und die Vorauer hg. der jJud. 153, 20^
155, 12. 160, 2. 166, 16. ' die existenz der form schdte und Idte für
MekadttCj ladete, die neben schatte, latte steht wie reite neben rette, sollte
doer petitio priacipii zu liebe nicht angezweifelt werden ; s. vBabder Zs. f.
d. ph. 12,486, Paul Mhd. gramm/ §86 anm. 2). dieses lange -dt<iadet
steht durch den reim Büchl. 1765 für Hartm. fett, ferner für Ulr. vTörh.
durch den reim tchdten .*0r^<£^0n Ren new. Alem. 17,182,205 und für Heinr.
TTori. durch den reim Idten : tdten Ktont 481, denn schatten oder tchaten
(resp. latten oder taten) : -dten wäre ein bei diesen dichtem unerhörter reim,
weniger beweisend ist Idt <i ladet : hdt in Ulr. YTärleins Wh. xcv 2, denn
dieser reimt im stumpfen reim auch at : dt, s. Singer s. iiv.
366 ZWIERZINA
gegend, aus der Rud. stammen mag, heute ei<ege und ahd. ei
geschieden sind, weifs ich nicht, daher ist das gleiche verhalten
eines Schwaben, des Türheimers, noch interessanter, dieser reimt
treu zu altem -eit Trist. 500,4. 570,11, geleü ebenso Trist.
542,39. 585,23, Reunew. Pf. Oh. 46,342. 51,818, Lohm.
765. 820, seit Trist. 543,25. 576,31, Rennew. Zs. f. d. ph.
13, 120', 7, geseü Trist. 524, 19. 534, 21. 536, 37. 549, 10.
5S7, 39, Rennew. Roth 325, 129, Lohm. 542. ferner bildet Ulr.
auch ^eiKedet {reit) und 'eit<ebet (heit, s. oben s. 113), auch
diese gehören natürlich unter den gleichen gesichtspunct. es
reimt heit<hebet zu altem ^eit Trist. 498, 5. 500, 39, Rennew.
Heidelb. hs. 183'. 246** i. nur Trist. 569, 25 reimt geseit : treit,
508, 15 gereit < geredet : ungeseit, 568, 11 und Rennew. Heidelb.
hs. 181* heit < hebet : geseit. auch das nach Ulrichs art apoko-
pierte prät. reimt zu altem -eit, so leit§: bereit adj. Rennew. Pf.
Ob. 46,411, mt^:reit, prät. von riten. Trist 526,35, heit^<hebete
:kleit Rennew. Heidelb. hs.263*. aber die vollen präterita in -eit$<z
-egete, edete, -ebete reimen nur in sich {reite <.redete : seite Trist.
557,17, ; ÄeiYe < A«6e/c 575, 27, A«/«<Ae66re;»«7c Trist.555, 25.
583, 27) und, wenigstens soweit ich Ulrichs gedichte kenne, nie-
mals zu altem -eite, obwohl es an reimgelegenheit nicht gefehlt hätte.
heit{e) für hebet(e) kann ich aufser beim Türheimer bei keinem
der von mir untersuchten dichter nachweisen ^. denn dass geh$item
Flore 3255 falsche Orthographie des herausgebers ist, wurde schon
oben s. 360 anm. 3 hervorgehoben, reit und reife reimen auch gerade
nicht viele. Freidank 80,15; Konr. vHeimesf. gereist <:gerede$t: du
seiet Urst. 109, 40. 120, 55; ^eretY < geredst : gdeit<gdeget UrsL
108, 16. 114, 77; Konr. vFussesbr. reist < rsdsst : du seist 883;
gereit < geredet : leit adj. 1591, : geseit 2363. 2693; Wolfd. A
gereit < geredet : geseit 17, 1; Reinbot er reit < redst : gdsgmiheif
3355; Heinr. vTürlein er reit : gewonheit Krone 922, cireU 5.
4343, :gdeit 3203, :jeit 6058; gereit <geredsi :hersii A6T 4^
* die beispiele aas dem ReDnew. Heidelb. iw. entnehm ich Lachmanns
au8w. s. IX BDRi. — i Kl. sehr, i 362. RMMeyer hatte die grolke gflte, mir
Lachmanns citate nach der an der kg), bibliotbek iD BcrHo ittfiadlicbeB •!>-
Schrift seines codex zn versificieren.
' [aus dem 12 jh. stellen sich zn den 1. 114 genannten beitplflco an»
der Millst. hs. der Hochzeit noch die oben s. 364 anm. Tendchneten idme
des Schoph von dem Idne, ans spitrer zeit etwa die ksU und k&iSe bd
Heinr. vBeringen, s. Zimmennanna ansg. s. 402.]
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 367
.-retif prat. 18779, :behendekeii 7A6&; rett§<redeie :jeü§ 14560,
:dihrperhmt 11787; Warnung gereii < geredet 3529.
SoDsl kennt, abgesehen von Hartm.s ganz unsicherm gereii,
wofür Bech wol richtiger geeeit list, im reim auf arbeit Er. 7049^
keins der altern von mir untersuchten gedichte des 13 jhs.
reü oder reite für redet, redete K die gFrau (1549), Konr.vWürsb.
(s. WolfT zur Halben bim 337), Konr. vStofiTeln (Gaur. 193), Hugo
vLangenst. (Mart. 77,23. 103,43. 110,59. 138,10. 141,11
usf., p9rt. gerett:$tst§ 33,41), der Büheler (DiocI. 1209. 1451.
1879 usf.) reimen rette: bette, wette, allenfalls stete bei denen,
die t:tt binden, wie Hugo 2.
Die bairisch-Osterreichische g r u p p e. — diese
gmppe (tab. nr 99 — 140) ist bei Fischer am schlechtesten fort-
gekommen, hier kann ich im nachtrag zu Fischers ausführungen
beobacbtungen mitteilen, die mir die an meine materialsammlungen
gewendete mühe reichlich löhnten.
Zunächst muss ein Irrtum Fischers berichtigt werden, der
schon weite kreise gezogen hat. Fischer behauptet, dass auf
bair.-Osterr. boden die mhd. ei<ege und ei<age heute nirgend
in den bekannten verbalformen gesprochen werden und gründet
darauf seine hypothese, dass diese bair.-Osterr. gekleit < geklagit,
verzeii <iverzaget us\v. nach dem muster des alemannisch-scbrift-
deutschen ^^esetlr, neben dem das bair.-Osterr. gesaget stand, von
den mhd. dichtem zu reimzwecken gebildet worden seien, s. oben
S.346. er schiebt dabei eine bemerkung Schm^llers (Bayerns
aidaa., a. Fiacher aao.), wonach die ai (oa) für age in den auf t aus-
hatenden formen der verba sagen tragen u jw. mehr in den gegen-
den Uinga der Alpen ala an der Donau gehört würden, durch den
liinweia bei seite, dass hier wol von den westlechischen , den
1 8. aber scbon Erian. 435 ond die Voraiier bt. der jJnd. 153, 2(1
155, 12. 160, 2. 106, 16. ' die ejdsleos der form s^Me and Utte fOr
imibU, die neben MAafC», hUe steht wie f0«9 neben nH», tollte
tr fietitio principii xu Itebe riichl aiigezweifHl werden; ». vBabder 2s. L
dL ph* l^t^!^tj, Paul Mhd, ({rAEnm/ § 8G aum. 2). dieses jaDge *dt<aM
•lebt durch dea reim HüchL 176^ Hu Harim. fest, ferner für Ulr. vTüflu
ioic)) den reim tcftdtm tt^rMiert Bennew. AI«m. 17,182^205 und für Heior*
vTörL durch den reJni idifimidUn Krone 48U deon Mchaiten oder »thai$m
I tK^p. /olfen oder laien) : -dUm war« ein bei diesen dich lern uii erhörter reiB.
I Vfiif^er beweisend \%X IdKtad^tihdi in Uk. vTarle^ns Wh. t^s 2,
I HeMt reimi im »lumpfen feim lucti at .* äi^ %* Singer s. xn.
36S ZWIERZINA
schwäbischen mdaa. Baierns und nicht vom bairischen die rede
wäre, aber wenn ich auch davon absehe, dass diese auffassuo^
nach Zusammenhang und ausdrucksweise Schmellers hier unmög-
lich scheint, so lässt sich das vorkommen der contractionsformen
von mhd. saget, traget (das ist die bair.-österr. form, nicht traget)
und nach analogie zu saget von mhd. fraget in österr. mdaa.
direct nachweisen, uzw. wird hier gsoat troat froat^ mit genau
demselben laut gesprochen, der auch altes mhd. ei, bair.-österr.
ai widergibt, die bair.-österr. reime von mhd. geseit, treit zu
allem -eit können uns also nicht wander nehmen ''. WNagl gibt
(Blätter d. ver. f. landesk. von Niederösterr. 25 [1891], 111) in
seinen aufsätzen über *das hohe a' an, dass froad soad troad
'fragt sagt tragt' in verlassenen gegenden, bei ungebildeten und
abgeschlossenen menschen in Oberösterreich, Salzburg und Baiern
gehört werde, das klingt ja etwas sonderbar; aber, lassen wirs
auch auf sich beruhen, wie es mit verkehr und 'bildung' dieser
leute vom lande steht, von denen Nagl seine froad, soad und
troad gehört hat, gehört hat er sie in Oberösterreich, Salzburg
und Baiern, das muss wol feststehen, und nun find ich tatsäch-
lich in den mundartlichen gedichten von Franz Stelzhamer, einem
Oberösterreicher aus dem Innviertel, der nicht nur für einen der
besten, sondern auch für einen der sprachlich zuverlässigsten unter
den österr. dialektdichtern gelten darf, stets gsait (mit ai gibt
Stelzhamer das mhd. ei, bair. oa wider), saist, sait, gfrait für
nhd. gesagt, sagst, sagt, gefragt geschrieben, mir steht zu citat-
zwecken augenblicklich nur der text von den proben Stelzhamerscher
poesien zur Verfügung, die in KBienensteins Dialektdichtung der
deutsch- Osterreichischen Alpen, Wien o. j. s. 910* aufgenommen
sind, aber es handelt sich ja vor allem um die einfache consta-
tierung der fraglichen formen im oberösterr. dialekt und dafür
werden auch diese citate genügen, wir finden also in 'Hein
Mfledar s. 91 str. 3 Und hat ^sait, str. 4 Mein Vada hat g'sait,
* ich sehreibe immer oa fflr die mundartliche entsprecbaog des mhd.
ei in Baiem-Österreich, ond lasse die oaaDcen der verschiedenen lautschriften,
die fflr nns hier nicht in betracht kommen, aufser acht.
' darnach leg ich zanichst keinen wert aof die tröU ksöit glö'ii osw.,
die Schats aoa der mda. Ton Imst §• 103 belegt, diese öi für altes 0i<iege
bleiben itreng geschieden Ton der Imster entsprechung {oa) des ahd. ei, ai.
wibicnd ein ilterei ei<.agi in mhd. wieUter ond getreide als moaüor
«Dd it9ad anch hier dem alten ahd. af, ai gleich ist, s. Schats s. 60.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 369
«tr. 6 Und hoi g'sait, d. 92 sir. 8 Wos t g'sait han, s. 93 str. 22
A MoM Auf's g'sait, in *D0 sehen Kellnarin' s. 95 str. 2 Han i Hunga,
md&i : i9s, in 'Droi Wiegngsangr s. 98 3 str. 1 Du saist not na,
dig Htwr not jfo, im 'FrOehlingsgsangr s. 100 Da Amuxel frait Wo
ri^ IM han und gern. Und da Gießvogel mit Daß 's hol rögnat
mird wem. alle diese beispiele in wenigen kunsen gedichten auf
s. 91 — 105 der genannten anthologie. daneben steht hier kein
^eagi oder taget, aber SteUhamer schreibt nur gflögt fOr nhd.
felegi (s. ab* Bienenstein s. 98 str. 1), nie g'lait, was wir uns
<laraufbiii merken wollen, dass gesaget und gekget hier in Osterr.
gegend gesonderte wege gehn. jedoch nicht nur bei StelEhamer,
sondern auch bei andern österr. dialektdichtern lassen sich diese
geait (^eai) usw. nachweisen, so steht in derselben Sammlung
Bienensteins s. 134 bei Ludwig Luber, der ebenfalls im Inn viertel
zu bause war : sait da KofSteß, s. 164 bei Johann Kirchmeyer
A$ö hat tamaeht ißt Ahnt gseat im reim auf Ham's Kind draf gsundö
eina ghat (hier also auch gtlait neben gesait) und s. 192 im
^Saliburgabua' Frant Scheierls Den's nit Plutterhirn troat (di. trdgt,
oder vielmehr Osterr. tragt) im reim auf %' hreat di. zu breit.
frenn ich noch hinzufoge^ dass SSinger mich auf du seast ua.
im rein^biirischen Tirol zb. bei DOrler Sagen aus Innsbrucks um*
geboBg s. 42 hinweist [s. jetzt Singer Die mhd. Schriftsprache
Zürich 1900, 8. 22 anm. 56], so werden wir wol behaupten dürfen,
dem diese in Verhandlung stehnden Terbalformen unserm dialekt
4iidit fihr heute und far alle Zeiten abgesprochen werden können.
Damit ist natürlich nicht geleugnet« dass die balr.-Dsterr.
geoat und troat auf weiten gebieten der mda. heute nicht mehr
▼erttommen werden; da aber territoriale reste des geltungsgebiets
«Ott boin-osterr. gsoat und troat in verschiedenen gegenden nach^
weisbar sind, so werden wir den contrast zwischen den so häufigen
feeeit, geUeit usw. im reim der Osterr.-bain dichter des 13 und
14 jbi* iiiMi dem Überwiegenden gebrauch des heutigen dialekts
wol enden zu fessen haben als Fischer dies tut.
Ich meine aho, dass die formen mhd. gessit^ treu, ferner
fiicfeil, eerzeit osw. bei bain^sterr. dichtem in ihrer mda. wol
begrOadet waren, nur die moglichkeit geh ich zu, dass die dichter
dieie femett ihrer becjoemen reimgestalt halber sich vielleicht
aoagiebiger tonotie gemacht haben , als es die Verhältnisse der
feinen mde« eigentlieh gestattet hatten, denn dass neben ^eit < aget
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXU. 25
368 ZWIERZINA
schwäbischen mdaa. Baierns uod nicht vom bairischen die rede
wäre, aber wenn ich auch davon absehe, dass diese auffassung
nach Zusammenhang und ausdrucksweise Schmellers hier unmög-
lich scheint, so lässt sich das vorkommen der contractionsformen
von mhd. saget, traget (das ist die bair.-österr. form, nicht traget)
und nach analogie zu saget von mhd. fraget in (Ssterr. mdaa.
direct nachweisen, uzw. wird hier gsoat troat froat^ mit genau
demselben laut gesprochen, der auch altes mhd. ei, bair.-österr.
ai widergibt, die bair.-österr. reime von mhd. geseü, treit zu
altem -etY können uns also nicht wander nehmen 2. WNagl gibt
(Blätter d. ver. f. landesk. von Niederösterr. 25 [1891], 111) in
seinen aufsätzen über ^das hohe a' an, dass froad soad troad
*fragt sagt tragt' in verlassenen gegenden, bei ungebildeten und
abgeschlossenen menschen in Oberösterreich, Salzburg und Baiern
gehört werde, das klingt ja etwas sonderbar; aber, lassen wirs
auch auf sich beruhen, wie es mit verkehr und 'bildung' dieser
leute vom lande steht, von denen Nagl seine froad, soad und
troad gehört hat, gehört hat er sie in Oberösterreich, Salzburg
und Baiern, das muss wol feststehen, und nun find ich tatsäch-
lich in den mundartlichen gedichten von Franz Stelzhamer, einem
Oberösterreicher aus dem Innviertel, der nicht nur für einen der
besten, sondern auch für einen der sprachlich zuverlässigsten unter
den österr. dialektdichtern gelten darf, stets gsait (mit ai gibt
Stelzhamer das mhd. ei, bair. oa wider), saist, sait, gfrait für
nhd. gesagt, sagst, sagt, gefragt geschrieben, mir steht zu citat-
zwecken augenblicklich nur der text von den proben Stelzhamerscher
poesien zur Verfügung, ^ie in KBienensteins Dialektdichtung der
deutsch- österreichischen Alpen, Wien 0. j. s. 91 ff aufgenommen
sind, aber es handelt sich ja vor allem um die einfache consta-
tierung der fraglichen formen im oberösterr. dialekt und dafür
werden auch diese citate genügen, wir finden also in 'Mein
Müedal' s. 91 str. 3 Und hat g*sait, str. 4 Mein Vada hat g'sait,
' ich schreibe immer oa für die mundartliche entsprechung des mhd.
ei in Baiern-Osterreich, und lasse die nuancen der verschiedenen lautschriften,
die für uns hier nicht in betracht kommen, aufser acht.
' darnach leg ich zunächst keinen wert auf die tröit ktöit glöit usw.,
die Schatz aus der mda. von Imst s. 103 belegt, diese öi für altes ei<i^e
bleiben streng geschieden von der Imster entsprechung {oa) des ahd. ei, ai,
während ein älteres et < agi in mhd. meitter und getreide als tnoaitor
und troad auch hier dem alten ahd. et, ai gleich ist, s. Schatz 8. 60.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 369
^r. 6 Üni ha g'saü, ». 92 str. 8 Was t g'sait han, s. 93 dir. 22
A moM hut$ g'iäit, in *D<) scheu Kellnarib' 8. 95 str. 2 Han t Hunga,
mdm : te, in 'Droi WiegogsangF s. 98 3 str. 1 Du im$t not na,
«in soür not ja, im 'Frtlehiingsgs&Dgr s. 100 Da Amuxel frait Wo
tit^ Heb han ¥nd gern, Und da Gießvogel Mit Daß 's bal rögnat
mb^ ir^ni. all« diese beispiele in wenigen kurzen gedichten auf
s. 91^^105 der genannten anthoiogie. daneben steht hier kein
^^iUfi oder tagst, aber Stelzhamer schreibt nur glögt für nhd.
gdegi (s* tb. Bienenstein s. 98 str. 1), nie sff^it, was wir uns
daraulbifi merken wollen, dass gesaget und geleget hier in Osterr.
gegend gesonderte wege gehn. jedoch nicht nur bei Stelthamer,
soödern auch bei andern österr. dialektdichtem lassen sich diese
gmiii (gsotU) usw. nachweisen, so steht in derselben Sammlung
Bieoensteins s. 134 bei Ludwig Luber, der ebenralls im Innviertel
zu liause war : sait da Blo/Sieß, s. 164 bei Johann Kirchmeyer
A$ö h4Bt eomaeht ifÄhnl gioat im reim auf Ham's Kind draf gmndö
etfia ghat (hier also auch gelait neben geeait) und s. 192 im
^Sftltburgaboa' Frant Scheierls Den's nit Plntt$rbirn troat (di. trägt,
oder vielmehr Osterr. tragt) im reim auf s' brsat di. zu breit,
weoo ich noch hinzufüge^ dass SSinger mich auf du sMst ua.
im reiO'-bairischen Tirol zh. bei Dorler Sagen aus Innsbrucks um*
gebuBg s. 42 hinweist [s. jetzt Singer Die mhd. schriflsprache
Zürich 1900, s. 22 anm. 56], so werden wir wol behaupten dürfen^
daw diese in rerhandlung stehnden verbalformen unserm dialekt
4iicht für heute und für alle zeiten abgesprochen werden können.
Damit ist natürlich nicht geleugnet , dass die bair.^sterr.
f$oai und troai auf weiten gebieten der mda» heute nicht mehr
▼emommea werden; da aber territoriale resie des geltungsgebiets
von bain-'österr. gmat und troat in verschiedenen gegenden nach*-
weisbar sind, so werden wir den contrast zwischen den so häufigen
^isffl, gMeü usw. im reim der österr.-bair» dichter des 13 und
14 jhs« und dem überwiegenden gebrauch des heutigen dialekts
wol anders zu fassen haben als Fischer dies tut.
Ich meine also, dais die formen mhd. geeeit^ treu, ferner
gekkit, verzeit usw. bei bair.^osterr. dichtem in ihrer mda. wol
begründet waren, nur die mogliclikeit geh ich zu, dass die dichter
diese formen ihrer bequemen reimgestatt halber sich vielleicht
ausgiebiger zunutze gemacht haben ^ als es die Verhältnisse der
reinen mda. eigentlich gestattet hatten» denn dass neben ^eit<aget
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 25
370 ZWIERZINA
immer auch das unveränderte -aget stand, ist stark zu betonen,
und darin ligt der grund, warum die et-formen durch die ^-formen
in den meisten einzelmdaa. des bair.-österr. gebiets verdrängt
worden sind, wir müssen doch bedenken, dass hier der system-
zwang, die analogie zu den formen, in welchen denselben verbis
nur g zukam : dem inf. sagen klagen verzagen usw., der 1 sing.
sage klage verzage usw., dem plural wir sagen, si sagent usw.,
und nicht zuletzt auch die analogie zu vom selben stamm gebildeten
nominibus, wie diu klage, klagebcere, der zage, zagehaft usw. not-
wendig einwürken musten. auch die erscheinung kann nicht
aufTallen, dass fast allen mhd. dichtem aus Baiern und Österreich
geseit neben gesaget, aber nicht allen zugleich mit geseit auch alle
andern -eit < aget, sondern einmal etwa neben geseit nur nocb
gekleit und gejeit, aber nicht auch verzeit, hdieit, heteit und die
andern eigen sind (s. oben s. 346), wenn wir auch, das gesammte
Sprachgebiet ins äuge fassend, sagen können, dass für jedes mhd.
-aget bei einem oder dem andern bair.-österr. autor auch das
zugehörige -eit belegbar ist. in dem häufigsten worte, dessen
aus dem system herausfallende form am häufigsten im munde war,
hat sich die dem schema widersprechende gestalt eben auch am
intensivsten durchgesetzt und war am wenigsten der beeinflussung
durch die analogie der andern, der ^formen ausgesetzt, deshalb
steht ja auch den leit und treit in Alemannien kein heweiK.he--
weget und reit<.reget gegenüber, dem lit ke\abewit<:bewigetus^.^
wie schon JGrimm Gramm, i 862 neudruck richtig erkannt hat.
Aber auch die frage können wir beantworten, warum in
Alemannien sich die et-formen im dialekt allgemeiner hielten als
in Österreich, obgleich dich auch dort 'gut mundartliche neu-
bildungen' wie lekt gUkt nach l^g l^g9 statt lait glait hie und da
constatieren lassen, wie in Basel-Stadt, s. Heusler s. 68. das hängt
klärlich damit zusammen, dass es hier früher neben geleit leit leüe
und treit kein geleget leget legete und treget gegeben hat, wodurch die
«i-formen von leit treit und auch von seit, das im alem. umge-
kehrt saget vielfach verdrängte, eine stütze bekamen, die ihnen
in Baiern-Österreich fehlte, wo, insofern es überhaupt ein ei<:ege
gab, dieses erstens, wie ich schon mehrfach betont habe (s. s. 346 uO.)«
nicht obligatorisch war und .sweitens sich von den ei<age in
vielen gegendeD, wie wir sehen werden, lautlich unterschied.
In den einielnen nominibus, bei denen die würkung des
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 371
systemzwangs nirgend einsetzen konnte, wie meister, getreide ua.
hat sich nun auch im bair.-Osterr. dialekt die contractionsform
allenthalben bis heute erhalten, auch das spricht wol dafür, dass wir
es in den mh6. ei<:ege, a^e der Österreicher nicht mit Alemannen
nachäffenden analogien der dichtersprache zu tun haben.
JSchatz bat(Imster mda. s. 60 f und 103) darauf aufmerksam
gemacht« dass im Imster bairisch die mhd. meister und getreide
als moastn und troGd mit dem dipbthong gesprochen werden, wie
mhd. et, dagegen der dipbthong in söist ksöit gjöit glöit tröit sich
davon wesentlich unterscheidet, und Schatz erklärt sich dies daraus,
dass in meister und getreide das ursprüngliche agi frühe zu et, ai
geworden sei, dass g hier wahrscheinlich schon palatalisiert und ge-
schwunden sei, ehe a umgelautet war. darnach entspräche in
dieser mda. bair. at< mhd. et dem alten agi, dem aus §gi contra-
hierten dipbthong aber ein anderer t-haltiger laut, der Imster dialekt
steht dabei nur insoweit zu den alemann, dialekten, dass hier die
contractionsformen von sagen (übrigens auchja^en s. oben s. 357)
auf ^^-formen zurUckgehn, nicht wie in den bair.-österr. mdaa.,
den meisten wenigstens, auf a^e-formen.
Wollen wir Scbatzens erklärung auf die bair.-österr. -et7 (resp.
'ait)<:aget der alten dichter übertragen, also auf meit<:maget,
geseit < gesaget, verzeit< verzaget im reim zu altem -eit, so müssen
wir, da t-quahtätfür den dem später palatalisierten guttural folgenden
unbetonten vocal wol durchaus notwendig ist, annehmen, dass
flui^e^ gesaget verzaget usw. nach analogie von mägidi einerseits
und den schwachen participien der ersten conj. anderseits ein
magit gesagit verzagit als nebenform entwickelt haben ^ diese
formen traten neben die alten, als die erste umlautsperiode bereits
abgeschlossen war, und erhielten daher zweiten umlaut, worauf
-ägü lautgesetzlich auf bair.-Osterr. boden zu -eit, -ait^ -oat wurde.
dieser neue dipbthong fiel mit dem alten et, ai, oa zusammen, die
alten auf -agad, -agit usw. zurückgehnden formen bestanden
aatflriicb daneben weiter; in der mda. einzelner districte oder
anch einzelner menschen, in gewissen, vor allem den weniger
baoflgen Worten blieben sie eventuell sogar allein gültig.
Wir können nun auch Scbatzens erklärung der Imster moastdr
und traad dahin modiflcieren, dass auch hier vielleicht g palatali-
* wie Ja aacb bei maocheD aufserbair. mhd. dichtem, zb. Konr. vWurzb.,
9erM€g&n adgl. neben vertagen steht, s. zb. oben s. 361 anm.
25*
l
372 ZWIERZINA
biert wurde und schwand, nicht als das a noch unverändert a
war^ sondern als das a auf seinem wege zu geschlossenem e sich
erst auf der stufe ä befand, wir können dann im bair.-österr.
mehrere stufen der contraction über g unterscheiden, uzw. wurde
zuerst in einigen bestimmten Worten, in Imst zb. in magister und
gitragidi^y g palatalisiert und die uns interessiernde lautgruppe
contrahiert, als a noch nicht zn e umgelautet war, sondern auf
meinem wege zu e erst bei offenem ä hielt, in andern Worten,
in denen systemzwang oder Seltenheit des gebrauchs die contraction
zuerst vereitelte, wurde altes agi erst dann zusammengezogen, als
a schon zu geschlossenem e umgelautet war, also sagen wir etwa
altes gilagit bereits zu gilegit geworden war. der aus egi ent-
stehude laut unterschied sich von dem aus df^' contrahierten: nur
dieser, nicht jeuer. fiel mit allem ei zusammen, noch später aber
waren nun infolge analogischer Verdrängung alter endangs- und
ableilungssilben in -ad, -St, -öt usw. durch ^id und -fY neben
«ine reihe alter -agad, -ag^t, ^agöt jüngere -agit und mit secuu-
darem umlaut 'ägit getreten, welche ^ägit nun, wo systemzwang
sich nicht durchsetzte, wider zu 'tu, -ait mit dem alten «t-laut
werden konnten, wie die früheren ahd. -Äji-, "ägid- zn -«-, -«rf-
geworden waren ^. diese entwicklung von -ägi- zu -ei- ist etwas
speciell bair.- österreichisches 3, weder auf alem. noch auf fränkischem
gebiet (von den ostmd. dialekten moss ich hier absehen) wird aufser
■e^t auch ägi contrahiert (s. oben s. 345). in dieser selben mda.
war ja auoh die ausspräche des ä, des secundSren umlauts, eine
ganz aparte, wie seine entwicklung zu dem bekannten hohen
-heilen d uns zeigt.
Für diese aulTassung der Verhältnisse finden sich nun sowol
in den heutigen ^bair.-österr. mdaa. als besonders in dem reim-
•material, da» uns die bair.-^Osterr. dichter des 13 und 14 jhs.
^ för dies wort allein brauchten wir keine ältere contractionsperiode
ägi<.ei anzunehmen, denn es muss neben gitregidi auch ein gitragadi
gegeben haben, worauf die alero. geträgde : mägde weisen, s. oben s. 359 f.
^tfogttdi ergibe gtirägede^ -das -dann in Batern zusammen mit mägede,
*mägit. In teinen -reinBilben -«/d«, -«rifo, -ond ergeben hfitte.
' den Hinweis, d«88 das österr. contraetions-et nicht auf 'Oget^ sondern,
wollen wir bei der formulierung des lautvorgangs bleiben, die Heualer Alem.
contooaDtlimiis von Baselstadt s. 69 gibr, nur aus -ägit^ -äget erklärt wer-
4lcfi*dcrf, vtriUdk kh MHieliinek. ' wenn nicht auch teite Schwabens
und NlederaleiuMieiM -daran teil hatten?
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 373:
bieten, feste. aaJAdlt^p.ujictQ. ich bespreche zunächst das heule
orkenoübare^ mundartliche material, hierauf ausführhcher den reim-
gebraucb der äUern zeit.
Kagl Qiacbt in seiner schrifL über das hohe a ((i),aao.24^133- —
seinen mbd, h^rreniiialekt glaub ich ihm nalUrlich ebensowenig wie
seine bf potb^e voa der beeioflussung der altern Osterr. mda. durch)
den Nürnberger- und Bambergerdialekt — darauf au rmar.ksa«;,.daaj»
in gewissen wocteoi in österr. mdaa^ ftlr mbd. et helles d und ä gilt,
obwobl sonst iodieseoi selben mdaa» mhd. ei durch oa widergegeben
wird, er nennt als solcbe worte. aufsei nd *nein' ujid dlf ^elf —
deren sondersteliiHig sich anderweitig vollauf erklärt und in vielen
nidaa. ähnlich hervortriu ^— nur ddn ^egge' und ddtJcsl ^eidechse'.
ädn geilt auf §ged0 zurüick, ddaksl ist deminutiv zu abd. tgidehsa.
dem ei<ieg9 eBtspri4:bt also hier das bair.-österr. hohe d, dem ei <
a^» dgi aber eoispricbi^ da ja Nagl sonst auch ein trdd und ev.
ancb ein mdster zu verzeichnao gehabt hätte,, in, diesen selben
bäuerlicben dialekten ^ das oa < ai< mhd. en ia egede und eged^se
wäre also die palatalisierung des g erst eingetreten, als a zu e
umgelaulet war, in troad schon frUiier, in den gsoat und troat
(Mrdgi*) des iQMviertels erst später, wenn ich nnn nach Schmellers.
angäbe, atiC die Nagl hinweist, in bair. dialekten neben, ddn auch
oadn (Scbmi^er : a^dln) Gndet„ so ist a;uch dieses nebeneinander
mit meio^r a^ilbssung durchaus im einklaug. denn dass die
subjecttvitilt der eiozeboen srda. spielcaufn halte, abd. agida, ägida
allenralls auich schon lu gleicher zeit mit gitragidi,. giträgidi zu,
coatrdbieren.,. mttssen wir ja schon deshalb zu^eben^ weil ini der
ddn» aber troad sprechenden, mda. dasselbe -^gid- in zwei ver-
scbiedeoiBn wjorten in bezyg auf eintritt der palatalisierung
verscbi^den bebandelt wiffd« iHid njun können wir uns über das
j^4l 'g«]^t', das wiü oben s. 369) bei einem modernen Salz^
btirger djatektdkbtef Qonßtßljierei^ müssten^ nicht melir wundern,
deiMi eiWBiiieU: kilsnDte ia einer einzelmda.,. ia welcher der druck
der anaiogie zu dien andiii«B>, den ^<^fprmen des verbums nicht
sU«k genug gefühlt wurd^, alleres *gHagil schon auf der stufe
^gßiji zu gd€A, g(üaii werden, nicht erst auf der slufie giUgiU
AuG9«rdeiB wnrde. sehon widerholt darauf hingewiesen,, zuletzt
^onBreoner Beiii?. 19^.482^ ddss die Megin- uud Regin- in namen
* and^Brs ist Betörlieh das spätre d fQr altes et in Nagls 'sladtdialekten'
anfzulttseD^ das ich mit Bcenaer Beitc 19, 4S0 für aas oa entwickelt halte.
i
374 ZWIERZINA
in der conlraction auf österr. boden mit einer andern vocalisation
erscheinen, als der entsprechung des alten ei in den betreffenden
dialekten. nicht als Moan-, Roan-, sondern entweder mit dem
hellen d, das auch in ddn<:egede sich zeigt, oder mit einem
diphthong, der sonst in den mdaa. die Fortsetzung des mhd. langen
i ist. die alten, hs.Iichen Schreibungen Mangos < Megingoz, die
Mdnhart (noch heute in dieser Schreibung ein verbreiteter familien-
name in Österreich) <Meginhart, die RänoU < ReginoU hat
Nagl aao. 24, 148. 152 selbst namhaft gemacht, in Osterr. hss.
bedeutet die Schreibung ä, ä, cb natQrlich stets das helle, ge-
schlossene d, denn mit diesem d wird der zweite umlaut des
kurzen und der umlaut des langen a gesprochen, mit ä, ä^ ce
aber geschrieben, so heifst heute der Mdnhartsherg (Mannhardts-
berg) in Niederösterreich so und nicht Moanhartsberg resp. Main-
hartsberg, und Nagl hätte seine bekannte Übersetzung des Reineke
daher gewis Rdnad^ nicht Roanad zu betiteln gehabt, hätt er den
namen aus dem mund österr. bauern noch vernehmen können.
Nagl hat aao. 24, 153 und Beitr. 19, 342 zur stütze seiner
hypothese, dass d die aus Bamberg geholte herrensprache des
österr. ai, oa sei, darauf verwiesen, dass die Schreibung a und d
für ei, ai in herrenausdrücken , 'amtlichen ausdrücken und amt-
lichen ortsschreibungen' vorkomme, diese 'amtlichen ortsschrei-
bungen' treffen vielfach die mit Megin-, Regin-, Egin- usw. oder
die mit -heim (bair. unbetont 'haifn>'heim>'hdm, s. Brenner
Beilr. 19, 482 und unten s. 375) componierten namen. die
hauptsächlichsten 'amtlichen ausdrücke' sind tädingen, pantäding,
gejät, also älteres tegedingen, bantegedinc, gejegede.
Weinhold verzeichnet Bair. gramm. § 42, s. 54 eine reihe
solcher (ß (also d) für mhd. ei<ege aus alten bair. Urkunden,
ich setze blofs die worte hieher und spare mir die ziffernmäfsigen
belege: Manhart, RcenoU, tading, l(Bt< legete, lalesK legetest,
l€dten< legeten, gelat < geleget, trtßt <treget, tr(jest<tregest. hier
finden wir neben den Mamhart und tading auch die verbalformen
in '(jet<eget, die wol nicht gut auch zu den herrenausdrücken
zählen können, aber nur '(Bt<eget wird von Weinhold belegt,
kein 'Oft < aget, kein geklcet, gescet^ verzcet, verdat usw. sehr
interessant ist riBt<reit<redet. dieses -(Bt<edet schliefst sich
den '(Bt < eget an (wir werden unten durch den reimgebrauch
mhd. dichter den paralellismus noch einmal bezeugt finden); es
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 375
^eht dem -eit (-ait) < adet, *ädet gegeoüber, wie -cdt < eget dem -eit
{-aÜ) <: aget, *äget. nur ia Baieroösterreich (und teilen Schwabens?)
reimt ja bei den dicbtern nicht nur reü<redet, wie in Alemannien,
fioodem auch gebeit < gebadet, ich citiere nach Weinhold Bair.
gramm. § 77, 8. 80 das Buch der rügen Zs. 2, 1139. Thomasins
Jargon treibt mit den beit< badet, stAeit < schadet unfug. er wird
sie wol in Österreich gehört haben; es gibt aber kein österr. ge-
dicht, das diese formen in gleichem mafse zur anwendung brächte.
Wenn hie und da für diese ä, m (das sind d) < ege auch e geschrie-
beo wird (teding, gefet, auch gelet > geleget, tret < treget, s. Weinhold
Bair. gramm. § 49, s. 60, und vgl., mit beziehung auf das weiter
unten zur ausführung kommende, die gestlich heiig usw. in § 45,
s. 57), 80 ist das nur Orthographie, für den secundären umlaut
des a und den umlaut des ä spricht der Österreicher helles d,
er schreibt ä oder m, daneben aber, da er von der Übung andrer
Schreiber lernt, in deren dialekt a^='e ist und e geschrieben
wird, bald auch e. so wird ihm e ausnahmsweise auch zeichen
(Qr d, wo dieses d nicht den umlaut bedeutet.
Brenner hat nun ferner aao. dargelegt, dass mhd.et, bair. äi{oa)
in unbetonter silbe durch bair. et (di. dt, der laut des aus mhd.
i entstandenen neuen diphthongs) zu d wurde, so im artikel d<ein
< ain (im gegensatz zu betontem oan9r), in kd<kein<katn (im
gegensatz zu betontem koan9r), in -h'^t<'hdt<'heit<'hait und
-Ä*m < 'hdm < -heim < -haim ('Lochham' usw.). dass die entwick-
lung d<.ei<:ai (also lautschrifilich d<dt<oa oder ä») war,
beweist die Schreibung ein für den artikel, die auch dort in bair.
bss. eintritt, wo sonst ai für altes mhd. et und et nur für mhd.
I geschrieben wird, ferner der umstand, dass auch diphthon-
giertes mhd. I auf bair.-österr. boden in unbetonter silbe zu d
wurde : bd mir < bei mir < bi mir, mrtd < wirtein < toirtin, nämld
<C ndmUid^< nämlich usw. wir sehen also, dass unbetontes ai
und unbetontes et zu d wurden, ai (oa) aber nicht ohne durch
die lautung ei (= mhd. I) hindurchgegangen zu sein.
Ich meine nun, dass auch die aus e^e entstandenen Osterr.
d durch ei (heute gesprochen di mit hellem d im ersten teil =»
diphtongiertes i, nicht oa «= mhd. et) hindurchgegangen sind, dh.
aus einem laut, der dem aus I entstandenen bair. üsterr. di-
phthong gleich war oder nahe stand, vielleicht nur ^nahe stand',
denn ei<i wurde nur in gewissen Stellungen (hie und da auch
376 ZWIERZINA
wo es den ton trägt, so öfter vor l s, Nagl Hohes a 24« 152)
zu ä, der aus ege entstandene diphthopg aber, wie es scheint, in
allen, dass auch hier et (nicht at, sondern wider der der bair.-österr,
entsprechung von mhd. I ähnliche laut) das ältere ist, worauf
d (d) erst zurückgeht, werden die reime der mhd. epiker be-
weisen, möglich dass dieser Übergang des Osterr. et (nicht ai)
< ege zu ä auf gewisse gegenden beschränkt war, in andern dies
et (nicht ai)<ege erhalten blieb, worauf das nebeneinander von
Mein- (nicht Main-)^ Rem- (nicht Rain-) < Megin-, JRepm- und
Mdn^, Rdn- in den namen hinwiese, möglich auch (um nicht
zu sagen wahrscheinlich), dass dieses ei<ege nur deshalb .in
diesen gegenden andre wege gieng, als das et<l, weil die he-
wegung des neuen bair.-österr. et <e^e den laut ergriff, als mhd.
I seinen weg zu et noch nicht vollständig zurückgelegt hatte,
dass diese bewegung des ei < ege zu ä auf gewisse gegenden be-
schränkt blieb, müsten wir dann stark betonen, sonst köanteo
wir die für uns so wichtigen reime von geUit : -it bei den mhd.
dichtem, von denen wir gleich hören werden, nicht richtig einstellen.
In dieser beziehung ist es interessant zu constatieren , dass
auch die diphthonge in geist fleisch heilig, die heute im dialekl nicht
mit dem zu erwartenden oa, sondern mit dem neuen, aus mhd. I
entstandenen diphthong gesprochen werden, mit dem et <e9e die-
selben wege wandeln, sowol inbezug auf den mhd. reimgebraucb
bei den Österreichern als inbezug auf die bewegung des et zu (f.
wir finden die drei worte nämhch in alten hsa. sehr häufig als
gä$t fläsch hälig (resp. häUumb) geschrieben, ich verweise auf
Nagl Hohes a 24, 153 und bemerke noch, dass mehr als die
hälfte der beispiele, die Weinhold Bair. gramm. § 44, s. 55 für
alte Schreibung CB statt ahd. mhd, ei, ai anführt^ die worte hältumb
gmstleich flmichpenche flcesdUor flcBichhwehel flcmh (dazu bem. noch
vertädigen cedt gerechtikhwdt und die namen mit iiettiotcitt an
der spitze 2) betrifft, der stammvocal in gnst fleiich heilig, für die
aber neben dem et {di) in mhd. zeit auch auf österr« gebiet immer
das ai (äi) gegolten zu haben scheint, ist heute mit dem aus f
entstandenen diphthong m.w. immer lautlich gleich, und im übrigen
sind die Schreibungen mit cb und ä im vergleich zu denen mit
et und ai relativ so selten, dasa wir wol annehmen dürfen, dag»
' VCD den oberpßlxischea belspielen auf 8. 56 mössen wir selbstyer*
stiodllch absehen. ' freilich aoeh vereiozeltes Brmtineioh, Wmdihofen.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 377
di« ^niwickluog (iiesQs #t xu ä db. d auch hi^r territori»! be^
scbfttiiki bli^b.
Die $m ^ag^, -(^gi" contrabierten at aber, mhd.^bair. gtsßüp
gAUiü, tm%aiU matt uaw., wareo überall io Baiern uod Österreich
Toa den au» -eg€* contrabierleQ «t veracbiedeo. beide diphtbonge
wareo sicher hodeoaUlodig, der erstgeoanoie lautete, sowie beute
ia ileo reeten« die der diaiekt uos hier und dort erhalten hat
(§mmd tnai fraad)^ gleich dem allen ät (oa) < mhd. ei, der andre
laolet beqte bald 4 mit dem dem bair.-Oaterr, eigenen hellen klang,
bald m (40 < mhd, I. wie dieser letztgenannte entwickelt sich auch
das alte mhd. <i in geüt fl$i$€k heilig rein usw. geeagei geht auf
bain Oaterr. boden« sowie auf fränk., mit den -aget (-d^O-formen,
nicht, wie auf alemann^ luit den -«j^e^-forman. dabei bieten die
bair.-Oaierr. dichter die directe umkebrung des gebrauohs, den
wir oben s. 347 ff für eine reihe fränkischer dichter constatieren
konnten, bei jenen fallt -eir<-a^ im verein mit gesagt mit
altem *€iit zusammen, -eget geht seinen besonderen weg, bei diesen
fällt «#t/ < -eget mit altem -^eit zusammen, ^aget im verein mit g^
9agei wird entweder gar nicht contrahiert oder der aus der con-
traction resultierende di|>hthong unterschied sich so stark von dem
alt^n et und ei<ege, dass es unmöglich war, beide im reim zu
binden, aber vielleicht ist dieser contrast zwischen Baiarn und
Franken nur scheinbar, bedenken wir^ dass §ge auf bair.-Osterr.
bodeo b^ute vielfach als a erscheint, alte Schreibungen und, wie wir
sehen werden, auch einige alte reime es ebenfalls als ä (neben et, di.
ät<:l) erscheinen lassen und dass auf den in betracht kommenden
o6t^ und sOdfrank. gebieten altes mhd. et heute in vielen gegenden
(s. Ober den 'o-gttrter Wrede Anz, %x 98) auch als ein solches ä
oder wenigstens nicht verdumpftes ä gesprochen wird ^ und dort, wo
es dipbtboBg bleibt, ein di, dt ist mit hellem ersten componenten«
kein ot. wenn also im frflnk. n<ege mit dem salben & (^7)
oder dt (nicht at) gesprochen wurde, als welches es im bair.-
osterr. eich gelegentlich präsentiert, so konnte dieser laut mit
dem mbd. frSnk. dt<et eventuell zusammenfallen, weil sich dieses
> 8. Nsgl Btitr. 19, 342 f : am Obermsio, an der Pesais uod Resat, um
Näroberg wie um Bamberg. |. etwa auch Taqbergruud : Heilig a. 43 & 96,
Naubeiiii : UidoU s. 24, Haodschulisbeim : etwa Leus Vergleich, wb. a. v.
brmi^ sUin usw. dass es ein 'irenudoex' au frank. ?<m sei und aua
diefem entsUoden, wie Nagl wiU, wiid wol kaum seine ricbtigkeit haben.
378 ZWIERZINA
di<ei in fränk. teilgebieten ähnlich zu ä, ä hin entwickelte;
nicht so im bair.-Osterr., weil hier sich mhd. bair. ai< ei zu äi.
Od, oa entwickelte, in der verschiedenen lautung des alten et hier
und dort, nicht in der lautung des aus altem ege contra-
hierten diphthongs wäre dann also der unterschied zwischen bair.
und fränk. inbezug auf den verhandelten gegenständ gelegen.
Was nun die mhd. dichter Baierns und Österreichs anlangt,
so zeigt schon die einfache beobachtang, dass bei ihnen geseit,
gekleit usf. einerseits, gekit eide {treit) anderseits im reim ver-
schieden behandelt werden, deutlich, dass wir es hier in keinem fall
mit analogiebildungen zu fremdem alemann, geseit und mit aus der
alemann, litteratur geholten reimformen zu tun haben können,
denn die Alemannen scheiden geseit nicht von geleit und treit
und reimen beides gleich oft nnd beides ihrer mda. (wenn wir
vom Schwab, absehen) gemäfs mit altem et.
Nur beiläufig will ich erwähnen, dass das analogisch zu Osterr.
soad gebildete froad, das wir oben s. 368 f aus Osterr. mdaa. be-
legen konnten y sich neben sait, verzait usw. auch bei Osterr.
dichtem der mhd. zeit, so zb. bei Ottokar und beim Teichner, auf
altes -eit (di. Osterr. -äit) gereimt findet, und wende mich nun der
detaillierten besprechung der einschlägigen Verhältnisse zu, wie
sie uns sonst in den reimen der bair.-Osterr. dichter des 13 und
14 jhs. entgegentreten.
Zunächst ist festzustellen, dass ein grofser teil der Osterr.
volksepen, für weiche die häufigkeit des ei<age im reim geradezu
charakteristisch ist (s. Fischer s. 63), uzw. gerade die ältesten
und bedeutendsten unter ihnen, kein ei < ege im reime aufweisen K
so find ich in Nibelungen A 66 geseit < gesaget {resp. verseit,
unverseit, mderseit)^ 51 meit<maget, 6 verdeit<verdaget, 5 ge-
kleit < geklaget, 1 ir kleit<ir klaget (934,1), aber kein einziges
geleit < geleget und auch kein treit <treget^. der Biter olf weist
' auch meit geht auf maget EurQck nnd meide anf mägede, nicht auf m^-
gede, * auch Nib. B kennt kein geleit < geleget, nnd es ist ein vollkommener
beweis der unursprQnglichkeit iron Nib. G, dass diese redaction ein verein-
zeltes geleit (1755, 5 -» B 1817, 5) in den tcxt schmuggelt. — Nib. AB zeigt
aufserdem nur wenige neutrale reime, die alle wol besser, meist mit den
hss., als -etY- reime zu fassen sind, als als 'Oget^rtime. es sind maget .'ge-
saget 68, 1. 71, 1. 416, 1, :verdaget 501, l; geeaget: verzaget 2078,3,
:verdaget 1583,3, versaget : verzaget 2097, 1. in den unechten str. 1 — 12
steht noch gesaget : unverzaget 8, 3. dieses attributive unverzaget {Die
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 379
55 sichre ge8eii< gesaget auf, eins im reim auf treit^ 2 sichre er
mii, 6 metir, 4 meide K 4 verdeit, 1 tr verdeit^ 2 ^efcfet^ aber keio
einziges leit leite geleit, die Rabeaschlach t 26 sichre geseit,
3 «etir, 4 fliet^ 1 oietde, 5 unverzeit^ 1 unverzeite, aber kein eio-
zig^ ietlr /eöe j^efeiY und auch kein treit. und ebenso liegen die
▼erhällDisse io der Gudrun, und ebenso im Rosengarten A.
dazu kämen von kleineren Sachen etwa Dietrich und Wenezian
<nacb Fischers lab. nr75 4 seity kein kit), Walther und Hilde-
gODde (tab. nr 1012 meit, kein fetV), und aus Baiern Albers
Ton dal as (4 seit, kein kit).
Wie nun neben den md. dichtem, die gar kein seit geseit
zulassen, sondern nur leit geleit reimen, andre stehn, bei denen
seü geseü zwar vorkommt, aber an häufigkeit auffällig weit hinter
leii geleit zurücktritt, so kann man beobachten, dass bei allen
sicher Osterr. dichtem — Konr. vFussesbr. ausgenommen, der
sich hier ganz zu den Alemannen stellt, s. s. 279 — hit geleit
im reim auf altes -etY immer viel seltener ist als seit geseit oder die
andern, ich brauche da nur ganz im allgemeinen auf Fischers tabelle
zu verweisen, im besondern etwa auf die nrr 114 und 115, wo bei
HeinrichvTürlein in v. 1 — 10000 der Krone nur 9 fetY neben
38 eeii und bei Pleier im Tandareis nur 10 hit neben 45 seit
vermerkt werden 2. auch das verhalten der Klage sei noch eigens
legten recken . , , , in allen siriten unverzaget), das in sp&tern epen so
t>eliebt aod hiofig ist, steht im Nib. hier ganz yereiozelt da, ebenso ver-
eiBzelt und ohne parallele wie die andern oben s. 77 f berührten Wortver-
bindungen des unechten eingangs.
* bei Fischer nur 8 meit meide (statt 10) in der tabelle. meit 1703.
1772. 1814. 6875. 12496. 12636, meide 1681. 3259. 4472. 12783. dagegen
sihlt Fischer 58, ich nur 57 sichre teit; leicht möglich, dass ich eins über-
sehen habe, ebenso möglich aber, dass Fischer das unsichre seit : treit (saget
: traget, im österr. fehlt der umlaut sehr häufig) mitgezählt hat. es gilt in
diesem abschnitt uberbanpt, dass meine Zählungen, wo ich mich nicht aus-
drücklich auf Fischer berufe, immer auf eigne Sammlungen zurQckgehn.
meine und Fischers zahlen variieren des öftern, fast stets ohne dass dadurch
die auffassung der im denkmal vorliegenden Verhältnisse irgendwie alteriert
wurde, wo meine zahlen gröfser sind als die Fischers, verdienen die meinen
größeres vertrauen, da ich sie dann eben der discrepanz zu Fischers an-
gaben wegen eigens verificiert habe, wo meine zahlen kleiner sind, als die
'Fischers, war die verification natürlich nicht möglich ohne aufwand von
mühe, der in keinem Verhältnis zum gegenstände gewesen wäre.
* in Fleiers Meleranz find ich 17 geleit und 1 leite (824) neben 62
seit (13 er seil, 35 geseil, 12 seile, 2 ir seit), daneben noch 1 treil (10347),
380 ZWIERZINA
hervorgehoben, dort lasi^n sich (text A) Dur 2 gehit (1208. 2024)
im reim belegen, dagegen 10 g^eit, 1 nit, 5 gdileüy 5 niiit (1145.
1406. 1409. 2124. 2142) und 1 meide (1094), wenn wir damit
das conträre verhalten der fr^nk. epiker und die art vergleichen,
wie sich bei den alemann, dichtem die leit und ait stets die wage
hallen , sich dort nioht einmal wie 1:2 je gegenüberslehn S
werden wir mit dem ^zufair als bequemer erkUrung dieser er»
scheinqng nicht rechnen wollen, dass es sich hier um eine
verschiedene behandlung der contraclion aus §ge und der aus
age (resp. äge) handelt, werden uns die reime der spätem und
spätesten Baiern und Österreicher lehren.
Vorher mOcht ich noch darauf aufmerksam machen, dass
trßit zwischen IHt und saiY in der mitte steht, in Nib., Rabenscbl.,
Ros^ng. A, Klage finden wir kein treu, hier geht treit < treget
mit kiKUgei band in band. Gudr. 67, 3 und Bit. 391. 4526
Qndeu wir aber treit 9su altem -eit gereimt, obwohl die gedichte
sicher kein leii geleit reimen konnten, hier steht dieses Osterr.
tmt mit seit < saget, nicht mit hit < leget zusammen, dh. es gehl
auf trßget zurück, nicht auf treget. die unumgelautete form, die
zh. auch Bit. 4872 Überliefert ist, entspricht ja vielfach Oster^
reichischer mda., damals so gut wie beutet, ttholicbes werden
wir mit rücksicht auf das s. 357 gesagte auch für die ctMormen
von jagen anzunehmen haben.
Die richtige Würdigung und beurteiluog dieses gegen die
bindung -eit<eget i-eit sich mehr oder weniger ablehnend ver-
haltenden reimgebrauchs der österr. dichter des 13 jhs. ermög-
licht uns die sichtung des reimmaterials jener bair.-Osterr. autoren«
die es zuerst wagen, I mit ei zu reimen, 'i mit ei zu reimen'«
so pflegt man ja wol zu sagen, in Wahrheit aber kann, wenn er
dialektisch rein reimt, kein bair. oder österr. autor altes I mit
1 gßklßit (11589), 2 jeit, 1 gej'eii subgt (7170), 3 meii und nicht weniger
als 19 unver*eiL der misbrauqh dieses unveneit ist fQr den Pleier fibcrbaupt
cbfrakteristisch. bedürfte es noch eines beweises, dasa Mai iiad Beaflor
nicht vom Pleier ist, so br&cbte ihn die beobachtang, dass dieses tinuara«t'#
IQ) Mai durchaus fehlt.
1 8. zb. Hartm. 86 leit (di. leit leit9 UUt geleit) : 100 «eil (du »eit
uitfi mtt geseit), Gotfr. 129 Uit : 70 äeit, Bud. 108 leii : 192 eeii. dagegen
ist das Verhältnis von leit : $eU bei den Ösierreicbern , die leU noch am
öftesten reimen, höchstens wie 1 : 4 oder 1 : 5.
^ so könnte also Bit. 391 auch gesaget .* traget gemeint sein.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 381
•Item et bindeD. er kann seinem dialekt nach diese beiden auch
fOr ibo graedverschiedeneo laute ebensowenig ^usamnieDkoppeln,
eto eio beliebiger Franke oder Schwabe oder auch Schweizer, und
eiDmal mit dem Vorurteil endgiltig gebrochen werden^
die binduDg ?on mhd. I mit altem et auf bair.-Osterr. her*
kiiDfl ihres autors weise, was berechtigt uns denn anzunehmen,
du8 ein laut, der in ahd. und frah-mhd. teit I, später et ge-^
«chriebeo und heute 4$, da gesprochen wird, mit einem laut, der
iD spflt-^afad. und früh«- mhd. zeit ei, später ai geschrieben und
heule 09, oa gesprochen wird, jemals auf irgend einer stufe zu-
sammengefallen sei? doch nicht der umstand, dass die beiden
« io uftsrer gemeinsprache von einem guten teil der Deutschen
heute gleich gesprochen werden? dass die beiden laute jemals
im dialekt ganz zusammengefallen seien, das ist ja schon ihrer
«oDderentwicklung halber ausgeschlossen; aber auch dass sie
'nahesu' gleich gewesen wären, berechtigt uns gar nichts anzu-
n^men. x und y ist heut nicht verschiedener als bair. dt und
bair. oa.
Den Sachverhalt hat ua. schon, worauf MHJellinek mich auf*
merksam macht, HROckert nahezu richtig erkannt, wedn er
LoheDgria s. 272 auf die Seltenheit dieser l:«t'^ reime bei den
Öslerreicbern und Baiern aufmerksam macht und darauf hinweist,
dass diese bindungen im 13/14 jh. in Österreich- Batern reime
▼OD et auf at waren, nicht reine, und dass sie au^h heute in
keinem deutschen lebendigen volksdialekt reine reime wären; s.
frraer auch Wilmanns Gramm, i^ 277, Behaghel Grundr. i* 703)
ofid neulich ist zb. wider KGusinde (Neidhart mit dem veilchen
s. 57) der ganz verkehrten auffassung dieser reime durch Michels
(QF. 77, 170 entgegengetreten, derselben auffassung, die zb. auch
Socin (Schriftsprache und dialekte s. 137) vertrat, und hat auf
die Verschiedenheit der lautung von mhd. I und mhd. et in den
das I diphthongierenden mdaa. hingewiesen, auch die Stellung
^or dental' oder 4m ausbut'« womit Michels jetzt im Mhd. ele*-
mentarbuch § 145 operiert, bat mit einem auf bair.-Oslern boden
nirgend vorhandenen zusammetifall von mhd. I und mhd. et nicht
das geringste zu tun.
Dass die werte geisi, heilig, fleisch, rein, beide (s. zuletzt
Singer Mhd. Schriftsprache anm. 27 s. 16) heute auf bair.-Osterr.
gebiet mit dem sonst altem I in der mda. entsprechenden diphthong
382 ZWIERZINA
gesprochen werden, ist bekannt, aber das steht, wie man es
auch erklären will, nicht mit der bair. - Osterr. diphthongierung
des alten t, sondern mit der bair.-Osterr. modificiening des alten
et in Zusammenhang, wurde ja hier nicht mhd. I zu äi («a altes
^0, sondern mhd. ei («: Osterr. äi) zu österr. ei, di («» altes I).
auch ist das nichts speciell bair. - österr. , da auch in vielen an-
dern dialekten, in denen das alte mhd. ei einer stärkern lautver-
änderung unterlag, eins oder das andre eben dieser selben worte
seinen et -laut unverändert bewahrte, so auf fränk. gebiet^ als
auch auf aleman.^
Ähnlicher beurteilung unterligt der für ältere zeit zu er-
schliefsende ei- (nicht di-) laut für mhd. ei in unbetonter silbe
(s* oben s. 375). auch hier wird mhd. ei (Osterr. äi) zu Osterr.
ei, di (mhd. i), nicht mhd. I zu äi (■= mhd. ei), was aber die
-eie für -le in der fremden, aus dem latein. stammenden ablei-
tung, die Paveie, abbeteie, vogeteie, probsteie, tegneie, salbeie ahd.
und mhd. texte anlangt, so bewürkt hier nicht die biatusstellung
frühe, schon ahd. diphthongierung, wie noch Brenner Beitr.
19, 485 und Wrede Zs. 39, 295 f annahm (s. auch ESchrOder
Anz. XXIV 30), sondern wir haben es wol, wie Kluge Zs. f. d. ph.
31, 499 f ausführt, mit wucherbildungen, analogien usw. zu tun.
die ältesten belege für dieses -ete stammen auch durchaus nicht
vorwiegend aus bair. quellen und die meisten reimbelege bieten
durchaus nicht vorwiegend die bair. dichter; so reimt zb. Hugo
vTrimberg vogeteie : drier Uie Renn. 4443, ;ete8879, ;fete9198^
abbeteie : reie{n) 10826, s. ferner abbeteie : probsteie 831. 9012,
dagegen ketzerien : schrien 11089, symonien : schrien 835. 7630 uO.,
und nie ketzereie : abbeteie oder gar altes -eie udgl. jedesfalls
haben diese -eie für -le nichts mit unsrer in Baiern - Österreich
einsetzenden diphthongierung des alten I zu tun.
Wie steht es aber nun mit den reimbeispielen für den zu-
sammenfall von I und et in Osterr. und bair. dichtwerken des
13 und 14 jhs., die meist als untrüglichstes kennzeichen dieser
^ s. zb. Leoz Handschuhsheimer dialekt i s. 15 s. v. hailic^ VergletckK
wb. s. 26 8. V. geUt {rein und beide fehlen dem Wortschatz der mda., waa
bezeichnend ist!), Heilig Mda. des Taubergninds §97, Leidolf Naaheimer
mda. s. 25, Breunig Mda. von Buchen 8. 22, ai 2 üsw.
* 8. zb. Stickelberger Schaffhauser mda. 8. 39 {15 (hier aach retn),
Bohnen berger Zur geach. d. Schwab, mda. 8. 105. HO (hier auch beide)^ Haag
Mdaa. des obern Neckar und Donaulandea 8. 27 {beide oaa.) usw.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 383
ihrer proTeoienz von grammatik zu grammatik geschleppt wer-
den? den zusamipenfall beweisen diese reime nicht , die auf
iMerr. bpden im 13 jh. vollzogene diphthongierung des I aber
beweisen sie allerdings.
Wir müssen uns, da die reime von i:ei ja erst bei den
spätem hanfig werden, hier, wie in der vorhergehnden nr, auch
der besprechnng jQngrer denkmäler zuwenden, die in den übrigen
nrr dieser Studien zu gunsten der altern und formvollendetem
werke des 13 jhs. zunächst vernachlässigt blieben K
Betrachten wir zunächst die reime des Vintlers. mhd. I und
mhd. et bleiben zumeist getrennt, ja vor n und ch reimt sogar des
Oftern i:i (s. zb. 118. 642 uO., 684 uO.}. wie diese reime aufzu-
fassen sind, ob als litterarische, oh sie auf im dialekt gegründete,
alemannisierende nebenformen weisen, weiss ich nicht, im grossen
and ganzen war die diphthongierung des alten I zu et in der
spräche des Vintlers bereits vollzogen, das beweist die bindung
von retn und unrem mit altem -in, rein gehört, wie gesagt, zu
den werten, die der dialekt verloren und dann wider entlehnt
hat, und deren ei nun sowol mit dem laut gesprochen wurde,
der mhd. et im dialekt entspricht, als mit einem andern, litte-
rariscben et, das im laut mit dem neuen aus I entstandenen
dipbthong zusammenfiel und heute zusammenfallt, so reimt es auch
Vintler teils auf altes -ein, resp. -ain^ uzw. 485. 879. 1058. 1342.
1508. 2318. 2894. 2929. 3282. 3357. 4067. 4716. 5136. 5202.
5329. 5716. 5942. 6144. 6194. 6728. 7538.8104.8172.9066,
teils auf stn und wtn, uzw. 813. 4950. 6455. 6664. 7298.
7952. 8810. wenn also Michels QF. 77, 18 fin für rein {:sin)
4950 vermutet, so tappt er im dunkeln, sowie bei Vintler ist
in dem aao. behandelten gr. Neidhartspiel unrein : sin Keller 449, 14
gebunden und hier der einzige reim von l;et (s. Gusinde Neid-
1 zusammeDstellongen solcher reime bringen Weinhold Bair. gramm.
§ 78 8. 8t , Mbd. gramm.* § 106 s. 101 nnd Behaghel Schriftsprache und
DHia. 8. 15 anm. 4. die reime aas dem Wigamar bedärfen der beglaabigong,
auch scheint mir die heimat des gedichts durchaus nicht festgelegt, das
gedieht 'Frauenlisl' Roloczaer codex s. 97 £f, aus dem Weinhold Bair. gramm.
aao. ein bewUte : geUiate 107,384 (übrigens unechter zusatz der hs.) bei-
briogt, ist seinen sonstigen reimen nach klärlich fränkisch, nicht bairisch,
u oben s. 273. 290. meine. ausfflhrungen beruhen im folgenden, wie auch
sonst, auf eignen Sammlungen und berichtigen Weinholds angaben hie und da
ohne ausdrücklichen vermerk.
384 2WIERZINA
hart mit dem veilcheo s. 57 f)^ er UDterligt Datttriich derselben
autTassuDg, wie die bindUDgen des Vidtlers. außerdem finden
wir beim Vintler unbetOAteB eim : drin 441 ' und itttieheii : lU 688S.
wir haben oben gehört, dass die ei in diesen unbetonten Silben
im dialekt Ober diphthong 1^ später zu d wurden, und auch dieses
d (di. hohes, helles a, der laut des zweiten umlnuts von a und
des Umlauts von d im Osterr. dialekt) für diphthong Kmhd. et
finden wir beim Vintler belegt. 8426 reimt der plural von rdt,
also apokopiertes rat, di. Osterr. rät mit hohem d, zu irhierchaitj
und nun werden wir uns auch Ober die bindung geist : neBst > naihest
*proxime', wie sie 7634 klSlrlich Oberliefert ist, nicht mehr wundem
können, haben wir doch oben s. 376 gehört, dass in ^en hss.
das entlehnte alte H in gtiü keiUg fledeh usw., das heute dem
diphthong I gleichlautet, sehr häufig a^ 4 oder t geschrieben wird,
also früher hier und da auch, sowie das unbetonte et und unbe*-
tonter diphthong I, als ä (oder ä* ?) gesprochen worden sein muss.
dass sonst beim Vintler geist zu völMst und aUtrmeitt reimt (34.
229. 2012. 5364. 7806), kann nicht auffallen, einmal hab ich
schon des öftern betont, dass die et dieser entlehnten g$i»i heiUg
fliitch usw. bei allen Osterr. dichtem und Schreibern früherer
zeit gewis sowol mit diphthong I (resp. als ^% als auch mit
der entsprechung des alten, heimischen et im dialekt gelautet
haben mQssen, und zu zweit könnten in diesen </e^ ; otlfets^ und
: allermeist sich auch die allüberkommenen formein fortsetzen.
Das et der unbetonten "heil erscheint heute in der mda.,
soweit die Worte nicht direct der Schriftsprache entnommen werden,
als irrationaler vocal, es lautet -k^, -ht uS. und schlierslich
Iflsst sich auch schon diese entwicklungsstufe in den reimen des
Vintlers erkennen, der Vintler reimt nämlich des öftera sokhe
irrationale ^^^t und -it accentuiert und stumpf, so reimt er 4932
ndch volget auf unbetontes het, auxiliar udgim. wenn wir daher
3463 falschait zu verheirdt, di. fSlsekH : f^hdir^tt, gereimt finden
' ithalmeien : reivn 413» 9 flllt nnter den s. 382 aafgestellten gcaichta-
puDct, ist dicht ein reim von diphthong t: ai, sondern ts ligt ia HkattMimi
das in der fremden ableitnng ie(H) mit altem T (resp. diphthong f) seit äl-
tester seit Ticariierende et vor.
^ die Überlieferung ist aber aicbt gani sicher, a. die laa.
^ so beieichen ich hier und Im folgenden der Vereinfachung wegen den
im dialekt aus mhd. f entstandenen neuen diphthong«
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 385
437 (nach ausweis der klarlich besseren Überlieferung) belästiget
zAtndiaU und 393 sncedichait zu unbetontem Aal auxiliar, so ver-
laogt die richtige beurteilung dieser bindungeh, hier die ableitung
mhd.-Jketir als verkorztes -hX -Aar (-Aatir > -AetY > Ad/ > -A'O anzu-
.setxen. dass -heit beim Vintler trotzdem am häufigsten zu mhd.
-etir reimt^ darf uns wider nicht beirren, erstens wird es auch
in der mda. lange zeit volles -hau neben -heit, -hat und -hf^t ge-
geben haben, schon weil dreisilbige worte wie frümekheit, swlecheit,
in denen die schlusssilbe starken nebenton trug, neben werten
wie wisheit, wärheit standen, und dann sind die meisten bilduogen
in 'keä keine dialektworte, sondern litteraturworte und von den
dicblern mit ihren litteraturreimen zu -eit übernommen worden.
diese beiden erwagungen erklären es uns zur genüge, dass die
binduDg -A«t/;mhd. -et( bei allen Österreichern und Baiern ohne
«cbeo zur anwendung kommt ^.
seit <: saget, geeeit < gesaget , meit<maget usw., auch treit
< treget (971 uO.), ret^< reder (649? s. laa.) und {ge)leit<ige)kget
(1252. 2492. 2734. 2750. 4838) reimt der Vintler stets auf altes
-eir. damit ist noch nicht ausgemacht, dass in seiner spräche
-€tir <:a^el und 'eit<eget ganz gleich standen, .wir werden sehen,
dass bei einer grofsen anzahl mhd. dichter, die sehr häufig ^eletY
c^eü reimten, 'eit<aget und -e«r < e^er.doch sicher besondere
we^ gegangen waren, sowie ja auch das et in geist sicher schon
firflh seine besonderen wege gieng und doch von allen dichtem
aach auf das et von alkrmeist und voüeist gereimt wurde, übrigens
isl auch beim Vintler leit und ^efet^ nach Osterr. art (s. s. 379)
4inverfaältnismäfsig viel seltner als seit und geseit.
Wir wissen, dass der Teichner, trotzdem er. der reinen mda.
1 sonst reimt in Zingerles text des Vintlers noch 1866 gemeii:%Ü,
«der reim vertrüge ja dieselbe erklarong, wie sie oben die bindangen von
rmn : -In gefonden haben, denn gemeit^ das den heutigen mdaa. fehlt, wird
woi auch damals schon, wie überhaupt im 13 jh., b\ots archaistische litte-
ntorvocabel gewesen sein, die der Österreicher, so wie geitt etwa, eben so
gut mit neuem ei als mit altem ai sprechen konnte, auch die beim dichter
soDSt geltende bindung gemeit : -eit (s. 965. 660. 971. 4697. 4725. 6992.
7tS6. 7666. 8251) stünde nicht dagegen, aber an der genannten stelle bietet
^eses gemeü nur die ^ine hs. F, die, nach Ztngerles eigner aufÜBssung der
Überlieferung, gegen den consens aller übrigen hss. und des drucks unmög-
lich allein das echte bewahrt haben kann, dieser consens (WSGD) bietet
^ber iti für gemeü (: %tt) und damit auch die weit prägnantere lesart.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 26
386 ZWIERZINA
gelegeDtlich weiten Spielraum eioräumt, sowie etwa auch Ottokar,
Ulr. vLichtenst., Herraod vWildonie und andre spätere Österreichep^
sogut wie niemals mhd. I und mbd. ei bindet, s. Weinhold Mhd.
gramm.* s. 102 ^ aus den wenigen bemerkungen Karajans (s. 17)
über die spräche des Teichners geht nicht hervor, wie er es in
bezug auf die reime zu "tit Klaget und -etY < ej/e^ hält, ich habe
die gedichte des Teichners und die proben solcher durchgesehen,
die in Lassbergs Liedersal (bd m) und in den anmm. bei Karajan
gedruckt sind, ich flnde, dass er {j3e)mt stets tu altem -tit reimt,
belege sind nicht nötig, denn so reimen alle Österreicher, diesem
(ge)seit schliefst sich beim Teichner schon das oben s. 368. 378
besprochene spät-Osterr. (ge) freit <:{ge) fraget (zb. Ls. 212, 9. 29.
43; Kar. 168) an, tetner meit<niiaget:be9ekeid^ Ls. 230,195 nö.
ebenso können seine reime von getreid^ subst. zu ^altern -^t (Ls.
144, 65. 155, 59) nicht auflallen, da getreide, heute troad, auf
Osterr. boden sich allgemein zu den eit'<aget stellt, nicht zu den
^t'<:egetf fr^lkh nicht infolge jüngrer, sondern uralter, auf die
zeit vor eintritt des Umlauts zurückweisender contraction, worüber
oben s. 371 f zu vergleichen ist. auch in er treit : üppekeit Ls.
150, 55 :heü2i2, 57 :rektikeit 231, 219. 252, 11 können wir es
mit 'eit<nget zu tun haben, s. oben s. 381. aber der Teichner
bindetauch leitK.kget : geseitf Ls. 144,59, gdeit^< gelegete :hreii
145, 25, :(eretY 34; Kar. 170. 175. daneben aber reimt derselbe
Teichner 'eit<eget (nicht -eit <, aget) auch zu mhd. -at^, di.
österr. -ät (mit hohem d). so bindet er innerhalb der von mir
untersuchten stücke Ls. 145, 17 keet^ conj. prät. zu geleite und
171,5 gesät part. von eeejen, 209,23 tcet^ conj., 230, 35 heete
conj. : zu gereit, part. ?on reden; ferner Kar. 89 et(Bt (sie), 125
blcet 3 sing, von blc^'en : zu reit^ < redete und Ls. 63, 9 taten
conj. zu widerreiten <widerredeten. dass die letztgenannten bin-
düngen so, und nicht als geecBt (tost) : ger^t als bindungen von
(b:§ aufzufassen sind, wie Weinhold Bair. granun. § 43 s. 55
dies tut, ist mir zweifellos, memals reimt der Teichner m und ä
anders als, uzw. in hunderten von Men, in sich oder vor labial
auf mhd. ou (österr. i), sprach also gewis hohes d für w, ä und
(vor labialis) ou; wie könnte er da ein gesast, tmt, hmt mit
^ auf die einzige bindmig der art, die Wehihold namhaft machen kann :
fdreii (sie!) : iptt (Karsjan anm. 285) wird unten noch licht fiUen.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 387
eioem ger^, uzw. allemal gerade mit ger§tt, biDden i? aufeerdem
ist gereü < geredet bei vielen Österreichern erwiesen (s. oben
s. 366 f die belege aus Konr. vFussesbr., Warnung und Heinr.
▼Tllrl.) und ist die Schreibung rcdt, rastt Für redet, resp. reit,
io allen bair. hss. neben den bet für UiKleget nachzuweisen.
ich habe oben s. 374 im anschkiss an Weinbolds Bair. gramm. §42
aaf sie aufmerksam gemacht.
Diese gekit und gereit im reim auf hast und getmt stelkn
sich also zu den id» (nicht oadn!), ädaksl (nicht oadaksl) heutiger
mdaa. (s. s. 373) und beweisen, dass beim Teichner ei<c§ge, §de
and ei<iage, äge yerschiedene wege gegangen sind, wie dann
die (übrigens wider sehr seltenen) reime von geUü zu mhd. -eU
aufzufassen sind, ist eine frage für sich, ich verweise dafür auf
das, was oben schon mit bezug auf den Vintler gesagt wurde, und
komme auf sie noch kurz zurück, sobald ich die einschlägigen Ver-
hältnisse bei den andern Baiern und Österreichern dargelegt habe 2.
Ich mochte nun noch einmal an die Wechselbeziehungen
erinnerD, die zwischen österr. diphthong I an stelle einiger mhd.
et ond österr. 6 an stelle dieser selben mhd. et bestehn, wie
ich sie oben im anschluss an Brenner darzulegen versucht habe
(ft. 375), und geh nun zur besprechung des einschlägigen reim-
gebraocbs von Laurin, Walberan, Lohengrin, dem sogenannten Sei-
frid Helbling und SChristophorus Zs. 17 über, nicht weil diese
werke sich etwa innerhalb der bair.-Osterr. litteratur nach zeit und
ort näher berührten, stell ich sie zunächst zusammen, sondern weil
sich in den reimen gerade dieser werke die uns interessierenden
spracbverbältnisse am reinsten ausprägen.
Laurin und Walberan besprech ich unter 6inem. sie sind
ja gewis nicht vom gleichen Verfasser, aber sie zeigen in bezug
* dem '^ in gerqtt ist beim Österreicher laatlich gleich nicht aar st^t^
sondern auch hei^ tet, brei nsf. (oben nr 8); warum also nie tof, gesät
ZQ bet, st^t usw.? dagegen ist wider ein gerodet : -et oder -eit beim
Teichner nicht belegt!
* für die Mndong von altem ei zu altem « (nicht nmlant!) auf bair.-
österr. boden, also von oa:p, gibt Wdnhold Mhd. gramm.' § 123 s. 117
ein einziges beispiel, ozw. ans dem Teichner, entweich : sprach Lieders.
53, 23. aber sprach ist dort nnsinn, für sprach ist sicher streich (resp.
straich) zn lesen, eine conjectnr, in bezog auf die mir nicht bang ist, dass
sie anch hs.lich bestätigt wird, volltoniges altes ei («t, oa) reimt bei Öster-
reichern nie und nimmer auf altes ä (^).
26*
388 ZWIERZINA
auf die biodung voo mhd. I ; mhd. et und im Zusammenhang damit
auch in bezug auf die Verwendung von leit<kg€t im reim ganz
identische technik. im Laurin reimt i:ei dreimal, alle drei
beispiele hat Müllenhoff zwar entgegen der vollkommen gesicherten
Überlieferung aus dem text entfernt, Holz aber hat heute (siehe
darüber auch seinen Laurin s. xii) dieser Überlieferung in seinem
text mit gutem gründe wider zu ihrem recht verholfen und ist
dafür der Zustimmung der fachgenossen sicher, s. zb. Lambel
Anz. XXV 286. die drei reime, um die es sich handelt, sind zU
:geleit< geleget 131. 317, 8trU:leü§< legete 1319. der Walberan
zeigt zwei solche bindungen von i:ei, uzw. (ich citiere auch hier
nach Holz) {widerjstrit : leit§<:leget§ 103. 799. immer also, sowol
im Laur. als im Walb., ist das mit I gebundene ei ein durch
contraction aus §ge entstandenes, sehen wir aber naher zu, so
wird uns diese beobachtung bald noch auffallender und ausschlag-
gebend erscheinen, geleit < gekget, leit§<legete reimen nämlich
in beiden gedichten nur an den genannten stellen, also nie mit
altem ei, sondern immer, so oft sie vorkommen, mit altem i, dh.
für den dialekt des Laur. und Walb. diphthong I. und ferner
reimt nur -eit < eget so, dagegen reimt -eit < ag^ sehr häufig
und immer gebunden mit altem -etY, nie mit -Ü, s. geseit < gesaget
:-eit Laur. 45. 119. 311. 455. 773. 831. 871. 1063, 9eü^:-eit
Walb. 275. 451. 695, unverzeit <unverzaget .--eit Laur. 709. 995,
;-etp 571, meit<maget i-eit Laur. 743. 779. 1101. von zufall
kann da natürlich die rede nicht sein, im Laurin D (des Helden-
buchs) zb.y dessen text aufserhalb Österreichs gereimt wurde,
finden wir alsbald mehrere ^efeiY ; et( (1723. 2061). wenn Lambel
aber (Anz. aao.) nach analogie der geleit :-U auch ein widerseit
:'it in den text hineinconjicieren will, müssen wir ihm nun ein quod
non zurufen, nur -eit < eget reimt in Laur. und Walb. auf -1/ und
reimt immer auf -it, -eit < aget aber kann nur auf altes -eit reimen.
Der text desLohengrin (ed. Rückert) rührt von zwei Ver-
fassern her, wie schon Lacbmann (Kl* sehr, i 149 f) erkannt hat.
der kleinere erste teil (str. 1 — 67), dessen erzählung dem Wiener
Lorengel parallel läuft, bat einen Thüringer, der grOfsere zweite
teil (str. 67 — 767) einen Baiern zum Verfasser, darüber kann
nach Elsters aufsatz im 10 bde der Beiträge (s. bes. s. Ulf.
115 f. 169 und vgl. auch Panzer Lobengrinstudien s. 540*, Elster
Philol. Studien s. 252 ff) kein zweifei mehr statt haben. Elster
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 389
fahrt nun (nach vorgaog voo Rückert s. 272) aao. die drei reime
iron l;ei auf, die sich in der bair. fortsetzuog des ersten teils
finden, da steht zuerst 733, 7324 apti.zwei. es ist natürlich
apiei:zwei zu lesen; aptei, resp. abbeteie, und t;o^ret gelten nicht
nur in Baiern, sondern auch in andern gegenden und ihr et
(bair. äi) fOr I hangt mit der spätem, bairischen allgemeinen
diphtboDgierung der I nicht unmittelbar zusammen, s. oben s. 382.
einen sichern reimbeleg für abbette kenn ich überhaupt nicht.
die beiden andern bindungen von f;et in Lohengr. ii sind 86,
859 wU :behit<bekget und 92,915 zU : geleit < geleget, wider
also beide male ei<.ege:i, kein andres ei, kein altes und kein
ei<.age. und wider sind die beiden auf-K gereimten leit< leget
die einzigen leit<leget im gedieht, so dass hier et <e^e stets auf
I und nie auf et reimt, wogegen Mt^ und «etV^<«a^e((e) 98,974.
157, 1551. 181, 1809. 198, 1979 usw., im ganzen zehnmal,
geseü <: gesaget 131, 1305. 233, 2329. 260, 2595. 278, 2771 usw.,
im ganzen 12 mal, jeit und jeit§<jaget{e) 255, 2541. 311, 3109.
359, 3585. 415, 4141, gefeit < g^'aget 588, 5872, jeide subst.
<zjagede 157, 1566, unverzeit <unverzaget 265, 2649. 270,
2699. 295, 2944 und ebenso oft auch meit<maget stets mit
altem -eit, -eide gebunden werden, ein geleit .'-eit kommt im
bair. teil des gedichts nicht vor, während schon die wenigen
Strophen des kurzem ersten, des md. teils charakteristischerweise
ihr geleit : -eit 19, 192 belegen K wir dürfen also wol annehmen,
dass der bair. Verfasser von Lohengr. 67 fr ei<ege mit einem
laut gesprochen hat, der es ihm ermöglichte diesen diphthong
auf diphthong t, nicht aber, ihn auf altes et zu reimen, etil
'allein' ; sin, wie Elster aao. s. 1 14 anm. in str. 600, 5995 conjicieren
will, ist daher ganz und gar nicht 'für unsern Verfasser durchaus
passend', denn unser verf. reimt nur ei<ege auf i, nicht altes et.
Ebenso klare Verhältnisse und noch dazu mehr material
bietet uns Seifrid Hei hing, hier reimt geseü <. gesaget und
seiY< saget immer auf altes -eit : 1, 363. 511. 590. 1140. 2, 391.
415. 785. 923. 1041. 1434. 15,825. 8,228. 358. 1153.1229.
10, 39. 7, 40. 107. 143. 185. 241. 291. 309. 995, ebenso ir kUit
< tr klaget :daz lant ist ungdieit 2, 1247, gekleit < geklaget i-eit
1 aurserdem nur geaeit 40, 395. 57, 569; aber natürlich kein meit un-
verseit nsf*, wie im 2 teil, sondern nur mag et : saget 51,501, : getaget
21, 204. 25, 241.
390 ZWIERZUVA
9, 38, er jeit<er jaget {nicht <j§get im Seifr., s. 7, 647);-eiV
7, 1164. 1170, daz jeiKdaz jaget ^ .'bereit 4,401 uod dat. ge-
jetde < gejägede : eide ^iuramenta' 4,111. auch er treit kaoo, wie
gesagt, io einem Osterr. denkmal ebensogut einem traget als einem
treget entsprechen, im Seifr. ist treit < traget , denn es reimt
stets zu altem -eit ;2, 61. 15, 207. 8, 185. 7, 269. 903. aber
leit<l^get, lei8t< legest, geleit<gelfget reimt Seifr. auf altes -it
und 'ist und eide<egede ^egge' auf -Itfe. die beispiele sind zahl-
reich. leit<kgei:8trit 1,844, : zU 1, 1258, :vergU 7, 1025,
geleist < gelegest cstsl 2, 189, geleit < geleget :strit 3, 173, :sat
15, 505, eiden<eg€den:liden 8, 321. dieses eidetisUden ist uns
besonders interessant, hier finden wir ja bei Helbling den ab-
weichenden stammvocal (et für ai) wider, den wir oben im selben
wort fOr heutige mdaa. {adn für oadn) nach angaben Nagls zu
constatieren hatten, wovon unsere ganze betrachtueg ausgegangen
ist (s. s. 373). während neben den 24 seit, geseii : -eit kein seit,
geseU : -it (resp. ; geleit) steht, stehn neben den 6 leä, leist, geleit
: -U, 'ist nur vier geleit, die^ ich sage scheinbar, zu -eit gereimt
werden, dass aber 1, 1030 für kitiBin sckäzzel tief unde hreü,
wie Seemüller nach der einzigen und vielfach verderbten hs. list,
zu ändern ist in fUr leit : Ein scküxzd tief unde wit, halt ich für
im höchsten grade wahrscheinlich, denn warum sollte der dichter
hier von der ihm sonst geläufigen Übung abgewichen sein, wo
das, was ihr conform war, so greifbar nahe lag? in den drei
übrigen fällen, wo geleit mit -eit gebunden scheint, ist die zweite
reimsilbe allemal durch das unbetonte -heit gebildet {:pfafheit
2, 989, iwärheit 2, 1477, : unbescheidmAeit 4, 711) und dass das
et dieser silbe schon damals sowol als altes et als auch als diphthong
I gesprochen werden konnte, steht doch wol fest (s. s. 375. 384).
jedesfalls ist leit < leget die ausnähme, leit<leget ;-U die regel.
Seifr. kennt nun, wie die meisten Österreicher (aber zumeist nur
diese) neben dem starken fhUgen auch ein schwaches phl§gen
(s. ich phlege 1, 124) und bildet daher gepMeit aus gephl§get wie
^etY aus gel^get. dieses gephkit reimt 2, 637 (nur hier ist es
belegt) nach dej- hs. und SeemUllers texl auf Daz uns von dir
^ da bei den Österreichern jedes -aget au -eit werden kann, so kann
natürlich jaget unmittelbar zu jeit werden, so gut wie geklaget zu gekleit
wird und braucht nicht erst analogiebildung zu gen. dat. j^ede zu sein.
übrigeiM heiPst ts jägede und mägede, mchi J^ede und m^ede und äge
«ieht in der conUraction age gleich, nicht ^ge^ s. oben s. 372.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 391
tsT für gesiU. aber man sagt nicht nur sagen, sondern vür
bg^n UQd der knecht 9$it nicht, sondern er hit vür^ wie auch
in derselben nr 926. 1252 uO. (s. aach 15, 609. 7, 1025) richtig,
mit den gleichen beziehungen auf die darlegungen des knechts
wie 637, Überliefert ist ich halte daher die conjeetur vür geleit
für vikr gaeit für so sicher, als eine conjeetur nur sein kann«
dann aber wird die beobachtung, dass -eü<9get einen von -iü
< agei und altep --Ht verschiednen klang bei Seifr. hatte, auch
um das gepUeit<g$phl€get erweitert, denn hier reimt -eiY < e^er
dann cbarakteristischerweise in sich.
Nun aber weiter. I;ei reimt bei Seifr. aufser an den ge*
nannten stellen, an denen i:ei<eg9 reimt, sonst nur in folgenden
drei» ganx charakteristischen ß&llen^ :sl ;lat. diu gen. von 'deus'
7, 397, 61 : lat. met gen. von *meus' 9» 153 ^ und endlieh sUt : geist
(s. & 38 If) 10, 49 3. das spricht für sich selbst.
Endlich sind im Christop horus Zs. 17 xU:lmt<kget
S65. 1003. 1389, widerstrit : vertat <verkget 935 neben epist^
igeUt 1394. 1481 die einzigen beispiele fUr bindung von t:ei^
and die vier ersten zugleich die einzigen belege für leü<kget.
dieses Mt reimt also auch hier immer auf -it, dagegen meit<maget
(1519), seit<saget (15. 63- 75 usf.) immer nur auf -eit, sowie
auch altes -^ nie auf -l( reimt, über die Sonderstellung von
^etsr 8, oben s. 376 f. 381 uO.
So steht also fest: Laur., Walb., Lohengr. ii, Seifr. Hehl.,
Chriatopb. hatten I bereits diphthongiert, der diphthong war ver-
* 4, 433 kann umbetweife ebenso gut zu Greifo als za Grffo reimen.
der Dame brancht so wenig imperativisch za sein als die andern mit ihm
Terbaodenen Erge usw. es aind. und als ein abstract za grtfen konnte der
dichter ein Greife so gut bilden als ein Gr^e,
' da Seifr. sicher schon ei für t sprach, ist an «f, ht: det, mef nicht
zo denken, was wäre es auch för ein zufall, dass beide male, wo bei dem
diditer -f, das er -ei sprach, zum bt. genetiv reimt, dieser gen. dei und
IM ist, der die aqffassung 'ei:dei,mei gestattet? aichl Christi, domini,
nd^ noUri, vettri usw,, und auch nicht tibi, mihi, Hhi, earitßU, hq/minii,
awtavi usw., denn auch sonst reimt kein lat. t zn deutachem t (da» vocal-
spiel Doterligt andrer beurteilong), sowie Seifr. auch von allen ?oc9len kurze
ood länge mit einander bindet, nur t niemals auf i und ^, iu niemals auf
», ü. Seemüllers diesbezAgltebe angaben s. lxxi sind hier zu berichtigen.
* daneben natürlich auch (s. s. 376 f. 384) gei$t: aUermeui 1, 1001.
^ denn 1104 ist waiehen wol gleich mbd. weichen *weich werden',
nicht gleich mhd. wichen, wie dies ja auch das ai der hs. A erweist.
392 ZWlERZilNA
schieden von altem ei {ai), sowie heute auch, das aus ^ge con-
trahierte et' aber war hier identisch oder wenigstens ähnlich dem
aus f entstandenen neuen diphthong, während et <a9e mit alten>
et {ai) zusammenfiel.
Sehen wir uns nun die ältesten beispiele für bindung de»
I mit et im 13 jh. an, die sich bei Heinr. vTOrl., im Mantel,
bei Ulr. vTürl., im Mai und Beaflor und beim Pleier finden, so
tritt uns ganz die gleiche erscheinung entgegen, entweder wir
haben es mit dem -(ete statt -tie der fremden endung zu tun,
oder das et steht in einem, sei es aus der Schriftsprache {geist,
rein) sei es aus dem latein. {dei, mei) oder dem roman. entlehnten
wort, — oder et ist gleich e^el
Bei Heinr. vdTtirlein reimt 8840 erzenei : enzwei, sowie
oben im Lohengr. ii apiei : zwei, es ist wol drzetei zuschreiben
und ein ardtteie steht auch tatsächlich in der md. hs. des 13 jhs.
der Hohenfurter Benedictinerregel, die Scherer Zs. 16 herausgab,
xxvifi 7 (s. Lexer Nachtrag s. 34) , welche hs. kein et für I schreibt*
ebenso geben die predigten der Leipziger hs., die SchOnbach im
ersten band seiner Sammlung ediert, fast durchweg arcteie, arcteige,
sonst aber kein et <l; s. Scbönbachs glossar s. 460 s. v. sonst
reimt bei Heinr. nur samü zu geleit < geleget 2831 und zU wider
zu geleit < geleget 25566. nie reimt -U zu altem -et^ auch nie
zu 'eit<aget, die in der Krone doch so häufig und mannigfaltig
im gebrauch stehn.
Sehn wir nun den Mantel (s. Warnatsch s. 94)1 wider
nur 1 zit: geleit < geleget 110.216,«!^; geleit < ^efe^eT 7161 wider
kein -it im reim zu altem -eit, kein -it.geseit, verzeit, welch
letztere zu altem -eit sehr häufig reimen.
Und genau so verhält sich ferner Ulr. vdTürl eins Willehalm,
die bindungen von I ; et zählt Singer s. xv und lxiv seiner ausg.
vollständig auf. davon ist (worauf Singer selbst mich aufmerksam
> Warnatsch führt noch an enzU : bett (prät von bilen) 405. aber
das isl coivjectur, und wie wir woi heute schon urteilen dürfen, sicher falsche
conjeetur des herausgebers. die hs. hat pite : unzeite, was allerdings keineo
sinn gibt, es ist vielleicht zu lesen y4rt(U enwolt niht vor gezzen^ Unz
er dventiure hite (so die hs., heit Warnatsch). In dühie es itocA unsite
{unzeite hs., enz(t Warnatsch) Daz er dannoeh wze, darauf fährte vielleicht
auch die von Warnatsch beigedruckte parallele in dem der quelle nahe-
stehnden fahl. Met au rot Artus n^ert pas hei Que ü menjast ne ite beiUt.
vgl. auch Mantel 447, Wigal. 247.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 393
machte) 68, 7 xeigen : nigen zu streichen , denn es ligt neigen,
das schwache verb, nicht nigen vor. dann bleiben git : w%derleit§
< widerlegte 9, 15, ztt : leü§ < legete 13, 20, etrtt : git ruf gekit
<c ikf gdeget 168, 29, gU:üf geleit<üf geleget 217, 12, endlich
f^ : tr€ü<. traget 314, 13, %e hider sit : umhe jeit§ <j§gete 45, 3.
das«, wenn auch die Österreicher des öfteren (retV</ra^6r bilden,
dennoch eine auf traget zurückgebnde form bei einem oder dem
andern von ihnen sicher möglich wäre ^ bedarf keines be weises.
daas aber die et- formen von jagen auch in andrer beziebung
häufig mit ^t<:eget, nicht mit den 'eit<aget zusammenstebn,
darauf bah ich oben schon im allgemeinen und für unsern Ulrich
im besondern hingewiesen (s. s. 357). wider reimt also nur
-eü -<: eget auf -it, nie altes -eit, auch nicht das bei Ulr. so un-
gemein häufige ge$eit< gesaget ^.
Dazu kommt bei Ulr. nun noch die bindung pHs; Arabeis 210,
20. aber wir wissen ja schon, dass die et fremder worte, geist
uod rein sogut wie dei mei und das roman. -eis, bei den Osterr.
dichtem vielfach anceps gebraucht werden, sowol mit altem ai < et
als mit neuem et<l gesprochen und gereimt werden konnten.
Im Mai und Beaflor finden wir nur dieses französische
et auf I gereimt, curteis : pris 196, 25, und ebenso bindet auch
der Pleier curteis: amU Meier. 7773. Tand. 2903, :prU Tand.
249. 16765. 16786, ; wie Gar. 12067, ;jF/oHeGar. 4837. 5391.
9874, :Klaris 20789, ;it;enle 7359, .in^enle 12687. 15240.
beim Pleier finden wir aber auch wider unser -it.'-eit^eget,
uzw. u>it und zit :(ge)leit<.(ge)leget Gar. 8778. 10260. Tand.
4347. 10582 und andre l:et als diese finden sich auch beim
Pleier nicht 3.
^ darauf weist ja auch das fehlen von treit mit leit in Nib., RabeDschl.,
RoseDg. A, Klage, s. oben s. 380.
3 neben den Meit <, leget : -tt stehn mea<l^et:'eit, ozw. 118,7.
125, 14. 173, 9. 215, 13. 216, 15. 257, 1. 284, 23. 292, 17. 298, 9. 305, 23.
308,7. 325, 11. also erst gegen den schinss hin werden diese häufiger.
die ersten beiden leit < l^et reimen aaf -fSf, ferner stehn bis 216 incl.
4 ieiii'Ü gegen 5 leit:-eit, yon 257 an folgen dann noch 7 leit.'-eit und
kein einziges leit:-tt. in sich reimt geleit: treit 189, 21, die ^-form reimt
zn bew^et 249, 27. Fischers zahlen, die ich oben s. 357 citierte, sind nach
Singers ansg. also erheblich zu berichtigen; jedoch alterlert dies den oben
ans den nicht ganz correcten zahlen gezogenen schlnss in keiner weise,
s dass l^den: scheiden Tand. 3798 (di. 3809 Kholl), welches Weinhold
Mhd. gramm.' s. 101 EHMeyers aufsatz entnimmt, zu streichen ist, hab ich
394 ZWIERZINA
Alle diese dichter reimen Freilich, hier im gegeosatz zu den
zuerst vorgefuhrlen denkmälerot zu Lauria, Walberan, Lohengrin,
Seifrid Helbling uud Christophoinis Zs. 17, letit uud geleit auch
des öftern (jedoch nicht allzuhflufig, s. s. 379) auf altes -«t(.
Ebenso verhalten sich noch manche der jQngern Österreicher,
die beiden einzigen bindungen von I und ei beim Suchen-
wirt sind widerum gezuHt ^mit zweigen' :erkit<erkget 24, 136,
hier ist et also ei<ege, und Sameü 'Samogidi' ihöchzU 4, 257,
hier ist et fremdes et, wenn würklich Sameit und nicht iSoml^ an*
zusetzen isL ebenso ist in dem einzigen f ; et, das Weinhold aus
Teichner nachweisen kann (s. oben s. 386 anm.)« spUsf^hreis
Karajan anm. 285 et fremdes, romanisches et. im fastnachtspiel
vom Berner und Wunderer find ich 550,31 %U : geleit <
geleget.
Auch Jans Enikel lässt noch die alten verhUltnisse deut-
lich durchblicken, vers 1 — 3500 der Weltchron. reimt geseit zu
altem -eit 18 mal, er setY 6 mal, ir seit 1 mal, er treit 2 mal, altes
-et( in sich 27 mal diesen 54 reimpaaren steht hier nur ein
reimpaar mit geleit < geleget : -eit (1111) gegenüber, daher kann
es nicht zufall sein, wenn unter den 32 bindungen von f ; et,
die die Weltchron. aufweist ^ 23 bindungen von 'U:{ge)leit
<{9e)leget sind, uzw. (ge)leit : wU 2577. 15793. 22069. 23239.
27026. 28495, :zU 3241. 3649. 4679. 4985. 11199. 11751.
11881. 17041. 18163. 20565. 20675. 24567. 26289. 27145.
28823, :samit 15977. 23667. da {ge)leit bis v. 4000 der Welt-
chron. nur einmal zu altem -etV und viermal zu -U reimt, werden
wir wol annnehmen dürfen, dass eiK.ege.'i die Enikel geläufigere
Verbindung war. sonst wird -U in der Weltchron. noch sechsmal
schon Änz. xxii 363 notiert. — Gar. 3510 moss es im reim aaf bereit statt
Uf dem grüenen anger wtl heifseo Uf d, g. anger breü. die genau
stimmende parallelstelle Meier. 5007 gibt heide breit, Uf den grüenen anger
breit steht zb. auch Meier. 1528 aö. anger breit und anger w^ wechseln
beim Fleier fortwährend, sodass die Unsicherheit des Schreibers hier eben so
erklärlich ist wie bei der selzung von Mit rehte mantScher tofr oder ger,
die, wie wir oben s. 267 anm. 1 sahen, öfter den platz tauschen, da die
jungern hss. b für t&, w für b schreiben und t als diphthong, ist ein breit
der vorläge leicht als weit (di. beit) verlesen, der gleiche fehler in der
hs. des Helbling, s. oben s. 390.
^ SSinger hatte die freundlichkeit, mir diese belege aus seinen samm-
langen beizusteuern.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 395
XU altem -^ gebuDden^ die beiden u>äkrheü:nU 797 nnd 9trit
8119, die darunter sind, dürfen wir da nicht mit Singer Mhd.
schiillBpr. «nnu 10 & 15 pressen, denn dass unter 6 anf -l(
reimeoden -mt zwei dieser -et/ durch das so häufige -Mr re-
priseotieil werden, kann doch nicht auffallen, aufserdem notierte
Singer aus der Weltcbron. noch ifetn ; din 16143, zeiehm : strtehm
86179 wUi ein :wUn 21585. sollte sich nicht in diesen bindungen
schon die 'städtische', wienerische ausspräche des alten ei (a, nicht
«o, wie auf dem land) kund tun? s. auch Singer aao. anm. 17
& 16, der freilieb die sache etwas anders fasst.
Aber es gibt in spatmbd. zeit auf bair.-Osterr. gebiet auch
aofser Enikel noch dichter, die I mit et über die vorhin um-
schriebenen grenzen hinaus zu reimen wagen, viele sinds ihrer
nicbt, ich kenne nur Hadamar vLaber undOswald vWolken--
stein 2. auch im dialekt dieser autoren war I gewis nicht gleich
ei, also et nicht gleich ai, aber der Sprachgebrauch fremder gegen-
den hatte bei ihnen Verwirrung angerichtet, und von Oswald
wissen wir ja, wie sehr er auf fremdsprachliches horchte und es
oachabmte. er horte das ei, das er für mhd. I sprach^ von firemden
mdaa. io Worten gesprochen, die er mit ai sprach, und dies riditete
die Verwirrung an. am deutlichsten ist das ja beim Bruder
Philipp, dieser Mittelfranke reimt I; et häufiger, als alle Baiern
und Österreicher zusammengenommen, s. Rackerts anm. zu v. 1716
und doch fiel kein I und et je, weder im Moselfränk. noch im Ripuan,
zusammen, und ebensowenig in Steiermark^ wo Philipps publicum
zuhause war. aber die rOcksicht auf den wildfremden dialekt
hatte des dichters Sprachsicherheit erschüttert und unsinniges zu
tage gefördert.
Es ist dieselbe Verwirrung und sprachmengung, aus der das
identische et fOr mhd. et und I in unsrer nhd. gemeinsprache
hervorgegangen ist
Fassen wir nun zusammen. ei<age (dazu gehört in Baiern-
Österreich stets auch set^ und des öftern auch treit) wird von
1 fdt:wdrknt 797, :eit 9097; HrÜ:wdrheit 8119, zÜ: breit 18199,
samü:g^emeit 16025, :kleit 26783. — aus dem Fürstenb. citiert Weiahold
Mhd. gramm.' s. 101 3 {ge)leit < {ge)leget : -CK, sonst nur eia gntein
zvingerUn.
* die beispiele für i: ei and iu (eu), die Bartsch Germ. 8, 134 aas der
Oswaldlegende ed. Ettmfiller beibringt, zerflaltern alle bei nSherm zusehen.
396 ZWIERZINA
allen ÖsterreicberD und Baiern mit einem dem alten ei identischen
laut gesprochen und von allen dichtem mit altem et und nur mit
altem et im reim gebunden. ei<ege (dazu gehört an verbalformeD
aufser lett des öflern auch treit und jeit) wurde mit einem an-
dern laut gesprochen als et < age und altes et. es wird daher
in einigen der ältesten bair.-Osterr. dichtwerke gar nie gereimt
(so Nib., Gudr., Bit., Roseng. A, Rabenschl., Tundalus), obwohl diese
werke ei<:age sehr häufig reimen ^^ von manchen andern wider
nur auf I oder in sich gereimt (so Laur., Walb., Lohengr. ii, Seifr.
Helbl. , Christoph.), von noch anderen bald auf I, bald auf et (so
Heinr. vTürl., Mantel, Ulr. vTürl., Pleier, Suchenw., Enikel), von
einigen wenigen aber auch auf helles d (as, d, so Teichner), bei
allen bair.-österr. autoren aber, die ei<ege überhaupt mit altem
et oder ei<age binden , ist doch diese bindung verhältnismäfsig
selten und tritt vor der bindung von et < age : et in bezug auf
häufigkeit des gebrauchs weit zurück.
Eins soll nicht verschwiegen werden, dass ei < age in Baiern
und Österreich heimatsberechtigt ist und nicht aus alem. litteratur-
denkmälern nur von den dichtem herausanalogisiert wurde, be-
weisen die aufgeführten reimverhältnisse allein bis zur evidenz.
nicht dasselbe kann man mit gleicher bestimmtheit für et < ege
behaupten, wenn das et. von leit<kget oder von eide<egede
bald auf ei, bald auf diphthong I gereimt wird, hat das als ana-
logie zur seite die art, wie fremdes ei, das et in geist und retti,
das et in curteis, Arabeis, dei und mei in den selben österr. ge-
dichten bald auf et, bald auf diphthong f gereimt wird; und der
schluss läge nahe : folglich war auch ei < ege in Österreich ein
fremdes ei, da es ja ganz gleich behandelt wird, wie andre ent-
lehnte et*, aber darf man so schliefsen? wir müsten an eine gul
mundartliche eutlehnung denken, wie eine solche ja auch wahr-
scheinlich in geist, heilig, rein usw. vorligt, nicht an eine litte-
rarische, denn eide<egede, eideh8e<egedehse, Mdnhart(sberg) <
Meginhart wurden nicht durch Vermittlung der litteratur und des
^ zu deren zeit war also i noch nicht völlig zu diphthong geworden,
der mit ei < ege und ei <; ede zusammenfallen konnte, ich notiere auch
das fehlen von ei < ede, bes. mit röcksicht aofs Nib. denn hier moss die
absenz der reime auf das österr. (s. s. 386 0 gtfreii <; geredet entschieden
auffallen, weil reite für redete im Innern durch die besten hss. widerholt be-
zeugt ist, 8. Bartschs wb. s. 247 s.v., und bes. 1154,3. 1159,1. 1191,4 usw.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 397
reims entlebDt. UDd eioe solche, wie wir sahen, die weitesten
strecken bair.-Osterr. gebiets begreifende entleboung scheint mir
für verbalformen^ wie die leü, leiste geleit, gejeit, gereit {< ge^
redet) es sind^ doch wider ganz unmöglich zu sein.
Ad den* schluss dieses abschnitts stell ich noch die zahlen
Air die sogen, reime von I auf et bei den oben behandelten dich-
lern zosamroen. von -ete ststt -le der fremden endung seh ich
ab, ebenso von den reimen Hadamars, Oswalds utid Philipps.
dann find ich in Vintler^ grNeidhartssp., Laur., Walb., Lohengr.,
Seifr. Helbl, SChristoph. Zs. 17, Krone, Mantel, Ulr. Wh., Mai,
Pleier, Suchenw., Teichner, spiel vom Berner, Enikel zusammen 98
solcher reime, davon entfallen 58 auf reime von i:ei<ege (leit,
treü,jeü^ eide) uzw.Laur. 3, Walb. 2, Lohengr. 2, Seifr. 7 (oder 8?),
Christoph. 4, Krone 2, Mantel 3, Ulr. Wh. 6, Pleier 4, Suchenw. 1,
spiel vom Berner 1, Enikel Weltchron. 23. ferner 29 auf reime
von I zu fremdem ei, uzw. Vintler 7 rein, grNeidhartssp. 1 rein,
Seifr. 1 geist, 2 dei (met), Christoph. 2 geisty Ulr. Wh. 1 Arabeis,
Mai 1 curieis, Pleier 12 curieie, Suchen wirt 1 Sameit, Teichner
1 föreis. weiterhin -U : -heit 9 föUe (Vintler 1, Enikel 2), -in:
unbetontes ein 1 fall beim Vintler und schliefslich aufserdem noch
7 unerklärte f : ei, alle in Enikels Weltchronik i.
lii <C liget, — Beobachtungen s. 470 hab ich auf den
parallelisiDus aufmerksam gemacht, in dem bei Hartm. und Wolfr.
der gebrauch und das fehlen des aus altem igi contrahierten I
aod des aus altem agi, ^ge contrahierten et stehn. so wie Hartm.
nur die formen er leit, er treu und das part. gefeilt kennt, so ge-
braucht er auch ausschliefslich er Itt, und so wie ihm ein *ir
leä für tr kget oder *ir seit für ir saget fremd ist, so fremd ist
ihm auch ein *ir lit für tr liget : er reimt stets er lU, aber nur
ir liget : gesiget Er. 9340. Wolfr. aber, der nur sporadische treit
und leit aufweist, stellt auch nur ein einziges er lU neben zwölf
er liget in den reim.
> «lg mein mannscript schon im weseotlichen abgeschlossen vorlag,
erfahr ich tod MHJellinek, dass auch er schon selbständig die beobachtang
gemacht hat, dass in den ältesten bair.-österr. bindongen von i:ei das ei
meist cootracti6ns-9i ist. nur dass die ei<Cege und die ei<.agej äge in
den reimen der Österreicher and Baiern hierin getrennt behandelt werden,
dass contractions-et in der bindang f.* et nie ei<iagey sondern immer 0t<
«^e ist, war JelUneks beobachtang bis dahin entgangen.
l
398 ZWIERZINA
Ich führe dud zunächst noch einige dichter vor, die, so wie
Hartm., ihrem allein gültigen er lU das ebenso allein gültige tr
liget gegenüberstellen.
So reimt ülr. vTürh. nur er lU Trist. 499,26. 520, 17.
524, 19. 539, 19. 571, 9, Rennew. Germ. 16, 1, 81, Zs.f. d.ph.
13, 119^ 43. 130*, 45, Roth 323, 83. 341, 69. 378, 13, Lohm.
289. 777. über er lU : er pMU Trist. 508,31 s. unten, aber
Rennew. Roth 341,71 reimt ir liget : wiget und nirgend steht
ein ir lU.
Der Lanz. reimt er lU 1777. 2645. 4333. 4735. 8785. 8973,
aber tr liget : er pMiget 839. phllt erscheint im Lanz. niemals
für phliget, das 1741. 6645. 7959 nur auf geeiget reimt, vgl.
noch unhöhe wiget : an gesiget 2513. also niemals er liget, nie-
mals ir IUI
Ebenso reimt Wirnt, hier in directem gegensatz zu seinem
nachbar Wolfram, er Ut Wig. 294. 2684. 2876. 3759. 5065.
5694. 8490. 9531. 9849. dass ihm diese form organisch zukam,
zeigt auch bei ihm der richtige contrast von ausschliefslichem
er Ut und ausschlierslichem ir liget, das Wig. 7238 zu genget
reimt.
Im Ortn. and Wolfd. A reimt er Itt Ortn. 22, 4. 32, 4. 58, 2.
94, 3. 103, 4. 309, 3. 345, 2. 354, 3. 361, 2. 369,2. 414, 4,
Wolfd. 417, 1. 472, 4, du list 486, 1. er ligH fehlt wider, wol
aber heifst es nur ir liget : gesiget Ortn. 466, 1.
Noch in Konrads vStoffeln Gauriel steht sich er Ut 2697.
3101 (daneben kein er liget) und ir liget : an gesiga 1102 (da-
neben kein ir lit) gesetzmäfsig gegenüber.
Rei vielen dichtem ist natürlich tr liget im reim nicht be-
legt, bei denen dennoch filr die 3 sing, nur Itt gilt, die formen
der 2 plur. reimen ja überhaupt selten, noch dazu bietet tr liget
keine sehr bequeme reimform, als solche dichter mit ausschliefs-
lichen er Rf wären etwa zu nennen : Rud. vEms, Konr. vHeimesf.,
Freidank, gFrau, Wetzel, Serv. Zs. 5, ferner Nib., Klage, Rabenscbl.
die Alemannen unter ihnen sagen auch ausschlieTslich nur treä
leit (aber natürlich tr legt Urst 116,57. 117, 86) und nie tregt
legt, freilich steht es nur von den umfangreichern der eben ge-
nannten, so zb. von Rud. vEms, vollkommen fest^ dass ein er Uget
bei ihnen unmögliche form isL
ir lU kenn ich nur aus zwei md. dichtem, es reimt bei
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 399
Herb. 6946. 12464 und in Heinrichs Vaterunser 4188. bei Herb,
scheint auch er lU obligatorisch zu sein : 247. 1233. 1343. 8596.
8975. 10823. 10861. 14418. 14785. 16274. 18064, du Us 14070,
tt:pUU 1^461. «r Ut ist eine analogieform, die sich erklärt wie
das lim oBd ligen der hess. Elisabeth und der rheinischen (sie!)
Tirginal, von denen unten noch die rede ist.
er Ug^ neben er Ut belegen Gt>tfr. vStrafsb. (er liget 855.
6103. 6807), Reinbot (er liget 851. 4487), Walth. (er liget 42, 24.
64, 35), Konr. vPossesbr. (er liget 2033), Otte (er liget 2555.
4771), Hugo TTrimb. (er liget 5534. 10110. 11325. 11795. 15868),
Mai (er ligei 29, 25. 112, 1), Pleier (er liget Mel. 5564 uO.),
Dietr. Fl. (er liget 10105) ua., ferner Hugo vLangenst., Walth.
vRbeinau ua. von Alemannen aufserhalb des Elsass, dem auch
das md. phttt nicht fremd bleibt, sind nur spätere autoren unter
dieser kategorie vertr^en. die meisten (auch Hugo vLangenst. und
Walther vRhetnau) stellen auch legt neben leit, s. Reinbot 1025.
1215. 2061, Walth. 54, 11, Kindh. Jesu 1771, Mart. 56,111.
Qor bei Gotfr. und Hugo vTrimb. fehlt legt und tregt im reim,
jedo<^ ist zuüall nicht ausgeschlossen.
Ebenso zeigt nun auch der Stricker er liget neben er ttt.
er reimt dieses liget zu ^e^'^e^ Dan. 1831. Karl. 4761. Frauen-
cAire 495. Hahn xi 125. Altd. wald. iii 229, 31, zu phliget (pUU
fehlt bei ihm) Frauenehre 1011. Pf. Ob. 1, 82. Doc. Mise, n 52.
Hahn xu 255. 441. 675; lU dagegen nur Karl 3559. 7071.
Frauenefare 35. Am. 1387. Gesamtab. 60,41. es stehn bei ihm
also 11 liget gegen nur 5 lU, welches Verhältnis dadurch noch
mehr zu guaslen von liget verschoben wird, dass reime des typus
^igeH ja Oberhaupt viel seltener sind, als solche des typus -it (s.
Beobachtungen s. 470), fOr Ut also viel mehr reimmOglichkeiten
gegeben waren, als für -igetK dies bezeugt auch deutlich das
Verhältnis von Ut : Uget bei den andern dichtem, die beide formen
reimen , es ist far Gotfr. wie 18 : 3, für Reinb. wie 10:2, fttr
Walth. wie 11 : 2. für Konr. vFussesbr. wie 3. 1, f&r Otte wie
3 : 2, für Hugo vTrimb. wie 17 : 5, für Dietr. fl. wie 6 : 1 usf.,
nur für Stricker umgekehrt wie 5: 11. Strickers form war also
1 es reimt aarserdcm \Aoh phliget : ginget Dan. 975, Gesamtab. 87,61
Gem. % 462, 55, Pf. Üb. 1, 30, :iDig€t Karl 9223, flahD xni 65, wigetcge-
nget I^Qcnebre 287, Doc Mise, ii 216.
400 ZWIERZINA
jedesfalls liget und die fünf reime auf lU sind vielleicht nur
litterarische reime, sowie der eioe auf lU bei Wolfr.
Bekanntlich ist gU<gibet bei Wolfr. ein sehr hfluGges reim-
wort, so vereinzelt auch lU < liget bleibt, s. Beobachtungen s. 431.
auch der Stricker gebraucht git offenbar ohne jeden anstand, denn
den 5 lit stehn bei ihm 16 oder 17 git gegenüber: Karl 345.
1103. 1139. 4629. 5213. Frauenehre 745. 953. Am. 2377. Ge-
samtab. 69, 51 (?). Grimm Reinh. s. 344. Doc. Mise, ii 216.
217. 218. HGerm. 8, 297, 77. 300, 241. 265. Hahn x 47. bei
Hartm. haben wir 23 lU, 3 list und 14 git, 3 gitt, im Renner
11 lit und 7 git und gleiche Verhältnisse bei allen andern dichtem,
denen lit und git gleich gilt.
In dieser Übereinstimmung des gebrauchs von liget, aber git
beim Stricker und Wolfram dürfen wir aber kein zeichen bairischer
oder bairisch-Osterreichischer herkunft des Strickers sehn. /(/
fehlt bei keinem Österreicher^ und Wolfr.s differenzierung von
liget und git ist wol eines der vielen fränkischen und nicht ein
bairisches merkmal seiner spräche, das zeigt uns das gleiche
verhalten von Alberts Ulrich, wie wir noch des Oflern zu be-
merken gelegenheit haben werden, ist der dialekt dieses gedicbtes
Süd- oder ostfränkisch, nicht augsburgisch 2. dass er mit dem
dialekt, den Wolfr. reimt, die mannigfachsten berührungspuncte
zeigt, hat schon CKraus Abhandlungen zur germ. philologie s. 125
anm. notiert 3. genau so wie Wolfr. verhält sich nun Albert
^ nur im Bit. ist lit merkwördig selten, es steht blofs 12611 ganz
gegen schlass des gedichts und reimt dort zuf g^i<,gibet, auch dieses^
ist sonst nur 6908 und 6960 im gedieht belegt. ^:gü könnte auch einen
unreinen reim Hget :gibet bedeuten (s. tage : habe Bit. 8567, Bergen : toerben
1629). auch in der Gudr. steht lÜ nur 718, 2, gfl fehlt, ebenso iiget. der
wenig umfangreiche MHelmbr. ergibt nur zufallig kein beispiel fQr iü oder
liget; git 1447.
* ESchröder bemerkt hierzu, dass auch andre anzeichen, vor allem das
Verhältnis zu den localnamen der quelle, ihn längst dazu geführt haben, die
heimat des autors aufserhalb Schwabens zu suchen.
3 dass dieses denkmal 'nahezu in allen puncten Wolframs dialekt (nur
in etwas jQngrer gestalt) spiegle', ist vielleicht doch etwas zu viel gesagt
es sind auch die unterschiede zwischen Alberts und Wolframs spräche ziem-
lich bedeutend. Alb. reimt oft und ungescheut quam und qudmen^ Wolfr.
sprach nur kom und körnen, bei Alb. a<U. -Kch, adv. -liehen, bei Wolfr.
•4ioh, 'liehe, auch Alberts nach söd- und rheinfrankischer art (s. unten nr 10)
-durchwegs verkürzten himelrieh (258), Uodelrieh (267. 806. 1058. 1185.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 401
aoch darin, dass er zwar gtt zu sit und zit reimt: 23. 752. 1573,
aber ebenso consequent er liget zu phliget 139 und gesigit 203,
Diemals er ttt.
Anders geartet ist die Unterscheidung, die zwischen der be-
handlang von ligä und gihet zwei weitere mü. dichter machen.
der Verfasser von Erlös, und Elisab. gebraucht er lit sehr hflu&g
im reim: ErlOs. 713. 861. 1008. 1145. 1530. 2115. 2523. 6044.
6099. Elisab. 855. 1094. 1335. 1367. 1872. 2615. 2673. 2995.
3509. 4567. 9283. 9735. 9952. 10079. er liget findet sich daneben,
wie bei den meisten Franken; jedoch nur Erlöst 2727. 6476
im reim auf phliget (ein sicheres phlit fehlt).
1363. 1527), gelich (735), sogar lieh «corpus' (305. 1508) laafen Wolfr. direct
zuwider und sind kaum jOagre entwicklang seines dialekts. ferner Alb.
wesie 1397, Wolfr. nar toeste, Alb. st ptoaom. 1191, Wolfr. nur sie (s. aber
Gregrtfrü .' hie Dir. 1293), Alb. stdn (342. 1424. 1429) neben ttSn, Wolfr.s
form ist sten, AJb. trehUa, ein wort, das Wolfr.s Wortschatz fehlt, Alb. be^
gan 37. 558. 578. 684. 1464, began ist bei Wolfr. vereinzelt and blofs
litterarischer reim, Alb. hdte prät. 367. 683 neben het^ nie Wolfr. dass Alb.
die adj. auf -iam liebt, so wie der Stricker, Erlös., Elisab., Herb, und andre
Franken, Wolfr. diese adj. nicht kennt, ist vielleicht nur ein onterschied der
rdcDiechnik und nicht der spräche, ebenso die zahlreiehen tet Alberts (984.
ton. 1050. 1359 uö.), die Wolfr. fehlen, sehr aufßllig aber ist die binduug
giene cdinc 1238, die bei Wolfr. unerhört ist, s. darAber noch unten nr 10.
^ dasselbe Verhältnis bei geleget^ das neben geiaht und geleit nur die
Erlös., nicht die Elisab. kennt, dagegen reint die Elisab. ein im gedieht
ohne parallele dastehndes (denn beget < begltbet t gebit Elisab. 8509 hat
karzes e and ein lein < legen fehlt) Itn für ligen 935. 278. 7125 und beide
gedichte reimen die volle form des inf. nur mit Unge, sagen also Itjgen
{:$^en Elisab. 2639. 3513, :Ludew(gen 4561. 4589, .verewigen Erlös.
2739. 2896). niemals reimt Hgen etwa auf geeigen ^ das part verewigen
usw.; sondere diese worte reimea nur nntereiaander, zb. ewigen plar. prit.
.'verwtgen, EriÖs. Gem.. 3, 471, geeigen : gewigen Elisab. 8377 usf. nur ge^
ewige sing. cooj. prftt rLudewtge CUsab. 5566 sehiene zu widersprechen,
aber die anbetonte reimsllbe dee namens mag hier (wie aoch in Ludwigs
kreazf.) als aneeps gegelten hatten, Dietrich neben Dietrich udgl. ist zu
vergleichen, sonst fallt gedehnte kürze, seis in offner, seis in geschlossatr
Silbe, weder in Eriös. noch in Elisab. mit der alten länge zasamaiea. über
Hehdme, lobeeäme, brUdegdme usw., bei welchen^ obligat ist, s. unten
nr 10. aafserdem adv. v6n neben von (gewon nur kurz), wie in der hess.
Evangeliennbers. von SPaul [deren autor aber in Alemannlen schrieb, wie
Schröder beweisen zu können glaubt] adv. dn, s. Sehönbach s. 13, und SierUt
(s. Rieger s. 25). ligen hat sein langes i und Un als nebenibrm erhalten
durch analogie zu lil-Uget, ein solches lin finden wir auch in der Virginal
461, 9. 499, 2 neben lit. daneben steht kein 'dn<:,agen^ kein tin<.eigen^
Z. F. D. A. XLUL N. F. XXXI. 27
402 ZWIERZINA
git nun reimt nur einmal in der Erlös. 1530 zu lU<:liget.
sonst bildet der dichter, sowie einmal aus begibfit eine form beget
{: gebit Elisab. 8509, i:e oder § reimt nirgend!}, so aus gibet
eine form g% die er Erlös. 2020 zu dtW reimt und Elisab. 8717
zu niet (di. nihU welches oft mit diet, sehtet usw. gebunden wird,
s. Erlös. 1734. 3448. 6290, öfter noch in der Elisab. 3047. 3437.
4405. 3805. 3067. 3085. 3097. 6069. 6627. 6751. 6977. 9179).
mhd. ie reimt in beiden gedichten , wie ja fast in allen md.
denkmälern, die ie zu einem i-laut monophthongieren, nor wider
zu mhd. ie oder, in einsilbigem wort vor einfacher consonanz,
zu kurzem t, dem es qualitativ gleich stand, nicht zu langem i,
das später zt. diphthongiert wurde ^ wir finden blofs grien: hin
Erlös. 925, kieliml Erlös. 919, fiel: ml Erlös. 6360, Uet.'credidü
Erlös. 2058. 4344, beschiet : tremuit Erlös. 5194 und unsere git
: diet und niet\ git ist also kurz wie begit; dass es nie rein
auf -it, sondern beidemale auf -iet reimt, hat nicht die bedeutung,
wie die tatsache, dass es beide male nicht auf -ff (u)U, zit, sit,
genin <, genigen in diesen gedichten, denn lit war die Vorbedingung für
Kn, ebenso bildet sich bei Ulr. TEschenb. and Heinr. vFreib. aus slahen
'slän ein constantes slähen heraus, wobei hier freilich auch die analogie
vdhen-vdn eingespielt haben mag, s. WToischer gymn. progr. Prag- Neustadt
1888 8. 7, Bechstein zu Heinr. Trist 4687. merkwürdig ist auch das ver-
halten Hugos vTrimberg, der aufser dem weit verbreiteten h6 (zb. Renner 1242)
keine contraction Ober h im reim belegen lässt, niemals t.-te bindet und
auch nur selten zweisilbig klingend auf zweisilbig stumpf reimt, und dennoch
tmahen, drwhen^ nahen usw. : sehen , spehen, geschehen (di. stnan usw.
: tän usw.) 310. 679. 8667. 9594. 9600. 10660. 11784. 14122. 14520, naher
:heher 13214, gdhen, hdhen, vdhen : slahen {6\. gdn usw. :sldn) 288.
6801. 6823. 7009. 12808. 19439 und ziehe{n) : vihe (di. sie : vie) ^871.
9700. 9927. 11490. 15966. 22706 ganz anstandslos, aber niemals gdn <
gdhen usw. oder sldn<. slahen zu -dn und nie zie<,snehen oder vie<.vihe
zu altem -ie reimt, hat Hugo contrahiert und fielen die producte dieser
contraction von ahe und ehe, dhe und ahe, iehe und ihe zwar unter sich,
aber nicht mit altem 0, d, ie zusammen? wenn dies der fall, unterliegen
die formen vieler md. dichter, die kein vdn <. vdhen usw. kennen, vielleicht
ganz neuer beurteilung. aber vielleicht spielt auch bei Hugo absichtliche
beschrankung des mundartlichen und teilweises misverstandnis ein.
^ i<,te aber fallt dann mit gelangtem Y zusammen und macht die
diphthongierung nicht mit.
' daneben nur noch wirde : zierde Elisab. 9889 und ein geniesen.-flUen
Elisab. 2270, in dem kürzung des i vor spirans anzusetzen ist, s. Salzmann
Hersfelder mda. s. 21.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 403
rK, Urii^ Dax 1) denn in streng einsilbiges -1/ endet kein
reimwort, als die lateinische Jung, welche in der Elisab. nicht
vorkommt ^. auf diese kurzen git und (s. Rieger einl. s. 26) get
weist auch die heutige mda. hin, s. zb. Salzmann Hersfelder
mda. s. 8 [und als beispiel für rheinfränk. gebiete Lenz Die
tleiion des verbums im Handschuhsheimer dialekt Zs. f. hd. mda.
1,21 s-v."), und sie haben in der spräche des dichters ihr analogon
m den praiteritalformen von hahm. das prät. von hdn ist hdte
(resp. hdde) für den ind., hmte (resp. hcßde, aber nicht hede, denn
der dichter trennt ce und 4 in den reimen) für den conj., dessen
form aber auch in den indic. dringt, hmte im ind. ist überhaupt
eine mebr md. und rheinische f< und nicht eine wesentlich ober-
deutscbe, als welche sie Elster 1 r. 10, 111 fälschlich bezeichnet
(s. aucb oben s. 294). das p von haben, jedoch auch für das
auxiliar in Verwendung, ist / fe (Erlös. 435. 769. 3436. 4537.
Elisab. 805. 6945) für den in ic. und hette für den conj., dessen
form in der Elisab. aber wider auch in den indic. dringt (Erlös.
2736. 2888. 3469. Elisab. 8 5. 1573. 1638. 1856. 2415. 3399.
3551. 5055.6609. 7109. 7389. 8147. 8215. 8279. 8883. 9419).
das doppel-/ im iunern entspricht dem einfachen t im auslaut.
Das kurze gtt in Elisab. und Erlös, nun findet bei einem andern
Hessen, bei Herbort, willkommene bestatigung, hier hat es schon Salz-
mann Hersfelder mda. s.8 constatiert. auch Herb, reimt lit sehr häufig,
uzw. nicht nur er lit, sondern auch ir lU, s. oben s. 399, daneben
kein liget. der inf. heifst bei Herb, immer ligen mit kurzem t.
> der dichter kennt nur mide und nicht, wie Herb., auch mit. die
latein. endung -it sehen wir daher ja auch stets auf -iet reimen, auf -Cif
reimt diese endung so wenig wie die endung -it auf -u, s. zb. temporis
.-^et^ti Erlös. 5990. — es wird vielleicht aufgefallen sein, dass die ie:i nur
in der Erlös, häufige sind, das stimmt dazu, dass auch sun:tuon in der
Erlös, ungemein oft reimt (741. 1215. 2641 usw., im ganzen 15 mal), in der
fast doppelt so umfangreichen Elisab. der dichter sieb dieser bindang aber
ganz enthält, er gestattet sich hier zu anfang des gedichts sun 3 mal zur
abieitangssilbe 'tuom zu reimen (123. 311. 2189; später nur -tuom:ru<nn
6335. 6711. 6749. 7087. 9357. 10247. 10303, so auch schon 1669). auch
Abaguc (nicht Abagüe\) : genuoc nur Erlös. 1170, küme(n) : bluomen, luome
Erlös. 2002. 1355. nu und du (nicht nü und dül) auf xuo, iezuOy fruo,
schuo ZQ reimen, nimmt der verf. aber keinen anstofs : die Erlös, weist 26,
die Elisab. 47 solcher reimpaare auf. dagegen trennt er die lautgruppen
-imf und 'Uont^ -unde {-ünde) und -iiende, 'ine und -lenc, -inge und -ienge
im gegensatz zu Herb, durchaus, s. darüber noch unten nr 10 sub uf,
27*
404 ZWIERZINA
im ganzen Trojkr. reimen i und I nur einmal, uiw. vor n, wo
ja diese bindung auch bei den die quantiläten rein scheidenden
Alemannen vorkommt (s. 8. 11): min : bi» 8347. er git nun
reimt nie zu langem -lA auch nie zu lit oder phlU, sondern nur
zu 'it, das, wenn Herb, auch mit neben mite sprach (s. mit : samit
Herb. 2611. 8721, 8901, iberfrit 10193. 104671, ;«ifitr 2987.
14665, 8. auch oben s. 51.98), doch der im vergleich zu -Ir Tiel
seltenere uful unbequemere reimiypus war. so kann es auch nicht
auffallen, dass git nur Einmal, 10903, reimt; dass es dieses eine
mal kurz zu mü reimt, ist entscheidend, und auch bei Herb,
entspricht dem kurzen gtt ein kurzes gehai für gehabt, als parti*
cipium von haben^ weder gehdt noch die volle form gehabet ist
belegbar, gehat aber reimt häufig genug, immer auf kürze 6003.
8287. 8585. 12435. 14771. 16380. 16557. das prÄt. von fcafteii
lautet auch bei Herb. haUe, plur. haiten, conj. heite, sowie in der
Elisab., nur dass bei Herb, indic. und conj. streng getrennt bleiben
und hatte stets nur das prät. des vollworts ist, während das auxiliar
nur h(Bte (resp., da Herb, im gegensatz zur Elisab. zwar inter-
vocalisches t und d, aber nicht CB und e' auseinanderhält :hite,
welches aber mhd. hwte, nicht mhd. hete entspricht) für indic. und
conj. ist, s. zb. hatten <habeten .'bestatten prät. Trojkr. 15368 usw.,
cou}. behetten<m^.behebeten: beretten Vetteten' 5098 usw. 2
^ samit und berfrit sind in der reimsilbe anceps (s. zb. berfrfl 16075),
wie die vocale in der geschlossenen endsilbe fremder vorte toq Herb, stets
aoceps gebraucht werden, in offner silbe nur lang {berfrft neben berfrit,
aber nur berfride^ ham(de usw., s. zb. 14142). ebenso wie -it behandelt
er auch die fremde endung -in, -it: -12 mäste durch reime von mtf, tnii, smit
zu den häufigen zity wU, nU, slrit, Üt, phlft erwiesen werden, da mit aber
aufser auf smit (und git) nur auf das -it in fremd woKen reimt, sind alle
diese reime als rein anzusehen.
> vielleicht kennt Herb, auch ein karzes du has {:was S603. 11883)
neben langem hds {:du Id* 12119 uö., di 13947 uö.). a:d reimt bei ihm
äufserst selten, nur vor r, ht und nd fallen die beiden quantitäten des vocals
sprachlich zusammen und auch vor einfachem n finden sich, aber ganz spora-
disch, unreine bindungen, ea sind hin dan:gdn 14597, m(m:kdn 8383, an:sdn
4501, 'sam:ttän 281. vor t werden beide quantitäten in handerten von
reimen streng geschieden, sodass die im text oben mitgeteilten, widerholten
und ausnahmslosen biodoDgen von gekät : -ät kurzes gehät ansrelcbend be-
weisen, über gehät (neben hdteJ) bei Albr. vHalberst 8. Bartsch s.ccxxzv,
bei Eilhart s. LichtensUin s. lxxx, vgl. anch Weinhold Mhd. gramm.* § 394
6. 42e, ferner Salzmann Hersfelder Boda. a. 14, der darauf aufmerksam macht,
dass io seiner mda. sämtliche formen von mbd. kdn kurzen vocal haben.
MITTELHOCHDEUTSCHE STUDIEN 405
phliKphlig it. ^^die 3 siDg. iod. wigit erscheint nie contra-
hiert. schon JGnmoi hat Gramm, i 862 (neudruck) die ferschiedene
beh*ndlung dieser ond abDlicher gleicher lautcoroplexe : Uget wiget,
er gibit und die conjunctive rr trih%t Mibil, geleget erweget ge-
reget usw., auf die gröfsere oder geringere hänfigkeit des ein-
lelnen wertes zurOckgeführt. s. darüber auch oben s. 370.
Anders als die 2 und 3 sing, von ligen wird auch die 2 und
3 siDg. foo fkkge% von den mtisten mhd. dichtem behandelt.
ich vermag w& Westdeutschland nur wenige md. oder hd. dichter
Danhaft zu machen, die neben lUt lit auch fhllst phlit sagen.
Vor allem ist da Herbort vFritziar zu nennen, bei diesem
reimt fklit zu allem -U Trojkr. 989. 2737. 4134. 7333. 7663.
8121. 9217. 11355. 12805. 13357 und einmal zu lit<liget 15461.
ein sichres phUget ist bei ihm im reim sowenig belegt als liget.
auch Lampr. vftegensb., der ein fränkisches und kein bairisches
idiom reimt, können wir hier anschliefsen, s. zb. phlit Sion
747. 2023. 3825 uO., ferner aus dem Elsass Gotfr. vStrafsburg.
dieser reimt Trist. 3505. 5723 phlit : zit, Trist. 18105 phliget : bewiget
da er auch liget neben lit reimt (s. s. 399), so behandelt auch
seioe spräche phliget nicht anders als liget, wir dürfen in dem
phlit wol eines der momente rheinischen einschlags in dem nieder-
alemannischen dialekt Gotfrids constaliereu. nach Franken weist
anch das pMit in der Wiener meerfahrt 195.
In bezug auf die bindung du phlist : du list in Hartm.s
Büchi. 695. kann man schwanken, ob man hier lieber die einzige
coDtractionsform von phlegen oder die einzige ^'form für die 2
(3) sing. ind. von ligen ansetzen wolle, dass Hartm. neben du
(ist auch du ligeet sagte, nicht aber er liget neben er lit (s. oben
8. 397), wäre nicht unmöglich, wir könnten darauf hinweisen,
dass bei Hartm. du varst Greg. 91, aber nur er vert Büchl. 1133.
Er. 10092. Iw. 19. 2773. 5497 reimt, setzen mr diher du phlist
an unsrer stelle an und betonen wir, dass nur Hartm.s ältestes
werk diese contractionsform reimt, so ist zu bemerken, dass dieses
phlist durch kein phligest oder phliget aus des dichters übrigen
werken desavouiert würde, denn nicht nur er phlit und bis auf
das eine beispiel du phlist fehlt bei Hartm. im reim, sondern auch
er phliget und du phligest, für welche formen der dichter den reim
doch ebensogut hätte finden können, wie er es zustande brachte,
sein ir liget mit einem gesiget zu binden (s. oben s. 397). war
406 ZWIERZINA
die coDtrahierle form Hartm.s form, so halte er zweifellos kennt-
DJs voD der geringen Verbreitung, dem dialektischen beigescbmack
dieser seiner contrahierten form und vermied es sie zu reimen,
verschmäht es dann seiner technik gemäfs aber auch, etwa das
fremde phliget zu acceptieren K
Dem gleichen dilemma wie bei Hartm. stehn wir auch bei
Ulr. vTürh. gegenüber, der TUrheimer reimt nur er lit (s. oben
8. 398) und reimt nur er phliget (Trist. 540, 27. Rennew. Zs.
26, 1% 17. 35. Zs. 38, 65. Roth 321,23. 340,51, pUigest Rennew.
Zs. f. d. ph. 13, 129% 47). aber Trist. 508, 31 reimt in er phlU
: er Ut, wie die hss. überliefern , das einzige phUt oder in er
phliget: er liget, das einzige er liget, das noch ungedruckte ma-
terial hilft uns vielleicht einmal aus diesem dilemma hinaus.
Sicher belegt sind phlist und phlit also nur bei wenigen
dichtem, wenigen Westmitteldeutschen und Elsässern. in Rhein-
franken fehlen sie zb. im Eracl., Erlös., Elisab., Himmelf. Zs.5. aufser-
dem steht kein phlit, sondern nur phliget neben belegtem lit und
git bei Ulr. vZatzikh., Fleck, Ffeidank, Walth., Konr; vFussesbr.,
Konr. vHeimesf., Wirnt, Pleier, Heinr. vTürl. Ulr. vTürl. Mai,
Wetzel, Rod. vEms, Wernh. d. Gärtn., Serv. Zs. 5, Reinb., gFrau,
Hugo vLangenst., Walth. vRheinau, Mor. vCraun, Nib., Gudr.,
ßiterolf, Klage, Ortn. und Wolfd. A, Dietr. Fl. und Rabenschi.,
Wigamur, Hugo vTrimberg. dass phlit auch bei Wolfr., Stricker
und in Alberts Ulrich fehlt, versteht sich fast von selbst.
Dagegen ist die contrahierte form bei den oslmd. autoren
zu hause, beispiele aus Albr. vHalberst. und Passional bringt
Lexer s. v., s. ferner Ludw. Kreuzf. 1499, Heinr. vKrolw. 4330.
4370, Ebern. vErf. 377. 1921. 1985. 2435. 14812 ua.
* den ausweg, durch eine biodung phKt : l(i die form in der schwebe
XU lassen, konnte Hartm. nicht betreten, denn nicht nur för ihn, sondern
auch für die meisten gleichzeitigen Alemannen gab es eben nur ein er lU,
kein er liget,
^ unentschieden bleibt bei diesem phlü : lU 4671, phliget : liget 3445.
4697, denn er reimt auch er liget : gesiget 2391. quft <, qutdet ^ das in
diesen ostmd. gedichten ebenfalls hlufig ist, sich aber zb. auch in Erlös,
und Elisab. findet, verlangt gesonderte Sammlungen.
Freiburg i. d. Scbw., dec. 1899. KONRAD ZWIERZINA.
DIE SAGE VOM SCHWANRITTER
IN DER BROGNER CHRONIK VON CA. 1211.
Nach eiDem chronikartigen bericht, welchen ein geistlicher
des klosters Brogne (oder SG6rard^ südlich von Namur) um 1211
ferfasste und den Le Paige in seinem merkwürdigen buche Histoire
de rOrdre h6r6ditaire du Cigne, ßäle 1780, teilweise heraus-
gegeben hat, war Manasses, herr von Hirgia, dh. Hierges zwischen
Givet und Fümay, ein nachkomme des Schwanritters, denn er
stammte — nach eben diesem bericht — durch seine mutter,
eiue Schwester Gottfrieds vBouillon, von jenem berühmtesten vor-
fahren , cui Cygnus in Rheno nauclerus exstitü ^ Manasses zog,
wie dann ferner erzählt wird, 1141 nach dem hl. iand, beson-
ders auf die widerholte bitte seiner base, der königin-witwe von
Jerusalem, gelangte daselbst am hofe zu hohen ehren, kehrte
dann wider in die heimat zurück und schenkte dem kloster Brogne
kurz vor seinem tode ein stück des hl. kreuzes, welches er aus
Jerusalem mitgebracht hattet.
Es ist für eine Untersuchung, die sich mit der sage vom
Schwanritter beschäftigt, nicht ohne bedeutung, den bericht auf
seinen wert als quelle zu prüfen, zunächst ist festzustellen, ob
in den herren von Hierges, die übrigens schon anfangs des
13 jbs. erloschen^, würklich ein geschlecht mit Schwanritter-
ursprung fortlebte, sodann, ob die von dem Chronisten gegebene
form der tradition ^ eine eigentümliche Version bietet, in welcher
* Reiffenberg Chevalier au Cygne, Broxelles 1846, 8. 147. — Le Paiges
werk hab ich bis jetzt nicht zu gesiebt bekommen können.
^ Eug. de! Marmol in Annales de la Soci^t^ Archeologique de Namur
i. V p. 261. .
3 AMiraeus Op. dipl. i' s. 683.
* * Lotharingiorum matrona . . . quam, velut alier Golias,
nee corpore inferior, princeps impudicus Saxonum propellere et proterU
bere nitebatur^ et quia nullum tibi corporeis viribtu parem judieabai,
oblata coram Caesare monomaehia, diUonem et provinciam tuam muUeri
conlradicebal; sed divina pietas, miieria illius, miracula anHqua reno-
varu, miniHrum duelli per Cygnum^ fune argenteo limbum traheniem,
viduae procuravit, cujus armorum strenuitate iUe superbus dejectus egt,
ei viciori suo viduae filia matrimonio consociata est; de cujus germine
God^fridum, Bullonis ducem, ei Balduinum regem et Eustachium comi-
lern, felices ei sirenuos in armis fraires ei Sarracenorum expugnatores,
408 BLÖTE
allerdings einiges nicht vorkommt, was sonst in der sage vom
Schwanritter begegnet, und einiges anders, aber welche eben da-
durch unverfälschter und daher besonders bedeutend sein dürfte.
Stammte Manasses würklich von einem Schwanritter?
Die angaben des Chronisten sind nämlich im Widerspruch
mit sich selbst, die mutter des Mauasses, heifst es, sei eine
Schwester der boulognischen brüder gewesen, eine Schwester also
Balduins i (könig von Jerusalem 1100 — 1118). aber auch zugleich
eine Schwester des vaters der königin-witwe v. j. 1141, dh. des
Balduin II (1118 — 1131) aus dem hause Rethel (diöcese Rheims),
und dieser war mit dem ersten Balduin nur in sehr entferntem
grade verwant. der chronist fasste also die beiden Balduin als
6ine persönlichkeit auf. da Gottfried vBouillpn und seine brüder
keine Schwester hatten ^ und Balduin i keine tochter — seine
drei eben blieben kinderlos — , so folgt aus dem bericht unsers
Chronisten, dass Manasses der neffe Balduins ii war und mit den
boulognischen brüdern in keiner engern verwantschaftsbeziehung
stand, aber dies bringt sofort d^n wichtigen schluss mit sich,
dass Manasses von Hierges, trotz der ausdrücklichen angäbe der
Brogner aussage, nicht von einem Schwanritter stammte, wir
müssen uns also zu andern quellen wenden, die unabhängig von
unserm Chronisten uns über Manasses aufklären, um zu sehen,
ob wir durch sie zu ähnlichem resultat gelangen.
Aus einer Urkunde vom februar 1140^ erfahren wir, dass
Manasses nohilis vir de Hirge beschlossen hatte, nach Jerusalem
zu gehn, und deshalb dem kloster Brogne einige eigengflter für
den kaufpreis von 80 mark überliefs mit dem rechte der spätem
effuderunt, quorum gesta Robertus, abbas (er meint monaehus) Rhefnensis,
stilo TuUiano describens, rutilo sermone conchuit, Horum ergo »ororit
filius Manasses exstiiit . . . .' Reiffenberg aao.
^ entscheidend dafür sind die Urkunden t. j. 1094 und t096 (Miraeus
1. 1 p. 76 Of eine ca. 1095 verfasste genealogie (ebd. p. 363) und die ca. 1125
entaUndene Vita B. idae (Migne Patrol. lat. t. 155, 439). es ist ein irrtam,
wenn Order. Vitali8(t kurz nach 1143) dem Gottfried vBouillon eine Schwester
gibt, welche kaiser Heinrich iv geheiratet haben, und eine andre, die die ge-
mahlin von Gono TMontaigu gewesen sein soll (ed. Le Prevost n 175. m 605;
ed. Duchesne s. 509 und 755, nach der concordance Le Prevosts). Gottfried
vBouillon hatte auch keine andern brQder als Balduin und Custach, wie aus
dem gleichen material hervorgeht, obgleich Wilhelm TTyrus ix 5 und nach
ihm andre von einem brüder Wilhelm sprechen.
* Miraeus aao. s. 689 f.
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER RROGNER CHRONIK 409
widereiolOgUDg gegen 40 mark, er wird im sommer des Jahres
abgereist sein, da er 114n — tag und monat sind nicht an-
gegeben — noch als zeuge für den bischof Albero von Lattich
(1136—1146) erscheint 2.
Im hl. lande — so berichtet Wilhelm vTyrus xvii 13. 14 —
hatte die kOnigin-witwe Melisendis, die tochter Balduins ii, die
nach dem tode ihres gemahls Fulco vAnjou (f 1142), während
der minderjährigkeit ihres ältesten sohnes, des nachherigen Bai-
duin ni, die regierung 'mit mehr als weiblicher kraft' führte, unter
deD männern, deren rat und tat sie in anspruch nahm, familiä-
rem admodum quendam nobilem virum, ejus coniohrinum, Ma-
na»stn videlicet. diesem vertraute sie, sobald sie die herschaft
antrat, die aufsieht über ihre ritterschaft an und machte ihn zum
coDn^table des reiches, da Manasses aufserdem zu bedeutendem
reichtum und grofsem besitz gelangte durch seine Vermählung
mit einer angesehenen witwe, so ward er, 'wie man sagt', an-
mafsend und erregte infolgedessen den Unwillen der edeln des
landes. unter denen, die den Manasses mit ihrem hasse verfolgten,
stand voran der junge könig Balduin m, der zuletzt den vertrauten
ratgeber seiner mutter zwang, das königreich und das ganze land
umher abzuschwören. — dass der tyrische bischof mit diesem
Haoasses denselben meinte wie den Manasses von Hirge der Ur-
kunden und den Manasses von Hirgia des Chronisten, folgt aus
III 1. als Balduin von Bourg, heifst es da, der nacbherige Bal-
duio II und vater der Melisendis, 1096 die heiroat unter Gottfried
vBouillon verliefs — fuit natione Francus de episcopatu Remensi,
filius domini Hugonis comitis de Retest — , »blieben seine vier
Jüngern geschwister zurück. Hodierna nun, eine der beiden
Schwestern, ward die gemahlin des dominus Heribrandus de Herges,
vir nobilis et potens; ex qua natus est Manasses de Herges,
quem nos postmodum tempore dominae Melisendis rt^
ginae, regium vidimus constabularium.
Da nun derselbe Wilhelm vTyrus nur bei Gottfried vBouillon
und dessen brüdern die schwanensage erwähnt (ix 6), und die
weise des erwähnens ausschliefst, dass Balduin ii und seine nach-
kommen von gleicher herkunft geachtet wurden; da ferner das
haus Rethel, aus welchem Balduin ii hervorgieng, nicht von Ida
< das jähr fieng zu ostern an.
^ ebda Nova Collectio iv s. 372.
410 BLÖTE
vBoulogne oder von ihrem vater stammte, obgleich Wilhelm vTyrus
den Balduin ii eineo consanguiDeus Gottfrieds vB. neoDt (ii 1.
XII 1); da überhaupt vod keinem autor und keinem dichter Bal-
duin II und seinen nachkommen ein Schwanritterursprung zuge-
schrieben wird; da es sogar gegen die meinung des Brogner
Chronisten ist, dass Manasses auf eine andre weise als durch eine
Schwester Gottfrieds vB. zu seiner abstammung gekommen wäre:
so beruht die dem Manasses von Hierges zugeschriebene herkunft
von einem Schwanritter auf einem irrtum. dieser irrtum ist aber
sehr begreiflich, er entstand, sobald für den Chronisten oder
dessen Umgebung Balduin i (f 1118) und Balduin n (f 1131), nach-
einander könige von Jerusalem, eine und dieselbe person wurden,
vermutlich trug weiter zu diesem irrtum bei, dass der chronist
sich die herren von Hierges, die das amt eines burggrafen
von Bo^uillon in ne hatten ^ durch diese würde in engerer be-
ziehung zu Gottfried vBouillon dachte.
* als burggraf von Bouillon wird 1127 Manasses von Hierges genannt
(Miraeus i 682). Miraeas hält ihn für unsern Manasses. dieser war aber
1131 noch ^adolescens' and 1140 noch anverheiratet, obgleich seine eitern
im letzten jähre schon gestorben waren, wie aus den Urkunden bei Miraeas
I 94. 689 hervorgeht. — was Le Paige fabelt, Manasses wäre der söhn ge-
wesen des Guy, grafen von Bar-sur-Seine und der Elisabeth oder Petronille von
Hierges, diese widerum eine tochter der Ida vBoulogne, einer Schwester
Gottfrieds vBonillon, lohnt sich kaum der Widerlegung. Gottfried vB. hatte
keine Schwestern, und schon durch diese tatsache fallt die ganze genealogie
Le Paiges. aber auch ohne das lässt sich mit dem Guy von Bar-sur-Seine,
seiner frau und seinem söhn Manasses für den Manasses von Hierges nichts
anfangen, allerdings hatte Guy von Bar-sur-Seine (graf von frühestens 1125
bis ca. 1146) eine Elisabeth oder Petronille zur frau und unter mehreren
söhnen auch einen Manasses, wie beides aas einer Urkunde von 1139 hervor-
geht, diese Petronille aber war die tochter des Anserich von Chacenai und
stammte also nicht aus Hierges. Manasses von Bar-sur>Seine ist von 1139
an verfolgbar, er war seiner zeit eine wichtige persönlichkeit, er ward 1152
nach dem tode seines bruders Milon graf von Bar-sur-Seine, trat sodann in
den geistlichen stand, wurde ca. 1166 decan von Langres, 1179 bisehof,
zeichnete noch 1190, machte mit Philipp August den kreuzzug mit (1190),
starb nach seiner rQckkehr 4 april 1193 und ward in Clairvaux beerdigt. —
von den eitern des Manasses von Hierges heifst es in der Urkunde von 1140
pro Salute suorum inihi quiescentium, der vater des Manasses von Bar-
sur-Seine dahingegen wird noch 1145 in einer Urkunde des bischofs von
Langres als ein lebender genannt, und seine mutter gründete als witwe 1158
ein frauenkloster zu Fromenteau sw. v. Troyes. — der Manasses der Brogner
Chronik und sein ältester söhn Heribrtnd starben schon 1176, wie die chro-
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER BROGNER CHRONIK 411
Wir haben somit auf andre weise bestätigt gefunden, was
schon aus den angaben des Chronisten von Brogne selbst folgte:
Manasses von Hierges, den wir von 1131 an verfolgen können
und der 1176 starb, stammte nicht von einem Schwanritter.
Und nun ergeht es diesem uns dem namen nach unbekannten
Brogner Chronisten, wie ein Jahrzehnt vor ihm dem Lambert von
Ardres, als dieser seinen Adolf von Guines aus dem anfang des
11 jhs. von den boulognischen grafen stammen lässt, quorum
tmcior Cicni non phantastici, sed veri et divini, ducatu celitus advec-
tus 1 ihnen den göttlichen Ursprung gab. indem er auf dem irrtum
weiterbaut, dient ihm die abstammung vom Schwanritter mit zur er-
klärung der tugenden und der vortrefflichkeit seines beiden, in
der alternden weit, in einem entlegenen winkel (in finibus mundi),
sagt der Chronist, liefs die Jungfrau Maria (flos Mariae) einen
mann von dem adel des Manasses aufwachsen, ausgestattet mit
allen tugenden. kein wunder, denn er kam väterlicherseits von
dem stamm des königs Marcus (eines angeblichen königs von
Cambrai), von der seite der mutter aber lebte in ihm die vor-
irefTlichkeit der vorfahren, besonders des berühmtesten, dem ein
schwan auf dem Rhein zum schiffspatron ward, und nun folgt
eine reihe von zügen, und nur von solchen, die die vorzOglich-
keii dieses vorfahren des Manasses bezeugen, hart bedrängt war
die höchste fürstin des landes, die mairona Lotharingiorum, aber
dieser vorfahr des Manasses stellte durch seine beredsamkeit,
seine waffenkunst, seinen eifer die edle fürstin mit ihrer tochter
wider in ihrem rechte her. der bedränger war der unverschämte
fürst der Sachsen, der wie ein zweiter Goliath, nicht geringer
an wuchs, glaubte, dass niemand seiner körperlichen kraft im
Zweikampf gewachsen sei, und nun das gebiet der fürstin für
sich forderte und danach strebte, sie und ihre tochter zu ver-
treiben und zu Sichten, da aber schritt die göttliche Vorsehung
ein, hatte erbarmen mit ihr, und alte wunder erneuernd, ge-
nik angibt und bestätigt wird durch eine randbemerknng des Brogner mar-
tyrologs ans dem 13 jh. wäre also der Manasses von Bar- sar- Seine ein
DachkoDDine einer Schwester Gottfrieds vBoaillon — was er nicht ist und
aoch nicht sein kann — , so hätte das für die abstammung des Manasses von
Hierges keine bedeulung. vgl. über Bar-sur-Seine Art de v^rifier les dates
8^ t XI 292 f, Gallia Christ, xii, preuves col. 42. für das Brogner martyrolog
vgl. Eug. del Marmol aao.
< ed. JHeller in MG. SS. xxiv 570.
412 BLÖTE
währte sie der fürstin einen kämpfer durch einen scbwan, welcher
an einer silbernen kette ein boot zog. durch die kraft von dessen
wafTen ward jener stolze niedergeworfen, und die tocbter der witwe
ward die gattin des Siegers, aus dessen samen sind die brUder
Gottfried, herzog von Bouillon, kOnig Balduin und graf Eustach
von Boulogne hervorgegangen, von deren Schwester war Manasses
der söhn.
Die .Schwanritterversion, die der chronist uns gibt, tritt dem-
nach in ein eigentümliches licht, sie ist nicht die erzählung
einer alten erinnerung, die in dem hause Hierges von vater auf
söhn aufbewahrt wurde, sondern die widergabe irgend einer version,
wie sie von Gottfrieds vBouillon vorfahren dem Chronisten be-
kannt war. und zweck des erzählers war widerum nicht eine
möglichst treue widergabe der sage : es galt den Manasses zu er-
höhen, den woltäter des klosters, den schenker einer teuern
reliquie.
Manasses stammt von dem könig Marcus, er stammt von
dem gottgesanten, wafTentUchtigen Schwanritter, er stammt von
den alten herzogen von Lothringen, er ist eines blutes mit GottAried
vBouillon und dessen brUdern und mit dem königlichen hause
Jerusalem, er führte die regierung für Melisendis, die das gute
gerücht, das von ihm ausgieng, vernommen hatte, er hatte sich
aber widerholt einladen lassen, in seine bände legte man nun die
erziehung des jungen Emmerich (Amalrich, könig von Jerusalem
nach seinem bruder Balduin iii). kaiser Konrad und könig Ludwig
erkannten seine hohen Verdienste, und hatte die Jungfrau Maria
ihn aus seinem winkel zu grofsen taten hinausgehn lassen, so
griff nach seinem tode die göttliche Vorsehung ein, jetzt allerdings
als rächerin an des Manasses söhn, als dieser sich weigerte» die
reliquien herauszugeben, wie doch sein vater ihm geboten hatte. —
ebenso wie in den historischen angaben des Chronisten richtiges
und unrichtiges gemischt ist und alles einseitig auf seinen
Manasses gedeutet wird, so wird auch seine version mit ihren
auslassungen und ihren abweichenden Zügen nur in Übereinstim-
mung sein mit dem Charakter des übrigen gebotenen, wenn der
Chronist dabei die bedrängte witwe fürstin von Lotbringen nannte,
so vermittelte den Übergang von Bouillon auf Lothringen wol
kaum die Ida, die mutter der drei brüder, sondern die allmählich
entstandene anschauung, dass ein herzog vBouillon und ein herzog
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER RR06NER CHRONIK 413
Ton (Nieder«-) Lothringen gleichbedeutend waren, wie denn Jacob
TVitry einige jähre nachher noch um eine stufe weiter geht, in-
deoa er Gottfried vBouillon und seinen bruder Balduin zu herzogen
TBrabant^ macht, dh. den namen Brabant für Lothringen ein*
setzt, obgleich in den verschiedenen französischen redactionen
der sage sonst herzog von Bouillon^ herzog von Lothringen, herzog
von Löwen oder Brabant ganz verschiedene personen sind, das verbot
der frage, das wegziehen des ritters hielt unser autor nicht der er-
wahDUDg wert, wol weil diese züge nichts erhebendes an sich haben,
und ist es nicht sehr erklärlich, dass der mann, der es mit dem
tatsächlichen nicht gar zu genau nahm, wenn er nur seinen
Manasses herausstreichen konnte, der die zwei Balduine nicht zu
unterscheiden wüste und infolgedessen des Manasses mutter zu
einer Schwester Gottfrieds vBouillon, Manasses selbst zu einem
nachkommen des Schwanritters machte, der seinem Manasses und
seinem gespreizten stil zu liebe über kleinigkeiten hinwegschreitet,
— dass dieser mann das verwanlschaflsverhältnis zwischen dem
Schwanritter und Gottfried vBouillon nur vage angibt? denn
nicht klar und scharf wie in den französischen Versionen, die
vor ihm entstanden, heifst es, dass Gottfried und seine brüder
die enkel des Schwanritters waren, sondern mit rhetorischem
Schwung 'de cujus germine Godefridum, Bullonis ducetn^ et
Balduinum regem et Eustachium comitem, felices et strenuos in
armis fralres et Sarracenorum expugnatores, effuderunt\ gleichsam
als läge der Schwanritter in weiter ferne.
An 6inem besonderen zuge aber lässt sich, unabhängig von
dem was wir schon über unseren Chronisten wissen, zeigen, dass
da, wo seine Version abweicht von den bekannten Versionen der
Schwanrittersage, wir bei ihm nicht ursprünglicheres, nicht alter-
tQmlicheres erwarten dürfen.
Als landungsort des Schwanritters und als ort des kampfes ist
sonst Nimwegen bekannt. Wolfram vEschenbach hat Antwerpen als
ort der landung in der litteratur aufgebracht, der Brogner chronist
hat für beide jedoch Mainz, dieses Mainz hat er in keiner
quelle vorgefunden, der zug rührt von ihm her.
Allerdings scheint auf den ersten blick seine angäbe in zweierlei
> bei Marlene et Durand Thesaurus t. m (Paris 1717) eol. 282 : Gode-
fridus de Ballon dux Brabantiae, bei dem tode von Balduins nachfolger
heifst es daselbst, dass $emen ducis de Brabaniia erloschen sei.
414 BLÖTE
weise gestützt zu werden, in vier hss. der chanson du Chevalier
au cygne wird in der anfangstirade gesagt, dass die geburt Gott-
frieds vBouillon erzählt werden solle, wie man davon berichte in
Mainz^:
'Signor, ceste chansons est de grant sapience,
Ensi come Testoire le raconte a Maience,
Del bon duc Godefroi vos dirai la naissence'.
und in dem gedieht vom Lohengrin (ca. 1290) wird die nähe von
Mainz als kampfesort für den Schwanritter und Friedrich vTelramund
angegeben, das Mainz des Brogner Chronisten scheint also eine
stütze zu finden in dem französischen passus und der angäbe im
Lohengrin. und so nimmt es nicht wunder, dass neuerdings
etwas vorschnell aus diesen drei parallelen geschlossen worden ist,
dass *diese (dreifache) anspielung auf Mainz vielleicht einen neuen
weg biete für die Untersuchung nach dem Ursprung der berühmten
sage vom Schwanritter' 2. dass dieser neue weg auch ein irrweg
sein dürfte^ wird sieb aus dem folgenden ergeben.
Der passus in den vier französischen hss. geht natürlich auf
6inen Verfasser zurück, setzen wir den fall, dass der Verfasser
der französischen urversion würklich seinen stolT aus Mainz bezog,
sei es dass er ihn dort selbst hörte, sei es dass er ihn von einem
andern, der dort gewesen war, vernahm, was hat er dann er-
fahren? nicht dass der Schwanritter in Mainz landete, nicht dass
der ritter in Mainz der herzogin von Lothringen . zu ihrem rechte
verhalf, sondern dass dies alles in Nimwegen geschah, wie aus
dem fernem inhalt der Chanson hervorgeht, in Mainz wüste
man also von diesen dingen, dass sie eben nicht in Mainz
statt fanden, legen wir also dem passus der französischen Versionen
bedeutung bei, so ist die angäbe des Brogner Chronisten falsch.
— aber auf das Mainz der französischen Version dürfen wir uns
nicht einmal gar zu sehr verlassen, da 'Maience', ein ort, der
auch durch andere sagen der fraQzOsischen dichterweit bekannt
war, vielleicht nur fingiert ist, etwa des tiradereimes auf -ence
wegen, wie in einer andern eingangsstrophe derselben sagen-
gruppe das SFagon für den reim -on^ gewählt sein kann, wie
1 AGKräger Romania 23, 448 f.
' AGKfflger aao.
3 'Jon TOS wel commencier ane bone chanson;
L'estorie eo fat trovee el mostier S. FagOD,
Tot droit en Rainscevals, si com o! avon,
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER BROGNER CHRONIK 415
dem auch sei, der bericht der BrogDcr chrooik findet in den
französischen Versionen, die die sage als in Mainz gehört vor-
stelleDy keine stotze.
Aber wir haben mehrere anzeichen, die darauf weisen, dass
Mainz nicht der ort gewesen sein kann, wo man die sage be-
sonders erzählte, oder wo nach irgend einer version der Schwan-
ritter landete und den kämpf bestand, wenn im 12 jh. die sage
von der geburt des herzogs Gottfried vBouillon, dh. die geschichte
von dem Schwaoritter, so besonders in Mainz erzählt wurde,
wenn in Mainz der Schwanritter gelandet hiefs, sollte da
Wolfram vE s c h e n b a c h, der zeitlich zwischen dem autor
der Version der französischen mss. und dem Brogner Chronisten
dichtete, der sich als wolbewandert in den heimischen sagen
erweist, der es ausdrücklich betonte, wenn er den Stoff abweichend
bot von andern, dieses ^goldene Mainz', von dem noch immer
der glänz der kaisertage von 1184 ausgieng^ so gänzlich tot ge-
schwiegen, und dafür einfach Antwerpen eingesetzt haben? man
bedenke, die sage wäre mit Mainz in Westdeutschland bekannter
und verbreiteter gewesen als in Frankreich, er hätte Stellung
nehmen müssen zu dieser Mainzer tradition. Wolfram behauptet,
dass er die sage aus dem munde der Brabanter vernahm, jedesfalls
verfuhr er mit dem stofif wie mit einem ganz fremden material,
ohne jegliche rOcksicht die sage vom Schwanritter seinen künstle-
rischen tendenzen unterordnend i. — Konrad vWürzburg
steht in bezug auf den rahmen seiner erzählung vom Schwanritter
von allen deutschen dichtem den bekannten französischen Versionen
am nächsten, dennoch hat er bedeutende änderungen, wie die
Verhandlung vor gericht, die Umsetzung Gottfrieds vBouillon in
einen Gottfried vBrabant, der Jerusalem eroberte; bei ihm ist der
Schwanritter aus einem grofsvater dieses Gottfried zu einem
Schwiegersohn desselben geworden, und statt einer tochter erzeugt
der ritter zwei kinder. Konrad führte ferner die grafen von
Geldern, Cleve, Rinek als nachkommen des brabantischen Schwan-
Par dedans une aamaire q les livres met oo;
La l'avoit mise ans abes qai molt estoit preudon;
Gil le prist a Nimaie, si com lisant trueve on'.
La naissance du Chevalier au Gygoe,
ed. HATodd, Baltimore 1889, v. 5—10.
' 8. Zs, 42, 24 ff.
416 BLÖTE
ritters in die Htteratur ein. seine arbeit ist auch inhaltlich eine
Verdeutschung, und dabei sind gerade die grafen von Rinek
mchWg. sollte Konrad, der in der nähe dieser grafen seine Jugend-
jahre verbrachte, dem ihr haus in Worzburg ein gewöhnlicher
anblick gewesen sein könnte, der vermutlich wegen des Schwanes
in ihrem wappen sie mit dem Schwanritter in beziehung bringen
zu müssen meinte ^, der keine änderungen scheute, sollte Konrad
nur so ganz allein Nimwegen berücksichtigt haben, falls Mainz
besonders mit der sage verbunden gewesen wäre, und so unge-
recht geworden sein gegen die aus den alten Stadtgrafen von
Mainz hervorgegangenen grafen von Rinek, die das ganze 12 jh.
hindurch und bis kurz vor Konrad burggrafen von Mainz
waren 2? — und in diesem lichte hat es bedeutung, dass
der französische dichter, der den eingangspassus mit Mainz ver-
fasste, doch alles wesentliche in Nimwegen geschehen liefs. den
ritter liefs er landen in Nimwegen, kämpfen in Nimwegen, mit
der gattin über Koblenz nach Bouillon reisen und sich schliefs-
lich widerum nach Nimwegen begeben, von wo der schwan ihn
wegführte^, des ritters Schlachtruf ist bei ihm ^Nimaie de par
le roi Oton\ alles spitzt sich auf Nimwegen zu. das einzige mal,
da für irgend ein unbedeutendes factum Mainz in betracht kommt,
geschieht es in natürlichster weise, nicht etwa bedingt durch den
reim 4. der kaiser ist nach den ereignissen in Nimwegen südlich
gezogen, nach Köln und von da nach Mainz, der Schwanritter
wird aber in Bouillon schwer bedrängt von den feinden, er
sendet einen boten zum kaiser, nicht nach Nimwegen, denn dort
kann der kaiser nicht mehr sein, sondern nach Köln« der kaiser,
heilst es da, sei vor fünf tagen nach Mainz abgereist, der böte
kommt in Mainz an, der kaiser verspricht ihm hilfe, sammelt sein
*■ ebda s. 3.
* Ludwig II, graf von Rinek, f um 1240, war der letzte barggraf zu
Mainz, s. Friedrich Stein Geschichte Frankens 1885/1886. vgl. zb. die tafel
bd II 8. 450.
' ich urleile hier und in dem folgenden nach Hippeaus ausgäbe vom
Chevalier au Gygne, die aber in den uns beschäftigenden zagen nicht we-
sentlich von dem inhalt der hss. abweichen kann. vgl. PParis analyse in
der Bist. litt. XXII 395 nnd HPigeonneaa Le cycle de la croisade, Saint -Glond
1877, s. 132.
^ Hippean i 231. der kaiser Le qmnt jor de devant fu ä Maiencke
4iUs; der böte Enfreii ä Maienche nen est; U mes fini$
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER BROGNER CHRONIK 417
beer in Köln und entsetzt Bouillon, alles das mag zusatz des
dichters sein, aber in anbetrachl dieses Mainz: warum sollte dieser
dichter ankunft, kampf^ scheiden nach Nimwegen verlegt haben,
falls er dies alles anfangs für Mainz berichtet gefunden hatte?
denn besondere Vorliebe für Nimwegen kann er nicht gehabt
haben, trotz der beschreibung des saales im kaiserlichen palaste
daselbst ist der ganze ort ebenso nebelhaft wie Mainz, nichts
weist darauf, dass der dichter etwa da gewesen wäre, seine geo-
graphischen kenntnisse gehn nicht über das allgemeinste hinaus:
von Nimwegen über Koblenz, wo der Moselwein getrunken wird,
nach Bouillon, oder von Nimwegen über Köln nach Mainz, wenn
er in Mainz die sage gehört haben will, so scheint dies eine
ßote, um der art seiner mitteilung, abgesehen von dem localen,
das gepräge der Wahrhaftigkeit zu geben. — und schliefslich : in
allen französischen Versionen und etwaigen Übersetzungen, mögen
sie auch die verschiedenste gestalt des ersten teils, der sage von
den Schwanenkindern, bieten, ist Nimwegen und kein andrer ort
die Stätte der ankunft und des kämpfest und so glaube ich
mich berechtigt zu dem schluss: dass der Schwanritter in Mainz
landete und in Mainz den Zweikampf bestand, ist eine willkürliche
behauptung des Brogner Chronisten, wir ertappten ihn ja auch
ioi historischen teil auf unrichtigen Vorstellungen, vielleicht
schwebte ihm das alte Mainz als wichtige kaiserstadt vor, vielleicht
lebte noch der nachhall von den grofsen kaisertagen von 1184
in ihm nach und hielt er infolgedessen Mainz für den richtigen
ort für solche angelegenheiten. kannte er die sage ja doch nur
oberflächlich und knüpfte er für seinen Manasses am hebsten an
^rofses an. —
Aber der Lohengrin denn? hat dieses gedieht aus dem ende des
13 jbs. nicht die nähe von Mainz als ort des kampfes zwischen dem
Schwanritter und Friedrich von Telramund? an diesem Mainz lässt
nicht rütteln, ein Nimwegen oder ein andrer ort ist hier un-
möglich, denn ausführlich wird erzählt, wie die brabantische her-
zogin von Antwerpen, wo der ritter gelandet ist, nach Mainz reist,
haben wir damit nicht einen ausdrücklichen fingerzeig, dass wir
dem Mainz des Brogner Chronisten doch wol einige bedeutung
^ im Dolopathos, wo unsre sage überhaupt keine namen aufweist, wird
der ort der landung nicht angegeben, gleichfalls nicht bei Herbert.
Z. F. D. A. XLIV. N. F. XXXII. 28
418 BLÖTE
beilegen müssen, dass es Versionen gab, wenn auch nur wenige
und jetzt verschollene, in welchen seit ihrem ersten auftreten
Mainz die gleiche bedeutung hatte wie Nimwegen in den andern
Versionen, dass die französischen Versionen die sage doch nicht
so erziihlten, wie man sie in Mainz hören konnte^ und — dass
man mit Wolfram^ Konrad und allen andern ferner keine rech-
nung zu halten hat?
Die Strophen 673 — 767 des Lohengrin haben einen andern
Verfasser als die vorangehnden Strophen ^ letztere dürfen un-
berücksichtigt bleiben, da sie keine andre örtlichkeit für unsre
sage nennen als das allgemeine ^Brabant^ bei dem autor der
zweiten partie aber ist Antwerpen der ort der ankunft, der Ver-
mählung und der Scheidung, Mainz der ort des kampfes. folgte
nun dieser Verfasser in seiner darstellung für Antwerpen dem
Wolfram, für Mainz einer andern tradition, so zwei verschiedene
angaben mit einander verbindend?
Bei dem autor der str. 673 — 767 erfuhr die sage eine grofse
und willkürliche erweiterung. in den Zeitangaben, in der mitteilung
der fahrten des ritters und seiner Umgebung, in Schilderungen,
besonders aber in namengebung, in einführung von personen
und in dem wecbsel der örtlichkeiten bekundet der dichter eine
freiheit der bewegung und der behandlung der sage, die gerade
nicht dazu beiträgt, in irgend einem zuge ein ängstliches festhalten
an der tradition zu sehen, er ist sogar in bedeutendem Wider-
spruch mit Wolfram, der doch nach dem ersten teil und nach
Str. 230.764 der erzähler sein soll, die Version im Parzival kennt
den hass eines einzigen ritters ebensowenig wie die Stellung eines
gegners wie Friedrich von Telramund; sie kennt keine ein-
schränkung auf zwei kinder; laut verbietet bei Wolfram der
ritter seiner gattin, je nach seiner herkunit zu forschen, im Lohen-
grin geschieht es in der stille, abseits von der menge (str. 227.
708 0 ) ioQ Lohengrin ist von dem segensreichen walten des Schwan-
ritters in seinem lande keine spur, er reibt sich auf in fort-
währender tätigkeit für den kaiser. kurz, der autor steht seinem
stofif frei gegenüber, er ordnet, wie es ihm gefällt, macht Zusätze^
die ihm genehm sind — , denn auch in den uns bekannten fran-
zösischen Versionen finden die angeführten züge ihre entsprechung
' Ernst Elster Beiträge zur krilik des Lohengrin, Halle 1884.
DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER BROGNER CHROiNIK 419
nicht, uod für eine grofse einschiebung keDoen wir seine deutsche
quelle, die Repgauische chronik^
Und nameDtiich liebt der autor die ortsveränderung. wir
werden ^gauz vorwiegend mit der geographie der Niederlande, des
Unter-, Mittel- und Oberrheins, Süddeutschlands und Oberitaliens
bekannt gemacht' (Elster aao. s. 14). für die verschiedenen hand-
langen wählt er gern verschiedene orte, in Antwerpen die lan-*
düng, in Mainz den Zweikampf, in Antwerpen das beilager, dann
die fahrten des ritters gegen die feinde des reiches mit ihren ver-
schiedenen orten, in Köln die aufwieglung der clevischen gräfin
zur frage und das übertreten des gebots durch die herzogin von
Brabant, in Antwerpen widerum die Scheidung, der autor hat
also aus gewissen individuellen neigungen den kämpf nach Mainz
verlegt, wie sein gedieht ausweist, ist er in der deutschen ge-
schichte früherer zeit nicht unbewandert, in der niederung bei
Mainz und Worms und auch in Mainz selbst vollzog sich einst
so manche feierliche handlung mit den deutschen kaisern. das
Mainz für den kampfplatz erscheint uns darum ebenso willkür-
lich als das Köln für die frage, und bringen wir nun noch neben
dieser schriftstellerischen eigentümlichkeit die frühere folgerung
in anschlag, dass zur zeit Wolframs und Konrads unmöglich etwas
besondres vom Schwanritter berichtet worden sein kann, wobei
Mainz eine rolle spielte, so bleibt uns kein zweifei mehr, dass
das Mainz im Lohengrin eine erfindung des autors ist und nicht
die erinnerung an eine für uns verschollene gestalt der sage.
Das Mainz der französischen Versionen war eine Widerlegung
der behauptung des Brogner Chronisten, dass landung und kämpf
in Mainz stattfanden, der Lohengrin kennt Mainz nur als kampfes-
ort, und aus mehrerem müssen wir dieses Mainz für eine erfin-
dung des Verfassers halten, alles andre ist gegen Mainz, das
Mainz der Brogner chronik ist somit eine directe andeutung, wie
unzuverlässig die angaben des Chronisten auch für die sage sind.
Die Version des Chronisten von Brogne hat für die Unter-
suchung nach den ältesten zügen der sage vom Schwanritter keine
beweisende kraft, ihr wert ist nur km allgemein culturhisto-
riscber. sie ist mit eine probe, in wie hohem ansehen um 1200
die herkunft von einem Schwanritter stand, wie in dem bewust-
1 über die quellen des dichters handelt Friedrich Panzer Lohengrin-
stodien, Halle 1894, 8.21 ff.
28*
420 DIE SCHWANRITTERSAGE IN DER BROGNER CHRONIK
seJD der damaligen zeit es für maochen keioen Schwanrilter gab
aufser als vorfahren Gottfrieds vBouilion, und dass ernste leute
den rilter als eine unzweifelhafte persönlichkeit auffassten, in
welcher Gott seine wunderkraft betätigte i. für die feststellung
der ursprünglichen Version der sage bietet sie, wo sie abweicht
von den bekannten redactionen, nicht nur keine vertrauens-
würdigen Züge, sondern sogar falsche, hypothesen auf dieser Ver-
sion aufzubauen, ist demnach nicht gestattet.
Tilburg in Holland. J. F. D. BLÖTE.
QUELLEN UND ALTE PARALLELEN ZU
BONERS BEISPIELEN.
Nachdem ChrWaas in seiner tüchtigen Giefser dissertation
von 1897 (vgl. Anz. xxvi 171) die quellenforschung für Boner
wider aufgenommen und unter umsichtiger Verwertung neuerer
publicationen vielfach gefördert hat, darf eine kritische nachlese,
zu der mich der zufall vor einiger zeit führte, wol auf einiges
interesse rechnen.
Über den Zusammenhang, aus dem meine Studien stammen,
ein andermal, ihre wesentlichste fOrderung haben sie durch
Thomas Frederick Cranes ausgäbe der Exempla des Jacques de
Viiry (London 1890) erfahren, die für unsern Anzeiger zu be-
sprechen Reinhold Köhler durch den tod verhindert worden ist, auf
die ich aber die germanisten bei dieser gelegenheit mit allem nach-
druck hinweisen möchte, wenn auch leider der text recht nach-
lässig behandelt und in sehr unsauberer gestalt vorgelegt wird,
die anmerkungcn sind überaus nützlich, und die gelehrte einlei-
tung gibt eine litteraturgeschichte der predigtmärlein und exempla,
die des Verfassers ältere abhandiung Hediaeval sermon-books and
stories (1883; vgl. Anz. x 286) weit überholt, zu den vielen
neuen funden und erkenntnissen, die uns Crane vermittelt, ge-
hört auch (s. cvif), dass der (seit 1881) in einer anonymen
publication (Biblioteca Catalana, Barcelona, AVerdaguer) in zwei
bänden vorliegende catalanische ^Recull de eximplis' nur eine
Übersetzung des 'Alphabetum narrationum' des Etienne
^ andrer meiouag war aUerdings Helioand, wie aus YinceDz vBeauvais
Spec. nat. ii 127 hervorgeht : der Schwanritter sei ein beweis darQr, dass
eine frachibare Verbindung zwischen dämon und mensch möglich ist. s.
über die Helinandstelle Zs. 42, 6— S.
SCHRÖDER QUELLEN UND PARALLELEN ZU BONER 421
de BesaDC^OD ist, dem widerum Crane (s. Lxxiff) zuerst eine
fördernde besprechung gewidmet hat. daraufhin liefs ich mir im
frühjahr 1898 aus München die von Crane bezeichneten hss.
clm. 7995 (Raisersbeim 95; bei mir weiterhin A) und clm. 14752
(Rat. S. Emm. 752; bei mir B)^ beides pergamentcodices des
14 jhs., kommen, und auf ihnen fufsen die nachfolgenden mit-
teilungen. ich bemerke, indem ich mit weiterem zurückhalte,
dass unser autor französischer dominicaner-provincial war und
auf einer reise nach Italien am 22 nov. 1294 in Lucca gestorben
ist : da er in grofsem umfang die Historia Lombardica des Ja-
cobus a Voragine benutzt, so ist dies datum schon für den noch
immer unsichern publicationstermin der tausendfach ausgeschöpften
'Goldenen legende' nicht ohne wert^ Etienne de Besan^on hatte
vor dem Alphabelum narrationum bereits ein Alphabetum auctori-
tatum verfasst — ob damit der Alphabetarius des clm. 3232
(AIsp. 32) etwas zu tun hat, wag ich nicht zu entscheiden.
Das Alphabetum narrationum war unserm Boner sicher bekannt,
es trifft sich gut, dass die beiden Müncliener hss. von einander
unabhängig sind : so mag uns ein lesefehler des dm. 7995 (A)
deo weg weisen, ich meine das beispiel nr 76» die bekannte ge-
schichte aus der Disciplina clericalis viii 2— 4 : ^Zoll von den ge-
zeichneten' (ed. VSchmidt s. 450- Etienne de Besan^on (=» Re-
cull nr 198, i 1810t der den Tetrus Alphunsus' selbst als seine
quelle nennt (hs. A bl. 37, hs. B bl. 560i bat den eingang stark
abgekürzt : lanitor cuiusdem civitatis hoc donum Iiabebat a rege,
ut a transeunte per portam gibboso, scabioso, monoculo, petiginoso,
htmioso haberet denarium, für civitatis nun bietet die hs. A co-
mitis, und mit diesem lesefehler, der offenbar bereits aus der
vorläge stammt, hat Boner die geschichte kennen gelernt : Von
einem graven list man, daz Er wunderlicher sitten toas; in seiner
knappen manier hat er den augenscheinlichen Widerspruch (taitt-
^ man hat überhaupt bisher unnötige scheu getragen, über den ter-
minus ante quem, das todesjahr des bischöflichen autors (1298), hinaufzu-
gehn, 80 zuletzt noch Mussafia Studien zu den mittelalterlichen Marien-
legenden iii 33 : womit ich freilich die frage, ob Gil de Zamora, der 'nach
t282' seinen Liber Mariae schrieb, wurklich den Jacobus a Voragine benutzt
habe, nicht entscheiden will oder kann, nur eine chronologische Schwierig-
keit scheint mir nicht zu bestehn, und die alte Vorstellung, *dass im ma.
neu erschienene Schriften woi keine rasche Verbreitung fanden', dürfte sich
doch schon lange als irrig herausgestellt haben.
422 SCHRÖDER
tor comüis — a rege) wegrasiert, in dem er aus dem torwächter
und dem grafen ^ioe person macht.
Waas, dem zufällig aus der ausgäbe der Contes moralis^s des
Nicole de Bozoü von LTSmilh und PMeyer (Paris 1889) s. 256
diese geschichte auch in der fassung Etiennes (aber mit der
richtigen la. civitatisl) bekannt war, hat versländigerweise hier
die entscheidung ausgesetzt, wie compliciert die dinge oft liegen,
wird sich gleich zeigen, in der nächsten nachbarscbafl von nr 76
treffen wir noch zwei geschichten aus Petrus Alphonsi : nr 71
('Schlange gebunden', Disc. der. vu 4—6) und nr 74 (Traum-
brod', Disc. der. xx 1 — 8) — und beide kehren sie auch bei
Etienne de Besan^on wider : nr 71 (=> Recull nr 625) hs. A
hl. 104', hs. B bl. 160'; nr 74 (= Recull nr 201) hs. A bK 38,
hs. B bl. 57'; bei Petrus stehn 71 und 76, bei Etienne 76 und
74 eng benachbart, für nr 74 ist eine entscheidung unmöglich:
der Franzose folgt dem Spanier, wenn auch nicht im Wortlaut,
so doch satz für satz, nur dass im eingang das ziel der pilger-
schaft von Etienne wie später von Boner fortgelassen ist; aber
hierin Etienne als Boners führer anzusehen, ist keineswegs nötig,
vielmehr sehen mir die verse 8 f : WaUmde tooUen si do gan Mit
einander in ein lant ganz so aus, als ob erst Boner das ihm oder
seinen lesern unbequeme oder gleichgiltige Mecca fortgelassen
hatte, bei nr 71 aber setzt Boners moralizatio v. 59 ff gerade den
Schlusssatz des Petrus Alphonsi voraus, den Etienne de Besan^on
fortgelassen hat : Nonne legisti : qui pendulum solverit, super eum
mina erit? so bleibt also eine directe benutzung der Disciplina
dericalis für nr 71 und nr 74 wahrscheinlich, und ich würde in
nr 76 das zusammentreffen des graven bei Boner mit dem ver-
lesenen comitis des dm. 7995 unbedenklich in den bereich des
Zufalls verweisen, wenn dies beispiel der einzige anhält wäre,
Etienne de Besannen in die reihe der quellenautoren Boners auf-
zunehmen und wenn sich nicht (bei nr 100) nochmals gelegen-
heit böte, auf lesarten der hs. A zurückzukommen.
Nicht so ohne weiteres gesichert (wie Waas zu glauben
scheint) ist freilich der anspruch Etiennes bei nr 53 ('Asinus
vulgi'). hier gilt es zunächst einen irrtum PHeyers^, dem auch
' der die bekannte Sicherheit mit der ebenso bekannten fluchtigkeit
vereinigt, wenn er Nicole de Bozon 8.286 schreibt : 'M.Goedeke attribue
cette r^daction ä Jacques de Vitri, hypoth^se d^nu^e de tonte vraisem-
QUELLEN UND PARALLELEN ZU BONER 423
Waas gefolgt ist, aufzuheben uud dem trefnichen Goedeke zu
seioem rechte zu verhelfen, der in der bekannten, man darf wol
sagen classischen abhandlung (Orient und occident i 531 ff) den
Jacques de Vitry als den ältesten für uns erreichbaren gewtthrs-
mann dieses unendlich verbreiteten predigtmärleins ermittelt hatte.
JohaDnes Junior^ s. v. ^murmur' (ed. 1480 Fol. 135) leitet die
geschichte ein mit ^Refert lacobus de Yitriaco\ und denselben
aulor meint Etienne de Besannen (Recull nr 706; hs. A bl. 112^
hs. B bl. 173; vgl PMeyer Nicole de Bozon s.285) mit 'Narrator\
diese quellenbezeichnung kehrt im Alphabetum narrationum noch
fünf mal wider : entspr. Recull de eximplis nrr 4. [83.] 286. 457. 464,
und davon ist nr 464 in der neuerdings gedruckten (aber, wie
Crane selbst widerholt betont, keineswegs vollständigen) Sammlung
der Exempla des Jacques de Vitry als nr 107 enthalten, nr 286
Steht in der Scala celi am Schlüsse einer reihe von diebsge-
schichten (ed. 1480 fol. 1010 1 ^^^ sämtlich den Jacobus a Vi-
triaco als gewährsmann angeben, und da auch für nr 706 durch
Johannes Junior dieser autor bezeugt ist, wird man die mit
'Narrator* bezeichnete quelle unbedenklich als eine Sammlung von
exempeln des Jacques de Vitry ansehen dürfen, ob Boner in nr 52
den Etienne oder dessen quelle, den *narrator' Jacques benutzt
hat, ist natttrlich nicht zu entscheiden, da wir eben die version
Jacques erst aus Etienne (und der entstellenden kürzung des
Johannes Junior) kennen.
Jacques und Etienne treten des weitern in concurrenz bei
nr 82 und nr 85. bei nr 83 ('Pfaffe singt wie der verstorbene
esel der wittwe', Recull nr 99) steht der text Etiennes, der den
Jacobus de Vitriaco citiert (hs. A bl. 19^ hs. B bl. 30), diesem
(ed. Crane nr 56) so nahe, dass eine entscheidung unmöglich
ist. — bei nr 85 (^Laienbruder will nicht beim viehhandel be-
trügen', Recull nr595), wo widerum auf Jacobus de Vitriaco
(Crane nr 53) verwiesen wird (hs. A bl. 99f, hs. B bl. 153), finden
sich immerhin ein paar kleinigkeiten, die für Etienne als quelle
Boners sprechen, es fSillt jedesfalls auf, dass die bilderreiche mo-
blaoce' — und dabei hat Goedeke seinen excars über Jacques de Vitry ge-
radezu an das *refert Jacobus de Fitriaco* angeknöpft!
^ dessen bedeatung Goedeke freilig stark überschätzt hat : seine weit-
gehnde abhangigkeii von Etienne de Besan9on werd ich anderwärts dartun;
für nnsre geschichte kommt sie nicht in betracht.
424 SCHRÖDER
ralisation des Jacques de Vitry bei Boner nicht benutzt ist; bd
der Züchtigung des laienbruders beteiligen sich bei Jacques ^abbas
et monachi', Boner nennt wie Etienne nur den abt; schliefslich
sehen die verse 37 fr Da von si dicke vallent nider So zien wirs
bi dem sweife wider Uf; des haut si verlorn daz har fast wie
wörtliche Übersetzung Etiennes aus : quia frequenter cadunt sub
onere, et sublevamus eas per caudas, et ita depilantur, während
die construction des Jacques de Vitry abweicht : et ideo, dum per
caudas eo$ sublevamus, depilantur caude eorum.
Wenn bei nr 52 und nr 82 nichts im wege steht, Etienne
de Besanc^on als quelle Boners einzustellen und bei nr 85 sogar
einiges für ihn und gegen Jacques de Vitry zu sprechen scheint,
f^IIt die concurrenz Etiennes fort bei nr 48 CFieber und floh'),
wo die nr 59 in Cranes ausgäbe des Jacques de Vitry einstweilen
als quelle Boners zu gelten hat — mit vorbehält : denn bei we-
nigen beispielen Boners hat man so lebhaft den eindruck, das»
mündliche weiterverbreilung und lebensvolle ausschmUckung des
Stoffes in volkstümlicher predigt dem poeten zu gute gekommen ist.
Boners nr 92 ist die bekannte geschichte 'Nachtigall, drei
lehren' aus dem roman von Barlaam und Josaphat, der als
'Barlaam' auch bei Etienne citiert wird (Recull nr 162; hs. A
hl. 30, hs. B bl. 46). die fassung des Petrus Alphonsi (xxiii 1 — 6)
weicht so ab, dass an ihn als quelle Boners nicht zu denken ist.
gegen Jacques de Vitry (Crane nr 28) sprechen die eingangs-
verse : Ein weidman vieng ein vogellin Daz was klein stolz
unde vin. Ein naht egal was ez genant; diese umständliche
einleitung stammt aus dem original : — unam de minutissi^
mis aviculis quam philomenam vocant; sie ist von Jacques
fortgelassen, von Etienne aber treu bewahrt worden, und da für
eine directe benutzung des Barlaamromans durch Boner sonst
kein Zeugnis vorligt, wohl aber die kenntnis Etiennes uns wahr-
scheinlich geworden ist, dürfen wir diese geschichte wol gleich-
falls auf sein conto schreiben.
Bei nr 87 ('Edelstein auf der wage') glaubt Waas s. 59 ff
den 'Liber de abundantia exemplorum' (pars v, cap. *De memoria
mortis', gegen schluss) als quelle (eben nur dieses einen gedicbts)
ermittelt zu haben : nichts hindert, auch dafür das Alphabetum
narrationum einzustellen (Recull nr452, hs.A bl.78, hs. B bl. 120),
wo die geschichte 'ex gestis Alexandri' erzählt wird, wenn Boner
QUELLEN UND PARALLELEN ZU BONER 425
für seine knappe darsteilung, welche den namen des Alexander
fortlässt, überhaupt eine schriftliche vorläge benutzte, so steht
ihm entschieden die version des Elienne näher, der kostbare und
schwerwiegende edelstein, der ein bild des mächtigen herschers
ist, verliert durch aufstreuung von staub sein gewicht, ebenso
der kaiser : *'Als hold din houbet wird bedacht Mit erde,
so zergat din macht* «a Et. de Bes. posito super vos pul-
vere in morte mtnu5 eritis quam aliquid mündig der Lib. de ab.
ex. sagt dafür positus in pulvere.
Ober den ^Liber de abundantia exemplorum'^ der
somit aus der reihe der quellen Boners wider ausscheidet, lohnt
es aber doch hier einige worte einzuschalten, zahlreiche hss. des
Werkes hat Haur^au Histoire litt^raire de la France xxix 546 ff
nachgewiesen, auf die incunabel s. 1. et a. et i. (Ulm, JZainer?)
machte Crane in der Academy vom 20 febr. 1886 aufmerksam,
leider gibt dieser einzige druck (ich benutzte das exemplar der
Strafsburger universiläts- und landesbibliothek), in welchem das
werk (wie in einer der hss. Haur^aus) recht verkehrt dem Al-
bertus Magnus zugeschrieben wird, den lext mit unzählichen ent-
Stellungen, zt. der schlimmsten art. so berichtet die geschiebte,
welche das (12) capilel Mtem de beata virgine' der pars vii ein-
leitet, von drei brüdern, die, a quodam castello 'murensf [dies ad-
jectivum muss man sich aber erst aus dem nonsens der vorher-
gebnden zeile herausholen IJ verstofsen, ein räuberleben führen, und
versetzt das ereignis ins jähr 1325. aber nach der quelle, Etienne
de Bourbon ed. Lecoy de ia Marche nr 121, ist die geschichte
in comitatu nivernensi und zwar 1225 passiert I das buch stellt
nämlich eine nachahmung und gründliche ausschüpfung von Etienne
de Bourbons Xiber de Septem donis spiritus sancti' dar, dem auch
die mehrzahl der geschichten entnommen ist; der verf. scheint
aber nicht über das erste buch hinausgekommen zu sein, sodass
sein werk mit mehr recht als ^Liber de dono timoris' citiert wer-
den könnte, wie gewöhnlich sein vorbild. dass dieser torso im
westlichen Frankreich und gegen ende des 13 jhs. zu stände kam,
glaub ich mit Haur^au, ob Crane gut tat, eine ältere hypothese
aufzuwärmen, welche ihn dem Humbertus de Romanis (f 1277)
zuweist, scheint mir zweifelhaft; eine genauere Untersuchung muss
unterbleiben, bis wir eine vollständige ausgäbe des Elienne de
Bourbon besitzen.
426 SCHRÖDER
Für nr 95 CRichter bestocheD mit ochs und kuh*) haben
wir wider als älteste , von Waas s. 65 nicht gekannte quellen
Etieune (Recull nr 83, hs. A bl. 17, hs. R bl. 26) und dessen
gewährsmaon, den ^Narrator', di. höchst wahrscheinlich Jacques
de Vitry zu verzeichnen. Johannes Junior und weiterhin Herolt
schreiben unsern Etienne aus.
Rei nr 100 (in allem bedenke das ende T) ligl die quellen-
frage besonders schwierig und ist die Wahrscheinlichkeit, dass Roner
zwei verschiedene darstellungen (vielleicht die eine schriftlich, die
andere mündlich) vorlagen, nicht abzuleugnen, zwar dass der
kOnig nicht mehr selbst zu markte geht, und dass aus dem ehr-
würdigen greis, der im geheimnisvoll leeren gemach die Weisheit
feil bietet, ein ^hoher pfafife' geworden ist, das entspräche durchaus
der nüchternen, allem märchenhaften abholden anschauungsweise
des Rerner dominicaners, hierfür bedürfte es keines directen
quellenanhalts. auffälliger ist die Verwischung eines wesentlichen
zuges, den alle altern fassungen (Thomas Cantipratanus, Etienne
de Rourbon, Etienne de Resan^on |is. R) bewahren: wenn der
bOsewicht, der im letzten moment von seinem mordgedanken zurück-
bebt, gerade ein barbier ist, so muss er den warnenden spruch
eben auf dem rasiergerät, dem handtuch lesen: in manutergio
(Thomas Cant., Gesta Rom.), in mappula (Etienne de Rourbon), in
tuallia (Etienne de Resan^on hs. R). diesen zug aber konnte Roner
schon verwischt finden in der hs. A des Etienne de Resan^^on: wo es
heifst: — sed hoc scribe in domo tua, in ostiis, fenesiris et muris
et ubique. quod et ille fedt, etiam in Ulis quibtis solebcU radi
(so A für R: etiam in tuallia cum qua solebat radt), ohne dass
nachher darauf zurückgekommen wird; Roner mochte das immer-
bin auffassen: ^auch in seinem toilettenzimmer'. die fassung des
Dialogus creaturarum, welche nach Waas s. 73 unserm Roner
am nächsten kommen soll (der Dialogus selbst kommt als quelle
nicht in betracht), hat dann die sache noch weiter vereinfacht
und lässt den spruch nur noch ^tit ostio palatif und zwar Hitteris
aureis' anschreiben, es ist richtig, dass das genau zu Roner
V. 47 f stimmt: alleiü mit der beseitigung der inscbrift auf dem
handtuch ergab sich die beschränkung auf das portal — und
damit doch wol auch die goldnen buchstaben fast von selbst, dass
der Dialogus creaturarum seinerseits aus Etienne de Resan^^on
und zwar wol aus jener Jüngern fassung schöpft, die uns die hs. A
QUELLEN UND PARALLELEN ZU BONER 429
el lihro vii, capüulo iii, cuenta que Demöstenes filösofo elc. , für
nr97 CPapirius') bei Gayangos nr 338 : Dice Macrobio en el lihro
del suenno de Scipion, VYaas hal für nr 72 den Valerius Maximus
direct, für nr97 den Jacobus de Cessoles, dem übrigens hierauch
der Spanier resp. seine vorläge worl für wort folgt i, als quelle
angesetzt, beide werke eben wider nur für je eine geschichte.
Es wird sich empfehlen, dem gegenüber den Libro de los
exemplos im äuge zu behalten, aber natürlich kann nicht das
spanische werk des 14 oder gar 15 jhs. die quelle Boners ge-
wesen sein, sondern nur dessen vorläge, trotz der ausdrücklichen
Versicherung des demente Sanchez (archidiaconus von Valderas
in Leou)^ der sich in der Pariser hs. nennt und (zwischen 1400
und 1421?) dies alphabetarische exempelbuch compiliert und dem-
nächst in die landessprache übersetzt haben will, hat Morel Fatio
das ganze in ähnlicher weise als Übertragung aus einem latei-
nischen Alphabetarius exemplorum angesprochen, wie das für den
catalanischen RecuU inzwischen durch Crane erwiesen ist. Crane
s. civf, der ihm darin zuzustimmen scheint, hat bereits eine über-
sieht über die wichtigsten quellen gegeben, bemerkenswert für
die datierung scheint immerhin ^ dass zwar die ^Coronica Mar-
fioiana' widerholt (Rom. vii nr 33, Gayangos nr 29. 73) citierl
wird, die Legenda aurea (die für Etienne de Besan^on eine haupt-
quelle bildete) wenigstens gelegentlich (nr 23. 197) benutzt er-
scheint und Jacobus de Cessolps zweifellos in nrr 177 ('Rosmilda*).
187 (^Camillus*). 329 ('Mundus und Paulina'). 338 ('Papirius')
abgeschrieben wird, litteraturwerke des 14 jhs. aber fehlen, von
den 39 stücken, die sich nach meiner Zählung im gegenständ
mit den Gesta Romanorum decken — die zahl erscheint auf-
fallend grofs — , ist bei den allermeisten nummern doch jeder
direcle Zusammenhang ausgeschlossen, so stehn diejenigen, welche
- ^ ^ ri=cip1ina clericalis stammen, fast durchweg dieser quelle
febr nahe : zb. Gay. nrr 7. 13. 27. 53. 90. 91. 92. 234;
Rom. 18. 19? eine ausnähme macht nur Gay. nr 334 ('Oll^sser'),
wo der Spanier eine starke kürzung bietet, ich habe mir über-
haupt nur 6 nummern notiert, wo ein näherer Zusammenhang
mit deu Gesta Homanorum erwogen werden könnte: Gay. nr 103.
155*. 174. 183. 374 — lauter sehr verbreitete exempla, und
daoi) üf 118 ^Zweierlei tuch', wofür wenigstens bei österley (zu
nr ^6) k^iiie parallelen erscheinen : aber die darstellung im Libro
weist hier originelle und zweifellos echte züge auf, und da ist
ümiü für die so unendlich seh ^rige frage nach den quellen und
vorslufen der Gesta Romanoru quellencitat des Spaniers von
Rtarkem iiüeresse : Una hestona es tal que se lei de los Romanos.
aus dem gleichen gründe er« hn ich zu Gesla Rom. nr 87 aus
t iydj da§ angenaue citat au^ Macrobius (denn die geschichte steht
laicht im Sommum Scipionis, sondern Sat. i 6) stammt von dorther.
428 SCHRÖDER
s. 39fr. 74 Ol haben wir für 11 eine entsprechuDg im Alpbabe-
tum narratioDum des Etienne de Besan^^on gefunden : nrr 52.71.
74. 76. 82. 85. 87. 92. 94. 95. 100. unter diesen durften wir
die Versionen für 87 und 92 unbedenklich als quellen Boners
aussprechen und beseitigten damit zugleich die ansetzung zweier
quellenschriften, welche ihm (nach Waas) nur je eine geschichte
dargeboten haben sollten, für nrr 52. 82. 85. 95 stand uns die
wähl frei zwischen Etienne de Besan^^on und Jacques de Vitry
(resp. 'Narrator') : entscheiden wir uns für den ersten, so f^llt
auch Jacques de Vitry aus der quellenliste fort, da dieser für
nr 48 allein wenigstens nicht als litterarische vorläge angesetzt
zu werden braucht, mit diesen 6 nummern dürfte aber der be-
stand des aus Etienne de Besan^^on direct entlehnten erschöpft
sein, für nr 100 schien allerdings eine beziehung zur fassung A
des Alphabetum narrationum nicht abzuweisen, aber es könnte
immerhin auch eine indirecte sein, und was nr 76 angeht, so wäre
freilich der zufall sehr sonderbar, der bei Boner den graven, in der
hs. A des Alphab. narr, den comes eingeschmuggelt hatte, ander-
seits aber darf die geschichte schwerlich aus dem Zusammenhang
mit den nahestehnden nrr 71 und 74 gelöst werden, die wie 76
der Disciplina clericalis entstammen und für sich eine Vermitt-
lung durch Etienne de Besan^^on kaum zulassen; es wird also
hier eine contamination aus Petrus Alphonsi und Etienne de Be-
san^on anzunehmen sein, für nr 94 schliefslich werden wir über
Etienne de Besan^^on hinaus auf seine quelle Etienne de Bourbon
zurückgehn müssen.
Aufser dem catalanischen 'RecuU de eximpli8^ der ihm den
Etienne de Besan^^on recht wohl ersetzen konnte, hat Waas
nicht berücksichtigt den spanischen ^Libro de los exemplos'
oder ^enxemplos' (ed. Gayangos in Rivadeneyras Biblioteca de auto-
res espanoles 51, 443 — 542; dazu die ergänzung einer lücke aus
einer Pariser hs. durch Morel Fatio : Romania 7,481 — 526).
hauptquelle, wo nicht einzige grundlage des ganzen war ein la-
teinisches exempelalphabet, dessen entstehung nach Italien und
in das ende des 13 jhs. fallen muss (s. u.). in dieser vorläge des
Libro de los exemplos konnte Boner die genau entsprechende
quelle für zwei seiner geschichten finden : für nr 72 (^Wittwe
soll beiden das ganze zahlen') bei Gayangos nr 6 : Valerius en
QUELLEN UND PARALLELEN ZU BONER 429
el libro vii, capitulo iii, cuenta que Demöstenes filösofo etc., für
nr 97 CPapirius') bei Gayangos nr 338 : Dice Macrobio en el libro
dd suenno de Scipion. Waas hat für nr 72 den Valerius Maximus
direct, für nr 97 den Jacobus de Cessoles, dem übrigens hier auch
der Spanier resp. seine vorläge wort für wort folgte, als quelle
angeseUt, beide werke eben wider nur für je eine geschichte.
Es wird sich empfehlen, dem gegenüber den Libro de los
exemplos im äuge zu behalten, aber natürlich kann nicht das
spanische werk des 14 oder gar 15 jhs. die quelle Boners ge-
wesen sein, sondern nur dessen vorläge, trotz der ausdrücklichen
Versicherung des demente Sanchez (archidiaconus von Valderas
in Leon), der sich in der Pariser hs. nennt und (zwischen 1400
und 1421?) dies alphabetarische exempelbuch compiliert und dem-
nächst in die landessprache übersetzt haben will, hat Morel Fatio
das ganze in ähnlicher weise als Übertragung aus einem latei-
nischen Alphabetarius exemplorum angesprochen, wie das für den
catalanischen RecuU inzwischen durch Crane erwiesen ist. Crane
s. civf, der ihm darin zuzustimmen scheint, hat bereits eine Über-
sicht (iber die wichtigsten quellen gegeben, bemerkenswert für
die datierung scheint immerhin, dass zwar die 'Coronica Mar-
tioiana' widerholt (Rom. vii nr 33, Gayangos nr 29. 73) citiert
wird, die Legenda aurea (die für Etienne de Besan^^on eine haupt-
quelle bildete) wenigstens gelegentlich (nr 23. 197) benutzt er-
scheint und Jacobus de Cessobs zweifellos in nrr 177 ('Rosmilda').
187 CCamillus'). 329 ('Mundus und Paulina'). 338 (*Papirius')
abgeschrieben wird, litteraturwerke des 14 jhs. aber fehlen, von
den 39 slücken, die sich nach meiner Zählung im gegenständ
mit den Gesta Romanorum decken — die zahl erscheint auf-
fallend grofs — , ist bei den allermeisten nummern doch jeder
directe Zusammenhang ausgeschlossen, so stehn diejenigen, welche
aus der Disciplina clericalis stammen, fast durchweg dieser quelle
sehr nahe : zb. Gay. nrr 7. 13. 27. 53. 90. 91. 92. 234;
Rom. 18. 19; eine ausnähme macht nur Gay. nr 334 CÖlf^sser*),
wo der Spanier eine starke kürzung bietet, ich habe mir über-
haupt nur 6 nummern notiert, wo ein näherer Zusammenhang
mit den Gesta Romanorum erwogen werden konnte : Gay. nr 103.
155*. 174. 183. 374 — lauter sehr verbreitete exempla, und
dann nr 118 'Zweierlei tuch', wofür wenigstens bei österley (zu
nr 26) keine parallelen erscheinen : aber die darstellung im Libro
weist hier originelle und zweifellos echte züge auf, und da ist
denn für die so uoendlich schwierige frage nach den quellen und
Vorstufen der Gesta Romanorum das quellencitat des Spaniers von
starkem interesse : Una hestoria es tal que se lex de los Bomanos.
aus dem gleichen gründe erwähn ich zu Gesta Rom. nr 87 aus
^ auch das ungenaue citat aui Macrobius (denn die geschichte steht
nicht im Somnium Scipiouis, sondern Sat. i 6) stammt von dorther.
430 SCHRÖDER QUELLEN UND PARALLELEN ZU RONER
dem Libro ed. Gayangos nr 253 Leise en el libro de las trufas de
los pleitos de Julio Cisar. dass das ein werkchen italischen Ur-
sprungs war, ist mir nicht zweifelhaft (vgl. Graf Roma nella me-
moria e nelle immaginazioni del medio e?o i 253). Oberhaupt
weist der Charakter des quellenmaterials und weisen zahlreiche
einzelzüge darauf hin, dass die compilierte vorläge in Ober- oder
Mittelitalien entstanden ist. gerade diejenigen geschichten, für
welche eine quelle nicht genannt und auch nicht ohne weiteres
zu ermitteln ist, spielen grofsenteils in Italien — und hier hat
sich der Spanier mit den lateinischen bezeichnungen seiner vor-
läge öfters nicht abzufinden gewust : so wenn er Gay. nr 10
schreibt la cibdat de Reatina (latein. civitas Reatina di. Reate) oder
Gay. nr 330 en el lugar de Tudertina (latein. in urbe [civiiate]
Tudertina di. Todi). während eine grofse auzahl von geschichteo
in der Lombardei und Sardinien (das bald Sardania bald Cerdena
heifst), in Rom, Romagnola, Florenz, Siena,Viterbo, Cremona, Bologna
spielt, entfallen auf französische Schauplätze nur etwa 10 exempla,
meist aus bekannten quellen, nr 138 nimmt partei für die Lom-
barden gegen die Franzosen, in Spanien ist unter den 467
(Gayangos 395 •+- Morel Fatio 71 -}- 1) geschichten nur eine ein-
zige localisiert : nr 203, ein Marienwunder, das sich en la cibdad de
Leon, de sobre el Ruedana im j. 1100 zugetragen haben soll und
das der spanische bearbeiter immerhin unter die grofse zahl ähn-
licher stücke (nrr 192 — 213) eingeschaltet haben mag. an der
tatsache, dass zum mindesten der grundstock des Libro de los
exemplos ein lateinischer alphabetarius exemplorum italienischer
herkunft, wahrscheinlich aus der zeit zwischen 1280 und 1300
war, ändert dies spanische mirakel nichts.
Marburg i. H. EDWARD SCHRÖDER.
EIN TAPELDRUCK
DES MÜNCHENER PATERNOSTERS.
(zu Zs. 44, 187).
Der umsieht und freundlichkeit Eulings verdank ich einen
wertvollen hin weis, der mich veranlasst^ alsbald noch einmal auf das
Münchener Paternoster zurück zu kommen, auf dem 15 blatt der
durch [leitz publicierten 'Neujahrswünsche desl5 jhs/(Strafsb.l899)
befindet sich die photographische nachbildung eines holzschnittes
aus dem Münchener kupferstichcabinett, der wol die 'figur' dar-
stellen könnte, über die der Münchener barfüfser 1481 gepredigt
hat. das bei Heitz etwa auf die halbe grüfse reducierte blatt ^
stellt Gott vater dar, wie er an einer lieb beschriebenen herunter-
hängenden schnür sieben farbige Scheiben mit den bitten des Vater-
unsers eine unter der andern hält; das Spruchband vor seinem
^ Schreiber, Manael de Tamateur de la gravure sar bois aa 15 si^Ie
n 240, gibt die mafse *400 (?) : 275 (?)' an. der text des Mattes ist auch bei
ihm, doch nicht ganz fehlerlos, abgedruckt.
ROETHE MÜNCHENER PATERNOSTER 431
mund« sagt: Äbo soll ihr peten: links von den Scheiben steht die
deutung ihrer färben, dieser text genau wie oben s. 190, rechts
ebenso die triaden, aber nicht die der dritten reihe, sondern nur
die der vierten: einzig die beiden tria<)en des holzschnitts, die
211 den Worten Vater vnser und Der du pist In den himelen ge-
hOreD, finden eine sehr freie entsprechung in der dritten reihe.
im Obrigen ist die Übereinstimmung zwischen dem drucke und
der bandschrifllichen tabeile für jene drei rubriken (t. 2. 4) so
genau, dass das blatt — es trägt das datum 1479, ist also älter
als der codex ^ — sehr wohl die directe quelle der handschriftlichen
aufzeichnung sein konnte ^ trotz gleichgiltigen orthographischen
und sprachlichen difTerenzen. für dies nahe Verhältnis spricht
vielleicht das druck und hs. gemeinsame merkwürdige einfür in
der 6 bitte, der druck belehrt mich nun auch, dass das ver-
stümmelte anp (4 bitte) und lupkeit (6 bitte) des Schreibers
za dankp und luspkeit (dankper, lusperkeit) ergänzt werden muss^;
beides verdient auch inhaltlich vor meinen vorschlagen den Vorzug.
Aber der Zusammenhang zwischen jenem tafeldruck und der
hs. reicht noch weiter, der holzschnitt ist am oberen und am
rechten rande beschnitten ; oben list man noch über den triaden
die Worte So erhöret in got gnediglich. das ist die scblufszeiie
der reimeinleitung (oben s. 189). auch diese also hat ursprüng-
lich auf der tafei gestanden, und zwar unmittelbar vor dem
Paternoster, meine annähme, dass die todsünden und blutver-
giefsen (s. 189) erst interpoliert seien, bestätigt sich also, wozu
nun war das blatt bestimmt? von Heitz wird es als neujahrs-
wuDSch publiciert, und es enthält unten links würklich die worte
Ein Seligs News Jaer. dass diese zeile aber erst nachträglich
in der tafel angebracht ist, darauf deuten wol schon die buch-
slabenformen: das spitzwinklige E, das einstöckige a, auf das
Wilb. Meyer besondern wert legt, auch die Schreibung ae für ä.
wer Heitz Sammlung durchläuft, sieht alsbald, wie isoliert unser
blatt neben den üblichen christkindchen steht, und zumal die
reimeinleitung schliefst die ursprünglichkeit des neujahrswunsches
aus: sie muste weggeschnitten werden, um diese Verwendung
möglich zu machen 3.
So bleibt ein druck zu rein katechetischen zwecken, ein
hsl. paternoster ^mit dryerley vslegung\ die im kerne zu den
^ auf der Photographie bei Heitz kann ich nur 1470 lesen; doch ergibt
die beschreibang von WSchmidt Interessante formschnitte des 15 jhs. s. 15,
dass ioa original 1479 erkennbar ist.
^ angesichts des druckes will ich auch gerügsam in den triaden der
2 bitte Dicht mehr anlasten : es muss eine, mir sonst unbekannte, conta-
mination von geruowic und geruotoesam sein, gern heb ich hervor, dass
dr Rück mir schon früher in ähnlichem sinne von der änderung des Wortes
abgeraten hat. ^ auch die auffällig ungeschickt unten angeklemmte
Jahreszahl könnte als spätere zutat verdächtigt werden : jedesfalls ist aber der
druck nicht jünger als 1479, und das allein interessiert uns hier.
432 ROETHE MÜNCHENER PATERNOSTER
triaden des druckes stimmt, aber ohne die färben und ohne die
einleitiing, sowie ein gleichartiges avemaria weist mir Euliog
Alem. 12^ 167 aus der zeit um 1500 nach, gedruckte blätter
mit den zehn geboten, dem glauben, dem benedicite, auch
beichltafeln , nach GefTcken *zum ankleben an die wände be-
stimmt', sind erhallen ^ aber gerade wenn wir an diese stücke
denken, macht sich das misverhältnis fühlbar, das in unserm
paternosterdruck zwischen der breiten reimeinleitung und der
wortkargen kurzen tabelle, der hauptsache besteht, es fiel fort,
wenn ich jene für die einleitung der predigt, diese für ihre
disposition hielt, wie das die schlufsnotiz der handschrift (oben
s. 194) nahe legte, für den (Nürnberger?) druck aber ist nicht
bezeugt, dass er als grundlage einer predigt gemeint war, und
der Münchener mOnch, der ihn so benutzte, hat das erst nach
zwei Jahren oder noch später getan.
Fand der prediger den gereimten eingang bereits gedruckt vor
der figur vor, die er erklärte, so bleibt ja die möglichkeit, dass
er ihn mitsamt seinen reimen adoptierte und auch weiter reime
gab, wo sie sich boten: aber mehr als möglichkeit ist das nicht
mehr, vielleicht findet sie eine gewisse stütze in einer bewusten
abweichung, die der hsl., auf die predigt von 1481 bezügliche
text gegenüber dem drucke zeigt ich meine die einfügung der
gereimten triaden der 3 reihe, welche die nur gelegentlich reimen-
den der vorläge anfangs wol ersetzen sollten: erst nachträghch
wurden auch diese noch angehängt, freilich, die reime der neuen
triaden sind billich ; so stellen sie sich in solchen parallel gebauten
dreiheiten wol auch ungesucht ein. dass zufall hier aber abzu-
weisen ist, das erhärtet die art, wie in der hs. die beiden triaden
behandelt sind, die im druck den eingang des paternoster begleiten,
sie werden benutzt: da die glossierung von Der du pist In den
himelen in allen drei Zeilen auf -eü ausgeht, blieb der prediger ihr
leidlich treu, dagegen die auslegung von Vater vnser, die im
druck nicht reimt (Hoch in der Schöpfung. Reiche in dem erhe.
Süße in der liehe) arbeitet er so um, dass er das erste schluss-
wort schoppfung beibehält und zwei andere Zeilen auf -ung anreiht,
das ist absieht^, und diese absieht des Münchener predigers
verrät immer noch eine freude am reimschmuck, die meine ur-
sprüngliche auffassung begünstigt, trotzdem würd ich heute das
wort *reimpredigt' nicht mehr so apodiktisch in die Überschrift
zu setzen wagen. ROETHE.
1 Tgl. Geffcken Bilderkatecb.41 beii.119.203, Schreiber nr 1844-1855.
2756 f. ' an eine zweite triadenquelle zu denken, die, sonst ohne jede
berührang mit den dreiheiten des drucks, gerade in den beiden anfangsstäcken
mit ihnen zusammen getroffen sein sollte, etwa aus gemeinsamer quelle, das
ligt doch gar zu fern.
Druck von J. B. Hirschfeld in Leipzig.
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTUM
UND
DEUTSCHE LITTERATÜR
HERAUSGEGEBEN
EDWARD SCHROEDER und GUSTAV ROETHE
SECHSUNDZWANZIGSTER BAND
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG
1900.
INHALT.
Seite
Ambales (Aiulöda) saga, s. Gollancz
AmmanD, Volksschauspiele aus dem Böhmerwalde ii, von Werner . 263
Baechtold, Kleine Schriften hrsg. von Vetter, von Roethe .... 185
Behmer, Laur. Sterne und GMWieland, von Ridderhoff 261
Berlit, s. Hildebrand
Bilfinger, Untersuchungen über die Zeitrechnung der alten Germanen i,
von FJönsson 270
Borinski, Lessing, von RMMeyer 333
Consenlius, *Freygeister, Naturalisten, Atheisten', — ein aufsatz Lessings
im 'Wahrsager', von Muncker 319
Gossmann, Shakespeares Hamlet in der Übersetzung von Schlegel und
Tieck, von Walzel 174
Gynewulfs Elene, s. Zupitza
Detter, Die lausavisur der Egilssaga, von FJönsson 36
Dürrwächter, Die Gesta Garoli Magni d. Regensburger Schottenlegende,
von Schröder 256
Ebrard, Allitlerierende Wortverbindungen bei Goethe i, von RMMeyer 263
EUinger, Joannes Nicolai Secundus *Basia', von Schröder 332
Fath, Wegweiser zur deutschen litleraturgeschichte i, von SeemuUer 79
Franck en Verdam, JvMaerlants Strophische gedichten, von Martin 83
Friedmann, La lingua gotica, von Wrede 80
Fürst, Die Vorläufer der modernen novelle im 18 jh., von Honig . . 64
Gesta Caroli, s. Dürrwächter
Gi'slasoD, Forelaesninger og videnskabelige afhandlinger («= Efterladte
skrifter ii), von Detter 168
Goethevorträge, Strafsburger, von Pniower 86
Gollancz, Hamlet in Iceland, being the romantic Ambales saga etc.,
von Detter 274
Hartmann, Uhlands (agbuch 1810—20, von Minde-Pouet 167
Heinzel, Beschreibung des geistlichen Schauspiels im deutschen mittel-
alter, von Ammann 223
RHildebrand Über W^alther vd Vogel weide, hrsg. von Berlit, von Roethe 258
Hirt, Der indogermanische ablaut, von Kretschmer 265
fV I5HALT
Seite
ThHockf ScUfftut^ Blainerifeld, s. Koch
if^nn Mga, %. Koibiog
Jflcobf», (t^rnlenher^n Ugolioo, tod RMWerner 229
Ja hr«^hf rieht der männer Fom Morgenstern i, Ton EBMeyer .... 8S
.larit%eri, GotiHche Sprachdenkmäler mit grammatik asw., von Wrede Sl
Jfilirif k , Rin capitel ans der beschichte der dentschen (rraromatik,
von Wilmanns 253
Kaeding, Häufigkeitswörterbuch der deutschen spräche, von Heyne 78
Kerner und Muller, Juslinus Kerners brief Wechsel, von Minde-Pouet 163
Koch, ThHocks Schoenes Blumenfeld, von Köster 286
Kftlbing, Ivens saga, von Ranisch 81
Könnecke, Bilderatlas zur geschichte der deutschen nationallitteratur
2 auf!., von Koethe 1
KrauN, Das sog. ii büchlein und Hartmanns werke, von Ehrismann 38
- — , Heinrich vVcldeke und die mhd. dichtersprache, von Franck 104
Kretschmer, Einleitung in die geschichte der griechischen spräche, von
Meringer 189
Krüger, Der junge Eichendorff, von Poilak 161
Lour, s. Zingeler
Lessing, s. Consenlius
Lieder und Sprüche, Geschichtliche Württembergs, s. Steiff
MaerlantH Strophische gedichten, s. Franck en Verdam
Meifsner und Wille, Novalis sämtliche werke, von Walzel .... 237
Menne, Der einfluss der deutschen litteratur auf die niederländische i,
von Kossmann 85
Morris, (ioethestudien ii, von Alt 233
Much, Der germanische himmelsgott, von Heusler 92
EMüller, s. Kerner
Muiko, Deutsche einflüsse auf die anfange der böhmischen romantik,
von Vondräk 70
Murner« Ciäuchmatt, s. Uhl; An den deutschen adel, s. Voss
Nortlen« Die antike kunstprosa vom 6 jh. v. Chr. bis sar renaissioce,
von Thiele 251
Novalis sämtliche werke, s. Meifsner and Wille
Ott, Ober Murners Verhältnis lu Geiler, von Michels 56
Pachülv. Die Variation im Beliaod und io der as. Genesis, toq Ries . 277
Pfeitfer« Thei^logia deutsch 4 aufl., tod Schröder 331
Popp, Die metrik und rhythmik Mamers, tod Micbeis 59
Pi)^&^, HandschnftencoDserTieraiif« too Steiooieyer 32S
Roethe« Die reiniTortedeii des Sacksenspiefelss tob Freack . . . . 117
RottsU», Lemu H soo temps, toq PoUiIl 323
Saftiea, Die scliwell^jinnefi des Terstypos A ia der k. lafct>dklif»|L^
vö« Heusler 199
INHALT V
Seile
Schill, Anlciton; znr erhaltnng und ansbesserang von hss. mit lapon-
impragnierang, Ton Steinmeyer 328
LSchmidt, Beitrige zur gescliichte der wissenscliaftliclien Stadien in
sächsischen klöstern i Altzelle, von Hernnann . 259
ASchneider, Spaniens anteii an der deutschen litteratar des 16 und
17 jhs., von Beer 134
Schönbach, Die anfange des deutschen minnesangs, von RMMeyer . 130
, Beitrage zur erklärung altdeutscher dichterwerke i. Die
altem' minnesinger, Ton dems 133
, Miscellen aus Grazer handschriften i— in, von Strauch . 212
, Mitteilungen aus altdeutschen handschriften vi, von dems. 210
, Studien zur erzahlungslitteratur des mittelalters i. ii,
von dems 217
Scholz, Geschichte d. deutschen Schriftsprache in Augsburg bis 1374,
von Scheel 124
Schulleros, Michael Albert, von PoUak 73
JSecnndus ^Basia', s. Ellinger
Shakespeares Hamlet, s. Cossmann
Simons, Gynewulfs Wortschatz, von Schröder * 225
Sprachdenkmale, s. Wadstein
Steiff, Geschichtliche lieder und spräche Württembergs i, von HMeyer 282
SUehler, Das Ifflandische rührstuck, von Eloesser 173
SUlgebauer, Geschichte des minnesangs, von RMMeyer 172
Theologia deutsch, s. Pfeiffer
Tille, Tule and christmas, von Singer 96
Tümpel, Niederdeutsche Studien, von Holthausen 29
Uhl, Murners *Gäuchmatl' (1519), von Michels . 50
Uhlands tagbuch, s. Hartmann
Usener, Sintflutsagen, von RMMeyer 76
Yeelderhande geneuchlycke dichten, tafelspeien ende refereynen, von
Martin 329
Verdam, s. Franck
Vetter, s. Baechtold
Volksschauspiele, s. Ammann
Voss, Mumers 'An den adel deutscher nation' (1520), von Michels 55
Vossler, Das deutsche madrigal, von Keiper 85
Waas, Die quellen der beispiele Boners, von Schönbach 171
Wadstein, Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler, von Steinmeyer . 199
Wille, s. Meifsner
Zeitschrift för hochdeutsche mundarten 1 1, von Hoffmann-Krayer . . 89
Zingeler und Laur, Bau- und kunstdenkmäler in den hohenzollerschen
landen, von Heyne 77
Zapitza, Gynewulfs Elene 4 aufl., von Schröder 170
VI INHALT
Seit«
Zwierzina, Beobachtangen zum reüngebranch Harünanos o. Wolframs,
TOD Ehrismann 41
Hermann Kurz und Franz Pfeiffer, von HFischer 179
Personalnotizen 88. 184. 264. 344
Schriften der königlichen Vlamischen akademie, von Martin .... 176
Berichte über GWenkers Sprachatlas des deutschen reiches, von Wrede
XTUI gefallen, heute 336
Register 345
ANZEIGER
FÜR
DEUTSCHES ALTERTUM UND DEUmHE LIHERATÜR
XXVI, 1 febraar 1900
Bilderatlas zur geschichte der deutschen natioaallitterator. eine ergänzung
za jeder denlschen litteraturgescbichte. nach den qoelUn bearbeitet
▼ou dr Gustav Köhnegke. zweite verbesserte und vermehrte aufläge.
Marburg, NGElwert, 1895. — 22 m.
KöDDeckes vorlrefTiicher Bilderatlas ist seit 12 jähren in
«losern haoden; für philologische arbeit und wisseDSchaftlichen
Unterricht hat er sich als wertvolles hilfsmittel erwiesen; er hat
nicht nur die sinnliche anschauung befördert, die jeder geschicht-
lichen disciplin dringend not tut; er hat auch wesentlich dazu
beigetragen, dass paläographische und ikonographische gesichts-
puncte nicht mehr ausschliefslich die domäne weniger begünstigten
sind; er hat unmerklich und sicher unsre arbeitsmethoden be-
reichert, als er erschien, hatte K. für die verwttrklichung des
wissenschaftlichen gedankens, dem sein buch dient, wenig brauch-
bare vorarbeiten : der * authentische bilderschmuck' half ja wol
gelegentlich dieser und jener nichtsnutzigen litteraturgescbichte
als verspann : im gründe muste K. jungfräuliches terrain bauen,
seitdem ist manches anders geworden : für unsre ältesten litteratur-
perioden besitzen wir in den publicationen von Enneccerus,
Piper, Gall^ handschriftennacbbildungen , die auf ihrem engen
gebiete au reicbhalligkeit und auch an gute K.s entsprechende
Partien natürlich übertreffen; der zuweilen unwahrscheinliche
farbenglanz, mit dem die nachbildungen ahd. und mhd. bilderhss.
in Vogts populärer litteraturgescbichte prangen, macht immerhin
eine schwäche mancher K.schen reproductionen fühlbar; und mit
den vortrefflichen bildern, die das schöne Historische porträtwerk
von Seidlitz schmücken, kann sich in der technischen ausführung
nur diese und jene der K.schen beilagen messen, aber an Zu-
verlässigkeit des materials steht der Bilderatlas hinter keinem
dieser werke zurück; an umsichtiger Vielseitigkeit übertrifft er
sie alle; und nur die weise beschränkung, die IL sich in aus*
wähl und technik auferlegt hat, gab ihm . die mögiichkeit, ein
buch zu schaffen, das nach umfang und preis zu weiter Verbrei-
tung geeignet war. der erfolg hat K.s mühen gelohnt diese
zweite aufläge, die überall von der sammelnden und sichtenden
tatigkeit des Verfassers erneutes Zeugnis ablegt, bietet mir den er-
wüaschten anlass, der tüchtigen arbeit auch an dieser stelle ein
spätes wort der Würdigung zu widmen.
A. F. D. Ä. XXVI. 1
2 KÖNNECKE B1LDEBATLA8
Den text, der die 2200 abbildungen begleitet, hat K. mit
recht in der anspruchslosen form kurzer einzelbemerkungen ge-
halten : knappste biographische und bibliographische, vereinzelt
auch iitterarhistorische notizen; buchstäbliche Umschrift der mittel-
alterlichen handschriftenproben, dazu Übersetzung des ganzen oder
erklärung einzelner worte; nützliche winke zur druck- und iheater-
gescliichte; die nötigen angaben über herkunft und autor der auf-
genommenen bilder. dieser lext ist, obgleich er in der zweiten
aufläge gegenüber der ersten beträchtlich gewonnen hat, noch
immer die schwächste seile des werkes. gleich in der ersten an-
merkung (zu Tac. Germ. 2) stört die längst veraltete conjectur
Tuisconem. die Umschrift der mitgeteilten Beowulfseite zeigt drei
lese- oder druckfehler. im Hildebrandslied conjiciert K. befremd-
lich cunosles st. cnuosles (soll das zu cunnt gehören ?) ; zu sumaro
enti mntro sehstic hat er die seltsame paraphrase 'sechzig sommer
und sechzig winter ■» dreifsig jähre' usw. diese fehler schleppen
sich aus der ersten aufläge fort; es wäre schon besser, K. liefse
sich in derartigen fragen der texlkritik und -erklärung durch
irgend einen germanisten unterstützen; solche versehen, unnötige,
leicht zu tilgende und doch ärgerliche flecken köDDen den un-
kundigen benutzer verdriefslich irre führen, mancher besserung
bedürfen auch die biographisch -litterarischen Sätze : es erfDilte
mich doch mit wehmut, als ich zb. s. 113. 115 schnell hinter-
einander gleich zweimal (bei Ringoilingen und.MvStein) irrtümer
wider traf, die ich an der bequemst zugänglichen stelle, in der ADB,
hoffte abgewehrt zu haben, indessen, es widerstrebt mir, auf
dieses angreifbare neben werk pedantisch rote tinte zu verspritzen,
lieber heb ich hervor« dass die notizen über Grimroelshausens leben
in der zweiten aufläge viel wertvoll neues enthalten, das den lebhaften
wünsch erweckt, K. möchte bald noch mitteilsamer werden.
Nur über die partien ties textes noch einige worte, die sich
unmittelbar auf den kern des werkes, auf die illustratiooen selbst
beziehen. mnSchst ein allgemeines bedauern : K. bat laut vorrede
dieser zweiten ausgäbe, Soweit es sich nicht um ältere handschnflen
handelt 1, die orte, wo sich die gebrauchten originale befinden,
nicht mehr hinzugesetzt' : er hofft dadurch lu veriuudcru, dass
man ihn ausplündere, ohne ihn lu nennen, wie sollte ich die
grollende aufwallung berechtigteu unmuts nicht verslebul aber
der Unmut soll doch nicht leiten« wo wissensclttfllicbe dinge in
Orage kommen, ich fUrcbte, die plagialoren wird K. docb nicht
bindern, ernsthaften benutzem aber macbt er das leben unnlHig
schwer, und vielleicbt sieb selbst : es wlre nur eine waUrcrdienle
strafe« wenn er mit fragen nbcr fragen drangsaliert wtrie. lat-
sftcbbcli ist den fundort lu kennen wicblig. selbst «u es sieb
UM gani verbreitele drucke des vorigen
KÖNNECKE BILDEEATLAS 3
me onsicker sidü wir vielfach über die gleich datierteo, gleich
aesgestatteten doppel- und nachdrucke, die doch differieren! ich
habe sofort einen scrupel : s. 246 bringt (nur in der 2 ausgäbe)
*drei kupfer (von Crusius) zu Wielands Musarion, aus der aus-
gäbe TOD 1769'. von Crusius? mein exemplar der Musarion von
1769 zeigt bei zweien die deutliche, in K.s reproduction fehlende
uoterschrift : ^StO(k fec' i, und genaues zusehen überzeugt mich,
dass die platten des Biideratlas und meiner Musarion nicht identisch
sein können, wer von uns ist nun dem copisten oder gar dem^schleich-
(faracker*zum opfer gefallen (Büchner, Wieland und die Weidmannsche
bucfaliandlang s. 32)? ich glaube zunächst, die zarlere ausführung
und die Unterschrift der biider spricht für mein büchiein : die
weitere nachprüfung hindert K.s schweigen über seine quelle.
Im einzelnen dann noch folgendes zu dem engeren be-
gleitlext der biider : s. 59, bei den hss. von Wolframs Parzival,
hat K. Lachmanns chiffern D und G verwechselt. — s. 120 heifst
es von den bildern des JNarrenschiffs, dass sie 'wahrscheinlich von
AJbrecbt Dürer ... nach Brants angaben' gezeichnet wurden.
K. tritt also der bekannten, meist mit Zustimmung aufgenommenen
hypothese DBurckhardts bei. ist es nun absieht, dass er s. 115
bei dem 'Spiegel der tugend' Furterschen druckes die gleiche an-
nähme Burckhardts unerwähnt lässt? die ähnlichkeit mit Dürers
Terenzillustrationen ist hier mindestens so einleuchtend wie beim
Narrenscbiff. ich selbst bin vorläufig in beiden fällen nicht über-
zeugt. — s. 131 zeigt sich K. geneigt, Murner an der illustra-
tion seiner werke einen anteil zuzuweisen; er nimmt speciell
einen mitgeteilten holzschnitt aus dem Lutherischen narren für
ihn mit bestimmtheit in anspruch; wie denn auch Martin (Jahrb.
f. gescb., spräche ü. litt. Eisass- Lothringens 9, 107) die Zeich-
nungen zur Badenfahrt, zur Mühle von Schwindelsheim ua. in
gleicher richtung vorsichtig erwogen hat. beide gehn dabei aus
von den flotten illustrationen, mit denen Murner selbst seine nur
hsl. erhaltene Übersetzung der Weltgeschichte des Sabellicus ge-
ziert zu haben scheint, proben dieser handzeichnungen des dich-
ter» liegen jetzt aus der Karlsruher hs. in der dankenswerten
pablication des Strafsburger photographen Mathias Gerschel
(Strafsb. 1892) vor, neben dessen acht hübschen blättern mir noch
Je ein bild bei Martin aao. und bei KOnnecke bekannt ist. soweit
ich nach diesem beschränkten material urteilen darf, halt ich
Mnrners illustrative tätigkeit bei Badenfahrt und Mühle von
Sehwindelsheim für ganz unwahrscheinlich; bei der satire ^Von
dem grofsen lutherischen narren' verkenn ich nicht, dass zb. die
^ ^fec* meint meines Wissens in der regel das zeichnen und stechen,
seHoer das stechen allein, dass Stock indessen nicht ganz freischaffend ge-
arbeitet bat, beweist schon sein bildchen zum zweiten buche, das in der
baoptsache eine umzeichnung des titelbildes von 1768 ist (K. s. 245). es
steht ihm in nuancen naher als der von K. mitgeteilte (Grosiussche?) stich;
auch das erhärtet den vorsprong Stocks, wie das verhSItnis sonst auch liegcf.
4 GERSCHEL MURNERS UANDZBICHNDNGEN
Stellung des neunten bundesgenossen (Luth. narr I 3*) an die
des hirten auf Gerschels 1 blatt erinnert, dass die Haltung von
Schwert und lanze des bundeshauptoianns (Luth. narr 0 3*) ent-
fernt an den mörder Lucretias bei Gerschel hl. 3 anklingt, dass
hie und da in der gestalt der bauwerke, des türbeschlags (Lutb.n.
a 4^ Gersch.7), der knültel (Luth. n. L 1' 4* ö., Gersch. 1. 7) und
sonst ähnlichkeiten auftreten, der gesamtcharakter aber der sicher
Murnerschen Zeichnungen scheint mir entscheidend zu differieren:
Murner liebt kurze, rundlich gekritzelte linien im baumschlag,
der oft geradezu wollig aussieht, und in den wellen (?gl. Gersch. 5
mit Schwind. A4'' D 2* 3* El*'), im fallenwurf der kleider, in
der Zeichnung nackter körper; auch seine gestalten sind rundlich
kurz; selbst seine *tore ((.ersch. 2. 4. 6) heben sich durch breite
und niedrige rundung von den höhern und schmälern toren im
Luth. narren (L 4* N 3**) deutlich ab; eben so fehlen diesem die
runden kuppeln der türme (Gersch. 2. 4), das geringelte haar
(vgl. Daniel und seine lüwen Gersch. 6, den richter bei K., deo
könig Gersch. 6 gegenüber Luth. narr F 2^), gewisse hutformen
Murners; umgekehrt zeigt der Luth. narr stets gewundne, die
Sabellicusbilder stets gerade parierstange (Gersch. 2. 3. KOnn. ;
Luth. n. G 2* I 3*? 0 3* 4" P 1** X 1»); in der archileclur der
zehn Murnerbilder fand ich kein fachwerk mit schrägbalken an-
gedeutet wie öfter in der Mühle und im Luth. n. usw.; schon
die abweichung des formais, in den drucken mehr hoch als breit,
in den hss. ziemlich quadratisch oder in kreisrunder medaillon-
form, ist charakteristisch für den zuschnitt der bilder. liegen den
genannten drucken Murnersche entwürfe in der art der Sabellicus-
illustrationen zu gründe, nun, dann hat der holzschneider so
scharf und selbständig eingegriffen, dass Murners anteil kaum viel
gröfser sein würde, als Mulher, Dehio uaa. ihn bei SebBrants
illustrierten werken dem autor zuweisen, ich muss darauf gefasst
sein, dass die übrigen mir unbekannten Murnerschen Zeichnungen
mein resultat alterieren; jedesfalls spricht mir K. viel zu be-
stimmt. — s. 160 stellt der links stehnde kupferstich Sichems nicht
'Faust und Auerhahn', sondern natürlich Christoph Wagner mit
seinem geiste Auerhahn dar, wie das auf dem bilde richtig zu
lesen ist; es hat würklich als titelbild des Wagnerbuches gedient. —
das titelbild des Finkenritters s. 162 ist aus Wickrams Lofsbuch
(bl. D 4^ der ausgäbe Mühlhausen 1564) entnommen, wohin es
denn auch besser passt. vgl. noch Luth. narren N 3^ — die
allegorie, die den freiherrn von Canitz an der seite seiner muse
darstellt, s. 204, entnahm K. Königs ausgäbe der Canitzschen
gedichle von 1750; als autor nennt sich SPokke, Amsterdam
1746. er gibt aber anscheinend keine originale leistung, sondern
zeichnet nur das ältere blatt der Dresdener künstlerin AMWernerin
um, das, von Wolffgang in Berlin 1726 gestochen, schon der ersten
ROnigschen ausgäbe von 1727 beigegeben ist; die Wernerin ist
KONNECKE BILDERATLAS 5
auch sonst wohl bekannt, hat zb. für Breitkopf gottschedische
werke künstlerisch versorgt und von dem dankbaren dichter die
aoerkennung geerntet : 'wir würden nichts von dem Apelles lesen,
War eine Wemerinn in Griechenland gewesen', — CAKlotzens por«
trat ^. 233 beruht nach einem exemplar des Slockschen Stiches,
das sich auf der Göttinger univ.-hihl. in Conradis Sammlung
*Acadeinia Georgia Augusta Iconihus lllustrata' befindet, auf einem
gemälde von Rosenberg in Halle. — s. 268 heifst es, der original-
druck der * Poetischen gedanken über die hOllenfahrt Christi' iu
den Frankfurter 'Sichtbaren' sei verschollen, das ist unrichtig:
das Goethearchiv besitzt ein exemplar aus Goethes nachlass, und
ein facsimile des Stückes wäre jedesfalls angebrachter gewesen als
die Dachbildung des schwerlich goethischen ehrengedichts auf
Corona Schröter. — nach s. 291 will Paläophron die Neoterpe
ausbuDgern 'und hat zu dem zwecke sie eingemauert', nein, so
grausam ist Paläophron nicht : K. interpretiert das niedrige mäuerchen
des bildes falsch, das nach Goethes ausdrücklicher angäbe lediglich
ein asyl bezeichnet, also Neoterpe symbolisch schützt, nicht gefangen
halt. — für das wenig sympathische bild Graffs s. 347, das nach K.
Corona Schröter darstellen soll, darf diese deutung in keiner weise
als gesichert gelten (Vogel, GrafT s. 54) : künftig wird besser das
liebliche selbstporträt oder allenfalls auch Kraus gemälde von 1785
an seine stelle treten; Thons bild kenn ich nicht. —
Nun aber zur hauptsache. das Schwergewicht des werkes
ligt mir in der vielsagenden geschichte der bücherausstattung
and -illustration, die sich ohne worte aus der folge gut ge-
wählter beispiele heraus uns ergibt : besonders deutlich seit den
anfangen des druckes. sehr mit recht hat K. wenigstens bis auf
unsre classiker hin die gleichzeitigen illustrierten ausgaben be-
rücksichtigt : auffassung und geschmack der zeit, die würkung
des dichters aof die anschauung, die besondern neigungen des
publicums werden durch die zeichnerische ausführung der motive,
durch die wähl der dargestellten scenen oft schlagender erhellt
als durch manch gesprochenes zeitgenössische urteil ; schon reich-
tum oder dürftigkeit, anmut oder strenge der äufsern ausstattung
lassen auf exclusive oder allgemeine beliebtheit, auf die beteiligung
höherer und niederer kreise schliefsen. man halte nur den bilder-
schmuck vieler deutscher dichtungen des 16 jhs., die feierliche
eleganz der deutschen renaissancepoeten des 17 jhs. neben die
sparsame schmucklose gestalt der meisten gleichzeitigen lateiner:
vor der reformation existierte dieser unterschied nicht, oder man
vergleiche die prachtrüstung der sog. Volksbücher im 15 und be-
ginnenden 16 jh. mit ihren nachfolgern im 17 und 18. wer die
salonfähige Zierlichkeit Amsterdamer drucke von Opitz und Zesen,
den monumentalen pomp etwa des Heraus neben die Grefflinger,
Schoch, Schwieger uä. hält, sieht alsbald den unterschied der
leser; wie man im 17 jh. trotz einigen ausnahmen den prosa-
6 KÖNNECKE BILDERATLAS
romao tief uoter die dichtung stellte, springt alsbald in die augeo,
wenn man das äufsere der bücber an einander misst. und schon
das format erzählt gescbicbte. zur psychologie des publicums —
und sie bildet einen wichtigen teil der litteraturgescbichte — gibt
es kaum einen bessern leitfaden als die bücherausstattung : der
buchhandel bat von jeber schnell die Fühlung dafür gehabt, was
gefüllt und lohnt. K. hätte den gesichtspunct bei seiner auswahl
vielleicht noch schärfer im äuge behalten sollen : namentlich von
den schlecht ausgestatteten büchern hat er aus begreiflichen grün-
den zu wenig proben gegeben : das fruchtbare momeot wird sich
auch so jedem aufmerksamen benutzer des Bilderatlas aufdrängen.
Auch für das mittelalter war es klarer herausgetreten, wenn
K. seine handschriftenproben nicht in gar so kleinen fetzen
uns zuteilte, aus seinen facsimiles bekommt zb. kein unbefangener
leser einen eindruck davon, welche rolle in mbd. zeit die grofs-
lormatigen zwei- und dreispaltigen hss. spielen, gibt doch K.
die spaltenzahl nicht einmal regelmäfsig anl viel besser eine voll-
Seite der Vorauer, der Ambraser hs., der grofsen Heidelberger
liederhs. usw. als das halbe oder ganze dutzend vereinzelter
Strophen, deren buchstabenzeichen ohne andeutung ihres perga-
ment- oder papiergrundes randlos zwischen andres geklemmt
werden, diese randlosigkeit vieler abbildungen stört mich übrigens
auch bei den drucken. K. liebt es sehr, auch vignettenlose titel
abzubilden, ist mit ihnen zumal im 18 jh. für meinen geschmack
viel zu freigebig (so bei Herder und Schiller) : mindestens muste
dafür gesorgt sein, dass das format deutlich zu tage trete, wozu
soll zb. das facsimile des titeis der ersten Klopstockschen oden-
ausgabe (s. 226) nutzen? im original würkt das stattliche quari-
format mit seinem vielen freien weifs, bei K.s randloser repro-
duction bleibt auch nicht ein schatten von anschauung übrig,
ich verkenne gewis nicht, dass hier die raumausnutzung, von K.
mit entsagungsvoller Virtuosität geübt, oft das entscheidende wort
gesprochen hat. aber ich würde eine Verminderung der proben
gern in den kauf nehmen, wenn ich dafür mehr ganze selten er-
hielte, auch von den hss. die einrichtung zumal eines compli-
cierteren Werkes wie der Williramschen parapbrase, lässt sich nun
einmal aus einem einzelnen spaltenstück (s. 19) in keiner weise
erkennen.
Den paläographischen interessen kommt K.s buch so aus-
gibig entgegen, wie der beschränkte räum und der Charakter
des Werkes das gestattete, gleich die gotische schrift ist reich-
lich vertreten : höchstens dass von einem der Ambrosiani eine
bessere und gröfsere probe wünschenswert wäre, als Castigliones
durchzeichnung sie gewährt : man hat in Mailand ein paar blätter
so weit von der lat. Überschrift gereinigt, dass sie ein unmittel-
bar deutliches bild des gotischen untertextes hergeben, die wich-
tigsten ahd. denkmäler und schrifttypen sind, allerdings in etwas
u
KÖNNECEE BILDBRATLAS 7
ungleicher ausführung ^ vorhaDden : es hätte litterarhistorischeo
wert, weao beim Muspilli die gaoze seile der hs., oicht our die
deutsche randschrift iDilgeteiit wäre; ich vermisse ferner eiae probe
voa ahd. interliaearglossen aad ein oeumierles stück, Petnisiied,
Raodperls gesaog oder wenigstens Melker Marienlied : wie ich denn
aych weiterhin notenproben aus der Jenaer liederhs., aus dem
%Ticbtigen Kolmarer meistersingerbuche entbehre, die lateinischeD
deokmaler, die yom 10 bis ins 13 jh. eine lücke der deutschen
liiieralur Tüllen, sind nicht vergessen : nur mOcht ich für eine
probe der Cambridger iieder ein gutes wort einlegen und sähe
deo Karlsroher Waltliarius gerne durch den Brüsseler ersetzt. —
hei dem wert, den K. auf die originalschrift der dichter legt,
wuodert es mich, dass er den berühmten autograph verschmäht
hat, der zugleich Notkers des Deutschen und Eckehards i? band
ueben einander zeigt (facsimile M. SS. ii, taf. zu s. 101). — für
die zeit vom 11 bis ins 13 jh. hinein hätt ich manche wünsche.
aber die paläographie der deutschen hss. dieser zeit verdiente ein-
mal eine sonderpublication : es kann nicht aufgäbe des Bilderatlas
sein , das klaffende vacuum in unsern paläographischen hilfs-
mittein zu füllen. K. hat die Vorauer, die Millstädter, die Gör-
liizer Ava-lis., das Heidelberger Rolandslied, den Casseler Reinhard
ua. berücksichtigt : immerhin sei ihm dies und jenes einzelne
stock der Übergangszeit, etwa der Strafsburger Ezzo oder Noker,
der Merigarto, der Arnsteiner leich, das mittelfränk. legendär, der
graf Rudolf noch zur erwägung empfohlen.
Mit besondrer Vorliebe verweilt der Bilderatlas bei der eigent-
lichen mhd. blütezeit; es fehlt da nicht einmal an unbekannten
stücken, der wonne des Sammlers, ein sehr glücklicher gedauke
war es, bei einem so vielgelesnen gedieht wie dem Nibelungenlied
einmal proben aller hss. zu geben : ich hätte nur auch sie wider
grofser gewünscht und dafür auf die facsimiles derselben hss. bei
der Klage gern verzichtet, die möglichst genau abschätzenden
datirungen des umsichtigen haudschriftenkenners geben jenen
proben noch einen weitern wert : nicht alles freilich leuchtet mir
ein : dass zb. das Linzer Nibelungenfragment H erst aus dem
2 drittel des 14 jhs. stammen soll, will mir gar nicht in den
sinn, auch den führenden kunstepikern, den wichtigsten minne-
liedersammlungen geschieht ihr recht : höchstens wünscht ich eine
probe aus der Würzburger hs., dem berühmten hausbuch Michaels
de Leone^ das durch das Stückchen aus Michaels Rennerhs. (s. 75)
nicht befriedigend ersetzt wird, diese grofsen haus- und sammel-
hOcher, anthologien des lesenswertesten, sind für das ausgdinde
mittelalter so charakteristisch, dass das eine oder andre K.s auf-
^ die deckende falte auf der 2 seite des Hildebrandsliedes stört am
so mehr, als K. in der 2 ausgäbe WGrimms facsimile der unleserlichen worte
fortgelassen hat : bei Enneccerus ist es gelungnen , die falte in der nachbil-
dang fast unschädlich zu machen.
8 KÖNNECKE BILDERATLAS
merksamkeit verdient hitUe : ich erinnere nur an Dovellen- ud(I
legendensammluDgen wie die Kalocsaer und ihre verwanten, an
die hss. Teichnerscher und andrer lehrgedichte, noch an die Holl-
sche bs. : grade diese dickleibigen wälzer machen die gesteigerte
leselust höchst anschaulich, die seit dem 14 jb. in mode kommt
und sich weiter ausprägt in den immer billigeren, schlecht ge-
schriebnen und schlecht gemalten papierhss., vor denen das sorg-
fdltig behandelte teure pergament schnell zurückweicht, wenig hat
K. die geistliche prosa (meister Eckart), gar nicht die mnd. litteratur
herangezogen; auch eine probe der deutschordensdichtung wäre
willkommen gewesen, es ist merklich, dass K. sich für die aus-
läüfer der mhd. dichtung im späten 13 und im 14 jh. sehr viel
minder interessiert als für ihre höhe.
Mir trat das auch in der auswahl der handschritt Illu-
strationen entgegen, für die frühzeit und die guten tage mhd.
dichtung ist widerum wohl gesorgt : dass die schon mehrfach repro-
ducierten bilder der Wiener Otfridhs. fehlen, ist kein unglOck;
es fällt mir immerhin auf, dass K. sich den schönen Berliner
Wernher hat entgehn lassen, von dessen maiereien jetzt Vogt eine
probe mitteilt, stärker schon empfiud ich die lücke, wenn K.
sich für die viel gelesnen und illustrierten ritterromane der epi-
gonen mit den Runkelsteiner fresken und einem farbig nach-
gebildeten flandrischen teppich begnügt : bilder aus dem Leidner
Wigalois zb., dessen pracht mir Edw. Schröder jüngst noch ge-
rühmt hat, aus dem Casseler Wilhelm vOrlens, dem hannoverschen
Wilhelm vWenden wären mir daneben lieb gewesen, weil sie
directere Zeugnisse litterarischen lebens sind, und ein mangel
gradezu ist es, dass K. die illustrierten weltchroniken bei seite
lässt : es ist schlechthin üblich gewesen, die weltchronik in bilder-
schmuck zu kleiden : noch über die zahlreichen erhaltnen bilder-
chroniken hinaus zeugen für den geschmack des publicums die
in bildlosen hss. für bilder frei gelassnen stellen (schon in hss.
der Kaiserchronik, der Steir. reimchronik usw.) : Murner folgte
in seinen Sabellicusbildern geprägter tradition. für das geschichts-
werk Rudolfs vEms konnte etwa Cassel, für die Sächsische welt-
chronik Berlin geeignete bilderproben hergeben, auch bei Boner
und namentlich bei Mandeville, dem vertreten der gleichfalls
häufigst illustrierten reisebeschreibungen , hätt ich heber hand-
schriftliche bilder als holzschnitte gehabt : ich verweise zb. auf den
Basler Boner, auf den Stuttgarter cod. poet. fol. N 4, der neben
einem deutschen Mandeville auch Wissenheres gedieht von Heinrich
dem Löwen illustriert enthält, von den in rechtshss. üblichen bildern
gibt K. karge beispiele. ständige illustrationsserien pflegen ferner
die Schachgedichte zu bringen, auch der totentanz hätte eine probe
verdient : hübsche federzeichnungen sah ich in der Münchner
hs. Clm. 3941, die einen in verschiedner hinsieht interessanten
deutschen totentanz birgt, über den ich bald einmal zu handeln
KÖMNECKE BILDERATLAS 9
hoffe, der überquellende bilderreichtum , der sofort mit dem
drucke zu tage Iritt uod da auch bei K. uns veranschaulichl wird,
bat schon die bss. des 15 jbs. in ähnlicher weise belebt : auch
eigeotlicbe bildergedichte, wie sie der druck des 16 jbs. so liebt,
sind dem mittelalter keineswegs mehr fremd gewesen, der bolz-
schnitt trat unmittelbar das reiche erbe der fabrikmäfsigen colo-
Herten handschriftenbilder an und trägt die nachwürkungen der
herkunfl noch eine ganze weile zur schau in der neigung zu
naGhträglichem austuschen (so in frühen bibeldrucken, im Theuer-
dank usw.). ich sähe diese wichtige , spätmittelalterliche band-
scbriftenillustration bei K. gern etwas reicher, am besten auch
Id ein paar farbigen proben uns vorgeführt.
Den glanzpunct des Bilderatlas bilden die drucke des aus-
gehndeo 15 und 16 jbs. : romane und Volksbücher hohem und
tiefern ranges, fliegende blätter, bilderbogen und bildergedichte,
flugscbriften, Zeitungen, historische und andre neue lieder. Geiler,
Brant und Murner, Luther, Hans Sachs, Wickram, Fischart, alles
reich und gut vertreten. Muthers stofTreiches werk hatte hier
freilich die wege bereitet, aber K. weifs auch eigne pfade zu
findeiu alle billigen wünsche werden befriedigt, in der reihe
der ▼olksbücher sähe ich gern noch den 'Bruder Rausch', neben
dem gedruckten Theuerdank, dessen holzschnitte auch den spätem
ausgaben des romans von Pontus und Sidonia (so 1548) zu gute
kamen, durften die für die entstehungsgeschichte so entscheidenden
Wiener bss. berücksichtigt werden : handelt es sich da doch um
ein wichtiges stilistisches und metrisches phänomen. vielleicht
fände sich ferner noch platz für eine Manuelsche Zeichnung, etwa
zu dem spiele von papsts und Christi gegensatz. auch sonst
boten — und damit stofs ich auf eine fühlbare schwäche der
K.scben auswahl — die massen der reformationsstreitschriflen, die
K. kaum berücksichtigt, das schönste material an charakteristischen
darstelluDgen. ich denke etwa, um rein beim poetischen zu bleiben,
an Mychael Styfels vEsslingen gedieht 'Von der christfOrmigen
leer Luthers' : darin ein Lutherbild mit heiligeuschein und nieder
schwebender taube, im contrast dazu vielleicht die carricatur in
Emsers versen *Der Bock tritt frey auff disen Plan' (1525), wo
Luther als schnauzbärtiger roher kriegsmann figuriert, dem ein
geflügeltes teufelchen ins ohr flüstert : Emser sollte so wie so
nicht ganz fehlen, oder Hans Heinrich Freiermuts ^Triumphus
Veritatis', der im hauptbild den üblichen renaissancetriumphzug
darstellt : Salvator auf dem prunkwagen, den Carlstat kutschiert,
Luther palmenschwingend begleitet; während auf dem titelblatt
Gott den papst in den abgrund stürzt, der holzschnitt bildet da
Oberall eine kräftige stütze der polemik, das sinnlich geschaute
hilft den sinnlichen menschen des 16 jbs. überzeugen, so ver-
stärken teufelsfratzen denn auch gerne die grotesken mahnungeu
der teufellitteratur, die bei K. nicht begegnet, auch aus der
10 KÖ?INECKE BILDER ATLAS
Wappen-, pritschmeisler- und heroldsdichlung fand ich bei ihm
gerne diesen und jenen beleg : die verbreitele gattuag wurzelt
übrigens mit ihren bildern ebenfalls schon in der mittelalter-
lichen handschriftenillustratioo. die neulaleiner, die zahllosen
gesanghücher und deutschen psalter zeigen, dürftig ausgestattet,
selten etwas typographisch oder illustrativ bemerkenswertes: immer-
hin kamen illustrierte Encomia urbium, kam der psalter des Me-
lissus, die hohen schmalen gesangbuchformate des 17 jhs., die
eleganten mystischen stiebe der Sudermannschen ^Hohen geist-
reichen lehren' (Frankf. 1622) uä. in betracht.
Vom 17 jh. an gewinnen, bei K. die porträts ein wachsendes
übergewicht über die druck- und illustrationsproben. die emble-
matisch und allegorisch reich stilisierten titelbilder des 17 jhs.
bringt der Bilderatlas in fülle; gewünscht hätt ich etwa eine
probe aus Harsdörffers Frauenzimmergesprächspielen, von des He-
raus monumentaler würde und dies und das aus den zt recht
apart ausgestatteten Zesenschen büchern : namentlich vermiss ich
ganz die eleganten Amsterdamer drucke, für die wichtige emble-
matische poesie durfte etwa Zinkgref-GrefTlingers werk eintreten,
der westphälische friede hat allerlei festgedichte gezeitigt, die
durch Clais Irene mit ihren prunkenden festbiidero repräsentiert
werden mochten, für das epos sei Hohenbergs illustrierter Ottobert
;;enannt. die minder vornehme unterhaltungslitteratur in versen
(zb. die Geharnischte venus, der Unhöfliche monsieur Klotz, der
Deutschfranzos mit seinen scberzbildern, die gesellschaftslieder) und
roman (aventuriergeschichten, robinsonaden, schwankbücher) sollte
stärker zur geltung kommen i. aber dem vorhersehenden orna-
mentalen und architektonischen kupferstich niederländischen ge-
schmacks wird K.s aus wähl unzweifelhaft trefflich gerecht, und
sie greift immerhin weiter.
Mit dem 18 jh. fangen die titel mehr und mehr an, ihren
prachtvoll umrahmenden decorativ-malerischen bildschmuck zu ver-
lieren ; mehr und mehr gehts auf eine rococovignette zurück oder
selbst die fehlt, so hätt ich viele der von K. mitgeteilten titel-
blätter gern entbehrt : die armut braucht nicht massenhafte belege,
doch verdiente das Vorbild des Wandsbecker boten mit seiner be-
ziehung auf Werthers leiden wol die aufnähme. — was die innen-
illustration betrifft, so zeigt K. eine liebenswürdige, aber ailzu-
einseilige verliebe für Chodowiecki : Geliert, Gleim, Lessing, Nicolai,
Jung-Stilling, Rousseau, Bürger, Voss, Miller, Iffland, Pestalozzi,
Weifse, Hermes, Hippel, Blumauer, selbst Goethe und Schiller
wird uns durch Chodowiecki illustriert, der doch mindestens bei
Hermann und Dorothea schon wie ein grober anachronismus
würkt, während er allerdings der rechte mann war für den Auf-
kläreralmanach, für die populär berlinische auffassung Friedrichs
^ auch aus Christ. Reuters dramen La maladie et la mort und nament-
lich Graf Ehren fried liersen sich geeignete bilder gröberen Schnitts gewinnen.
KÖNNECKE BILDERATLAS 11
des Grofeen, Für Schmidt -WeroeucbeDS rOlirendes behagen im
engeo, für die Musen und grazieo in der Hark : grade diese tyfyen
Chodowieckischen geistes durften stärker hervortreten, sonst aber
ward ich mehr Wechsel empfehlen, die erste aufläge brachte bei
Geliert noch JHMeils Grünen esel : in der zweiten ist auch er dem
alleioberscher gewichen, und Gellerts dritter illustrator, der glück-
liche zeichDer und radierer BRode, ist, so viel ich sah, im Bilder-
atlas Dur bei Bamler vertreten, wo er denn freilich in dem bilde
RaiDlers mit der muse ein reizendes Stückchen blutiger, wenn auch
oogewollter carricatur geliefert hat. Bolt und Lips tauchen auf,
verfaaltoismäfsig selten, und zu Wieland gehörte Oeser, in der
widergabe seines Schwiegersohns und hauptstechers Geyser, ganz un-
umgänglich, zwar mit Oesers Zeichnungen zum Neuen Amadis war
der dichter, so hübsch sie sind, nicht zufriedeu. um so einiger war
alle weit darin, dass die 'grazien, wie Wieland sie schreibt undOeser
sie zeichnet', in liebreizender harmonie zusammenstimmten, und das
litelblatt der Grazien von 1770 empfahl sich für den Bilderatias
iinn so dringender, als es vielleicht das älteste publicierte porträt
Wielaods enthält ^. wessen medaillon wenigstens sollte die hintere
^razie sonst hocbhalien? die dargestellte scene (s. 75 0 gibt keinen
aohalt, und es ist um so wahrscheinlicher, dass Oeser da dem
vater der Musarion ein zierliches compliment erwies, als sich die
beiden eben juni 1770 in Leipzig kennen gelernt hatten, eben-
dort liefs sich Wieland in miniatur malen (Ausgew. briefe u 379),
vielleicht von Oesers schüler Füger; mir scheint die ähnlichkeit
des Oeserschen medaillons mit dem erst 1773 publicierten porträt
FOgers (Würtembg. vierteljahrshefte f. landesgesch. 2, 4) frappant,
sowie man sich die perrUcke fortdenkt, die in dem antikisierenden
medaillon nicht angieng. — und Füger wünschte ich noch einmal
im Bilderatlas zu haben : wurden Rambergs Zeichnungen zu den
Abderiten aufgenommen, so sollte eins der schönen Fttgerschen
Messiasbilder aus der parallelen GOschenschen Prachtausgabe Klop-
Stocks nicht fehlen, die Matthissonillustration pflegt dem poeten
iostnictiv gemäfs zu sein, auch die bilder der uuendlich gelesenen
ritter-, rauher -und geistergeschichten und -dramen sollten noch das
eine oder andre abschreckende beispiel liefern : die einzige probe aus
Spiefs (K. s. 328) ist ja in ihrer art grell genug und der Sternen-
himmel, der nahe kirchhof, das gerippe recht stilvoll : aber doch,
ohne ritter in costüm, ohne wollüstigen pfaflen, grade noch gerettete
Jungfrauen, einen echten geist ists nicht das wahre : ich empfehle
etwa die Vignette zum zweiten bände des Uasper a Spada : kerker,
zwei gepanzerte, ein wahnsinniges weib auf stroh, ein gerippe im
hinter^runde, und dazu die Unterschrift : Das ist meine Mutter!
und das ihr Schänder! wem läuft es da nicht kalt über den rücken ?
Mit dem 19 jh. nehmen porträts und namenzüge bei K.
' es ist natürlich druck- oder Schreibfehler, dass K. s. 272 Goethes
zeichuoog voa Wielaod auf 1762 datiert : richtig war 1776.
12 KONNECKE BILDERATLAS
der Illustration jeden räum, auch m titelbilde sind, abgesehen
von Goethe und Schiller, nur noch die Kinder- und hausmärcben
vertreten; selbst des knaben wunderhorn bekommen wir nicht
leibhaflig zu sehen, schade, bitter schade schon für Brentano, der
sinn hatte für hübsche und drastisch würksame titelblätter, dem
obendrein an Steinle ein congenialer illustrator zur seile trat, wie
vortrefflich kennzeichnen ferner etwa FrTiecks Zeichnungen zu
vdHagens Heldenliedern jene romantische aufTassung des roittel-
alters, wie sie Fouque gewis für eine wissenschaftliche errungen-
schaft hielt, grade das 19 jh. hat zunächst seine besten in den
dienst der dichterillustration gestellt : wer hat sich nicht am Faust
versucht von Carstens und Cornelius an; für die Düsseldorfer war
die gleichzeitige dichtung lange die fundgrube ihrer besten Stoffe;
sie haben den würkungen der poesie redlich geholfen, es wäre
hübsch, wenn davon auch bei K. etwas durchschimmerte : da be-
stehn geistige zusammenhänge, die für uns nachlebende zu er-
kenntnisquellen werden, allermindestens aber wird künftig im
Bilderatlas zu tage treten müssen, wie Ramberg höchst unwürdig
Chodowieckis erbe antrat, schonungslos und geistlos alles ver-
illustrierend und doch die lust seines publicums : auch VHSchnorr
von Carolsfeld, Opitz, der illustrator der Bezauberten rose gehören
in diese Sphäre, und die süfsen, allzusüfsen frauenköpfchen der
Vergissmeinnichte, Rosen und wie die almanache alle heifsen,
braucht es notwendig, um ganz zu erkennen, was dem leser der
zwanziger und dreifsiger jähre wol gefiel, 'leser, wie gefällst du
mir?' ich widerhol es, die gleichzeitige dichterillustration ist ein un-
schätzbares hilfsmittel zur historischen erkenntnis des publicums,
und es verdient vollen dank, dass K. das thema wenigstens an-
gebrochen hat : hoffentlich erleben wir einmal eine geschichte der
bücherillustration, die, nicht auf die technisch-bibliographische
erörterung einer kurzen periode beschränkt, den litterarhistorischen
ertrag des ihemas in vollen garben einzuheimsen versteht i.
Auch die ideale maske, die der dichter gern einmal an-
zulegen liebt, wechselnd mit zeit und geschmack, lugt in den
titelbildern oft hervor : dem neuen prunk des gekrönten poeten
tritt zu ende des 15 jhs. der narr und schelm gegenüber; der
harfende Judenkönig schmückt gern die modernen geistlichen
psalter des 16 und 17 saeculums und hat bekanntlich auch unter
den meistersingerischen emblemen einen ehrenplatz gefunden; im
17 kommen weiter gott Pan mit seiner flöte und die schäfer, dann
die Satyrn an die reihe; hier und da folgt Anakreon und Tyrtäus,
aber auch die ungezählten amoretten, die seit der anakreontik zu-
mal auf den titeln herumflattern, fügen sich in diesen Zusammen-
hang; ein leuchtendes beispiel endlich sind die barden. auch diese
^ die flüchtigen bemerkungen Wilkowskis (Zs. f. bücherfreunde l,401fl)
können naturlich auch uicht als der bescheidenste ansatz zur lösung der
aufgäbe gelten, die mir vorschwebt.
K0?(N£GKE BILDERATLAS 13
wandlungeD yeraaschaulicht K. meist, aber der 'christliche ritter'
(zb. vor RiDgwalts Teutscher Wahrheit) gehört auch io dies ca-
pitel, und ich yermisse entschieden den wunderlichen, aber für
die deutschtümelei der Nürnberger bezeichnenden altdeutschen
'Witdod', der, von UarsdörfTerschen versen erklärt, vor Clais Lob-
rede der teutschen poeterey abgebildet ist. ich moniere ferner
Heils kupfer zu Gleims Grenadierliedern; nicht nur der barde
Ossian, auch der barde Kretschmaun-Rhingulph (Lpz. 1769) war
UDS yorzustellen ; das titelbild zu den 'Romanzen der Deutschen'
(Lpz. 1774) lehrt drastischer als worte, wie sich Gleim und con-
sorteo, auch wol noch Bürger, den echten volkstümlichen romanzen-
Sänger dachten (vgl. auch Klenze Kom. romanzen s. 11); aus dem
Rafaelkopf der Wackenroderschen Herzensergiefsungen sprechen
die idealen träume des kunstliebenden klosterbruders mit der
schwärmerischen inbrunst ihres autors. das realistische bild einer
meistersingersitzung, das K. s. 152 aus einer Hagerschen (nicht
^Hagert'schen) hs. bringt, wird prächtig ergänzt durch die beiden
jetzt verlorenen idealgemälde aus dem besitz der Strafsburger
siogschule, von denen uns Lobstein zum glück abbildungen er-
halten hat (Martin Die meistersänger von Strafsburg, Strafsb. 1882) :
das eine zeigt uns die 12 alten meister im kreise, zumeist in
bürgerlicher tracht (in ritterlichem waffenschmuck nur Walther),
io ihrer mitte die biblischen dichter David und Salomo, über ihnen
die accompagnierenden himmlischen heerschaaren ; das andre führt
uns in das rund der würklichen Strafsburger Sänger, im hinter-
gruode ihre Stadt, unverkennbar dank dem münster : aber auch
roitteo in diesem realeren mittelstück zwei schwane im weiher,
Sinnbilder des gesangs, und drüber wider der himmel offen, den
hier ein orchesier harfender könige im purpur bevölkert, unten
der tiere bezähmende Orpheus ^ ich rühre die saite nur an:
gerade beim künstler sind derartig idealisierende bilder vielleicht
lehrreicher als bare würklichkeit.
Im gründe gehören auch die bilder der minne-
liederbss. in diesen kreis oder in den kreis der gedicht-
iilüstration. porträts sucht da niemand; hie und da sind scenen
aus den liedern dargestellt, sehr selten aus der realen, geschicht-
lich bezeugten biographie der dichter : im ganzen tritt uns ein
verschöntes und stilisiertes idealbild ritterlichen und gesellschaft-
lichen lebens entgegen, wie es sich dem maier aus der poesie
ergab, aus epos und lyrik : gewis ebenso gut dichtung als wahr-
heil (vgl. nur Jac. vWarte, Kraus nr 20); ein Jahrhundert hatte ge-
nügt, um die hohe biüte ritterlicher kunst in die befreiende ideale
ferne zu rücken, immerhin hatte der maier mit der technik
dieser dichtung noch fühlung genug, um uns über manches
^ Tgl. auch dea ätiDlich symbolisiereDden Iglauer postenbriefJoh. Waid-
hofers, den schon vWolfskroD im 7 bde d. Schriften der bist. slat. sect. d. mähr.
geseUsch. (Brunn 1854) publicierte and jetzt auch Nagl-Zeidler s. 520 f mitteilen««
14 KÖ?(^ECKE BlLDEaATLAS
nufsere ao der poetischen praxis der minDesinger aufzukläreD.
K. hat die hilder aus C, die er teils io grofsen schönen farben-
biättern ^ , teils , und das meist , nach stark verkleinerten Photo-
graphien bietet, anscheinend nach dem berühmten namen aus-
gewählt : aber reich genug, um auch so gewisse Stadien der ent-
dtebuogsgeschichte eines gedichts zu veranschaulichen, so dictiert
Reinmar vZweter (K. s. 66) ins concept, dh. auf die zusammen-
klappbare wachstafel, in der fehler noch durch auslöschen be-
hebig zu beseitigen waren; Gottfried vStrafsburg (K. s. 57) list
aus dem diptychon vor, Heinrich vMorungen (K. s. 55; vgl. auch
B Pfeiffer s. 89) Uberlifl in ihm wol das fertige stUck (ebenso
Gliers Kraus nr 28). die Übertragung von der wachstafel in die
reinschrift, auf das teure pergament mag Reinmars vZweter
schreiberin neben dem Schreiber andeuten; ein dictat direct auf
pergament scheint Bligger vSteinach zu zeigen (Kraus nr 58, fehlt
bei K.). dass man auf den langen pergamentstreifen der länge nach,
nicht quer schrieb, erhellt, deutlicher als hier und als Kr. nr 123,
aus dem bilde Eberhards vSax in C (Kraus nr 21), das K. künftig auf-
nehmen sollte, diese langen streifen sind in C und noch fester in B
die typischen begleiter der dichtenden, nachdenkenden, vorlesenden,
huldigenden Sänger (vgl. im Bilderatlas Reinmar den alten s. 29^
Neifen s. 67) ; gleich kaiser Heinrich ist in BC so als dichter
gekennzeichnet; Hausen führt solchen streifen in B auf der kreuz-
fahrt bei sich (K. s. 30), Walther in C auf seinem steine usw.;
Veldeke handhabt ihn in B unter dem vOgel durchflatterten bäume
(K. s. 53). dies letzte bild ist auch darum so interessant, weil
es zu beweisen scheint, dass der streifen an einem stab befestigt
wurde, wol um ihn herum zu rollen, solche Stäbe sind in C
nirgend deutlich; in B aber auch bei Bligger (Pfeiffer s. 31) und
namentlich bei Dietmar von Aisi (Pf. s. 33), der obendrein einen
umrollten slab in der andern band trägt und mit einem kOrbchen
voll solcher zusammengewickelten schriftrollen durchs land zieht^
ein wichtiges abbild des fahrenden, der ein kleines repertoir mit
sich führt : K. s. 28 bringt Dietmars bild leider aus C, wo, bei
unzweifelhafter grundverwantschaft, das in B rein erhaltene Ur-
bild misverstanden und Dietmar zu einem krämer gemacht wird:
das korbchen mit den schriftrollen ist aber auch da gerade noch
erkennbar geblieben, die geringe höhe der streifen bei unge-
heurer breite wird auf den bildern stark übertrieben sein, eine
art parallele gewährt immerhin das briefformat der zeit : was ich
von ältesten deutschen briefen in den originalen aus dem Düssel-
^ das bild Neidharts steht technisch kaum zurück hinter der ent-
sprechenden farbentafel, die Schönbach im 1 bände der 'Geschichte der
Stadt Wien* (Wien 1897) publiciert hat. ich mache aber auf das schöne
werk um so mehr aufmerksam, als es, dem germanisten zunächst fernliegend,
noch weitere prächtige farbenreproductionen bietet : Reinmar den Alten und
Waltber aus B, Ulrich vLicbtenstein und den Tanobäoser ans C farbige
nachbildongen aus C bringt auch vOechclhäuser Miniaturen d« Heidelb. bibL n.
KÜN^iECKE BILDEBATLAS 15
dorfer archiv gesehen habe (vgl. SteinbauseD Privatbriefe i 2 fl),
erwies mir das Übergewicht der breite über die höhe gutes-
teils greller als die briefprobe bei K. s. 81 und steht zt. kaum
mefcr ab tod den gemäfsigtereo proportioDen, die in den streiten
Kilchbergs (Kraus nr 12), Wiotersteitens (Kraus nr 36), Obero-
burgs (Kraus nr 116) zu tage treten, der brief, den Hadlaub
(K. s. 79) seiner dame ans kleid heftet, wird ein gefaltetes perga-
meotblatt meinen; briefe ähnlichen kleineren formats kommen, zt.
^esie^elt (Kraus nr 51. 101. 123), noch oft in C vor (Kraus nr 38.
52. 66. 88, an pfeilen befestigt nr 54. 84); die Uitigkeit Rudolfs
des Schreibers (Kr. nr 123) zeigt die Verwandlung des laugen perga-
meots io den brief mit alier wünschenswerten evideuz. endhch
fehle in den C-bildern auch die buchform nicht ganz, die gewis
nicht für das einzelne lied, sondern höchstens für die lieder-
sammlüog in betracht kam : jenem entspricht der streifen, dieser
et^t das buch, doch Konrad vWUrzburg dictiert (K. s. 71) direct
in ein buch, vielleicht ein symbol des epikers; auch bei Alram
vGrefteo (Kraus nr 104) erscheint die uns geläufige buchform in
deo hünden eines liebespaares , das etwa einen liebesroman list;
der Schulmeister von Esslingen dociert natürlich aus einem würk-
licheo Schulbuch, und Bucheim (Kr. nr 91) führt das buch nur im
redenden wappen. möglich also immerhin, dass alle diese bücher
^Di dem niinnesang nichts zu tun haben. —
Auf keinem gebiete der litteraturgeschicbte ist die kenntnis
des üufseren, zuständlichen wichtiger und fruchtbarer als für
drama und theater : die bühnenverhältnisse würken bei gesunder
beziehuDg des dicbters zur bühne unmittelbar auf die dramatische
tecbnik und umgekehrt. K. hat mit recht namentlich in der
zweiien aufläge wertvolles material zur entwicklung von bühne und
Schauspielkunst zusammengebracht, auch dies gröstenteils wider
aus der bucbilJustration, aber doch erheblich darüber binaus-
greifend. so verwertet er gleich die bekannte Xantener plastische
scene von der Verhöhnung Christi als nachwürkung eines bttbnen*
bildes des 15 jhs. gewis mit recht I aber noch aufklärender für
den engen zusammenbang zwischen bildender kunst und bühne
waren mir doch lalelbilder, wie sie Froning (DNL 14, 338) uns aus
dem städtischen museum zu Frankfurt commeniireud mitteilt, von
cosUlnen und scenenbildern des 16 jhs. geben einen guten be-
griff die zahlreichen bolzscbnitte, resp« federzeich nungen, die K.
ans Gengenbacbs Goucbmat (1516), vor allem aber ans Rueffscben
dramen (1535—45) aufgeuommen hat. dass hier mindestens teil-
weise abbilder der würklichkeit vorliegen, wird für Rueffs hsl.
illostrierten Weingarten gestützt durch K.s hübsche beobachtung, dass
(he frauen der Zeichnungen deutliche männergesichter haben, ent-
sprechend dem brauch, frauenrollen an männer zu geben, übrigens
hai auch Rueffs Schaffhauser landsmann, der bekannte maier To-
hias Stimmer, die liguren seines kleinen ehelustspiels (1580) in
16 KÖIHNECKE BILDEBATLAS
die hs. IiineingezeichDet, und Bächtold Gesch. d. Schweiz. litt,
aom. 102 erwähnt eine illustrierte hs. von Christ. Murers 'Ec-
clesia Edessaena'. diese dramenillustration geht indes nicht etwa
von der Schweizer Volksbühne aus. sie scheint gelehrten her-
kommens; stecken doch die ältesten in Deutschland auftauchen-
den beispiele solcher scenenbilder, wie K. wohl weifs (s. 91), in
Terenzdrucken ; dazu dann, hauptsächlich aus Grüningers Terenz-
ausgäbe (Strafsb. 1496) bilder entlehnend, die gleichfalls bei
Grüninger gedruckte 'Tragoedia de Turcis et Soldano' Lochers von
1497. aus dem Ulmer Terenz nimmt K. ein bild auf, nicht aus
dem Strafsburger oder aus Locher, offenbar weil deren illustra-
tionen ihm durch ihre mittelbare oder unmittelbare franz. her-
kunft verdächtig waren, mir ist der nach K. benutzte Lyoner
Terenz von 1486 nicht zugänglich, indessen die humanistische
schulcomoedie hat nun einmal etwas internationales, das merk-
würdige, ein thealrum darstellende titelbild des Terenz von 1496
(zwei ränge mit Zuschauern Über der bühne) ist unter allen um-
ständen kennenswert, und, wenn der Übersetzer des Strafsburger
Terenz noch 1499 kaum an die bühne dachte (Mitteilungen f.
erziehungsgesch. 3, 20), Lochers Tragoedia wurde im jähre ihres
druckes würklich zu Freiburg aufgeführt, das gibt ihren zu-
sammengestöppelten scenenbildern doch ein gewisses interesse,
zumal da sie, aus schmalen holzstöcken combiniert, eine cou-
lissenartige andeutung der scenerie enthalten : so etwas konnte
vorbildlich würken. und in die gleiche humanistisch -gelehrte
Sphäre weist weiter die 'Comedia welche jn dem Königklichem
Säle tzü Pareifse .... gespylt worden' (1524), der tendenziöse
bericht über ein angeblich vor dem französischen hofe aufge-
führtes reformationsspiei ; es zeigt im druck die kleinen holz-
schnitte der dramatis personae Reuchlins (mit langem bartl),
Erasmi, Hultens, Luthers, des papstes; mag es mit der aufführung
stehn wie es will, die ügürchen entspringen doch der flction einer
scenischen darstellung, natürlich durch gelehrte leute^
Von der meistersingerbühne haben wir leider nichts bildliches,
von den englischen comödianten sehr wenig : erst in der 2 hälfte
des 17 jhs. treten wider reichere bühnenbilder auf (K. s. 198.
200 f). ich verweise K. noch auf das anschauliche bildchen vor
Claufs prosaischer Cidübertragung (Strafsb. 1655). von ChrWeises
bühne gibt der titei der 'Liebesalliance', den Fulda (DNL39,xxiv)
abdruckt, allerdings ebenso wenig einen sichern begriff, wie etwa
die allegorische scenerie in Menantes 'Theatralischein gelehrten
und geistlichen gedicblen' (Hamb. 1706) von der damaligen Ham-
burger theatereinrichtung. dagegen konnte K. für die unglaub-
4iche Üppigkeit, die schrankenlose scenische pbantastik und die
gewaltigen technischen ansprüche und effecte der oper auch in
^ noch Harsdörffers 'VernuDftknnst' (Frauenzimmergesprächspiele bd ▼)
-fuhrt die handelnden personen über den einzelnen scenen als initialbildchen vor.
KÖ^INECKE filLDERATLAS 17
Deutschland manch überraschendes und leidlich authentisches
bahnenbild gewinnen aus den von Math. Küsel gestocbnen biidern
Burnacinis fltr die Wiener oper. neben reizvoll verwegenen extra-
▼aganzen der tollsten barockarchitectur ein aufgebot aller ele-
mente : ein brennendes zelllager; ein flammenmeer, das sich über
eine statuenwimmelnde prachtstadt mit Semiramisgärten auf den
weiten sflulenterrassen heranwälzt; ein höUenrachen, aus dem lo-
dernde städle und seen hervorglühn; die unterirdische höhle des
Aeolus; der ganze Olymp in den lüften; prächtige wolkenschlösser
und wolkensäle; PhObus, sein sonnengespann über den himmel
lenkend; ebenso Mercur, Amor fliegend; erscheinungen in flammen
und auf wölken; Pegasus, der durch seinen hufschlag einen
Wasserfall erweckt; löwengezogene wagen, delphinbespannte schiffe;
ein gartenprospect, dessen wände lauter Springbrunnen bilden;
einstürzende paläste; seesturm : kurz, keine moderne ausstattungs-
oper überbietet das, und was von dem aufwand zb. der Ham-
burger oper berichtet wird, erscheint nach diesen biidern nur
wahrscheinlich, ich selbst kenne solche stiebe nach Burnacini
ua. aus einer stattlichen Sammlung von franz., ilal., holländ.,
deutschen bübnenprospecten, die, von dem vielseitigen liebhaber
JFvUlTenbach angelegt, jetzt der Göttinger bibliothek (bibl. UQ'.
10 fol.) angehört; von dem blendenden glänz der höfischen bühne
des 17 und beginnenden 18 jhs. gibt sie ein verblüffendes bild;
übrigens fehlt da auch nicht eine klägliche decoralion mit der
unterschrill ^princeps invenü*, gezeichnet natürlich von einem
andern, jener selbe Uffenbach schrieb für Wolfenbüttel ein, an-
scheinend nicht aufgeführtes, siugspiel 'Pharasmanes' (Göttingen
ms. Ufif. 18), 1720 nach einer episode der 'Römischen Octavia'
für die nachkommen des fürstlichen autors gedichtet; er stattete
die hs. mit prachtvollen bunten scenenbildern aus, die ebenso durch
ihre architeklonik wie durch ballet und aufzüge K.s aufmerksamkeit
verdienen, was K. s. 201 gibt, gewährt von der theatralischen
pracht, die in oper und ballet entfaltet wurde, nur ein ärmliches bild,
und es braucht da der anschauung : wir wissen ja, wie das gesprochene
drama unter dieser pracht beim publicum gehtten hat. die für das
katholische Deutschland wichtige Jesuiienbühne sollte nicht ganz ver-
gessen sein : die textlich so elende Nagl-Zeidlersche Deutsch-öster-
reichische litteraturgeschichte liefert jetzt dafür, wie sonst, schätz-
bares bildermaterial. — auch der bühnenvorhang hat bedeutung. am
eingang von Harsdörffers Geistlichem waldgedicht tritt die prälu-
dierende musica (Frauenzimmergesprächsp. iv 40) aus einem in der
mitte sich teilendeu teppich hervor, also ein Vorhang in Bayreuther
art (ähnlich vielleicht in Uffeubachs Sammlung nr 17); aber auch der
aufrollende Vorhang scheint bei Uffenbach nr 96 (vielleicht auch
or 129) bezeugt, er war offenbar schon damals die regeP, wenigstens
^ doch hab ich mir aus Picanders Säuffer (Berl. 1725) den schluss no-
iiert : ^so werd ich .... die guardinen zu ziehen lassen*.
A. F. D. A. XXVI. 2
IS
EÖNNECEE B1LDEBATLA8
als hauplTorhang : 80 spricht zb. König im Drefsdner frauenscir
drian (1742) s. 22 vom fallen und aufziehen der 'decke', die bei
auch grofse lOcher zum durchgucken zeigt wie in »pälern ti
In ganz anderm sinne gewähren iheatergeschicbtlicheii
die Vignetten aus dem * Theater der Deutschen' (Berl. u.
176611); sie geben lediglich von der typischen haltung un
bärdeosprache der Schauspieler Gottsched- Weifsischen slils ei
deutung. das ist nun freilich genug, ligt doch eben darin d
der vielen an sich sehr schlechten Stiche, die K. 8.34
aus dem Gothaer theatercalender aufgenommen hat. für
schichte der Schauspielkunst ist ein elendes scenen- und
bild des Schauspielers tausendmal wichtiger als das best»
sonst, so hält ich bei IfTland das Klotzscbe portrflt g'
opfert für das berühmte gemälde der Sanssoucigallerie,
GrafT seinen vielumstrittnen Pygmalion erfasst hat; es ist ^
reich und vergewissert uns der Zuverlässigkeit Graffs,
haltung des Rousseauschen beiden in Ifflands verkOrpe*
einen der Franz-Moor-bilder Catels (K. 345) gar so Ü
raten ist : diese bewegung hat IfTland offenbar geliebt.
sierenden rollenbilder, zh. der Unzelmann und Ludw; ^
die K.s umsieht bringt, sind unschätzbar : wflre die Nii ,,
der Uozelmaim , Devrients Richard m in ein^r motf^TT
spielerphotogfAphie irgend denkbar? der stilistiscbt: v
geßlen drängt sieh vor diesen guten büderii in grel'
auf, und man bedauert nur, dass K» ei Den verglekb h
ihm gaiiK vernachlässigten füddeut&chen Schauspiel k«n
der Wiener b (ihnen, nicht gestattet — fin material fvh
lieh nicht — , dass er mit Devrienl seine srhaii*pt*i''-
reils beendet hat. freilich, die moderne phatiu'
auf diesem j^ebiele nicht hergeben, was jriih
meinetwegen selbst cafficulnren^ aus i\vT gatiieii
iteit geboren, eindruckssicher noch für uns fest^fh ;
Die mißderwertigkeil der photographir um '
inetneß, jedem benutier im ßilderatlas faM bt '<
lieh, wetin er an K,ii sictiref tioiid tue nandbi
kunst ^kh Vf-r^rgeimArligt. k. hat luf die ^^
l m ( s t*i n t* r bv u Hl kitf ^*" *• ^*^ ^* " ^iiifli&«urg f ^ i
ivo ich anfa&gs «»»* * ^ V»r,
bekehrt, m f^'' «'^
kbi fiter, 61» jf*^
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E0MN£GKE bildbbatlas 19
Ölbild : vor alYem auch weil gerade io der eigen tQmlicben wechsein«*-
den art dieser billigen vervielßlltiguDgeu ein gutes teil yoni in-^
timen bauche der zeit lebt, ist es nicht, als wäre der derbe holz*^
schnitt den groben kraftnaturen des humanismus und der re-
fomiatioDSzeit wie auf den leib geschnitten? und wie vortrefiHicb
passt dann die feine ^ gravitätische, auch wol antik stilisiereade
manier des kupferstichs von Sandrart und den Kilians bis auf
die Beroigroths für die würde des hollandisierenden und franzO*
gierenden classicismus I die Silhouette und die stark unter ihrem
eiofluss leidenden stiebe und radierungen aus der 2 hälfle des
18 jhs. entsprechen ganz den regungen, die sich schliefslich in
Lavaters Pbysiognomischen fragnaenten offenbaren, und wem webte
nicht aus den lithographien unsrer grofseltem ein vormärzlicber
hauch entgegen? dann eine sehr ausdrucksvolle radierkunst;
schiierslicb aber doch herschend die fatale, demokratische, ni-
vellierende Photographie, aus der so wenig zu gewinnen ist, die
unbarmherzig geist und leben und Persönlichkeit tötet, man sehe
nur einmal auf s.413 Riehl und Treitschke, zwei herliche, geistes-
kräftige, originelle menschen : welch leere nichtssagende gesiebter^
so leer und nichtssagend, wie sie der ganze Bilderatlas bis ums
jähr 1850 nicht bringt, oder s. 416 Detlev vLiliencron I. auch das
schlussbild : ich glaube nun und nimmer, dass Sudermann dieser
^^schOne' mann, diese fade graf-Trast-carricatur ist. ich bin nicht
immer so skeptisch : Wildenbruch denk ich mir ungefähr so, wie ihn
s. 415 zeigt, und auch Hauptmann trau ich wol dieses asketenge-
sicht herber unreife zu, sehnend, durstig, ringend nach einer schön-
heil und Wahrheit, die zu erobern ihm doch an der schaffenden
urkraft ein schlimmes etwas immer fehlen wird, aber das sind aus-
nahmen, die Photographie bietet dem, der einen menschen kennt,
erwünschten anhält, die association täuscht dann wol auch über den
unwert des hilfsmittels. von dem unbekannten wird das licht-
bild im guten falle sehr wenig, viel öfter grundfalsches aussagen,
für hss. reicht die Photographie aus, nicht für menschen, erst
menschenauge, menschenhand, menschengeist vermittelt der nach-
weil das bild des bedeutenden menschen, wie sehnt man sich
aus diesen photographienseiten zurück zu den schönen Kriehuber-
schen lithographien, die K. reichlich mitteilt! und welche be-
lebende anschauung tritt uns entgegen aus Hensels entzückenden
bildern ETAHofTmanns, Fouqu6s, WMüllers, die, unter einander
grundverschieden, jedes in seiner weise gleich ein ganzes stück
geistesgeschichte ausstrahlen; aber auch zb. aus LGrimms Bren-
tano, aas Steinles Görres, aus Storcks Herwegh, den K.schen
lithographien Dingelstedts, Sallets usw. ich glaube zu spüren,
dass K. ähnlich denkt, und ich kann ihn nur bitten, den räum
der Photographie so sehr zu beschränken wie möglich : also zb.
Gotifr. Keller in Stauffers prächtigem bildchen zu geben, schlimm
genug, dass der moderne porträtmaler es so oft nicht verschmäht,
2*
20 KÖNNECKB BILDERATLAS
die Photographie im interesse einer äufsern ähnlichkeit zu hilfe
KU nehmen, der dann doch von der künstlerischen Wahrheit und
Ireiheit allzuleicht mehr zum opfer f^llt, als jene bequemlichkeit
irgend verlohnte.
Die Silhouette hat ihrer zeit einen ähnlich ungünstigen
einfluss geübt, man vergleiche nur bei K. das Zahlenverhältnis
der profilbilder zu den bildern en face im 18 und im 19 jh.
immerhin , der schade des Schattenrisses war geringer : scheint
doch die Photographie mehr zu geben als das im wenigen um so
präcisere Schattenbild, und eben dadurch bindet sie den kUnstler.
K. hat hie und da dafür gesorgt, dass das Verhältnis von bild
und schatten riss recht deutlich hervortrete : so besonders schlagend
bei Hölty (s. 258), wo K. in der Silhouette ^ die grundlage des
medaillons sieht, auf dem dann weiter Chodowieckis kupfer ruhte ^.
er mag vvol recht haben, ich will immerhin die frage aufwerfen,
ob bei einem zusammenhange zwischen schattenriss und stich
oder Zeichnung nicht auch das umgekehrte Verhältnis denkbar ist.
die Güttinger univ.-bibliothek besitzt ein inhaltreiches Stammbuch
gezeichneter und schwarz getuschter Silhouetten, wahrscheinlich
zusammengebracht von dem stud. Carl Schubert (angelegt 22 juni
1779). darin findet sich ein riss Basedows, ohne perrücke und
sehr viel stürm- und drangmäfsiger als Chodowieckis profii (K.
s. 255), der ofi'enbar aufs engste stimmt zu einer flotten Zeich-
nung Schmolls, die das Goethemuseum des Frankfurter Hochstifts
in seinen schauschränken aufbewahrt und die garnicht den ein-
druck einer silhouettencopie macht; man vergleiche den auf
Schmoll beruhenden stich Physiogn. fragm. iv 272 , wo die Über-
einstimmung mit der Silhouette schon in dem abschluss des haises
zu tage tritt, ähnlich deckt sich Schuberts (anscheinend ge-
druckter) schattenriss Ramlcrs mit einer rOtelzeichnung, eine
(nachträglich eingeklebte, ausgeschnittene) Silhouette Kästners
ganz zwingend mit einem medaillon» die beide Lavater in den
Physiogn. fragm. (iii 210. iv 375) mitteilt, warum sollte der
silhouettenlustige nicht aus einem bilde in scharfem profii seinen
riss herstellen, durchzeichnen, ausschneiden? es war das immer
noch weit leichter als etwa eine nachzeichnung der ganzen vor-
läge^, und man war gewöhnt, Silhouetten auch nach andern
Silhouetten anzufertigen : Schattenrisse berühmter männer sind
^ die quelle gibt K. eigensinnig auch hier nicht an, ich vermute, dass
er die Silhouette den ^Schattenrissen edler Teutschen' ii 1 (Halle 1784) ent-
nommen hat. da Höltys biographie dort von einem freunde des verstorbenen
geschrieben ist, so erhöht das den wert des bildes, trotz der späten pubii-
cation. aber ich sehe nicht ein, warum diese Silhouette älter sein sollte als
die Schattenrisse Höltys bei Ayrer, Schubert, im Hochstift.
' aus welcher quelle schöpft das Baumannsche profiibild in Hennings
Deutschem ehrentempel bd vi (Gotha 1824)?
^ auch Zarncke Originalaufnahmen von Goethes bildnis 8. 62 sieht für
zwei Goethesilhouetten Schmolls Zeichnung (Phys. fragm. m 222) als grund-
lage an.
kOnnecke bildbratlas 21
roassenbaft verbreitet und dabei unwillkürlicb auch verändert
worden; man wird sich sehr zu hüten haben, überall originalrisse
zu suchen.
Grade das Schubertsche stanambuch gibt zu solcher
betrachtung anlass. es beginnt mit Göttinger professoren; dann
folgen Schattenrisse von Studenten, die im gro(sen und ganzen
originalaufnahmen sein werden, es schliefst mit allerlei Göttinger
bürgern und damen, für die das gleiche gilt : in der mitte, hinter
den Studenten, steht eine sehr reiche collection von Silhouetten
namentlich litterarischer berühmtheiten , unter denen sich recht
btibsches flndet. so würd ich zb. Schuberts ausdrucksvolles
Lessingbild der K.schen Silhouette s. 232 vorziehen; ebenso würd
ich K. das profll Bürgers zur aufnähme empfehlen, das sehr viel
glaubwürdiger ist als die Silhouetten der Ayrerschen Sammlung,
und das Fiorillos (nicht Tiorellis') banales Ölbild glücklich ergänzt;
ferner fesselt alsbald der vornehm sinnliche schattenriss ThUm-
mels; auch von Hölty, Lenz, Campe, Klinger, Gleim, Wieland ^
der Karschin und vielen andern ^ hat Schubert interessante porlräls
zusammengebracht, ob aber in dieser ganzen grofsen celebritäten-
gruppe auch nur 6in originalschnitt ist, sei dahingestellt, jedes-
falls sinds nicht alle, ein flüchtiger blick zeigte mir, dass selbst
von den Göitinger professoren Claproth, Heyne, Koppe, Feder,
Ebeling, (Eyring?), von den Schriftstellern Campe, Miller, viel-
leicht auch Claudius zusammenfallen mit den ^Schattenrissen edler
Teutschen' (Halle 1783), alle (aufser Feder) mit umgedrehtem
profil : darin steht natürlich Schuberts nachzeichnung den ori-
ginalen näher als der druck, es stellte sich weiter heraus, dass
mindestens Leisewitz, Basedow, die Stolberge schlechthin die-
selben profile sind, die auch in der schönen Ayrerschen Sammlung
(Leipzig 1S99) vorkommen : die zahl der identitäten ist wol noch
grOfser : auch bei Hölty, Claudius, Rabener, Ebert möcht ich das
glauben, zu Lavaters physiognomik stimmen bei Schubert Klop-
siock, Mendelssohn, Fritz Jacobi, Claudius, die Stolberge ua., wol
auch Goethe, jedesfalls der Eimbecker mordgeselle Rüthgerod^
den Schubert, wie das ebenso seine rückenbemerkung als das
verkehrte profil zeigt, schwerlich aus Lavater nahm, auf allerlei
Übereinstimmungen zwischen Ayrer und Lavater hat Ayrers Him-
sichtiger herausgeber Kroker s. 29 seiner einleitung bereits
aufmerksam gemacht, und als ich an Goethes feiertage vor den
schränken des Hochstifls stand, da fiel mein blick alsbald wider
auf eine reihe von Silhouetten^ die ich sicher war bei Schubert,
^ die Wielandsilhouelte Schuberts stimmt aufs nächste zu der von
Weizsäcker (Wörtemb. vierleljahrsh. n. f. 2 s. 39) mitgeteilten.
' ich hebe noch heraus : Teller, Spaldingr, Mauvillori, GHSchmid, Geliert,
Semler, Kaiser, Gluck, Zachariä, JGJacobi, Hermes, Rabener, Zimmermann,
Uz, Herder, Jerusalem, Moser, Bahrdt, Götter, GForster, Schubart, Bode,
Overbeck, Miller, Eberl, Göckingk usw.
22 KONNECKE BILDERATLAS
Ayrer, Lavater gesehen zu haben, wenn ich sie auch aus dem
gedächtnis nicht gleich hier oder da fest unterbringen konnte,
dass die Stolberge an allen vier stellen übereinstimmen, bin ich
gewis.
Die Schubertsche Sammlung hat mich auf diese betrachtungen
geführt : ich wollte sie K. nicht rühmen, ohne mir ihren wert
khv gemacht zu haben, dass Lavaters berühmtes werk beigesteuert
liat, ist mir wahrscheinlich genug : das lag gar so nahe, daneben
aber, und weit wichtiger als das, ein lebhaftester austausch, ein
eifriges copieren, wobei manche Verwechslung vorgekommen sein
wird : Rroker überschätzt trotz seinen sehr verständigen ein-
schränkungen s. 28 ff noch die zahl der Silhouetten , die Ayrer
nach den viel besuchten berühmtheiten selbst schnitt ^ man liefs
sich im vorigen jh. von den reisenden jungen leuten, die die
weit und ihre capaciläten kennen lernen wollten, ja viel gefallen,
ihre grenzen hatte die geduld doch auch damals, auch Silhouetten
haben das günstige Vorurteil, nach der natur geschnitten zu sein,
nicht ohne weiteres für sich; auch sie verlangen eine ikono-
graphische quellenuntersuchung. und sie wird den quellenwert
des Schubertschen Stammbuchs grade in seinen interessantesten
Partien wahrscheinlich noch weit mehr in frage stellen, als mich
die schnelle Orientierung das lehrte.
K. hat die Silhouette nur sehr sparsam aufgenommen, wesent-
iich zur ergänzung des reichen bildmaterials für unsre classiker
(so 7 Silhouetten Goethes, 3 Schillers) und für nebenOguren:
natürlich war es nicht schwer gewesen, für Clodius, Knigge,
Blumauer auch ausgibigere bilder zu finden, von Pichte und
Schelling nicht zu reden, aber ihren bescheidenen räum im
Bilderatlas will ich der Silhouette gewis nicht bemängeln, dagegen
bin ich garnichl einverstanden mit einer andern art technik,
die K. auffallender weise duldet : ich meine die rohen holzschnitte
AMeumanns, die für HnrKurz gut sein mochten, die aber in K.s
Bilderatlas unangenehm abstechen, am anstOfsigsten ist mir die
yerhunzung von Angelikas Winckelmann (s. 230); aber auch Fran-
ziska vHohenheim (s. 302) und der gereifte Herwegh (s. 390) ver-
dienen ein besseres Schicksal, und den ganz misglückten Bopp
<s. xxiu) würd ich lieber missen, als in dieser gestalt sehen, sollte
sich nicht auch für Hebbel eine würdigere darstellung finden
lassen als der plumpe holzschnitt s. 383? von dem bekannten
Rahischen bilde bin ich freilich auch nicht eben entzückt, der
sonderbare holzschnitt s. xxi, auf dem Frdr. Hnr. vdHagen wie
ein rococomarquis aussieht, ist wol nur faute de mieux genommen;
ich kenne kein bild des fleifsigen mannes.
Ein zweites technisches bedenken! K. gibt die bilder und
^ so scheint Kroker gerade die obeo besprochene Silhouette Basedows
<Ayrer xxxvi) für original zu hallen, die aller Wahrscheinlichkeit nach von
Schmoll* La valer entnommen ist.
kOn?ikckb bildbratlas 23
Stiche sebr oft nur im ausschnitt, dabei geht manche charakte-
ristische Umrahmung, manche eindrucksvolle zutat verloren, die
dem bilde grade besondern reiz gab : K. weist bei Zimmermann
s. 239 selbst auf solche zutaten hin, und dem Boltschen Stiche
IfiTlands (nach Schröder), den das Historische porträtwerk bringt,
gereichen die mit zartem stift auf den rand bingeworfnen rollen*
bildchen zu eigentümlicher zier, ich war nun höchst erstaunt, in
eben diesem porträtwerk den Kininger-Pfeifferschen Job. vMüIler zu
üaden mit einem bei K. unkenntlich gemachten bilde der drei Teilen
ina hintergrunde. warum dies symbol der MUlierschen geschichts-
Schreibung, und kein übles symbol für seine wenig kritische locaN
historische ader, beseitigen? — nach Justi u' 269 liefs Winckel-
inann in bewuster huldigung auf seinem bilde von Angelikas band
ein relief der grazien anbringen : in Neumanns nachzeichnung
fehlt es natürlich, und ein dritter, ähnlicher, aber noch stärkerer
fall kommt vor. bei Vogt-Koch s. 510 üel mir auf dem Wielandschen
familienbilde der Weimarer bibliothek die andeutung zweier Wand-
bilder auf, von denen K.s weit grOfsere reproduction s. 244
Dicht die geringste spur zeigt. Weizsäckers aufsatz über die bild-
oisse Wielands (Würtemb.vierteljahrshefle n. f. 2, 6) belehrte mich
wenigstens für das eine, dass es die wähl des Hercules darstelle;
und Schüddekopf war so freundlich, mir aus augenschein zu
bestätigen, das grofse viereckige Wandbild bebandle würklich diesen
l^egenstand K nun, ein vortrefflicheres, ja drastischeres symbol für
Wielands dichtung ist garnicht zu denken, zumal da Sokrates und
die grazien auch bei K. aufserdem im zimmer stehn. die ^wahl
des Hercules' ist gradezu das leitmotiv Wielandischer poesie : von
den Klosterberger schulaufsäizen an hat es ihn nicht losgelassen,
und was Seuffert Euph. 1, 531 aus anlass des lyrischen dramas
von der ^wahl des Hercules' darüber zusammenstellt, deutet die
ausdehnung dieses motivs nur eben an. selbst Hermanns des
Cheruskers ahn hat auf dem Scheideweg gestanden; Lady Johanna
Gray weifs, von NRowe sich emancipierend, dem toten vater nichts
bessers nachzurühmen, als dass er gleich Hercules den steilen
^ Schöddekopf teilt mir aufserdem aber mit, dass links und rechts von
diesem groCsen gemälde zwei ovale pendants hängen, von denen das linke
also auch bei Vogt-Koch abhanden gekommen ist : dies linke, durch nach-
duoklung ganz undeutlich, stelle vielleicht einen nackten knieenden Jüngling
4lar, auf seinen schultern einen amor oder genius mit flügeln; das rechte
eine sitzende, athletische gestalt (älterer mann mit Vollbart?), unbekleidet
bis auf einen über das linke knie geschlagenen mantel; der rechte arm ist
aufgestützt, die band fasst einen stab; der linke, auf dem knie ausgestreckt,
hält den mantel; im ganzen trauernde, gedrückte Stellung; Schüddekopf
denkt an den Phanias der Musarion. soweit ich nach seinen eignen angaben
ohne autopsie urteilen kann, würd ich eher zwei typen als bestimmte gestalten
hier suchen : den Jüngling in Amors macht (in der art etwa des Dafnis der
Grazien) und den resignierten gereiften philosophen, wie ihn Wieland so oft
geschaffen (etwa Diogenes vSinope; das buch war zur zeit des Krausschen
biides eben erschienen).
24 KÖNiNECKE BILDERATLAS
pfad der lugend der wollust schnöden süfsigkeiten Yorgezo^er>
habe; der Pbanias der Musarion wird sarkastisch zun» neuen Her-
cules gestempelt, als er keine wähl mehr hat; und im neuei>
Amadis figuriert der schwankende held Xenophon-Shaftesburysauch
schon auf einem Wandgemälde : ausgesprochen und unausgesproche»
klingt das thema immer wider bei Wieland an, so wenig herculisch
sich seine beiden zu behaben pflegen, so ist jenes wandbild bei
Kraus mit weiser absieht gewählt, wahrscheinlicher von Wieland
selbst veranlasst worden, der in diesem symbol ein verschämtes
bekenntnis ablegte, nein, dieser zug durAe einer nachbildung
des Krausschen bildes am wenigsten abgehn.
Weizsäcker in der eben erwähnten Studie lässt, während er
eine fülle von Wielandporträts nachbildet, doch einen anonymen
stich aus der Jugend, ca. 1754/5, unberücksichtigt, da er seiner
Hreue' nicht traut, ich bedaure das doch : ein bild von 1770
ist für den frühreifen Wieland etwas spät; kommt er doch 5 jähre
drauf den Stürmern und drängern eigentlich schon wie ein über-
lebter greis vor, dessen *allen tagen' (er war 42 jähr alt) Goethe
gerne etwas freundliches bereiten will, und.würklich, man möchte
wol den seraphischen Jüngling oder mindestens doch den dichter
des Araspes, des Silvio vor äugen sehn : vielleicht entschliefst sich
K. später einmal die lücke bei Weizsäcker zu füllen, mich bringt
das aber auf eine allgemeinere frage, der dichter, hat er nicht
die seltene gäbe steter Selbstverjüngung, wie sie Goethes begnadeter
natur verliehen war, wird eine dycini] haben, die braucht keines-
wegs in der Jugend zu liegen : bei Fontane fiel sie bekanntlich ins
ende der sechziger, der litlerarhistoriker wird aber wünschen müssen,
den poeten grade in der blute seines Schaffens vor sich zu sehen»
K. ist dieser gesichtspunct natürlich nicht fremd (vgl. zb. s. 372),
er ist ihm aber nicht so treu geblieben, wie es doch wol möglich
gewesen wäre, ich greife beliebig herein, was sollen mir von
Spielhagen und Heyse Photographien aus dem jähre 1885? der
dichter der Problematischen naturen, der Jüngling dem l'Arrah-
biata gelang interessiert mich, nicht die würdigen herren, die
auf eine rühmliche Vergangenheit zurückblicken, gibt es wttrklich
kein bild des jungen Bauernfeld? dann lieber gar keins als ein
hässliches greisenbild, das beträchtlich mehr als ein menschen-
alter über B.s schaffen hinausligt. und was soll mir ein holz-
schnilt Mor. Hartmanns von 1872, aus einer zeit, wo keine seele mehr
von seinem dichten wüste? nein, der schöne interessante flüchtling
in Paris gehört in den Bilderatlas, der diese nr freilich überhaupt
entbehren konnte : grade bei einem ephemeren poeten dHtten oder
tiefern ranges ligt alles daran, dass man ihn in der zeit fasst^
als er das bischen galt, was er unter glücklichen umständen gelten
konnte, auch Schleiermachers bild (s. 324) sieht mir nicht aus,
als ob es aus der zeit der Lucindebriefe, der Reden über die religion
herstamme : warum nicht der weit jugendlichere Lipssche stich?
KÖrVNECKE BILDEBATLAS 25
denn die HUeraturgeschichte küaimert der ausgezeichnete theologe
uod prediger erst in zweiter linie. und so wenig ich die köst-
lichen bilder maier Müllers von LGrimm und Genelli missen möchte,
dem Bilderatias ziemte zunächst der dichter der Schafschur, des
(ersten) Faust und des Golo, also eher noch ein allzujugendliches
bild, wie es die Geliebten schatten bringen, als charakterköpfe^
die durch 40 jähre von Müllers dichterischer blute getrennt sind.
Ich habe auch sonst allerlei bedenken gegen die porträts,
die K., wo mehrere in betracbt kamen, für seinen bildersaal ge-
wählt hat. zum beispiel : K. hat unbedingt das rechte getrofTen,
wenn er für Kästner und Lichtenberg die profilbilder Tischbeins ^
und Schwenterleys genommen hat : bei den beiden Satirikern (wie
bei Liscow) ist das profil besonders frappant : man braucht nur
desselben Schwenterley beide enfacebilder und die sonstigen be-
mühungen um Lichtenbergs offenbar schwer zu fassendes gesiebt ^
zu vergleichen, einen seltsamen gegensatz zu diesen scharfen
Satirikerprofilen konnte Rabeners rundlich behagliche bonhomme-
silhouette abgeben, der barde Denis dagegen macht in Caspers profil-
bilde (K. S.241) ausschliefslich den eindruck des k. k. hofrats : ich
zögere keinen augenblick dem Kisliugschen von vorn genommenen
porträl, das ich in Schleuens stich kenne, den Vorzug zu geben,
bei Lavater wider plaidier ich unbedingt für das spitznäsige profil,
in dem ihn alle weit kannte, dank seiner eignen freude an der Sil-
houette. Fritzschs perrückenloser stich (nach vdSmissen) und auch
Graffs bild von Hagedorn scheint mir weit charakteristischer als
der von K. gewählte stich nach Denner. auch sonst hätt ich
eio paarmal Graffsche porträts vorgezogen : so bei Tiedge, den
Graff höchst individuell fasst, bei Nicolai, dessen geschäftliche
betriebsamkeit dem ausgezeichneten kUnstler wundervoll geglückt
ist, bei Sulzer, der bei K. eine befremdende verbrecherphysiog-
oomie zeigt, und besonders wenig befriedigt mich die gestalt,
in der uns Haller bei K. (s. 208) entgegen tritt : ein wolwoUender,
würdiger biedermann ohne jede gröfse und kraft, da war doch
ein gehaltvolleres, jugendlicheres bild zu finden. Vogt-Koch bringen
einen geschwollen -weichlichen stich von Lips, vor dem schon
Lavater (Phys. fragm. iv 252) dringend gewarnt hat; aber das bild^
das er selbst empfiehlt, ist zu alt. indessen es ist sonst kein
mangel an Hallerbildern; allein der katalog der Berner Haller-
ausstellung von 1877 verzeichnet mehr als ein halbes hundert»
Bauses stich, den Seidlitz gewählt hat, ist würdig und ausdrucks-
voll; Conradis oben erwähnte Sammlung von Göttinger professoren-
^ zumal Kästners profil muss drastisch gewürkt haben : Schubert hebt
in seinem Stammbuch die lebendige ähnlichkeit gerade der einen Käslnerschen
Silhouette (ganz ähnlich Phys. fragm. iv 375) ausdrucklich hervor : ^Kästner
wie ihn Gott erschaffen'.
' Schuberts Silhouette bestätigt durchaus die ähnlichkeit des Schwenter-
ieyschen profils, dem wol ein schattenriss zu gründe ligt.
26 KÖniüECKB BILDEEATLAS
bildern zeigt mehrere beachtenswerte Stiche; die Georgia Augusta
besitzt auch ein, freilich oicht allzuvertraueoswerles Ölbild ; uod die
laoggesichtige Silhouette in Schuberts Stammbuch spricht we-
nigstens gegen die kurze breite des Tardieuschen Stiches.
Aber genug dieser zweifei I es soll nicht scheinen, als ob
ich über meinen wünschen die dankbarkeit vergäfse, die ich K.
für soviel des wichtigen und neuen auf schritt und tritt schulde;
als üb ich den vorsichtigen respect aus den augeo liefse, den ich
einem so trefTlichen kenner unsrer porträtkunde um so bereit-
williger zolle, je Öfter ich mich Oberzeugt habe, dass er jeden
schritt mit bedachtiger Sachkenntnis getan hat. dass der litterar-
historiker hier und da anders denkt, sieht und wählt als der ikooo-
graph, das ist selbstverständlich.
Und so will ich denn einen letzten Wunschzettel auch nicht
in den papierkorb werfen, er belriflt die wähl der darge-
stellten, ich darf hier zuversichtlicher sprechen; denn hier ent-
scheidet, soweit porträts überhaupt vorhanden sind, rein der
litterarhistorische gesichtspunct. meine desiderien setzen gleich
mit der ersten abteilung, den deutschen Sprachforschern und
litterarhistorikern ein. Morhof verdient da seinen ehrenplatz;
Erdmaon Neumeister, der erstling modernerer ästhetischer kritik,
war aufzunehmen; ob es ein bild Erd. Kochs gibt, weifs ich nicht;
Julian Schmidt aber gehört in das präludium eines litterarbisto-
rischen atlas sicherlich dringender als Bopp und gar der ganz
überflüssige Pfeiffer, im mittelalter vermiss ich nichts, habe nur
zu danken : ein bild wie das mehrfach reproducierte Konrads
vAnimeohaosen aus der Stuttgarter hs. hat natürlich keinen porträt-
wert und durfte also fehlen, die neulaleiner dagegen sollten
stärker auftreten : Erasmus und Macropedius darf keine deutsche
litieraturgeschichte den nichtigen grenzpßlhlen opfern; Pirck-
heimer hat einen platz unter den poetae wol verdient; vor allem
aber vermiss ich Petr. Lotichius, von dem Burmanns grofse quart-
ausgabe einen schonen stich Uoubrekens enthält, und Jacob Bälde.
in andern tollen mag K. ein bild nicht gekannt haben : es wird
mir freilich schwer zu glauben, dass würklich zb. von Thomas
Naogeorg und späterhin von Lauremberg gar kein bild vorhanden
sein sollte : wie unweigerlich hat man im IG. 17 jh. die pastoren
und Professoren gemalt, brustbilder und ganze figur, bis in die
kleinste dorfpfarre herein : bei landedelleuten wie Logau, Ans.
Ziegler, ScbOuaich ist der mangel eines bildes viel weniger auf-
fallend, welche mühe halte Tersteegen, der aus princip ein con-
lerfei dieses irdischen Jammerleibes verschmähte, dem aufdring-
lichen pinsel zu entgehn (es soll ihm nicht einmal gelungen sein^).
^ nachforscliUDgen, die Tschackert auf meine bitle bei kundigen an-
zustellen die gute hatte, tiaben jedoch zu dem ergebuis geführt, dass aller
Wahrscheinlichkeit nach die Tersteegenbilder, die nachtraglich aufgetaucht
sind, jeder verlSsslichkeit entbehren.
KONNECKB BILDERATLAS 27
iDdesseD die suche versteckter bilder ist sache der special* und
JocalforscbuDg, kann UDmöglich K.s aufgäbe seio. ich unter-
drOcke also aUe bitten, soweit ich nicht gewis bin, dass sie erfüllbar
sind, dahin aber gehört für das 16 jh. der historiker Tschudi, dann
der vielseitige Cyr. Spangenberg, Andr. Musculus, der autor des
flosenteufels, auch der trefifliche Martin Rinckart. er führt auf
ein durchgängig dürftig versorgtes gebiet, auf das kirchenlied:
Selnecker zb.. Nie. Herrmann, Malhesius, der spater so einflösse
reiche Heermann, der seltsame Quirinus Kuhlmann, sie alle fehlen;
sogar Joh. Arndt, einer der allergelesensten und obendrein ein
wOrklicb tüchtiger Schriftsteller, man darf die gesunde abneigung
gegen alle erbauliche litteratur — ich teile sie von herzen —
auch nicht übertreiben, im 17 jh. verdient noch Aug. Buchner,
öer daktyliker, der mafsgebende Wittenberger professor, einen
platz; dann die garnicht vertretenen gesellschaftsdichter wie GrelT*
lioger, Wenzel Scherffer; auch von Filidor dem dorferer wissen
wir jetzt, dank Küster, wie er ausgesehen hat; Schwiegers
*Liebesgrillen' (Hamb. 1654) zeigen einen schreibenden Jüngling,
dem Pallas dictiert : das soll doch wol der dichter sein ? Stoppes
selbstgeßilliges bild ^einsam und vergnügt', im Schlafrock bei
coCTee und loback, ist für gewisse niedre Sphären lustig be-
zeichnend, weiter erinnre ich an den politicus Riemer, den
wir Dicht nur von vorne, sondern anscheinend gar von hinten
kenoen 0 Schatzmeister' Lpz. u. Frkft. 1681); an Drollinger,
Bichey, an Günthers gönner, den klugen Philander von der
Linde; vor allem an den ästhetiker Baumgarten, dessen name
trotz allem eine poesiebefreiende tat bedeutet usw. für unsre
classische zeit ist sehr reich gesorgt; Sprickmann fand ich nicht
und unter den buchhändlern PhilErReich, den GralT vortrefflich
gemalt hat; von der Bondeli gibts wol kein bild? sonst eine
fülle, die im interesse andrer sogar hie und da gemindert werden
konnte : ich wenigstens würde von den dutzendphilosophen, den
Moses, Garve, Abbt, Engel, Sturz, ohne schmerz manchen ent-
behren : solche leute, die man nur im plural denken kann,
brauchen eben nur diesen oder jenen repräsentanten.
Ernstlicher weicht mein urteil im 19 jh. ab : auf die jüngste
periode unsrer dichtung geh ich geflissentlich nicht ein. aber wo
ist Rahel ? ich liebe sie wahrhaftig nicht : es gab doch aber eine
zeit, wo der salonesprit herschte, den sie besafs wie keine zweite
und den sie, wer dürfte das leugnen?, auch fruchtbar zu machen
wüste, von bedeutenderen namen kennt der Bilderatlas nicht den
grafen Loben, den humoristen Weisflog, die jungdeulschen Wien-
barg, Mundt, GeoBüchner, den fürsten Pückler, die lyriker Strach-
witz, Gilm, Leuthold, die romanschriftsteller AvSternberg, Seals-
^eld. Spindler, den epiker Scherenberg, den satyriker Glassbrenner;
zumal aber brauchls die pbilosophen Feuerbach und Nietzsche,
die wahrlich dringender in eine deutsche litteraturgeschichte ge-
28 RÖNNECKB BILDERATLAS
hören, als ein bedeuteDder gelehrter yod so geringeo schrift-
slellerischen qualilätea wie GeoWailz, aber auch als HerbarU
Röscher, Lolze, AWoltmann, Lübke uod manche andre von den
aufgenommenen professoren. ich habe mich ja der starken be-
rücksichtigung der Wissenschaft gefreut, und so bedeutende pro-
saiker wie zb. Ranke, Mommsen, Treitschke, Vischer, Lagarde
haben den allerbesten anspruch auf ihren platz : auch Jacob
Rurckhardt wird künftig nicht fehlen dürfen, wie ich denn au»
andern naheliegenden gründen den mythologen Creuzer, den pby-
siker Ritter und ähnliche Vertreter romantischen denkens in der
Wissenschaft zur erwägung stelle, wo aber das verdienst ganz
vorwiegend wissenschaftlich ist, da hat selbst der fruchtbare mode-
autor den vortritt. K. hat diese species unbillich zurückgeschoben^
er bringt ja Langbein, Clauren, Vulpius. aber das ist zu wenig,
wo bleibt der göttliche Lafontaine, wo Gramer, SchiUing, Lauiu
die deutschen Scotte vdVelde und Tromlitz, wo der Freischütz-
dichter, wo eine so merkwürdige erscheinung wie Julius vVoss?
selbst Luise Mühlbach oder die Marlitt scheinen mir dringlicher
als Höfer und Rodenberg. auch bühnenbeherscher wie die Birch«
Pfeiffer, der talentvolle possendichter Räder, der dichter des Nar-
ziss gehören in ein solches buch, das nur vor den litterarischen
und theatralischen siegen der nackten impotenz halt macheu darf:
mehr talent als Mosentbal hat die Birch - Pfeiffer gewis gehabt,
und endlich : wie darf der gewaltige machthaber der Dresdner
abendzeitung, wie darf Theodor Hell vergessen werden? auch
Gubitz und der gefürchtete feind der schönen Henriette, Rellstab
durften etwa erscheinen, so einflussreiche litterarische organe
wie Abendzeitung und Morgenblatt, auch manches der taschen-
bücber für das frauenzimmer beiderlei geschlechts scheinen mir
sogar des facsimiles nicht unwürdig, man denke über die er-
spriefslicbkeit dieser ästhetischen Zeitschriften wie man will, sie
haben ihrer zeit markt und meinung beherscht, wie Gott sei dank
heute nichts ihrer art. fehlte es K. an räum, nun, ich wäre um
Streichungen nicht verlegen, zumal von s. 381 an; aber auch für
Theodor Körner sind zwei blatt des guten doch über alles Ver-
hältnis zu viel, und €\n exemplar Auerbach (s. 377) hätte mir
auch genügt.
Nun aber genug! von dem reichen und freigebigen wird
füglich erst recht gefordert, und es ist nur billich, dass in wissen-
schaftlichen dingen der dank auch wol die form verdoppelter
wünsche annimmt, ich bin mir wohl bewust, welch willkürlichen
Charakter meine bemerkungen tragen, wie zufällig hier mein
wissen ist; ich fühle nicht minder, wie viele meiner ansprüche
eben erst dadurch rege werden konnten, dass ich aus R.s schönem
werke gelernt habe, auf dinge zu achten, über die ich früher all-
zuleicht hinwegsah, die grofsen Vorzüge der zweiten aufläge vor
der ersten lassen mich gleichen fortschritt zur dritten hin hoffen.
kOnnecke bildebatlas 29
und dazu wollt ich helfen, der bitte gemärs, mit der K. seine
erste vorrede geschlossen hat, hab ich nicht gezögert, so manches
TOD dem auszuschütten, was mir in fleifsiger benutzung des Bilder-
atlas sich aufgedrängt hat der grund- und schlusston muss doch
der ungebrochne klang voller anerkennung sein« wer unserm
ao^e gestalten und bücher vergangener tage zu so reicher an-
schauuug bringt, wer uns den wechselnden kunstgeschmack in
bachschmuck, porträt und bühnenwesen so sinnfällig vergegen-
ivärUgt, der verstärkt in unsrer litlerarhistorischen arbeit ein un-
scbAtzbares sinnliches element, das über bücher und papier hin-
weg scbliefslicb doch frische wege in die nachschaffende kenntnis
pulsierenden lebens bahnt.
Gottiogen, September 1899. Robthe.
^niederdeutsche Studien, von dr H. Tümpel, Oberlehrer am gymnasium zu
Bielefeld. Bielefeld und Leipzi^j^, Velhagen & Kissing, 1898. xii und
151 SS. 8®. — 3 ro.
Die vorliegende schrift, deren erste 30 seilen schon 1896
als heilage zum osterprogramm des Bielefelder gymoasiums er-
schieDeii sind, stellt eine weiierführung der bekannten abhand-
Jung des verf.s in Paul und Braunes Beitr. 7, 1 ff dar. während
aber Tümpel damals die ostelbischen bezirke sowie Schleswig-
Holstein unberücksichtigt liefs und seine hauptaufmerksamkeit auf
die mundartlichen verschiedenheilen in der spräche des alten
niedersächsischen laodes richtete, sind jetzt der ndd. norden und
das Siedlungsgebiet auf ehemaligem Slavenboden mit in die Unter-
suchung gezogen und die frage nach einer mnd. Schriftsprache
i»teht nunmehr im Vordergründe, ein fernerer unterschied zeigt
sich in der benutzung des materials : in dem artikel der Beiträge
sind blofs Urkunden benutzt^ in diesem buche aber auch andre
quellen, wie rechtsdenkmäler , briefe, Chroniken, daneben auch
neuniederdeutsche schriflen und dialektforschungen. selbst Wenkers
Sprachatlas und eine reihe noch unveröffentlichter materialien aus
den Sammlungen des genannten forschers, die T. in Marburg
und durch briefliche mitteilungen Wredes zugänglich gemacht
wurden, sind der Untersuchung zu gute gekommen, dass der
verf. es an müh und fleifs nicht hat fehlen lassen, ersieht man
schon aus dem am ende des buches gedruckten queilenverzeicbnis,
das 15 SS. (134 — 149) umfasst; auch sonst zeugt die arbeit über-
all von liebevollem verliefen in den oft trockenen und öden Stoff,
der häufig erst — wie das Vorwort sagt — nach langer Wanderung
einen ausblick eröffnete, aber die brennende frage nach dem
Wesen und der entwicklung einer mnd. Schriftsprache hat auch
durch T.s bemühungen eine bedeutende förderuug erfahren, und
alle forscher auf diesem leider noch so wenig bekannten gebiete
sind ihm für seine Studien zu lebhaftem danke verpflichtet.
30 TÜMPEL NIEDERDEDTSCHE STUDIEN
WerfeD wir Dunmehr einen blicii auf den inhalt des buchest
das 1 capitel, überschrieben ^Grundsiitze der quellen-
benutzung', bespricht die frage, welchen wert die mnd. denk-
mäler, Urkunden sowol wie andre aufzeichnungen , für die be-
stimnaung der ortsmundarten haben. T. verteidigt warm die mehr-
fach verdächtigten Urkunden, wenn mnd. formen mit denjenigen
der heutigen mundart übereinstimmen, gehörten sie wahrschein*
lieh der würklichen spräche an, wenn auch die mOglichkeit nicht
ausgeschlossen ist, dass sie erst später in die letztere einge«-
drungen sind; weichen aber die mnd. formen von den heutigen
ab und stimmen diese widerum mit den altsächsischen überein,
so müssen jene formen der Schriftsprache angehört haben, be*
sondre Verhältnisse herschten in colonisierten orten, wo sich
Niederdeutsche verschiedner herkunft niederliefsen und sich erst
allmählich durch ausgleichung einheitliche sprachgruppen bildeten:
hier kann die mnd. litteratur gar wol formen bewahren, die da-
mals würkhch gesprochen wurden, aber heute verschwunden sind,
schliefslich gibt es beweise dafür, dass schon im 16 jh. sprach-
lich abgestufte bevölkerungsschichten bestanden, indem bauern
und arbeiter eine gröbere, Städter und gebildete eine feinere
mundart redeten, dasselbe mag bereits in früherer zeit der fall
gewesen sein, und auch solche Verschiedenheiten können in den
quellen zu tage treten, wenn es natürlich auch schwer f^llt, hier
eine entscheidung zu tretfen. in neuerer zeit finden sich auch
dialektmischungen infolge des wechselnden Wohnorts der Verfasser;
darum dürfen denkmäler der letzten Jahrhunderte nicht immer
unbedingt als reine quellen einer ortsmundart angesehen werden,
nachdem T. so alle etwaigen fehlerquellen nachgewiesen hat, geht
er im 2 cap. zum vocalismus über und behandelt in 7 ab-
schnitten : 1) van und von, 2) den Wechsel von t und e, 3) die
formen für 'oder' : efte, ofte, edder und oder, 4) den Übergang
von 0 zu a, 5) den Wechsel von e, et und i, ie, 6) den von 6
und \\, 7) die präpos. to, te. seine ansieht Ober das neben-
einanderbestehn von von und van^ hat T. später (s. 1321) unter
dem einfluss der Jostesschen aufstellungen Zs. 40, 129 ff geändert,
der von bekanntlich für sOdostsächsisch erklärt, während T. darin
ursprünglich hochd. einfiuss vermutete, wegen der as. formen
verweis ich jetzt auf mein Altsächs. elementarbuch § 127 anm. 1 ;
ich halte fan für die betonte, fon für die unbetonte form (vgl.
ae. an und on). — der Wechsel von e und t findet sich ja auch
schon vereinzelt im as. (vgl. mein Clementarbuch §78, §§82fi'
und § 126), wo er allerdings auf verschiedenen gründen beruht,
wenn heutiges westfäl. ta für as. t auf mnd. t zurückgeht, wie
ich jetzt auch glaube, so setzt die gleiche Vertretung des as. e
(t-umlaut von a), zb. in bi9k9 'bach', wol zunächst einen allge-
meinen westföl. Übergang von ä zu t voraus, dies konnte bei
^ 8. 13 z. 6 ÜB von statt vanl
TÜMPEL KIEDEBDEÜTSCHE STUDIEN 31
^schwond sogar lang werdfo, vgl. Soester $iui9 'släUe' b» stie,
Uidt^ itkii. das s. 17 f besprochene gistem 'gestern' zeigt offen-
bar denselben einfluss des g wie schon as. giian, gtba und gilf
(Elementarb. § 83). — zu den formen für 'oder' vgl. jetzt As.
elenentarh. §§ 121. 152 anm. 2. 204 und 208 anm. und den
artikel von WHorn in den Beitr. 24, 403 ff. auch die Soester
mandart bat of in ausdrücken me 'n ttir of taind 'gegen 10 uhr'
(wortlich : 'ein uhr oder 10', vgl. nhd. ein stück 'er zehn). —
zu § 4 habe ich nur zu bemerken , dass schon das as. einzelne
« fSr o kennt (Elementarb. § 86 anm. 1), zb. gibaran, hanig. —
der interessante § 5 : Wechsel von e, et und i, ie erinnerte mich
an eine ähnliche erscheinung in der engl. Orthographie, wo bekannt-
lich te schon me« zur bezeichnung des langen geschlossenen e
dient, vgl. ne. chief, friend, shield uä.^ hier war es der dialek-
tische Übergang von afrz. ie'^^, der die 'umgekehrte Schreibung'
hervorrief; das geschriebene chief, gesprochen tief, war die ver-
anlassung, auch friend, shield für frend, shild zu schreiben, vgl.
hierzu T. s. 28, der übrigens auch noch nr 4 auf s. 30 hätte
heranziehen sollen, da mnd. seh auf spät-as. stan, sien zurückgeht
(vgl. Elementarb. § 83). bei nr 5 (s. 31 ff) wäre es vielleicht gut
geviesen, die fälle, wo e *== urgerm. ai vor folgendem t oder j
steht und wo im heutigen westf^l. t-umlaut vorligt (vgl. Soester
tHii/9 'weizen', as. hvoeti, neben mü 'ich weifs'), von den übrigen
ZQ sondern. Schreibungen wie die von T. s. 32 angeführten as.
kahion^ gihrinid C »=» bethion, gihrenid sind aber gewis blofs
Schreibfehler, die in ihrer Vereinzelung nichts beweisen. — einen
zwingenden grund, mit T. die as. e -» germ. ai in zwei classen,
eine speciell as. und eine gemeindeutsche, zu zerlegen, kann ich
nicht finden; das s. 35 unter 5b aufgeführte süe ^seele' geht
Qbrigens auf spät-as. siala (im Ps.-comm.) zurück, und könnte
somit historische Schreibung zeigen, wenn man eine miltelform
^siele annimmt, dagegen mira ==: mera C (s. 36 unten) ist offen-
bar Schreibfehler; das ebenda genannte kierla, bikiert der Prud.-
gll. jedoch zeigt palatalisierung des k vor e, ist somit kjerta, bikjert
zu lesen, vgl. As. elementarb. § 242. zum überfluss sind diese
beiden formen noch hd. im consonantismusi — wie für t = e
ist auch für u B=: 0 (urgerm. d) die mark Brandenburg der mittel-
pnnct. T. mochte diesen, in § 6 ausführlich erörterten Übergang
teilweise durch hochdeutsche bestandteile der colonisten-bevölke-
mn^, teilweise durch den einfluss der hd. Schriftsprache aufs
DQnd. erklären (s. 42 unten f.). s. 133 setzt er sich darüber
mit Jostes auseinander, der as. uo für eine südostsächs. eigen-
ttlmlichkeit hält und darnach Hei. C mit andern denkmälern nach
Ostfalen verlegt, wegen der im as. weitverbreiteten Schreibung
«fo vgl. übrigens mein Elementarb. § 94 f. ich halte den Über-
gang von ö ]> tio für ebenso gut as. wie den von e >> ie und
> Tgl. Morsbacti Me. frammatik s. 36 miUe.
32 TÜMPEL niEDERDBDTSCHE STDDIBN
nieine im mnd. u (ü) eine ebenso historische Schreibung erblicken
zu dürfen, wie in den oben besprochenen ie fOr as. ie, ia, to.
diese Schreibung gewährte zugleich die möglichkeit, nd. o «=
urgerm. ö und ndd. ö = urgerm. au zu unterscheiden, add.
(Soester) xu9t *gut', das T. s. 44 bespricht, muss hd. lebnwort
«ein und setzt zunächst ein kurzes u voraus, Soester xrius ist
ebenso 'missingsch', wie jiud9 ^jude', piudl 'pudel' uaa. warum
aber nicht auch *xmt1 — das in § 7 s. 46f besprochene tote
*zu' findet sich as. schon im Ps.-comm., der, wenn T.s Sammlung
alle mnd. beispiele erschöpft, aus Münster, Dortmund oder Soest
stammen konnte, da natürlich Lübeck, Riga, Stendal und Branden-
burg für jene zeit noch nicht in betracht kommen, einen schönen
beweis für die richtigkeit von T.s ergebnis, dass te vorwiegend
dem Westen angehörte, bildet der name Altena gegenüber Mona
<8. 48).
Das 3 cap. ^Zum consonantismus' behandelt die Schrei-
bung th, dh für mnd. d, ferner intervocal. d^ iol. d nach n, l, r
und den abfall des t in nicht usw., sowie die formen für 'nicht'
und 'nichts', die Schreibung dh (s. 49) findet sich schon — neben
dh — in der as. Genesis (vgl. Elementarb. § 206 anm.); die form
erder = edder (s. 56) möcht ich nicht für einen druck- oder
Schreibfehler ansehen, da ähnliches auch sonst vorkommt, vgl. as.
giwerthiridf Elementarb. § 179 anm.; nnd. niks 'nichts' ist wol
dissimilation der Spiranten, da es zunächst auf nichs zurückgeht,
also mit as. ekso = *egso (di. echso) und mnd. ekster 'elster' «=
as. agastria (mittelform *echster) zu vergleichen, dieses -chs^ hatte
Jedesfalls eine schärfere ausspräche als das alte -As-, da letzteres
bekanntlich -ss-^ im auslaut -s, ergibt.
Im 4 cap. 'Ableitungs-, flexions- und proklitische
Silben' werden der Wechsel von e und t in den endungen, so-
wie die präfixe be-, ho-, hu-, 6i- und er-, der-, dir- besprochen,
in dem -t- für -e-, dessen Verbreitung genauer nachgewiesen wird,
sieht T. mitteldeutsche einflüsse, ho-, bu- ist besonders häufig
Ostlich der Elbe, ebenso ist der-, dir- aufs colonistengebiet be-
schränkt und offenbar hochdeutsch.
Das 5 cap. gibt belege für den im westen, in Lübeck und
im nordosten häufigen gen. der, des Stades ^der Stadt'.
Besonders wichtig und interessant ist das den pronominal-
formen ik, ek, mi, mik, di, dik, dek, sik, sek, wy, we, eme, ome,
ime und us, uns, os, tisik gewidmete 6 cap. in mnd. zeit haben
Westfalen, das nördliche Hannover und die Altmark -ik, während
sich das gebiet der die Elbe und Saale nicht überschreitenden
-eft-formeu wesentlich mit dem heutigen deckt (s. 73); nur in
einigen gegenden ist -ik auf kosten des -ek vorgedrungen, um-
gekehrt kommt jetzt -ek auch in Ost- und Westpreufsen , sowie
an der untern Ruhr vor. -r- ausführlich wird dann die mnd. und
die heutige Verteilung der formen mi, mik und di, dik, zt. auf
TÜMPEL NIEDERDEUTSCHE STUDIEN 33
gruod neueD malerials, erörtert und auch die nebeDformen me,
de Dicht übersehen (s. 84), die in wi, u>e eine parallele habeo
(s. 860)- letzteres war im mnd. sehr verbreitet, ist aber später
beträchtlich zurückgegangeo. — auch der Wechsel der vocale in
eme, cme, ime, ere usw., ene usw. gibt zu läugern ausfUhruageD
veranlassuDg (s. 91 ff), und T. kann auch hier eine wesentliche
Übereinstimmung zwischen mnd. und und. zeigen, woneben aber
auch wider gebietseinschränkungen vorkommen. — endlich er-
örtert T. die formen uns, ons, us, os, usik. da das as. nur üs
kennt, woneben die Harzer formen ein nicht überliefertes *üsik
erschliefsen lassen, so kann man in dem überhandnehmen der
form uns hier so recht deutlich den einfluss der Schriftsprache
erkennen, der sich sogar in einzelnen fällen urkundlich nach-
weisen lässt.
Das kurze 7 cap. behandelt die Zahlwörter twene und twö,
die im mnd. noch lange vom n. twe geschieden bleiben, bis sie
endlich von diesem ganz verdrängt werden, die verschiedenen
formen des f. twö, twUf tu, tö gehu offenbar auf as. two zurück;
ein dem as. twä entsprechendes tvä ist nur einmal in der Sachs,
wellchronik belegt.
Im 8 cap. werden eine anzahl charakteristischer verbalformen,
wie 1) is, es, ist, 2) hevet, heft, het, 3) schal, sal usw., 4) der
pL auf -et und -en, 5) die formen des pl. prät. ind. der iv und
V ablautsreihe besprochen, von den erstgenannten ist is durch-
aus die berschende form, woneben nur selten es und (etwas häu-
figer) ist erscheint, im as. kommt ja ist neben is oft in C,
seltner in M vor, während von den kleinern denkm. nur die
Werd. Prud.-gll. einmal ist bieten, vgl. mein As. elementarbuch
§ 239 anm. 2 und § 473 anm. das heutige nd. scheint nur is
zu kennen. — 'er hat' heifst as. in C hc^it «» havid in den EU.
und Ess. gll. das ältere mnd. hevet setzt ein *heiit voraus, vgl.
die formen hebhiu, hehbiad, h'ebbie, hebbian und segis in C
{Elementarb. § 465). später tritt dafür, aufser in Westfalen und
den Oslseeprovinzen , in der regel heft ein, während die heute
sehr häufigen het, hat ^ im mnd. viel spärlicher belegt sind, seltne
nebeuform ist hef. — schal hat in Westfalen meist die jüngere
nebenform sal, die auch im nordosten und in der mark Branden-
burg häufig erscheint, jetzt ist überall die letztere form im. vor-
dringen oder herscht schon, in as. zeit bietet nur die Gen. ein-
mal die 2 pers. salt, die formen ohne -ür-, die sich auch in engl,
und skandin. mundarten finden, sind wol die im satze unbetonten
gewesen, und ich möchte annehmen, dass zunächst im hilfszeit-
worte unmittelbar nach einem consonanten, also in fällen wie
ik skal kuman, wit skulun usw., diese erleichlerung des anlauts
durchgeführt wäre, im pl. kommen formen ohne /, wie schun,
^ die Soesler form ist öbrigeos hpaty nicht hevt, wie T. 8. 109 z. 8 v.o.
bieieil ea ist 'brechang' von e,
A. F. D. A. XXVI. 3
34 TÜMPEL r(IEDERD£UTSCHB STUDlEIf
schon, snn bis zur mitte des 14 jhs. nicht gerade selten vor
(s. 113), verschwinden dann im 15 durch den einfluss der Schrift-
sprache, um im 19 wider aufzutauchen. — die pluralendung des
ind. ist jetzt ein wichtiges dialekt^iriterium, da die mundarten auf
as. boden -r, in den colonistengegenden — mit ausnähme von
Ostholstein und dem westl. Mecklenburg — dagegen -n zeigen,
letzteres herscht auch schon in der Altmark und bei Magdeburg
bis zum Harz hin (s. 114). in mnd. zeit ist anfangs -et auf al-
tem Sachsenboden noch überwiegend, um dann gegen 1500 fasi
ganz zu verschwinden und durch die aus dem hd. und dem nl.
stammende endung -en ersetzt zu werden, dabei trugen wol auch
die präteritopräsentia , der conj. präs. und das ganze prät. mit
bei. als -et noch herscht, nehmen auch die prat-präsentia häufig
diese endung an. im ostelbischen gebiet ist dagegen schon in
mnd. zeit -en die regel, -et die ausnähme, doch ist die grenzlinie
zwischen beiden endungen nicht dieselbe, wie heute, endlich ist
die endung -ent vereinzelt mnd. bezeugt und findet sich auch
jetzt noch in grenzmundarten; T. hätte dabei an die vereinzelten
-ent, -and, -ond in C, M und den Werd. gll. erinnern können
(vgl. mein Elementarb. § 405 anm. 4) , die aber auf die 2 und
3 pers. beschränkt sind. — der letzte § behandelt den umlaut
im pl. ind. prät. in weren 'waren\ spreken 'sprachen', der, aus
dem conjunctiv eingedrungen, in früherer zeit noch öfters Fehlt,
wenn aber später wider ä auftritt, ist dies wol hd. einfluss der
Schriftsprache, heute ist der umlaut allgemein; formen wie uxBrm
(s. 123) neben weren erklären sich durch den einfluss des ver-
bums 'werden', vgl. Soester mda. § 300 anm.
In cap. 9 bespricht T. t^inen lall von assimilation, näm-
lich den des artikels mit vorausgehender präposition. hier finden
sich sowol in älterer wie in späterer zeit die vollen formen neben
den assimilierten, zb. üter neben üU der^ doch gelangt T. zu
keiner sichern entscheidung darüber, ob in Jüngern Schriftstücken
die letztern formen vermieden werden oder nicht, gewisse
Schreiber scheinen nämlich unter dem einflusse der Schriftsprache
wider die unassimilierten formen einzuführen (s. 125).
Das 10 und letzte cap. fasst die 'ergebnisse* zusammen:
es gab im mittelalter zwar noch keine durchgeführte, einheitliche
mnd. Schriftsprache, wol aber ausätze zu einer solchen; die volle
entwicklung wurde durch das eindringen der hd. gemeinspracbe
im 16 — 17 jh. unterbrochen (s. 128).
Ein 'exe Urs' bespricht 'die nd. mundarten und die heimai
der as. denkniäler' auf grund des aufsalzes von Joste8Zs.40, 1290',
zu dem T., auf seine eignen forschungen gestützt, nunmehr
Stellung nimmt, was zuerst den Heliand betriflt, der im acc (wie
Gen. stets) meist mi, thi, und nur vereinzelt mik, thik hat, so
hält T. die ersteren formen für die des dichters, die letztern für
copisteneigentümlichkeiten. dies würde als heimat des Verfassers
TDMPEL NIEDERDEUTSCHE STODlIPi 35
das sOdOsll. Westfalen und das gebiet zwischen Oberweser und
Mittelelbe ansschliefsen. der Harz (Südostsachsen) ist auch des-
halb ausznschliefsen, weil man sonst einen dat. acc. *üsik im Hei.
finden müste. die dichtung kennt aber nur die kürzere form üs.
io den kl. denkm. finden sich vereinzelt die acc-formen tnik, thik
io der Beichte^ dem Ps.-comm. und den Werd. Prud.-gll., was
natürlich auf beziehungen zu den heutigen mtÄr-gebieten deutet,
wenn T. behauptet, der acc. 'uns' käme im as. nicht vor, so wird
er sich aus der neuen ausgäbe von Wadstein überzeugen, dass
die Gregorgll. dreimal den acc. üs bieten, die formen ek, thek^
mA finden sich in echt-as. quellen ^ gar nicht, während sie doch
im nnd. zwischen Oberweser und Mittelelbe herschen, im mnd.
noch weiter gereicht haben, also ostsäcbsisch sein müssen, dies
widerlegt genügend die annähme von Jostes, dass die meisten as.
denkmäler dem osten angehörten! nur die östlichen me, we
finden sich ganz vereinzelt in M. T. meint, vielleicht wären die
dc^ mek, thek, we, ge nur unbetonte nebenformen zu ik usw. und
hätten in as. zeit noch keine dialektische bedeutung ge-
habt, ich verweise noch auf die ae. (anglischen) doppelformen
mec, mic und ^e, gi, ferner auf aisl. ek neben runischem ek, ik,
aisl. fitt'Är, pik neben anorw. mek, pekj ohne diese schwierige frage
damit erledigen zu wollen.
Was aber die heimatsfrage der handschriften des Heliand
beirifft, so können allerdings die vereinzelten mik, thik, tne
und we auf den Südosten deuten. T. ist jetzt geneigt, das
voD ihm vorher als schriftsprachliche (hd.) form erklärte von
mit Jostes für echt südostsächsisch zu halten, doch bleibt er in
beziehung auf te (i) und uo (ü) bei seiner meinung, dass sie
einem hd. Schreiber ihren Ursprung verdankten und daher nicht
echt sächsisch seien, nun findet sich ie für S und uo für 6
auch häufig in andern as. denkmälern (mein Elementarb. §§ 92
und 94) und es ist doch höchst unwahrscheinlich, dass wir in
allen diesen fallen hd. schrei bereinflüsse haben sollten I ich glaube
vielmehr, wie ich schon oben s. 31 f bemerkt habe, dass auf einem
teile des as. Sprachgebietes S und d würklich, gleichwie im hd.,
diphthongiert worden sind, dass aber im mnd. diese diphthonge
wider zu monophthongen wurden, der rückgang von ie zu S und
von uo zu ö würde ja in dem unbezweifelbaren Übergang von
ie BS eo, io (wie in mnd. d^f «== as. thiof) in S und von iu in
ü sein gegenstück haben! dann könnten mnd. /eY *liefs' und föt
'fufe' sowol auf as. let, föt wie auf as. liet, fuot zurückgehn. ich
steh im übrigen nach wie vor allen localisierungsversuchen, so
weit sie die as. denkmäler betreffen, durchaus ungläubig gegen-
über und warte auf bessere beweise, als die bisher beigebrachten.
Gotenburg, 21 november 1899. F. Holthauser.
^ zu diesen gehört das wanderliche Taafgelöbnis gewis nicht!
36 DETTER DIE LAUSAVISIIR DER E6IL8SAGA
Die lausavisur der Egiissaga. beitrage zu ihrer erklärung von F. Detter.
[aus den Abhandluugen zur germ. philologie. festgabe für R.Hbinzel.]
[]] Halle a. S., MNiemeyer, 1898. s. 1—30. sonderabdruck 1 m.
lo dieser abhandluDg hat Detter einige der Strophen der
Egiissaga zum gegenständ einer erneuten Untersuchung ge-
macht : es sind natürlich vorzugsweise die schwersten und dun-
kelsten, kein wunder, wenn es nicht gelungen ist, alle behan-
delten stellen befriedigend zu deuten, der vf. hat meine er-
klärungen oder vielmehr erklärungsversuche geprüft; ich gesteh
aber, dass weder die meinigen noch die jetzt von ihm vor-
getragenen die Schwierigkeiten gelöst haben, nur eine, die er-
klärung der Str. 54 (s. 23 — 24), scheint mir gut und besser als
die meinige; die der str. 2 (s. 3) ist jedesfalls sehr beachtenswert,
die übrigen sind ziemlich gezwungen und, was schlimmer ist,
nicht immer übereinstimmend mit der ausdrucksweise der skalden
oder der alten spräche überhaupt.
regn Haars pegna (str. 10) kann nicht, wie vf. will, eine
Umschreibung für 'kämpf sein; ^der regen der Äsen' ist etwas
ganz anderes als wenn der kämpf Mer regen (stürm) Odins, Hilds
oder der walküre* genannt wird; Odin^ Hild oder die walkUre
waren gerade kriegsgottheiten , aber nicht die Äsen überhaupt,
dagegen ist 'der regen der Äsen' (regen »« trunk) eine tadel-
lose Umschreibung des skaldenmets di. des gedichts. der ganze
satz ist einer der häußgsten in der skaldcndichtung. warum soll
man nun eine correcte Umschreibung mit einer unrichtigen ver-
tauschen? was ist eigentlich gewonnen?
In Str. 19 habe ich kndk (Sagabibl.) geschrieben, nicht weil
knd ek etwas bedenkliches an sich hätte; gegen die form ist
nichts einzuwenden; es waren vielmehr die hsl. lesarten auf -t«
des voranstehenden wertes (j-meldis, also ein ja-st.), die die form
kndk ermöglichten, übrigens ist D.s Vorschlag vanga statt vinga
{unga) nicht eben unmöglich, aber kaum nötig.
Die Str. 23 und 24, die von Egils liebe (zu Asgerd) handeln,
und worin Egil auf ihren namen anspielt, sind mir jetzt ebenso
unverständlich als früher. — bergonundr kann nicht ein ^riese'
sein ; noch unmöglicher ist eine Umschreibung wie ^faldr (haupt-
bedeckung der frauen) des .riesenlandes' für Gerfr (und GerJir,
als eine asin, wider = As-gerSr). ich versteh gar nicht, wie
eine solche kenning überhaupt nur denkbar wäre, ein non
liquet ist doch gewis viel besser, ähnliches gilt auch von der
Str. 24. schon eine kenning wie sef-Skuld 'Skuld iunceti', di.Frigg,
genügt, um zu zeigen, dass wir auch hier im gebiete der Un-
möglichkeit uns befinden, was in aller weit konnte zu einer
solchen Umschreibung der höchsten göttin berechtigen? gewis
nicht der umstand, dass sie *herrin der Fensalir' genannt wird,
denn sef und Fensalir haben nichts gemein, ein borga ^sich
hüten' gibt es, wie vf. bemerkt, auch nicht, mit diesem sonst
DETTER DIE LADSAVISOR DER EGILSSAGA 37
bekannteD worte sind gjdlpa, ekkja *schenker Dicht parallel, denn
diese ivOrter sind sonst unbelegt, mit sauir *opfer' könnte
es sich anders verbalten.
leider in der folg. str. (25) nimmt vf. eine kenning an, die
sonst nicht ihres gleichen hat; ja, hier bildet er selbst ein worl
pom ^siccatio'; eine *siccatio cerevisiae' (horna d *bier') soll *ein
zug, iein schluck' sein; 'Schluck-Ouund' wider b=s Berg^pnundr,
weil herg- sich an bergja ^kosten ^ geniefsen' schliefsen kann —
alles gleich unwahrscheinlich und unannehmbar.
Schlimm steht es auch mit der erklärung der str. 26, wo
alles, was in betracht kommt, unsicher ist. fold vceringja würde
niemand den ^holm', wo der Zweikampf gehalten wurde, genannt
haben, denn varingi bedeutet sonst niemals ein *krieger' im all-
gemeinen, gegen die deutung D.s spricht entschieden das impf.
deildum, was er ganz übersehen bat. er übersetzt den satz : *so-
bald wir (ntergis ver) die holmganga ausge fochten haben
werden'; aber impf, ist syntaktisch ganz unmöglich von etwas,
was futurisch bezeichnet werden soll; es müste deilum oder
munum deila (oder endlich munum deilt hafa) heifsen. damit
fällt die ganze erklärung.
Zur Str. 36 soll nur bemerkt werden, dass in der zeile
hnigrat *hjallf^ sds holla die dreifache allitleration ein unding ist;
so kann ein skalde nicht gedichtet haben, darum ist die con-
jectur allr notwendig; allr kann auch Uot* bedeuten. — in der
Str. 42 kann es nicht richtig sein, wenn D. eyia qrmdlgastan
hriiSur construiert, denn in einer solchen Verbindung müste ey^a
mit dativ stehn; es heifst etfia land^==gera land autt *ein land
verwüsten', aber zb. eyia mann udgl. hat niemand jemals gesagt,
auch scheint mir die bezeichnung der kehle (I) als 'der bruder des
backenzahns' eine verzweifelte zu sein, jedesfalls sehr zweifelhaft
ist es weiter, ob man jemals hera meS mit dativ für bera mit
einfachem dativ (^=> überwältigen) gesagt hat.
Zu der erklärung der str. 52 ist zu bemerken, dass^^M für eldi
(dativ) kaum für so alte zeit angenommen werden darf; meine
beispiele aus der skaldenpoesie sprechen dagegen, hierzu kommt,
dass Etnblu eldr 'das feuer der E.' in der bedeutung 'atem' sicher
Dicht das richtige getroffen hat.
Zu der str. 55 bemerk ich, obwol skipa baria baugskjoldum
nicht sprachwidrig ist, passt eine solche Wendung nicht gut in
den Zusammenhang; es ist doch viel natürlicher, dass Einar
drohend sagt : 'ich will mir einen platz auf dem schiffe des ring-
schildtragenden Sigvaldis aufsuchen' als 'ich will meinen ringschild
auf dem schiffe Sigvaldis aufhängen'. — betreffend die str. 58 ge-
Dflgt es zu bemerken, dass hreggja : fregnask, also hregg- : freg-,
was D. als eine 'ganz correcte' adalbending bezeichnet, überhaupt
gar keine hending ist, denn g, resp. gn, kann nicht mit gg
reimen, die bei Kahle (Die spr. der skalden s. 100) angeführten
38 OETTER DIB LAUSAVISUR DER E6ILSSAGA
reime sind sämtlich zu streichen : teils enthalten sie gg:gg% wenn
sie richtig geschrieben werden (nr2,4 — 6), teils g:g (nr 1);
nr 3 gehört in einen sehr zweifelhaften Zusammenhang, das von
D. eingesetzte wort hreggja kann also nicht das richtige sein.
Es ist also klar, dass die erklärungen D.s in den meisten
lallen nicht haltbar sind, es ist überhaupt eine misiiche sache,
die skaldenpoesie so zu erklären, wie es D. getan hat. vor der
verbreiteten neigung, bald Wörter mit einer sonst nicht belegten
bedeutung anzunehmen, bald Umschreibungen, die eine natürliche
und zu den alten regeln stimmende auffassung nicht zulassen,
eigenmächtig zu bilden, bald endlich unbelegte Wörter selbst zu
construieren, muss ernstlich gewarnt werden, die skaldenstrophen
waren durchaus nicht so geschraubt oder so künstlich, wie man
so oft sich denkt; es gab grenzen, die nicht überschritten wer-
den durften 1 aber leider sind sie oft in den handschriften so
verunstaltet, dass sie schwer verständlich, ja geradezu unverständ-
lich sind, und dann helfen in der regel weder Scharfsinn noch
lexika.
Kopenhagen, Januar 1900. Finihur Jönsson.
Das sogenannte ii büchlein und Hartmanns werke, von G. Kraus, [aus den Ab-
handlungen zur germanischen philologie, festgabe fär Richard Hbinzel.]
Halle a.S., Max Niemeyer, 1S98. s. 111 — 172. souderabdruck 2 m.
Beobachtungen zum reimgebrauch Hartmanns und Wolframs, von R.Zwierzina.
[ebendaher.] s. 437— 511. Sonderabdruck 2 m.
Auf grund eingehnder beobachtung der reime und des
Sprachgebrauchs weist Kraus nach, dass das u büchlein kein
werk Hartmanns sein kann, es kommen in dem kurzen räume
von nur 826 versen folgende von HvA. sonst nicht gebrauchte
formen im reim vor : couj. prät. zerunne : sunne v. 17 f gegen-
über seinen sonstigen günne, künne, gewünne^ entrünne; — h^e
V.822, das Hartm. wie überhaupt das wort AeV nie im reime ver-
wendet; — daz ein v.409 statt daz eine; — inne (werden) v.290
statt innen (werden) ; — ze klagenne : ze tragenne v. 337 f, während
U. sich dreisilbige reimwörter mit kurzer Stammsilbe und zwei
durch schwaches e gebildeten nebensilben, die durch doppel-
consonanz getrennt sind, nicht erlaubt; — ferner swern v. 654 und
doln V. 402 in Übertragung auf seelische leiden statt für physische
schmerzen; — endlich die sonst bei ihm nicht zu findende redensart
sneller list v. 30. — begegnen diese erscheinungen sonst nicht
in Hartm.s werken, so enthält das h büchl. daneben eine zweite
gruppe für seine technik beachtenswerter formen, die zwar bei
HvA. auch vorkommen, der mehrzahl nach aber nur in seinen
frühem dichtungen. da nun aber die parallelstellen, die schon
Saran gesammelt hat und die K. hier bedeutend vermehrt, dem
u büchl. seinen platz unmittelbar vor oder nach dem Iwein an-
weisen würden, den Iw. als letztes der werke H.s vorausgesetzt.
KRAUS DAS SOGENANNTE II BfJCfiUEJW 39
SO eoUtebt ein Widerspruch in der chroQologi8cb«0 r«ihenfolge.
die drei erstea dieser zweiten art von formen rOcken das ge-
dieht in die nähe des Iw. : müge v. 511 findet sich sonst nur
ooch im Iw., mit 1 pers. sg. ind. (ent)stdn v. 135 und 676 tritt
es vor diesen, der nur sten hat, ebenso mit da vorn v. 735, da
ioQ Iw. nur da von begegnet; aber mit wmrliche v. 171 schon
«^or den aHeinr., da in diesem und im Iw. nur noch -liehen ge-
braucht werden, mit üervdt statt verodhet v. 572, das sonst nur
im I bQchL und im Er. vorkommt, vor den Greg., mit fruoi,
aufderdem nur noch im i büchl., auch vor dieses älteste der reim*
paargedichte.
Die erste gruppe allein, ja selbst die beiden zusafnmeo*
genommen, wurden m. e. nicht absolut beweiskräftig sein, denn
diese H.s gebrauche widersprechenden einzelheiten wären in
einem erstlingswerke, aber auch nur in einem solchen, da er
sich noch keine bestimmten grundsätze über Sprachrichtigkeit
ausgebildet hatte, etwa noch denkbar, aber jene stellen, welche
das n bUchl. mit den andern dichtungen H.s gemein hat und die
jedesfalls erst aus diesen entlehnt sind, würden es an das ende seiner
künstlerischen entwicklung rücken, den endgiltigen ausschlag für
die unechtheit des ii büchl.s gibt also die Störung der Chrono-
logie, und wer nach Sarans darlegungen noch zweifelhaft war,
i^ird sich der strengen auf gesicherte formale latsa^hen gestützten
beweisführung von K. nicht mehr entziehen können^.
Auch für die Sonderheiten der zweiten gruppe kann nur das
^ine mit Sicherheit gefolgert werden, dass sie in die ersttingszeit
der dichterischen tätigkeit H.s fallen müslen ; K. aber nimmt an,
dass die f^lle, die das ii büchl. jeweils gleich hat mit den andern
werken, auch ein und dieselbe entstehungszeit bedingen, dass
also zb., weil aufser im ii büchl. nur noch im Iw. müge vor-
kommt, es unmittelbar vor oder nach diesem entstanden sein
müsse (s. 150 und 172). aber die reimgelegen hei ten zu müge
sind überhaupt nicht häußg, es ist auch jedesfalls ein litterarischer
reim (H.s dialekt hat ja me^e), und aufserdem kommt noch hinzu,
dass es erst Iw. v. 7985 auftritt, also in jenem letzten teile, der
nach Zwierzina (s. unten) mehrfach technische freiheiten enthält,
so kann auch das 'nur 2 mal vorkommende stin mit S im Iw.
nicht für chronologische folgerungen benutzt werden : als littera-
rische form konnte es Hartmann leicht auch schon in einem tech-
nisch noch unvollkommeneren jugendwerke angewendet haben ; und
diese erwägung drängt sich auch bei andern von R. beigezogenen
formen auf.
* seitdem hat Saran Beitr. 24, t ff gezeigt, dass das ii büchl^ ein rhe-
torisches kunst^tuck, auch aus innern gründeo nicht von H. verfasst sein
kann. — codificiert ist diese art rhetorischer minnecasuistik in dem mit
«cholastischer dialektik abgefassten Tractalus de amore des capeilans
Andreas.
40 EBACS DAS SOGCUmiTK U KCBLSIH
Die reichen belege sind Dicht nur den werken HartmaDos,
aoodern aDch Wolframs ond Gotfrids entnoiBiiien ond behaDdelD
abschliefsend einzelne grammatische erscbeinoDgea id der spräche
dieser dichter, so das eintreten bezw. oDterbletben des umlauts
bei kurzem u, die gdn $tdn neben gen sten^ väken neben vdn uaa.
K. sucht einzelne answeichungen scharfsinnig zu erkUlren, wo)
zu subtil; die combinationen im sprachleben, die bei der ent-
stehung einer und der andern dieser analogiebildungen voraus-
gesetzt werden, sind zu verwickelt; sprachliche erscbeinungen
müssen sich natürlicher, weniger gesucht entfalten, um zu all-
gemeiner gekung bei einer Sprachgemeinschaft zu gelangen, so
leitet K. die nicht umgelauteten conj. prat. vunde, hetwunge auf
beeinflussung der conjunctive der t-conj. wie ich griffe zurück,
weil die i- und die u-conj. die einzigen seien, wo der plur. prät.
ind. denselben stammvocal habe wie das part. prät., wodurch jene
conjunctive an den vocal der indicative und participien angeglichen
worden seien, man kann statt dessen zunächst an jenes unter-
bleiben des Umlauts von u, besonders im conj. prät. der u-reihe,
im schweizerischen denken, woneben, ohne dass eine bestimmte
regel erkennbar ist, auch umgelautete formen erscheinen, beruht
aber das unterbleiben des umlauts auf morphologischer Ober-
Iragung, was K. annimmt (s. 127, vgl. auch RaulTmann Gesch. d.
Schwab, mda. § 124o), so ist der Vorgang am ehesten folgender:
die conjunctive künde gunde hatten als schwach gebildete tiber-
haupt keinen umlaut, durch analogie trat auch vunde für vünde
ein und die mit nd den stamm schliefsenden verba zogen dann
die auf ng nach sich wie hetwunge, die mit nn wie gewünne
hielten sich dagegen aus dem schon von K. angenommenen gründe,
nämlich wegen künne, günne. Wolfram und Gotfrid anderseits
haben auch künde günde mit umlaut neben künde gunde in folge
von angleichung an ihr vünde und wol hauptsachlich aus dea>
allgemeinen gründe, weil der umlaut dem conjunctiv prät. im
Sprachgefühl den modalen Charakter verleiht. — ob in den reimen
von hdn auf -an im i büchl., Er. und Iw. die mdartl. kürze han
anzunehmen ist (s. 156), ist wol kaum zu beweisen, jedesfalls ist
dann auch kasi in hastes : gasies Iw. 2667 f mit Henrici als kurz
anzusetzen, schon dadurch ist es ausgeschlossen, dass hon seine
kürtung der angleichung an kan gan verdankt; es ist gewis nur
in folge von schwacher betonung aus hdn gekOret — auch in
der entwicklung der conjugation von län nimmt K. weitgehnde
analogische beeinflussung an, nümlich durch ^n und siän (s. 156)^
aber darauf ist höchstens die i pers. sg. prSs. ind. mit n zurück-
tufflhren, wobei übrigens auch noch ick tuon mitgewQrkt haben
kann. — die sonst fQr zusammengezogen gehaltenen 3 sg. vdt^
inf. vdn, fasst K. (s. 161) ebenfalls als nachbildongen von gdn
auf, und das hat bei der parallele prlit vie: gie zunlchst etwas
bestechendes^ aber die den gleichen lautlichen bedlngnngen unter-
KRAUS DAS SOGENA^^TE II BUCHLEIN 41
Stehenden nä und hö können nicht als ausgleichungsergebnisse
erklärt werden, deshall) führt K. nd auf *ndtß zurück, nebenform
zu got. nehv^ ahd. näh nach Sievers gesetz, kann aber für h&
keine entsprechende entwicklung beibringen, den weg der ent-
stebung von vät vän nä Äd zeigen formen wie Notkers höo oder
Ad, gäes für gdhesy es ist also doch ausfall des haucblautes und
dann contraction eingetreten und ist ein echt alemannischer Vor-
gang, zur stärkern erhaltung der zusammengezogenen formen
vät vdn kann dann allerdings die ideenverbindung mit gdt gdn
beigetragen haben.
Die Untersuchung von K. ist nicht nur wegen des unum-
stofslichen resultats, sondern auch wegen der methodischen be-
bandlung, die jene Sicherheit ermöglichte, im höchsten grade be-
achtenswert, das gleiche gilt von der folgenden arbeit.
Im sinne von Lacbmann und Jänicke führt Zwierzina die
Untersuchung über Hartmanns und Wolframs Sprachgebrauch weiter
mit umfassender beherschung des materials und feiner beobach*
tUDg des details. die ergebnisse sind dafür auch lohnend genug.
wir sehen deutlicher als früher, mit welcher selbstprüfung diese
dichter an der sprachlichen form ihrer werke gearbeitet haben,
wie pedantisch Hartmann im Iwein seinen Stil ausfeilt und wie
selbst Wolframs freie genialiiät sich zwang auferlegt, um einem
ihm vorschwebenden sprachideale nachzukommen. *wir sehen die
dichter an der arbeit' und werden mit Z. übereinstimmen, dass
sie zu den grösten formtalenten aller Zeiten gerechnet werden
müssen, so bilden Z.s Untersuchungen auch einen wertvollen
beitrag zur kenntnis der mhd. litteratursprache. höüsch ist in
der tat im gründe nur der Iwein, aber bei einem derartig sich
steigernden streben nach einer idealsprache von seiten einer ge-
lehrtennatur wie Hartmann ist es für uns nun auch nicht mehr
zu verwundern, dass ein einziges werk den gipfelpunct der hö-
fischen kunst bildet, denn dieses werk ist eben, innerhalb der
betrefifenden stilistischen richtung, ein kunstwerk.
Schon Lachmann hat darauf hingewiesen, dass Hartmann im
Iwein es vermeidet, gewisse formen in den reim zu setzen (Z.
s. 449). es sind doppelformen, die grofsenteils zugleich je nach
den mundarten schwankten wie began begunde, kam kom, hdte
hete, sande sante, wände wante, twellen tweln, gesetzet gesät, gen.
dat. der fem. i-decl. wie hant hende, siecheit siecheite. einige ist
ihm gelungen ganz zu unterdrücken, andre lässt er im Iw. we-
nigstens nur vereinzelt zu. Lachmanns andeutungen scheinen mir
durch Z.s einzelbeobachtungen zur gewisheit erhoben, gegenüber
dieser Statistik von tatsachen ist blofser zu fall ausgeschlossen. —
aber nicht der ganze Iw. ist mit dieser tüftelnden pedanterie ab-
gefasst. im ersten tausend der verse hat Hartmann die Säuberung
nicht mit der vollen entschiedenheit durchgeführt^ da begegnet
noch sechs mal kam (s. 502), das später nur noch einmal durch-
42 ZWIERZINA REIMGEBRAUCH HART1IANN6 UND WOLFRAMS
dringt, und neunmal das verbum dagen (s. 503), das son$t nie
mehr auftritt, und am schluss fällt er wider aus der rolle, io
den letzten 500 versen, da er zum ende eilte (s. 465) : hier
schlüpft zb. das einzige begunde (s. 465) in den reim ein, das
einzige (üher)zaU (s. 481) und gesät (s. 485). — auch für Hart-
manns dialekt ergeben sich einige feste puncte : er hat nur gi$i
git list lU statt gihest usw. (s. 470), kam kämen nicht kom körnen
(s. 500 fTj, nur treit leü nicht auch treget leget (s. 471), aber saget
und seit nebeneinander [seinem dialekt eignet seit, hier bat er
also die doppelformen doch nicht vermieden].
Die beobachtungen von Wortwahl und reimgebrauch sowie
der formelhaften berufungen auf die quelle oder auf vom dichter
selbst früher erzähltes (Z. s. 506 — 510) ergeben eine zieibewuste
technik, und diese hat, nach Z., ihre vollendetste stufe erlangt
im [w., demnach muss dieser H.s letztes werk sein und die von
Lachmann und Haupt angesetzte reihenfolge i büchl., Erec, Greg.«
aHeinr., Iw. ist damit gesichert, es geht aber aus Z.s beobach-
tungen mit Sicherheit zunächst nur hervor, dass im Iw. die tech-
nik vollkommener ist als im Gregorius, nicht auch als im aHeior.
zwischen Greg, einerseits, aHeinr. und Iw. anderseits ist allerdings
ein starker abstand, kein nennenswerter dagegen zwischen aHeinr.
und Iw., denn den entgleisungen des ersteren stehn auch solche
im Iw. gegenüber, doppelformen wie mege : müge, adj. swdr:9wmre
(usw., 8. Z. s. 490; aber nicht Adch;Ad, denn höih ist adj.^ h6
adv.), Imal h(Bte (bezw. 2 mal, weil noch imal in der scbluss-
partie), und besonders die ungenauen (oder dialektischen) reime
wie manihdn, gastes : hdstes , p flach : er sach, bestreich : sweich,
endlich auch die aufserordentlich häufigen typischen reime auf
man^ die im aHeinr. viel seltner sind, die auf <d, die hier ganz
fehlen. — da man aber den aHeinr. in der zeitlichen folge nicht
wird vom Greg, trennen kOnnen, so ergibt sich, Z.s princip des
reim- und Sprachgebrauchs vorausgesetzt, der Iw. allerdings als
letztes werk Hartmanns.
?]un aber hat neuerdings Saran Z.s entdeckungen mit seiner
eigenen reihe, wonach der Iw. vor den Gregor, aHeinr. fällt,
mit sehr beachtenswerten gründen zu vereinigen gesucht, indem
die reimtechuik im Gregor in folge längerer arbeitspause, etwa
des kreuzzuges, gesunken, die feinere technik im Iw. zudem in
seiner höfischen tendenz begründet sei (Beitr. 24, 64fT). da diese
Voraussetzungen nicht zu bestreiten sind, so scheint mir die alte
Chronologie mit Iw. am Schlüsse noch nicht über alle zweifei
hinaus gerettet. — für seine eigene reihenfolge führt Saran die
entwicklung in der technik des rhythmus ins feld. besitzt nun
dieses erkläriingsprincip absolute beweiskraft? zunächst ist der
einwand Henricis (Jahresber. der germ. phil. 1891 , 264), dass
die bss. für diese metrischen Untersuchungen nicht volle gewähr
bieten, indem sie oft die fehlenden Senkungen ausfüllen (vgl.
rWIEBZlNA REfMCEBRAUCH HARTMANNS UND WOLnAMS 43
BarUi^ Germ. 19, 229), Dicht ganz ungerechifertigt. vergleicht
maD zb. die einleitung des Gregorius nach dem texte voo Paul
mt der herstelluag von Z. (Zs. 37 , 407 ff) , bei welcher dieser
«elfte neu geGundeae hs. mit benulzea konnte, so findet man hier
4 fidle fehleoder Senkung mehr als bei Paul, bei der schlechten
QberlteferuDg des aHeinr. bieten unsre ausgaben noch weniger
stcherheit. und ferner, bildet jene glättung der verse würkiich
allmähliche technische Fortschritte? ein allmähliches, unbe-
wüstes vorwärtsschreiten, ein natürliches ergebnis zunehmender
gewaothettf müste sich eigentlich schon im verlauf der einzelnen
dichiungen zeigen, sdion während des Erec oder wider im laufe
des Iweic; bis zum Gregor hätte U. schon ca. 20000 verse ge-
dichtet, und nuo sollen erst mit diesem gedichte, und zwar mit
einem male und nur aus dem gefühl heraus, widerum glättere
verse als im Iwein entstanden sein, zudem vielleicht noch eine
längere arbeitspause, der kreuzzug, vorhergieng, die in der reim-
tecbnik einen rückgang verursachte? und weshalb sind im Greg.,
aBeior. nur diejenigen einsilbigen tacte vermindert, die nur aus
einem selbständigen wort bestebn? gewis waren diese auffallen-
der als jene, wo die Senkung innerhalb desselben wortes fehlt,
aber ein ausgleich wäre bei spontaner entwicklung doch auch bis
zu einem gewissen grade durch ausfüllung dieser zweiten art von
Senkungen zu erwarten, und Hartmann, der so fein, ja übertrieben
peinlich die form der reime und den Sprachgebrauch beobachtete,
sollte den rhythmus seiner verse ohne oontrole gelassen haben?
schon im i büchl. hat er viel glättere verse gebaut als in allen
seinen spätem reimpaargedichten. diese geschliffenere tecbnik
war ihm also schon vor dem Erec geläufig, weshalb ist er im
Erec davon abgegangen? gewis mit bewuster kenntnis des Unter-
schieds : er folgt hier dem überkommenen epischen typus wie
sein Vorbild Heinrich vVeldeke in der E neide (Behaghel s. cxviif).
diesen freiem, archaistischen Stil im versbau (Saran s. 41) hat er
im Iw. beibehalten, wenn auch, der ganzen sonstigen haltung
dieses gedichts entsprechend, bedeutend gemäfsigt. die entwick-
lung des Versbaues ist also nicht unbeeinflusst von künstlerischen
priocipien, dem dichter gleichsam selbst unbewust, vor sich ge-
gangen, dann aber verliert dieses kriterium bedeutend an beweis-
kraft, denn der dichter konnte zu jeder zeit, je nach dem stoße
des gedichtes (vgl. i büchl. und Erec), eine äuderung seines rhyth-
mischen slilcharaklers eintreten lassen. — ein unterschied der
rhythmischen form besteht auch zwischen Veldekes Eneide und
seinem Servatius, bei welchem viel seltener präpositionen oder
besonders der artikel allein einen taet bilden als in der Eneide
(den Servatius setzt Kraus HvVeldeke und die mhd. dichtersprache
s. 166 zeitlich vor die Eneide). und der Stricker hat in seinen
epen Karl und Daniel die senkungslosen füfse ziemlich häufig
(Rosenhagen Untersuchungen über Daniel s. 31), während er in
44 ZWIEBZINA BEIMGEBBACCH HABTMANNS OKD WOLFBAMS
seinen beispielen regelrechten Wechsel von hebung und Senkung
durchzuführen strebt.
Demnach bieten bis jetzt weder der reim- und sprachgebraucb
noch der rhythmus, die formalen kriterien, ganz einwandfreie
merkmale für die relative Zeitbestimmung von Hartmanns werken»
unwillkürlich prägt sich das bild ein, das SchOnbach durch die
psychologische betrachtung seines geisteslebens entworfen hau
so stellt sich H. als abgerundeter Charakter dar. aber rouste selbst
er, dessen wolgegliedertes wesen uns freilich in der erfassung
und in der darstellung des Stoffes klar zu tage tritt, eine solche
unserm heutigen empfinden entsprechende einheitliche natur sein?
und konnten nicht Stimmungen, die uns jetzt widerspruchsvoll
erscheinen, im innern der menschen jener zeit enge bei einander
wohnen?
Für Wolfram geht Z. aus von Jänickes Sammlung sog. un-
hofischer Wörter. Jänicke hatte nur ganz allgemeine Schlüsse auf
die fortschreitende kunst Wolframs gezogen, Z., die Untersuchung
vertiefend, weist nach, dass mehrere dieser wOrter auf bestimmte
weise in einzelnen partien seiner werke verteilt sind — es sind
mcere (b. i — viii), gemeit (b. i — vi), urliuge (b. i— vii), wigant und
wie (b. I — v), dazu noch l(Bre (b. i — xi), laz (b. i — xi) und last
(b. I — viii) in Umschreibungen und dagen (Öfter erst von b. ix
an) — und zieht aufserdem grammatische formen bei, die nur
vereinzelt, besonders in Parz. b. i — ii. vii. ix. xv und i. ii des
Willeb., auftreten und Wolframs dialekt nicht angehören, wie hegan,
kam, lie, gdn stän, Ht, treit leit, -lieh uaa. gegenüber seinen ein-
heimischen begunde, kam, liez, gen sten, liget, treget kget, "lieh
uaa. besonders in die äugen springend ist die Verteilung von
sän (Parz. b. i— viii), und sit (b. i und ii) gegenober sider (von
b. III an), gewisse reimgewobnheiten finden sich also nur Ober
bestimmte teile verbreitet um dann zu verschwinden, andre setzen
erst an spätem stellen ein. aber der dichter ist, wenn er einmal
einen reim aufgegeben hat, nicht ganz consequent, die verpönte
form begegnet wider, es finden sich ^rücki^Ue' in die frühere
technik. diese rückfälle kommen in bedeutungsvolleren zahlen
gerade in jenen büchern vor, wo auch die dialektformen häufiger
sind, so besonders in b. ix, weniger in b. vii und xv, und dann
in den beiden ersten büchern des Willehalm, die rOckßllle sind
folgen einer ^arbeitspause', der dichter hatte längere zeit seine
tätigkeit ausgesetzt und dadurch die Übung verloren, derartige
arbeitspausen sind ohne weiteres anzunehmen zwischen der ah-
fassungszeit zweier werke, wie hier des Parzival und des Wille-
balm, aber auch innerhalb ein und desselben gedicbts können
sie auftreten, eine Unterbrechung der arbeit nach b. vi ist schon
längst festgestellt dadurch, dass Wirnt nur die ersten sechs bücher
bekannt wurden , b. xv wurde nach Haupt (Z. s. 467) vielleicht
erst mehrere jähre nach dem vorhergehenden abgefasst. auf zu-
ZWIRBZIMA REIMGEBRAUCH HARTMANNS UND WOLFRAMS 45
fall können diese verschiedeoartigeD uad doch an bestimmten
puncteo verstärkt auftretenden erscheinungen nicht beruhen, durch
den Stoff sind sie nicht bedingt, und so hat Z. wol die glück-
lichste lOsung gefunden, indem er sie als 'rückfäUe' erklärt, die
tn folge von ^arbeitspausen' entstanden sind.
Die grofsen ergebnisse, die einen bis jetzt nicht erreichten
«inblick in die art des arbeitens beider dichter gewähren, scheinen
«ir durch diese mit der kraft zwingender tatsachen geführten
ontersuchungen gesichert, es tut ihnen keinen eintrag, wenn
ein einzelner fall sich einem andern anders darstellt.
An die spitze seiner Untersuchungen stellt Z., gleichsam al$
oiasterbeispiel , die Verwendung von sä und sän im reime : sän
tritt bis zu b. vin des Parz. 86 mal auf, von da an nur ganz ver-
einzelt (5 mal, im Willeh. 2 mal), das gewöhnliche obd. sä aber
nie. Z. erklärt diese zunächst auffallende erscheinung so, dass
sdn eine Wolframs mda. eigentümliche form gewesen sei und
zwar die für die pausa, sä dagegen die im satzinnern; er habe
später sän im reime deshalb aufgegeben, weil es als dialektisch
in andern gegenden anstofs erregen muste. aber eine solche Ver-
teilung der beiden formen sän und sä ist sonst nicht nachzu-
weisen, zwischen sär und sä wäre sie in gewissen fallen denk-
bar, sowie zb. nebeneinander dar (dar) und da, dann aber müste
umgekehrt eher sä die pausaform sein ; zwischen sän und sär y>
sd, die ja ursprünglich verschiedene bildungen sind, lässt sich ein
^und für eine derartige Scheidung nicht ersehen, auch ist es
überhaupt nicht zu erweisen, dass das nd. md. sän jemals in
Wolframs heimat gesprochen wurde (vgl. Pfeitfer Germ. 6, 242
und Freie forschung 106 ff), zur ahd. zeit galt in Baiern und
Ostfranken sär wie in Alemannien, Williram hat nur sä, auch
noch in den ältesten gedichten des bair.-Osterreich. Sprachgebiets
sind sär (säre) und sä die einzigen formen; in den reimgedichten
iroo MSD. erscheint nie sän, auch sä nur 4man im Laudate do-
«ninum; in den von Kraus herausgegebenen gedichten des 12 jhs.
nur 2 sän : in dem md. SPaulus; der dichter der Kaisercbronik
4ind des Rolandsliedes hat nur sä (Schröder Kaiserchron. s. 53);
nie sdn bei HvMelk (1 sä), nie in Wernhers Marienliedern (4 sä).
erst gegen ausgang des 12 jhs. findet sich sän auch im bair.-
österr. : in Albers Tundalus 2 sän neben 2 sä; im Anegenge ebenso
2 sän neben 2 sä; m hErnst ß dagegen 13 sän gegen 5 sä und
diese bair.-österr. Überarbeitung eines mittelfränk. priginals ist
gleichsam der weiser für den weg, auf welchem das md. sän ins
obd. gekommen ist, nämlich durch die md. dichtung, was schon
Pfeiffer aao. ausgesprochen hat. sän ist also ein litterar. wort im
^ bei den folgenden Zählungen, die bei rascher durchsieht der betr.
werke gemacht sind, sind gewis fehler untergelaufen, aber die relativen ver-
JtaltDisse, auf die es ankommt, werden darum nicht wesentlich geändert
•werden.
46 ZWICRZIMA REIMGEBRAUCH HARTltANNS UND WOLFRAMS
bair.-österr., es wurde daon daselbst, besonders durch Wolfram»
einfluss, im 13 jh. als gute reimgelegenheit öfter gebraucht, wenig
aber im alem. auch das hat seioe parallele in den litterarischen
Strömungen : die Yolkstümliche rheinische dichtung, aus der jene
sän zunächst stammen, wurde fürs erste in Baiern aufgenommen,
erst später und spärlicher in Alemannien. so hat denn zb. der
erste fortsetzer der Kaiserchronik, ein Baier, 3 idn neben 2 sä,
der zweite, ein Schwabe, 1 sän neben 5 sd, in welchem sän sieb
der ^einfluss der Schriftsprache' bezw. litteratursprache verrät
(Schröder Kaiserchron. s. 395 u. 410).
sän also war nicht ein dialektwort Wolframs, sondern ein
litterarisches, unter den 93 fällen, wo es im reime vorkommt,
sind denn auch etwa ein drittel ganz formelhafte einleitungen zu
directer rede wie sprach aber sän^ wo sän eine substantielle be-
deutung kaum mehr hat. wenn nicht sän^ so muste aber doch
sä ihm geläufig gewesen sein? wäre dies der fall, so wäre es
allerdings auffallend, dass Wolfram es nie im reime gebrauchte,
und das hat offenbar auch Z. bestimmt, eine Scheidung zwischen
sä und sän in obigem sinne zu machen, indem er zugleich davon
ausgeht, dass sä in zahlreichen beispielen im innern vertreten
sei (s. 442). aber das ist nicht der fall, ich habe 9 sä und sän
zusammen im innern des Parzival gefunden. Lachmann schreibt
davon 5 mal sä und zwar 4mal in sä zestunt, nur Einmal sä allein,
und 4 mal sän (woneben aber auch sä in guten hss. bezeugt ist)
alleinstehend, und diese sä und sän kommen nur bis b. vi vor;
im Willeh. nur 2 sä^ in sä zehani 46, 22 und 49, 28 (vgl. anm.
zu Elrec 8076). dieses sehr spärliche auftreten im innern, wo es
sich doch als füll- und flickwort oft willkommen einstellen konnte,
beweist, dass einfaches sä in Wolframs dialekt kein ganz gewöhn-
liches wort war. und auch nicht in dem Hartmanns (vgl. Vos
Diction and rime-technic of HvA. s. 28) : im Erec steht sä zwar
22mal im reim, aber nur 5 mal im innern, im Iwein 13 mal im
reim und nur 3 mal im innern, im Gregor 5 mal nur im reim,
im aHeinr. Imal im versinnern; über sä zehant, sä zesiuni vgl.
anm. zum Er. 8060. Hartmann hat demnach sä vor allem als
litterarisches reimwort mitgenommen und es begegnet fast durch-
weg in dem formelhaften reime da : sä, so 19 mal im Er. (aufser-
dem 2 mal zu anderswä, Imal zu nd), im Iw. 11 mal (imal : ftd,
1 mal : tjoä) , im Gregorius 4 mal (1 mal : Equitäniä). mit dieser
bindung sä : da hat Hartmann also noch im Iw. eine forme! fort-
geschleppt, einer jener f^lle, wo er sich auch hier von der ira-
dition nicht ganz losmachen konnte, beachtenswert ist die Ver-
teilung der reimformel im Er. : sie erscheint 17 mal bis v. 5171,
von da an bis zum schluss nur t mal. im Iw. wie im Gregorius
ist die Verteilung gleichmäfsig. sän gebraucht Hartmann über-
haupt nicht. — im Wigalois zähl ich sä 82 mal im reime^
darunter 78 mal auf dd, im innern nur vor zehant, sä zAant^
IVrilBZUKA REIMGEBRAUCB HARTMANIfS OnD WOLFRAMS 47
Smaly Die alieiDStehendrs sä; sän 5 mal im reime, yod ?. 10192
aOy in nachahmuDg von Wolfram, s. Jdnicke 8. 32, nie im innern.
daraus ergibt sich für Wirnr, der als einer Wolfram benachbarten
gegend aDgebörig, für diesen von besondrer Wichtigkeit ist, dass
$äM seiner mundart gar nicht angehörte und ihm sä nur in der
▼erfoiDdung sä zehant üblich war. — im Lanzelot nur 1 mal
sd im reime {: Elidiä v. 7989), im innern nur Imal in sä se-
^unden (▼.7578) und 3 mal in iesä; 4 mal sän im reime (s. Jä-
Dicke 8. 32, wo statt 2121 zu lesen ist 2427). in Fleckes Flore
im reime 5 säy 2 iesä (je 2 mal :dä), Imal sän, im innern nie sd
allein, 4 mal iesäj 2 mal sä zestunde^ Imal sä zestnnt, Imal sä
zuo der seihen stunde, 1 mal sd zehaut. Veldeke hat im Servatius
5 mal säen, in der Eneide nie im reime (Kraus HvVeldeke s. 25).
lo den fragm. des alten Reinh. Fuchs im reime 8 mal
sd (3 mal : dd), in der bearbeitung 10 sä (9 mal idä, 1 mal
:jd), ein sän; im Moriz vCraon 3 mal sd (.da), kein sän
Schröder s. m); beim Stricker im Karl 11 mal iesä 1 mal sä,
im Daniel 1 mal iesä 1 mal sä, im Amis 4 mal iesä, in den klei-
nereo- ged. ed. Hahn 1 mal sä, nie sän, gerade bei späteren
autoren trifft man «d (tesd) zugleich mit sdn, so bei Lamprecht
vRegensburg beide oft im reime, aber im innern sä nur in
Verbindung mit zestete zehant zestunt, nie sän; im Renner sä
und sdn oft im reim und innen, einfaches sä ist also offen-
bar schon gegen ende des 12 jhs. in einem grofsen teile von
Deutschland auf dem wege zu veralten oder haftet zunächst nur
noch in gewissen kreisen als altmodisches wort, in einzelnen
landschaften war es länger üblich, so hat Ulrich vLichtenstein
häufig neben sä zehant auch einfaches sä und besonders sä als,
sä dö als einleitung eines satzes. dieses sä dö oder meist sän
dö kommt öfter vor zb. in Alberts hl. Ulrich (über sän — sä in
dessen reimen s. Kraus in oben besprochener abhandlungs. 125 anm.),
auch bei Neidhart (33, 9), in den genannten höfischen epen da-
gegen nicht, hier auch nie einfaches sä mit der Wortstellung des
haoptsatzes wie Neidharts sä si spranc (7, 6). sonst hält sich
sd länger nur in den Verbindungen sä zehant sä zestunt sä zestete,
(auch in der prosa, bei Berthold vRegensburg oft sä zehant s.
Rotteken Der zusammengesetzte satz bei BvR. s. 44) und in den
reimen, aber hier als litterarisches wort besonders in der formel-
haften bindung auf da. sä : da ist übrigens in den älteren ge-
dichten noch nicht fest gewordene conventionelle reimformel, sie
begegnet zb. im Rolandsliede noch nicht, obgleich sä 9 mal (aber
erst von v. 5298 anl) im reime vorkommt, in der Kaiserchronik
1 mal unter 30 bindungen mit sä; im hErnst B unter 5 reimen
mit sd schon vier auf da. der Untergang von sä wurde in vielen
mundarten beschleunigt dadurch, dass ä'^ä oder-d übergieng, wo-
durch es nahezu oder gänzlich mit so zusammenfiel, schon der
dichter der Erlösung und der hl. Elisabeth gebraucht neben iesä
48 ZWIERZINA REIMGEBRAUCH HARTMANNS UND WOLFRAMS
auch iesö im reime (Bartsch Erlösung s. 371, Germ. 7, s. 3 u. 4,
Rieger Elisabeth s. 30 u. 3830- — es ist also mit obd. sd ähn-
lich gegangen wie mit nd. sän, dessen geschichte Roethe verfolgt
hat (Reimvorreden des Sachsenspiegels s. 44 u. 87). für Wolfram
ergibt sich, dass sä schon in seinem Sprachgebrauch nicht unbe-
dingte geltung mehr hatte, und damit ist es auch nicht mehr auf-
fallend, dass er es im reime meidet.
Ist sän ein wort der litteratursprache und nicht der lebenden
mundart des dichters, so ist es also doch mit Botticher unter die
'^flickwOrter zu reimzwecken' zu rechnen (Z. s. 440). und vielfach
werden ihm auch die formwörter da und dö, nü und so deshalb
aufgestiegen sein, weil er schnell fertig damit einen reim bilden
konnte, und nicht in folge des natürlichen flusses der gewöhnlichen
rede, bei Hartmann triCTt es nicht zu, was Z. für Wolfram geltend
macht (s. 440 anm.), dass jene wörtchen bei fortschreitender tech-
nik sich häufiger einstellen, im gegenteil. im Erec steht dö von
V. 1 — 7031 42 mal im reime, von da bis zum schluss 9 mal
(hinter v« 7031 ein merklicher abstand, von da bis v. 8458 nie,
von 8834 — 9725 ebenfalls nie), so also im reime von v. 1 — 7340
19 mal, von da bis zum schluss 2 mal, dd von v. 1 — 5684 31 mal,
von da bis zum schluss 7 mal (sä s. oben), auch eine abnähme
vom Er. zum Iw. ist zu bemerken : da begegnet im Iw. im reime
19 mal, dö n mal, nur so also sind häufiger, 21 mal, aber die
bindungen von frö zu dö so also viel seltener als im Er.
Ein ähnliches ergebnis wie für sä-sän liefert Z.s beobachtuug
von sU und sider (s. 478). auch hier nimmt man eine bestimmte
«nbsicht im reimgebrauche wahr : Parz. b. i u. n nur sii, von da an
nur noch 4 mal, im Willeh. gar nicht; für sit tritt mit Parz.
b. III sider ein, bis zum schluss 12 mal, im Willeh. desgleichen
12 i^lle. Z. gibt keine erklärung für diese erscheinung und wirft
drei fragen auf: war nur sit oder nur sider oder waren beide zu-
gleich in der mundart des dichters heimisch? sU war es jedes-
falls, denn er lässt es als adverb auch im innern, also in un-
beeinfiusstem ausdruck, recht häufig zu. für sider ist die ent-
Scheidung schwieriger, ich find es im innern des Parz. 6 mal,
und zwar in b. i 56, 23 und dann gerade in den gravierten
büchern vii 340, 6; ix 434, 9. 439, 29. 446, 4; xv 768, 26 und
nur ganz selten im Willeh. das ist wenig gegenüber dem auf-
treten von sider in den reimen, aber diese, sider : nider, wider^
sind litlerarische und gehören unter die allgemein gebräuchlichen
reimformeln der mhd. technik. sider hielt sich hier, indem es
sich bequem einstellte zu den häufig sich aufdrängenden vocabelu
nider und wider, darauf weist schon die bemerkung im Mhd.
wb. unter 5ie{er (ii' 322 a) 'häufig im reime*, besonders im md.
sind die belrefTenden bindungen recht oft zu finden, vgl. Bartsch
Ober Karlmeinet s. 322, Kinzel Lampr. Alex, zu v. 478 (s. 426),
fleinr. vFreiberg (im glossar bei Bechstein), Livl. reimchronik
ZWIBBZINA BEIMGEBRAUCH HARTMANN8 OMD WOLFRAMS 49
USW. man kano also nicht sicher sagen, ob sider auch der mund-
art Wolframs angehörte oder lediglich ein litterarisches wort für
ihn war. und weshalb hat er sein sit aufgegeben? aus grOndeh
der Wortstellung? Z. ist eher geneigt^ie reime mit sit als litte-
rariscb aufzufassen, das aber ist ausgeschlossen, weil sU gewis
Wolframs persönlichem Wortschatz angehörte, die Untersuchung
anderer dichtungen kann vielleicht weiteren aufschluss gewähren,
so steht zb. im Nibelungenlied nach Bartschs grofser ausgäbe, die
▼arianten eingerechnet, sider im innern 27 mal, 8 mal im reime,
adTerb sU aber 100 mal im innern und nur 2 mal im reime,
also eine entschiedene abneigung gegen sit als reimwört.
Zu einzelheiten noch folgende bemerkungen : künne (s. 445)
begegnet auch im Gregor v. 3147, dazu künneschaft Iw. v. 804
(io den ersten 1000 versenl Jänicke s. 23). — gemeit (s. 457)
prädicativ auch aHeinr. v. 1192 (Jan. s. 10). — das bild vom
Spiegelglas (s. 462) als symbol der reinheit geht nach Schönbach
Ober HvA. s. 131 aus von Sap. 7, 26. ein 'altüberlieferter, con-
ventioneller, fertig vorliegender' vergleich war es am anfang des
13 jhs. wol in der deutschen litteratur noch nicht, gläserne Spiegel
waren damals noch nicht lange in gebrauch (vgl. Wackernagel
KL sehr. I 131), zur abgegriffenen formel wurde es erst bei den
spätem dichtem, in nachahmung von Hartmann, Wolfram und
Ootfried. man darf also das zweimalige auftreten von Spiegel-
glas im Willeh. (22,28 u. 67, 13) nicht als einen beweis für
einen rückgang in der technik anfuhren, (in dem Walther zu-
geschriebenen liede 122, 24 ff ist Spiegelglas ein bild der Vergäng-
lichkeit K) — die präterita der verba kleiden arbeiten leiten breiten
bereiten werden von Wolfram im reime streng geschieden von den
Übrigen reimen auf — eite — eiten (s. 4850. ligt der grund
hierzu in einer andern ausspräche, als nachwürkung von ahd.
tleidta leitta etc.?
Heidelberg. G. Eurismann.
^ Ulrichs vSingenberg lied Betrogeniu well (Wackern.-Rieger Wallher
«. 215) geht aas der gleichen religiösen anschaaung hervor wie dieses
Waltber zugeschriebene, aber die ähnlichkeit geht ober das allgemeine des
Inhalts hinaus, auch einzelne Vorstellungen sind die nämlichen, so jene
drei begriffe, welche den gedauken der beiden ersten verse Walther 122,24f
bestimmen Ein meister las troum unde Spiegelglas : bei Singenberg
216, 17 und Hegent unser meister nihly 216,16 daz ex im »eime troume
Wirt, 216,4 ein betrogen glas; ferner Walther 123,22 zer winstern
hont reht in die gluot: bei Singenberg 217, 14 inz winster viur, es
macht den eindruck, als ob Singenberg die idee des gedichts aufgenommen^
dazu einige schlagwörler herausgegriffen und in den Zusammenhang seiner
eigenen verse gebracht habe, bestehn wurklich solche beziehungen zwischen
deo beiden liedern, dann läge hier ein positiver grund vor, Walther diese
«irophen zuzusprechen.
A. F. D. A. XXVI.
50 UHL MVRNBR8 GÄUCBMATT
SCHRIFTEN ÜBER MÜRNER.
Thomas Murner Die Gaucbinatt (Basel 1519). herausgegeben von Wilhelm
Uhl. mit einleitiing, anmerknngen und excursen. Leipzig, Teubncr,
18^ VII und 290 88. — 2,80 m.
Thomas Murner An den grofsmächtigsten und durchlauchtigsten adel deutscher
nation, 1520. herausgegeben von Ernst Voss. [■■Neudrucke deutscher
litteraturwerke des 16 und 17 jhs., nr 153. Flugschriften aus der
reformationszeit xiil] Halle a.S., Niemeyer, 1899. iv und 57 ss. — 0,60m.
Über Murners Verhältnis zu Geiler, von Kabl Ott. Bonn, PHanstein, 1896.
103 88. — 2 m;
Die metrik und rhythmik Thomas Murners, von Julids Popp. Heidelberger
diss. Halle a. S., EKarras, 1898. 76 88.
Das Interesse für Hurner scheint in stetigem wachsen be-
griffen zu sein, die letzten jähre haben uns abhandlungen über
Murner und ausgaben seiner Schriften in reicher fülle bescheert,
und unsre kenntnis hat dadurch manche fürderung erfahren, von
Murners dichtungen liegen nun aHe bis auf die Von den ?ier
ketzern predigerordens in bequemen neudrucken vor; zur aus-
gäbe der prosaschrifteu hat Voss den ersten schritt getan und
zugleich versprochen, dass dieser erste schritt nicht der letzte
sein soll.
Mit der tüchtigen ausgäbe der Narrenbeschwörung (a- NB)
durch Spanier (s. Anz. xxii 285 ff) ist die der; Gauchmatt (GM)
durch Uhl freilich nicht ganz auf gleiche stufe zu steHen. der
text scheint den anforderungen^ die man an einen neudruck zu
stellen gewöhnt ist, zu entsprechen, ich habe keine Originalaus-
gabe zur band und kann keine Stichproben nehmen, zweifle aber
nicht, dass der herausgeber sorgfältig verfahren ist, wenn ich
auch nicht verschweigen kann, dass mich zwei gelegentliche be*
merkungen etwas stutzig gemacht haben.- -erstens die ablebnung
der Vollständigkeit in anfuhrung der verbesserten druckfehler (s. 8).
die berufung auf Scherers verfahren beim photolithographischen
nachdruck der Schelmenzunft war doch wahrlich nicht am platze,
und wenn irgendwo so gilt hier das ^Si duo idem faciunt\ zweitens
aber die anmerkung zu v. 1604, wo es heifst : ^die formen nach
und noch sind wegen der vocalschwankungen manchmal kaum
auseinanderzuhalten, ich habe bei diesen Wörtern stets die ur-
sprüngliche Schreibung gewahrt', soll das heifsen, dass der heraus-
geber sonst kühnlicher von der ^ursprünglichen Schreibung' ab-
gewichen ist? und was heifst Oberhaupt in diesem zusammen-
hange ^ursprüngliche Schreibung'? ich vermute, dass wirres nur
mit einer leichthin geschriebeneu und un bedachtsamen anmerkung
zu tun haben, komme aber über ein etwas unbehagliches gefühl
nicht ganz hinweg, denn wenn auch die gaben verschieden ver-
teilt sind, und wir philologische mitarbeiter mannigfacher art
wünschen müssen und brauchen können : für den herausgeber
eines textes bleibt allemal akribie die erste der tugenden.
Einzelne besserungsvorschlage hat U. in der eiul. s. 9 be-
UHL MURNERS GÄUCBMATT 51
sproefaen. die zu v. 1595. 1982. 2005. 2561. 3316. 5013 liegeD
auf der hand. sicher unrichtig sind die zu v. 1512 {der der für
der). 2591 {eyn toyb zur ee für ein zur ee «» eioe ehefrau).
3193. 4471 {äso für alsa, was natürlich 'sogleich' heifst, wie U.
Qbenehen zu haben scheint), die übrigen sind discutabel. manches
andre aber wäre hinzuzufügen gewesen. ¥.210 1. Ein st. En.
▼. 416 ligt belibem st. bleiben sehr nahe. v. 535 fehlt sicher sy
hinter Bifs. sollte s. 42 z. 20 von oben nicht wes st. im» ein-
zusetzen sein? ▼. 939 (dem geuchim halfs bandt machen liefsen)
wdre das überlieferte geuchim besser in geuchin oder geuchinn «=
^eiidUiine(fi) st. in geuch ein geändert worden, halfs bandt ist
plural, collectivisch gebraucht, geuchin ein, wie in der anmerkung
▼ermutet wird, geht natürlich nicht an.
Die interpunction ist mehrfach verbesserungsbedürftig, v. 4
tilge man das komma hinter lesen, v. 13 das hinter tandt. v. 16
gebort punct hinter geseit : es beginnt ein ganz neuer gedanken-
gang, in v. 38 stünde wol besser komma und in v. 39 punct
(s. Q.), V. 133 komma, v. 536 komma usw.
Nicht glücklich find ich es, dass U. die verse doppelt be-
ziffert hat^ indem er sie einmal durch das ganze werk, dann durch
die einzelnen capitel durchzählt.
Die anmerkungen U.s sind nicht unverdienstlich, wenn sie
auch einen für mein empfinden gar zu saloppen Charakter tragen,
das gilt besonders für die ästhetischen aper^^üs zu v. 2710. 3775 f.
4276. 4355 uaa. wem nutzen die schuimäfsigen censuren , die
der herausgeber seinem dichter mitgibt : ^langweiliger vers, der
ODScbOn hinterdreinhinkt', ^zwei sehr schwache verse' usw.?
Irgend ein princip für die anmerkungen vermag ich über-
haupt nicht zu entdecken, vielfach hat U. offenbar mit der feder
In der band seinen Hurner gelesen und nachher in druck ge-
geben, was ihm gerade bei diesem oder jenem verse eingefallen
war, ohne recht zu überlegen, was und an welcher stelle ein
erläuterndes wort dem leser frommen kann, so wird v. 2111
plötzlich bemerkt, das unberechtigte e iu gouche sei wol nur wegen
des metrums angehängt, das hätte passend zu v. 21 erwähnt
werden sollen, v. 2723 wird mit rücksicht auf i^are, das auch
nicht zum ersten mal vorkommt, hinzugefügt, die meistersinger
bezeichneten ein solches e als klebsilbe. zu v. 3111 aber ent-
deckt der herausgeber, allerdings nicht ohne ein sehr berechtigtes
fragezeichen, dass das e in stiesse anaiogiebildung nach der 2 sing,
sein könne.
Vielfach hat U. offenbar vergessen, was er selbst über eine
erscheinung anderwärts angemerkt hatte, zu v. 733 — 739 heifst
es : ^die reime sind in diesen versen merkwürdig ungeschickt',
(beiläufig bemerkt : der erste der unerlaubt rührenden reime nit : nit
lässt sich vermeiden, wenn man v. 734 richtig interpungiert : so
brnchens auch kein hoffart, nit [«» nit], und bei dem zweiten ligt
52 UHL MURNERS GÄUCHMATT
es gar zu nahe, das sagt in v. 739 als druckfehler für klagt zu
hetrachlen). v. 1012 f wird dann zu fundt : kumpt bemerkt : 'der-
selbe ungenaue reini wie 736. 737; s. u. zu 1233. 34'. v. 1233f
heifst es 'fündt :kümpt; vgl. 736. 737. 1482. 83 uO.' eine halbe
Seite später zu 1299 f heifst es über fundt: kumpt : Miesen uo-
reinen reim gestattet sich M. öfter*.
Bei der ganzen art des arbeitens ist es nicht verwunderlich,
dass U. einige kräftige versehen untergelaufen sind, die er leicht
bei etwas sorgfältigerer redaction seines manuscripts vermieden
hätte.
Dass die anmerkung zu v. 1395 allen ernstes den erzvater
Isaak auf dem sterbebelte einen dachhasen verspeisen lässt, ist
doch etwas starker tobak. andres wigt leichter, ich gebe nur
ein paar beispiele.
Zu V. 40. So mer.] wir sagen ^um so mehr^. nein. So mer
ist natürlich das mhd. alse mcere 'gerade so lieb', 'gerade so gut',
dann : 'immerbin'.
V. 320 wird es als eine bei Murner 'seltene erscheinung'
hervorgehoben, dass der vers keinen auftact habe, nach Popp
enthält die GM 10,97^0 auftactiose versel
V. 509. ietzung wird freilich kein druckfehler für ietzund
sein; aber der vergleich mit tolung (tagelanc) hinkt doch sehr
bedenklich.
S. 205 z. 6 V. 0. äschen gryddel hat mit Grete nichts zu
tun. s. DWb.
V. 821. die zeile hat der herausgeber offenbar ganz mis-
verstanden, zu übersetzen ist natürlich : 'und männer sind den
frauen günstig gesinnt', von einem latinismus und einem acc. c.
inf. kann nicht die rede sein, überhaupt wird mit latinismen bei
Murner ein arger unfug getrieben, so soll nach den aomerkungen
zu V. 45 und 2364 auch all die sich wyber Ion betriegen; der
liefs sich doch die lieb bezwingen latinismus sein, als ob der-
gleichen nicht schon im mhd. gang und gäbe wäre, selbst wenn
es von V. 1409 in der einleitung heifst, iederman ein gouch sich
syn leuckt sei dem lat. 'unus quisque cuculum se esse negat'
nachgebildet, so möcbt ich diese naheliegende annähme bezweifeln,
ich fasse zunächst syn als gen. neutr. löugnen mit gen. ist schon
mhd. ganz gewöhnlich; vgl. Freidank 47, 3 ein iegelich diep weiz
vil wol, wie er der diupe louken soL ebenso mit zugefügtem da-
tiv der person, zb. Nib. 2284, 1. sich eines dinges löugnen könnte,
wenn man sich erlaubt, sich als dativ zu fassen, im 16 jh. ganz
wol bedeuten 'sich etwas nicht gestehen wollen', wahrschein-
licher aber ist doch sich accusativ und einen eines dinges löugnen
hiefs ebenso wie einen ein ding löugnen (HSachs nach DWb.
VI 343 : sie laugnet jn ein verschnitten man) 'einem gegen die
Wahrheit eine eigenschaft absprechen, iederman ein gouch ist
dann zu fassen als 'jeder, der ein gouch ist'. — auch ?. 250
ÜHL MÜRNERS GAUCHUATT 53
Des hand sy mich ein gouch geschätzt soll laÜDismus sein, statt
aodern paralleleo verweis ich nur auf Fnsp. 262, 7 so wird ich
iiarumb ein narr geschätzt.
V. 1745. Byfs ist weder in Wyfs zu ändern noch gleich
Bissam, sondern natürlich das lat. hyssus 'feines leinen, battist'I
V. 2506 wird schied in der Verbindung schied es in schon dri
künigrieh als conj. prät. von schaden erklärt noit der sonderbaren
bemerkung : ^Heyne im wb. vergleicht Weinhold' 464'. dass die
eigentliche Schwierigkeit bei dieser auffassung von schied "»
sdküede, sAadete in dem accusativ des inhalls liegen würde, wird
mit keiner silbe gssagt. U. übersetzt wol 'kostete es ihnen schon
drei königreiche' «= 'schadete es ihnen schon unendlich viel'.
ich ziehe vor, schied als conj. prät. von scheiden zu fassen e» Mn
Scheidung, hader bringen'.
Die anmerkung zu 3847 nicht miszuverstehn, scheint mir
ein wahres kunststUck (lis übrigens : Zs. f. d. ph. 27, 5500.
V. 3778 ff, im anfang der die sieben bösen weiber einführen-
den capitel 38 — 45 lesen wir:
Ich habs im anfang wol betracht.
Das ich zwei ff man in gouchradt macht;
Das disser radt möcht nit zergan.
Ich mist auch wyber dynnen han L
U. merkt an : 'gemeint kann wol nur das xxxri capitel der GM
sein : 'Summa Summarum aller gouch' (2552 ff), wo jedoch bei
aufzäblung der thOrichten männer die zwölfzahl M^eit überschritten
ist. vom 'gäuchrat', der erst 4075 wider erwähnt wird, war
bisher überhaupt noch nicht die rede, vielleicht hat der dichter
dies^ ursprünglich geplante idee später fallen lassen , ohne sich
ihrer nachher noch zu entsinnen, man sieht, wie nachlässig M«
zu arbeiten pflegte', damit ist das eigentlich litterarhistorische
problem der GM berührt, ich meine die frage, wie die auffallend,
auch für das 16 jh. und für Murner auffallend, zerfahrene com-
position der GM genetisch zu verstehn ist. die sache lässt sich
natürlich nicht im handumdrehen erledigen, ich muss also für
ein paar hypothetische bemerkungen ;von vornherein um nach-
sieht bitten.
Zunächst ist mir die beziehung auf c. xxxii ganz unwahr-
scheinlich, schon weil, wie U. ganz richtig bemerkt, dort nicht
von 12 gäuchischen männern die rede ist und dann, weil mir
der vom dichter selbst hervorgehobene parallelismus gegenüber
den folgenden 7 weibercapiteln auch 12 vorausgehnde männer-
capitel und nicht blofs eines zu verlangen scheint, von diesen sind
nun auch mindestens 11 würklich vorhanden, nämlich cc.21 — 31
(David, Alexander d. Gr., Salomon, Simson » Adam, Herodot,
Aeneas, Kasp. Schlick-Eurialus, Moses, Ninus, Holofernes). die
1 ob diese verse so richtig überliefert und von U. richtig interpungiert
sind, ist mir zweifelhaft.
54 UHL MURNERS GÄOCBMATT
ähnlichkeit mit deo weibercapitelo ist uQverkeoDbar, wenn mao
beachtet, dass die von weibern verführten — es sind die tradi-
tionellen namen darunter (vgl. Roethe^zu Reinmar ?Zweter 103) —
ebenso wie nachher die weiber meist in erster person reden,
die Überschriften dürfen zunächst nicht irre führen, und die zwOlf-
zabl würde herauskommen, wenn mau c. 20 CJohannes ein papst')
mitrechnet und annimmt, dass entweder die päpstin Johanna würk-
lich vom dichter in unpassender und seinen eigenen intentionen
widersprechender weise unter die männer gerechnet wurde, oder
erst bei einer ursprüngliche plane verwischenden Überarbeitung
an die stelle eines würklichen mannes getreten ist. tlberbaupt
schliefst, wenn ich auch die cc. 20 — 31 fürs erste zu derselben
^compositionsscbicht' rechnen möchte wie cc. 38 — 45, diese an-
nähme natürlich nicht aus^ dass eine Überarbeitung stattgefunden
hat, worauf schon die wunderliche anordnung hindeutet.
Schwieriger wird die frage dadurch, dass c. 19 mit c. 20
nicht übel zusammen zu passen scheint, und list man die Über-
schriften und vorsprüche zu cc. 19 — 26, so entsteht der eindrucke
als sollten vielmehr die frauen (Venus, die päpstin, Bathseba,
Thays, die mOhrin, Delila, Eva, Mariamne) revue passieren, man
vergleiche dazu Brants NS c. 13. vielleicht hat der hastige mann
von vornherein zwei verschiedene ideeu durcheinander gemengt,
sich aber dann doch im forlgang seiner arbeit durch die domi-
nierende leiten lassen; mir ist nachträgliche Umgestaltung a priori
wahrscheinlicher : doch führt das zu sehr ins detail, und ich
möchte nur betonen, dass cc. (19) 20 — 31 und 38 — 45 zu einer
leidlich einheitlich werdenden dichtung gehören können, dass
dort von der Gäuchmatt, hier von dem Gäuchrat die redtf ist,
halte ich für belanglos.
Dagegen fallen die abweichungen andrer capitel von den eben
erwähnten für die compositionsfrage viel stärker ins gewicht;
während wir es hier mit reihen zu tun haben, für die 1) ältere
revuen, 2) die fastnachtspiele, 3) Brants NS, 4) die Gäuchmatt
Gengenbachs vergleichbar und, was 1 — 3 angeht, sicherlich auch
Vorbilder sind, so enthalten c. 7 — 18 i^den gouch locken^ — fahen,
— berupffin, — verkouffen* usw.) , c. 34 {*dem gouch die pfinn
besehen*), c. 50 — 54 ('den gouch lernen essen*, 'ein gouch in pfeffer
essen, 'ein gouch reuchen*, 'den gouch leren gan', 'den gouch rösten*)
reiben ganz andrer art, die sich freilich keineswegs fest zusammen-
schliefseo, sondern verschiedenartige ausätze erkennen lassen, es
sind hier nicht personen, sondern handlungen auf die schnür ge-
zogen, und schon den Überschriften nach erinnern diese capitel
an die 'Geistliche Badenfahrt', in zweiter linie an die NB. wie in
der BF die handlungen des baders (und des badenden) das ein-
teilungsprincip abgegeben haben, so in der GM die des Vogel-
stellers und -Züchters, bedenkt man nun, dass die BF 1514 er-
schien und die GM im jähre 1515 dem drucker Hüpfuff übergeben
UHL MORIlBaS GÄOCBMATT; VOSS MURItER Alf DBN ADEL 55
wurde« ao isl die aonabme wol nicht alizukaba« däss die «rgestall
der GM, von der sich noch reste in jener zweiten capitelreibe
erhalien haben, der BF erheblich näher stand, als die ttberarbei-
üiBg voQ 1519. weiterhin weist auch, was sonst flEUr die vor-
geachicble der GH bei Hurner in betracht kommt, zunächst auf
diese capitelreifae : NB c. 6 Gedieh vfshrieten (vgl. GH c 11), NB
€. 85 Iku 60U(h geschrey (vgl. GH c. 15). auch das capitei 'Fni
der Gtnß wegen' (NB c. 17), das Spanier Beitr. 18,55 analysiert
hat« iat heranzuziehen, sind die berüchtigten ganspredigten ^ von
dein findigen Franziskaner etwa zunächst in gauchpredigieo um-
gewandelt, dann versificatorisch verarbeitet worden?
Ob der kanzler, der Zunftmeister, der gauchwäscher und was
sonst zur einkleidung gehört, dieser zweiten arbeitsperiode an-
gehört oder einer dritten, altes und neues rasch und äufserlich
zQsammensch weifsenden ^ will ich nicht entscheiden. U. hat zu
3827 ff die gute bemerkung gemacht, dass für das Tulliacapitel
der personenreihe (c. 39) offenbar HS 329 — 345 vorgestbwebt
hat — das stimmt zu der annähme späterer abfassung ^ — , dass
aber Murner sorgfältig vermieden hat, sich wörtlich auszuschreiben,
in c. 33 verfährt er viel ungenierter, wie dies und das folgende
aus der handlungsreihe stammende capitel, so mag auch noch
andrer bauschutt in die lücke zwischen die beiden abteilungen
der personenreihe gestopft sein, sorgfältige philologische Unter-
suchung würde wol weiter führen.
U.S excurse enthalten aufser einer antrittsrede des heraus-
gebers, in welcher der misglUckte versuch gemacht wird, Hurners
Institutionen zu ^retten', und allerhand mehr oder weniger belang-
losen kleinigkeiten, einen aufsatz Jeeps, in dem, wie mir scheint,
aberzeugend der name Eulenspiegel als ekelname ile ian efeigel
*verrc podicem* gefasst wird. —
Kürzer kann ich mich über Voss ausgäbe der scbrift an den
adel fassen, sie gleicht den üblichen neudrucken« auch hier
hab ich kein exemplar der Originalausgabe eingesehen und kann
nur anmerken, was mir bei genauerer durchsiebt des neudruckes
allein aufgefallen ist. 40, 4 war zwisdUen nicht in zwtechen zu
eorrigieren, vgl. Uhl zu GH 7. 8, 34 lis radten st. radt'cn; 10, 28
erkennen st. erkennen, 11, 36 heiden, 15, 31 holten, 15, 34 dem,
18, 7 ist das komma hinter red zu tilgen, 24, 15 finden st.
finden, 38, 21 erachten, 50, 26 betonen st. hdonen. 33, 4f sind
die werte er das geret hab, ist tool zu ermessen so dy zweimal
gesetzt, sind etwa auch 36,37 adelischen, 41,2 engliche nur
druckfehler des neudruckes für adelichen und englische! manche
eigenartige Schreibungen (zb. das häufige Romaniscen) und offen-
* ich glaube nicht, dass sich die bekannten beschuldigungen lediglich
auf NB c. 17 stützen.
> vorausgesetzt, dass MS erst nach cassierung der ersten GM ge-
arbeitet wurde.
56 OTT MI7RNERS VERHÄLTNIS ZU GEILER
bare fehler (zb. Zerstörung 8, 33 statt zerstören) gehören aber
olTenbar dem original an. —
Dass Geiler vKaisersberg von ThMurner nicht nur, was uns
ausdrücklich bezeugt wird, in äufserlichkeiten nachgeahmt wurde,
sondern auch auf ihn einen tiefergehenden einfluss geübt und
und zur auspr^gung der schriftstellerischen persönlichkeit Murners
beigetragen habe, ist an sich sehr wahrscheinlich und mehrfach,
am nachdrücklichsten von WKawerau behauptet worden, das
misliche ist nur, dass wir kein rechtes mittel besitzen, um uns
die unmittelbare einwürkung des predigers auf den prediger an-
schaulich zu machen, und ist die indirecte einwürkung in den
poetischen werken Murners noch deutlich genug erkennbar? Ott
ist dieser ansieht und hat dem nachweis Scharfsinn und fleifs ge-
widmet, ich kann indessen nicht sagen, dass mir seine Zusammen-
stellungen ein schärferes und klareres bild hinterlassen hätten.
O.s beweisfübrung, in äufserlicbkeiten an den aufsatz Spaniers
Beitr. 18, 1 ff erinnernd, ist eine doppehe, ohne dassdie beiden weiten
mit der wünschenswerten schärfe auseinander gehalten würden:
darin ligt ihre schwäche, einmal sollen auf litterarische werke
Murners die predigten Geilers gewürkt haben, und zwar einerseits
indirect, indem Murner seine predigten nach dem vorbilde der
Geilerschen gestaltete, seine predigtmanier, wie von 0. ganz hübsch
gezeigt wird und noch schlagender hätte gezeigt werden können,
auch in der poesie nicht vergafs, anderseits in einem gleich zu
erwähnenden specialfall auch direct. zweitens wäre aber auch
mit dem einfluss der geschriebenen und gedruckten predigten zu
rechnen, nun erschienen zwar Geilers predigten gröstenteils erst
als Murner in NB und SZ seinen Stil bereits ausgebildet hatte,
es kämen also wesentlich die geschriebenen predigten — etwa
nach der Sammlung des Joh. Pauli — in betracht. nur für die
NB wären wir nach 0. in der glücklichen läge, die verschiedenen
sich kreuzenden einOüsse in ihrer ganzen stärke kennen zu lernen.
Die NB Murners, so behauptet 0., sei nicht allein durch das
NS beeinflusst worden, sondern erst die Geilerschen predigten
über Brants werke hätten den anstofs zu der ^neuartigen' be-
handlung gegeben, das ist an sich wol möglich, und ich halte
es für einen ansprechenden gedanken, dass Murner durch den
seelsorgerischen standpunct, den Geiler den Brantschen narren
gegenüber einnimmt, auf die idee eine narrenbesserung gekommen
sei; wenn aber 0. nun auf schritt und tritt nach spuren Geilers
suchte, so geht er entschieden zu weit.
Bekanntlich hat Geiler seine predigten über das NS 1498
— 1499 gehalten. 'Murner als mönch, der ja das amt des pre-
digers übte, wird wol ein eifriger zuhörer gewesen sein' (s. 5).
1510 erschien die erste gedruckte ausgäbe der Navicula (^ Nav.).
möglich, dass Murner seiner zeit erst durch Geiler auf das 4 jähre
zuvor erschienene NS aufmerksam wurde, sicher, dass er durch
OTT MURNERS VERHÄLTNIS ZU GEILER 57
Geiler — ?ielleicht durch die Nav. von 1510 — angeregt, 151t
bis 1512 Aber seine NB predigte, aber darf man darum geradezu
Geiler an stelle Brants bei der NB zu gevatter bitten ? 0. nimml
das ao« *bei Brantist es eben das tote buch, das vor Hurner
ligt und ihm aoregung gibt, bei Geiler das lebendige beispiel in
seiner Unmittelbarkeit, das einen starken eindruck zurUcklässt;
eine sionliche wOrkung erzeugt, die ihm verwante natur in der
liefe packt' das klingt ganz gut, besagt aber doch herzlich wenig,
wenn man Hurners eigene berufung auf Brant bedenkt und die
chronologischen Schwierigkeiten recht erwägt, die entstehungderNB
setzt Spanier in die jähre 1509—1512. legt man auf die be*
kannte erklärung LN 162 fr ich hab vor fierzehn gantzer iaren
Allein die kleinen närlin beschworen gewicht — meines erachtens
darf sie nicht eliminiert werden — , so kommt man ins jähr 1508.
später als 1509 aber wird man die anfange der NB gewis nicht
setzen dürfen, sollten nun würklich Geilers NS-predigten ein
decennium lang so intensiv nachgewürkt haben, dass Hurner auch
einzelheiten im gedäcbtnis blieben? denn dass Hurner zwischen
1489 und 1510 seine erinnerungen durch henutzung der Samm-
lung Paulis aufgefrischt habe, bleibt doch eine sehr zweifelhafte
hypothese, und wenn man sie auch gelten lässt, so hat Hurner
doch jene handschriftliche Sammlung sicherlich nicht so andauernd
in bänden gehabt wie das NS, von dem 0. ganz grundlos be-
hauptet, es sei erst in den jähren 1510 — 1512 in den engeren
gesichtskreis Hurners getreten, weil eine frühere 'eingehnde*^
beschäfligung mit ihr 'gewis' aus Hurners büchern und Schriften
erkennbar wäre (s. 5). den langen versreihen, die zb. Spanier aus
NS und NB nebeneinanderstellt, vermag auch 0. nichts von
gleicher beweiskraft an die seite zu stellen.
So nimmt 0. im gegensatz zu Ries zb. an, dass Nav. c. 87
Hurner veranlasst habe, das bild zu NS c. 87 so umzudeuten, wie es
in NB c. 7 geschehen ist. dadurch dass Geiler in seiner predigt
im vorbeigehn ein 'wurfspiel' erwähnt und einen Spieler vorführt,
der im frevelnden zorn über Verluste sein scbwert zum himmel
^wirA', und dass er die bekannte geschichte von den drei söhnen
erzählt, die ihre pfeile gegen den leichnam ihres vaters 'schiefsen^
soll Murner auf die idee des geisspiels als ein wurfspiel ge-
kommen sein! die Geiler geläufige redensart die frag eins loch»
enger gurten soll die veranlassung dazu gegeben haben, dass Hurner
das bild zu NS c. 12 in seiner NB c. 20 im gegensatz zu Brant
dabin deutet, als solle der esel gegürtet werden.
Wäre ein so ins einzelne gehnder einOuss aber würklich
nachweisbar, so müste man ihn von dem erscheinen der Nav. ab
datieren, und es würde sich dann die philologische aufgäbe ergeben,
die vor der Nav. gearbeiteten capitel von den nach ihrem er-
scheinen entstandenen zu scheiden. Uhl hat den nicht üblen
einfall, die anläge der NB auf eine sprüchwOrtersammlung zu-
58 OTT UURNERS VERHÄLTNIS ZU GEILER
rückEuführen (s. 261). ich könnte mir denken, dass etwa jemand
sich anschickte, nachzuweisen, dass Murner anfangs einzelne ca-
pitel im anschluss an diese quelle, aber ohne den gedanken einer
beschworung fertiggestellt und erst nach dem erscheinen der Nav.
den eigentlichen plan und mit ihm auch den engeren anschluss
an Braut gewonnen habe : vor der band seh ich indessen keinen
rechten grund zu dieser oder einer ähnlichen annähme.
Etwas anderes ist es natürlich mit der behauptung, dass die
Nav. nach ihrem erscheinen in secundärer weise für die im an-
schluss an das NS werdende NB herangezogen ist. hier nun
verweist 0. auf die ausgäbe von 1511. ich habe weder diese-
noch die von 1510 zur band, kann also nicht feststellen, ob sich
seine angaben etwa auch auf die Nav. von 1510 beziehen lassen.
es kommen besonders c. 29. 30. 33 in betractit.
Für das bild zu NB c. 29 hat bereits Ries s. 29 bemerkt, dass
es aus Nav. c. 35 stammt, wenn er meinte, der drucker habe
gegen des dichters absieht das eigentlich zu diesem capitel ge-
hörige bild des NS durch das entsprechende der Nav. ersetzt, so
hat Spanier in seinem commentar zur NB mit recht bemerkt,
dass das bild der Nav. auffallend gut passe. 0. sieht hier bewuste
absieht des dichters, der demnach die Nav. nachweislich wenigstens
bei der illustrierung benutzt hätte : wenn Ries ausfübrungen zu-
treffen, aber doch wol nach fertigstellung des textes von c. 29. —
ebenso behauptet 0., wie es scheint, mit recht gegen Spanier,
dass das bild zu NB c. 33 nicht aus einer der ausgaben B-F des
NS stamme, sondern aus Nav. c. 108 und vom dichter mit ab-
sieht und in bezug auf v. 31 = NS 83, 29 gewählt sei (s. 30).
auch hier kann es sich aber um heranziehung in letzter stunde
handeln, die textparallelen sind ohne belang, und unerlaubt ist
es sicherlich, auch später gedruckte predigten mit oberflächlich
anklingenden ausdrücken zu vergleichen. — etwas anders ligt der
fall bei c. 30. im text ist NS c. 55 benutzt; der schnitt aber,
der auch zu NB c. 93 widerkehrt, flndet sich in der ersten aus-
gäbe des NS bei dem unverwanten capitel 38. nur die ausgaben
B-F bringen ihn zu c. 55, während A hier den von Hurner zu
NB c. 69 ausdeutend benutzten ähnlichen schnitt hat. (die an-
gaben von Spanier sind ungenau). 0. nimmt hier an und glaubt
es auch durch textparallelen beweisen zu können, dass Murner
Nav. 54 vor äugen gehabt und von dort auch den schnitt ent-
lehnt habe, wenn mir die textabhängigkeit, an die ich hier
allerdings eher glaube, überzeugender wäre, so würd ich an-
nehmen, dass das ganze capitel, das übrigens eins der wenigen
ist, deren Überschrift keinen infinitivus enthält, kurz vor der
drucklegung eingefügt wurde, als Murner beim suchen nach einem
passenden schnitt für NB c. 29 und c. 33 beim durchblättern der
Nav. auf schnitt und text von c. 54 aufmerksam wurde, eine
gleich späte entstehung für das geniale c. 93 {Der narrm harn
OTT UURNERS VERBÄLTNI6 ZU GEILER 59
ftefdheit) anzunehmea, ist deshalb nicht uobediogt Dotweodig (fttr
kflboere eDtslehuRgsbypothesen aber vielleicht ganz erwünscht?).
Auch das wird man ohne zwang nur auf die einrichtong der
gedracktenNa?.?on 1510 bezw. 1511 beziehen können, wenn Morner
workiich anf das citat NB 1, 47
Salomon spricht, der fiarren zal
ümoisdüh sy ganz vberal
dadurch gekommen ist, dass jede Überschrift der Na?, den spruch
Sndiorwm infmittis est numerus Ecd. l enthält
Das zweite und dritte capitel O.s führen die betrachtung
mehr ins allgemeine, recht festen boden find ich nirgends, ob-
wol ich nicht leugnen will, dass manche gute bemerkung förder*
lieh ist, wie denn überhaupt redliche arbeit, mag man auch den
hauptergebnissen nicht zustimmen, immer mancherlei zu tage
nvrdert und dem der weiterbauen will nützlich ist. •—
Ad die heikle aufgäbe, Murners metrik einer darstellung zu
unterziehen, hat sich Popp, ein schüler Braunes, gemacht mit
frischem Wagemut und redlichem Oeifs, freilich noch ohne die
sichre band, die eine solche Untersuchung erfordert, eine rein*
liehe lOsung wird von vornherein dadurch erschwert oder unmög-
lich gemacht, dass sich die inconsequenzen der Überlieferung mit
Murners eignen inconsequenzen auf eigentümliche art verketten«
Hurners eigne spräche enthält dialektische und schriftsprachliche ele-
mente; ebenso, aber in etwas andrer mischung, die seiner drucker^
und ich gebe P. völlig recht^ wenn er meint, dass nicht nur dia-
lektische formen Murners durch schriftsprachliche, sondern auch
umgekehrt, freilich seltner, schriftsprachliche durch dialektische
ersetzt seien, es sind daher nach P., um zu Murners text, wie
er für den metriker construiert werden muss, zu gelangen, nötig
1) die einführung von formen mit apokopiertem und synkopiertem
e : knab für knabe, eins für eines, filn für filen, gemacht für ge-
maehet uaa., aber auch umgekehrt von e-formen; 2) einführung
von solch für solich, heilg für heilig, nerrsch für nerrisck, gelegent-
lich aber auch umgekehrt; 3) reduction von 6e-, ge* zu 6-, g^^
umgekehrt auch gelegentlich beleiben uaa.; z für zu, d für die,
s für sie oder es, kaum umgekehrt; 5) bisweilen einführung der
schriftsprachlichen 2 pl. auf -t für dial. auf -ent, dürft für dörffend
uaa. was bei Murner möglich ist, darüber lässt sich wol eine
einigung erzielen, schwerer über das, was in einzelnen fallen er-
forderlich ist. denn hier greift die metrische inconsequenz ein.
P.s ansichten über Murners vers lassen sich auf folgende Sätze
bringen : 1) Murner baut seine verse im princip nach dem na-
iQrlichen wortton; 2) es kommen indessen auch nicht wenige
verse vor, die nur mit Verletzung des natürlichen accents gelesen
werden können ; 3) Murner strebt im princip Wechsel von hebung
und Senkung (einsilbige Senkung) an; 4) in einer anzahl von
Versen ist aber mehrsilbige (meist zweisilbige) Senkung, seltner
58 OTT UI7RNERS YBRIIÄLTNIS ZU GEILEB
rückEuführen (s. 261). ich könnte mir denken, dass etwa jemand
sich anschickte, nachzuweisen, dass Murner anfangs einzelne ca-
pitel im aoschluss an diese quelle, aber ohne den gedanken einer
beschwürung fertiggestellt und erst nach dem erscheinen der Na?.
den eigentlichen plan und mit ihm auch den engeren anschluss
an Braut gewonnen habe : vor der band seh ich indessen keinen
rechten grund zu dieser oder einer ähnlichen annähme.
Etwas anderes ist es natürlich mit der behauptung, dass die
Nav. nach ihrem erscheinen in secundärer weise für die im an-
schluss an das NS werdende NB herangezogen ist. hier nun
verweist 0. auf die ausgäbe von 1511. ich habe weder diese
noch die von 1510 zur band, kann also nicht feststellen, ob sich
seine angaben etwa auch auf die Nav. von 1510 beziehen lassen,
es kommen besonders c. 29. 30. 33 in betracht.
Für das bild zu NB c. 29 hat bereits Ries s. 29 bemerkt, dass
es aus Nav. c. 35 stammt, wenn er meinte, der drucker habe
gegen des dichters absieht das eigentlich zu diesem capitel ge-
hörige bild des NS durch das entsprechende der Nav. ersetzt, so
hat Spanier in seinem commentar zur NB mit recht bemerkt,
dass das bild der Nav. auffallend gut passe. 0. sieht hier bewuste
absieht des dichters, der demnach die Nav. nachweislich wenigstens
bei der illustrierung benutzt hätte : wenn Ries ausführungen zu-
treffen, aber doch wol nach fertigstellung des textes von c. 29. —
ebenso behauptet 0., wie es scheint, mit recht gegen Spanier,
dass das bild zu NB c. 33 nicht aus einer der ausgaben B-F des
NS stamme, sondern aus Nav. c. 108 und vom dichter mit ab-
sieht und in bezug auf v. 31 »» NS 83, 29 gewählt sei (s. 30).
auch hier kann es sich aber um heranziehung in letzter stunde
handeln, die textparallelen sind ohne belang, und unerlaubt ist
es sicherlich, auch später gedruckte predigten mit oberflächlich
anklingenden ausdrücken zu vergleichen. — etwas anders ligt der
fall bei c. 30. im text ist NS c. 55 benutzt; der schnitt aber,
der auch zu NB c. 93 widerkehrt, flndet sich in der ersten aus-
gäbe des NS bei dem unverwanten capitel 38. nur die ausgaben
B-F bringen ihn zu c. 55, während A hier den von Huruer zu
NB c. 69 ausdeutend benutzten ähnlichen schnitt hat. (die an-
gaben von Spanier sind ungenau). 0. nimmt hier an und glaubt
es auch durch textparallelen beweisen zu können, dass Hurner
Nav. 54 vor äugen gehabt und von dort auch den schnitt ent-
lehnt habe, wenn mir die textabhängigkeit, an die ich hier
allerdings eher glaube, überzeugender wäre, so wttrd ich an-
nehmen, dass das ganze capitel, das übrigens eins der wenigen
ist, deren Überschrift keinen infinitivus enthält, kurz vor der
druckleguog eingefügt wurde, als Murner beim suchen nacb einem
passenden schnitt für NB c. 29 und c. 33 beim durchblättern der
Nav. auf schnitt und text von c. 54 aufmerksam wurde, eine
gleich späte entstehung für das geniale c. 93 (Der narrm ham
OTT MUBNERS VERHÄLTNIS ZU GEILER 59
fteseken) aosooehmeo, ist deshalb nicht uobedingt notwendig (für
kQboere entsiehongshyputhesen aber vielleicht ganz erwünscht?).
Auch das wird man ohne zwang nur auf die einrichtung der
gedruckten Na v.fon 1510 bezw. 1511 beziehen können, weonMurner
wOrklich auf das ei tat NB 1, 47
Salomon spricht, der narren zal
ünwüslich sy ganz vberal
dadorch gekommen ist, dass jede Überschrift der Nav. den spruch
Simkerum infimius est numerus Ecd. l enthält
Das zweite und dritte capitel O.s führen die betrachtung
mehr ins allgemeine, recht festen boden find ich nirgends, ob-
wol ich nicht leugnen will, dass manche gute bemerkung förder*
lieh ist, wie denn überhaupt redliche arbeit, mag man auch den
Hauptergebnissen nicht zustimmen, immer mancherlei zu tage
fördert und dem der weiterbauen will nützlich ist. •—
An die heikle aufgäbe, Muruers metrik einer darstellung zu
unterziehen, hat sich Popp, ein schüler Braunes, gemacht mit
frischem Wagemut und redlichem fleifs, freilich noch ohne die
sichre band, die eine solche Untersuchung erfordert, eine rein*
liehe lösung wird von vornherein dadurch erschwert oder unmög-
lich gemacht, dass sich die incoosequenzen der Überlieferung mit
Murners eignen inconsequeozen auf eigentümliche art verketten«
Murners eigne spräche enthält dialektische und schriftsprachliche ele-
mente; ebenso, aber in etwas andrer mischung, die seiner drucker^
und ich gebe P. völlig recht^ wenn er meint, dass nicht nur dia-
lektische formen Murners durch schriftsprachliche, sondern auch
umgekehrt, freilich seltner, schriftsprachliche durch dialektische
ersetzt seien, es sind daher nach P., um zu Murners text, wie
er für den metriker construiert werden muss, zu gelangen, nötig
1) die einführung von formen mit apokopiertem und synkopiertem
e : knab für knahe, eins für eines, filn für filen, gemacht für ge-
maehet uaa., aber auch umgekehrt von e-formen; 2) einführung
von solch für solich, htilg für heilig, nerrsch für nerrisch, gelegent-
lich aber auch umgekehrt; 3) reduction von 6e-, ^e- zu b-, ^,
umgekehrt auch gelegentlich beleiben uaa.; z für zü^ d für die,
5 für sie oder es, kaum umgekehrt; 5) bisweilen einführung der
schriftsprachlichen 2 pl. auf -t für dial. auf -ent, dürft für dörffend
uaa. was bei Murner möglich ist, darüber lässt sich wol eine
einigung erzielen, schwerer über das, was in einzelnen fällen er-
forderlich ist. denn hier greift die metrische inconsequenz ein.
P.s ansichten über Hurners vers lassen sich auf folgende Sätze
bringen : 1) Murner baut seine verse im princip nach dem na-
lürlicben wortton; 2) es kommen indessen auch nicht wenige
verse vor, die nur mit Verletzung des natürlichen accents gelesen
werden können; 3) Murner strebt im princip Wechsel von hebung
und Senkung (einsilbige Senkung) an; 4) in einer anzahl von
Versen ist aber mehrsilbige (meist zweisilbige) Senkung, seltner
60 POPP DIE METRIK UND RHYTHMIK THOMAS MDR^ERS
auch fehlen der senkuog anzunehmeD. haben wir es würklicb
mit einem solchen rattenkönig von inconsequenzen zu tun, sa
kam für den, der es unternahm, uns Murners metrik zu erklären,
alles darauf an, nicht selbst inconsequent zu werden. P. bat da»'
wol gefühlt, wenn er s. 37 schreibt :^wili man einmal die be-
obachtung des natürlichen sprachacceuts zum princip machen, so
muss sie consequenter weise stets princip sein\ er seinerseits
hat das princip des regelmäfsigen wechseis von hebung und
Senkung durchzuführen gesucht, aber doch nicht überzeugt genug,
um frischen muts die negativen iustanzen aus dem wege zu
schalTen. man ist denn auch scbliefslich trotz aller aufgewanten^
mühe nicht viel klüger als am anfang. ich habe den eindruck,
als schäme sich P. etwas seines unbewiesenen ausgangspuncte»
und suche ihn unter allerhand Zugeständnissen an gegnerische
ansichten zu verleugnen : es ist dies der in unserm ^kritiscben*^
Zeitalter so häufige verhängnisvolle irrtum, als sei es überhaupt
unerlaubt, eine vorgefasste meinung zu haben, wahrend ohne eine
klare hypothesis sich weder eine gute analysis noch eine befrie-
digende synthesis geben lässt. die richtigkeit oder Unrichtigkeit
muss sich bei methodischem vorgehn more geometrico heraus-
stellen, und wer der kritik völlig genüge tun will, erbringt dea
indirecten beweis der gegenprobe. meine bemerkungen solieu
sich innerhalb der analytischen behandlung halten.
Nimmt man das princip des regelrechten wechseis von hebung
und Senkung an, so muss, falls sich herausstellt, dass es trotz der
von vornherein als nOtig anerkannten textconstruction ganz streng
nicht durchführbar ist^ die erste frage lauten : unter welchen be-
sondern bedingungen ist zweisilbige Senkung gestattet?
P. hat sich die frage in der tat gestellt, aber die beant-
wortung ist unbefriedigend, er ordnet sein statistisches material
in vier gruppen : 1) 'flexionssilbe und einsilbiges wort (resp»
präfix)'; 2) ^ableitungssilbe und einsilbiges wort (resp. präüx)';
3) ^ein zweisilbiges wort oder zwei einsilbige Wörter*; 4) 'zwei
unbetonte (nebentonige) silben eines Wortes', die Systematik ist
wol der der Wilmannsschen Untersuchungen über die metrik
Otfrids nachgebildet. unpassender weise I denn bei Olfrid
steht von vornherein fest, dass und zt. auch unter welchen laut-
physiologischen bedingungen verschleifung auf der hebung oder
mehrsilbige Senkung gestattet ist. für Murner aber bandelt es
sich gerade um diese Vorfrage. P. hätte also besser getan, zu-
nächst einmal im groben vocale und consonanten der nach seiner
hypothese zulässigen doppelten Senkungssilben zu betrachten,
würklich liefs sich hier weiter kommen, mir scheint, es ergeben
sich bei benutzung des von P. zusammengetragenen materials
folgende fälle:
1. die beiden silben sind durch einfache consonanten, ins-
besondere Ol, n, I, r getrennt und zwar:
POPP DIB METRIK UND RHYTHMIK THOMAS MDBNBRS 61
a) der ?ocal der ersten silbe ist uobetontes e. hier ist
doppelseokuDg bei Murner ohne weiteres erlaubt, oder vielmehr :
man wird in fölleo wie NB 8, 57 umb pfyff^n ein isel, 10, 64
idsierUch^ enteren^ Sz 2, 26 den richten an leit, LN 560 bei dies^
erbüien, NB 12, 8 der dnd^r ist fül, GM 653 artiek^l ich Usen
gar nicht von zweisilbiger seokuog reden dürfen, sondern sagen
mQssen, dass das sonaotische m, n, l, r in solchen fällen vor dem
folgenden vocal consonant wird, so erledigen sich aus P.s abschnitt :
NB 8,57. 10,64. 16,16 (nb. ableitungsilbe). 58,65. (s. u.).
68, 30. 75, 74. 95, 190; SZ 2, 26. 3, 13. 4, 18. 45, 22 {frow^n
in kurzen jaren). 46, 21 ; BF 8, 24. 9, 21. 14, 33. 24, 33; MS
1532; GM 109. 436. 885. 1315. 2384. 4137. 5003. 5412 (kloster-
fröwfn ietzünd) MN 355. 560. 568. 1176. 1254.1305.1390.
1596. 1652. 2158. 2238? {heiligen ewangäiüm); 3779. 3889. 3908
{trdg^ ein^ schwire burd), 455 (bei göt und heilg^n ich schiifs).
nicht mit angeführt sind die vcrse, denen P. auf andere weise
aufhilft, obgleich noch einiges hierher gehören mag. unnötig ist
jedenfalls in GM 59 {bucht üch ir wyb^ im dnefang) mit P. an-
fang einzusetzen, und zweifelhaft bleiben andere fälle, vermutlich
gehört auch hierher SZ 37, 5 wir schwyg§n[t] ir missethdt. GM
1135 sy hdtten[t] ein grosse.
Aus abschnitt 2 sind so zu beurteilen: NB 12, 9. 39, 63.
43, 39. 47, 29. 57, 16. 59, 27. 68, 5. 9, 44. 95, 60. 31, 67; SZ
48, 36. 2, 4; BF 12, 58. 23, 23. 6, 29; GM 550. 659 (s. u.) 1612.
2096. 2844 CAlexdnd^r ein gdnfs). 653. 665. 3523 (?). 4392.
LN 1254. 279. 876. 942. 1562. 2176. 2688. 1632. 1230. 1253.
1634 {im sickel bufs lan uff d§m dltdr). 3017. 3368. 4077.
Aus abschnitt 3: NB 15, 2 (dry machen ein). 38 d {wan ich
ein ey uff d§m [oder uffm] düar findt). 53 d (das trieg vil me
dann der esel vier). 93, 62 (lis : ^s trifft 'dir doch lyb und Üben
dn). BF 9, 24 (all deine gut mog^n uns nit leren, wenn man nicht
vorzieht dein fUr deine zu setzen). MS 875 (dds mein sdck an d^r
erden lyt), MS 952 (ja dd der sdck an d§r erden Idg). LN. 1136
{hei db, tüff^l db und ßgfeü§r ab).
Abschnitt 4 lass ich bei seite^ weil ich zu weitläufig werden
«nUste.
b) wie unbetontes e ist auch unbetontes i behandelt. Hier-
her aus abs. 2 : NB 25, 94 sant viltin und, abs. 3 LN 250 fiim in
schön und stilt in .an brdnger^ 907 thuot ers, ich schSnk im ein
echweinin brdtenK
2. Auch wenn auf eine mit r, l, m, n schliefsende silbe eine
zweite mit h anlautende silbe folgt, scheint dieselbe art der ver-
Schleifung vorzuliegen, die fälle sind, wenn anders P.s Zusammen-
stellungen zuverlässig sind : (abs. 1) NB 11, 59 liebp* herr dö-
^ NB 67,10 wird aber wol besser zu lesen sein : es ist ein glöfslin,
<ein nuwer rdnck.
66 FÜRST DIE VORLÄUFER DER MODERNEN NOVELLE IM 18 JH.
bedeutendste Schillers Verbrecher aus infamie ist. durch ihr be-
streben, den innern menschen zu erfassen, bilden sie — nach
einer skizze des deutschen conte licencieux Langbeins und der
Straufsfedern, das F. schwank nennt — den Übergang zum iv ab-
schnitt : Revolution und realismus (s. 163 ff), die Umwer-
tung der moralbegriffe durch den politischen Umsturz fOhrt zur
entdeckung einer neuen weit : der innern des menschen. Diderot
ist der führer. ihm folgt auf eigenen pfaden Restif de la Rre-
tonne 'wie der Vertreter einer andern weit' (s. 169 ff), in Deutsch-
land führte der kämpf gegen die oberflächliche moralgeschicbte
zunächst zur abkehr vom täglichen leben, beeinflusst von Goethes
Götz, der eine altdeutsche renaissance hervorrief, allein die so-
cialen bestrebungen der gegenwart erfüllten die romantischen
erzählungen aus der ritterzeit : hass gegen geistlichkeit und klöster
und Verfechtung der gleichheit aller stände (s. 177). von der
dialogform gibt F. eine ansprechende erklärung und führt die
lange reihe der erzählejp vor, die die romantik allmählich in ver-
ruf bringen, das 3 cap. des letzten abschnitts (s. 189 ff) endlich
macht uns mit der ^modernen novelle' Goethes, Tiecks und Kleists
bekannt^ und es zeigt sich, dass sie mit den alten formen der
prosaerzählung eng zusammenhängt, allerdings nur äufserlich.
das Schlusswort (s. 211) erhalten die englischen erzähler vor
Walter Scott, die besser weggebheben wären und von denen ich
nur Mrs. Inchbald nenne, deren namen 8.214 und im index
verdruckt ist (Juchbald).
F.s buch gibt mehr und auch weniger als der titel besagt:
er behandelt nicht blofs die Vorläufer der modernen novelle im
18 Jh., sondern alle gattungen der kurzen prosaerzählung; so
das märcheu, das, ein product der einbildungskraft, welche 'keine
plane macht, sich keinen weg vornimmt, sondern von ihren
eigenen flügeln getragen die wunderlichsten bahnen beschreibt*,
von Goethe der novelle als besondre gattung nachdrücklich gegen-
übergestellt wird, diese soll verarbeiten, was würklich geschehen
ist; sie berührt sich mit jenem weder im Stoff noch in der technik.
die kunstregeln, die Goethe für die novelle aufstellt, schliefsen
das übernatürliche völlig aus, das deshalb als Vorläufer der no-
velle nicht gelten kann, aber auch F.s eigene definition der mo-
dernen novelle als würklichkeitserzählung, die frei erfunden und
aus der gegenwart geschöpft ist, steht ihm überall im wege. sie
passt weder auf die kurze erzählung des 18 jhs. noch auf die
novelle unsrer zeit. Goethe verlangt wol von der novelle, dass
ihr Stoff der würklichen weit entnommen werde, nicht aber der
gegenwart, und die forderung der freien erfindung, 'des uner-
hörten falles' weist er ab. F. citiert (s. 1) aus den Unterhal-
tungen deutscher ausgewanderten Goethes worte, die die neue
erzählung theoretisch einführen; doch finden sich an demselben
orte andre, die er hätte mit heranziehen sollen, um Goethes meii-
VUB5T DIE VORLÄUFER DER MODERISEN NOXELLE IM 18 JH. 67
nuDg klarer auszudrücken, von dem marchen sprach ich schon
(Hempel 16, 102). die novelle vom jungen Ferdinand wird durch
die bemerkung eingeleitet (aao. s. 83), dass diese familiengemälde
eJDander alle so gleich sehen, ^und wir haben fast aUe Verhältnisse
derselben schon gut bearbeitet auf den Theatern gesehen', indessen
will er die geschichte doch erzählen, ^die nur durch eine genaue
Darsieüung dessen, was in den Gemüthem vorging, neu und
interessant werden dürfte', hier sehen wir deutlich : die forde-
ruDgeo der neuen zeit liegen durchaus nicht in der neuheit des
Stoffes, Dicht in der freien erßndung, sondern die individuelle
behaodluDg überlieferten Stoffes zeigt sich in der geschmacks-
richtuDg, der lebenserfahrung, der erzählungskunst und der ver-
tieften psychologischen analyse. so hat Goethe des öftern Stoffe,
die vor ihm behandelt wurden, wider erzählt, und dasselbe tun
die novellisten unsrer tage, gibt es überhaupt noch unerhörte
fälle? von seiner deünition der modernen novelle ausgehend,
schiebt F. den meister und das ewige muster der novelle,
Boccaccio, zur seite. er stellt an den ausgangspunct ihrer ent-
Wicklung die moralischen novellen des Cervantes; hier ist die
freie erfindung, dort nachdichtung, hier das würkliche nationale
leben, dort internationale Stoffe, dass Boccaccios erzählungen
weniger national seien als die des Cervantes, lässt sich doch kaum
behaupten, ist nicht die fülle realistischen details in den novellen
des italienischen meisters eine quelle der culturgeschichle seiner
zeit? seine Stoffe sind freilich aus internationalen quellen ent-
nommen : das wissen wir, nicht jene, für die Boccaccio schrieb,
sie lasen nicht die französischen fabliaux, die wir mit den italie-
nischen erzählungen vergleichen, es war doch nicht wie zu
Goethes zeit, wo die originale in jedermanns bänden sein konnten,
wo man die Stoffe vom theater kannte, den lesern des Boccaccio
waren die novellen neu und aus dem nationalen leben geschöpft,
aus demselben gründe müste F. aus der reihe der Vorläufer der
modernen novelle Lafontaine ausscheiden, dessen Contes vielfach
erneuerung der alten Cent nouvelles nouvelles sind, die feen-
märchen in Deutschland, die aus dem französischen und in letzter
linie aus dem Oriente stammen, sind im gründe ebenso inter-
national, aber handelt es sich hier überhaupt um den Stoff?
Boccaccios verdienst ist, dass er eben aus dem fabliau die no-
velle schuf und diese kunstform zugleich auf eine unerreichte
höhe brachte, ganz verkehrt ist es, bei der betrachtung der ent-
stehung der novelle von Boccaccio abzusehen, von dem ganz allein
wir lernen können, was das wahre wesen der novelle ausmacht,
spräche F. blofs von den prosaikern des 18 jhs. und hätte er
nicht die novellen des Cervantes aus rein stofflichen gründen an
die spitze der entwicklung gestellt, so müste er dennoch bei der
beurteilung der novellen Goethes auf Boccaccio zurückgreifen,
keinem seiner Vorgänger im 18 jh. und darüber hinaus ist Goethe
68 FÜRST DIE VOBLIuFER DER MODERNEN NOVELLE IM 18 JH.
in bezug auf die innere form, die techoik, die erzählungskunst
der novelle so tief verpflichtet wie dem alten Boccaz. alles was
zwischen diesen meistern ligt war Irrweg, die alte kunst war
verloren und kam auf langem umweg zu Goethe zurück.
Von den kurzen gescbichten in den Unterhaltungen deutscher
ausgewanderten entspricht keine der Forderung der neuheit, die
F. für die moderne novelle beansprucht; am allerwenigsten jene,
der die oft citierte stelle, in welcher Goethe die erzählungslittera-
cur vor ihm verurteilt und eine norm für die künftige aufstelllt
als einleitung vorausgeht. F. hätte die Goelhischen worte mit
der erzählung, auf die sie gemünzt sind, in beziehung zu setzen
nicht unterlassen sollen : sie erscheinen bei ihm aus ihrem zu-
sammenhange losgelöst, der geistliche hausfreund erklärt sich
bereit, eine geschichte zu einzahlen; doch die baronesse verlangt,
es möge keine von der art sein, welche sie nicht liebt, ihre
kritik trifft die ganze gruppe der modeerzählungen, wo auf leicht-
sinnige weise die neugierde des lesers erregt und seine aufmerk-
samkeit nur durch seltsame kunstgriffe wach erhalten wird, sie
lässt die wähl des Stoffes vollkommen frei, denn ihr ästhetisches
interesse haftet an der Charakteristik der personen^ der eutwick*
lung der handlung, der spräche, kurz an der künstlerischen
formung des Stoffes weit mehr als an diesem selbst, ihre hohen
und strengen forderungen setzen den erzähler in Verlegenheit;
die geschichte, die er vorzubringen im begriffe stand, muss er
nun aufgeben, 'und ich weifs wirklich nicht\ fährt er fort, 'ob ich
mich in der Eile vergreife, wenn ich eine alte Geschichte, an
die ich aber immer mit einiger Vorliebe gedacht habe, sogleich aus
dem Stegreife vorzutragen anfange', es ist die novelle vom Ehrlichen
procurator, die den Cent nouvelJes nouvelles entstammt und bei
Goethe die modernste richtung der prosaerzählung inauguriert,
die baronesse stellt ein programm auf^ welches das vorhandene
entschieden ablehnend etwas neues fordert, und erhält eine ge-
schichte, die in der blütezeit der novellistik erzählt wurde, deut-
licher konnte Goethe seinen Zusammenhang mit den alten meistern
nicht bekunden.
F.s bemerkungen über diese novelle, die schon ihrer äuTsern
Stellung nach beachtung verdient, sind äufscrst dürftig; er nennt
sie einen schwank und berichtet, dass Goethe sie aus dem Boccaz
entlehnt zu haben glaubte, er rechnet es Goethe als verdienst
an, dass die heldin seiner geschichte vor dem falle bewahrt bleibt
und dass die lOsung das sittliche gefühl nicht verletzt, doch sein
lob gilt der quelle, an die sich Goethe im ganzen verlauf der
begebenheiten eng anschliefst und mit der er zum teil wörtlich
übereinstimmt, eine genaue vergleichung beider vorzunehmen,
ist hier nicht am platze; es mag genügen, auf die quellen-
Untersuchung hinzuweisen, welche MHerrmann Vjschr. .3, 22if ge-
liefert hat : danach bat Goethe zweifellos die fassung der Cent
FÜRST ]>IE VOBLÄOPER DES HODEBNBN ROTELLE IM 18 J0. 69
iiOQ¥. Qouv. direct benutzt und sich vielfach auch bis in einzelne
weadloDgen und geringe details hinein an sie angeschlossen^.
Daraus mögen wir zugleich enlnehmen, dass der erzähler^
wie genau er auch dem originale folgt, beflissen ist, dem
wünsche der baronesse rechnung tragend den ton der guten ge*
Seilschaft zu wahren, darauf beschranken sich dann auch zu-
meist die änderungen, die Goethe an der alten geschichte vor-
nimmt, die gesellschaft, für die er erzählt, hat sich verfeinert,
so ihre begriffe, ihre spräche und künstlerischen ansprüche.
wenn Goethe eine lange rede des kaufmanns an seine frau durch
die einspräche der letztern zum lebendigem dialog gestaltet, hier
und da durch einen psychologischen zug, den er beinahe unver-
merkt anbringt, die Wahrheit der gestalt bekräftigt, oder zum
schluss seiner erzählung mit wenigen strichen einen bedeutenden
ausblick eröffnet, 'dem Leser den stillen Reiz hinterlassend, weiter
nachzudenken'; dann hat er die alte novelle unserem modernen
geschmacke genähert, aber ihr wesen nicht modificiert. Schiller,
dem Goethe die geschichte erzählt hatte, bevor er sie nieder-
schrieb, war beim empfange des ms. besonders über die *ent-
Wicklung* erfreut, bei der Goethe das original verlassen habe, ge-
meint ist natürlich nicht die aufsteigende entwicklung, sonderji
die entwirrung (d^nouement), die handlung zwischen der peripetie
und djer katastrophe. doch auch hierin weicht Goethe ebenso-
wenig wie in andern teilen der erzählung von den Cent nouv.
Douv. ab. der wörtlichen Übereinstimmungen sind zu viele, als
dass man annehmen könnte, Goethe habe würklich, wie Schiller
annimmt, seine quelle verlassen und sich in seiner eignen er-
flndung mit den Cent. nouv. nouv. begegnet. Goethe erneuert die alte
novelle, wie es viele vor ihm getan haben ; das merkwürdige aber
ist, dass er sie den novellen seiner zeit als eine neue art gegen-
Qberstellt, die für die Zukunft zu gelten habe. Goethe ist auch
der erste gewesen, der für seine eigne production daraus gelernt
hat. im unmittelbaren anschluss an die alte erzählung gibt er
eine neue, eine parallelgeschichte, die denselben moralischen
grundgedanken nunmehr nach dem wünsche seiner zuhörer in
einem einheimischen familiengemälde entwickelt, die aber zugleich
nach denselben gesetzen geformt ist. von diesem gesichtspunct
hätte F. die entstehung der modernen novelle betrachten müssen,
und wenn er sich nicht ausschliefslich vom stofflichen interesse
hätte leiten lassen, würde er wol in den eiuieitenden werten
Goethes zu der geschichte von Ferdinand den richtigen finger-
zeig erhalten haben, in welcher richtung die definition der no-
^ schon bei Guhraaer Wiener jahrbb. d. litt. (1846), bd 116, anzeigebl.
fi. 81 balle F. lesen können : seine (Goethes) erzählung stimmt von anfang
bis zo ende so ganz mit dem allfranzösischen original überein . . . ., das»
der Procorator weniger den namen einer bearbeitung als einer freie rw
öbersetznng verdient.
70 FÜRST DIB VORLÄUFER DER MODERNEN NOVELLE IM 18 JH.
volle ZU suchen ist, oder vielleicht gar die deGuition selbst ge-
funden haben, sie lauten : 'Ich übergehe mancherlei Scenen, die
in seiner Jugend vorfielen, und erzähle nur eine Begeben-
heit, die seinen ganzen Charakter ins Licht setzt und
in seinem Leben eine entschiedene Epoche machte'.
darin ligt das wahre wesen der novelle, dessen erkeuntnis Goethe
durch die alten meister vermittelt wurde, man denke nur an
des allen Boccaz novelle vom Falken.
Wien. B. Hoenig.
Deutsche einOüsse auf die anfäDge der böhmischen romaatik. mit einem
anhang : Kollär in Jena und beim Wartbnrgfest von dr Matthias
MuRKO. Graz, Styria, 1897. xii und 373 ss. — 5 m.
Der verf. gibt selbst in der vorrede (s. vi) zu, dass der titel
seines werkes etwas schwerfällig und zu wenig umfassend sei.
in der tat, man würde kaum daraus genau ersehen, um was es
sich hier eigentlich handle, darüber werden wir durch das Vor-
wort, in welchem erürtert wird, wie das werk entstanden ist, be-
lehrt, dem verf. handelt es sich da vor allem um den einfluss
der spätem deutschen romantik auf die sogenannte patriotische
dichterschule in Böhmen, welcher er auch den namen ^romantisch'
beilegen möchte, eigentlich bildet dieses werk nur den anfang
einer serie von Untersuchungen, die den gesamttitel 'Deutsche
einflüsse auf die anfange der slavischen romantik' führen sollen,
ursprünglich wollte nämlich M. die deutschen einflüsse auf Stanko
Vraz, den bedeutendsten dichter des Illyrismus, aufdecken, da
zeigte es sich, dass bei ihm die indirecten einflüsse, die einflüsse
der nordslavischen , speciell böhmischen romantik vor allem in
betracht hallen kommen müssen, das führte den verf. einerseits
notwendigerweise zur böhmischen litteratur, anderseits brachte es
so manche Unebenheit und Ungleichheit in der anordnung des
Stoffes mit sich.
Bei den engen berührungen der Böhmen und Deutschen auf
allen gebieten des geistigen lebens wird man schon von vorn-
herein einflüsse der deutschen litteratur auf die böhmische zu-
geben können, vielfach sind sie auch schon nachgewiesen worden.
für uns kommt hier im besondern eine arbeit von Jaroslav Vlöek
in betracht (Proni novoc^eskä §kola bäsnickä — Die erste neu-
böhmische dichterschule, Prag 1896), weil sie jene dichterschule
in der neuböhmischen litteratur betrifl't, welche der speciell von
M. behandelten unmittelbar vorhergieng. es war dies das von
dem deutscheu oder besser von dem französisch-deutsch-polnischen
arkadiertum beeinflusste böhmische rococo mit Ant. Puch-
mayer an der spitze.
In M.s vorliegender arbeit wird namentlich die darauf fol-
gende sog. patriotische dichterschule eingehender behandelL wo-
rin sieht nun M. hier hauptsächlich den deutschen einfluss oder
MORKO DEUTSCHE EINFLÜSSE AUF D. ANFÄNGE D. BOHM. ROMANTIK 71
den einfluss der deutschen romantik? er muss zwar auf s. 60
zugeben, dass es wol immer in Böhmen leute gegeben hätte,
welche die goldenen alten zelten lobten, aber seit dem aussterben
des heidentums hätte es keine solchen gegeben, die ihre heid-
nischen vorfahren in dem rosigsten licht darstellen und die
Christianisierung ihres Volkes mehr oder minder bedauern würden,
auch hätte es in Böhmen patrioten nach den jeweiligen begriffen
gegeben, aber selbst den erleuchtetsten und volkstümlichsten
männern wäre es nie eingefallen, das ganze geistige leben auf
die traditionen ihres volkes in seinen untersten schichten auf-
zubauen, aus allen seinen erzeugnissen, auch aus solchen, in
denen viel aberglaube vorkommt, einen kanon für die kunst zu
machen, diese Verehrung der alten götter, die man sich zum
grofsen teile erst schaffen muste, und die heilige scheu vor dem
gesamten Volkstum hätte man von der deutschen romantik
gelernt, welche schon das wort Wölk' mit frommem schauer aus-
sprach, und von ihrem Vorläufer Herder, man könne ruhig
sagen, dass die keime, von denen diese befruchtet wurden, in
geringem mafse direct nach Böhmen verpflanzt wurden, denn von
den htterarischen triebkräften übten nur Ossian und Rousseaus
evangelium der rückkehr zur natur ihren einfluss.
Man wird mit diesen ansichten im allgemeinen übereinstim-
men müssen, zumal sich dafür aus der böhm. lilteratur schlagende
beweise anführen lassen, am deutlichsten lässt sich der einfluss
der deutschen romantik bei dem hauptrepräsentanten dieser dichter-
schule, beiCelakovsk^ verfolgen, da wir neben seinen werken
im sinne der romantik auch eine ausführlichere correspondenz
von ihm besitzen, in welcher man zumeist genau verzeichnet findet,
welche werke er las, wie sie ihm gefielen, auf ihn würkten usw.
Murko hat daher mit recht diese correspondenz in hervorragender
weise berücksichtigt (s. 56 — 115). es kommen hier natürlich
auch Celakovsk^s freunde in betracht. refleze des romantismus
können wir auch noch bei §afar ik in seinen jugendwerken beo-
bachten (s. 129 — 192). gar zu stiefmütterlich ist Palacky als
vaterländischer historiker^ Organisator der nationalen arbeit und
Politiker (s. 115 — 126) behandelt worden, während man es sonst
beobachten kann, dass sich der Verfasser nicht immer streng an sein
thema hält, jetzt, nachdem seit dem heurigen jähre so zahlreiche
Jubiläumsschriften über ihn vorliegen, würde das capitel gewis
reichhaltiger ausfallen, vom eigentlichen romantismus finden wir
bei Palacky freilich wenig, ganz anders verhält es sich wider
mit Kollär (s. 192 — 274), dem sich während seiner Studien in
Jena (1817 — 1819), wo Luden, Fries, Oken uaa. würkten, eine
ganz neue weit eröffnete, was natürlich für seine dichterische lauf-
bahn nicht ohne folgen blieb, am meisten interessiert uns hier
Murkos nachweis, dass Kollär, in seiner ^Slävy dcera' (tochter der
göttin Släva) das ganze capitel Herders über die Slaven (Ideen
72 MURKO DEDTSCHE EINFLÜSSE ACF D. IMFÄKGE D. BÖHM. ROMANTIK
zur Philosophie der geschichte der menscbheif. iv teil, Riga u.
Leipzig 1791, 4 cap., 3, 32 — 36) nebst anderen hierher gehörigen
Stelleu umgedichtet hat. Herder gab aber nicht biofs die an-
reguDg zu den vielen archäologischen sonetten, sondern wir finden
in der SIävy dcera (und ebenso in anderen werken Kollärs) viel-
fach auch seine leitenden ideen selbst, insbesondere ist es die
idee der humanitdt, die übrigens auch bei Palack^ eine grofse
rolle spielt.
Ueberaus anregend ist in der vorliegenden schrift auch das
capitel über Hanka und die König inhofer und Grün berger
handschrift (s. 33 — 52). es wird hier die Ideenwelt, aus
welcher diese modernen producte hervorgegangen sind, analysiert^
wobei Murko namentlich hervorhebt, dass sich in der Königin-
hofer handschrift sehr viel ritlertum uud mionesang vor-
findet und dass speciell die allen Inder (nicht blofs die Indianer
der Chateaubriandseben Atala in Jungmanns Übersetzung), welche
ebenfalls die deutsche romantik modern gemacht hatte^ das mo-
dell zu dem curiosen cermoniell in LibuSas gericht (der GrOn-
berger hs.) waren.
So hat M. unsere kenntnis der böhmischen lilteratur be-
reichert und einen noch innigeren Zusammenhang zwischen der
deutschen und der böhmischen lilteratur, als man ihn bis jetzt
anzunehmen geneigt war, aufgedeckt, ab und zu schiefst er
freilich auch übers ziel, so zb. wenn er zum Schlüsse kommt
(s. 275), dass das bauptverdienst an der widergeburt des böh-
mischen Volkes deutschen einflössen^ speciell aber der romantik
und ihrem Vorläufer Herder zu verdanken sei. denn man kann
hier zum mindesten streiten, da es ja doch eine ganze reihe von
factoren gab, welche diese widergeburt oder überhaupt dieses
erstarken des lilterarischen (und geistigen) lebens herbeigeführt
haben, dass unter diesen in erster reihe die durch die reformen
Josephs II bewürkte lockerung der geistigen fesseln, unter wel-
chen früher das volk schmachtete, anzuführen ist, darüber kann
nicht mehr gestritten werden.
Als einen anhang zu seinem werke hat M. auch einen teil
aus der autobiographie Kollärs in deutscher Übersetzung (s. 293
bis 362) unter dem titel: 'Kollär in Jena und heim Waribjjrgfest'
beigegeben, hier wird das leben auf den deutschen hochschulen,
insbesondere in Jena, geschildert, weiter schreibt uns KolUr
hier über einige professoren daselbst, so über Luden, LOken,
JFFries, wie er auch mit Goethe bekannt wurde und schliefslich
über das Warlburgfesl.
Wien. W. Vondrak.
SCHULLERUS UICUIEL ALBERT 73^
Miebael Albert, sein leben nnd dichten, von Adolf SctfULLERUS. Hermann-
Stadt, WKram, 1898. 206 ss. 8o. — 3 m.
Selbst guleo keDDern neuester litteratur wird der name Mi-
chael Albert fremd m die obren klingen; und doch gilt er einenv
deutschen stamm, den Siebenbürger Sachsen, als der seines be-
deoiendsten dichters. in der näbe von Schässburg wurde Alben
als söhn behäbiger bauersleute geboren, die den ältesten die vor-
Dehme iaufbahn des gymnasiallehrers einschlagen liefsen, welche
dortzulande wol gerne zu einer pfarre, ja gar zur biscbofswürde
fahrt; indes blieb Albert bis an seinen tod, 1893, professor in
Schflssburg, in ungetrübtem Stilleben, ja abgesehen von den stu-
deotenjahren in Jena und Berlin kaum einmal den bannkreis der
heimat verlassend, die dichtkunst, zuerst die lyrik, später die
novellistik, zuletzt die hohe tragOdie, brachte auch keine aufregung
in dieses rubige dasein, wie ihr rühm auch nicht über die sieben-
bQrgischen grenzgebirge drang, und dennoch wird nicht leicht
ein leser das lebensbild des trefflichen gymnasiallehrers und
dichters teilnahmslos aus der band legen, denn neben und über
diesem gemütlichen bild enthält Schullerus büchlein die anziehendste
Schilderung 'sächsischen' geisleslebens.
Selten passt das wort 'Sprachinsel' so völlig, wie auf das
Sachsen ländchen, dessen 200000 deutsche bewohner so meilen-
fern von allen Volksgenossen getrennt sind, wie auf gewissen
landfernen inseln tierisches und pflanzliches leben ganz eigen-
artige, seltsam allertümliche formen zeigt, so mutet auch bei
diesen Sachsen vieles ganz seltsam altfränkisch an. dieser volks-
splitter muste^ wenn er nur irgend erbalten bleiben wollte^ alle
krad in eiuem zähen verharren suchen; Jahrhunderte währt die
Verteidigung gegen national und culturell grundverschiedene nach-
bam. von haus aus bauern bildeten die Sachsen ihre starre
bauernnatur zur höchsten potenz aus; auch in den kleinen Städten
— die übrigens weniger widerstandsfähig sind — ist der bäuer-
liche geist noch erkennbar, der kämpf ist dort ein anderer als
an der grofsen Sprachgrenze; von einem rückhalt an der übrigen
Volksmasse, gar von einer Sehnsucht, im allgemeinen aufzugehn,
kann nicht die rede sein, der bewohner des königsbodens fühlt
sich als 'Sachse', nicht als Deutscher; will er Schriftsprache und
dialekt scheiden, so spricht er von 'deutsch' schlechtweg und
'sächsisch', diese beschränkung auf den engen stammbezirk, die
man nicht engherzig nennen darf, denn sie ist von harter not
geboten, kennzeichnet die besten sächsischen Schriftsteller, vor allen
Schullerus jede sächsische schrift, sei sie welchen inhalts immer,
ist mitbestimmt von dem allbeherschenden gedanken, sächsische
eigenart zu fördern und zu stutzen, so auch die vorliegende
schrift, wo den Sachsen — ihnen in erster linie — ihr lieblings-
dichter und die entwicklung neuerer sächsischer dichtung über-
haupt gezeigt werden soll, der wünsch ist allerdings schwer zu
74 SCUULLERUS MICHAEL ALBBRT
unterdrücken, dass der Verfasser doch wenigstens in den aus-
drücken rücksicht auch auf den fremden ieser hätte nehmen
sollen, dem worte wie ^hatten' (gemeindegebiet) oder 'bann'
(schullheifs) unverständlich sind.
Es widerspricht dem sächsischen sondergeist nicht, dass die
gebildete sachsische Jugend einen starken zug nach dem Deutschen
reiche verspürt, hier würkt vor allem das confessionelle moment;
dem Sachsen ist die evangelische landeskirche mit eine baupt-
stütze seiner existenz, die namen Luther, Hütten und Honterus
(der landesreformator) klingen ihm sehr lebendig, noch ist der
pastor, der *herr vater*, unbedingtes haupt der dorfgemeinde, ist
der landesbischof der fuhrer der nation. noch stehn trotz manchen
erschütterungen in innigem zusammenhange mit der kirche die
gelehrtenschulen des landes, die evangelischen gymnasien, welche
bei dem mangel einer sächsischen Universität eine weit wichtigere
rolle als anderswo spielen, gemahnend in manchem an die ein-
stigen humanistengymnasien. von hier geht eine rastlose wissen-
schaftliche durchforschung des landes aus, von hier zumeist die
«pärliche schöne litteratur — künstlerisches schaffen gilt den
Sachsen nicht gerade viel; Albert wusle davon ein lied zu singen,
bedenkt mau die abgelegene läge, den geringen verkehr, die
wesentlich auf ackerbau und hausindustrie gestellten erwerbsver-
hältnisse, so mag dies zusammengehalten mit den eigentümlichen
formen geistigen lebens in manchem stark an kleinstädtisches
deutsches leben im 18 jh. erinnern, freilich mit manchem be-
fremdenden einschlag aus dem modernen leben und aus der halb-
orientalischen Umgebung.
Wie an einem Schulbeispiel zeigt dies alles Seh. an Albert,
nicht als uubefangener beobachter, sondern selbst alles mitlebend,
ihm ist Albert nur dort dichter, wo er ganz aus sächsischem
boden emporwächst, wenn der junge lyriker sich von Heine be-
fangen zeigt, so ist das für Seh. eine verirrung, und es bedeutet
eine selbslbefreiung und eine läuterung, wenn seine dichtung
sich in ziemlich althergebrachten tönen der uaturscbilderung zu-
wendet, um die novellen Alberts — die allein in ihrer kräftigen,
oft recht unerfreulichen Schilderung sächsischen lebens der gegen-
wart modern anmuten — recht verständlich zu machen, entrollt
der kritiker das ganze bild der heimatlichen geistesentwicklung
seit den fünfziger jähren, mit ihr auch einen kurzen, abriss der
gleichzeitigen litteratur. wie Albert immer mehr und mehr mit
dem lande verwächst, wie er alle kämpfe inniger und inniger
milfühlt, das wird uns mit unendlicher treue und Sorgfalt ge-
schildert, am höchsten stellt Seh. aber — der fremde Ieser wird
ihm hierin vvol selten folgen — die dramatische tätigkeit Alberts.
dieser schrieb vier dramen, durchaus iambentragödien hohen stils.
ein jugendstück 'Karl xii* fiel gänzlich ab; ihm liefs nach langer
pause Albert zwei localhistorische dramen 'Die Flandrer am Alt'
SCBULLERUS MICHAEL ALBERT 75
und ^Harteneck', endlich einen 'Ulrich von Hulten' folgen, nach
Seh. war der miserfolg des Karl xii für Albert ein glück : ^so
ward er mit seiner poetischen kraft auch äufserlich von den all-
gemein der menschheitscultur angehörigen Stoffen abgestofsen und
in die enge und tiefe des eigenen Volkslebens gedrängt; so wurde
er nur ein siebenbürgisch-sächsischer dichter, aber ein echter
dichter und blieb vor dem geschicke bewahrt, in der schar der
^iambentragOdien dichtenden Oberlehrer' aufzugehn'.
Es ist leider zu fürchten, dass fremde leser trotz allem den
dichter in diese grofse schar stellen werden, diese 4 stücke sind
geradezu musterbeispiele des nachschillerschen historischen archi-
tekturdramas, mit seinen monologen und massenscenen, mit seinem
breiten aufbau, seiner tragischen schuld und mit seiner ganzen
kälte, für Seh. freilich gilt dies nicht : in ihm, im Siebenbürger
Sachsen überhaupt regen die beiden localhistorischen stücke
Alberts mit den mächtigen erinnerungen, den starken anklängen
an gedanken der gegenwart, dem dröhnenden nationalen pathos
tiefste gefühle auf. wo aber dieses nicht aus den dichtungen
selbst stammende interesse fehlt, da fühlt man die kälte, ver-
spürt man die steife, unzulängliche technik, die mehr angedeu-
tete als würklich gegebene Charakterschilderung des dramatikers,
der kaum einmal eine würkliche bühne zu gesiebt bekam; da
wird man auch nicht so liebevoll aus eigenem hinzutun, wie der
kritiker Seh. sehr bezeichnend ist es, wie Seh. gerade auf den
aufbau das gröste gewicht legt und die dramaturgischen Vor-
schriften, die aus den dramen der classiker geschöpft sind, auf
diese kaum ein Jahrzehnt alten stücke anwendet; bezeichnend ist
es auch, dass Seh. zum berater hierin gerade den Verfasser der
allerjüngsten poetik, Elster in seinen Principien der litteratur-
wissenschaft (1897) wählt, indes er das völlig veraltete dieser
stücke nicht fühlt.
Sind sie aber auch würklich veraltet für die, für die sie ge-
schrieben sind, die Sachsen? ist es nicht ungerecht zu fordern«
dass dieselben litterarischen gesetze gellung haben sollen in den
weiten deutschen gebieten, wo das deutschtum zwar nicht un-
bestritten aber doch ungefährdet herscht, und im äufsersten osten,
wo stündlich der Verzweiflungskampf mit völliger Vernichtung zu
enden droht? diese Sachsen fordern von ihrem dichter entweder
Stärkung in ihrem widerstand oder trost in ihrem kummer; ihnen
muss man das recht zugestehn, ihre poeten selbst zu wählen«
und wenn wir einem ihrer besten glauben dürfen, so ist ihnen
Albert ein dichter, ein vates im besten sinne geworden, ein
tröster und prophet.
Wien, im februar 1899. Valentin Pollak.
76 USENER DIE SIMTPLUTSAGEN
LiTTERATUBNOTIZKN.
Die SiotflutsageD. untersucht von Hermann Usener. Bodo, Fr.
Cohen, 1899. vi» und 279 ss. 8^. 8 m. — die erste phase der Tcr-
gleichenden mylhologie ist an der rasch mechanisierten mytheo-
deutung gescheitert, in der zweiten haben sowol die nomioa-
listische schule Max Müllers als auch die realistische der Folkloristen
wie Andrew Laug die eigentliche inierpretation der mythen vor*
schnell Überhaupt aufgegeben, es wird Useners dauerndes Ter*
dienst sein, dass er der deutung der mythen wider zu ihrem recht
verholfen hat, hierbei aber den ganzen apparat des gelehrtestem
Philologen und den Scharfsinn des geübten vOlkerpsychoiogen zu
den allen Werkzeugen hinzubrachte, dadurch werden seine my-
thologischen arbeiten, auch wo man sich nicht völlig überzeugt
fühlt, so methodisch, so wichtig, so fruchtbar, so anregend.
Das neue werk stellt eine genaue Untersuchung der griechi-
schen flutsagen und ihre vergleichung einerseits mit den stamm-
verwanten indischen, anderseits mit den stammfremden semitischen
mythen — deren einfluss auf die arischen (besonders s. 253)
entschieden abgelehnt wird — in den Vordergrund. U. fasst die
sagen von der grofsen flut (^Ergebnisse' s. 2300 als ursprüngliche
lichtmythen auf. der junge himmelsgott wird in der truhe von
der flut auf den berg getragen und durch seine epipbanie auf
der hohe wird er beginner und vater der menschen weit, zu
diesem ursprünglichen bild tritt dann (s. 234 0 vermittelnd die
Vorstellung, die *das aufsteigen des neugeborenen lichtes mit einer
flutwelle, die den sonnenball wie mit einem ruck emporzuheben
scheint, in Verbindung setzte.' aus ihr entwickelte sich die idee
der Sintflut, die danu unter mitwürkung geographischer, local mo-
tivierter legenden (s. 246) zu dem mythus des grofsen Strafgerichts
umgedeutet wurde.
Glänzend erscheinen mir die nachweise über Mas gOtterkind
in der truhe' (s. 80 f), über den tausch von tod, winter, nacht
(s. 85), den ersatz der locaU durch die nationalgottheiten (s. 103),
das Wechselverhältnis von bild und gott (s. 104)^ über die viel*
föltigkeit und mehrdeutigkeit mythischer bilder (s. 1810« den an-
teil des einzelnen dichters am mythus (s. 182), die doppelung
der mythischen bilder (schiff und fisch s. 184 u.). aufserst
wertvoll auch speciell für die germanische mythologie sind die
erwägungen über die 'novellistischen motive' (s. 139) und über
einzelne mythenkreise wie die vom himmelsschatz (s. 182), von deu
gOtterträgern (s. 187), vom sitz der gOtter (s. 192), dem land der
seligen (s. 201) und dem goldenen zeitaller (s. 202). überhaupt
nimmt U. nicht nur auf germ. sagen, sondern auch auf deutsche
märchen und sagen (s. 112)^ Volkslieder (s. 238), familiennameu
(s. 195) widerholt bezug. ebenso auf cultgebräuche wie den
neuerdings aus anlass des Mauricius vCraun wider mehrfach be-
handelten schiflsumzug (s. 1260« vor allem aber scheint mir
U8ENER DIE SINTPLUTSAGEN 77
doch der gruodgedanke wichtig : dass wir uns httten sollen, allzu
rasch sionliche unterlagen für mythische hilder zu suchen, weil
diese bald ein selbständiges leben gewinnen und behalten (s. 194).
zwischen die ursprüngliche sinnliche conception und die reife
mythe schiebt U. den ganzen process psychologisch -poetischer
Verarbeitung, und hier vor allem ist der mylhologie aller vOlker
ein neues, wichtiges arbeitsgebiet eröffnet.
Fflr sein hauptergebnis sieht U. (s. 262) neuen Urkunden
ältester flutsagen mit festem zutrauen entgegen, ein zusammen-
liaog zwischen licht- und flutmylhen, wie er ihn aufgedeckt hat,
^ird wol auch als dauernder gewinn zu verzeichnen sein, der
schwächste punct scheint mir die vermittelung durch die Wellen-
berge, die in der ausnutzung der Jordantaufe (s. 235) und poe-
tischer ausdrücke in spSilen liedern (s. 238) die psychologische
vorsieht des berühmten autors nicht immer völlig zu bewähren
«cheint. ob die griech. etymologien (Herakles s. 58, Deukalion 8.65)
^ragfilhig genug sind, kann ich nicht beurteilen, aber jedesfalls ist
4lber allgemeine probleme der mythologie wider eine so grofse
Hut von licht ergossen, dass wir diese epiphanie dankbar feiern,
weon selbst das götterkind in der truhe noch länger auf un-
unsichern wellen schwanken muss. Richard M. Meteb.
Die bau- und kunstdenkmäler in den hohenzollerscben landen, im
auftrage des hohenzollerscben laudesausschusses bearbeitet von
dr Karl Theodor Zingeler, fürstl. hohenzollerscher hofrat, und
Wilhelm Friedrich Laub, architect. mit 22 lichtdrucken , 168
Abbildungen im text und einer archäologischen Übersichts-
karte von Hohenzoilern. Stuttgart, Paul Neff, 1896. zi und
^04 SS. 8^. 15 m. — das ofQcielle vorwort, das der landes-
ausschuss von Hohenzoilern dem buche mitgegeben hat, berichtet,
wie die inventarisation der kunstdenkmäler in den hohenzollerscben
landen wesentlich nach den grundsälzen, die Bergan für Branden-
burg und Preufsen aufgestellt, erfolgt sei. demnach enthält das
werk eine kurze kritische beschreibung aller in Hohenzoilern vor-
handenen denkmäler der bau- und bildbauerkunst, der maierei und
4er verschiedenen kunstgewerbe von der ältesten zeit bis auf
unsre tage, soweit solche in kunst- und culturgeschichtlicher be-
ziehung von wert sind, mögen sie im besitze des Staates, einzelner
communalverbände, gemeinden, corporationen , vereine oder im
Privatbesitze sein, der landesausschuss hat einen besondern wert
darauf gelegt, *dass das werk durch in Hohenzoilern ansässige
kräfle ausgearbeitet werde'.
Man muss diesen hohenzollerscben kräften das zeugnis geben,
dass sie ihre sache im allgemeinen vortrefflich gemacht haben,
kunstdenkmäler höchsten ranges sind überall nicht zu verzeichnen
gewesen; aber für das mannigfache, mehr oder minder gute ist,
soviel der fernerstehende zu sehen vermag, die höchste Sorgfalt
sowol in vollständiger aufzählung und angemessener, bis in kleine
78 ZINGERLE Ui>D LAUB DIE BAU- UND EUNSTDENKMALEB
einzelheiten reichender beschreibung, als besonders auch io den
bildlichen beigaben verwendet worden. Zeichnungen und licht-
drucke, und unter den letztern besonders die widergabe der vier
Zeitblomschen bilder, die sich in dem pfarrdorf und marktOecken
Bingen an der Lauchert befinden, sind vortrefflich, einzig die
burgruinen und die vorgeschichtlichen befestigungen kommen
etwas zu dürftig weg. ich würde zb. eine ausgeführtere notiz
über die bei Weildorf vorkommenden * trichtergruben', die auf
s. 108 mit der bemerkung abgespeist werden : 4m walddistricte
Maika bei Tannenburg eine grOfsere anzabl, 50 — 60 trichtergruben.
erdfälle sollen ausgeschlossen sein', und einen lagerplan derselben,
auch durchschnitt einzelner; — oder eine nähere beschreibung
der bei Dielfurt gelegenen interessanten' wallburg (s. 207j, und
so noch mancher ähnlicher dinge, weit lieber gehabt haben, als
die angäbe über die in Privatbesitz zu Weilheim befindliche *alte
Bibel' (s. 173), deren verdeutscher der herr aulor des betrefi'en-
den abschnitts nicht entzilTern kann und den er als dr Johann
Dieter . . rger gibt, es handelt sich natürlich um das bekannte
scheufsliche machwerk des predigermOnches Johann Dietenberger.
man sieht, 'die in Hohenzollern ansässigen kräfte' wissen auch nicht
alles, und sie durften sich wol herablassen, über den titel und
wert des buches leute zu befragen, die nicht die auszeichnung
geniefsen, den oberämtern Gammertingen, Haigerloch, Hechingen
oder Sigmaringen zugehörig zu sein.
Besonders angenehme zugaben zu dem werke bieten einmal
die 'übersieht der in Hohenzollern erhaltenen bau- und kunst-
denkmäler' auf s. 294 — 304, von Laur verfasst, und dann die
archäologische Übersichtskarte von Hohenzollern, von Zingeler be-
arbeitet, mit ihrer einzeichnung von römischen und vorgeschicht-
lichen resten. M. Heyne.
Häufigkeitswörterbuch der deutschen spräche, festgestellt durch einen
arbeitsausschuss der deutschen Stenographiesysteme, herausgegeben
von F. W. Kaeding. Steglitz bei Berlin, 1898. Selbstverlag des
herausgebers. im buchhandel zu beziehen durch ESMiltler & söhn,
Berlin, vi und 671 ss. 8^. 22,50 m. — das buch ist das ergebnis
einer wahren riesenarbeit, an welcher fünf jähre hindurch 1320
personen teilgenommen haben, und welche sich über 20 millionen
Silben erstreckt, in erster linie muss es den Stenographen nützen,
die bei seiner ausarbeitung auch zu einem weit überwiegenden
teile tätig gewesen sind; nur auf grund solcher ausgedehnter
Untersuchungen ist es möglich, Verbesserungen in ihren systemeQ
vorzuschlagen und einzuführen, dass auch die deutsche philologie
ihren vorteil aus dem werke zieht, ist gern zuzugestehn, soweit
es sich um sprachliche Untersuchungen handelt, die mit bilfe der
Statistik gelöst werden müssen, und da auch die fremd wOrter
berücksichtigt worden sind, so bietet sich, wie der herausgeber
selbst bemerkt, dem allgemeinen deutschen Sprachverein dadurch
KARDING BÄOFIGKEITSTVÖRTERBDCH DEB DEUTSCHEN SPRACHE 19
die gelegenhe f , in welchem grade das deutsche von
fremdwOrtern durrchselzt ist. — besonders hervorzuheben ist der
sorgfältige, schöne und klare druck, der die benutzung des buches
sehr angenehm macht. M. Heyne.
Wegweiser zur deutschen litteraturgeschicbte. bibliographischer grund-
riss für Vorlesungen und zum Selbststudium, i teil : Die älteste
zeit bis zum 11 jh. von dr phil. J. Fath. Würzburg, Stahelsche
▼erlags-anstalt, 1899 8^. viii und 90 ss. 1,60 m. — über die
gesichtspuncte dieser bibliographie sagt das Vorwort (datiert von»
august 1898)9 dass sie *dem lernenden als Tührer dienen und den
lehrer entlasten' solle, ferner, dass 'diejenigen denkmäler, welche
nur für die Sprachwissenschaft von bedeutung sind, weniger ein-
gebend behandelt' wurden, endlich, dass 'jegliche beurteilung der
einzelnen Schriften' unterblieb, weil 'eine zusammenhängende dar-
stellung der litterarhistorischen forschung' spSiler folgen werde,
immerhin seien durch einen stern leicht zugängliche oder mafs-
gebende arbeiten hervorgehoben.
Fasst man auch die einschränkung, die im ersten satze ligt,
möglichst weitherzig auf, so bleibt doch nichts übrig, als die un-
vollständigkeit, unzuverlässigkeit, flüchtigkeit, mit der dieses buch
gearbeitet ist, scharf zu verurteilen.
S. 1 ff (^gesamtdarstcllungen') sind Roquette, Lindemann,.
Koenig genannt, nicht aber Khulls und Goltbers arbeiten, unter
'erläuterungen' zu den Merseburger Zaubersprüchen fehlen die
aufsätze und notizen von Jessen Zs. f. d. phil. 2, 126, Wilken
Germ. 21 , 218, vdRecke Zs. 23, 409, Behaghel Beitr. 15, 570,
Kaufifmann und Gering Zs. f. d. phil. 26, 454 ff, Grienberger aao.
27, 433, Möller Allitt.-poesie 51. zum Hildebrandslied vermiss
ich unter den ausgaben die texlherstellungen Heinzeis, Möllers,
Vollmer- Hofmanns, die aufsätze und bemerkungen Scherers Zs»
26,378, Lufts in der festgabe für Weinhold, Wilkens Germ.
24,263, Martins Zs. f. d. phil. 24,227, Kraus Zs. f. d. öst. gymn.
1894, 131 und besonders 1896, 316, Gross Ober den Kasseler
codex 1879, Jellineks Zs. 37 , 20, Cosijns Tijdscbrift 11,200,
ja sogar Kauffmanus aufsatz in den Philol. Studien fehlt, bei De
Heinrico erfährt man nichts über die mitteilungen von Priebsch
im Anz. xz 207 und den Deutschen hss. in England 25. zu Ot-
fried fehlt unter den * quellen und Vorbildern' Marold Germ..
31,119 und Loeck Homiliensammlung des Paulus Diac, unter
'grammatik' Benrath Vocalschwankungen, Oble Wortstellung^
ßodenstein Accent der mehrsilb. präp., unter ^metrik' Saran in den
Philol. stud., unter Verklärungen und allgemeines' Schade Wissensch.
monatsbll. 7, 205, Krüger Germ. 32, 297, Jellinek Zs. 39, 56.
besonders schlecht ist die WulGlalitteratur vertreten : von Stamm-
Heyne ist nur die 8 aufl. genannt, die ganze neuere forschung
zum leben Wul6las seit KrafTt in Herzogs Realencycl. und Sievers-
Beitr. 20, 302 ist bei seite gelassen; zu der Skeireins findet man
80 FATH WEGWEISER ZUB DEUTSCHEN LITTEBATUR6BSCHICHTB
weder die ausgäbe voo vao der Waals noch die aufsätze von
Jellinek, Beels, Marold, McKoight. von Gall6e8 Alts, sprachdenkm.
und Steinmeyers mitteilungeo dazu Anz. xxii26€ keine spur, diese
(wie ich ausdrücklich bemerke, von mir gelegentlich, nicht syste-
malisch notierten) proben werden genügen.
Die unVollständigkeit ist aber nur üne äufserung der Sorg-
losigkeit, mit der Fath überhaupt seine arbeit zum drucke ge-
bracht hat. auf s. 2 drei druckfehler, s. 4 Sierers (f. Sievers),
Seidle (f. Seidel), Bonike (f. Bonifz) usw. usw. diese flüchtigkeit
war wol schon im manuscript ausgeprägt : s. 36 citiert er Stosch
Zs. 3 statt 33, s. 77 figuriert das Frank, taufgelöbnis als MSD'lzx,
das zu GKaufmanns Unterss. der quellen etc. gehörige citat steht
s. 48 bei der vorausgehnden nummer (Bessel) , die Jahreszahlen
der aufsätze Moureks zum Talian nr 13. 14 sind falsch (die ab-
handlung von 1897 fehlt), die MSD^ 302 fr gebrachten segcns-
formeln werden s. 10 völlig unzureichend als 'bruchstücke voo
Zauberformeln' mit der hinweisung auf MSD und Koegel i 2, 162 f
abgetan, wahrscheinlich weil der vf. die genauere auseinaoder-
setzung mit der vagen grenzbestimmung ^bis zum 1 1 jh.' scheute,
die er auf das litelblatt schrieb. Ollohs gebet hat er noch, nicht
aber das Memento, nicht Williram. die §§-einteiluug ist in-
consequent.
So taugt die vorliegende bibliographie durch ihre zusammen-
geraffte unVollständigkeit nicht für den fachmann, fUr den schQler
nicht durch ihre unzuverlässigkeit und die Planlosigkeit der stern-
auszeichnungen, für den gebrauch bei Vorlesungen nicht aus eben
diesen gründen und durch die aus den vielfachen Unterabteilungen
folgende Unbequemlichkeit des citierens. Fath bezeichnet das heft
als 4 teil'; ehe er au den zweiten geht, möge er den ersten von
neuem und sorgfälliger anlegen und dadurch seine berufenheit
für jenen erst erweisen. Joseph Seemülleb.
La lingua gotica. grammatica, esercizi, testi, vocabolario comparato,
con ispecial riguardo al tedesco, inglese, latino e greco. del S. Fbied-
UANN. Milano 1896. [Manuali Hoepli, serie scientifica, 214 — 215.]
Gotische Sprachdenkmäler mit grammatik, Übersetzung und erläu-
terungen. von Hermann Jantzen. Leipzig 1898. [Sammlung
Göschen 79.] — der Mailänder professor Friedmann, in Deutsch-
land wol weniger durch seine Grammatica tedesca (1895) als
durch sein Dramma tedesco del nostro secolo (1893) schon be-
kannt, will mit dem vorliegenden manuale die italienischen Stu-
denten ins gotische einführen, er bringt eine knappe elementar-
grammalik im anschluss an Braune, einen sprachvergleichenden
anhang, aus der gotischen bibel zusammengestellte und den ein-
zelnen kategorien der grammatik folgende übungssätze, danach
etliche bibelstücke im Zusammenhang, ein etymologisches und zu
dem elementaren Charakter des buches kaum im Verhältnis stehn-
des glossar, endlich deutsche, englische, griechische, lateioiache,
FRIEDMANN LA LINGUA GOTICA 81
romanische indices. einzelne fehler wären leicht zu monieren«
«nd neuheiteo^wird man nicht erwarten, obgleich ebenso discrete
wie bedenkliche ansätze dazu nicht fehlen (zb. sunna als ^sum-nan"
ZQ sommer, siponeis zu sibja ua.). immerhin darf man es als he*
.scbeidenheitshyperbel bezeichnen, wenn der vf. sich nur einen
^dilettante in glottologia' nennt, und zugeben, dass seine arbeit
ihren zweck zu erfüllen geeignet ist.
Welchen zweck aber hatJantzens bUchlein? wozu in der
«ammlung GOschen nun auch ein gotisches bändchen? weshalb
den einstigen culturhistoriker, der aus dem inhalt popularisieren-
der Terlegerunlernehmungen auf das bildungsbedürfnis unsrer tage
«chliefsen will, so in die irre führen? gewis ist das heft ge-
wissenhaft und solid gearbeitet; einzelne unebenmäfsigkeiten im
druck und kleinere versehen wären zu entschuldigen (die 3 druck*
fehlerberichtigungen s. 137 enthalten selbst wider 2 fehler), aber
das hauptbedenken : ich gesteh, dass mir schon bei Braunes alt-
bewährtem hilfsbuch öfter zweifei aufgestiegen sind, ob es prak-
tisch war, ihm die wenigen sprachproben beizugeben : es gibt
nur zu oft banausische Studenten, die nach seiner durcharbei-
tung sich einbilden gotisch zu können und deshalb gern ver-
gessen, auch den ganzen Ulfila in die band zu nehmen, viel-
leicht verdienten da Übungsstücke in Friedmanns art den Vorzug.
Jantzen nun gar gibt nicht nur sprachproben, sondern darunter
auf jeder seite zugleich die nhd. Übersetzung und einen zum
elementarsten hinab- und zu umfassender Sprachvergleichung
hinaufsteigenden commentar : ich fürchte, sein erfolg wird der
sein, dass man sich in Zukunft hüten muss, die von ihm ausge-
wählten stücke in gotischen seminarübungen von auf^ngern inter-
, pretieren zu lassen I Febd. Wrboe.
Iveos saga. herausgegeben von Eugen Kölbing. [Altnordische saga-
bibliothek. herausgegeben von Gustaf Cederscuiöld, Hugo Gering
und Eugen Möge, heft 7.] Halle, Max Niemeyer, 1898. xzviii und
136 SS. 4 m. — seiner ausgäbe der,F16res saga ok Blankiflür
lässt Eugen Kölbing eine ausgäbe der Ivens saga folgen, die wie
jene ein heft der rüstig fortschreitenden Altnordischen sagabiblio-
thek bildet, nach einer kurzen inhaltsangabe der saga, die der
plan der Sammlung verlangte, handelt er in der einleitung zu-
nächst über ihre französische quelle, frühern forscbungen folgend,
eigne ansichten kurz begründend, zeigt er, wie Christian vTroyes aus
vorhandenen sagenmotiven den stoß' seines Yvain formte, die fran-
zösische dichtung wurde in der ersten liälfte des 13 jhs. in norwe-
gische prosa übersetzt, aber diese Übertragung ist nur in der
isländischen, vielfach gekürzten version erhalten, sie lässt sich
ebensowenig wie der englische Iwein auf eine hs. des Yvain
zurückführen, zeigt vielmehr berührungspuncte mit mehreren von
ihnen; die directe vorläge ist demnach nicht mehr erhalten, in
Zusammenhang mit der norwegischen Übersetzung steht eine
A. F. D. A. XXVI. 6
82 KÖLBLNG ivC?IS SAGA
sehwedische bearbeitung in versen aus dem jähre 1303, der
Herra Iwan Lejon-riddaren. in seinen RiddarasOgur hatte K. zu
erweisen gesucht, dass das schwedische gedieht nicht, wie die
Schlussverse behaupten, auf eine französische vorläge zortlckgehe,
sondern dass es nach der norwegischen prosaQbersetzung gear-
beitet sei; jetzt glaubt er auf grund einer neuen vergleichung,
von der die wichtigeren belegsteilen mitgeteilt werden, schliefsen
zu dürfen, 'dass der Verfasser der visa in der tat neben einem
ms. der nordischen saga auch eine hs. des frz. Tvain vor sich
gehabt und nach neigung je an die eine oder andre Fassung oder
auch an beide sich angelehnt hat*.
In seiner ersten ausgäbe in den Riddarasögur hatte K. den
text nach der vollständigeren hs. A (cod. Holm. perg. 6, A^) ge-
geben und die Varianten von B (A. M. perg. 489, 4®) mitgeteilt,
der neuen ausgäbe legt er B zu gründe, das vielfach bessere und
vollständigere lesungen bietet, und lässt erst wo diese hs. ab-
bricht die hs. A eintreten, in einer längern note der einleitung
und an vielen stellen des commentars gibt er rechenschafl Ober die
stellen^ in denen er die la. von A vorgezogen hat. als anhang folgt
der text von A, soweit er nicht der ausgäbe zu gründe gelegt ist.
Der commentar ist noch reichhaltiger als der zur Flöres saga.
er enthält einmal die erklärung der Wörter und Wendungen, die
sich bei Möbius nicht finden, ein geringfügiges versehen bemerk
ich in der note zu cap. 1,3: ''fyrir hveivetna unter allen um-
ständen'; es ist eher fyrir hveivetna fram in der gleichen be-
deutung zusammen zu nehmen als fram mit nt at ganga zu ver-
binden, zu den Worterklärungen treten anmerkungen über stoff-
liche dinge, unter denen ich die über die waldleute zu cap. 2
und die über weinende tiere zu cap. 10, 30 hervorheben mochte.
von besonderem interesse srnd die sülistisclieü beinerkuugeu. der"
Übersetzer hielt sich ganz an die darstdiuug seiner vorläge, nur
vereinzelt tauchen remiiiiscenzen ausi der heimischen tiueratnr
auf. so erinnert der hünkmV^ der in ejuem der saga etgenl^tv
liehen vergleich vorkommt (cap. 2, 25), entfernL nu den
Hymirs; die voraussage der kOnigin an hm : w mun ßins
at illu getit, meian heimrinn siendr leihst an Grlp. 23 u^
denken; die worte Lunelas cap. 16, 13 * Soä fegtn an ei
fundi konnten allenfalls zurückgehii auf HH. \i 4'2.
passung an nordische veihlfUnisste verdanketi ihr dasein
8wti (=s hdswti) cap. 7, 4 u. 5 und das svefnhus cap. dbl
menge allitterierender formein zii^en sich, auf die i1<
geber in den anmerkungen auinierJ sam macht; :m cmttl
cap. 16, 25 — erscheint 2WBin)af hinter einander
allitteration. die eigentüniiiclj keilen de^ Sil lern sa^'a&tilft|
vergebens, und ein Übergang y\\i* JVii «r oj ugja
seiner Umgebung fremdartig an,
einzelnen stellen zahlreiche pa
_
KÖLBING iVENS SAGA 83
Uindischen sögur wie aus deo Fornaldar sOgur Nordrianda; wir
geben hier an vielen beispielen, wie sehr die letzlgeuannte gattung
auch in eiazelheiteu des stofTs und im stil abhängig ist von der
nordischen übersetzungslitteratur. Wilhelm Ranisch.
Jacob van Haerlants Strophische gedichten. nieuwe uitgave bewerkt
door J. France en J. Verdam. Groningen, Wolters, 1898. [Biblio-
theek van middelnederlandsche letterkunde onder redactie van
J. Verdau en J.te Winkel.] xcii und 300 ss. 12,50 m. — die
ausgäbe umfasst zehn gedieht«, von denen acht in 13 zeiligen
Strophen, zwei in 12 zeiligen abgefasst sind : die letztern haben
die Verdopplung der letzten reimzeile nicht, sie unterscheiden
sich auch sonst formell und inhaltlich von den andern : der Vers-
bau beruht auf regelmafsiger abwechslung von hebung und
Senkung; der auftact mangelt, es ist die Strophe genau die des
'Siabat mater'. auch der ausdruck ist gewöhnlicher, weniger eigen-
artig als er bei Maerlant zu sein pflegt, es ist mehr gelehrsam-
keit, Überlieferung als eignes urteil, wie es bei Maerlant doch
sonst tiberall hervortrilt. da diese bedenken von beiden heraus-
gebern geteilt werden (s. xlvii), so war es doch wol besser ge-
wesen, die beiden gedicbte : Vijfvrouden und 0ns Heren
wenden, wenn nicht von der ausgäbe auszuschliefsen, doch sie
etwa nur anhangsweise ihr beizufügen.
Die Überlieferung ist sehr verschieden für die einzelnen ge-
dicbte. von den drei ersten Wapene Martijn ist sie beson-
ders reich : aufser einer anzahl von handschriften ist eine vom
dichter selbst verfasste parodie Van den verkeerden Martine,
allerdings nur ein fragmeut, nur der anfang vorhanden, ferner
eine lateinische und eine französische Übersetzung, letztere bis
jetzt nur teilweise bekannt, über die ßliation der hss. hat
Franck in diesem Anzeiger mehrfach gehandelt und jetzt seine
ergebnisse wesentlich bestätigt, es ist freilich unerwünscht, dass
für fast alle hss. die benutzung mehrerer vorlagen vorausgesetzt
werden muss. immerhin geboren diese gedichte zu den best-
bezeugten texten der mnl. litteratur, und es ist sehr richtig ge-
wesen, hier auch die normalisierung der Orthographie durch-
zuführen, die sich auf zahlreiche reime stützen kann.
Ergebnisreich ist auch die behandlung der quellen in der
«inleitung. abgewiesen wird die benutzung des französischen
dichters Rutebeuf, der etwa gleichzeitig gedichte in ähnlicher form
und tendenz, teilweise mit den gleichen titeln geschrieben hat,
wie wir sie bei Maerlant finden, trotzdem glauben die heraus-
geber s. lxxv, dass die verwantschaft zwischen den nl. und den
franz. gedichten nicht anders zu erklären sei als die, welche heute
zwischen artikeln gleichen inhalts von Zeitungen derselben partei
bestehe. ^Maerlants abwendung von der französischen poesie
spricht a priori gegen eine beeinflussung durch den franz. dichter',
dieser allgemeine grund genügt nicht. Maerlant tadelt die lügen
6*
84 FRANCK U. VERDAM JACOR VAN MAERLANTS STROPHISCHE GBDICHTEIf
der franz. romandichter : hier haben wir es aber mit einer an-
dern, ihm naheverwanten richlung zu tun. so möge die ganze
frage noch offen bleiben; zu einer eignen Untersuchung find
ich gegenwärtig keine zeit.
Auf den text der gedichte folgen reichhaltige anmerkungen
und ein Wörterverzeichnis, zu persemare {-mere, -mier) wird be-
merkt, dass es zu mnl. persemen 'wuchern' und perssem bei Kilian
gehöre, das schon in den altniederfränkischen Psalmen als prisma^
presma vorkommt, die ahd. formen hat Grimm Gramm, ii 147
damit zusammengestellt : bei Tatian erscheint phrasamo, der Ur-
sprung ist, wie es scheint, noch nicht nachgewiesen, sollte nicht
eine romanische neubildung von lat. praesumere zu gründe liegen,
womit das vorwegnehmen des zinses, eine der gewöhnlichste»
arten des wuchers, bezeichnet werden konnte? *praesuma wäre
eine Wortbildung wie doute <« lat. *dubita von dubitare. freilich
fehlt praesumere wie sumere in den romanischen sprachen, viel-
leicht kommt für das wort auch lat. proxima in betracht.
Auch sonst fehlt es im wortvorrat der W. M. nicht ao
puncten, die der aufklarung noch harren, so ist sonder (oder
ander) spit delven nicht klar in seiner ableitung, wie zu M. i 20
bemerkt wird, auch verscruven 'verstofsen', der bedeutung nach
gleich verscuven und mit diesem öfters vertauscht, bedarf nocb
der erklärung. ist der titel De gaudibus beatae Mariae
8. Lxviii überliefert?
Erwünscht gewesen wäre eine Inhaltsübersicht und womög-
lich auch ein blattweiser. E. Martin.
Das deutsche Madrigal, geschichte seiner entwickelung bis in die
mitte des 18 jhs. von Karl Vossler. [Litterarhistorische for-
schungen, vi heft.] Weimar, Emil Felber, 1898. xi und 163 ss.
8^. 3,50 m. — die geschichte des deutschen madrigals, die wir
seit Koberstein, vWaldberg und Minor im umriss übersahen, erßihrl
durch die V.sche erstlingsarbeit eine sorgfältige und gründliche
darstellung. freilich führt die Wanderung zumeist durch die
niederungen der deutschen litteratur. denn das madrigal, zur zeil
ihres grösten tiefstandes in die deutsche dicbtung verpflanzt, ist
in dem fremden boden nie recht heimisch geworden, es wird
vorzugsweise von untergeordneten dichtem gepflegt und stirbt
nach kurzer Scheinblüte bei dem aufblühen einer kräftigere»
nationalen litteratur ebenso schnell ab. V. selbst findet seine be-
deutung Mn der fülle verwanter formen, die sich aus ihm heran»
entwickelte', vor allem in der ausbildung und förderung der freieo
verse. immerhin aber bietet seine geschichte einen lehrreiche»
querschnitt durch die formale entwicklung der lyrik des 17 und
und 18 jhs.
V. behandelt nach einem raschen überblick über die ent-
wicklung des italienischen madrigals und einer etwas unklar ge-
ratenen betrachtung der etymologie des wertes die zeit bis zun>
TOSSLER DAS DEUTSCHE MADRIGAL 85
erscheioen d g en Zieglerischen tractats (1653), in
der das mad..o-ii i--> gMung schon sehr beliebt, in der
dicbtUDg noch als 'componimento illegitimo' betrachtet wird.
Fleming erscheint hier für die lyrik als erster mit Übertragungen
ans dem pastor Fido. Zieglers hedeutung^ seine abhängigkeit von
den Italienern, sein einfluss auf die poetik, die weltliche und
geistliche lyrik wird eingehend belegt und gewürdigt, unmittel-
bar unter dem einfluss der italienischen und nun auch der fran-.
zOsischen madrigaldichtung stehn die galanten dichter, die es —
auch im drama — eifrig pflegen, aber durch Vermischung mit
verwanten massen Verwirrung in die einseitige, aber klare auf-
Fassung Zieglers bringen, nicht glücklich erscheint mir die aller-
dings nur vorsichtig ausgesprochene polemik gegen vWaldberg
und Minor s. lOSfl*. ob jene Übersetzer ihre rein alexandrinischen
'madrigale aus dem französischen oder italienischen' würklich mit
bewustsein von der deutschen form unterscheiden wollten, wird
sich nicht erweisen lassen, auch die versuche, aus der ^indivi-
duellen auffassung, welche der betrefl'ende dichter von den madri-
galischen formen überhaupt gehabt haben mag', zu bestimmen,
ob ein gedieht noch als madrigal zu bezeichnen sei, wie s. 149
bei Günther, können nicht zu sicheren ergebnissen führen, das
entscheidende bleibt doch — was auch V. als endresultat des
letzten abschnittes : Die letzten madrigalisten feststellt — , dass eine
sichere grenze zwischen madrigal und Sinngedicht nicht mehr zu
ziehen ist. das madrigal geht in der masse der verwanten formen
unter.
Die Untersuchungen über die einzelnen dichter sind, soweit
sich bei der weitschichtigen, zt. unzugänglichen lilteratur über-
blicken lässt, mit eindringender Sorgfalt unter reichlicher benutzung
der italienischen und französischen Vorbilder angestellt — zu Chph.
Woltereck (s. 142) sei bemerkt, dass die erste ausgäbe seiner
öden, Hamburg 1711^ wie die zweite nichts neues bringen, da
sie beide in die vollständige ausgäbe der 'Holsteinschen musen'
aufgenommen sind — ; dagegen wäre der arbeit oft grOfsere klar-
heit der darstellungsform und gruppierung, vor allem ein schär-
feres herausheben des grofsen Zusammenhanges zu wünschen.
Weltis darstellung des sonetts hätte hier ein treffliches Vorbild
geben können. Wilhelm Keiper.
Der einfluss der deutschen litteratur auf die niederländische um die
wende des 18 und 19 Jahrhunderts, von dr Karl Mem«(e. iteil:
Periode der Übersetzungen; Fabel- und idyllendichtung; Klopstocks
^Messias'; Obersicht über das drama. [«» Litterarhistorische
Forschungen, hrsg. von Schick und Waldberg, viii heft.] Weimar,
Emil Felber, 1898. iv und 97 ss. 2,40 m. — das vorliegende
heft kündigt sich als ersterteil einer grOfseren arbeit an; es be-
bandelt die niederländischen Übersetzungen und nachahmungen
von Klopstock, Wieland, Geliert, Gessner und einigen andern und
86 HENNE EINFLUSS D. DEOTSCUEN LITTERATOR AUF D. MEDERLÄNDISCBB
fügt als 'noch nicht ganz verarbeitetes material' eine liste von
niederländischen Übersetzungen deutscher Schauspiele hinzu, ein
zweiler teil soll die sentimentalen Schriften in Holland, vornehm-
lich die einwürkung von Goethes Werther, ein dritter Lessing,
Goethe, Schiller, ein vierter die lyrik behandeln, das bisher ver-
üfTentlichte ist die ausarbeitung fleifsiger, im wesentlichen biblio-
graphischer notizcn, in dem sinne, dass vf. seine büchertite! und
i'lhrigen collectaneen zu gruppieren sucht und den namen und
Sachen, die ihm dabei begegnen, nachspürt, diese Zusammen-
stellungen sind zweifelsohne dankenswert (wie auch schon von
holländischer seile anerkannt worden ist), wenngleich die unge-
schickte redigierung, in folge deren gar kein wertunterschied
zwischen dem lext und den umfangreichen fufsnoten besteht, die
lectüre wenig angenehm macht, auch würde der vf. gut tun,
wenn er bei den folgenden teilen einen Niederländer die correc-
tur lesen liefse : die anzahl der schreib- und druckfehler in den
titeln und citaten ist gröfser als erlaubt.
Wer aber, durch den titel und den kühnen stil des büchleins
verleitet» höhere ansprüche stellen und eine Verarbeitung des ma-
terials in dem sinne erwarten möchte, dass der einfluss deutscher
geistesströmungen auf die führenden uud geführten geister Hollands
sich aus der masse der erscheinungen heraushöbe, der wird sich
durchaus enttäuscht sehen, hierzu fehlt dem vf. nicht nur die
nötige bekanntschaft mit der holländischen nationallitteratur, son-
dern auch überhaupt der für betrachtung culturgeschichtlicher
fragen geschulte bedächtige blick, litterarhistorische beeinflussung
wirft er rückhaltlos mit Übersetzung und nachabmung zusammen ;
gedrucktes jeglicher qualität nimmt und gibt er ohne unterschied
als lilierarisches urteil; dagegen geht er ahnungslos an eigentlich
wichtigen dingen, zb. der Verbreitung einer Übersetzung (Gellerts
Schriften überschwemmen noch heute den büchertrOdelmarkt) und
deren reflexen bei dem gebildeten publicum vorbei, so ist nicht
viel hoffnung, dass die folgenden teile eine in der tat vernach-
lässigte und schwierige aufgäbe der litteraturgeschichte lösen wer-
den; wenn aber der vf. sich enlschliefsen könnte, seine übrigen
Sammlungen in schärfer disponierter schlichter form, unter aus-
scheidung aller gesuchten citiererei und allgemeiner urteile, zu
veröffentlichen, so würde er sich doch auf beiden Seiten der grenze
dank verdienen. E. F. Kossmann.
Slrafsburger Goelhevorträge. zum besten des für Strafsburg ge-
planten denkmals des jungen Goethe. Strafsburg, Karl JTrübner,
1899. 8^. 197 SS. 2,50 m. — das buch enthält sieben vortrage,
die sich ihrem zweck entsprechend an das grofse publicum wenden,
gleich wol wird sie auch der Goetheforscher mit nutzen lesen,
besonders diejenigen, die nicht litterarhistorischen Charakters im
engsten sinne des Wortes sind. Ernst Martin stellt Goethes
-ansichten über ^Weltlitteratur und dialektpoesie' zusammen. Ru-
STRASSBURG£R G0ETHEV0RTRÄ6B 87
dolf HeDoing gibt eine gediUDgene, sehr lebendige Charakte-
ristik des 'JuDgen Goethe', in der er mit grofsem geschick und
plastischer anschaulichkeit die entscheidenden zUge seines ent-
wicklungsganges hervorhebt und die bis 1775 entstandenen werke
nach art und wesen kurz und prägnant beschreibt. Eugen
Joseph bespricht in 'Goethe und Lili' das auf und ab ihrer be-
Ziehungen und zeigt in feinen beobachlungen, wie die natur des
verhallDisses in den werken des dichters reflectiert. Wilhelm
Windel band spendet einen glänzenden abriss *Aus Goethes
Philosophie', den mittelpunct seiner betrachtung bildet die frage,
wie Goethe die Stellung des menschen im Universum auffasste von
dea tagen an, da er im Prometheus und Faust dem entschiedensten
individualismus huldigte, die grenzen des eigenen wesens zu
sprengen und sich zum ganzen zu erweitern strebte, bis zu der
zeit, da er das sittliche ideal der selbslbefreiung durch erkennt-
nis fand, um schliefslich die Vollkommenheit des menschen in
der beschrankung und Unterordnung zu erblicken, er gibt also
eine entwickln ng der Goethischen weit- und lebensanschau-
ung. er zeigt das eingreifen des der natur des dichters so ver-
Wanten Spinozismus, erürtert den begriff der Goethischen fröm-
migkeit und den für die erkenntnis seines wesens so wichtigen
der ^entsagung', der in seinem positiven sinn ^tätigkeit' ist. er
bespricht die Unsterblichkeitslehre des dichters und behandelt den
cuUurphilosophischen grundgedankeu des 'Wilhelm Meister', in
dessen beiden er geistreich den lypus des Deutschen dargestellt
findet, der vom 18 in das 19 jh. herüberschreitet und das ästhe-
tische ideal mit dem praktischen vertauscht. Adolf Michaelis
gibt einen nicht weitejr fördernden überblick über Goethes Ver-
hältnis zur antike. Jacob Stilling liefert eine sehr beachtens-
werte rettung der Goethischen farbenlehre. er preist die Ver-
dienste des dichters um die physiologische optik, indem er ihn
als den entdecker des wichtigen gesetzes des' antagonismus der
färben hinstellt, hebt hervor, welche anerkennung noch heute dem
psychologischen teile der farbenlehre zukommt, und weist nach,
wie Goethe in einem puncte Newton gegenüber recht behalten
habe. Theobai d Ziegler behandelt den Faust und bemerkt
allerlei tlber seine entstehung, den gegensatz in der aulTassung
der sage im 16 und 18 jh., über die Wandlungen, die der stofT
im laufe der langen zeit in Goethe selbst erfuhr, über den Cha-
rakter des dramas im allgemeinen, über die Intentionen des dich-
ters, seinen Optimismus in der gestaltung Mephistos uaa. ich bin
während der lectüre das gefühl nicht los geworden, dass der
dem redner aufgezwungene rahmen und der gebotene oder ge-
wählte ton der leichten plauderei in einem unüberwindlichen
mis Verhältnis zu der Schwierigkeit der angeschlagenen Pro-
bleme stehn.
Berlin. Otto Pniower.
86 HENNE EfNFLUSS D. DEOTSCUEN LTTTERATOR AUF P. NIEDERLÄNDISCBB
fügt als 'noch nicht ganz verarbeitetes material' eioe liste von
niederländischen Übersetzungen deutscher Schauspiele hinzu, ein
zweiter teil soll die sentimentalen Schriften in Holland, vornehm-
lich die einwürkung von Goethes Werther, ein dritter Lessing,
Goethe, Schiller, ein vierter die lyrik behandeln, das bisher ver-
öfTentlichte ist die ausarbeitung fleifsiger, im wesentlichen biblio-
^Taphischer notizcn, in dem sinne, dass vf. seine büchertitel und
übrigen collectaneen zu gruppieren sucht und den namen und
Sachen, die ihm dabei begegnen, nachspürt, diese Zusammen-
stellungen sind zweifelsohne dankenswert (wie auch schon von
holländischer seile anerkannt worden ist), wenngleich die unge-
schickte redigierung^ in folge deren gar kein wertunterschied
zwischen dem text und den umfangreichen fufsnoten besteht, die
lectüre wenig angenehm macht, auch würde der vf. gut tun,
wenn er bei den folgenden teilen einen Niederländer die correc-
tur lesen liefse : die anzahl der schreib- und druckfehler in den
titeln und citaten ist gröfser als erlaubt.
Wer aber, durch den titel und den kühnen Stil des büchleins
verleitet, höhere ansprüche stellen und eine Verarbeitung des ma-
terials in dem sinne erwarten möchte, dass der einfluss deutscher
geistesströmungen auf die führenden uud geführten geister Hollands
sich aus der masse der erscheinungen heraushöbe, der wird sich
durchaus enttäuscht sehen, hierzu fehlt dem vf. nicht nur die
nötige bekanntschaft mit der holländischen nationallitteratur, son-
dern auch überhaupt der für betrachtung culturgeschichllicher
fragen geschulte bedächtige blick, litterarhistorische beeinflussung
wirft er rückhaltlos mit Übersetzung und nachahmung zusammen ;
gedrucktes jeglicher qualilät nimmt und gibt er ohne unterschied
als litterarisches urteil; dagegen geht er ahnungslos an eigentlich
wichtigen dingen, zb. der Verbreitung einer Übersetzung (Gellerts
Schriften überschwemmen noch heute den büchertrödelmarkt) und
deren reflexen bei dem gebildeten publicum vorbei, so ist nicht
viel hofTnung, dass die folgenden teile eine in der tat vernach-
lässigte und schwierige auTgabe der litteraturgeschichte lösen wer-
den; wenn aber der vf. sich entschliefsen könnte, seine übrigen
Sammlungen in schärfer disponierter schlichter form, unter aus-
scheidung aller gesuchten citiererei uud allgemeiner urteile, zu
veröffentlichen, so würde er sich doch auf beiden seilen der grenze
dank verdienen. E. F. Kossmann.
Strafsburger Goethe vortrage, zum besten des für Strafsburg ge-
planten denkmals des jungen Goethe. Strafsburg, Karl JTrflbner,
1899. 8®. 197 SS. 2,50 m. — das buch enthält sieben vortrage,
die sich ihrem zweck entsprechend an das grofse publicum wenden,
gleichwol wird sie auch der Goetheforscber mit nutzen lesen,
besonders diejenigen, die nicht litterarhistorischen Charakters im
engsten sinne des Wortes sind. Ernst Martin stellt Goethes
-ansichten über ^Weltlitteratur und dialektpoesie' zusammen. Ru-
STRASSBURG£R G0ETHEV0RTRÄ6B 87
dolf HeDDiDg gibt eine gedrungene, sehr lebendige Charakte-
ristik des 'Jungen Goethe', in der er mit grofsem geschick und
plastischer anschaulichkeit die entscheidenden züge seines ent-
wicklungsganges hervorhebt und die bis 1775 entstandenen werke
nach art und wesen kurz und prägnant beschreibt. Eugen
Joseph bespricht in 'Goethe und Lili' das auf und ab ihrer be-
ziebuDgen und zeigt in feinen beobachtungen, wie die natur des
Terhaltnisses in den werken des dichters reflectiert. Wilhelm
Windelband spendet einen glänzenden abriss *Aus Goethes
Philosophie', den mittelpunct seiner betrachtung bildet die frage,
wie Goethe die Stellung des menschen im Universum auffasste von
dea tagen an, da er im Prometheus und Faust dem entschiedensten
individualismus huldigte, die grenzen des eigenen wesens zu
sprengen und sich zum ganzen zu erweitern strebte, bis zu der
zeit, da er das sittliche ideal der selbstbefreiung durch erkennt-
nis fand, um schliefslich die Vollkommenheit des menschen in
der beschrankung und Unterordnung zu erblicken, er gibt also
eine entwicklung der Goethischen weit- und lebensanschau-
UDg. er zeigt das eingreifen des der natur des dichters so ver-
wanten Spinozismus, erürtert den begriff der Goethischen frOm-
migkeit und den für die erkenntnis seines wesens so wichtigen
der ^entsagung', der in seinem positiven sinn Tätigkeit' ist. er
bespricht die Unsterblichkeitslehre des dichters und behandelt den
culturphilosophischen grundgedankeu des 'Wilhelm Meister', in
dessen beiden er geistreich den typus des Deutschen dargestellt
findet, der vom 18 in das 19 jh. herüberschreitet und das ästhe-
tische ideal mit dem praktischen vertauscht. Adolf Michaelis
gibt einen nicht weitejr fördernden überblick über Goethes Ver-
hältnis zur antike. JacobStiUing liefert eine sehr beachtens-
werte reitung der Goethischen farbeulehre. er preist die Ver-
dienste des dichters um die physiologische optik, indem er ihn
als den entdecker des wichtigen gesetzes des' antagonismus der
färben hinstellt, hebt hervor, welche anerkennung noch heute dem
psychologischen teile der farbenlehre zukommt, und weist nach,
wie Goethe in einem puncte Newton gegenüber recht behalten
habe. Theobai d Ziegler behandelt den Faust und bemerkt
allerlei tlber seine entstehung, den gegensatz in der aulTassung
der sage im 16 und 18 jh., über die Wandlungen, die der stofT
im laufe der langen zeit in Goethe selbst erfuhr, über den Cha-
rakter des dramas im allgemeinen, über die intentiouen des dich-
ters, seinen Optimismus in der gestaltung Mephistos uaa. ich bin
während der lectüre das gefühl nicht los geworden, dass der
dem redner aufgezwungene rahmen und der gebotene oder ge-
wählte ton der leichten plauderei in einem unüberwindlichen
misverhältnis zu der Schwierigkeit der angeschlagenen pro-
bleme stehn.
Berlin. Otto Pniower.
S8 JAHnESBEBICHT DER MÄNNER VOM MORGENSTERN
Jabresbericilt der tnänner vom Morgenstero, heimatbund io Nord-
baoDOver, befl 1. BremerhaveD,GSchipper, 1898. 112ss. 3 tafeln. —
mit diesem 1 befte tritt eine in der stille berangewachsDe oord-
bannöversche gesellscbaft in die üffentbchkeit, es enthält 4 bei-
trage zur beimatkuade. in der cbronik des fleckens Lebe ziehen
besonders die um die wende des 18 und 19 Jahrhunderts ge-
legenen Jahrzehnte an, in denen der stille Unterweserort zwischen
englischer und frauzOsischer berscbaft hin- und bergeworfen und
endlich auch vom deutschen befreiungsdrange ergriffen wird.
GvdOstens deutung der namen der Wurster Siedlungen im 2 auf-
satz hätte durch benutzung des FOrstemannschen Namenbuches
hie und da gesichert werden können. Detleffsen berichtet knapp
über die beziehungen der Römer zur Nordseeküste zwischen Weser
und Elbe, Bohls über einige steinkammergräber, die wenig fund-
gegenslände bieten, aber, obgleich neben einander gelegen und
derselben jungem Steinzeit angebörig, doch verschiedne arten der
beisetzung anwenden, den leichenbrand und die bestattung des
unverbrannten körpers. wir wünschen dem Morgenstern dauern-
den, wegweisenden glänz, von dem auch ein heller strahl auf die
Volkskunde fallen möge. E. H. Meter.
Personal NOTIZEN.
An der Universität Zürich wurde der ao. professor dr A. Bach-
mann zum Ordinarius befördert, die privatdocenten drM.H.JELLiNEK
in Wien und prof. dr F. Jostes in Münster wurden zu aufser-
ordenllicben professoren ernannt. privat(k)cent dr E.Joseph, in
Strafsburg zum extraordinarius befördert, wurde als aufserordent-
licher professor der neuern deutschen spräche und litteratur nach
Marburg berufen. .
Prof. dr 6. Sarrazin wurde in Kiel zum Ordinarius befördert
und demnächst als nacbfolger Kölbings nach Breslau berufen,
der privatdocent dr W. Keller in Jena wurde zum ao. professor
der englischen pbilologie ernannt.
Der Oberbibliothekar dr W. Seelmann in Berlin sowie die privat-
docenten dr 0. Bremer in Halle und dr F. Wrede in Marburg er-
hielten den professortitel.
ANZEIGER
FÜR
DEimCHES ALTERTUM UND DEUTSCHE LinERATüR
XXVI, 2 mai 1900
Zeitschrift för hochdeutsche mundarten. herausgegeben von Otto Heilig und
Philipp Lenz. Jahrgang i, heft 1 u. 2. Heidelberg, Carl Winter, 1900.
112 SS. gr. 8^ ~ (der Jahrgang zu 6 heften 12 m.)
Der Naglschen Zeitschrift (vgl. Anz. xxiii 313) ist unerwartet
rasch die vorliegende nachgefolgt, ihr ziel ist im wesentlichen
dasselbe, nur beschränkt sie ihr forschungsgebiet auf den hoch-
deutschen mundartencomplex , während Nag! — wenigstens auf
dem Programm — das ganze gebiet einbeziehen will, wir halten
diese beschränkung angesichts der taisache, dass das nd. schon
durch den Verein für nd. Sprachforschung eine eifrige pflege
findet, für durchaus angemessen, auch die namen der heraus-
geber, die durch ihre bisherigen leistungen in der mundarten-
kunde einen guten klang haben, berechtigen zu den besten hoff-
nungen für die zukunft des Unternehmens, freilich werden auch
sie sich der gefahren wol bewust sein, denen sich eine Zeitschrift
für dialektforschung aussetzt ^ und die Schicksale der Vorgänger
sind in der tat noch zu lebendig in aller erinnerung, als dass
sie sich allzu optimistischen illusionen hingeben dürften; aber
anderseits hat gerade das scheitern früherer Unternehmungen die
klippen offenbart, die zu vermeiden sind, und namentlich wird
man sich vor der einseitigkeit und ausschhefslichkeit zu hüten
wissen, wie sie Nagl und vGrienberger in ihren erwiderungen
auf die anzeigen der 'Deutschen mundarten' an den tag gelegt
haben, eine Zeitschrift, die schon im zweiten heft zur polemik
übergeht und im dritten Symptome von Verfolgungswahn zeigt
(oder ist die 'Nagl-scheu' etwas andres?), hat sich der existenz-
berechtigung begeben, und sollte sie noch so trefifliche mitarbeiter
haben, auf den lact der leitung kommt schliefslich alles an; be-
sonders bei Zeitschriften, deren mitarbeiter sich teilweise aus
laienkreisen rekrutieren, der leser wird sich viel lieber hie und
da einen unwissenschaftlich gehaltenen artikel gefallen lassen,
wofern er wenigstens brauchbares material liefert, als wissen-
schaftlich scheinende hirngespinste ohne materielle basis; un-
günstig aber würkt in allen fällen das polemische hervortreten des
herausgebers gegen sachliche kritik. vollständige Zurückhaltung und
stricte objectiviiät sollte sich jeder herausgeber einer derartigen
Zeitschrift zum grundsatz machen, von Heilig, Lenz und der
rühmlich bekannten Verlagshandlung dürfen wir uns wol in dieser
hinsieht des besten versehen.
A. ¥. Ü. A. XXVI. 7
90 HETLIG U>D LENZ ZEITSCHRIFT FÜR HOCHDEUTSCHE MUISDARTEIf
Weon wir duo im folgendeo kurz auf den iohalt dieses
ersten doppelheftes eintreten, so erachten wir es als pflicht der
kritik, vorwiegend auf diejenigen puncte aufmerksam zu machen,
die einer allfälligen Verbesserung bedürften.
Die beiden ersten artikel bringen uns eine tabellarische über-
sieht der verbalformen von Grofsen-Buseck bei Giefsen von Emma
Wagner und Wilh. Hörn und eine ähnliche des Handschuhs-
Weimer dialekts von Ph.Lenz. e\n besonders charakteristischer
unterschied zwischen beiden mundarten ligt im präteritum, indem
die Grofsen-Busecker mda. die alte unumschriebene form noch
besitzt, während in der Handschuhsheimer mda. der präteritale be-
griff mit 'haben' ausgedrückt wird, das ist wol auch der grund,
weshalb die erstere im grofsen und ganzen interessantere formen
aufweist, aufgefallen ist mir hier nur die Verwendung von /.
soll damit ein andrer laut bezeichnet werden als der stimmlose
palatale reibelaut (ich)^ der in der vorschriftsgemäfsen transscrip-
tionstabelle (s. 7) mit c widergegeben ist? wenn ja, so hätte in
der einleitung etwas über dieses zeichen gesagt werden müssen;
ebenso über a, das in der lautschrifttabelle merkwürdigerweise fehlt.
Interessant ist ein aufsatz Horns über einige f^Ue von
dissimilation , ein capitel, das verdiente, weiter verfolgt und auf
grund eines umfänglichen materials noch mehr präcisiert zu wer-
den, manches ist hier noch fraglich und zweifelhaft, indem be-
stimmtere gesetze fehlen, in erster linie wäre zu beachten, unter
welchen accentverhältnissen die Veränderung stattfindet; ist es
doch nicht gleichgiltig, ob dissimilation unter hauptton, nebenton
oder unbetonlheit eintritt, ferner zeigen oft die ersten bestand-
teile eines composilums trotz ihres ursprünglichen haupttons eine
reduction. hierher zb. schloweifs, kawasser (käswasser), weiterhin
Schwab, bofink (buchfink), bern. sumeist9r (Schulmeister) usw. —
inconsequent ist die anwendung des zeicheng j bei nei^wa^, da
dasselbe nach der transscriptionsvorschrift den stimmhaften Ve-
laren reibelaut bedeutet, gemeint ist natürlich ^.
Weniger angesprochen haben uns die beiden aufsätze von
OWeise 'Die zahlen im Thüringer volksmunde' und ''Theekessel
(tölpel) und verwantes'. der erstere, weil seine belege denn doch
etwas gar spärlich ausgefallen sind, wie kann man überhaupt
eine abhandlung über zahlen im volksmunde schreiben, ohne die
Volkskunde in ausgedehntem mafse beizuziehen? die erklärung
von Theekessel = HOlpei' aus dem begriff des bohlen scheint mir
gesucht, nach Kluge Studentensprache s. 130 ist theekessel ^eiu
einfältiger mensch^ der nicht gern mitmacht', dieser letztere
begriff ist offenbar der ursprüngliche, und da nun der theekessel
ein specifisches hausgefäfs ist, das sich kaum in studentische
kreise verirrt, so ist er auch zum symbol des hausbackenen,
philiströsen geworden, ganz ähnlich braucht man in der Schweiz
^nachtstuhV i. s. v. philister, leimsieder. — zu der redensart tm
BEILIG ÜKD LENZ ZEITSCHRIFT FÜR HOCHDEUTSCHE MUNDARTEN 91
ihran sein Cbetrunken seiu') vergleiche man mecklenburgisch tVl
fett sin.
Ober den Wortschatz eines erzgebirgischen chrouislen (MChrLeh-
maon Historischer Schauplatz 1699) berichtet unsEGüpfert. an
eine kurze sprachliche Charakteristik wird ein sorgfältig ausgear-
beitetes alphabetisches Wörterverzeichnis angeschlossen, das uns
ein anschauliches bild gibt von der starken durchsetzung mil
mundartlichen dementen, wie sie in denkmälern des 17 und
18 jhs., die einen local begrenzten leserkreis voraussetzen, noch
häufig vorkommt, manches dabei ist freilich allgemein Schrift-
deutsch {verrecken, schadhaft, schaube uam.) und hätte füglich
wegbleiben können.
A Hol der verbreitet sich über die berechtigung der stammes-
lilteraturgcschichte, besonders auch der volksmundartlichen, dass
die mda. das recht hat, sich poetisch zu betätigen, wird niemand
bestreiten, nur kann ich ihr unmöglich die hohe litterarische be-
deutung beimessen, wie H. es tut. die wenigen Schriftsteller, die
würklich bedeutendes in der mundartdichtung geleistet haben,
verdanken ihre erfolge vorzugsweise der einsieht, dass nur ein
ganz beschränktes gebiet der poesie der mda. zugänglich ist; die
grofse masse aber der mundartlichen lilteratur ist übersetztes
Schriftdeutsch und nichts weniger als ^stammheitlich' empfunden,
sie ist nicht einmal für ein idiotikon, geschweige denn für die
Volkskunde verwertbar.
S. soff veröffentlicht KR ied er einen mystischen tractat aus
dem kloster Unterlinden zu Colmar, von dessen lautstand nur ge-
sagt wird, dass zuweilen b für w eintrete, es wäre zu wünschen^
dass ältere Schriftwerke stets von einem kurzen grammatischen
commentar begleitet wären.
Den schluss bilden sprach probeu und texte, zunächst
einige kurze stücke aus dem Markgräflerland von AHaass mit
sorgfälliger transscription, dann badischc anekdoten von 0 Heil ig
und endlich schwäbische Sprichwörter und redensarten mit Meute',
*mann', 'weih' von Wünseld. diese letztern drei gruppen wer-
den als 'texte' qualificiert und sind nicht, wie die 'sprachproben',
cursiv gedruckt; auch ist die transscription keine streng pho-
netische.
Ein wort noch über die lautschrift^ wie sie s. 6ff vor-
geschrieben wird, im allgemeinen bin ich mit der einfachheit
derselben völlig einverstanden; nur darf man darin nicht zu weit
gehn. so vermiss ich, wie bereits bemerkt, das dunkle ä; auch
seh ich nicht ein, warum die nasalierung des vocals vor nasal
unbezeichnet bleiben soll, da sie ja doch für manche obd. mdaa.
geradezu charakteristisch ist; und schliefslich wollen mir die gründe
für die graphische unterschiedslosigkeit von stimmhaftem und
stimmlosem b, d, g nicht recht einleuchten, ich habe, als im
april 1899 der erste prospect der Zeitschrift an mich gelangte.
92 HEILIG UND LEiNZ ZEITSCBAIFT FÜR HOCHDEUTSCHE HCJIDARTEI«
auf diese inconsequeDZ aufmerksam gemacht und bin nocli heute
der meiDung, dass diese verscliiedenheit phonetisch gekennzeichnet
werden sollte, ähnlich verhält es sich mit dem stimmhaften 8, für
das die lauttabelle auch kein eigenes zeichen vorgesehen bat.
Dies einige bemerkungen, die man nicht als nOrgeleien auf-
fassen wolle, es lag mir daran ^ durch einige principielle aus-
fohrungen und wohlgemeinte bessern ngsvorscbläge mein interesse
an dem trefflichen unternehmen zu bekunden, möge es einen
gedeihlichen fortgang nehmen.
Wenn wir auch an den Verleger noch einen wünsch richten
dürfen, so war es der, die erscheinungsweise der Zeitschrift auf
dem Umschlagtitel zu nennen und im innern des Umschlags eine
notiz über den inhalt des betreffenden heftes, den preis und die
einsendungsbedingungen anzubringen.
Zürich, 15 februar 1900. C. Hoffmann-Kbatbr.
Der germanische himmelsgott. von R. Mugh. [sonderabdrack aus Abhand-
lungen zar germanischen philologie, festgabe für Richard Heinzel,
s. 189—278.] Halle a. S., MNiemeyer, 1898. 90 ss. gr. 8». — 2,50 m.
Als Bremer in den Idg. f. 3, 301 f die gleichung Ziu Tyr ^^
Zevg bestritt, erklärte er, zugleich mit dieser etymologie schwinde
die ganze lehre von dem einstigen himmelsgotte *Ttu und seiner
entthronung durch Wodan, dass diese folgerung nicht zutrifft,
will Much in der vorliegenden schrift zeigen, er hält zwar, mit
recht, den lautlichen Zusammenhang zwischen Ziu und Zeus nicht
für widerlegt -^ seinem hioweis auf Kugel Litt.-gesch. i 1 , 14
wäre besonders noch die zweite stelle ebda i 2, 523 beizufügen — ,
aber er will herkunft und bedeutung des namens aufser spiel
lassen, um auf andern wegen die bedeutsame HOllenhoffsche
hypothese zu festigen.
Seine Wanderung lässt kaum einen wichtigeren teil der ger-
manischen gOlterlehre unberührt; auch fragen der heldensage, der
Völkerkunde, der archäologie werden gestreift, überall streut M.
verschwenderisch seine combinationen aus : manche dBvon be-
tracht ich als glückliche erweiterung oder berichtigung der
herschenden ansichten; die meisten regen zu ernstlicher prQfung
an; einige von denen, an die M. im gründe selbst nicht glaubt,
hätten den druck nicht verdient, so die Verbindung von deixl mit
Plhsaz s. 194 (sollte nicht auch mnl. dijsdach eine mischform
von Tis- und Dings- sein, wie md. diestag, hd. zinstagl); die
meinung, Fiorgunn, auf an. fior usw. bezogen, könnte 'weltgott'
bedeutet habeu s. 207; die frage, ob in mundartlichem domsiag
ein keltischer Taranus stecke s. 22S.
W^enn man sich nach der fülle von gesiebten, die M. herauf-
beschworen hat, dem zu anfang gezeigten ziele zukehrt und sich
fragt : kann nun ein germanischer himmelsgott *Tiwa% (ts^^deivos)
als gesichert gelten? so würde ich die frage nicht lu bejahen
*
MUCU DER GEnSlAMSCHE HIMJIELSGOTT 93
wageo. als erwiesen hetracht ich : 1) dieser gott ist einst nicht
nur kriegsgolt gewesen, 2) er erscheint an einzelnen, puncten als
höchster goit. aher dass er der himmelsgott im eigentlichen,
naturmylliischen sinne gewesen sei, und dass Odin, so wie wir
ihn aus der nordischen dichtung kennen, erkleckliche Züge ge*
rade von T^ geerbt habe, diese annähme scheint mir nicht mehr
notwendig; hierfür wäre der aosatz "^Tiuz ^ Zevg nach wie vor
unenlbehrlich. auch M. bemerkt s. 254, dass der höchste gotl,
dessen thron Odin einnahm, nicht überall Ty sein muste; dass
es zb. auch Frey gewesen sein kann, anderwärts scheint Thor
als höchster gott dem Odin vorangegangen zu sein, für die an-
nähme aber, dass auch Frey und Thor ihrerseits erst einen altern
götterherscher entthront hätten, fehlt uns doch der anhält; und
die forderung, dass es aufscr dem Sonnengott, dem gewittergott,
dem kriegs- und gerichtsgolt, die wir, den einen hier, den an-
dern dort, an höchster stelle als vorgüuger des windgotles ahnen,
noch einen germanischeu himmelsgott ungefähr von der art des
griechischen gegeben habe, entbehrt des festen grundcs — immer
abgesehen von der etymologie *Dieus,
Für M. stellt sich nämlich die Sachlage wesentlich anders
als für Mogk und Golther^ dadurch dass er Frey, Heimdall, Baldr
von dem himmelsgotte trennt und in ihnen eine besondre gruppe
der sonnen-, sommer- oder naturgottheiten erblickt, es bildet
dies ein hauptthema seiner abhandlung. mir ist diese auffassung,
die auf viele einzelfragen einfluss übt, durch M. wahrscheinlich
geworden, eine gegnerschaft allerdings zwischen diesen Sonnen-
göttern und dem himmelsgott kann ich in germanischen qu.ellen
nirgends erkennen : der Vanenkrieg bietet zu wenige vergleichs-
puncte mit dem kämpf der Kroniden und Titanen dar (s. 273X
und Hod : Baldr mOcht ich nicht neben Zeus : Phaethon stellen
(s. 274), sondern zu dem typus finsternisdämon : lichtgott. auch
würde man nach der parallele Heimdall : Loki, Frey : Surt (Apollo:
Typhon) als gegner des Fenri nicht sowol den T^ (s. 222) als
einen aus der Vanengruppe erwarten, wenn es überhaupt geraten
wäre, in diesen einzelheiten der epischen ausgestaltung eine na-
turmythische folgerichtigkeit zu suchen.
Auch ein paar weitre spuren des himmelsgottes halt ich für
trügerisch, bei der Fomeötes folme hat gewis JGrimms hinweis
auf die abgerissene band Grendels (Mylh. i 199) den vorzug vor
der gleichsetzung mit der abgebisseneu band T^fs (s. 224). die
beziebung von heklumair auf den himmel ist abzuweisen, der
dunkle mantel (über bidr vgl. Arkiv 9, 189) konnte nur auf die
wölke gehn; und bei Siihottr würd ich an IM.s stelle eher an
den petasos des windgottes Hermes erinnern, für die annähme,
dass Wodan auch als herscher der totenhalle einen altern abge-
löst habe, dürfte das s. 266 fr ausgerührte nicht genügen.
Wenn M. Loki und Wodan ebensowenig wie Frey und ge-
94 &1UCH DER GERMAMSCHE HIMNELSGOTT
nossen als ausflüsse des himmelsgottes gelten l<isst und s. 251
bemerkt : 'welchen anlass halten wir, für die urzeit einen solchen
monotheismus vorauszusetzen?', so stimm ich ihm rückhaltlos
bei. in der tat trägt man bedenken, da mit hyposlasen zu operieren,
wo die verglichenen götterlypen ihrem ganzen poetisch-malerischen
bilde nach so ungeheuer verschieden sind wie Loki, Wodan und
der vorauszusetzende himmelsgoir. aus demselben gründe zögert
man, die kerngestalt des Thor aus dem Tiu abzuleiten. Muchs
versuch in dieser richlung, s. 227 ff, vermag, bei vielem an-
sprechenden und geistreichen im einzelneu, nicht recht zu über-
zeugen, er geht davon aus, dass Tlwaz, der germanische Zeus,
die blitzwatfe besafs (s. 227); ferner dass ^FerhSnaz-Fiorgunn ein
beiname des himmelsgottes war (s. 204 ff. 230). da nun lit.
Perkünas, slav. PerunU^ die M. als entlehnungen aus dem germa-
nischen fasst, auf einen donnerer hinweisen, entsteht für M. die
frage (s. 230), *ob hier ein alter beiname des donnernden himmels-
gottes auf den neugeschaffenen selbständigen donnergott übertragen
worden war, was möglich ist, oder ob die Goten letzteren etwa
gar nicht kannten und die befugnisse des Tyr und Pörr noch
in einer band vereinigt liefsen'. beide annahmen scheinen mir
entlegener als die einfache gleichstellung von *Ferhunaz und
*Punraz. hiermit liefse sich die bedeutung ^peraltus', die M. für
*Ferhunaz vorschlägt, wol vereinigen, ebenso die weibliche Fiorgyn
als mutter Thors, — wogegen freilich der männliche Fiorgynn
in seinem Verhältnis zu Frigg unklar bliebe, darauf, dass die
Goten den fünften Wochentag nicht nach *I^unraz benannten (?gl.
bair. pfinztag), wird M. selber kein gewicht legen wollen (s. 231);
denn es böte sich hier dieselbe erklärung dar wie bei dem schwä-
bischen aftermcentig (s. 253) : *ist hier der name eines besonders
angesehenen gottes mit absieht unterdrückt?' indessen wissen
wir ja gar nicht, ob die Goten neben dem ^fünften tag' die
übrigen Wochentage nach den göttern benannt haben.
Die abspallung des donnerers vom himmelsgott, sagt M.
s. 230; muss der erhöhung des windgottes vorausgegangen sein,
dies steht aber der meinung entgegen, dass der *Mars' der Germ,
c. 9 noch den Tiwaz -{- den donnergott umschlossen habe (s. 231),
weil Mercurius hier schon als höchster auftritt. — was Thors
waffe anlangt, so lehnt es M. mit recht ab, dass uns das wort
*hammer' in die Steinzeit zurückführe, aber die grundbedeutung
'stein', vorausgesetzt, dass sie richtig sei ^ nötigt uns überhaupt
nicht, den hammer Thors, den litterarischen Zeugnissen zuwider,
^ man beruckslctitige, dass an. hamarr nicht 'stein' schlechthin und
als material bedeutet, sondern ^klippe, felszacke' u. ähiii. (auch in dem ersten
der belege bei Fritzner s. v.). GVigfüsson übersetzt geradezu *a hammer-
shaped crag, a crag standing out like an anvil', indem er die bedeutung
'malleus' als die ältere nimmt, aber auch wenn sie die jängere ist, kann
bei der benennung des gerätes seine form das bestimmende gewesen sein.
HUCH DER GERMAMSCHE BIHIIELSGOTT 95
steioerD zu denken, wenn das mythische gerät erst aus einer
zeit herrührt, wo der menschliche hammer vorwiegend metallen
war, hatte man auch bei dem göttlichen keinen anlass, an stein
zu deoken. M. glaubt allerdings, aufgefundene Werkzeuge aus der
Steinzeit — die man bekanntlich oft als blitzsteine deutete —
hätten die Vorstellung von Thors hammer erst erzeugt, natür-
lieber finde ich die auffassung, wie sie zb. in Saxos worten Hgt
(1. im p. 630) : cupiens enim antiquitas tonitruorum causas usitata
rerum similitudine comprehendere , tnalleos, quibm coeli fragorts
citri credebatf ingenti aere complexa fuerat, aptissime tantae sonori-
tcUi$ vim machinarum fahrilium specie imüandam existimans, nicht
der optische eindruck des blilzes (s. 231), sondern der akustische
des donners führte auf den hammer, wie ja überhaupt die naive
anschauung im douner nicht die unschädliche begleiterscheinung
des blilzes erfasst.
M. vergleicht sehr viel aufsergermanisches, nicht nur bei
wortverwantschaft, sondern auch bei inhaltlicher ähnlichkeit. von
der frühern, längst in miscredit geratenen mythenvergleichung
unterscheidet sich das verfahren dadurch, dass nicht urverwantschafi,
soDdern spätere Wanderung angenommen wird, bei der parallele
Gefion : Dido erwägt M. phönikischen einfluss, vermittelt durch
die Kelten (s. 265). — angesichts der im kunslhandwerk hand-
greiflichen steten Verbindung des nordens mit dem Süden ist es
klar, dass man sich nicht auf die zwei factoren, urverwantschaft
und späte lilterarische zufuhr, beschränken darf; es gibt ein
breites gebiet zwischeninne. M. bringt diesen standpunct, der
sich schon in verschiedeneu bezirken heilsam geäufsert hat, für
die germanische gOttersage nachdrücklich zur geltuug. wieweit
die nahe Übereinstimmung zwischen keltischer und germanischer
religion stich hält, darüber möcht ich mir kein urteil erlauben,
die griechische mythenweit, so häufig sie von M. herangezogen
wird, zeigt gerade in der ausgestaltung der grofsen götter mehr
unterschiede als gleichheit — obwol man sichs auf dem boden
der neuen entlehnungstheorie viel bequemer macht und das irgend
vergleichbare heraushebt, ohne erst fragen zu müssen, ob es wol
in die vorgriechische zeit zurückreiche, wie ungleich sind die
hauptrollen verteilt I wie unvollkommen deckt sich ein einzelner
germanischer gott mit einem einzelnen griechischen! wird nicht
einer interpretatio graeca zuviel zugemutet, wenn M. aus dem
Zeugnis Herodots v 7 über ^Hermes' bei den Thrakern kurzweg
folgert : Wodan sei mutalis mutandis bei den Thrakern nachge-
wiesen (8.268), Kellen -Germanen -Thraker hätten hier eine ge-
meinsame entwicklung vollzogen (s. 253)? man müste doch
wissen, welche züge des griechischen Hermes bei dem thrakischen
gott widerkehrten.
Ich habe noch das allgemeine bedenken, dass M. das der
entlehnung verdächtige gut zu viel als naturmythisch -religiösen,
96 MUCH DER GERMANISCHE HIUMELSGOTT
ZU wenig als märcheohaft- novellistischen Stoff behandelt ^ vgl.
8. 246 ff : wegen der Ähnlichkeit Bpdvild : Athene soll die erst-
genannte eine germanische kriegsgOttin sein; s. 217 : bei der be-
Ziehung des einhändigen T^ zu dem keltischen Nuada, Nudd soll
es sich um einen ^austausch heidnischer religiöser Vorstellungen'
handeln, der nur in urgerroanischer zeit in Deutschland erfolgt
sein könne, auch glaub ich, dass M. in den vorliegenden littera-
rischen quellen zu viel mythisch-deutbares sucht s. 272 soll der
tod Ulfhedins Fms. iii 183 in dem tode Freys ein gegenstUck
haben, in der erzählung der Völsungasaga c. 1 von Liöd mit
dem apfel werden andre ein roärchenmotiv sehen, das mit costüm-
stucken aus der isländischen mythologischen aberlieferung aus-
staffiert ist : M. entwirft eine uraltertümliche grundform und ver-
gleicht KoQfüvLg^ die mutter des Asklepios, und eine phry^ische
phallische sage (s. 275). der Stammbaum Forniöts (Fas. n 3), der
mir wie ein richtiges Zerrbild echt -mythischer fabel vorkommt,
wird s. 224 auch wider zu einem kühnen Schlüsse benutzt, die
deutung der germanischen mythen ist hinter der der griechischen
so unendlich im nachteil, weil wir von gottesdienstlicher Über-
lieferung nur ärmliche reste haben, die bildende kunst fast ganz
mangelt und blofs das dritte und undeutbarste, die unterhaltungs-
litteratur, reichlicher vorbanden ist.
Da sich die abhandlung auf einem so viel bearbeiteten felde
bewegt, kommt sie oft in die läge, bekannte beweisstücke und
hypothesen kritisch sichtend vorzunehmen, und in diesen teilen
ligt nicht zuletzt ihr verdienst, man muss wünschen, dass der
Verf., der im wesentlichen als sprach- und mythen vergleicher
vorgeht, auch fernerhin sein ausgebreitetes wissen und seine
glänzende combinalionsgabe der germanischen götterlehre zu gute
kommen lasse : die mehr in der litteraturgeschichte wurzelnde
betrachtung wird immer viel von ihm zu lernen haben.
Berlin, 9 october 1899. Andreas Heosler.
Yule and Gbristmas. their place in Ihe Germanic year. by Alexander Tille,
ph. d. lecturer In German language and literature in the unversity
of Glasgow. London, David Nutt, 1899. 218 ss. 4^
In ururzeiten haben die Indogermanen ein zweigeteiltem Jahr
gehabt, in Urzeiten haben sie dann von Ägyptern oder Seititen
ein sechsteiliges übernommen, ohne aber deswegen das urui^tt-
liche aufzugeben, dies, wenn ich den autor recht versteh, d^r
inhalt des 1 capitels. worauf gründet sich nun die zweiteilM
des ururjahres? auf Schraders schrift Die älteste Zeitteilung ibf
idg. Volkes (Samml. gemeinverständl. wissenscbaftl. vortr. xiii 2v|*
Berlin 1878). in desselben verf.s Sprachvergleichung und urg*
schichte (Jena 1883) s. 58 hätte T. bereits einen verschämten rüc.^
^ in stärkstem gegensatz dazu steht vdLeyen (Das märchen in de
göttersagen der Edda, Berlin 1899), der zugleich die entlehnungen tu eii
ganz späte periode verlegt.
&
TILLE TULE AND CHRISTMAS 97
zag fiodeD kO , J( eine Unterscheidung aDgeoommen wird
^UDächst zwischen dem schneereichen winter und einer freund^
licheren Jahreszeit, die wider vielleicht schon frühzeitig, in einen
Vorsommer (lat. ver^ griech. €a^ etc.) und einen hauptsommer
(ahd. iumar^ altkymr. Aam, zend Aama : skrt. sdmd halbjahr^)
geteilt gedacht wurde', factum ist, dass wir 3 jahreszeitennamen
Qberliefert haben : daraus auf eine Zweiteilung zu schliefsen, ist
kühn (s. Schmidt Urheimat d. Idg. 22 ff), ich möchte auch nicht
auf eine dreiteilung schliefsen, obwol sie möglich ist, so gut wie
eine zwei- oder vierteilung, wenn die vierte Jahreszeit etwa in
jedem gau des Indogermanenlandes einen andern namen führte,
'dann müste man auch aus dem fehlen einer gemeinidg. bezeich-
nung der milch folgern, dass < alten Idg. nicht mit muttermilch
gesäugt wurden' (Kretschmer E ni. in d.gesch. d.griech. spräche 68).
so steht die ururzeitliche zweit< ilung auf schwanken fttfsen. wie ver-
hält es sich nun mit der in der urzeit entlehnten sechsteilung? sie
soll bewiesen werden: 1) durch die altindische Jahresteilung; diese ist
aber gewis nicht altertümlichei als etwa die 6 Jahreszeiten des Thu-
kydides (s. Unger in Müllers handb. d. class. altertumswissenschaft
I 562) : schon Schrader hat in erstgenannter schrift (s. 22) darauf
hingewiesen, dass der Rigveda aur 4 Jahreszeiten kennt. 2) durch
die germanische, hier wird e sechsteilung erschlossen aus der
ungeschickten Verdeutschung je zweier (aber auch dreier I) römi-
scher monatsnamen durch einen deutschen : überliefert ist die
sechsteilung in alter zeit nirgends, da haben wir wol auch auf
ein doppeltagsystem in der woche zu schliefsen, weil Sonnabend
und Sonntag im gründe den gleichen namen führen und auf ein-
ander folgen, und dienstag im Augsburgischen a/]r«rm^n;t(7 heifst^?
vor der annähme der Grimmschen Zusammenstellung von juleis etc.
mit dem cyprischen iovXalog hätte T. schon das ags. geohhoU
das doch nicht davon zu trennen ist, bewahren sollen, da es auf
hw , gw im inlaut weist (Zupitza Die german. gutturalen s. 64).
die andern von ßeda überlieferten ags. monatsnamen will er
ebenfalls aus einer nicht-arischen spräche herleiten: es ist ihm
aber wol selbst nicht ernst damit, denn er gibt durchaus keinen
fingerzeig, wie er das anfangen will, aus der Zweiteilung und
der sechsteilung soll sich nun eine dreiteilung (in drei grofs-
hunderte von tagen) auf unbekanntem wege entwickelt, alle drei
jabreinteilungen aber immerwährend noch nebeneinander exi-
stiert haben, auch diese letzte entwicklung muss wol noch in
vorgeschichtlicher zeit stattgefunden haben, da Griechen und
Germanen sie teilen, was nun die Griechen anlangt, so haben
diese, wie mir scheint, immer 4 Jahreszeiten gehabt, die zu
Homers Zeiten noch ungleiche Zeiträume bezeichneten, was später
[» vgl. indessen die 2 aufl. (1890) s. 436. E. Sch]
' Kluge Etym.wb.^ 367 gibt an skr. «aiTi^ jähr; genau zu «timar stimmt das
firmen, amam, gen. amar-an (Brugmann Grundr. i^ § 232). ^ Kluge aao. 77.
98 TILLE TULE AND CHRrSTMAS
als slürend emprunden wurde, so dass sich aus seiner onwga^
die schon ende Juli begann, die unserem herbst entsprechenden
f^BTonwQov und q>d'Lv6n(jjQov entwickelten, der name OTiciga
sieht ja treilich nicht sehr alt aus, aber ebenso w.enig ist ^igog
für den sommer alt und doch der begriff schon gemeiniodo-
germanisch, wie von keiner seite geleugnet wird, mehr schein
hat die dreiteilung des Jahres bei den Germanen. Tacitus be-
richtet, die Germanen (dh. die Germanen^ von denea ihm sein
gewährsmanu nachricht gab) hätten keinen namen für den herbst
gekannt, ich sehe keinen grund an dieser angäbe zu zweifeln,
daraus schliefst er, dass sie auch den begriff nicht gehabt haben,
und T. folgt ihm darin, was er zur Unterstützung vorbringt, ist
aber schwach : es hätte nur 3 Volksversammlungen (und damit
im Zusammenhang 3 mret- und zinstermine) im jähr gegeben —
ja, wo steht denn, dass in jeder Jahreszeit eine gehalten werden
muste? und der schluss des Tacitus ist wol naheliegend, aber
durchaus nicht berechtigt : nach verschiedenen analogien kann ich
mir sehr wol denken, dass seine Germanen 3 Jahreszeiten mit
namen bezeichneten, die vierte aber nur ^von mittsommer bei
Wintersanfang' benannten, die Norweger hatten nur für 4 monate
eigentliche namen, dann zählten sie weiter : 1 und 2 frühling-,
1 und 2 sommer-, 1 und 2 herbst-^ 1 und 2 wintermonate.
mischung von benamung und namenlosigkeit bei einteilungen
kommt mir durchaus nicht unwahrscheinlich vor. wo ich hin-
sehe, find ich eigentlich nichts als unsere 4 Jahreszeiten, meist
mit stärkerer betonung zweier darunter, der heifsen und der kalten,
was auch unserem modernen gefühl nicht widerspricht.
So steht dieses erste capitel in der lufl und mit ihm die
andern, die darauf gebaut sind, das altgermanische jähr werden
wir uns wol nach Bilfingers bezeichnung (Untersuchungen fuber
die Zeilrechnung der allen Germanen i. Das an. jähr. Stuttgart
1899) als ein 'naturjahr mit mondmonaten' vorzustellen haben,
ob es einen auf den tag bestimmten anfang hatte, ist mir ganz
zweifelhaft : man rechnete wol vom eintritt der kalten Jahreszeit
bis zum widereintrilt derselben, die monateinteilung ist davon
nur insofern abhängig, als man mit dem nach beginn des neuen
Jahres fallenden neumond dieselben frisch zu zählen beginnt, doch
muss der Jahresanfang nicht auf einen neumond fallen und kann
die zahl der monate innerhalb eines Jahres zwischen 12 und 13
schwanken, aufserdem geht T. von der falschen Voraussetzung
aus, dass die Germanen 'purely nomadic cattle-keeping tribes' ge-
wesen seien 'at the dawn of history', eine Voraussetzung, die mir
durch Muchs aufsatz 'Waren die Germanen wanderhirten ?' (Zs. 36,
97 IT) endgültig abgetan scheint, ja die wol nicht einmal für die
Indogermanen zutrifft, da die alte anschauung, als wäre die aus-
schliefsliche Viehzucht ein notwendiges vorstadium des ackerbaues,
doch einmal aufgegeben werden sollte (vgl. Grofse Die formen
TILLE TULE ADD CHRISTMAS 99
der familie s. 29, Bücher Die iivirlschaft der naturvölker s. 8fT).
die deutUDg eines einzelnen calenders aus dem 14 jh., wie des
von T. s. 21 angeführten Xanteuer, kann natürlich nicht ohne
genaue erforschung des ganzen zugehörigen materials in der ge-
wissenhaften weise Bilfingers gegeben werden; doch zeigen schon
die daten 11 nov., 13 Jan., 17 m!lrz, 12 roai, 12 Juli, 17 sept.,
dass wir es mit einem durchaus christlichen calender zu tun haben,
der den Wintersanfang (und damit allerdings nach volkstümlicher
weise den Jahresanfang) auf den Martinstag festgelegt hatte, dann
aber nach der doch natürlich nicht germanischen 7 tägigeu woche
weiter rechnete: denn zuerst kommen 2x9 wochen, dann 2X8
Wochen mit einem sumarauki von 5 tagen, die setzung des 17 Sep-
tembers als grenzscheide zwischen den beiden übrigen abschnitten
erklärt sich wol am leichtesten dadurch, dass in dem jähre, für
das der calender bestimmt war, der herbstquatember (di. der
mittwoch nach kreuzerhöhung) wie in den jähren 1315 und 1326
innerhalb des 14 jhs. (Grotefend Handb. d. bist. Chronologie s. 123)
eben auf diesen tag fiel, worauf die sechsteilung dieses Jahres beruht,
vermag ich nicht zu sagen; jedesfalls haben wir in einem solchen
späten, complicierten, durchaus christlichen calender nichts be-
sonders ursprüngliches zu suchen.
Die deutung des von Tacitus Ann. i 50 erwähnten festes der
Marsi auf das winteranfangsfest (s. 24 ff) geht von der Voraus-
setzung aus, dass die Germanen nur jahreszeitenfeste gekannt
hätten; richtiger ist es wol (vgl. EHMeyer Germ, mythol. 288,
MüUenhofT Zs. 23, 24 IT) auf das fest der gleich nachher erwähnten
göttin Tanfana gedeutet worden, die erste erwähnung des Martins-
festes bringt vielmehr das concil von Auxerre (573 — 603; vgl.
Gröber Zur Volkskunde aus concilieubeschlüssen und capitularien.
KWeinhold zum 26 october 1893, nr 4. 5. 18), welches allerhand
abergläubische gebrauche an den Vorabenden der heiligentage,
besonders aber des Martinstags, ebenso wie (can. i) die am neujahrs-
tage, und so wie (can. xi) die schmausereien in der Weihnacht
und osternacht untersagt, daraus ist nichts zu schliefsen, als
dass Martin ein in dieser diöcese besonders hoch verehrter heiliger
war. dass diese Verehrung später nicht auf Südfrankreich be-
schränkt blieb, wissen wir allerdings, wann in einer gemeinde
geschlachtet wurde, hieng natürlich vor allem von wirtschaftlichen
gründen ab : jede solche allgemeine Schlachtung wurde aber als
ein fest begangen, und ein teil des geschlachteten gehörte den
göttern. so erklärt es sich, dass die Schlachtfeste und mit ihnen
die opferfeste auf verschiedene daten fallen, dass in England der
hUtmönath der november, in Schweden der october ist, ebenso
wie in Island der gormanadr^ während in Deutschland der schlackt-
mant da und dort bis zum december herunterrückt (vgl. Jahn
Die deutschen opfergebräucbe 251 f). aber das datum der Schlacht-
feste ist gewis nicht von cultlichen erwägungeu, sondern von
100 TILLE YDLE AND CHRISTMAS
ökonomischen bestimmt und der cullus umgekehrt {eitlich von
ihnen abhängig, wie ja T. selbst (s. 64fr. 72) sehr hOhsch an-
führt, das hat ursprünglich wol weder etwas mit einem auf den
tag fixierten Wintersanfang noch mit Martinstag zu tun, hat aber
natürlich in jenen gegenden^ wo das grofse schlachten mitte
november stall fand, auf die art der festlichkeiten des Martinstags
eingewürkt. ebenso sind auf dasselbe die ursprünglich gewig auch
nicht auf einen tag fixierten, nach beendung der Wintersaat zur
abwehr der dämonen (kaum zur Verehrung der gOtter) angezün-
deten feuer verlegt worden.
Ob diese Verschiebung der Wintersaat- und der schlachtfest-
bräuche der festsetzung des ehemals wandelbaren winter- und
Jahresanfangs durch die kirche auf Martini vorangegangen oder
nachgefolgt sind, wüste ich nicht zu sagen, aber durch die
kirche ist es natürlich geschehen, und die Westgoten haben es
durchaus nicht, wie T. (s. 36) meint, nach Spanien mitgebracht,
sondern aus Südfrankreich aus erster band empfangen, dass der
tag- und nachtgleiche bei der bisherigen speculation über den
germanischen calender ein zu breiter Spielraum gelassen wurde,
glaub ich T. gerne; dass aber dieser begriff den Germanen erst
aus den gelehrten kreisen zugänglich gemacht wurde, scheint mir
unglaublich : dagegen spricht schon der jedesfalls sehr alte, mit
einem kaum belegten simplex componierte ausdruck sungiht^ welcher
ebenso wie sunnewende keinesfalls blofs Übersetzung von solstüium
ist, da dieser das stillstehen, jene ausdrücke aber das sich-wider-
in-bewegung-setzen der sonne bezeichnen, da auch wende hier
nicht die änderung, sondern das einschlagen einer richtung meint,
und dän. solhverv heifst natürlich das gleiche und nicht Hhrowing
of Ihe sun' (s. 75).
Welche gründe die katholische kirche bewogen, gewisse fest-
liche gebrauche und schliefslich das fest allerheiligen in den anfang
des november zu verlegen, kann hier nicht untersucht werden:
doch sind die beschlösse südfranzOsischer synoden und römischer
päpste wenigstens kein voller beweis für das basieren auf germ.
cult, da die anknüpfung an antike brauche, über die wir ja leider nur
sehr fragmentarisch unterrichlet sind, mindestens ebenso nahe läge.
Das dogma vom ursprünglichen monoiheismus der Germanen,
zu dem sich auch T. (s. 77) bekennt, fängt an gefährliche dimen-
sionen anzunehmen, spukt nicht noch die alte Vorstellung da-
hinter, dass die ersten menschen furchtbar gescheit gewesen sind,
so gescheit wie wir selbst, dass sie dann degeneriertea, bis die
Offenbarung sie endlich wider emporhob? halb schüchtern wird
ein weibliches princip neben dem männlichen zugegeben, am
consequentesten hat Mogk diese lehre ausgebildet : alle götter
sollen hypostdsen des einen Tiwaz sein, gerade diese consequenz
der durchführung wird mit der zeit wol manchen die äugen dar-
über öffnen, dass man hier ^auf einer schiefen ebene unaufhaltsam
TILLE YÜLE AKD CHRISTMAS 101
hinabgleite' (Usener GötternanieD 275 f). so ist schon Much
stutzig geworden, ohne aber von dem princip sich lösen zu können :
er hat nur (Der germanische himroelsgott. Abh. z. germ. philol.
festgabe f. Rfleinzel s. 189 iT) für eine gruppe von göttern» bei
denen die hypostasenmethode allzu auffällig ins unwegsame ftlhrte,
entlehnung von den Semiten angenommen i. aber so kommt
man nicht weiter : man muss mit dem princip brechen, wenn
selbst Tiwaz der einzige überlieferte name ist^ so muss es darum
nidit der einzige überlieferte gott sein, ebenso leicht wie in
urgermanischer nehm ich in indogermanischer zeit hypostasen
an. eines der idg. Völker mag den eigentlichen namen, alle
andern nur die beinamen des gottes erhalten haben, ebenso wie
nur die Skandinavier uns den alten namen des frühhngs bewahrt,
die andern Germanen ihn durch eine neubildung ersetzt haben.
80 könnten Indra und Thonaraz (ich will es damit nicht gerade
von diesen beiden behaupten) schon einen idg. besondern donner-
gott repräsentieren, andere götter haben sich wieder sicher nicht
aus hypostasen eines gottes entwickelt, sondern sind aus der
namenlosen menge der dämonenheere aufgetaucht, wie etwa die
hebräischen Aschmedai und Lilith aus der nicht unterschiedenen
masse der Schedim. nicht anders scheint mir der führer des seelen-
heeres, Wöd-anaz (*der wutschnaubende* oder ^geisthauchende'),
wozu ein altes hypokoristikon im deutschen Wöde^ Wuote erhalten
ist, zuerst zu einem namen, dann zu götthcher Verehrung ge-
kommen zu sein, aus der menge der holden hat sich ebenso
die eine Holda als führerin hervorgehoben, die in den verschie-
denen gegenden Deutschlands verschiedene namen hat, die man
mit vergeblicher mühe alle auf Frija zurückleiten will, was
verlangt man mehr zum nach weis, dass wir nicht weniger
sondern mehr götter, je weiter wir zurückgehn, anzusetzen haben,
als die talsache, dass zwei als die ältesten überlieferten götternamen,'
sich später nur mehr als beinamen Freys und Odins nachweisen
^ die äbniichkeiten gehn wol weiter, als er selbst annimmt : nicht nar
Freyr ist gleich Baal, Freya s=r Baaltis, sondern auch Baldr, der durch
seinen bruder Fdli^ di. der kleine Vane, als zugehörig erwiesen wird, ist
gleich Moloch 'könig', oder Adojiis Mierr*. Niordr, Aerthus, wenn wir sie
zu gall. neriot *krafi' stellen dürfen, haben ihre entsprechung in semit. ^/,
das als *der starke' gedeutet wird (s. Marti Gesch. d. Israel, religion s. 25).
die vanir sind wol nichts als die bewohnen, die landtasttir eines in besitz
genommenen, freundlichen landslriches (wobei man auch mit dem begriff
des zeitweiligen aufenthalts auskommt, wenn man, wie Kraus meint, den
begriff von wonen gegen büwen urgieren muste). auch sie haben ihre se-
mitische parallele : 'die göttlichen mächte waren nicht von einander zu unter-
scheiden, und elöhim bezeichnete wol die summe der göttlichen wesen, die
an einem orte hausten* (Marti aao. s. 26). die vanir fliefsen mit den dlfar
und diese mit den seelen zusammen, wie auch i Sam. 28, 13 das gespenst
elöhim heifst alle diese ähnlichkeiten scheinen mir aber so in der nator
der Sache zu liegen, dass sie die annähme einer entlehnung nicht genügend
begröoden. ^ Kretschmer aao. 78 hat allzu bereitwillig Bremers zweifel
geteilt; vgl. Kögel Gesch d. deutschen litt, i 14 anm.
102 TILLE TCLE A?(D CHBISTMAS
lassen : Yngvi und Jormunrl wer würde der abgeblassteu Hlöiyn
eineo cult zutraim, wenn nicht die sicher zugehörige Eludana
dafür zeugte? wer nicht Fxdla für eine spate erflndung halten,
wenn der Merseburger spruch uns zufällig verloren wäre? Thrymr
steht neben Thorr nicht anders als Hyperion neben Helios, als
Älexikakos neben Apollo, die allitteration mit Vöienn zeigt, dass
Vile und Ve wenigstens nicht gar zu spät sein können, spätestens
ins 8 jh. fallen müssen , wenn Noreen Aisl. gramm.* § 228 mit
seiner datierung recht hat. was macht man sich für unnütze not
mit den versuchen der idenlification aller von Schriftstellern und
inschrifien überlieferten allgermanischen gOtternamen mit denen
der Edda, statt sie frischweg als das gelten zu lassen, als was
sie sich geben, als besondere gütterl ich leugne durchaus nicht,
dass hyposiasen vorgekommen sind, aber ich mochte der mythen-
bildenden Phantasie auch der späteren zeit nur ihr recht gewahrt
wissen, dass sie ohne anlehnung an einen grofsen gott aus sich
heraus nun kleinere götier schaffen konnte, so sind Seaxneat,
Geseeg, Ändsecg, Soeppa, Sigefugel, Heica und Bedeca (MüllenhotT
Beowülf s. 7 anm.) durchaus nicht hypostasen des kriegsgottes
sondern ostsächsische ^sondergötter', an denen Usener seine freude
haben könnte, auf 'die zahllosen heiti Odins' hat schon RMMeyer
Anz. XXIII 104 hingewiesen, auch die ags. monatsgöttinnen Bedas
möcht ich nicht deswegen von der band weisen, weil ihre nameo
aus den mouaten abstrahiert scheinen, und was für die spätere
zeit galt, hat für die frühere eher in erhöhtem mafse zu gelten,
darum glaub ich durchaus nicht mit T. aao., dass der germa-
nische gölterhimmel so arm war, dass man bei der Übersetzung
der uochentagsgötter nicht einmal einen ersatz für Satumus fand,
das beweist nur, dass es keine interpretatio romana gab, die
irgend einen deutschen gott durch Satumus widergegeben hätte.
der germanische götlerhimmel war vielmehr so reich, dass ein
wochentagsgott Mars in 3 verschiedenen gegenden durch je einen
besonderen götternamen interpretiert werden konnte (Ztu, Thinxtis^
und Er), von denen freilich der erste das weiteste Verbreitungs-
gebiet halte, ohne dass aber deshalb die beiden andern sich als
blofse hyposiasen erweisen liefsen. wie die interpretatio romana
schwankte, ehe sie eben durch die wochentagsnamen fixiert wurde,
zeigt uns ja am besien der Hercules^ der bei Tacitus für Donar
eintrilt. also von dem standpunct aus könnten die Germanen
* das ist sicher nichls als ein golt des dingfriedens, deu mit Mars za
identificieren -die Römer durch sein symbol, den speer, veranlasst sein mochten,
dingversammlung und heeresversammlung fallen vielfach, aber doch nicht
ganz zusammen, insofern als an ersterer auch die nichl mehr waffenfähigen
greise teilnehmen, in dem Tustingso, das Hühner (Scherer Kl. sehr, i 535)
als fehler für Tiwo Thingso fassen wölke, könnte man einen dem ThinxuM
entgegengesetzten 'sondergott' (vgl. got. tuz, ahd. zur) der dincslele sehn,
dem man so gut altäre errichten mochte, wie die Griechen dem 06ßos (Usener
aao. 369) opfer brachten.
TILLE YÜLE AND CHRrSTMAS 103
sehr woi einen sonneudienst gehabt haben, den T. leugnet und
auf den allerdings aufser der nachrichl Cflsars sonst wenig weist
(vgl. Meyer Germ. myth. § 21. 24. 25. 349. 375. 376).
Consequenterweise hält T. (s. 82) den begriff des monats für
durchaus nicht indogermanisch, den Germanen insbesondre erst
durch die Rümer vermittelt, er macht sich den beweis einfach,
indem er die vorsichtige ausdrucksweise einzelner forscher, mit
der sie sich für die altidg. herkunft dieser monatseinteilung aus-
sprachen, als ein indicium gegen dieselbe verwendet. Kluge (Er.
wb.* 272) aber hat aus guten gründen das 'vielleicht', mit dem
er früher (Et. wb.^ 260) die behauptung altidg. herkunft ein-
schränkte, weggelassen, Franck (Et. woordeuboek 603) hatte sie
sofort 'bepaald' behauptet, es wäre ein merkwürdiger zufall, wenn
unabhängig von einander die verschiedenen idg. Völker darauf ge-
kommen wären, den durch lauf und gestalt des planeten ge-
messenen Zeitraum einfach durch den namen dieses planeten zu
bezeichnen, bezeichnet man doch auch das jähr nicht mit 'sonne',
deo tag höchstens in gehobener spräche, wo auch lat. luna, franz.
lune ab und zu vorkommt, eine Übersetzung des lat. mensis ist
aber menö{p) gewis nicht.
Ich will nicht weiter fortfahren, die unbegründeten hypo-
thesen T.s zu bekämpfen, eigentlich sind sie auch gar nicht die
hauptsache in seinem buch, aber so pompös vorgetragen, dass
mau sie leicht für die hauptsache halten könnte, den kern seiner
arbeit halt ich für gesund, er hat, wie mir scheint, mit guten
gründen die meinung erschüttert, dass die gebrauche um martini
erst von michaelis, das als eigentlicher Winteranfang zu gelten
habe, übertragen seien, hat sehr plausibel gemacht, dass Beda nur
von dem jähr seiner christlichen mitbürger spricht und nicht als
zeuge für ein heidnisches julfest geführt werden kanu, und dass
begriff und name der zwölften dem kirchlichen dodekahemeron
entspringt, er hat die annähme eines altgermanischen winiei-
sonnenwendefestes als unbegründete behauptung erwiesen, und
die gebrauche um jene zeit überzeugend aus den antiken der
Satnmalia, Brumalia (vielleicht auch der Matronaliä), strenae, ta-
bulae Fortunae hergeleitet, ohne zu verkennen, dass allerhand
deutscher aberglaube, der zu den verschiedensten Zeiten des Jahres
prakticiert wurde^ damit verschmolzen ist. über einzelnes will
ich mit ihm nicht rechten, er hat sich durch Weinholds Vorwurf
(Zs. d. ver. f. volksk. 4, 100), er 'hätte manchen irrtum vermei-
den können, wenn er über die deutsche jahrteilung die richtige
ansieht hätte', verleiten lassen, diese ansieht zur stütze eines altern
buches beweisen zu wollen, das war nicht nötig und hat nur ge-
schadet, indem es schuld trägt, dass das lob seiner arbeit hinter dem
tadel zurücktreten muss. die aufsenwerke haben die probe nicht
bestanden, die eigentliche festung aber scheint mir solid gebaut.
Bern, 14 november 1899. S. Siwger.
104 KRAUS HEIKRICH VON VELDEKE U. D. UHD. DICHTBR8PRACHE
HeiDrich von Veldeke und die mittelhochdeutsche dichtersprache. vod Carl
Kraus, mit einem excurs von Edw. Schröder. Halle, Niemeyer, 1899.
XV und 189 88. 8®. — 4 m.
Das problem der spräche Veldekes, die sowol fürs hd. wie
fürs ud. in ansprucb geuommen werden konnte, hat einen unserer
tüchtigsten jungem philologen seit jähren von neuem beschanigt.
seine ansieht, die bereits vor zwei jähren auf der Dresdner
pbilologenversammlung den t'achgenossen bekannt geworden war,
ligt jetzt ausrührlich begründet vor. während Braune und Be-
haghel beim versuch, Veldekes spräche als rein niederländisch oder
maastrichtisch zu erweisen, auf Schwierigkeiten gestofsen waren,
die sie mit annahmen ad hoc umgehn muslen, gelangt die neue
Untersuchung unter vorsichtiger erwägung der tatsachen zu dem
ergebnis, dass die spräche eben nicht rein maastrichtsch sein
könne. Kraus sucht zu erweisen, dass das streben des dichters
in der Eneide Mn erster linie darauf gerichtet war, reimwOrter
zu verwenden, die sich ins hd. übertragen liefsen, ohne dass die
reinheit des reims darunter zu leiden brauchte', ein streben, das
aber durch die reimnot und die beschränkte kenntnis des dichters
von dem was im hd. als dialektisch erscheinen muste, in ge-
wissen grenzen gehalten, auch durch Stimmungen und gelegent-
liche Unaufmerksamkeit beeinträchtigt wurde, das gleiche gilt
auch schon für Veldekes andres grOfseres gedieht, den altem
(s. 166 anm.) Servalius, wenn auch hier das mundartliche in noch
etwas stärkerem grade anerkannt werden muss. dagegen hat V.
seine lieder in reinem nl.' gedichtet.
Die überaus gründliche arbeit ist von einem mangel geschä-
digt worden, dessentwegen man dem einzelnen kaum einen Vor-
wurf machen kann, die deutsche philologie ist ja gewohnt, an
der nl. grenze ganz schroff halt zu machen, auch das gebiet des
mnd. und selbst des alts. würdigt sie nicht wie es sich gehörte,
und auch die erkenntnis, dass eine menge von sprachlichen und
andern culturbeziehungen zwischen den verschiedenen gebieten
hin uud her gehn, hat vorläufig noch wenig abhilfe gebracht.
K. hat sich darauf beschränkt, stücke von 10 mnl. dichtungen
zu vergleichen, um die heimatssprache Veldekes festzustellen, und
daneben, wie es scheint, recht spärlich, oder auch nachträglich,
vHeltens Mnl. spraakkunst und Kerns einleitung zu den Lim-
burgiscben sermoenen benutzt, von den texten ist die hälfie
flämisch, und von den übrigen kommt nur einer, die Christina,
einigermafsen landschaftlich in Veldekes nähe, das ist so, als ob
einer durch ein kleines fenster in einer dicken mauer in eine
landschaft hinausschaute; und ich habe das gefühl, als müste ich
ihn an die offne tür leiten und ihn freundlichst einladen, doch
ins freie hinaus zu treten, ich glaube K. gerne, dass er sich
von der dUrftigkeit der ihm zu geböte stehnden hilfsmittei über-
all beengt gefühlt hat. aber ich meine, in den jähren, in denen
SRAUS HEIMRICH VON VELDEKE U. D. MHD. DICHTBRSPRAGBE 105
er dem problem oblag, hätte er dem mangel doch wol abhelfen
kOnneD und abhelfen müssen bei der Wichtigkeit, die die sache
beansprucht 1. er ist weit von der richtigen Vorstellung entfernt,
wenn er nicht nur den durchschnitt aus jenen 10 mnl. texten
im gro&en und ganzen auch für Veidekes heimatssprache nimmt,
sondern auch im einzelfalle einen reim, den andre nl. dichter
gebrauchen, ohne weiteres, und ganz ausdrücklich mit dieser be-
grOndung für V. als rein ansieht (prät. hiU:9chiÜ ^scutum', s. 106).
wol in den meisten fallen, in denen K. nachweist, dass V. einen
reim nicht gebrauchte, der sich bei den Niederländern findet, wird
tatsächlich nur bewiesen, dass er sich der in Maastricht oder einem
andern centrum seiner heimat zu seiner zeit gebräuchlichen Schrift-
sprache bediente* der abstand zwischen K.s Voraussetzung und
der würklichkeit wird noch grüfser durch die tatsache, die auch
in seinem buche mit Schröders werten (s. 189) ausdruck findet:
'als unser dichter zu schreiben begann, gab es keine nl. littera-
tur und keine nl. Schriftsprache', auch wenn man die sache nicht
ganz so schroff hinstellen mag, so ist doch jedesfaüs so viel an
ihr richtig, dass selbst dann, wenn in der mitte des 13 jhs. in
der limburg. Schriftsprache oder sogar später in der dortigen
Volkssprache eine sprachform sich nachweisen lässt, damit nicht
ohne weiteres auch ihr vorkommen am ende des 12 jhs. verbürgt
ist man kann die Sachlage nicht mehr verkennen, als es K. s. 30
tuu V. reimt nur die form gesiechte (einfach weil es die limburg.
form ist), nie die unumgelautele gesl<ichte, die im nl. die regel
bildet, dass daraus nicht folge, V. sei die letztere form überhaupt
unbekannt gewesen, zeige zb. Flore, wo neben geslachte auch ge^
siechte reime, aber der Flore beweist hierin für V. gar nichts.
K. geht vom normalmnl. aus, von dem er in einem 1 cap. 11 puncte,
und die zt. noch zweifelnd, als nichtlimburg. in abzug bringt,
statt V. als hauptzeugen für eine locale litteratursprache zu
nehmen, die sich noch Jahrhunderte später in vielen puncten vom
nl. unterschied, wie das bei Braune und ßehaghel und am klarsten
bei JHKern hervortritt, auch meine übersieht im vorigen Jahrgang
von Taal en lelteren hätte vielleicht noch dienste tun können.
Noch ein andres tut der Sicherheit der ergebnisse abbruch.
* an den stellen, wo über den reim von uo mit andern o-lauten ge-
sprochen wird, § 38, 8. 78 anm.2, s. 79 anm. 1 und s.98 anm. 2, beeinträchtigt
die unzureichende kenolnis des mnl. den gang der Untersuchung, gevloen
(und präu vloen) hat trotz vHelten ohne jeden zweifei den diphthonf^ 00,
und die reime sind reine, ebenso wie einige andre kategorien, die K. als
onreine in anspruch nimmt, vermutlich hat sich K. durch vHeltens dar-
stellung irre führen lassen, während er sich andern orts besser hatte unter-
richten können, eine anzahl andrer versehen greift wenigstens nicht weiter
in die Untersuchung ein. doch sei hier der angebliche plural lider (s. 20
anm. 1) berichtigt (an der betreffenden stelle ist ^corium' gemeint), sowie
das [von Schröder verschuldete] misverständnis s. 69, als ob ich *zweig* im
nl. [iwijg) für ein hd. lehnwort erklärt hätte.
A. F. D. Ä. XXVI. 8
£. bin'eehaet oaeh ami^ni dicfacniLzeiu wi« oii «iie enttlBeo reime
im verh^lcaia Torknmmen äoUten^ woiiei er okhc vergissl, dass
(iie zahlen aicht 30 zenaa genommen werde* Arfea mnd allerlei
be^mnrire momence im einzeifaüe za berllcksckcigea sind, aber
er hat «iie mögiidikeic soicfaer momenle m. e. 4atk nicht ge-
ail'2en<l erwogen : stimmao^en. die art des stoAesv 4m Yerfaältnis
znr rfnelle^ das f erhalten stilisdscfaen und meCriadMn IraditiooeD
getzenüber ond mancherlei andre — impondenbfliea möcht ich
:vi{^en, wenn das wort nicht so anphiloiogiscb w9rr. im material
ist doch laoge nicht «o empfindlich, wie K. ^nrinnwlit, nnd nach
meinen erfahmn^en dürfen solche berechnnngen nnr mit ganz
groben unterschieden arbeiten, in $ 33 tut L. dar, dasn V. die
bindiJDg fon Wörtern mit germ. / nnd d (hd. d nnd I) unter-
einander surk einschrankt, der folgende § nntersncht dann die
falle mit diesen consonanlen hinter L ■• a und r. fß nnd Id^
np ond nd werden anstandslos gereimt, aber hinter r leigt sich
alsbald wider deotlich die zurOckhaltnng. darin soll sich die be-
kannte Sieverssche beobacbtung aossprechen» dass die grenze der
rerschiebung des d nach r fiel weiter nördlich Uinfl als nach l
oder n. es wäre ja recht schön, wenn das material und die me-
thode wörklich so empfindlich wären, allein V^ spräche kann
ja mit jenem verschiebongsonterschied Qberbaopt nichts zu tun
haben; wenn sie auf oberdeutsche lautformen wie rdten, säen
rticksicht nahm, muste sie es ja auch auf solche wie swerfe tun.
anders läge noch die sache, wenn man etwa betonen wollte, dass
rp:rd bei ihm sogar seltner seien als selbst intenrocalische^;(/.
aber ich fürchte, die ganze beobacbtung ist reine täuschung. die
einzigen Wörter mit gerro. rp, die in betracht kommen, sind die
beiden erde und werden, sie reimen dreimal mit gerro. rd, da-
gegen 20 mal untereinander, daneben stell ich nun die tatsache,
dass das wort stände 36 mal mit germ. itd, aber nur 6 mal mit
gonde, begonde oder konde, die K. unberechtigterweise mit germ.
nd statt mit np ansetzt, gebunden ist so wenig man daraus
schliefsen darf und schliefsen wird, dass die bindung von np:nd
gemieden werde, so wenig berechtigt ist K.s schluss bei rß und
rd, beide Wörter, erde und werden, gehören zu den formelbil-
denden, während unter denen mit rd kaum solche sind, die 10
Wörter mit rd, die V. iro reim braucht, kommen zusammen Ober-
haupt nur in 33 reimpaaren vor. aufserdem führ ich noch
roigendes an. in stark 10000 versen des Lancelot reimt erde
18 mal zu perde, 2 mal zu dem fem. subst. werde, dagegen nur
8 mal mit Wörtern, die hd. rt haben, trotzdem dem dichter von
solchen herde, swerde, verde von vart und einige präterita zu ge-
böte stehu. bei Gerh. vMinden (ed. Leitzmann) reimen erde und
werden Omal untereinander und nur Imal eines der beiden Wörter
anders (werde : herde). wir werden unten noch andre beispiele
kennen lernen, wie zb. die reime auf me und e\ die uns zeigen,
KRAUS HEINRICH VON VELDEKC U. D. MHD. DICHTERSPRACHE 107
dass maDches nur zufall ist — zufall richtig zu verstehn — , was
K. als bedeutungsvoll ansieht.
Bei der Wichtigkeit des problems, dem wert, den K., nicht
ohne berechtigung, auf seine eindringliche und durchdachte me-
thode legt, und dem hierin sowie in der grofsen fülle des ma-
terials begründeten bestechenden Charakter seiner arbeit dürfte
es geraten sein, in eine besprechung der einzelheiten ein-
zutreten.
In den 1 abschnitt, der die mnl. reime behandelt, die sich
bei V. deshalb nicht finden, weil sie nicht limburg. sind, hätte
also aus den folgenden noch viel anderes hineingehört, är und
er sind limburg. geschieden wart und -wert sind ablaute — ;
also entfallt auch die bedingte beweiskraft, die § 10 noch zulässt.
aus den folgenden paragraphen heb ich hervor het, das (auch
die übrigen pronominalformen sind problematisch), (ge)dwa8, echt,
venioi, goom, heden (Veld. kannte möglicherweise nur hiden), hoe,
houde. Her, losch (prateritum), ghemicke, port, raken, scern, scamp,
geslachte, sochte (präl. von soeken), spoet, stoet, stont, treke (so,
nicht trek), twint, bei den allermeisten dieser Wörter und formen
ist es auf grund des uns bekannten materials oder sonstiger in-
dicien unwahrscheinlich oder mindestens zweifelhaft, ob V. sie in
seiner spräche gekannt hat, und unter dem, was der §29 zu-
sammenstellt, befindet sich recht wenig, was man überhaupt bei
V. im reim erwarten könnte.
Im einzelnen hab ich noch das eine und andre hinzuzufügen.
Bei der besprechung von hoe übersieht K., dass das frage-
wort wie allgemein limburgisch ist. V. hätte also in jedem falle
wie reimen können, und das fehlen von hoe und wie muss sich
irgendwie anders erklären, in bezug auf sochte ist m. a. nach
eher Beliaghel im recht, wird doch aus Kern § 15b wahrschein-
lich, dass soeken im limburg. eine andre als die nl. präteritums-
form sochte hatte, die dann natürlich auch roeken zugestanden
haben kann, es ist dann klar, warum die präl. der beiden Wörter
in der Eneide nur untereinander gebunden werden, im Serv. ist
entweder neben der autochthonen form zweimal die nl. gebraucht,
oder eher eine in dem spätem werk vermiedene reimungenauig-
keit zugelassen, beim prät. von stän ligt die sache möglicher-
weise so, dass die alte form stoet V.s spräche gar nicht zukam,
auch stont eigentlich nicht und darum nur ausnahmsweise ge-
braucht wurde, die geläufige form vielmehr die mit nasal und er-
haltener länge gewesen ist. dass V. leren in der bedeutung Mernen'
absichtlich gemieden haben sollte, ist schwer zu glauben, man
wünschte dafür wenigstens den nachweis, dass der begrifi* aus-
zudrücken gewesen und das wort würklich umgangen worden ist.
mit -wart, -wert (s. 35) ist nichts bewiesen, denn die eine oder
die andre form hätte V. ja auch bei rücksicht auf ein deutsches
publicum gebrauchen können, und er vermeidet das wort doch
8*
108 KRAUS HEIISRICH VON TEXDEKE U. D. BIHD. DIGHTERSPRACHE
auch im innern des verses. selbst bei ghemoet und spoet bin ich
nicht gauz überzeugt, dass sie absichtlich umgangen sind und
kann auch der anm. bei gemoet nicht zugeben, dass die reim-
wörter auf 'Oete(n) sonderlich beschrankt seien. Übrigens scheint
es mir immer noch mit Lichlenstein möglich, dass in 5221 ein
wort dieser sippe stecke; etwa diere («» die dare; oder die hen)
volgen, moeten {moeten als verbalform). aus dem fehlen eines
Wortes im reim wie tand, das überhaupt nur 4 mal vorkommt,
kann man aber wol gewis nichts schliefsen.
Selbst in einzelnen der fälle, in denen ich geneigt bin, mich
K.S grundanschauung anzuschliefsen , würd ich weniger zuver-
sichtlich sein, bei wortformen wie den participien gevaen, gestaen,
gegaen, geheven war es wol nicht richtig, sie für nicht roaastr.
zu erklären, aber es bleibt immerhin die schon geltend gemachte
müglichkeit, dass sie erst nach V.s zeit aus der nl. Schriftsprache
eingedrungen seien, und sollen sie selbst zu seiner zeit schon
vorhanden gewesen sein, so bleibt immer noch zu berücksichtigen,
dass jede Schriftsprache auch ohne rücksicht auf ein auswärtiges
publicum die neigung hat, sich gewählt auszudrücken und ihre
beschränkende auswahl auch auf die in der heimat gangbaren
formen ausdehnen kann, in der regel wird in dem fall ja, wenn
es sich um die auswahl einer altern und einer jungem, durch
ausgleich entstandenen form handelt, die letztere den vorzug er-
halten; doch mag individuell auch das umgekehrte vorkommen,
diese frage drängt sich auch bei einem werte wie trecken auf;
so lange noch ein andres gleichbedeutendes verbum daneben be-
stand, könnte es als zu alltäglich gemieden worden sein. K. hat
einen in diesem sinne gemeinten hinweis Schröders (s. 18) viel-
leicht nicht genügend berücksichtigt.
Auch in den beiden folgenden abschnitten, die ich hier zu-
sammenfasse, ligt für meine auffassung manches anders, am
klarsten dürfte es sein, dass Behaghel wider mit den präteritis
vom typus hielt und gienc im recht ist (§ 47). was Kern § 29
beibringt, spricht entschieden genug dafür, dass die formen mit
diphthong (oder länge) die V. geläufigen waren, ähnlich wie wir
es auch oben bei stoent annahmen, daneben hat er ausnahms-
weise auch die formen mit gekürztem vocal gebraucht, die gleich-
falls autochthon seiner spräche angehört haben könnten (Mnl. gr.
§ 153; Zs. 40,33), oder aber als lehnformen anzusehen sind,
eben so sicher ist, dass reime zwischen ou und ö aus au nach
V.s eigener spräche ausgeschlossen waren; s. Kern §62« eine
erörtern ng des § 43 will ich mit hie beginnen, das K. auf vHeltens
Spraakk. hin für unniederländisch erklärt, doch spricht vHelten
gar nicht so bestimmt, und tatsächlich ist hie allgemein limburgisch;
s. Kern Limb, serm., glossar s. v. desgleichen spricht nichts
gegen die möglichkeit, dass da und na V.s geläufige formen waren;
s. Kern unter den Wörtern, dasselbe nehm ich von e und me
KRAUS HEINRICH VON VELDEKE D. D. MHD. DrCHTERSPRACHE 109
an; die formen er und mer (nicht mere = ahd. m^ra) scheinen
V. sogar gefehlt zu bähen, die beiden Wörter reimen dann unter
einander, oder stellen sich ein, wenn se und toe oder sonst ein
wort auf 'i zu binden ist, und es gebt hierbei, wie in einigen
andern von K. merkwürdig gefundenen fällen, wol nur ganz na-
tOrlich zu, wenn solche reime gruppenweise auftreten, dh. es
ist eben nur in bestimmten teilen der erzdhiung von wi und sS
und andern Wörtern auf -e die rede, an drei stellen will K. die
formen mere und ere in den lext hineinconjicieren, indem er das
reirowort se mit dem synonymon mere vertauscht, die argumen-
tation wird ohne zweifei bestechen, trotzdem würd ich schon
nicht zu folgen wagen, weil ich es entschieden für unberechtigt
halten muss, die bindung von länge und kürze in ofTner silbe
durch conjectur in die Gn. zu bringen, die ganz wenigen über-
lieferten oder vermuteten bcispiele sind zweifelhaft oder mehr als
zweifelhaft, bis auf die bindung von sone mit formen des verbums
doen. hier steht aber aufser der quantität auch die qualilät des
vocals in frage, und diese kann nur gelöst werden durch eine
umfassendere Untersuchung, die auch auffallende nl. reime zu be-
greifen hätte, aus V.s gebrauch dürfte sich vielleicht ergeben,
dass sich beim vb. tun quantitativ und qualitativ besondre formen
in minderbetonter satzstellung entwickelt haben, was die Syno-
nyma se und mere betrifft, so würde ich eher glauben, dass die
deutschen hss. das erstere öfter durch das letztere ersetzt haben,
dem Österreicher K. ist se 'ungewöhnlich und leicht misverständ-
lich'. für V. kann es aber sehr leicht die geläufige bezeichnung
gewesen sein, neben der mere vielleicht nur mehr als bequemes
reimwort weitergeführt wurde, im Gloss. ßernense (hg. von
Buitenrust-Hettema) findet meere nur mehr die Übersetzung Macus',
die übrigen bedeutungen sind auf see beschränkt, wenn dann V.
in den liedern neben e auch manchmal ere gebraucht, so mag er
hier, wo ihn die rücksicht auf deutsche leser weniger band und
der reim gesteigerte anforderungen stellte, seine Zuflucht zu einer
form genommen haben, die er auch kannte, die ihm aber eigent-
lich nicht geläufig war.
Ober die pronomina ist es, wie K. selber anerkennt, nicht
so einfach zu reden, da sich so wenig feststellen lässt, wie sie
eigentlich in V.s spräche gelautet haben (§ 46). man darf aber
hier wol zugeben, dass es mit in der rücksiebt auf das deutsche
publicum begründet ist, wenn sie im reim fast ausgeschlossen
bleiben, ganz lässt sich indessen auch diesmal die skepsis nicht
unterdrücken, wenn daliv und accusaliv mik und dik lauteten,
und der nomioativ 'er* he, mit einer form, deren e sich von dem
gewöhnlichen langen e im klang unterschieden haben könnte, so
war die reimfähigkeit der prouominalformen von natur beschränkt,
aufserdem will ich aber darauf aufmerksam machen, dass in dea
4704 Versen des Moriaen nur ein einziges mal zwei pronominal-
HO KRAUS HE1>RICH VON VELDERE U. D. MHD. DICHTERSPRAGHE
formen, mi und hi, miteinander gebunden sind, auch sonst
kommen bis v. 4000 — von da an ist die band eines bearbeilers
stärker im spiel — pronominaiformen verbältnismäfsig selten im
reim vor : ii ; nu 3 mal, je 1 mal mi : hi, mi{e) : sie ('sebe'), hen : ben,
hem : hem. das füllt ganz besonders in der Umgebung auf, in der
uns dies gedicbt überliefert ist, in Veltbems Lancelot, wo die von
den pronomina untereinander und mit andern Wörtern gebildeten
bequemen reime sich bis zum überdruss widerholen, angesichts
dieser tatsache muss man vielleicht mit der möglichkeit rechnen,
dass einzelne dichter diese reime wegen ihrer kunstlosigkeit ab-
sichtlich gemieden haben ^.
Mit der frage des umlauts von d (§ 59) ist ohne zweifei K.
wider im unrecht gegenüber Kern (§25). V. muss in seiner
heimatssprache den umlaut als e gekannt haben, also werden wir
wol auch die reime zwischen er aus umgelautetem dr und er aus
germ. air im Servatius als beweise dafür binzunehmeD haben,
die versuche, diese reime wegzucorrigieren^ könnte man gelten
lassen, wenn vorher das nichtVorhandensein des umlauts bewiesen
wäre, sie sind aber keineswegs so schlagend, um selbst die sache
zu beweisen, weiter glaub ich mit Kern, dass das fehlen ent-
sprechender reime in der En. nur dafür spreche, dass sie nicht
ganz rein waren, und der dichter sich in dem jungem werke
gröfserer Sorgfalt befliss. ein solcher reim steckt übrigens viel-
leicht doch auch in der Eneide, denn das durch eine sehr glück-
liche conjectur Behaghels v. 2240 in den text gebrachte Zeitwort
lautet vermutlich in seiner eigentlichen form ontmeren. schreiben
wir in der En., da wo der reim nicht entgegen steht, immer,
oder mit abwechslung, e\ so haben wir denselben zustand wie in
andern limb. texten, wo d und e wechseln, vielleicht waren die
(j-formen V. noch nicht so geläufig wie seinen jungem littera-
rischen collegen, und erklärt es sich daraus, dass die reime von
d : Cd nicht ganz so häufig sind, wie sie bei völliger Unbefangen-
heit etwa zu erwarten wären, immerhin mag man aber auch
hierbei wider an die rücksicht aufs deutsche publicum denken,
und jedesfalls tut K. recht daran, hervorzuheben, dass die$e bin-
dungen in den letzten 2700 versen überhaupt nicht mehr vor-
kommen, im ganzen ist aber der reim von d;a;, der also mit
V.s eigner spräche nicht stimmt, nicht selten, und dabei ist viel-
leicht zu berücksichtigen, dass auch in den altem deutschen ge-
dichten die reime von d : ce nicht unbekannt sind, eine bekannte tat-
sache, die aber heule wol eine erneute Untersuchung ertragen könnte.
Noch eine reihe weiterer einzelheiten erscheinen mir doch
in einem andern lichte, aus den reimen von doe : tot (s. 75)
würd ich nichts zu schliefsen wagen, ich mache mich anheischig,
noch ganz andre unterschiede im Verhältnis dieses reimes unter
^ [vielleicht kommen hier Zwierzinas beobachtuDgen obeD in der Zs.
8. 34—46 in betracht]
KRADS HELXRICH VON VELDEKE U. D. MHD. DICHTERSPRACHE 111
deo mnl. dichtem selbst nachzuweisen, es braucht einer nur ein
etwas sorgfältigerer Stilist als ein andrer zu sein, und der be-
queme flickreio) wird sofort bei ihm zurücktreten, ebenso skep-
tisch bin ich in bezug auf die reime von sus : -us (§ 39). K.
selbst macht gelegentlich geltend, dass bestimmte reime zufällig
eine zeit lang nicht ins gedächtnis treten, dann auf einmal auf-
tauchen und sich nun auch Öfter einstellen, ein gedanke, der
nicht nur auf reime, sondern auch auf einzelne wOrter und wort-
formen auszudehnen wäre und sich auch sonst wol hätte ein-
stellen dürfen, wo K. an dem vorkommen von einzelheiten etwas
auflallig findet, werden nun die namen auf -us mit sus (oder
dus) gebunden, so ist es natürlich, dass andre reime, die früher
herhalten musten, um die namen auf -us zu versorgen, zurück-
treten, dreimal hat V. Wörter auf hd. -ahs mit was gereimt (s.84),
und er soll den nicht hd. reim nur zugelassen haben, weil er
sich sonst mit den betreffenden wOrtern in reimnot befunden
habe, warum brachte er sie aber nicht im versinnern unter, wo-
mit er sich doch sonst oft geholfen hat (vgl. zb. s. 46 anm. 2)?
dasselbe muss man bei skat und geboet § 31 fragen.
Die geläufige form V.s für die negation war die gemeinnl.
niet (s. 83). daneben gebraucht er, nur im reim mit Micht', eine
zweite form, da licht bei V. offenbar den vocal nicht gekürzt
hatte, also Hecht (oder lichtl) lautete, war die andre form niecht
(nichtl). dieselbe könnte aber, neben niet, recht wol einheimisch
gewesen sein (s. Mnl. woordenb. s. v. nicht), und wir dürfen
schwerlich mehr behaupten, als dass die bekannte rücksicht viel-
leicht mit von einfluss auf ihren gebrauch gewesen sei. auch
hier hebt nun K. die merkwürdige Verteilung der zweiten form
in dem gedichte hervor, ist die aber so merkwürdig? die un-
gewöhnlichere form stellt sich eben ein, wenn ein reim auf Hecht
nötig ist. das Micht' ist doch sicher immer das prius bei diesen
reimen gewesen, auch die im § 70 behandelten dinge lassen sich
m. e. nicht einmal so weit verwerten, als wofür K. sie mit vor-
behält in anspruch nimmt, er führt nicht weniger als 41 reime
an, in denen o und u vor Id, Ü, und 30, in denen sonst o und
u miteinander gebunden sind, ist es nicht bedenklich, bei einer
solchen zahl überhaupt noch von einer absichtlichen beschränkung
zu reden? im Zusammenhang damit macht er die beobachtung
geltend, dass vor Id, It diese reime bei V. sogar viel häuQger vor-
kommen als bei den nl. dichtem, auch das erklärt sich anders
als er vermutet, die betreffenden Wörter reimen nämlich bei den
Niederländern — von der möglichkeit der formen -ult, -ulde ab-
gesehn — mit den zahlreichen Wörtern auf -alt, -aide, und durch
diese, für den Limburger nicht möglichen, bildungen wird ihre
reimf^higkeit gröstenteils erschöpft, diese tatsache ligt aufserhalb
der eigentlichen beweisführung von K. es schien mir aber doch
der mühe wert, einen augenblick bei ihr still zu stehn, um auf
112 RBACS HEINRICH VON VELDEKE U. D. MRD. DICHTERSPRACHB
die mOgiichkeit von beobachtungsfehiern hinzuweisen, ein be-
obachlungsfehier steckt auch in einer erOrterung, wie sie § 139
anm. 1 und sonst öfter angestellt wird, ich hebe das prägnanteste
daraus hervor. V. hat 2 mal (hd.) 'Oge.'-oge^ 3 mal -üge.'^üge,
23 mal 'Ogen:-ogen und 6 mal -ugen : -ugen, oder 'ügen.'-ügen,
oder -ugen.'-ügen gebunden, ^da ist es denn gewis höchst be-
zeichnend, dass gerade auf diese kategorie, wo so ?iel reimwOrter
vorliegen, nur ein einziger unbochdeutscher reim entfallt (bogen:
vlugen)\ ich glaube dagegen, dass die ^richtigen bindungen' sich
einfach von natur häufiger einstellen, schon allein die tatsachen,
dass die participia gelogen und ongelogen phrasen bilden und ander-
seits wortformen auf -ogen sehr viel häuflger sind als solche auf
'Ugen, legen ein beträchtliches übergewicht auf ihre seite. ferner
ist es möglich, dass im limburg. sich etymologisches o und ety-
mologisches u etwas von einander unterschieden (Taal en letteren
8, 506) und ganz rein die reime nur in der nl. Schriftsprache
gewesen wären, wenn also V. absichtlich lieber ög mit l^g als
mit üg oder äg reimt, so wäre das doch nicht rücksicht aufs hd.,
sondern auf die eigene mundart. schliefslich heb ich hervor,
dass der ^unrichtige reim' in den 2673 untersuchten versen von
Maerlants Alexander überhaupt nicht vorkommt; denn der eine
von K. angeführte, evenhögen : vlogen^ kommt wegen der quantitäts-
verschiedenheit für V. nicht in betracbL das ergebnis von § 33,
dass V. die bindung von germ. / und d möglichst einschränke,
halt ich im gründe für richtig, doch da K. selbst annimmt, dass
der dichter auch die bindung von i:e einschränke, die form
•hede neben -heit nicht kenne und das prät. seide nicht gebrauche,
da ferner die umlautsverhällnisse, sowie die Verteilung zwischen
monophthongiertem e und nichtmonophthongiertem ei in V.s
spräche sich nicht ohne weiteres mit den gemeinmni. ferhältoissen
decken, so werden die verhältniszahlen auch hier nicht unwesent-
lich andre, als K. sie berechnete eine grOfsere anzahi von reimen
würden den s. 51 anm. 1 aufgeführten hinzuzuzählen sein, ähn-
liches gilt für § 35. für nr 1 ist im allgemeinen die möglichkeit
zu erwägen, dass V. zt. t sprach, und die formen von Mieser'
hätten hier nicht in betracbt gezogen werden dürfen, nachdem
sie früher bereits in einem andern sinne in ansprach genommen
waren (s. Kraus selbst s. 65). dasselbe gilt bei nr 2 b zb. von
bet, iht : reht im Karel ende Elegast beruht auf einem misverständ-
nis. und wenn gar bei so planen tatsachen wie der vocalkürzuug
.vor cht (§ 62) oder den labialverhältnissen (§ 64) noch nach einem
besondern grund geforscht wird, warum ^V. nicht das gesamte
Sprachgebiet des hd. hier berücksichtigte', so wird wol schwerlich
jemand so weit folgen wollen. V. ist sicher in keiner weise in
der läge gewesen, rücksicht auf ein publicum zu nehmen, dem
^ durch ein drockversehen bei K. ist das verstfindnis beeinträchtigt:
8. 52 z. 8 V. u. sollen e und i nicht geschieden werden.
KRADS HEINRICH VON VELDF.KB U. D. MHD. DICHTBRSPRACHB 113
nur das würklich oberdeutsche mundgerecht gewesen wäre, eben-
so urteil ich über § 68, unter berücksichtigung des bin weises
von ScbrOder wegen der reime triuwe.riuwe und vrouu)m:icouv)en,
und, mutalis mulandis, über den folgenden §. zwischen einzelnen
unter den verghchenen nl. gedichten konnte man selber ähnliche
unterschiede feststellen wie zwischen ihrer summe einerseits und
Veldeke anderseits, und es ist nur die anwendung eines satzes^
dessen sich K. mit der spitze nach andrer richtung selber be-
dient, wenn wir sagen, in folge jeder reimmOglicbkeit, die auf
grund sprachlicher, stilistischer oder stofflicher momente für V.
gemeinsam mit den Deutschen oder für den Limburger allein be-
steht, mindert sich naturgemäfs die anzahl specifisch nl. reime,
sehr ansprechend ist die Vermutung (s. 112), dass das subst. Aere
in den hss. der En. häufig an die stelle des adj. gehere getreten
sei. weiter würd ich mich aber fragen, ob die gröfsere Selten-
heit von here in der En. dem Serv. gegenüber nicht etwa dadurch
bedingt sein könne, dass das wort mit Vorliebe von Gott und
geistlichen herren gebraucht wurde, die beobachtung s. 109, dass
die form dane ^von dannen' nur mit der präpos. ane reimt, be-
weist wol sicher, dass V. die form nicht unbefangen gebraucht
hat. aber ob es eine hd. form war, durch deren berücksichtigung
er sich dabei leiten liefs, halt ich wider nicht für ausgemacht.
Ganz schlagend scheint der nachweis, dass im ganzen Ser-
vatius und in der En. bis 8416 das adj. hart gebraucht wird,
aber von En. 11833 an dreimal herde^ kein hart mehr, er ist
um so bedeutsamer, als im nl. eine adjectivform herde^ wie K.
annimmt, überhaupt nicht besteht; an den stellen des Lanc. ist
das adv. gemeint und e steht secundär für a vor r-verbindung.
DDit dieser beobachtung scheint einiges andre zu stimmen : das
zurücktreten der bindung ä : CB zum schluss der En. und die
tatsache, dass bis En. 11594 das prät. saeh auf nl., md. -ach
SS germ. ag^ von da an aber auf hd. -ach «s germ. -ak reimt,
aber scheinbar in geraden gegensatz dazu stellt sich, was über
swdr s. 116 beobachtet ist. das adj. kommt in der En. nur im
letzten teil 3 mal vor, und zwar in der unhd. form swdr, eine
tatsache, die ich mir nicht zu erklären weifs. K. erörtert die
anscheinende zunähme der hd. elemente gegen den schluss der
En. noch einmal im Zusammenhang s. 151 ff, aber ich habe den
eindruck, dass er mit den tatsachen nichts rechtes anzufangen
wüste, den wert seiner hübschen beobachtungen will ich nicht
verkürzen, obwol wir keineswegs ganz klar in der sache sehen.
Ich möchte hier noch kurz die erürterung einiger einzelheiten
anschliefsen, die zwar aufserhalb des von mir zu liefernden nach-
weises liegen, mit recht nimmt K., s. 41 anm., anstofs an dem
reime wit : vernit 5171 f. Behaghels versuch eine form vernU
einzuführen ist nicht berechtigt, nl. ist nur vernis. aufserdem
könnte man ein vernitz zugeben; vgl. mlat. vernitium, ital.
114 KEAC9 HEI.'fBICB V05 VELDEKE C. D. MHD. DICBTEBSPftACHB
vemiee, vernitz io bs. G der En. uod mnd. fomäzen ^firoisseo'.
auch bätteo wir in V.g heimatssprache nicht wit voraoszuseUen,
sondern, wie allgemein nl., wü (reimbeiege fehlen), für die
annähme, dass die ganze Überlieferung hier grOndlich geän-
dert habe, dürfte schwerlich räum sein; aber nach der ganzen
Sachlage glaub ich auch nicht, dass der dichter gleich an hd.
wiz : verniz gedacht haben könne, was hat er nun gereimt?
u)it : vemis oder wit : vernitz mit dem gedanken an eine falsche
Terhochdeutschung wis^ oder witz? — was zur rechtfertigung des
reims satte : vate (eine form vatte ist auch für V. schwerlich be-
rechtigt) 8324 s. 48 f gesagt wird, ist einschliefslich der anm. 3
zu streichen, man könnte denken, V. habe üt mit dem acc. con-
slruiert (vgl. Behaghel cnif) und im relativsatz das umschriebene
])erfectum gehabt, der reim vat : gesät hätte an solchen wie
vat : scat (K. § 31) seine parallelen, aber V. gebraucht das part.
gesät sonst in En. nicht im reim (s. 46 anm. 2). vielleicht ist
würklich satte : vate als eine gelegentliche folgerung aus jenen
zugelassenen reimen wie vat : scat anzusehen. — mit der frage nach
dem umlaut des u sieht es auch nach der besprechung in § 65
noch recht verzweifelt aus. der ausweg, einen klang vorauszu-
setzen, *der zwischen dem des e, t in senden, binden und dem
des u in stunde die milie hielt', scheint mir nicht gangbar, nach
läge der sache müssen wir am ersten annehmen, dass V. würklich
neben sünde (und vielleicht sonde nach nl. art) ein sende gebrauchte,
eine form, die im nl. ja auch bezeugt ist (meine gr. § 35a; vHelten
8 22), aber mundartlich ganz eingeschränkt gewesen sein muss.
K. hat den bau seines beweises mit so massigem material
angelegt, dass man ruhig einen grofsen teil desselben entfernen
kann, und das gebüude doch bestehn bleibt, dass V. bei seiner
En. und auch schon — was ganz neu ist — bei seinem Sinte
Servaes an deutsche leser gedacht hat, dürfte wol jetzt trotz
den vielen zweifeln, die ich zu erheben hatte, allgemeine Überzeugung
werden, zu den bis jetzt für eine solche ansieht ganz vereinzelt
und gelegentlich geltend gemachten fügt er eine reihe neuer
beweismomente, die man schwerlich wird anzweifeln können, hinzu,
ich möchte — allerdings auch da noch gern mit vorbehält, dafür
aber auch bei einigen andern die möglichkeit nicht bestreitend —
folgendes aus K.s abschnitt ii, 1 hierhin rechnen : blide^ doen
*bewürken', geval^ fijn, vort, vroet, gader^ gegaen nebst gestaen
und gevaen (doch s. oben), claer^ min (die möglichkeit^ dass V.
men sprach, kann dabei nicht in betracht kommen), naken^ quaei,
sachte, soeit, gesciede, gesdet, seggeti, sie sijn \ wah (wShrend bei
%oel die sache wider zweifelhaft ist, s. Kern s. 19, fufsnote 3).
* d« En. 256S in Hw noch die von mir Anz. thi 143 f (vgl. auch Mol.
woordenb. n 150) nachgewiesene construction Toriigt, die aodi 662 und
vielleicht sonst erhalten ist, so ist ihre lesart jedesfalU als edil aDXoseheo.
ob es dabei mdglich ist, sijn als coigunctiv zu fassen, lass ich dalÜDge^ellt.
KRA08 HEmmCH VON VELDEKE U. D. MHD. DICHTERSPRACHE 115
bei deo folgenden abschniUen bleibt nicht viel, wo mir die be-
denken nicht überwiegen : die erörterungen über die bindung von
gern), t und d^y ß und d, die dehnung kurzer vocale in offner
Silbe und die synkopierten verbalforraen.wie breit für breitet § 58.
mit einschränkung hab ich mich schon zustimmend geäufsert
betreffs der pronominalformen und des umlauts von ä. auch
hier würde die rücksicht des dichters darin bestehn, dass er
vermied, was im Deutschen einen unreinen reim ergeben hätte,
positiv scheint er nur mit einigen bindungen von k : g und —
im letzten teil des gedichles — einigen von sach mit Wörtern
auf germ. k über die eigne sprachform und zwar auf die benach-
barten mfrk. übergegriffen zu haben, das ist also des beweis-
kräftigen in diesen abschnitten nicht viel.
Ein weiteres argument hat Schröder beigesteuert mit der
beobachtung, dass die neuern französisch höfischen fremdwürter
im Servatius und der En. auffallend wenig vorkommen, viel we-
niger als selbst in V.s liedern. V. ^erbhckte darin ein dement, das
für seine heimatliche spräche charakteristisch war und der hd.
zu widerstreben schien*, freilich dürfte sich schwer genauer ab-
schätzen lassen, was von diesem sprachgut in Veldekes heimatlichen
kreisen zu seiner zeit schon tatsächlich eiuigermafsen geläufig
gewesen ist. colomme und solfer sind übrigens im nl. einge-
bürgerte Wörter, und sot hätte nicht ohne weiteres als fremdwort
in anspruch genommen werden sollen.
Alles in allem wird man den beweis des hauptsatzes, wie
gesagt, wol allgemein für erbracht halten, aber um das mafs
der rücksicht zu bestimmen, die der dichter nach aufsen ge-
brauchte, halt ich die Untersuchung für weniger geeignet.
V. hat im gründe doch eben limburgisch oder maastrichtsch ge-
schrieben. K. selbst führt dafür eine erkleckliche anzahl von
einzelheiten ins feld. sie mehren sich beträchtlich durch eine
reihe von andern einzelheiten, die entweder ijnmittelbar dafür
sprechen oder die an sich nach beiden selten verwertbar, m. a.
nach in anderm sinne gedeutet werden müssen, als von K. ge-
schieht, ich möchte in diesem Zusammenhang auch aus meiner
Mnl. gr. s. 94 anm, 1 widerholen, dass m. a. nach V. wahrschein-
lich du doets und du moets gereimt hat (s. Behaghel s. xci. Kraus
s. 151). eine gröfsere anzahl von Wörtern und leicht auffallenden
flexionsformen scheint er absichtlich gemieden zu haben, in der
lautlehre erstreckte sich sein lebendiges bewustsein vom unter-
schied der sprachen oder seine fähigkeit dem unterschied gerecht
ZU werden aber nur auf wenige besonders hervorstechende einzel-
heiten. was hd. t : s^ oder tz gewesen wäre, glückt ihm zu ver-
meiden, aber wo es sich um hd. ^ ; tz handelt, da erlahmt schon
^ gegen die Hypothese, ausl. t =» germ. t und ausl. t &» germ. d seien
in V.s gpractie verschieden gewesen, könnte man auch die reime von niet
zu Wörtern wie riet geltend machen.
116 KRAUS HELNRICU VOM VELDERE C. D. HHD. DlCHTBBSPftACUE
seine f^higkeit. K. macht eioe anzahl von stellen späterer dichter
und theoretiker geltend, die uns beweisen, dass man mit vollem
bewustsein in der weise, die er für V. schon annimmt, verfuhr,
um einer gemeinsprache entgegen zu kommen, aber was diese
leute im äuge haben, sind doch auch nur verhol tnismSfsig wenig
sprachliche einzelheiten gewesen und ist, trotzdem wir uns um
mehrere Jahrhunderte weiter befinden, gar nicht zu vergleichen
mit ^der last, die er V. aufbürdet', und die in der tat, glaub ich,
seinen schultern zu schwer gewesen wäre. K. hat, um das mafs
von V.s rücksicht auf das hd. zu veranschaulichen, s. 155 ff die
verhältniszahlen von 29 arten von reimpaaren, die nach beiden
Seiten richtig sein würden, in der En., bei Hartmann, Wolfram
und Gotfrit nebeneioader gestellt, da erhalten wir die allerdings
auffälligen zahlen: Veldekel891, Hartm. 713, Wolfr. 509, Gotfr.
775. ich bestreite nicht, dass an ihnen V.s rücksicht auf das
deutsche publicum anteil haben mag, aber ob das bild zuverlässig
ist, um das ausmafs derselben anschaulich zu machen, bezweifle
ich doch, zu diesem zwecke hätten m. e. alle indifferenten
reime neben einander gestellt werden müssen, zb. auch die auf
al{le), an(ne) ua., die nicht aufgenommen sind, auch dann würde
es die nackte Wahrscheinlichkeitsrechnung allein noch nicht tun;
es können mancherlei mitwirkende momeute in betracht kommen,
es gibt eine sehr grofse anzahl oberdeutscher reime, die V. nicht
zu geböte standen — K. selber hat s. 152 eine stattliche liste
solcher aufgestellt — und die er also durch andere ersetzen
musle. ich glaube nicht, dass sie durch eine ähnliche anzahl von
nicht oberd. aus V.s eigner spräche ausgeglichen würden, zur
feststellung fehlt uns freilich das material. und wie viel kommt
dabei nicht auf die individualität anl zb. das verhalten der dichter
gegenüber typischen reimen, in der En. erreichen die reime
auf -05 die hohe von 306 wegen des namens Eneas. standen
den andern dichtem eben so bequeme namen zu geböte? und
wenn ja, haben sie die bequemlichkeit ebenso weit getrieben?
K.s liste zeigt offenbar, dass der beträchtliche abstand Wolframs
von seinen hd. kunstgenossen wesentlich darin begründet ist,
dass er die wortformen kam, kämen ^ gän und stdn so gut wie
nicht gebrauchte, man sieht also, wie viel sprachliche einzel-
heiten hier ausmachen können.
Auch die frage, welche deutsche gegend denn V. im äuge
gehabt habe, wird beantwortet und zwar dahin, dass es ^haupt-
sächlich' Thüringen gewesen sei. daneben wird unter benutzung
von nachweisen Schröders auf mögliche beziehungen des dichters
zu Ostfranken aufmerksam gemacht.
Dem möglichen einwand, dass die uns vorliegende spräche
etwa das ergebnis einer mitteldeutschen bearbeituug von V.s text
sein könne, ist der Verfasser gleichfalls begegnet, er verneint
die möglichkeit im allgemeinen, gibt sie aber bis zu einem ge^
EEAUS BBCnUCH VON TELBEEE C. A.
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118 ROETHE DIE REIMVORREDEN DES SACHSENSPIEGELS
hier vorweg zu nehmen, nach, dass die alten sächsischen verse in
Goethes epigramm 'Sprache' widerklingen i. es ist tiberraschen d,
wie viel grammatische, stilistische und metrische beweismomente
R. den paar hundert versen abzugewinnen weifs. sie sind
manchmal subjectiver art, wie man auch bei dem gründlichen
commentar der verse hier und da einmal einen zweifei an der
auffassung hegen kann, aber der Verfasser dürfte wol jeden über-
zeugen, dass, wie es auch von anderer seite schon ausgesprochen
und auch zu begründen versucht worden ist, nur die zweite der
vorreden Eike vReppichau selbst zum Verfasser hat. in diesen
seinen versen bediente er sich einer spräche, die den prononcierten
Charakter des mitteldeutschen sowol wie des niederdeutschen
meidet, die markanten Idiotismen beider sprachgestallen leidlich
fern hält und den beiden gemeinsamen besitz bevorzugt.
Auf dem grundsatz fufsend, dass es durchaus nicht 'natür-
lich' ist mundart zu schreiben — ich möchte, was darüber s. 29
so schon gesagt ist, allen ganz besonders ans herz legen — weist
die Schrift dann aber weiter nach, dass die gesamte ältere nd.
reimlitteratur bis zum 14 jh. in einer sehr stark vom hd. beein-
flussten spräche abgefasst ist. die dichter hatten kein heimisches
Vorbild, und die notwendigkeit, sich an die md. oder hd. kunst
anzulehnen, hat den Charakter ihrer spräche bestimmt, ähnlich
wie bei K. wird der beweis nicht blofs damit geführt, was positiv
an nichtniederdeutschem in den texten als ursprünglich von den
dichtem herrührend anzusehen ist^, sondern auch mit dem, was
an nd. Sprachelementen fehlt, und ein besonderer nachdruck
wird auf die bedeutung des Wortschatzes für derartige Unter-
suchungen gelegt.
Auch wem nach eigener forschung oder nach Behaghels
bekanntem aufsatz die tatsache nicht ganz neu ist, dem dürfte
sie hier doch in einem neuen lichte erscheinen, und ebenso neu
wie einfach ist vor allem die auffassung des Verfassers, dass es
durchaus kein zufall ist, wenn fast die gesamte Überlieferung
dieser altern poesie so stark hd. erscheint, das ist eben nicht
^ Roethes auffassung von der construction der letzten 4 zeilen teil
ich nicht und bleibe dabei, 6'ot<Aet^,. sowie ifac/i< als ruffonnen aufzufassen.
' einige Kleinigkeiten : zu das s. 56 mit anm. 4 ist das mnl. zu be-
achten; s. Mnl. wb. II 76f und vgl. auch Behaghel im Grundriss i* 778.
straffen und kl6k scheint R. mit bestimmlheit als hd. lehnwörter anzusehen;
wahrscheinlich mit unrecht, auch die erklärung von rechter als comparativ
(s. 94 anm. 6) ist nicht sicher, wenn es sich bestätigt, dass die form so
weit reicht wie der gebrauch starker adjeclivformen nach dem artikel, so
spricht das eher für die ableitung aus ter rechter hant bei der Verwen-
dung der deminution (s. 81) wäre etwas vorsieht geboten, da die formen
ursprünglich wol weniger schroff nach mundarten getrennt waren, sondern
vielfach mehrere bildungen nebeneinander gebraucht wurden, reste von dieser
gröfseren freiheit sind immer in den mundarten geblieben und am leichtesten
wol in der Schriftsprache, was das nd. betrifft, so wäre im ganzen vielleicht
etwas mehr rucksicht auf die innerhalb des Sprachgebiets selbst vorauszu«
setzenden unterschiede zu nehmen gewesen.
BOETHE DIE REIMVORREDEN DES SACHSENSPIEGELS 119
▼erhochdeutschuug durch fremde Schreiber, sondern der ursprüng-
liche Charakter, erst vom 14 jh. ab bildete sich, indem man
der heimatssprache immer mehr räum gewährte, eine nd. poetische
litteratur. auch sie schleppt immer noch eine nicht geringe dosis
hd. reime mit sich^ die als 'der vererbte, technisch versteinerte
rest aus einer periode, wo man in Mederdeutschland nicht nur
hd. reimte, sondern auch hd. schrieb, so gut es gehn wollte',
anzusehen sind, als eine spontane mode der nd. dichter lassen
sie sich nicht erklären.
Kraus hat noch vor dem druckabschluss kenntnis von R.s
Schrift nehmen können, trotz der Übereinstimmung in tendenz
und methode zwischen dieser arbeit und seiner eignen muss er
(s. 172 anm.) einen wesentlichen unterschied feststellen zwischen
dem verhalten der nd. dichter in dieser frage und dem Veldekes.
bei jenen ist es der mangel einer heimischen tradition, der sie
nach hd. Vorbildern zu greifen nötigte; bei Veldeke fehlte diese
nOtigung, es war vielmehr sein freier wünsch, auf das hd. publicum
zu würken. 'ferner stehn die Niederdeutschen so sehr unter
dem bann ihrer vornehmeren und gewanteren hochdeutschen ge-
nossen, dass sie auch massenhaft hochdeutsches sprachgut aus
ihren bänden entgegennehmen, ihrer eigenen spräche zum trotz:
bei V. aber liefs sich gerade so hübsch beobachten, wie er dem
fremden concessionen macht, ohne doch das heimische zu schä-
digen'. R. sieht das zurücktreten der mundartlichen färbe als
eine immanente folge der wähl der hd. Schriftsprache an, er will
die rücksicht auf ein gemeindeutsches publicum ausschliefsen oder
doch stark einschränken, ich bin aber hier von R. nicht ganz
überzeugt, selbst wenn die leute blofs in consequenz ihres an-
schlusses an die hd. lilteratursprache dahin gelangt wären, das
eigenmundartliche einzuschränken, so scheint mir das kein blofs
naives verfahren mehr zu sein, etwas von der Überlegung, die
R. ausschliefsen zu wollen scheint, ist notwendig dabei voraus-
zusetzen. R. selber spricht öfter auch von der gewähltheit der
spräche, die darin besteht, dass der alltagsausdruck mit bewustsein
und absieht gemieden wird, und manchmal fliefst doch auch die
rücksicht auf eine gemeinsprache oder doch einen weiteren leser-
kreis bei seinen betrachtungen ein. also die motive schillern,
das verfahren ist ein compliciertes, und das spricht mir für
bewustheit und Überlegung, nicht für die notwendige folge eines
getanen Schrittes, man stellt sich leicht die mittelalterlichen
menschen als zu naiv vor. wenn Maerlant sagt
Men moel om de rime souken
Missclike tonghe in bouken:
Dielsch, brabunls, vlaemsch, zeeus,
Walsch, latijn, griex ende hebreeus,
so steht das ja freilich auf einem andern blatte, aber doch we-
nigstens im selben buche, und es spricht so drastisch für eine
120 KRADS UEINRIGU VON V£LDER£ U. D. UHD. DICHTERSPRACHE
bewuslheit uad absichllichkeit in liUerarischeo diogen, dass es
uns auch in verwaoten fragen zur vorsieht mahnt, ich meine,
wir dürfen V. doch den Niederdeutschen näher rücken und
brauchen ihn nicht als besonders individuelle erscheioung zu
nehmen, eine Schwierigkeit, die dabei nicht zu übersehen ist,
hat K. schon richtig hervorgehoben, in V.s nächster nachbar-
schafl bestand eine ripuarische litleratursprache, aber die schreibt
V. entschieden nicht, und sie ist es auch nicht, auf die er besondere
rücksicht nimmt, wir sehen uns wol hier zu der Voraussetzung
gezwungen, dass er seine dichtersprache oder die anschauung,
die dazu führte, sich nicht in der heimat, sondern in Nieder-
deulschland^ oder wol im östl. Mitteldeutschland gebildet habe,
dort würde er sich die rücksicht auf eine an das hd. sich an*
lehnende gewähltere spräche, die das ausgeprägt mundartliche ver-
meidet, angeeignet haben, ohne aber sein maastrichtsch als positive
grundlage seiner Schriftsprache zu verlernen, ein entschiedenes
theoretisches bewustsein, das sich bei ihm besonders stark in den
wünsch umsetzte, nach Deutschland hin zu wOrken, brauchen wir
nicht abzuleugnen, wenn also dem dichter sein unvollendetes
manuscript entwendet wurde, und er neun jähre warten muste,
ehe er in Thüringen wider in dessen besitz gelangte, so war das
trotz seinem Uoren' nicht ganz gegen seine absiebten, ohne
zweifei ist das werk auch bald in jene art von md. spräche um-
geschrieben worden, in der die gesamte Überlieferung gehalten
ist, und die er selbst vorbereitet hatte, so wurde es um so
leichter zum vorbild nicht nur für mitteldeutsche und mitteldeutsch-
niederdeutsche, sondern auch für oberdeutsche dichter, die ja
daran gewöhnt sein musten, dass ihnen die modecultur in mittel-
deutscher form zukam, der zufall hat also nur unterstützt, was
V. selbst beabsichtigte, und was die absieht in ihm erregte, werden
nicht nur seine beziehungen zu Deutschland gewesen sein, son-
dern auch die tatsache, dass ihm in den Niederlanden wahrschein-
lich ein genügendes publicum gefehlt haben würde, das ritterliche
Wesen, dem er sieh als dichter dienstbar machte « hatte ja jene
gegenden mit macht ergriffen und ihnen die hauptsächliche Ver-
mittlerrolle zwischen Frankreich und Deutschland übertragen,
aber die an verkehr und mittelu reicheren hOfe, ohne die eine
hofische epik damals noch nicht bestehn konnte, waren in den
nl. Provinzen, die hier in betracht kommen, wol grofsenteils durch
die französische poesie mit beschlag belegt, als wenigstens 50 jähre
später eine höüsche epik in der landessprache auch dort Verbrei-
tung fand, da gab es für V.s gedieht keine nl. Überlieferung, und
gegen die deutsche poesie hatten die gebiete sich abgeschlossen,
auch hatten die Zeiten sieh inzwischen doch wesentlich geändert,
und dem nl. publicum der höfischen gedichte, zu dem, wie ich
glaube, schon sehr viele der bürgerlichen gehörten, die gern an
der vornehmen mode mittaten, stand der alte ritler Veldeke schon
ROETHE DIE BEIHVORBEDEN DES SACHSENSPIEGELS 121
fern, dass dessen Vermittlung nach Oberdeutschland nicht den
Rheinlanden zufiel, muss sich eben daraus erklären, dass seine
persönlichen beziehungen nicht hierbin, sondern nach Binnen-
deutschland giengen. der unterschied zwischen V. und den nieder-
deutschen poeten, den wir eben mit K.s worten hervorgehoben
haben, erklärt sich wol genügend einerseits aus dem so viel
grOfseren abstand seiner heimat und spräche von dem vorbilde
liehen litteraturcentrum, anderseits aus der tatsache, dass jene.nd.
dichter grOstenteils in den gegenden zu hause waren oder würkten,
wo doch gewis schon damals das mitteldeutsche die ersten schritte
getan hatte, die später zur ablösung auch der niederdeutschen
Volkssprache führten, natürlich sind auch inviduell bedingte
unterschiede nicht ausgeschlossen, wie mannigfach verschieden
sich das im gründe übereinstimmende streben nach einer tem-
perierten spräche, 'die weit über die engen grenzen des.dialekts
verständlich ist und sich aufserdem eine über das alltägliche
herausragende würde wahrt', bei den einzelnen dichtem reflectiert,
das hebt sowohl K. wie R. hervor, besonders lehrreich der
letztere, und unter den individuellen gestalten, die er vor uns
vorüberziehen lässt, erscheinen einige höchst interessante cha-
rakterköpfe.
Noch manchen trefflichen gedanken für die geschichte der
deutschen spräche und litteratur enthält R.s schrift. aber wenn
sie nun weiter noch erweisen will, dass Eike auch den text seines
rechtsbuches in derselben spräche wie die gereimte vorrede ab-
gefasst habe, so folge ich nicht mehr. R. hat mich wol überzeugt,
dass der Verfasser auch hier temperierte, vielleicht stark tempe-
rierte, aber dem eindruck, den ich stets gehabt habe, auch über
die zufällige Überlieferung hinaus, dass in seinen versen und in
seiner prosa zwei verschiedene arten von spräche zu erkennen
sind, kann ich mich auch jetzt nicht entziehen, ich finde es
Dicht so seltsam, dass man in einer zweisprachigen gesellschaft
die im platt sich bewegende prosa von versen in dem vornehmeren
gewande begleitet sein lässt. wenn R. so glücklich den stand
der Überlieferung für seinen satz, dass die frühere nd. poesie hd.
abgefasst gewesen sei, verwertet, so mOcht ich auch hier die
gleiche rücksicht auf die Überlieferung beanspruchen, in der
Weltchronik haben wir doch wider dasselbe Verhältnis, und die
Sache scheint mir auch nicht viel anders zu liegen, wenn der
Schreiber eines nd. prosaischen textes, den er nicht selbst ver-
fasst hat, aber doch nd. abschreibt, ihm hd. verse hinzufügt (s. 34;
67anm.; 74 anm.). wenn der Deutschenspiegel nach einer nd.
handschrift bearbeitet ist, so scheint mir das denn doch mehr
zu ergeben, als 'dass in den sechziger jähren etwa schon nd.
ausgaben des Sachsenspiegels existiert haben müssen'. soHte,
wenn Eike das werk selbst hd. geschrieben und verbreitet ge-
habt hätte, dem bearbeiter eine mehr hd. handschrift so schwer
A. F. D. A. XXVI. 9
122 ROETHE DIE BEIMVORBEDEN DES SACH$RI«SPI£GEL8
ZU erreichen geweseo sein, dass er sich mit einer nd. begnügt
hätte, die ihm so viel grOfsere Schwierigkeiten bereitete und ihn
zu so mancherlei misverständnissen verführte?
Ich habe der auffassung, dass die poetische spräche sich an
die hd. deshalb angelehnt habe, weil ihr die heimische tradition
fehlte, nicht widersprochen, wollte man nicht die Schwierigkeit
auf sich nehmen^ die eigene spräche — nicht auf die hohe des
schriftlichen ausdrucks, auf der befönd sie sich meines dafOr-
haltens — sondern auf die höhe der gewdhltheit, die man der
poesie der hohem kreise für angemessen erachtete, zu bringen
und sie für den ausdruck neuer anschauungsweisen und gedanken
umzumünzen, so blieb nichts anderes übrig als jene aniehnung.
die alte epische poesie in versen mag sich grofsenteils in prosa
aufgelöst gehabt haben, doch haben auch verse noch weiter be-
standen, das würde ja schon allein der von dem mhd. abweichende,
aber mit dem mnl. übereinstimmende versbau beweisen, dessen
eigentümlichkeiten sich sogar auch da zum teil einstellen, wo
man die hd. dichteisprache wählt, diese mündliche poesie hat
aber wol nicht für gesellschaflsfähig gegolten, und besonders
fehlte die tradition für die neu aufkommenden Stoffgattungen,
aber ich glaube, wir dürfen dabei zweierlei mcht übersehen,
erstens war der schritt wol schon insofern erleichtert, als man
sich dort, wo er getan wurde, in den oberen kreisen auch so
wie so schon dem einfluss des hd. erschlossen gehabt haben wird,
und zweitens war das eindringen der spräche mit dem eindringen
einer neuen cultur und deren besonderer poesie verknüpft, also
der zwang, den wir hier zugeben, war doch nicht blofs zwang,
sondern zugleich auch eine mode, der man willig entgegenkam,
demgegenüber ist meines dafürbaltens für die litterarische prosa
eine alte tradition vorhanden gewesen, sie ist doch ungefähr
zur zeit des Sachsenspiegels als etwas fertiges da. selbst wenn
das original dieses Werkes kein zeugnis für sie ablegte, so
doch seine nd. redactionen und abschriften; und dann die Welt-
chronik und so manche^ andre, das Vorhandensein einer nd.
geschriebenen prosa erklärt auch leichter den Übergang von einer
stark hd. gefärbten nd. poesie zu einer reiner niederdeutschen,
auch die friesischen gesetze gehören in diesen kreis einer allge-
mein nd. litteratursprache. wie sollte man ihre erscheinung als
eine völlig isolierte erklären können? wer einmal acht darauf
gibt, wird wol die beweise für die Wechselbeziehungen zwischen
nd. und fries. prosa leicht bemerken, ich glaube wenigstens auf
einen solchen beweis aufmerksam machen zu können : das ge-
wöhnliche orthographische th für germ. r, ganz besonders im
anlaut, das im norden am häufigsten ist, aber dann in die Schriften
aller nd. gegenden und ebenso die holländischen eindringt, das
griech.-lat. th genügt gewis in keiner weise, die Orthographie zu
erklären! wohl aber würde sie sich erklären, wenn wir von den
ROETHE DIE REIHVORREDEiN DES SACHSESSPIEGELS 123
scbreibgewohnheiten solcher gegenden ausgehn dürfteo, wo das
anl. tk sprachlich zu / geworden war, also friesischer, mir scheint^
dass wir uns nicht die richtige Vorstellung über den umfang der
litteratur — lilteratur im weitesten sinne genommen — in fro-
herer zeit machen, dass wir zu viel nach den zufällig bewahrten
resten urteilen, auch schon vor unsern ältesten nd. denkmälern
dQrfLe eine geschriebene lilteratur liegen, und ein sicherer beweis
dafür scheint mir das uo neben ö in nd. Schriften^ das ebenso
wenig als hd. anzusehen ist, wie zb. das uo (für späteres ö) in
altkülnischen texten, sondern mit einer ursprünglich viel weitern
ausdehnung des diphthongierungsgebietes zusammenhängt, auch
die e für ä — soweit sie nicht umlaut sindl — reden vielleicht
mit. diese frage, sowie der lebenskampf zwischen den anglo-
friesiscben und sächsischen mundarten bilden wichtige probleme
in der geschichte der nd. litteratur, die also, wie ich glaube,
keineswegs im 13 jb. neu entstanden ist. wir wollen selbst ein-
mal einen augenblick zugeben, es habe vorher keine prosaische
litteratur gegeben; würde es dann richtig sein, dass 'der schritt
von der gewohnheitsmäfsigen Übung deutscher spräche in dem
mündlichen rechtsverfahren bis zu seiner schriftlichen fixierung
sehr grofs war*? ich bin überzeugt, dass die Ofifentliche rede vor
gericht in den damaligen Zeiten sogar besonders stark stilisiert
gewesen ist, und die poesie der geschriebenen gesetze auch schon
der gesprochenen rechtsprosa innewohnte, nehmen wir einmal
ein andres gebiet, ist wol viel mehr nötig gewesen als der ent-
schluss zu der mechanischen procedur, um eine predigt zum ersten
mal schriftlich festzulegen?
Aber Eike sagt ja selber, dass ihm die deutsche abfassung
seines Werkes, das er vorher schon lateinisch geschrieben hatte,
'so schwer' gefallen sei!
des heran libe in gar verwan,
daz he des büches began,
des im was vil ungedäht»
(Ig erz an lattn halte bräht
äoe helfe und eine l^re;
(16 dühte in daz zu swSre,
daz erz an dusche wante.
wir haben uns hier, furcht ich, wider einmal verleiten lassen,
die alte spräche mit modernen äugen zu lesen, ich halte es für
unnötig zu untersuchen, ob swere bei Eike überhaupt 'schwierig'
bedeuten könne, jeder, der sich richtig besinnt — sonst möge
er die gewöhnlichen Wörterbücher nachschlagen — wird mir zu-
geben, dass es für die leser nicht notwendig und nicht einmal
das nächstliegende war, die worte in diesem sinne aufzufassen,
dass sie ihm vielmehr zunächst nur besagten, die deutsche ab-
fassung sei Eike lästig gewesen, sollte nicht die erwähnung
der iat. redaction in bezug zu dem swere stehn, nicht der sinn
9*
124 ROETHE DIE REIMVORREDEN DES SACHSENSPIEGELS
einfach sein, ^naclidem ich das mühevolle werk vollbracht^ dne
helfe und dne lere, schien es mir zu lästig, auch noch die deutsche
bearbeitung auf mich zu nehmen'? eine andre auslegung noch
steht ofTen. wir hatten schon einigemal anlass die Vermu-
tung auszusprechen, dass bereits damals in eigentlich nieder-
deutsch redenden gegenden die hd. spräche eingang gefunden
habe, und wenn R. sagt, dass man recht gut hd. verstanden
haben müsse, so läuft das ja ungefähr auf dasselbe hinaus, dann
hat man aber gewis besonders gern beim schreiben das vor-
nehmere idiom gewählt, bei graf Hoyers auftrag kam es jedoch
darauf an, zum ganzen volke der Sachsen, den läten al gemeyne,
zu reden, und dafür muste eben das platt gewählt werden, das
mag Eike ^unangenehm' gewesen sein, ähnlich so wie es auch
heute manchem gebildeten swere ist, wenn man ihm nur die
kenntnis seiner mundart zutraut, oder etwa einem Luxemburger
sichre wäre, wenn er zum schriftlichen ausdruck statt des fran-
zösischen seine landessprache gebrauchen sollte, das könnte
wenigstens in den Worten gefunden werden^ aber ein beweis
gegen das Vorhandensein einer nd. prosa meines erachtens nicht.
Vielleicht muss ich auch noch dem einwurf begegnen, warum
man denn damals die Urkunden noch nicht nd. abgefasst habe?
darauf würde ich einfach antworten, 'weil es so mode war', eine
not wendigkeit ist es sicher nicht gewesen, sich solange des
lateinischen zu bedienen, es war eine tradition von alter zeit
her, und sie fristete sich aus bekannten motiven immer weiter,
bis die kunst des lesens schon eine weitere Verbreitung erlangt
hatte, und der gröfsere anteil von leuten, die kein latein ver-
slanden, an den ötTentlichen geschäften erfolgreich an ihr rüttelte.
R. schliefst seine schöne arbeit mit einem hinweis auf den
anteil des norddeutschen an unserer modernen litteratursprache,
wobei ich in erinnerung bringen darf, was ich in ähnlichem sinne
grade vor neun jähren an dieser stelle (xvii 108) geäufsert habe,
vor fast 700 jähren ist der Niederdeutsche Eike der Schriftsprache,
der litteratur und cultur des deutschen Südens entgegengekommen,
man könnte von einer Verlobung reden, bei der der norden sich
der feineren erziehung, die in der vornehmeren familie der braut
herschte, willig zu fügen suchte, aber das geschlecht, das dieser
ehe entsprossen ist, verleugnet die art des vaters nicht.
Ronn, november 1899. J. France.
Geschichte der deutschen Schriftsprache in Augsburg bis zum jähre 1374.
von Friedrich Scholz. [» Acta Germanica v 2.] Berlin, Mayer and
Müller, 1898. iv und 286 ss. 8^ — 8,50 m.
Die Scholzische arbeit (von der s. 1 — 38 bereits 1895 als
Berliner dissertation erschienen) bietet einen beitrag zur geschichte
der deutschen Schriftsprache, der aus mehreren gründen be-
achtenswert erscheint: einmal beruht die Untersuchung direct auf
SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHRIFTSPRACHE IN AUGSBURG 125
handschrifllichem material, das Seh. selbst aus deo archiven zu
MOncheo, Berlio und Augsburg zusammeDgetrageo hat, und weist
priacipiell, ebenso wie Brandstetter es für Luzern und reo. für
Köln und Stettin getan hatten, die benutzung von urkundenpubli-
calionen. zurück, anderseits greift er durch die wähl der be-
handelten Stadt mitten hinein in die brennendsten fragen der
schriftsprachlichen entwickiung zum nhd. hin, in der Augs-
burg als Vermittlerin zwischen schwäbischen und bayrischen
elemeuten durch seine führende Stellung unter den süddeutschen
reichsstädlen neben Nürnberg zur trägerin weiter greifenden
einflusses besonders berufen war. damit ist man endlich einmal
an die lösung der schwierigen und für die weitern enlwicklungen
so wichtigen fragen nach der ausgleichenden Wichtigkeit der süd-
deutschen reichssprache herangetreten, freilich behandelt die
vorliegende arbeit erst den Zeitraum bis 1374, dh. bis zu der
inneren angleichung der localen Schriftsprachen Augsburgs unter
einander in der zeit des Stadtschreibers Nicolaus Hagen : der weitere
fortgang, besonders seit dem hinzutreten des buchdruckes, wo
sich widerum nach allen Seiten neue und wichtige ausblicke
öffnen, harrt also noch der bearbeitung; die beginnende zeit
Karls IV tritt weniger hervor.
Seh. teilt sein buch in vier abschnitte; der erste behandelt
grundlagen und methode der Untersuchung, der zweite in allzu
ausführlicher weise das urkundenwesen Augsburgs, das sich doch
principiell nicht von dem andrer grofser städte unterscheiden
dürfte, der dritte bringt die Zusammenstellungen über lautstand und
Schreibung, weniger über stil der quellen, der vierte eine Über-
sicht über den gesamtverlauf der sprachlichen entwickiung des
gewählten Zeitraums, auf diese teilung selbst werd ich unten
weiter einzugehn haben ; von den bei Seh. s. 6 angeführten drei
methodologischen winken möcht ich jedoch nur den dritten, der
übrigens nicht neu ist, im princip anerkennen : ^um für die frage
nach der ältesten Schriftsprache weitere gesichtspuncte offen zu
halten', will Seh. als Schauplatz einen für die geschichte der zeit
bedeutsamen ort wählen, die localen rechtslitterarischen denk-
mäler müssen in reicher zahl und womöglich in ununterbrochener
reihe vorhanden sein, es darf nur ungedrucktes material gewählt
und das vorhandene muss auf Originalität des Schriftstückes und
Zuverlässigkeit des ausgangsortes hin kritisch gesichtet werden,
dass nur ungedrucktes material zur Verwendung kommen dürfe,
wie schon oben bemerkt, hat bereits Brandstetter seit 1890 in
seinen drei bekannten abhandlungen gezeigt, von denen Seh. (s. 5)
nur die letzte citierl; aber auch über kritische sichtung des mate-
rials hat derselbe Brandstetter 1891 und der rec. im Nd. jahrb.
20 (1894) s. 59 in einem aufsatze über die pommerische kanzlei-
sprache geredet^ den Seh. in diesem bereits 1894 gedruckten
teile seines texles nicht mehr verwenden konnte.
126 SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHRIFTSPRACHE IN ADGSBDR6
Die beiden ersten forderungen hingegen sind als principielle
erkenntnisse nicht zu hallen, gewis wird sich die schriftsprach-
liche entwicklung einer bedeutenden Stadt wie Augsburg mit
ganz anderer klarheit bei fast lückenloser Überlieferung des
materials entwickeln lassen, als etwa bei kleineren orten, darum
dürfen aber doch diese nicht principiell aus der reihe des zu
behandelnden ausgeschieden werden; mögen sie sich auch wider
an eine gfrOfsere Stadt anlehnen, die in ihrer nähe ligt und in
politischer oder handelsbeziehung zu ihnen steht, jedesfalls ist
auch hier eine Untersuchung geboten, wie ja der verf. selbst
vereinzelt derartige bemerkungen gemacht hat ja es ist der
notwendige anhang zur entwicklungsgeschichte der Schriftsprache
eines centralpunctes, zu sehen, wie die aoregungen, die dem
grüfseren orte durch den verkehr von aufsen zugeführt wurden,
ihrerseits kleineren orten als neues aufgedrängt worden sind,
jede arbeit wie die vorliegende steht im dienste einer allge-
meinen entwicklungsgeschichte der nhd. Schriftsprache, die, wie
der rec. an anderm orte ausgeführt hat, erst dann wflrklich in
ihrem ganzen umfange überschaut werden kann, wenn alle
archive durchforscht und die tausendfältigen Schriftstücke einge-
sehen worden sind, die in durcheinanderlaufenden fäden das
ganze reich durchziehen.
Um diese i^den zu entwirren, dazu bedarf es sorgsamer
hitnde, die die wege im einzelnen kennen, arbeiten in der
art der Sch.schen locken zur ausftthrung : es ist aber zu bedauern,
dass jede ihren eignen weg sucht; es ist für ein so wichtiges
gebiet der forschung, das würdig der erkenntnis der herausbildung
einer mhd. Schriftsprache an die seite tritt, ein fester halt n(^tig,
damit man in den weilen sälen der archive nicht irre gehe, und
so reich an einzelbeobachtungen die vorliegende arbeit ist, deren
minutiöse gewissenhafiigkeit man nur bewundern kann, es fehlen
drei wichtige factoren, die vielleicht die gewonnenen resultate zu
ändern oder mindestens anders zu beleuchten im stände wären, das
ist 1) principielle belonung des adressaten, 2) principielle
heranziehung der einlaufenden Urkunden, also vorzüglich auch
aus der kaiserlichen canzlei, die Seh. nur hie und da und be-
sonders nur dann beachtet, wenn sie in Augsburg ausgestellt
waren, und 3) beleuchtung des historischen hintergrundes; hier-
mit komm ich zur besprechung der disposition.
Seh. hat in seinem grammatischen teile eine eigenartige ein-
teilung gewählt, die zur kritik herausfordert er gibt äufserlich
das Schema der mhd. grammaliken, teilt aber innerhalb eines
jeden lautes regelmäfsig belege, geltung, bezeichnung; die beiden
letzteren bilden Öfter 6in capitel. innerhalb des abscbnittes ^belege'
sind aufserordentlich sorgfältig die einzelnen schreiborte Augs-
burgs, zb. 1) städtische Urkunden, 2) bisdiof und domcapitel,
3) curie, 4) klöster, 5) stadtbuch, 6) achtbuch usw. geschieden.
SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHRIFTSPRACHE L\ AUGSRDRG 127
sehen wir uns aber zb. die belege des wichtigen Vorganges der
neu eintretenden diphtbongierung bei i an (s. 114 ff), so folgen
da seitenlange aufzählungen der verschiedenen Beispiele mit erhal-
tenem fy und mit neuem ei ey^ ohne dass ein klarer überblick
möglich ist, an wen diese Urkunden gerichtet sind, nur vereinzelt
erscheint eine orientierende bemerkung darüber: 1342 rat an
Rotenburg: trtiien nur t S (=« stadtschreiber) 15 (R xi, M 42 ^j%
vgl. 8. 116) gegenüber einem ti bereits bei. S 3 z. j. 1283 in
einer ratsurk. (an wen?), diese beiden belege geben also nur ein
allgemeines bild des Schwankens, das wir auch schon a priori
haben; die frage tritt aber sofort greifbarer in das licht, wenn
wir die belege nach den adressaten scharf sondern, so ist es
wol ganz erklärlich, dass 1330 S 9 in einer vorurk. des kaisers
an die Stadt auch ti schreibt, und der einfluss kaiserlicher urk.
mit Seh. s. 125 f durchaus wahrscheinlich, aber das beispiel ge-
hört, wie alle die gleicher gattung, nur bedingungsweise hierher,
die urk. ist zwar in der stadtcanzlei geschrieben, aber von aufsen
heeinflusst, da sie an die Stadt selbst gerichtet und eine vorurk.
ist; ebenso schreibt S 17 bei gleicher gelegenheit 1345 fast nur ei,
während er 1346 — 47 sonst ei meidet (s. 129) : solche urkk.
nehmen klärlich eine ausnahmestellung ein und sind besonders
zusammenzustellen, die zahlreichen beispiele schliefsen sich also
nur dann zu einem verständlichen bilde zusammen, wenn einer-
seits eingänge von aufsen, und ausgehnde Urkunden geschieden
und anderseits — damit komme ich auf das im Nd. jahrb. 20
vorgeschlagene zurück — bei diesen letzteren die correspondenz
innerhalb der engeren landschaft und über diese grenzen ins
reich, an den kaiser auch in den beispielen streng auseinander
gehalten werden, dass die spräche im innern Verwaltungsdienst
der canzlei und in den dafür bestimmten Schriftstücken wider
eine ganz andre, viel conservativere färbung zeigt, siebt auch
Seh. zb. s. 127. ist dem aber so, dann ist die von Seh. zu
gründe gelegte disposition nicht zu halten, noch kürzlich wies
Burdach in der recension der Arndtschen arbeit über die Rres-
lauer canzleisprache (DLZ 1899, sp. 60 IT) darauf hin, dass die
Schriftsprache ganz anders zu untersuchen und zu behandeln sei,
als etwa ein in sich geschlossener volksdialekt : hier tauchen von
allen Seiten neue fragen auf. wir dürfen also schriftsprachliche
Untersuchungen, nicht in das Schema der herkömmhchen mhd.
grammatiken zwängen : der zweck des Schriftstückes muss
das einteilungsprincip geben, nichtder einzelne laut,
ist die spräche der Urkunden, die nach aufsen gehn,
dann ihre spräche innerhalb der landschaft, sodann die
Sprache der inneren Verwaltung, jede in sich mit bei-
spielen belegt, dann erhellt die entwicklung eines jeden dieser
teile im einzelnen und kann an einander und an weiteres ange-
knüpft werden, so gibt Seh. in den capiteln über bezeichnung
128 SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHRIFTSPRACHE in AU6SRURG
"der laute resullale, die dann im gesamtverlauf nochmals unter-
sucht werden, das resuhat selbst zerfallt in einzelheiten. doch
soll eine derartige saubere belegsammlung wie die Sch.s durchaus
nicht gering geschätzt werden, sind die belege zu zahlreich, um
im text eine stelle zu flnden, so sind sie vielleicht als anhang
empfehlenswert, wie es Nebert 1891 in seiner freilich nur aus
gedruckten quellen schöpfenden arbeit über die Speyrer canzlei-
sprache, getan hat. der text selbst ist der gegebene mittelpunct,
den die belege erläutern sollen, nicht umgekehrt 1
Als dritten punct möcht ich die möglichst deutliche heran-
ziehung und Verwertung historischer beziehungen empfehlen. Seh.
hat zum ersten mal, durch sein material in hohem mafse begünstigt,
gerade Schreiber und schreiberhände zu verfolgen gelegenheit
gehabt, in wie weit die zusammenziehung der von Chr. Meyer
im stadtbuch von Augsburg geschiedenen häude viii, ix, x zu
6iner band (S 17) berechtigt ist, kann natürlich nur an ort und
stelle entschieden werden; stutzig macht freilich eine allzu grofse
regellosigkeit des Schreibers (NHagen «= S 17), dem Seh. eine
führende Stellung in der canzlei zuschreibt und unter dessen
'ära', wie er es nennt, die ausgleichung aller augsburgischen
Schreibgelegenheiten auf sprachlichem gebiete stattfand, so dass
er ihn als grenze seiner abhandlung aufstellte, vergleiche dazu
die recht praktisch eingerichtete Übersicht über die Urkunden der
Stadt und des kaisers als vergleichung s. 275 fr anm. 2 zu den
jj. 1347 fiT. allerdings wird gerade hier das urteil sehr durch
den mangel der adressatenbezeichnung der urkk. eingeschränkt,
während Seh. anderseits die einlaufenden kaiserurkk. hier und
da wenigstens verwertet und damit die richtigkeit meiner obigen
behauptung zugeben wird, im gegensatze dazu scheint dem nach-
prüfenden beurteiler vielmehr S 16 eine weit gröfsere Wichtig-
keit wenigstens für die folgezeit gehabt zu haben, wie Seh. selbst
s. 283 durchblicken lässt; während nämlich S.17 sich zuerst
merkwürdig ablehnend gegen beeinflussung von Seiten der kaiser-
lichen canzlei zeigt, schreibt S 16, der anscheinend 1369/70
(also nach S 17) die leitung der stadtcanzlei übernimmt, et (selten
at) für ai und meidet den um laut (näheres Seh. 8.283), also mit
charakteristischen merkmalen der canzlei Karls iv. die Wichtig-
keit beider lässt sich danach vielleicht schärfer so trennen, dass
S 17 (ich versteh nicht, warum der geselle S 16 eine niedrigere
zahl trägt als der meister s. 54) mit seiner entwicklungszeit
ganz in die zeit Ludwigs des Bayern gehört und mit all seinen
sprachlichen einigungsbestrebungen durchaus auf dem boden einer
localen canzleisprache steht, local insofern, als ja bairischer ein-
fluss auf allen gebieten seit lange spürbar war. im unklaren
bleibt, woher der merkliche Umschwung zur zeit Hagens S 17
1348 ff und der Übergang von der gemeinen canzleisprache
älterer zeit zu der allgemeiner üblich gewordenen der vierziger
SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHRIFTSPRACHE IM AUGSBURG 129
jähre kommt, ist S 17 hier fuhrer oder geführter? wichtig, und
noch genauer zu untersuchen bleibt die spräche der urkk. des
domcapitels und überhaupt der geistlichen schreiborte Augs-
burgs, die merkwürdigerweise, wie Seh. auch s. 129 zb. bemerkt,
eine schnellere Sprachentwicklung genommen haben,
sollte hier auf das s. 280 gebotene weiter einzugehn sein?
S 16 ist der Schreiber, der sofort der neu eindringenden art
der Urkundensprache Karls iv rechnung trägt, freilich (s. 283)
schon vor 1346 ähnlich geschrieben hat (beispiel?). die beziehung
zur kaiserlichen canzlei Ludwigs des Bayern erwähnt Seh. mehr-
fach und ^widmet dann auf s. 273 dem diplomatischen verkehr
zwischen der reichscanzlei und Augsburg einige worte'. zu einem
abschhefsenden urteil hat er nicht den mut gefunden, nach
seinen ausführungen ist es mir aber sehr wahrscheinlich, dass
die kaiserurkk. je nach regerem oder schwächerem verkehr und
der anzahl der Augsburger beamten in der kaiserlichen canzlei
zeitweilig einen grOfseren oder geringeren einfluss auf die Augs-
burger Urkundensprache gehabt haben.
Eine nochmalige Untersuchung gerade dieses problems muss
also zwei puncto besonders beachten: erstens hat Seh. die
kaiserurkk., die in Augsburg selbst von Augsburger schreiberu
geschrieben wurden (s. oben), mit andern vermischt, die aus an-
dern Städten nach Augsburg gesant worden sind (wenn ich so
das fehlen des städtischen Schreibers zb. bei der urk. 1322 (A)
s. 277 anm. recht deute), zweitens kann diesem schwanken
zwischen t und ei usw. nur dann energisch zu leibe gegangen
werden, wenn wir procentualische berechnungen des Vorkommens
gegen einander halten können: eine bemerkung zb. wie s. 279
anm. : 'S 16 I : ei, i* nutzt garnichts und iässt die hauptsache
im dunkeln, s. 278 anm. 'kaiser: f ; ei, ey, V deutet durch die
Stellung wenigstens auf geringeres vorkommen des t. nur wenn
wir die beispiele in zahlen vor uns haben, kann hier ein weiter
bindendes urteil gelallt werden, besser orientieren die beispiele,
in denen alle fälle der betreffenden art in einer urk. neben ein-
ander gestellt werden.
Endlich möcht ich darauf aufmerksam machen, dass die
zeit um 1374, bis zu der Seh. seine Untersuchung führt, auch
noch aus einem andern gründe für die Stadt wichtig ist. in diese
zeit föUt die innere neuordnung der städtischen regierung, das
emporkommen der Zünfte an die leitenden stellen, das in der
geschichte der Stadt so wichtig erschienen ist, dass mehrere der
Augsburger Chronisten gerade hiervon ihren ausgang nehmen,
vgl. Chron. d. dlsch. Städte, Augsburg i s. 21. 22. bes. beil. i
s. 135fr. in, s. 5 (Hektor Mülich) ii, s. 1 ff (Burkard Zink). solUe
sich aus der combination dieser städtisch-politischen dinge mit
der sprachlichen entwicklung etwa helleres licht auf letztere
werfen lassen?
130 SCHOLZ GESCHICHTE D. SCHBIFTSPBACHE IN ADGSBUBG
Ich Stelle zum schluss noch einmal zusammen, was ich bei
weiteren bearbeitungen gleicher theraata für Dötig halte :
1) die disposition gehl von den verschiedenen canzleien ans
und gibt nach einander die Sprachentwicklung der stadtcanzlei,
und eventuell der bischoflichen, fürstlichen usw. canzlei; innerhalb
dieser teile nach üblichem grammatischem Schema.
2) in der canzlei werden auch räumlich geschieden :
a. Urkundensprache nach aufsen,
b. urkuudensprache im rahmen der Stadt und landschaft,
c. spräche im innern Verwaltungsdienst.
3) die einlaufende correspondenz :
a. aus dem reiche,
b. aus der landschaft.
unterteil : fremde Urkunden in der eigenen canzlei geschrieben,
bei allen teilen ist der adressat zu notieren.
4) procentbcrechnung der beispiele, soweit nötig.
Steglitz. Willy Schbel.
Die anfange des deutschen minnesaoges. eine stodie von Anton E. Schönbach.
Graz, Lenschner und Lubensky, 1898. ix und 128 88. 8®. — 3 m.
Beitrage zur erklärang altdeolscher dichterwerke, voo Anton E. Schönbach.
I. Die altern minnesinger. Wien, bei CGerolds söhn lo comm.y 1899.
[Sitz.-ber. d. acad. d. wiss. in Wien, phil. bist« cl. cxn, ii.]
Nachdem unsere Wissenschaft sich seit fast zwei Jahrzehnten
überwiegend mit ängstlicher scheu auf den pfaden der ^exaclen*
aufnähme und vergleichung gehalten hat, beginnt seit kurzem
wieder ein kühnerer wagemut die probleme anzugreifen, die ohne
hypotbesen und folgerungen nicht von der stelle zu bewegen
sind, zum teil sind es dieselben forscher, die Skepsis und wage-
lust verbinden, wie es bei unsern nachbarn, den indogermanisten,
in typischer weise Kretschmers ausgezeichnete 'Einleitung in die
geschichte der griecb. spräche' tut. so ist sich auch SchOnbach
wol bewust, wie bedenklich es in der philologie in der regel um
'beweise' steht (s. 91); er denkt darüber sogar erheblich uogün*
stiger, als mir berechtigt scheint, dennoch vereinigt sein neuestes,
wider von vielfältiger gelehrsamkeit und scharfsinnigem nach-
grübeln beseeltes buch mit dieser erkenntois Vermutungen von
überraschender kühnheit.
Man kann es bei der lectüre der gewant und klar, wie immer,
geschriebenen Studie verfolgen, wie auf einer breiten gut stu-
dierten grundansicht sich mit immer geföhrlicherer Verengung
zuletzt eine nadelbreite spitze aufbaut, auf der ich wenigstens
nicht fufs zu fassen wage, die grundlage bietet Sch.s aligemeine
anschauung von den anfangen des minnesangs. aus einer scharf-
sinnigen Verwertung des über litterarische moden und die Zeitdauer
ihrer enutehung allgemein bekannten (s. 120) sowie einer viel-
leicht überscharfen beurteilung der im strengern sinne volks-
SCHÖ.NBACH DIE A.NFA.N.E lEf l :>:.!?•- W^Mifr.
lümlichen gesangspoesie der :*;:fL •»■.■* t .' ••
s-ur^fälliger prüfung auch dt: je-iCi.-:.!.* ' «i* »-
manus hinausgehuden beloiui: »*■ ;miwu- -»
uuserer niinoedichlung. nur >;j -faf i*»':*- ■
dem taüzlied, Iraut er eine uL.aierrri-n-n- • •. •'■■- •■
zu. dagegen sei der minne?.iii: *. . i ■ r
prubeu, insbesondere auch ic ifu iht.i r -.. ... ..
der Carmina Burana (s. 6) voi t»-n 'n-— -i- .•• ' -
die spätere volkstümliche lyr:t v.r .<l*ii^•o^^ •■*.. ■,.
und das herbsllied (s. 111) ^•r.*l ...r 'vi .... ,.
und Vorgänger möglich gewor:Hri.
Diese anschauung deck; *r.u in«. \-
dach. Berger, ich und and«-r* :. •;.
mir durch Josephs Küreuheri-ii»A:7^- i
mir ganz aneignen konnte, l«'jij km..
ich glaube, dass uir uns !ur i*-r. .in^
einer wenigstens annäherndeü . »»riT^ipt. .
£<i\v. Schröder erholTt weitei*- «utrLi-n
von dem Studium des verhällL ji>m: .i .
ni^-ister Alexanders kindheilbi»*:! i* . ■
heispifl solcher beziehungeL j;':r-.-..-
^y^lematische vergleichunj: d»rr iih-.j ..
Ikius als der hoffnuugsvollstfc v.-, ..... .
der Vaganten-, troubadour- uit im.^..
meine formelsammlungen (^. : ' ....
wuhlbegründete auflassuug zl Tinvi...
Als zweite schiebt erheb: ^••.
\ermulungsreihe, der wir wo »"
stehu dürfen, für die Uberii ...-.
Dach Deutschland zei^'l Seh. n--*.
r* ,» weg durchs Friaul (^. Tr .. . ^ ^
; sich zuerst eioe rill«rir..ti' ^ ^^
hier siud n . ••-*• «■ ^^^
< h.iiiiiii;{
;-rli-r|ll-
'.llll^ /ur
IM MllHi('l>
in. III W4j|
«. 1(>1>. Ul
wiilt'rhüii
htfiirdiirl»
132 SCHÖiNBACU DIE AMFÄNGB DES DEUTSCHEN MIMKE8A2<IGE8
geltUDg' von MFr. (s. 94) warnt. Günther vdVorste kann ich
freilich unmöglich auf einen der überschüssigen Stühle dieser
akademie setzen (vgl. ADB 40, 312). Seh. entscheidet sich gegen
RBeckers eheliche minne (s. 99) und gegen Scherers deulung
der frauenslrophen (s. 103 f); er betont stark das conventionelle
in dem früh ^feudalisierten' minnesang, obwol er für die musik
(s. 112) einfachste volkstümliche art annimmt, von hier aus
kommt er (s. 120) im gegensatz zu früheren ausführungen zu
einer entschiedenen ablehnung des biographischen Werts der lieder,
der besonders durch die beständige nachahmung fremder muster
(s. 125) bis auf ein minimum zusammenschrumpft.
Ich geh hier nicht ganz mit. wie gefährlich ein biogra-
phisches auspressen der dichtung sei« haben neuerdings wider
RMWerner und Joseph mit recht betont, ich selbst habe mir
einmal das vergnügen gemacht, aus solchem material eine Goethe-
biographie zu schmieden : geboren im selben haus mit Klinger
{^Eine Schwelle hiefs ins Leben Uns verschiedne Wege gAri) als söhn
eines pastors {'Um Mitternacht gieng ich nicht eben gerne . . .
üu Vaters Haus des PfarrersT^^ verfasst 1771, also vor Jerusalems
Selbstmord, 'Werthers leiden' ('voer mit xxii den Werther sdtrieb — ')
usw. aber man darf doch über den Conventionellen und phan-
tastischen bestandteilen einer jeden poesie die realistischen nicht
vergessen oder gar läugnen. es gibt im minnesang Situationen
— Morungens papagei, Walters badende — die den eindruck
unmittelbarster lebenswahrheit machen; es gibt bilderreihen —
vor allem bei Hadlaub — , die nicht einfacher zu erklaren sind,
als mit der annähme der tatsächlichkeit, vor allem aber zieh
ich gerade den entgegengesetzten schluss wie Seh. es ist wol
kaum zu bezweifeln, dass die deutschen dichter die lyrischen
romane der troubadours — gerade wie die epischen von Tristan
und Dido — für erlebt ansahen; was war natürlicher, als nun
auch dergleichen erleben zu wollen? man denke nur etwa an
die art, wie Lenz seine intriguedramen anzettelte, wie Herwegh
den Posa spielte udgl. dafür spricht ja auch, was Seh. selbst
über die berührungen von dichtung und leben (s. 83), über
die Stellung der ministerialen (s. 95) darlegt, und ist es denn
unwahrscheinlicher^ einem mittelalterlichen dichter einen roman
als die erfindung eines romans zuzumuten ? was jedem primancr
gelingt, das wird Ueinmar der Alte wohl auch noch gekonnt
haben I gerade weil er ein stück Don Quijote ist, glaube ich, dass
«eine Duicinea gelebt hat.
Und nun, als schlussstein der pyramide, wälzt Seh« eine
Jiypothese heran, die gerade seinen eigenen ausführungen über
den biographischen wert der dichterworte widerspricht 1 er hatte
(s. 34 f) Thomasin vZirklaere als typischen repräsentanten der
adelichen anschauungen im Friaul (s. 49. 53) scharfsinnig nach-
gewiesen; er hatte im anschluss an Burdach eiae längere dienst-
SCHONBACH die ANFÄNGE DES DEUTSCHEN MINNESANGES 133
zeit Walthers bei Wolfger von Aquileja und damit (s. 57) nähere
beziehungen zwischen dem weifischen und dem gibellinischen lehr-
dichter wahrscheinlich gemacht, von dieser auiTassung ausgehend,
debot er (s. 64 f) Thomasins anspielungen auf Walther weit über
das gewöhnliche mafs heraus, in geistreicher Umschreibung und
ausdeutung (s. 700 ^^^ ^^^^ nicht ohne vor verlockenden aus*
legüDgen f der klösenaere' s. 71) auf der hut zu sein, da kommt
er nun aber (s. 64) zu der Vermutung, Walther und Thomasin
mosten zehn jähre im gemeinsamen dienst Wolfgers verbracht
haben, weil (v. Hill) sprichwörtlich gesagt wird : 'wenn einer
zehn jähr mit mir zusammen gewesen ist, weifs ich immer noch
nicht, ob er gut oder schlecht isti' auf Walther kann das ja
freilich nicht gehn, denn den erklärt der Wälsche gast (v. 11191)
ausdrücklich für einen gnoten kneht. noch gewaltsamer scheint
mir (s. 67) die Übersetzung : *wenn er da noch mich zum herater
gehabt hätte', wo steht denn 'noch'? Thomasin sagt doch ein-
fach : ich hätte ihm von solcher rede abgeraten I mir scheint es
unmöglich, aus solchen stellen mehr zu folgern, als ein durch
persönhche begegnung (wie bei Wolfram, der ja auch Walther
citiert) erwecktes interesse und eine gute kenntnis der politischen
gedichte des gegners. beide puncte haben nichts unwahrschein-
liches, und beide bedeuten eine nicht unwichtige bereicherung
der mhd. litteraturgeschichte; aber zehnjährige genossenschaft und
intime beziehungen herauszulesen, scheint mir eine bedenkliche
Überschätzung des biographischen wertes dichterischer stellen I —
Die mannigfaltigen anmerkungen Schönbachs zu den ge-
dichten in MFr. erhalten eine innere einheit durch das bestreben,
die gemeinsamen Voraussetzungen der altern minnesinger, die 'all-
gemeine bildung' von dichter und publicum in ihrer zeit fest-
zustellen, als deren hauptelemente stellen sich eine popularisierte
biblische sprach- und anschauungsmasse sowie die rechtssprache
des bürgerlichen und staatlichen lebens dar. im allgemeinen wird
man das ohne weiteres annehmen, im einzelnen die biblischen
Vorbilder oft ablehnen (zb. zu 12, 18 über stete freundschafl; zu
88, 25. 88, 33. 91, 20—21; zu 117, 25 ankündigung des neuen
liedes, die ja auch im Rigveda nicht fehlt) und die juristischen
erklärungen zuweilen gesucht flnden (so zu 26, 7. 64, 9. HO, 25).
es hat doch aber entschiedenen wert, die allgemeine anschauung
mit reichlichen belegen durchgeführt zu sehen, es hilft gelegent-
lich direct zur interpretation (42, 19 hübsch zu klüse), öfters zur
Scheidung der individualitäten. denn bei dichtem von besonders
religiöser anläge wie Johansdorf und auch Rugge mag man wol
etwa eine antithese, die schon altgermanisch ist (96, 1 tump-wise
Tgl. MüllenhofT DAk. v281, meine Altgerm, poesie 8.461), in
speciell christlicher beleuchtung aufzufassen haben.
Auf die eigenart der dichter geht Seh. denn auch widerholt
ein. Gutenburgs überschwänglichkeit (s. 78 — 79), Johansdorfs
134 SCHÖNBACH BEITRÄGE Z. ERKLÄRUNG ALTDBUT8CBEB DICHTWERKE
ausdrucksweise (s. 80), Rugges technik (zu 106, 30)^ Horheims
poetische armut (zu 115,27) werden hervorgehoben, besonders
gipfelt aber die belrachtung in der Würdigung Morungens, mit
der die Studien vorerst abschliefsen. seine eingänge (zu 143^22)
und Schlüsse (s. 142), sein realismus (zu 130, 31), seine lieblings-
motive (zu 126, 34) werden beleuchtet, vor allem aber widerholt
ein engeres Verhältnis zu den classikern und vor allem zu Ovid
wol erfolgreich aufgedeckt. Seh. nimmt (s. 151 f) von hier den
ausgang, um (im anschluss an Schröder Zs. 42,3710 ^ioe un*
mittelbare einwürkung der antike auf den minnesang zu ver-
teidigen. — aufserdem findet er aber auch bei Mor. (bes. aao.
zu 127, 1) eine kühne weltliche ausbeutung geistlicher motive,
wie sie sonst (s. 151) nur vereinzelt begegne.
Vor neuen auffassungen schreckt der gelehrte und geistreiche
verf. nirgends zurück, oft scheinen sie mir überkühn, wenn er
etwa (zu 54, 1 und 115,27) blofse gedichtentwürfe anzutreffen
glaubt, in einer stelle Johansdorfs (90,36) eine anspielung auf
Walther oder bei Morungen (141, 1), zweifelnd, die beschreibung
einer statue findet, auch die conjecturen (47, 37 zum tumer von
Trierel) erwecken oft Widerspruch, doch geht Seh. auch hier von all-
gemeineren anschauungen aus, die er sich über C (zu 39, 18; 45,37 ;
s. 120) und ihr Verhältnis zu A (zu 123, 10) gebildet bat, oder über
Bartschs neigung, die dichter aus dialekigründen chronologisch
zu verschieben (zu 45, 1. 131, 7). auch seine mahnung zur gründ-
licheren berücksichtrgung der Sachen in der deutschen philologie
('s. 123) verdient beachtung, da Burdachs älterer appell würkungs-
los geblieben zu sein scheint, seine eigene bclesenheit darf Seh.
freilich von andern nicht fordern, wer in kirchenvatern, mirakel«
litteratur, antike und mhd. dichtung so bewandert ist, der darf
wol zu seinen lesern sagen : Megimus aliqua, ne legantur*!
Berlin, 30 october 1899. Richard M. Meter.
Spaniens anteii an der deutschen litterator des 16 and 17 Jahrhunderts,
von Adam Schneider. Slrarsburg i.E., Schlesier & Schweickbardt, 1898.
XIX und 347 ss. 8^ — 9 m.
Unter dem motto : 'Somos bermanos' hat AEbert in dem
ersteu jahrgange der Deutschen vierteljahresschrift (1857, ii SßiT)
einen gehaltvollen aufsatzi^Litterarischewechselwürkungen Spaniens
und Deutschlands' verOfTentlicht und als erster in eingehnder weise
gezeigt, dass 'die litterarischen wechselwürkungen beider gar
mannigfach sind : nur dass wir erst iu diesem Jahrhundert in
fruchten der Wissenschaft zurückzahlen, was an blumeu der dich-
tung schon seit Jahrhunderten von dort wir eingeführt'. Eberts
aufsatz, der sich vornehmlich dem neuern Schrifttum zuwante,
das 16 und 17 jh. nur cursorisch behandelte, fand in AFarinellis
Untersuchungen : 'Die beziehungen zwischen Spanien und Deutsch-
land in der litteratur beider lander' (i), 'Spanien und die spa-
(CB1<«EIDEB SPAMEISS AMTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 135
Dische litteratur im lichte der deutscheo kritik und poesie' (ir,
beide teile Berlin, Haack, 1892), endlich : * Deutschlands und
Spaniens litterarische beziehungen' (iir und iv, Zs. f. vgl. litt.-
gesch. n. f. 8, 318 — 407) eine erwünschte ergänzung. Farinelli
hatte sich nicht begnügt, den deutschen Übersetzungen aus dem
spanischen nachzugehn; seine beitrage schildern die spanisch-
deutschen beziehungen in weitem umfange, also auf grund von
reisen, berichten, druckerverhältnissen im Zeitraum von mehreren
Jahrhunderten.
Ober eine stattliche reihe ähnlicher Untersuchungen gibt eine
bibliographie aufschluss, die das einschlägige material zusammen-
zufassen versucht : es ist der Essai de bibliographie des questions
de litt^rature compar^e von Louis Pßetz, erschienen in mehreren
abteilungen der Revue de philologie franpaise bd x und xi : Etu-
des th^oriques, Ouvrages g^n^raux (bd x 247 ff) und L'Espagne et
TAllemagne (bd xi 104 fr) i.
Auch Sch.s buch ist seinem wesen nach eine bibliographie.
auf die angäbe der titel der deutschen Übersetzungen folgt das
Verzeichnis der Urschriften unter berücksichtigung der widerholt
nachweisbaren lateinischen, französischen, italienischen und hollän-
dischen mittelglieder. biographische angaben über autoren und
Übersetzer, hie und da auch — verhältnismäfsig umfangreiche —
proben aus Urschrift und Übersetzung sind eingestreut, in dieser
weise behandelt Seh., den stofiT nach fiebern einteilend, zunächst
die theologischen erbauungsschriften, die beiligenleben, die wissen-
schaftliche litteratur, roman, novelle, satire, drama und oper; zum
schluss in einem selbständigen anhange Harsdörfers Gesprächspiele.
Eine zeitlich wie stofTlich so weit ausgreifende Untersuchung
lässt natürlich eine beurteilung nach verschiedenen gesichtspuncten
zu. nach ^iner ricbtung ist Sch.s verdienst voll anzuerkennen:
das viertbalbhundert seilen starke buch, das, wie bemerkt, vor-
wiegend bibliographisches material bringt, entspricht dem, was
Farinelli unier eingehnder berücksichtigung culturhistorischer Ver-
hältnisse auf etwa 70 Seiten zusammenfassle; schon aus diesem
rein äufserlichen vergleich erhellt, dass Seh. — immer mit rück-
sicht auf das quellenmaterial — eine weit reichere Sammlung
bietet, als sein trefTlicher Vorgänger.
Dies verdienst wird nur derjenige verkennen, der nicht aus
eigner erfahrung weifs, mit wie grofsem aufwand von mühe und
geduld derlei bibliographische Zusammenstellungen verbunden sind,
es ist ein widerwärtiges Schauspiel, wenn ein recensent, dem auf
^ nach dieser bibliographie [jetzt selbständig unter dem tilel : La Litte-
rature comparee, Strasbourg, Trübner, 1900, erschienen] wären die angaben,
die JTexte zum schluss seines aufsatzes : Les relations litteraires de la France
avec Telranger au xviii« si^cle in Petit de JuUevilies Histoire de la langue
et ütterature fran9aise bd vi veröffentlicht hat, insbesondre die teile 'Espagne'
und 'Allemagne', zu ergänzen.
136 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTBBATDR
wohlfeile weise ein oder der andre nach trag zu einer grofsen
bibliographie gelungen ist, den 'fund' zum anlass nimmt, um den
autor einer so mühsamen Zusammenstellung zu zausen, dass Seh.
Vollständigkeit nicht erreicht habe, dessen war er sich wol bewusU
in der vorrede betont er, dass namentlich aus der Wiener und
Münchner bibliothek noch reichliche nachtrage zu holen seien,
sehr mit recht.
Ich habe einzelne teile der bibliographischen angaben Sch.s
mit den einschlägigen beständen der k. k. hofbibliothek verglichen
und gefunden, dass eine nur auf ein paar wochen ausgedehnte
arbeit hier für Seh. genügt hätte, sein matehai zu verdoppeln.
es ist das kein Vorwurf, den ich gegen den autor erbebe — die
bedingungen, unter denen wir im allgemeinen heute noch biblio-
graphische arbeiten an verschiedenen fundstätten auszufahren
haben, sind nicht so glänzend, dass sie einen solchen recht-
fertigten.
Es ist mir, schon mit rücksicht auf den rahmen dieser be-
sprechung^ nicht möglich, die richtigkeit meiner behauptung hier
in ihrem vollen umfang zu erweisen, kleine Stichproben müssen
genügen, ich wähle als beispiel gleich den ersten absalz in Sch.s
buch, in dem die Übersetzungen von des Diego de Estella
De la vanidad del mundo verzeichnet werden.
Seh. nennt aufser der ersten Übersetzung : ^Weltlicher eytel-
kait Verachtung .... verteutscht durch Jodocum Lorichivm,
Collen, 1586' noch drei weitere deutsche, ferner sechs latei-
nische, vier italienische ausgaben; zwei auflagen der Verdeutschung
Huberts (1589 und 1599), endlich drei ausgaben des spanischen
Originals, die edition der ^Obras del P® Estella', wie es auf dem
Schmutztitel heifst, enthält mit gesondertem titel und gesonderten
Seiteuzählungen zunächst den ^Tratado de la vanidad' und dann
die ^Meditaciones devoiissimas del amor de Dios', beide Madrid,
Julian de Paredes 1668. Seh. dürfte die ausgäbe [HB : 19. C. 14] ^
nicht zu gesiebt bekommen haben, und aus diesem grund ent-
gieng es ihm wol, dass es auch von den Meditaciones eine deutsche
Übersetzung gibt : ^Hundert Von der Liebe Gottes Schöne | auss-
erlesene vnd andechtige Betrachtungen. Auß H. Schrifft vnd an-
derer H. Vättern Bücher | durch den Ehrw. Herrn Didacum Stellam
Ord. S. Francisci beschrieben | Nun aber durch H. Petrum Plickium
Andernacum Teutschmeisterischen gebiets auf der Ebnen zu
OfTenaw Pfarherrn in Teutsch vbergesetzt Gedruckt zu Colin
durch Arnoldum Quentel im Jar m.dg.vii.' [HB : 16. L. 15]. die
vorrede lehrt, dass das buch ^auß dem Latein in unser Teutsch'
11 hersetzt wurde; die lateinische Übersetzung fliefst wider aus einer
französischen — auch darüber geben unsre Wiener schätze auf-
schluss : ^M^ditatioDS tr^s devotes de l'amour de Dieu Mises
^'Hespaüol en Fran^ais par Gabriel Chappuys, Anvers, 1594. 8V
^ Signatur des exemplars der k. k. hofbibliothek Wien.
SCBKieiDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATDR 137
[HB. : 17. G. 61.] — und demoächst ^De amore dei medita-
Ciooes piissimae. Primo ex hispanico in Gallicum deouo dudc
primum in latinnm sennonem redacte studio et opera Johannes
Governerii. Coloniae Agrippinae Baltas. Clipeus 1703' [HB.:
BE.3. V.80].
Von Petrus Plickius, über den Zedier, JOcher, Adelung usw.
nichts zu sagen wissen, verzeichnet Jos. Hartzheim Bibliotheca
Coloniensis s. 279 f zwei Übersetzungen : ^Nachfolgung Mariae . . .
durch R. P. Franciscum Ariam . . . beschrieben, und jetzt . . vjer-
teutscht durch H. P. Plickium Andernac. Gedruckt zu Collen durch
Arnolduni Quentei 1602* (in 12 mo pp. 634) und 'Geistliche Voll*
kommenheit' aus dem ital. (bezw. lat.) urtext des Lucas Pinelii,
ebenda 1603, jedoch nicht die in rede stehnde Übersetzung, die
flartzheim offenbar nicht kannte; da sie auch von Draudius nicht
angeführt wird, scheint unser exemplar von Plicks Verdeutschung
der Meditaciones zu den rariora zu geboren, anderseits besitzen
wir kein exemplar der Plickschen Verdeutschung : ^Nachfolgung
Mariae', auch nicht das spanische original, wohl aber die mittel-
giieder, denen nachzugehn auch hier wider lehrreich ist : Trattato
della imitazione della . . . vergine Maria madre d'lddio. Tradotto
di Spagnuolo da Giulio Zanchini, Firenze, Michelagnolo Sermar-
teili, 1599' (1596) [HB. : 31. X.21]; — *De imitatione B. Virginia
Mariae liber, nunc primum ex Italien idiomate conversus, Coloniae
Agrippinae, Birckmann 1602' [HB. : 18. M. 4], ferner noch ^ . •
€ gallico in latinum sermonem conversus per Andream Hoium
Anlverpiae Keerberg 1605' [HB. : 18. M. 111] und die 'Diva virgo
imitanda' mit dem (separat betitelten und paginierten) 'Rosarium,
Coloniae Agrippinae, Job. Kinckius 1613'. der ganze bei Seh.
fehlende artikel Plick-Arias wäre also nach diesen hauptzügen
darzustellen, damit ist aber die desideratenliste, die sich an den
^inen artikel 'Estella' anschliefst, noch nicht beendet, es fehlen
die französischen Übersetzungen : 'Livre de la vanit6 du monde
. . . Reueu, corrig^ et augment^ suyant le dernier exemplaire
Espagnol, par Gabriel Chappuis Tourangeau. Paris, Fizelier, 1587'
[HB. : 18. X. 50]. 'Livre de la vanil6 du monde. £)dition der-
ni^re. Louvain, J. Bogart, 1594'. 8^ [HB. : 18. X. 38].
Endlich gibt es aufser der von Seh. angeführten italienischen
Übersetzung Peruschis (in 4 ausgaben) noch zwei verschiedene
andre : '11 dispreggio delle vanitä del mondo. Divisi in tre parti.
Nuovamente tradotto dalla Spagnola nella lingua italiana da
Gieremia Foresti. Venetia, Zanetti, 1575' [HB. : 71. Z. 83] und
'Dispregio della vanitä del mondo . . . nuovamente tradotto dalla
spagnuola nella lingua toscana dal R.M.Pietro Buonfanti. Venetia,
Ziletli, 1589'. 4 bde. [HB. : 18. Y. 48].
Der blolse hinweis auf den umfang dieser nachtrage, die zu
einem einzigen und verbältnismäfsig unwichtigen artikel in Sch.s
buch zu liefern sind, wird es rechtfertigen, wenn ich mich be-
A. F. D. A. XXVI. 10
138 SCHNEIDER SPAMENS AMTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR
Züglich der übrigen teile auf kurze bemerkungen beschränke, die
ich mir beim nachprüfen der bibliographie notiert habe.
S. 26. von den latein. Übersetzungen der Meditaciones Luis
de la Puentes (den vorlagen der deutschen bearbeitungen) besitzt
die k. k. hofbibliothek nebst den von Seh. genannten noch eine:
Cöln 1636.
S. 27 ff (vgl. insbes. s. 31). 'Luis de Granada : Memoriale
Granatae . . Güldin Denkbüchlein von eim vollkommenen Christen
.... in teutsche Sprach gebracht durch Philip. Dobereiner.
München, A.Berg, 1576' [HB. : 22. J. 49]. der Übersetzername
fehlt bei Seh.; desgleichen die spätere ausgäbe v. j. 1588 [HB.:16-
L. 5]. — die Verdeutschung des Quadragesimale durch Johannes
RuUius, von der Seh. bemerkt, dass sie ihm nicht vorgelegen,
findet sich in der hofbibliothek [21. C. 19] : das exemplar trägt die
Jahreszahl 1593 (Seh. nach Draudius *o. j.'); unbekannt blieb Seh.
(vgl. s. 31) die Verdeutschung : 'Dux peccatorum, das ist deß
Sünders Beleytsmann. Anfänglich Spanisch beschrieben, jetzt durch
Job. Eisengrein in unser Hochteutsche Sprach gebracht.
Meyntz, J. Albin, 1599' [HB. : 16. L. 9]. s. 320 wird zwar er-
wähnt, dass Harsdörfer eine Übersetzung des Dux peccatorum
gekannt habe; das ist aber, wie Seh. auch andeutet, die latei-
nische, Coloniae 1601 [HB. : 19. Aa. 53]. endlich sei noch er-
wähnt, dass Luis de Granadas *Seelen-Todt' in Hattbaeus Timpes
Teutscher Theologey, Münster, 1601—1614 als teil 3 u. 4 er-
schien, auch die von Seh. mitgeteilte liste der Originalausgaben,
der werke Luis de Granadas, der ital. und franz. Übersetzungen,
konnte durch die hiesigen bestände reichliche ergänzungen er-
fahren.
S. lOSfT. Bernardino de Mendoza. die Seh. unbekannte ital.
Übersetzung ist : ^Teorica et prattica di guerra terrestre et mari-
tima, Tradotta dalla lingua Spagnuola nella Italiana da Salustio
Gratti Venetia, Diolli 1596'. 4o [HB. : *48. C. 54].
S. 245 fif. von dem 'Carcell de Amor' des Diego de San
Pedro besitzt die hofbibliothek folgende von Seh. nicht genannte
Übersetzungen : zwei deutsche : Hamburg 1660 [HB. : 144. H. 45]
und ebenda 1675 [HB. SA. 34. F. 7]; eine französische : 1527
[HB. : 39. K.37] und eine italienische, Venezia, Francesco Bindoui
1537 [HB. 71. Z. 159(3)] ^
Gelegentlich sei auch auf einige irrtümer und kleinere lückeu,
die allerdings nicht Seh., sondern seinen vorlagen zur last fallen,
aufmerksam gemacht, s. 136 citiert Seh. nach Ferdinand Wolfs
Vorgang eine ausgäbe der Floresta des Santa Cruz de Duenas:
,Salamanca' 1576. ich bemerke — damit der fehler sich nicht
^ der gelehrte catalanische antiqoar SaWador Sanpere y Miqoel, der
Sch.s buch in der Vaoguardia (Barcelona) vom 30 dec v. j. besprach, er-
wähnt noch die von Seh. nicht verzeichneten ital. erstaasgaben (Rasconi)
v. j. 1515 und 1518 des Carcello.
SCHNEIDER SPANIEiNS AiNTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 139
weiter schleppe — dass dem bewährleu altmeister hier etwa*
menschliches passiert ist. er halte offenbar das exemplar der
hofbibliothek 74. X. 76 vor sich, dieses enthält aber die angäbe
'Carago^a' 1576 auf dem titelblatt. s. 150 ist die litelangabe voi>
Mexias Sylva variarum leclionum nach Jöchers unrichtigen daten
widerholl. das buch [HB. : 210- B. 25] hat den titel: 'Petri Mes-
siae von Sibilia vilualtige beschreibung | Christeuhcher vnnd
Heidnischer Keyseren | Königen | . . . Jetzt neüwh'ch auf! das»
fleißigesl verieütscht , . Basel durch Henrichem Petri vnnd Pelrum
Pernam 1564'. in der widmuug erklärt Lucas Zoleckhofer, er
habe das buch 'mit gantzem Fleiß aus Franlzösischer und Ita-
lienischer spraach . . auf! daß verständlichest translatiert'.
Für die bearbeituogen von Gracians Oraculo manual s. 156(1
ist folgende italienische Übersetzung, die Seh. nicht anführt, von
Wichtigkeit : *L'huomo di corte. Tradotto dallo spagnuolo nel
francese idioma e comentato dal signor Amelot de la Houssaie
nuovametite tradoilo dal Francese e comentato dair abbate Francesco
Tosques. Roma, Luca Antonio Chracas, 1698' [HB. : *28. S. 38].
S. 277 ist bei der Übersetzung der Celestina das ^unbekannt'
durch Christoph Wirsung zu ersetzen; er nennt sich ausdrück-
lich in der vorrede des buchs [58. V. 42]. vgl. auch Allgem.
deutsche biographie 43, 521.
Von werken, beziehungsweise artikeln, die in Sch.s buch
gar nicht behandelt sind, erwähn ich zunächst einen interessanten
beitrag zu der (bekanntlich jüngst von Farineih [Guillaume Hum-
boldt] behandelten) Montserrate-litteratur : ^Libro de la Historia y
Milagros hechos a iovocation de nuestra Senora de Montserrat»
1556'. am ende, nach der tabla : ^Excudebat Barcinone Claudius
Bornatius 1556' [HB. : 41. M. 12].
Eine Übersetzung dieser vou F. Gundisalvus de Soyo (vgL
Nie. Antonio BN. i, 560) verfassten Historia, jedoch nur bis
zum cap. VIII, in der ausgäbe fol. 25\ bieten die hefte : Warhalftige
vnd gründliche historia | Vom Ursprung | auch zunemung des
hochheiligen Spannischen Gotleshauß Montis Serrati .... auß
Hispanischer sprach | durch einen Catholischen Patricium Augu-
stanum in hochleutsche gebracht. München, Adam Berg 1588'
[HB. *35. E. 148] und *Von Ursprung deß Hochheihgen Spa-
nischen Gotteshauß Montis Serrati . . . Prag, in deß Ertz-
Bischöfllichen Seminar! Druckerey | in Emmaus | im jähr 1687'
[HB. 41. L. 40].
Von andern ergänzungen, welche unser hiesiges material
an die band gibt, seien noch angeführt .* 'Consuelo de aiTligidos
en el quäl se trata de los fructos, y remedios de las tribula-
ciones .... Compuesto por el Reverendo padre Caspar Loarte,
Doctor Theologo, de la Compania de Jesus, Valencia 1578' [HB.:
17. J. 42] — hiezu die Verdeutschung : *Trostspiegel | Vor die
Betrübten | Darinnen der Nutz | Vnnd die Früchten so auß auß
10*
140 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTEBATUR
den Betrüboussen volgen | angezeigt werden. Durch den Ehrwür-
digen I hochgelehrten Herrn P. Casparum Loart . . . beschrieben
1610' [HB. : 32. Z. 33] (als anhang zu Androzzis Cathoi. Car-
wochen. Freyburg im Br. 1609).
Ferner die Übersetzung von Juan Gonzalez de Hendozas
Historia de las cosas mas notables, ritos y costumbres del gran
reino de la China (Madrid 1586. 8^) : *Ein neuwe, kurtze, doch
wahrhaftige Beschreibung deß . . Königreichs China etc. In
Hispanischer Spracb beschrieben, auß derselben in die Italienische
und nunmehr in Hoch-Teutsch gebracht etc. Frankfurt am Mayn.
S. Feyerabend 1589' [HB. : 65. S. 28(3)].
Ich breche hier mit der aufzählung der nachtrage zu Sch.s
bibllographie ab, um einer allgemeinen bemerkung räum zu geben,
die angedeuteten lücken, wie eine reihe anderer, hier nicht er-
wähnter roängel sind bei einer bibliographischen Zusammenstellung,
die ein möglichst vollständiges bild liefern soll, gewis bedauerlich,
es wäre aber m. e. verfehlt, den herausgeber allein hieffOr ver-
antwortlich machen zu wollen, ein derartiges urteil hat gerade
das gegenteil von dem im gefolge^ was eine gesunde kritik im
äuge haben muss. wie es einen mut gibt zu irren, so ist es
unter umständen auch ein mutiges unterfangen, unvollständiges
zu bieten, wer das verkennt, wer insbesondere Obersieht, dass
bei ausarbeitung einer solchen bibliographie eine reihe äufserer
umstände helfend hinzutreten muss, der schreckt einfach davon
ab, in Zukunft Sammelergebnisse zu veröffentlichen, denen zu-
mindest das verdienst brauchbarer vorarbeiten nicht abzusprechen
ist. solange man behufs notwendiger Vervollständigung solcher
bibliographien in den grofsen bUchersammlungen des contineuts
nicht bestimmt auf ausreichende Unterstützung seitens des Staates
oder gelehrter gesellschaflen rechnen kann; solange ein arbeits-
behelf von universeller bedeutung, der generalkatalog sämtliclier
deutscher bibliotheken , noch ein pium desiderium bleibt, ist es
ungerecht, mängel in bibliographien, die ein mit bescheidensten
mittein arbeitender Privatmann veröffentlicht, allzustark hervor-
heben zu wollen, weit zweckmäfsiger war es, die dringende
notwendigkeit einer deutschen gesamtbibhographie mit allem nacb-
druck zu betonen, die mit einem male zahllose arbeiten vor den
heute fast noch unvermeidlichen defecten schützen könnte, und
mau sage nicht, dass bei uns in Deutschland unmöglich ist, was
die trustees des Britischen museums schon vor jähren begannen
und Leopold Delisle für die Pariser nationalbibliothck eben mit
staunenswerter energie ins werk setzt.
Zu den mangeln in Sch.s buch, die nur systematische durch-
forschung der grofsen deutschen bibliotheken beheben konnte,
gesellen sicli allerdings auch noch andere, die durch gehörige
ausnützung leicht zugänglicher gedruckter hilfsbücher wol zu
vermeiden gewesen wären, eine übersichtliche Zusammenstellung
SCHKEIOER SPArSIEr<(S A.NTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 141
der quellenwerke für die spanische litteraturgescbichte, etwa in
der arty wie sie Engelmann und Hübner für das classische aller-
tum boten f besitzen wir freilich noch nicht; das 4itteratur-ver-
zeicbnis', das Seh. seiner arbeit vorausschickt, begreift wol das
allerwichtigste, ist aber doch vielfach zu ergänzen, ich habe,
speciell zu dem zwecke, um Studien, wie die Sch.s, zu erleichtern,
vor einigen jähren die bedeutendsten bibliographischen und
biographischen hilfswerke für Spanien zusammengestellt ^ ; dar-
unter ßnden sich solche, die Seh. neues material geboten und
gar manche seiner biographischen und litterarischen angaben be-
richtigt hätten. als beispiel nenn ich Picatoste ^Biblioteca
cientifica Espanola del siglo xvi' (Madrid 1891), ein Buch, dessen
Verwertung für den vorliegenden zweck sich durch den beige-
gebenen index : 'Autores espanoles comprendidos en este libro,
cuyas obras fueron traducidas ä olras lenguas' besonders
empfohlen hätte, die angäbe Picatostes s. 188 bei besprechung
von Pedro de Medinas ^Arte de navegar' : Ma tradujo . . . al aleman
Miguel Coignet, en 1576, haciendose nuevas ediciones aumentadas
por el mismo Coignet en 1577, 1580, 1581, 1628 y 1633' be-
ruht zwar auf einem irrtum; 'scripsil et instructionem de Arte
navegandi gallice Antver. 1581 4^ apud Jac. Heorici' heifst es
bei Foppens, Bibliolheca Belgica n, 890, und Coignet starb be-
reits 1623 (vgl. a. Biographie nationale p. p. TAc. roy. de Bel-
gique IV 274). dagegen führt Picatoste durch seine notiz über
die Verdeutschung der Historia natural de las Indias des Jose
Acosta zur ermitlelung der bei Scb. nicht verzeichneten ausgäbe :
'New Welt | Das ist : Volkommen Beschreibung von Natur | Art
vnd gelegenheit der Newer Welt | die man sonst America oder
W^est- Indien nennet | in zwey theil abgetheilt . . . Erstlich durch
den Hochgelerten Herren Josepbum de Acosta, zu Latein in Truck
außgeben | folgents dem gemeinen Mann zum guten in Teutsch
vbergesetzt. Gedruckt zu Colin, Johan ChristoiTel 1600' [HB.:
61. c. 3*]. In der vorrede heifst es, herr Joseph de Acosta habe
'ein Buchlein lassen aufsgehen in Lateinischer Sprach, welches er
intitulht DE NATVRA NO VI ORBIS \ toelches seiner furtreff lieh-
keit halben wol werth gewesen das es vor lengst vbergesetzt were.
Da sich aber sulches bifsher verzogen \ hat sich ein liebhaber der
Historien darüber gesetzt \ vnd aufs der Lateinischen Spraach in
die Teutsche gebracht'.
Auch sonst halle auf Picatostes (allerdings mit vorsieht auf-
zunehmende) angaben wenigstens hingewiesen werden sollen: das
todesdatum des Bernardino de Mendoza (vgl. bei Seh. s. 109):
21 Jan. 1605; das geburtsjahr Pedro Mexias : beginn 1500 (Seh.
'ums j. 1496'); sein todesjahr vor 1545 (nicht 1552). überhaupt
^ ^Der stand der biographischen Studien in Spanien', Biograph, blätter
bd I h. 3. nachtrage, die sich seit dem erscheinen dieses Versuches ein-
stellten, werden wol bald in einer zweiten ausgäbe verwertet werden.
142 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATCR
hätte Seh. für die lebensgeschichtlichen einzelheiten neben den
älteren autoren wie Nie. Antonio, Capmany usw. die modernen
biographien, die sich in der oben erwähnten arbeit gesammelt
finden, in ausgedehnterem mafse benützen sollen.
Mit den vorstehnden bemerkungen könnte die besprechung
von Sch.s buch schhefsen, wenn allein der umfang des in der
vorrede angedeuteten programms — aufnähme der nachweislich
in Deutschland gedruckten litterarischen werke nebst angäbe der
spanischen originale und der vermittelnden Übersetzungen — in
betracht käme, ein buch, das über 'Spaniens anteil an der
deutschen lilteratur des 16 und 17 jhs.' handelt, erfordert aber
weiteren ausblick : es genügt nicht^ die resultate des einflusses
in trockenen listen vorzuführen, sondern auch die faden blofs-
^ulegen, welche auf litterarischem gebiete von dem einen lande
zu dem andern hinüberfübrten, kurz, den intellectuelleo einfluss
Spaniens auf Deutschland während jener zeit bei seiner wurzel
zu fassen, dass Seh. dies unterlassen, dass die — übrigens viel
zu knapp gehaltene — einleitung die genesis der wechselwür-
kung zwischen beiden ländern kaum gestreift hat, ist um so
überraschender, als sowol Ebert wie auch Farinelli in den oben
erwähnten aufsätzen den weg angedeutet haben, der hier einzu-
schlagen war. ohne dass ich irgendwie den anspruch erhebe^
sämtliche einschlägigen fragen zu berühren, möcht ich der histo-
rischen entwicklung des einflusses Spaniens auf Deutschland hier
etwas näher treten; vielleicht ist es hiebei möglich, schwer zu-
gängliche oder bisher unbekannte daten der weiteren Forschung
(iber den gegenständ zuzuführen.
Die vorzüglichste (wenn auch, wie noch später gezeigt wer-
den soll, auch für die ältere zeit gewis nicht allein aufschluss-
reiche) quelle zur feststellung der spanisch-deutschen beziehungen
sind bekanntlich die reisen nach der iberischen halbinsel. man
hat ihnen frühzeitig beachtung geschenkt; abgesehen von den
älteren grofsen Sammlungen von reisen^ wird schon 1743 in
Zedlers üniversal-lexicon s.v. 'Spanien* (bd. xxxviii, sp. 1107 0)
unter den 'SchrifTten, welche zur Erläuterung dieses ansehnlichen
Reichs gute dienste tun' der reisewerke gedacht und insbeson-
dere in dem 'Versuch einer litteratur deutscher reisebeschrei-
bungen', Prag 1793 in der abteilung 'Spanien' eine reihe solcher
ilinera (auch Übersetzungen ins deutsche) mitgeteilt, aber erst
die letzten jähre brachten uns zwei arbeiten, welche den gegen-
ständ auf breiter grundlage behandeln. R. Foulch^-Delbosc hat
in seiner Bibliographie des voyages en Espagne et en Portugal
(Revue Hispanique iii, 1896) nicht weniger als 858 Originalaus-
gaben solcher reiseberichte zusammengestellt; davon sind 123 in
deutscher spräche geschrieben, wie reichliche nachlese selbst
> Sammlung der besten und ausfährlichslen reisebeschreibangen, Berlin
1764 ff uam.
SCHNEIDEB SPAMETiS ANTEIL AIV DER DEDTSCHEN LITTERATDR 143
diese so umsichtig gearbeitete Sammlung zuliess^ hat in alier-
jüngster zeit Arthur Farinelli in seinen von staunenswerter be-
lesenheit zeugenden Apuntes sobre viajes y viajeros por Espana
y Portugal (Revista critica de historia y literatura espanolas, ii,
1898) gezeigt, die Üppigkeit des spicilegiums erklärt sich zum
teil durch den umstand, dass Farinelli nicht blors eigentliche und
vollständige reisebeschreibungen in den bereich seiner nachtrage
einbezog, sondern auch, und zwar mit recht, briefsammlungen,
einzelnen schreiben, notizen über stattgefundene reisen, gleich-
viel ob handschriftlich oder gedruckt, seine aufmerksamkeit zu-
wante. nicht blofs derjenige, welcher der litterarischen wechsel-
würkung zwischen Spanien und den übrigen europäischen län-
dern nachgeht, auch der historiker von fach, der kunst- und
culturhisloriker werden diese eben veröfTentlichten bibliographien
mit grofsem nutzen zu rate ziehen, ich halte vorläufig mit einem
allgemeinen urteil über plan und zweck dieser arbeiten zu-
rück und möchte zunächst eine seite derselben näher ins äuge
fassen, die sich hier, wo wir über den anteil Spaniens an dem
deutschen Schrifttum sprechen, von selbst in den Vordergrund
schiebt, unter der grofsen zahl von reisen kommen für den
vorliegenden zweck naturgemäfs jene in betrachte bei denen als
folgeerscheinung sich ein einfluss auf deutsches Schrifttum be-
ziehungsweise deutsches denken entweder sicher erkennen oder
doch mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussetzen lässt. einige
beispiele, die hier folgen, mögen dartun, in welchem sinne
ein derartiger einfluss würkte oder würken konnte, es ist nicht
nötig, erst zu versichern, dass hier vornehmlich solche daten
berücksichtigt wurden, die weder Farinelh noch Foulch^-Delbosc
ihren Sammlungen einverleibt haben.
In einem Chronicon von Cardeua, dessen abschluss noch in
die erste hälfte des 14 jhs. f^llt (herausgegeben von Enrique
Florez, Espana sagrada xxiii [1767] s. 370fl) finden sich folgende
zwei eintragungen: Era de mccxch (1254) anos entrö en Burgos
la Infant fija del Key de Noruega e tomola por muger D. Felipe
hermano del Key, e D. Felipe era eleclo de Sevilla e dejö el Arzo-
bispado. — Era de mccxcv (1257) entraron los Alemanos en Burgos
para dar el Emperazgo al Bey D. Alfonso fijo del Bey D. Fer-
rando en el mes de Junio,
Die beiden nachrichten gehören zu den ältesten documen-
tarisch beglaubigten Zeugnissen für die beziehungen Castiliens
zu den germanischen Völkern — beziehungen, die durch bedeut-
same missionen nach Spanien veranlasst wurden, an der reise
der norwegischen prinzessin Christina, tochter könig Häkons iv
im j. 1256 (nicht 1254) nahmen aufser dem bischof Peter von
Hamar nicht weniger als 120 personen teiM. der zug, den im
^ vgl. Adam Kristoffer Fabricius La connaissance de la Peoiusule
Espagnole par les hommes du Nord, Lisbonne 1892, 8^ auf die altern aao.
142 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUB
hätte Seh. für die lebeDsgeschicbtlichen einzelheiteo neben den
älteren autoren wie Nie. Antonio, Capmany usw. die modernen
biographien, die sieb in der oben erwähnten arbeit gesammelt
finden, in ausgedehnterem mafse benützen sollen.
Mit den vorstehnden bemerkungen könnte die besprechung
von Sch.s buch schliefsen, wenn allein der umfang des in der
vorrede angedeuteten programms — aufnähme der nachweislich
in Deutschland gedruckten litterarischen werke nebst angäbe der
spanischen originale und der vermittelnden Übersetzungen — in
betracht käme, ein buch, das über 'Spaniens anteil an der
deutschen litteratur des 16 und 17 jhs.' handelt, erfordert aber
weiteren ausblick : es genügt nicht^ die resultate dea einflusses
in trockenen listen vorzuführen, sondern auch die faden blofs-
jEulegen, welche auf litterarischem gebiete von dem einen lande
zu dem andern hinüberführten, kurz, den intellectuellen einfluss
Spaniens auf Deutschland während jener zeit bei seiner wurzel
zu fassen, dass Seh. dies unterlassen, dass die — übrigens viel
zu knapp gehaltene — einleilung die genesis der wechselwür-
kung zwischen beiden ländern kaum gestreift hat, ist um so
überraschender, als sowol Ebert wie auch Farinelli in den oben
erwähnten aufsälzen den weg angedeutet haben, der hier einzu-
schlagen war. ohne dass ich irgendwie den anspruch erhebe^
sämtliche einschlägigen fragen zu berühren, möcht ich der histo-
rischen entwicklung des einflusses Spaniens auf Deutschland hier
etwas näher treten; vielleicht ist es hiebei möglich, schwer zu-
gängliche oder bisher unbekannte daten der weiteren Forschung
(iber den gegenständ zuzuführen.
Die vorzüglichste (wenn auch, wie noch später gezeigt wer-
den soll, auch für die ältere zeit gewis nicht allein aufschluss-
reiche) quelle zur feststellung der spanisch-deutschen beziehungen
sind bekanntlich die reisen nach der iberischen halbinsel. mau
hat ihnen frühzeitig beachtung geschenkt; abgesehen von den
älteren grofsen Sammlungen von reisen^ wird schon 1743 in
Zedlers UniversaMexicon s.v. 'Spanien' (bd. xxxviii^ sp. 1107 0)
unter den 'SchrifTten, welche zur Erläuterung dieses ansehnlichen
Reichs gute dienste tun' der reisewerke gedacht und insbeson-
dere in dem 'Versuch einer litteratur deutscher reisebeschrei-
bungen', Prag 1793 in der abteilung 'Spanien' eine reihe solcher
itioera (auch Übersetzungen ins deutsche) mitgeteilt, aber erst
die letzten jähre brachten uns zwei arbeiten, welche den gegen-
ständ auf breiter grundlage behandeln. R. Foulch^-Delbosc hat
in seiner Bibliographie des voyages en Espagne et en Portugal
(Revue Hispanique in, 1896) nicht weniger als 858 Originalaus-
gaben solcher reiseberichte zusammengestellt; davon sind 123 in
deutscher spräche geschrieben, wie reichliche nachlese selbst
' Sammlung der besten und ausföhrlichslen relsebeschreibangen, Berlin
1764 ff uam.
8CHNEIDEB SPAMETiS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 143
diese so umsichtig gearbeitete Sammlung zuliess^ hat in aller-
jüngster zeit Arthur Farinelli in seinen von staunenswerter be-
lesenheil zeugenden Apuntes sobre viajes y viajeros por Espana
y Portugal (Revista critica de historia y lileratura espanolas, ii,
1898) gezeigt, die Üppigkeit des spicilegiums erklärt sich zum
teil durch den umstand, dass Farinelli nicht blofs eigentliche und
vollständige reisebeschreibungen in den bereich seiner nachtrage
einbezog, sondern auch, und zwar mit recht, briefsammlungen,
einzelnen schreiben, notizen über statlgefundene reisen, gleich-
viel ob handschriftlich oder gedruckt, seine aufmerksamkeit zu-
baute, nicht blofs derjenige, welcher der litterarischen wechsel-
würkung zwischen Spanien und den übrigen europäischen län-
dem nachgeht, auch der historiker von fach, der kunst- und
cullurhistoriker werden diese eben veröfTentlichten bibliographien
mit grofsem nutzen zu rate ziehen, ich halte vorläufig mit einem
allgemeinen urteil über plan und zweck dieser arbeiten zu-
rück und möchte zunächst eine seile derselben näher ins äuge
fassen, die sich hier, wo wir über den anteil Spaniens an dem
deutschen Schrifttum sprechen, von selbst in den Vordergrund
schiebt, unter der grofsen zahl von reisen kommen für den
vorliegenden zweck naturgemäfs jene in betrachte bei denen als
folgeerscheinung sich ein einfluss auf deutsches Schrifttum be-
ziehungsweise deutsches denken entweder sicher erkennen oder
doch mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussetzen lässt. einige
beispiele, die hier folgen, mögen dartun, in welchem sinne
ein derartiger einfluss würkle oder würken konnte, es ist nicht
nötig, erst zu versichern, dass hier vornehmlich solche daten
berücksichtigt wurden, die weder Farinelli noch Foulcb^-Delbosc
ihren Sammlungen einverleibt haben.
In einem Chronicon von CardeiTa, dessen abschluss noch in
die erste hälfte des 14 jhs. fälh (herausgegeben von Enrique
Florez, Espana sagrada xxiii [1767] s. 370 fO fioden sich folgende
zwei eintragungen: Era de mccxcii (1254) anos entrö en Burgos
la Infant fija del Key de Noruega e tomola por muger D. Felipe
hermano del Key, e D. Felipe era eleclo de Sevilla e dejö el Arzo-
hispado. — Era de mccxcv (1257) entraron los Alemanos en Burgos
para dar el Emperazgo al Rey D. Alfonso fijo del Rey D. Fer-
rando en el mes de Junio.
Die beiden nachrichten gehören zu den ältesten documen-
tarisch beglaubigten Zeugnissen für die beziehungen Castiliens
zu den germanischen Völkern — beziehungen, die durch bedeut-
same missionen nach Spanien veranlasst wurden, an der reise
der norwegischen prinzessin Christina, tochter könig Häkons iv
im j. 1256 (nicht 1254) nahmen aufser dem bischof Peter von
Hamar nicht weniger als 120 personen teiH. der zug, den im
^ vgl. Adam Kristoffer Fabricius La connaissance de la Peoiusule
Espagnole par les hommes du Nord, Lisbonne 1892, 8^ auf die altern aao.
144 SCHNBIDER SPARIE.'VS AKTEIL k:i DER DEUTSCfiKN LITTEBATOB
frühling des jahres 1257 der bischof von Speier, der propst von
SGuido derselben Stadt, Conrad von Steinacb, ferner der bischof
von Constanz und der abt von SGallen unternahmen ^ , um
Alfons X die künde von seiner wähl zum deutschen Könige zh
überbringen, war für jene zeit gewis ein ereignis ersten ranges.
hier kommt nun besonders ein punct in betracht, der m. w.
bisher noch nicht hervorgehoben vi^urde. das eodziel beider
missioßen war Burgos, und wir wissen, dass sich die Sendboten,
die reichsdeutschen wie auch die nordischen, längere zeit in der
alten castilischen hauptstadt aufgehalten haben, die fremden
gaste sahen gewis das haus des Cid, das man in Burgos heute
noch zeigt, man mag sie auch in das benachbarte kloster Cardena
geleitet haben, wo die irdischen Überreste des beiden und seiner
gattin Ximena, ja auch der cadaver seines streitrosses Bavieca
begraben worden waren, es scheint undenkbar, dass man gerade
den geistlichen Würdenträgern aus fernen landen die merkwür-
digen erinnerungszeichen an den Cid, an den Vorkämpfer der
Christenheit auf spanischem boden — als solcher erscheint er
ja schon im Poema und womöglich noch mehr in der alfonsi-
nischen chronik — sollte vorenthalten haben, um so gewisser
ist es, dass sich damals — zum erstenmale — Vertretern des ge-
bildeten Standes aus unseren ländern der historische kernpunct
der glänzendsten spanischen epopöe erschloss. inwieweit diese
eindrücke einer fremden, aber darum gewis nicht minder an-
ziehenden heldensage nach der rückkehr der boten in die heimat
fortwürkte, ist heute ebenso schwer zu controUieren, wie die spur
der xenia, die den gasten von seite Alfonsos gewis geworden
sind, ich denke hier nicht blofs an gastgeschenke von materi-
ellem wert, sondern^ wie es sich bei dem *rey sabio', dem frucht-
barsten schriftsteiler seiner zeit, annehmen lässt, auch an litte-
rarische, ganz ausgeschlossen ist es ja nicht, dass in Speier oder
Constanz sich noch ein oder das andere object findet, das die
bischöfe von jener fahrt nach hause gebracht; in SGallen, be-
sonders in der bibliothek, die ich etwas genauer kenne,
dürfte leider ein nachforschen vergeblich sein, der abt, um den
es sich hier handelt — Berthold vFrankenstein (1244 — 1271)
— , war allerdings^ so schildert ihn wenigstens Weidmann %
ein gar streitbarer herr, dem ein ordentliches rossgehger
hoher stand als selbst das schönste messbuch, die holT-
nung, greifbare erinnerungszeichen an jene reise deutscher Send-
boten heute noch auf deutschem boden zu finden» ist freilich
umso geringer, als die urkundlichen Zeugnisse für eine ganze reihe
von gesantschaftsreisen, die im darauffolgenden Jahrhundert von
besprochenen reisen norwegischer föhrer kann hier nur kurz verwiesen
werden. ^ so Arn. ßusson Die doppelwahl des j. 1257 und das röm. könig-
tum Alfons x von Gastilien, Mfinster 1866, s. 37 f. vgl. aber Böhmer-Fioker Re-
gesta imperii v s. 1027 f. * Geschichte der bibliothek so SGallen s. 26.
SCHl^EIDKR SPAMEISS ANTEIL AN DER DEDTSCHEN LITTERATUB 14&
Wi«o aus oach Spanien, speciell nach Aragon erfolgten, sich
nicht bei una erhallen haben,* sondern — im kronarchiv von
Barcelona, es ist ein verdienst des kürzlich verstorbenen histo-
hkers Heinrich vZeifsberg, das umfangreiche register, das die
notariellen Urkunden über die Werbung Friedrichs des Schönen
um die band Isabels, der tocbter könig Jaimes ii. enthält, diplo-
matisch getreu veröffentlicht und erläutert zu haben ^ der*ersten
reise des Sendboten Friedrichs, Konrad vVerhebang[80 Zurita; urkdL
^Conradus dorn, nove civitatis', also von Wiener Neustadt], welche
Farinelli (Apuntes s. 8) anführt, folgten noch weitere gesant-
Schäften von Wien nach Barcelona, um die heiratsverhandlungen zu
ende zu führen: die bedeutendste war natürlich jene, welche die
einholung der braut bezweckte, aufser dem abt Otto vSLam-
precht, dem kämmerer Rudolf vLiechtenstein , dem hauptmann
ob der Enns Heinrich vWalsee und dem hofmeister Hervord
vSimaning nahmen an dieser gesantschaft, wie berichtet wird,
noch ^andere ehrenwerte personen des geistlichen wie des laien-
Standes teil', jenes in der folgezeit so unglückliche aragonesische
königskind weilte lange jähre in Wien, in verschiedenen Städten
Niederösterreichs und der Steiermark, und während dieser zeit,
namentlich aber bis zum tode ihres zärtlich besorgten vaters blieb
der verkehr zwischen der königin und ihren angehörigen auf-
recht erhalten^, der fremdartige zauber, welcher die aragone-
sische königstochter umgab, ihre anmut, ihr mildes wesen, nicht
minder auch ihr tragisches geschick lassen es erklärlich erscheinen«
dass Johann vVictring ihrer in seinem Liber certarum histo-
riarum widerholt und ausführlich gedenkt; an manchen dieser
stellen erhebt sich der alte chronist sogar zu einem gewissen
Schwung, aus anderen lässt sich erraten, dass ein augenzeuge
spreche, der die schöne Spanierin persönlich kannte, auch
über die oben erwähnte gesantschaft nach Barcelona verdanken
wir Jobann vVictring einige anderweitig nicht überlieferte einzel-
heiten; es ist dies umso bemerkenswerter, als sonst derlei be-
richte über Spanienfabrten deutscher reisender in jener zeit nur
sehr sporadisch auftreten, ja eigentlich erst die zweite hälfte
des 15 jhs. bietet uns umfangreichere beschreibungen von reisen,
die von unsern gauen aus nach Spanien unternommen wurden,
über den mehrmals publicierten trocknen bericht, den Georg
vEhingen über seine fahrt nach Spanien (1457) lieferte, ist hier
nichts zu sagen, auch 'Des böhmischen herrn Leos von Roimital
rilter- hof- und pilger- reise durch die abendlande 1465—1467.
beschrieben von zweien seiner begleiter'^ ist schon seit geraumer
1 ^Elisabeth von Aragonien, gemahlin Friedrichs des Schönen von
Österreich (1314-1330)'. WSB. phil.-hist. cl. bd 137 nr vii (Wien 1898).
^ Tgl. die publication vZeifsbergs aao. bd 140 nr i.
3 es sind dies der Böhme Schaschek und der Nürnberger Gabriel Tetzel.
der erste beschrieb die reise in lateinischer, der zweite in deutscher spräche.
146 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATDR
zeit mehrfach veröffentlicht, sodass ich. mich begnüge, auf eine
Yiol zu beachlende einzelheit, das bekanntwerden spanischer
sagen in deutschen landen eben durch diese beschreibung auf-
merksam, zu machen : die von teufein in einer nacht erbaute
brücke von Segovia (der aquaeduct), das wunderbare crucifix von
Burgos (eine art gegenstück zu dem crucifix von Oviedo, von
dem aber die begleiter Roimitais nichts erzählen)^; der reiche
iiranz von sagen, die sich um die person des apostels Jacob
bildeten und deren mitteilung sich besonders der böhme Schaschek
angelegen sein liefs, wahrend bei dem berichte Gabriel Tetzels
der passus über den Jacobstein (s. 178 der ausg. Schmellers)
vorzüglich bemerkenswert erscheint; die abenteuerliche und an
wunderbaren zuß&Uen reiche fahrt der Schiffer, die, für vier jähre
verproviantiert, von Finisterrae aus nach den /regiones desertae'
geschickt werden, ein wol an legenden üppiger, aber in seinem
erfolge weniger glücklicher zug als die 30 jähre später erfolgte
expedition Colons (vgl. auch s. ix bei Schmeller); die ganz den
alten ritterromanen nachgebildete erzdhlung von der unglück-
lichen Jungfrau von Merida; die erblindung des königs und des
ganzen gesindes bei der belagerung des beiligtums zu Guadalupe
— ein unverkennbarer anklang an die auf spanischem boden
mit solcher Vorliebe erzählten Marienlegenden, die schon zwei
Jahrhunderte früher, zur zeit Berceos und Alfons des gelehrten,
reiche pflege fanden — diese und andere Stoffe aus der bekannt-
lich überaus reichen spanischen sagen- und legendendichtung
fanden durch Roimitais begleiter bei uns eingangs unsere
kenntnis von berichten über ältere deutsche reisen nach Spanien
ist durch Farinellis nachtrage zu Foulch^Delboscs Voyages in
wünschenswerter weise bereichert worden, zu den wichtigsten
den citierten titel führt die ausgäbe Schmellers, ßibl. des litt. ver. in Stutt-
gart, bd VII, 1844.
^ eine kurze erwähn ung dieser 'croix faicte des angles' io dem Premier
voyage de Philippe le Beau, Ghroniqaes Beiges in^dites, Gollection des voy-
ages des souverains des Pays-Bas p. p. Gachard vol. i (1876) s. 157.
' auf das abenteuer, das Rozmital und seinen gefährten bei Gantalapiedra
begegnete — sie sahen einen einsiedler, den man für den könig von Polen
liielt — , hat Farinelli bereits aufmerksam gemacht, hiniuzufügen wäre, dass
die merkwürdige, von Schaschek erzählte erkennungsscene, die Huldigung
seitens eines Untertanen usw. wol blofe eine legende ist, die eben nur so
mitgeteilt wird, als hätte sie sich vor den äugen der reisenden würklich
zugetragen, hält man hiermit die tatsache zusammen, dass Johannes Dan-
liscus, der gesante Sigmunds i von Polen, eine überaus einflussreiche
rolle am spanischen hofe spielte und — auch in verwantschafts- und an-
erkenn ungsfragen — eine weitreichende tätigkeit entfaltete, so ergibt sich,
dass, wie hier gelegentlich bemerkt sein mag, Galderons berühmte cOmedia :
.*La vida es sueno' rücksichtlich der eiokleidung der urspräoglich morgen-
landischen erzählung nicht durchaus jenes nur der erfindung des dichters
entsprungene phanlasiestück za sein braucht, für das sie gewöhnlich ge-
halten wird.
SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATCR 147
bescbreibuDgeQ, auf die Farioelli aufmerksam machte, gehört das
itinerarium des Hieronymus Münster aus Nürnberg (1494 — 1495),
handschrifllich in einem codex der MUnchener hof- und Staats-
bibliothek erhalten und bis jetzt unverOfTeutlicht (inhaltsangabe und
ein kurzer auszug in den Apuntes s. 14 und 1280* ^^i dieser
gelegenheit sei erwähnt, dass zu zwei wertvollen alten reisebe-
richten, die von Foulch6-Delbosc zwar verzeichnet, ihrer Über-
lieferung nach jedoch nicht eingehend geprüft wurden, gleichfalls
Dachträge zu liefern sein werden : ich meine die fahrt des rilters
Nicolaus vPopplau nach Portugal und Spanien in den jähren
1484 und 1485 und die relationen des Johannes Dantiscus,
— Dantiscus vllöfen — polnischen bolschafters am hofe
Karls V während der jähre 1519 — 1531. über dem berichte
des Nicolaus vPopplau hat ein eigner unstern gewaltet. das
original gieng verloren, nur eine copie hat sich in der Elisa-
bethbibliothek zu Breslau erhalten und nach dieser wurde der
bericht in der zs. 'Schlesien ehedem und jetzt* v. j. 1806 ver-
OfTentlichL diese deutsche ausgäbe ist aber unauffindbar ge-
worden, weder Foulch^-Delbosc noch Farinelli haben sie ge-
sehen, und auch meine bemühungen, sie aufzustöbern, blieben
erfolglos, so kommt es, dass wir den deutschen bericht in der
spanischen Übersetzung benützen müssen : 'Viages de extrangeros
por Espasa y Portugal en los siglos xv xvi y xvii. Coleccion
de Javier Liske. Traducidos del original y anotados por F. R.
{Felix Rozanski] Madrid, s.a.' in dieser Sammlung nimmt die
reise des ritters Nicolaus vPopplau die erste stelle ein. die
beigegebenen noten, welche hie und da auch stellen des deutschen
textes bieten, legen nun so manche schaden der Überlieferung
blofs. bald heifst es, das deutsche original sei unverständlich
oder ob seines urwüchsigen ausdruckes unübersetzbar gewesen;
bald werden stellen willkürlich weggelassen, bald wird schlechthin
eine lücke constatiert, wobei wider unentschieden bleibt, ob die
hsl. copie oder der abdruck hieran schuld trägt, diese schaden
empfindet doppelt, wer in Nicolaus vPopplau einen der bedeu-
tendsten, sicher den originellsten aller mittelalterlichen bericht-
erstatter, die hier in frage kommen, schätzen gelernt hat. der
selbstbewuste ritter liebt es zwar, sich auf ein piedestal zu stellen,
vornehm zu posieren, aber von seinem seis auch etwas eigen-
mächtig erhöhten standpunct aus beurteilt er land und leute
mit einem freimut, einer Sicherheit und Unabhängigkeit, die ihm
alle ehre machen, ein realist im schauen und jedem legen-
darischen beiwerk abhold, ist er knapp im ausdruck und beson-
ders treffsicher in sinnfälliger darstellung seiner vielen merk-
würdigen erlebnisse. es bedarf nicht erst der Versicherung, dass
eine correcte neuausgabe des deutschen berichles in hohem grade
wünschenswert wäre, auch für die sehr umfangreichen relationen
des Johannes vHöfen führt Foulch6-Delbosc die oben erwähnte
148 SCHiNEIDER SPANIEL^S ANTEIL AN DER DEUTSCHEN UTTBRATDR
Sammlung der ^Viages' als alleioige quelle an. da FariDelli in
seinen Apuntes auf diese angäbe nicht zurückkommt, sei erwähnt,
dass die originalberichte dieses ungemein tätigen polnischen Send-
boten am spanischen hofe in den ^Acta Tomiciana • . . resgestae
Serenissimi principis Sigismundi • . . scriptae per Stanislaum Gorski
. . . Petri Tomicii secretarium . . .' Posen 18520* nachgelesen
werden müssen, da Liske in den ^Viages' aus der fülle der ein-
schlägigen relationen nur kurze auszüge bietet; dass endlich nach
publicierung der Viages noch ein weiterer teil (bd. x) der ^Acta'
in druck erschienen ist, der gleichfalls eine stattliche reihe Ton
Dantiscusrelationen bietet, daher denn diese ergiebige quelle von
berichten über spanische zustände zu beginn des 16jhs. noch
nicht ausgenützt erscheint.
Bei diesen und so manchen andern alten berichten über
Spanien ßillt vornehmlich ein umstand auf, die deutschen rei-
senden erzählen nicht nur von gefahren und abenteuern, schwie-
rigen Zügen und anderm ungemach; sie geben auch künde von
Sitten, festen, aufzügen, von Sehenswürdigkeiten aller art, ja selbst
— hier steht unser Nicolaus vPoppIau an der spitze — von in-
dustriellen und commerciellen Verhältnissen, nur die litteratur
existiert für sie nicht, am allerwenigsten die nationale, es ist
eine ausnähme, wenn der Nürnberger Gabriel Tetzel aus Toledo
berichtet : In der stat sahen wir sant Johans Baptistae haubt und
vil kostlichs heiühum und sahen die köstlichsten Bibel die man meint,
die in der Crisienheit sey. Es sind großer Bücher drey, der text
und die gloss ist geschriben mit gülden buchstaben und an der ann
dern Seiten die figur gemalt. Man meint auch, es sey der kostlichst
maier gewesst, als er in der well gewest seiK
Allein ein fehlschluss war es, wenn man annehmen wollte,
die deutschen reisenden berichteten nichts von litterarischen
schätzen^ weil eben solche nicht zu sehen waren, die anfertigung
und Sammlung von hsl. texten der classischen, mittellateinischen
wie auch der nationalen litteratur hatte in der zweiten hälfte des
15 jhs. auf spanischem boden den höhepunct erreicht, ja sogar
— man braucht da nur an die memoiren des Ambrosio de Horales
zu erinnern — vielfach bereits überschritten, ich kann auf diesen
punct hier nicht eingehn und muss, was speciell die texte natio-
naler litteratur in mittelalterlichen bibliotheken Spaniens anlangt, auf
meinen einschlägigen aufsatz in der beilage zur Münchner Allgem.
' das ms. gehörte offenbar zu den kirchenbuchem der kathedrale,
welche bischof und capitel unter ansehnlichem kostenaafwand zu beginn
des 15 jhs. schreiben und illuminieren lieCsen, vgl. meine Handscbriflen-
schätze Spaniens s. 473 f. als vielbeschäftigter schreibkfinstler erscheint
Pero Sanchez, ^cantor, vecino de Toledo', die oben geschilderte aasstattung
lasst übrigens berechtigte zweifei zu, ob das scbaustöck wärklich eine bibel
und nicht vielmehr eines der liturgischen werke war, von denen in den
rechnnngen die rede ist.
SCHICEIDEB SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 149
zeitUD^ 1895 dt 297 verweiseD K das^ was den tiefsten einblick
in das geistesleben des TremdeD volkes vermittelt hätte, bleibt nun
uosern reiseodeo so gut wie unbekannt : Schaschek rühmt zb. in
Guadalajara die 'aedes magnifice exaedificatas' des marques de
SaDtillana, erwähnt aber die für jene zeit einzig dastehnde
bOcberei desselben mit keinem worl. Nicolaus vPopplau, der über
geringfügige dinge bescheid weifs, von der sitte des besa-manos
beim könige, von den tohnwaren, die in der nähe von Valencia
gefertigt werden, von kornfrucht und wein ausführlich erzählt,
geht an Pöblet und Honserrate mit der bemerkung vorbei, dass
die mönche dieser beiden klüster Benedictiner seien, und dass den
fremden besuchern mit wein und brot aufgewartet werde : über
die herlichen hücherschätze, die in Fohlet wie in Montserrate
aufbewahrt wurden und — heule zt. verloren, zt. verstreut —
gerade damals einen besondern anziehungspunct für den wiss-
begierigen reisenden bilden durften, schweigt er sich völlig aus.
wenn hierfür vielleicht ein erklärungsgrund in dem umstand ligt,
dass unser ritter Titus Livius und Valerius Maximus in Cördoba
geboren sein lässt (Liske s. 51), so bleibt gieichwol bemerkens-
wert, dass weder Nicolaus vPopplau noch, soweit ich sehe, die
zeitgenössischen reisenden den viel sinnfälligeren äufserungen
scenischer kunst auf spanischem boden genügend aufmerksamkeit
schenkten, dass im 15 jh. in Castilien wie in Gatalonien dra-
matische repräsentalionen keineswegs zu den Seltenheiten ge-
hörten, ist ja bekannt, und es bedarf nicht erst des hinweises
auf die einschlägigen abschnitte bei Schack und Denk^.
Vom 16 jh. angefangen, ändern sich die Verhältnisse voll-
ständig, das würksamste mittel, die kenntnis spanischen geistes-
lebens im aligemeinen, des Schrifttums insbesondere, im ausländ
zu verbreiten, wird der buchhandel, der spanische originalwerke
in unsre lande bringt und Übersetzungen derselben veranlasst
doch ist die schwarze kunst nicht so allmächtig, dass Sammlung
und Sichtung ihrer erzeugnisse — selbst im weitesten umfange -r-.
genügte, um über die litlerarischen beziehungen zwischen Spanien
und Deutschland in der neuzeit klarheit zu schaffen, darin ligt
der oben gerügte grundsätzliche fehler des Sch.schen Werkes;
Farinelli hatte recht, bei behandlung des themas in den eingangs
^ die genaueren angaben in den Handsclmftenschätzen Spaniens unter
den betreffenden bibliotheken. hierzu kommen noch die bOcberei des Gomez
Manrique, in der sich nach dem 1490 angelegten inventar 40 hss. — darunter
mehr als die hälfte mit vulgärtexlen — befanden (vgl. Gancionero de Gomez
Manrique, [Madrid 1885] ii 332 0« und die erst vor kurzem von Paz y Melia
glänzend commentierte bucherei des grafen von Haro (1455), die gleichfalls
an schätzen nationaler iitteratur reich war (vgl. Revista de archivos 1897, ISA).
* für dramatische kunst und poesie Gataloniens im ma. vgl. ua. Sanpere
und Miquel Barcelona en el ano 1492, Barcelona 1893 8. 96, wo die *mo-
merias* mit den aus späterer zeit bekannten ^entremeses' identiliciert werden,
sowie den aufsatz * Autos sacramentals del sigle xiv* in der Revista de la
asociaciön artistico-arqueolögica Barcelonesa ii (1898) nr 9 8.673 fr.
150 SCHNErDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR
erwähnten aufsätzen auch späteren reisen, wie die von Anton
Kaufhold, Chr. Aug. Fischer^ Heinrich Friedrich Link uaa. volle
aufmerksamkeit zu schenken, und in demselben sinne werden die
einschlagigen nachrichten der bibliographie von Foulch^-Delbosc
und der Apuntes Farinellis für unsre aufgäbe wichtig, jede er-
gänzung in dieser richtung ist willkommen zu heifsen, nur wird
notwendigerweise eine gewisse arbeitsteilung platzgreifen mOssen»
wir Deutsche haben für uns allein hier genug zu tun; das ein-
schlägige material ist weit gröfser, als man glauben sollte, und
gerade für das 16 und 17 jh. lassen die erwähnten Sammlungen
von reiseberichten noch zahllose ergänzungen zu. die zt. äufsersi
umfangreichen relalionen, speciell die botschafteracten aus jener
zeit sind für unsern zweck fast noch unbenutzt, ganz wenige,
kurze hinweise, die teilweise aus jüngst zugänglich gemachten
quellen geholt sind, mögen dies erhärten.
Schon bei der fahrt Maximilians ii nach Spanien im j. 1548
haben in Barcelona und an andern orten spielleute *Gaugler
Tanntzer und Bofierer^ eine gewisse rolle gespielt — wenigstens
werden in dem kürzlich publicierten reisejournal (ed. FHen<^ik
im Arch. f. Osterr. gesch. 36 i 293 ff) ganz achtenswerte ausgaben
für dies fahrende volk verzeichnet, bedauerlicherweise sind die
weit umfassenderen berichte eines ganzen geschlechts, nämlich
der Khevenhüller-Frankenburg über reisen nach Spanien nur in
sehr kargen auszügen bekannt geworden, die spärlichen proben,
die aus dem — die jj. 1552 — 1577 umfassenden — tagebuch des
Bartolomaeus Khevenhüller, grafen von Frankenburg, vorliegen, zb.
über die erfahrungen, die er mit der spanischen Inquisition
machte, lassen darauf schliefsen, dass der bericht über seine reise
nach Spanien (1559) gar merkwürdige künde von dem lande nach
Deutschland brachte, in noch viel höherem mafse gilt dies von
den gesantschaftsrelationen, die von zwei andern mitgliedern des
geschlechts verfasst und erhalten sind. Johan'graf vKhevenhüller
vertrat die interessen seines Vaterlandes durch mehr als dreifsig
jähre (1571 — 1605) in Spanien, seine während dieser zeit an
den kaiserhof gerichteten amtlichen schreiben und acten (concepte)
füllen sechs mächtige foliobände und bilden eine der wichtigsten
quellen für die kenntnis der österreichisch-spanischen beziehungen
während jenes Zeitraumes. Noch eingehender sind die botschafts-
protokolle Franz Christophs i. grafen vKhevenhüller — des
Verfassers der Annales Ferdinande! — aus den jähren 1617 — 1625:
sie enthalten mehr als 3000 briefe und berichte, unter ersteren
solche von trägem tönender namen, wie Lerma, Osuna, Olivarez.
in einem andern, fünf foliobände umfassenden werke: ^Allge-
meine vnd Particulargeschichten vnd negotia in form eines Pro-
thocols Herrn Franz Christoph Khevenhüller' (1617 — 1623)
^gruppiert der Verfasser in lichtvoller, diplomatisch geschulter
darstellung um seine persönlichen erlebnisse und Erfahrungen
SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATDR 15 t
die damaligen ereignisse, deren hauptscbauplatz der würkungskreis
KhevenhüUers, Spanien, gewesen', alle diese acten, ferner die
Sammlung der Urkunden belreiTend das verlobnis erzherzog Fer-
dinands m mit der infantin dona Maria, bei dessen Zustande-
kommen graf Franz Cbristoph eine bervorragende rolle zufiel^
dann die ^Epistulae bispanicae*, mebr als 1000 briefe aus den jj.
1581 — 1604 (von und an Pbilipp ii, berzog Alba, marques de
Castillon) sowie eine reihe anderer äbnlicher Urkunden bildeten
den hauptschatz des archivs der Kbevenhüller-Frankenburg, wur-
den vor wenigen jabren durcb ein Wiener antiquariat verkauft
und finden sieb beute leider zerstreut in verscbiedenen sammel-
stätten zu Wien und Nürnberg K
Besser stebt es um die einbeitlicbe erbaltung der bicr in
frage kommenden aclen des arcbivs der grafen Harraeb, das von
dem beamten der k. k. bofbibliotbek Ferdinand Menöik sorgsam
verwaltet und in zuvorkommender weise der forscbung zugänglicb
gemacht wird, die tagebücber des grafen Ferdinand Bonaventura
Harrach über seine reisen in Spanien in den jj. 1665 und 1673
bergen eine fülle der merkwürdigsten nachrichten, darunter auch
solche, die unmittelbar für den litteraturbistoriker von belang
sind, graf Harraeb, ein eifriger theaterfreund^ macht sorgfältige
notizen über den Spielplan und fügt auch gelegentlich sein urteil
über die darstellung bei 2. man wende nicht ein, dass dieses
' vgl. Der Wiener antiquarische buchermarkt, hrsg. v. SKende nr 1 (1893).
^ man vergleiche folgende auszüge, die ich der gute des herrn Mencik
verdanke:
1674. 9 Jan, umb drey bin ich in die Comedi al Coral de la Cruz ge-
fahren, alwo sie eine von der Geburt Christi repraesentirt haben,
die nit vbel war, das thema war, wie die Invidia undt der Teufnl
dieses Misteria zu verhindern gesuecht, und doch alles durch die
Lieb Gottes gegen den' Menschen vollbracht worden.
* 27 Jan, Nachmittag al coral de la cruz in die Comedie gangen^
alwo sie die batalla de Pavia y prison del Rey Francesco I, de
Francia repraesentiret und sehr guet gemacht haben,
s 10 May. Ich bin Nachmittag in die Comedie, alwo sie eine re-
praesentirt haben genandt la carbonera de Sevilla von dem könig
Don Pedro el cruel, so nichts absonderliches gewesen,
c 20 July, Nachmittag in die Comedi, allwo sie eine repraesentirt
haben intitulirt : Dios ha^e justicia a todos^ so wohl hingangen,
f- 22 Juli, Nachmittag mit meinem Carl in die Comedi gangen^ alwo
sie repraesentirt haben, tambien entre las damas ay duelo. Die Co-
medie ist von D. Pedro Calderon sehr guet, aber gar schlecht durch .
die neue Compagnia exhibirt worden,
9 10 Aug. Nachmittag bin ich in die Comedi, alwo sie die repraesen-
tirt haben, welche man zu der konig Namenstag gehalten, Ist die
Fabel von den 2 Brüedern — die sich nie vergleichen können, als
einer den anderen zugleich umbgebracht und dise korper zugleich
auf einem Scheiterhaufen verbrendt werden,
» 24 Aug. Nachmittag bin ich in die Comedi, alwo sie repraesentirt
haben las dos Estrellas de Francia war die Fundation de la orden
Triniiana redemption de cativos.
152 SCHNEIDER SPAISIENS ANTEIL AN DKB DEUTSCBBlf LITTBRATUR
persönliche interesse für die spanische litteratur, das Ton einem
«inzeinen, sei es auch von einem botschafter und so nacbdrück*
lieh bekundet wurde, ohne weitere nachwürkung geblieben sei.
es soll noch gezeigt werden, dass in jener zeit die bedeutung
der spanischen litteratur, besonders der bOhnenwerke am kaiser-
hofe zu Wien ebenso gewürdigt würde wie von dessen repräsen-
tanten in Madrid, ja dass der lilterarische einscblag, den die
damaligen diplomatischen beziehnngen hatten, deutlich und oft
genug zur geltung kommt, vorläufig sei, was die kenntnis spa-
nischer bühnenkunst in deutschen landen eben zur nämlichen
zeit anlangt, auf ein interessantes Zeugnis hingewiesen. Schack,
dessen unermüdlicher Sammeleifer berichte über das spanische
theater allenthalben ausfindig zu machen wüste, hat den wert
der nacbrichten, die in der beschreibung der reise des Fran^ois
van Aerssen, ^Voyage d'Espagne cvrieux, bistoriqve et politiqve',
Paris 1665. 8^ enthalten sind, wohl erkannt, und in seinem clas-
sischen werke (ii 115 ff) eine Übersetzung jenes abscbnittes aus
dem französischen texte geboten, es entgieng ihm aber ein um-
stand, der gerade für die vorliegende frage von besonderer Wichtig-
keit ist. die eben erwähnte französische reisebescbreibung wurde
kurz nach ihrem erscheinen ins deutsche übersetzt: *Reyse-Be-
Schreibung nacher Spanien .... anjetzo in das Teutsche über*
gesetzet durch Johann Mackle', Franckfurt 1667 [HB. : SA. 48.
F. 9] und die angezogenen abschnitte gehören wol zu den aus-
führlichsten berichten, die in deutscher spräche damals über
«panische theater künde gaben ^
1674. 31 Aug, Nachmittag bin ich in die Comedie^ altüo di Compagnia
des Falesso, so ein Zeit abwesend toar, die Comeäi dieka y des-
dicha del hombre repräsentirt, so sehr guet an sieh seUbH^ und gar
wohl exhibirt wurde, dann sieh die Compagnia verändert und umb
viel verbessert hat,
» 2 Sept, Nachmittag bin ich in die Comedie, akoo sie repraesentirt
haben, Hermosura y diseretion,
« 7 Sept, in die Comedi gangen , weÜlen schon ein Balcan bestellt
war, haben repraesenürt die Fabel Philomena und Progne, so gar
guet gewesen.
9 15 SepU Ich bin Nachmittag in die Comedi^ alwo sie Paeheeos y
Palomecos repraesenürt, so wol hingangen,
^ dies, wie der umstand, dass der ebeo Tefzeichnete deatsche druck
schon recht selten geworden sein mag, Teranlasst mich, hier eine probe aus
<lem betreffenden teil (cap. 18 s. 126f) mitzuteilen : Den Naekmitiag umb
funff Vhr stellete man die Autos vor. Es seind geistliehe Schauspiele \
mit underschiedlichen und recht lächerlichen Streichen unterutenget | umb
zu versiissen \ was das ernstliche von dem Stück verdrießHehes an sieh
haL Die zwey Hauffen der Schauspieler welche %u Madrid \ beeekHessen
Kur selben Zeit ihre Schaubünen und vertreiben einen ganUen JMonat mit
dem Forttellen dieser geistlichen Stücke, Auff andern ^fielen sie olfent-
lieh I welche darzu insonderheit auff den Gassen zu bereitet sind, Sie
seind verbunden täglich eine vor eines Raths Präsidenten Hauß zu halten,
Sie fangen an bey deß königs seinem Ort | eben auff den Tag des Festes \
und haben hierzu eine ausgerichtete Büne mit einem Himmel | unier
SCH.MCfDER SPANIENS ANTEIL AN DßB DEUTSCHKN UTTEAATim 15^
Nicht alles, was sich, mitoDter recht anspruchsvoll, als *spa-
fiische reise' gibt, wird in gleicher weise für qqs mfochlussreich,
wie die botschaft Harracbs oder die fahrt Aerssens. gtetchwohl
«rschenit, es sei dies oacbdrücklich widerholt, die geoane berück-
^chiigaog der reisen für die ahschätzung der wechselseitigen
^literarischen einflösse zwischen Spanien und Deutschland uner-
lässUchy iiDd die Torhandenen einschlägigen bibiiographien laden
zu erneutem studiam des gegenständes, beziehungsweise zu wei-
leren erganzungen ein. der rahmen dieser besprechuog gestattet
Dicht, noch auf andre, als die eben angedeuteten nachtrage hin-
zuweisen i. ein wort gebürt aber den, wie es scheint, bei der
▼oriiegenden frage noch wenig beachteten anlassen, die schon in
froher zeit regen geistigen austausch zwischen Spaniern und
Deutschen gestatteten, ich meine die kircheaversammlungen. in
Basel zb. safsen in der ersten hälfte des 15 jhs. Vertreter der
natio Hispanica und der natio Germanica fast zwei Jahrzehnte
hindurch beisammen, leuchten der iberischen halbiosel, wie der
cardinal Cervantes, waren daselbst erschienen, der grundgelehrte
Juan de Segovia entlockte Enea Silvio ausdrücke der bewun-
derung und begeisterte noch in viel späterer zeit den Basler
Professor Iselin zu einem panegyricns; das monumentale geschichts-
welchem sich ihre Mayesiälen niedersetzen. An dem Fuß dieser \ ist der
Schau- Platz; und weil die Spieler den Rucken gegen der Fereamlung \
so auff dem Platz ist \ kehrend spielen \ so rollet man kleine HäußUin
hinzu I da sie sieh mögen kleiden I hinauß gehen und wieder kommen
nach Jeglichem Stück des Spiels. Man treibet dieses etliche Tag lang |
und ein Jeglicher Präsident hat das seinige \ die obere und den Schauplatz
vor seinem Havß. Ehe man diese Autos vorstellet \ tantzet und springet
da alles Poesenwerck der Procession | und die Riesemß^eroke erUtetigen
das yolck, fVas mich in dem \ so ich von fernem auff dem alten Prado
gesehen \ bestürtzet \ ist dieses \ daß man in der gössen \ und in der .Lufft
zu diesen stücken Fackeln stehet | und daß auf denen zugeschlossenen und
täglichen Schaubünen \ man nicht bey der Liechter \ sondern bey der
Sannen Klarheit spielet.
^ zu den phantastischen reisen gehört die ersahlang von der über-
fuhroog der reliquiea aus Jerusalem nach Oviedo, titelloses stück des 12 jhs.«
aus 2 hss. herausgegeben von GhKohler Revue de i*Orient latin v (1897) 1 ff;
ferner : 'Seltzame Begebenheiten | Eines vornehmen Spanischen Kauffmanns-
Sohn I Nahmens DoBihkgo aus Gadix, Bestehend in verschiedenen galanten
Liebs-Geschichten und wunderlichen Abentheuern. Aus dem Spanischen in
4as Teutsche übersetzet. Wien, Johann Gabriel Grahi 17S9' [BB. : 240. D. 14].
auf ziemlich reiche nachtrage zu Foulche-Delbosc und Farinelii stöfst Man,
wenn man den indexband der Revista de Espaiia (118) auf die zakUosen kleinem
spanischen Boletines und Revistas durchsieht, anch aas der Revne de Paris
hab ich zt. wertvolle erganzongen notiert, ich erwähne diesen nmstaDd
Oberhaupt nur ans dem gründe, weil er abermals beweist, dass hier eine
arbeitsteilong nach ländern ptatzgreifen mass; um so mehr, als man sach-
lich an dem begriff ^reise' nicht engherzig festhalten darf, der sehr interes-
sante brief, auf den mich College Arnold aufmerksam macht : 'Von der spa-
nischen Kleidungsart. Auszug eines Schreibens an den Herrn geheimen Rath
von Gemmingen in Stuttgart', datiert Madrid 25 juni 1776 (Deutsches mu-
seum 1776, s. 769 fr), sagt über den gegenständ mehr als ein paar dntzend
reisebeschreibungen.
A. F. D. A. XXVI. 11
154 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATCR
werk Juans über das Baseler concil (mit maDcbem bericht Ober
spanische dinge) findet sich in je zwei abschrifllen in Wien und
in Basel ^
Es heilst nur einen schritt weiter auf dem vorgezeichneten
wege geben, wenn man auch den reisen der Spanier nach Deutsch-
land und den sich hierdurch ergebenden einflüssen aufmerksam-
keit schenkt, der gegenständ ist m. w. bisher noch nicht in
zusammenfassender weise bearbeitet worden : ein derartiges gegen-
stück zu den bibliographien Foulcb^s und Farinellis existiert
nicht, manches hierher gehörige material findet sich an einer
stelle, wo man dergleichen nicht vermuten sollte, nämlich in dem
anlässlich der Columhusfeier 1894 erschienenen prachtwerk : El
Centenario Bd. iv, 427 fr wo Cänovas del Castillo u. d. t. : 'Dona
Maria Cristina de Austria, su matrimonio y su regencia con
noticias referentes ä las relaciones antiguas entre Austria y Es-
pana' auch über einige spanische reisen und expeditionen nach
deutscheu landen handelt (vgl. insbes. abschn. vi)2.
Den persönlichen mittlem zwischen Spanien und Deutsch-
land stehn gewisse unpersönliche dolmetsche, in erster linie die
Sprachbücher, grammatiken und lexica, zur seite. Farinelli, dem
auch dieses für die erleichterung der litterarischen beziehungen
zwischen beiden ISndern sehr wesentliche moment nicht entgieng,
nennt, die einschlägigen abschnitte in des graren Vifaza Biblioteca
histörica de la filologia Castellana (Madrid 1893) ergänzend, einige
solcher opuscula, zb. die von Bahrdt (1778), Wagner (1795) uaa.^
älter sind — um von einigen anonymen werken, wie den mir
nur aus einem antiquariatskatalog bekannten ^Colloquia cum dic-
tionariolo sex linguarum, teut. latin. germ. gall. hispan. et ital.»
Antwerpiae, apud H. Henricum, 1583' abzusehen — die arbeiten
des heute fast vergessenen Spaniers Juan Angel Sumaran , der
zu beginn des 17 jhs. als Sprachlehrer in Ingolstadt lebte. Nico-
laus Antonio Bibliotheca nova i 634 gibt einige nachrichten über
ihn, ohne auf Sumarans hauptwerk, den Thesaurus linguarum,
Ingolstadii 1626, einzugehn. erst graf Vinaza bot aao. sp. 556 f,
2045 fr genauere aufschlüsse über diese mit rücksicht auf die
zeit ihres erscheinens gewis bedeutende grammatikalische leistung *.
^ näheres hierüber in meinem aufsatze : Urkundliche beitrage zo Jo-
hannes de Segovias geschichte des Basler concils, Wien 1897 (WSB. phil.-
hist. cl. bd 135).
^ Spanische zeitungsflugblätter (widerholt unter dem titel : Noticias
ffenerales de Europa venidas ä Barcelona por el correo de Francis erschieneD)
nndeo sich schon gegen ende des 17 jhs. häufig und beschäftigen sieb mit
deutschen angelegenheiten. der codex der bibliotbek Trivulzio zu Mailand
nr 940 s. xti (Porra s. 280) enthält in journalistischer form die Schilderung
eines feierlichen einzugs des 'Rey de Romanos' zu Worms, 1495, in spa-
nischer spräche.
3 Vgl. Zs. f. vgl. liU.-gesch. n. f. 8, 350 f.
^ die Widmung ist an *Don Francisco JMoncada Gonde de Ossons . . .
del Gonsejo Supremo de su Mag.<i Gatholica y su Embaxador scercs Is Mag.^
SCHISEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATUR 155
Der umslaod, dass die weseullicb erweiterte ausgäbe des
Sumaranschen Thesaurus 1665 in Wieo erschieD, dass schon
fönf jähre später ebendas. Nicolaus Mez de BraideDbachs *Dic-
cioDario muy copioso de la lengua espaüola y alemaoa hasta
agora nunca visto' gedruckt wurde, ist ungemein bezeichnend,
soll man die statte angeben, wo während des von Seh. behan-
delten Zeitraums der litterarische einfluss Spaniens am nach-
haltigsten zur geltung kam, so wird unbedenklich der hof kaiser
Leopolds I zu nennen sein. ^ Cömo quereis' bemerkte der kaiser
einmal, als man die correctheit seines spanischen ausdrucks be-
wunderte 'que no lo kahle asi, cuando he vivido usdndolo por el
dia y por la noche'l (Cänovas aao. 450). zieiit man auch von
dem inhalt der äufserung, die ja talsächlich gefallen sein mag,,
eine gewisse, wol durch äufsere umstände veranlasste hyperbel
ab, so bleibt doch genug an historischer Wahrheit übrig, um
Leopold I als einen der grüsten verehren spanischer spräche und
lilleratur zu erkennen, den es damals in deutschen landen ge-
geben hat. diese neigung war nicht sowol durch des kaisers
abstammung bedingt — seine muiter die infantin Maria Anua^
eine tocbter Philipps iii, verlor er schon, da er im alter von 6 jähren
stand — als durch seine heirat mit Margaretha Theresia, der
lochten Philipps iv, die er 1666 heimführte; auch mochte der
Widerwille, den er gegen das französische empfand, ihn die bei-
den andern romanischen hauplsprachen umso eifriger haben
Cesarea en Alemania etc.' gerichtet und klärt über die art, wie das werk
Teranlasst wurde, auf : Ettando yo el afio passado en f^iena en casa del
Sr. Conde y General Marradas, tuue tuerte de offrecer mi Persona^ y ser-
vicios d y, Ex.^ la quäl por su solita corlesia me estimö y favoregiö
mucho, mandandome computiesse algunos principiot y reglas de la len-
gua y pronunciacion Alemana usw. der titel : ^Thesaurus linguarum, in
quo lacilis via Hispanicam, Gallicam, Ilalicam altingendi etiam per Lalinain
et Germanicam sternitur . . edilio post IMooacenses duas tertia' weist auf
frühere ausgaben, die sowol ADtonio wie Viöaza unbekannt blieben, tat-
sächlich besitzt die k. k. hofbibliothek : *Da8 Newe Sprachbuch — Liure el in-
struction pour apprendre les langues — Libro fondamentale per le lingue —
Libro muy prouechoso para aprender las lenguas. IMonachii Apud Viduam
Bergiauam 1621' [HB. : 90. F. 27], die vorrede schliefst 'Datum Mönchen den
15. Decemb. Anno 1620' und der leser wird apostrophiert wie folgt : du weist
wol I wie fast heutiges Tags die Erkantnuß der Sprachen allen Stands
Personen wol vonnöthen thut \ damit sie inn vnderschidlichen Nationen
kauffen vnnd verkaufen können \ ohne einiges Dolmetschers hilff \ Ufelches
zwar die Niderländer vnd der Teutsche Adl wol betrachtet haben \ vnnd
darumb ziehen sie inn Welschland \ Franckreich vnd Hispanien \ nicht
allein die Sprachen \ sonder auch ihre gute gebrauch vnnd sitten zu ler-
nen u. s, w, die vorrede einer spätem ausgäbe von Sumarans Thesaurus
(Viennae Austriae, 1665, HB. : 73. V. 61) erhebt sich zu einem förmlichen
Panegyricus auf die erlernung der romanischen sprachen : . . . . e« ist
zwar nit weniger \ daß \ welcher die Lateinische Sprach allein wol ver-
stehet, allenthalben viel gelten thutt \ vnnd den nechsteri Staffel zu Ihren
dreyen Töchtern hat : Ist es aber nit viel fürtrefflicher^ wann man die
frewdige Mutter, mit den verainigten Kindern hat \ vnd mit ihrer aller
Zierde herrb'g und wolbeklaidet heranziehet?
11*
156 SCHNEIDER SPAMENS AKT&IL AN DER DEUTSCHEN LITTCBATUR
pflegen lasseo. so wenig die österreichische eullurgeschichte
unter Leopold 4 (die musikgeschichte ausgenommen) bisher durch-
forscht ist, so war doch bekannt, dass an seinem bofe spanische
bühnenwerke in ihrer Originalsprache aufgefOhrt wurden, und
Eben hat aao. auf diese auffallende tatsache hingewiesen, hiezu
bemerkt nun Farinelii (Beziehungen zw.Sp. u. Deutschi, i 58) ^welche
spanische stücke er meint, weifs ich nichL sie sollen sich in
der k. k. hofbibliothek finden', auf diese fragen hat nun Alexan-
der vWeilen erst kürzlich eine befriedigende antwort gegeben,
er weist nach (Die theater Wiens i 1020, ^^^ ^^^^^ ^^^ ^^^
berühmte drama CaMerons : ^Darlo todo y no dar nada* mit einem
Zwischenspiel : 'Los alcaldes* bei hofe gegeben warde (1668), son-
dern auch 1671 ein drama von Cardona : 'Del mal lo menos',
1672 'La Oecha del amor\ 1673 Moretos 'Primero es la honra*
über die Wiener bez. die Laxenburger bühne giengen^ wenn
Weilen nun bemerkt, dass kaiser Leopolds zarte aufmerksamkeit
seiner gattin das fremde land hiedurch zur hetmat zu machen
suchte, so ist das ganz richtig, es stimmt hiemit auch die
anderweitig bezeugte nachricht, dass kaiser Leopold, dem
bibliothekar Lambeck seinen und der kaiserin besuch in der hof-
bibliothek ankündigend, dem schreiben das postscriptum anfügte:
'nee obliviscaris , ut itUer kispanos libros ponas comedias a Lope
de Vega olim tarn eamposüas'. aber verschiedene anzeichen sprechen
dafür, dass die Vorliebe für spanische spräche und liiteratur da-
mals in Wien tiefere wurzel gefasst hatte, 'die mujeres Espanolas
wolkn meinen hof ganz spanisch machen' schrieb einmal der
kaiser halb im scherz halb im ernst (Weilen aao. 58), aber nicht
blofs das schöne geschlecht stand im banne Spaniens, aufser
den bereits genannten sprachwerkeu wurden noch eine ganze
reihe spanischer bücher zu jener zeit in Wien gedruckt '. der
mitteipuQct dieser hispanopbilie war, wie sich unschwer zeigen
lässt, der kaiser selbst, schon früher wurde angedeutet, dass der
^ die bibliographischen nachweise bietet Weilen io dem auftatze : Zar
Wiener tbealergeschichle , Mitteilungen d. österr. ver. f. bibl.-weseii 1898,
nr3ff (Tgl. bes. die nrr 76. 82. 104. 108. 120). WeHen erginU so die
daten, weiche Job. Schwarz in seinem buch Die kaiserliche sommerresideoz
Faforita auf der Wieden io Wien 1615 — 1746 (Wien 1898) s. 32 ff ge-
liefert hat.
^ zuDächst einige oben nicht genannte theaterstucke : *Aun veiiddo
vence ei amor ö ei Prometeo Gomedia en musica escrita en ettiio vtaliano
1669' [*38. V. 17]; 'Teofiio : Los amores de Glodio y Pompeya comedia com-
puesla en ilal. puesta en musica por A.Draghi y tradocida por Joan Silvestre
Salva 1669' [*^b, H.78]; dann : Gastillo-C^lderon, Francisco : 'Oracion üaminia
meditada ä la loz de la proteccion Mariana 1671' [19. V. 63]; 'Panegyrico
de la ineCable dignidad de Maria 1671'; *Sgambata, Scipio Reaumeu de la
vida y milagros de S. Francisco de Boija, duque de Gandia, compuesto pri-
mero en Italiano 1671' [41. Mm. 3]. diese daten sind der sorgfftltigen, leider
bisher un veröffentlichten bibliographie Wiener drucke des 16 oad 17 jhs.
entnommen, die mein amlsgeoosse dr Franz Schöchtner auf griuul des na-
terials der k, k. liofbibliothek angelegt hat.
eCHHEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATOR 157
diplomaliscbe Vertreter Österreichs am spaniscbei) hofe auch eine
art liiterariscbep Wachpostens inne hatte; tatsächlich halte graf
Pöltiog, Leopolds bevollmächtigter botschafter in Madrid, vollauf
zu tun, om dem drängenden ansuchen des kaisers um einsendung
TOD musikalischen werken und bühnenstttcken zu genügen
(Weilen aao.)* ein litterarisches ereignis ersten ranges war der
ankauf der bibliothek des marques Gabrega zu Madrid, der hof-
biMiotbekar Peler Lambeck hat hierüber nur ganz kurz berichtet i;
die nachfolgenden daten sind den noch unveröffentlichten briefen
Lambecks an den kaiser (codex der k. k. hofbibliolhek no. 8010 2)
und dem gleichfalls bisher noch unbekannten handschriftlichen
katalog der bibliothek (codex no. 12601) entnommen, aus dem
schreiben Lambecks geht hervor, dass die erwerbung nicht nur
unmittelbar auf die initiative des kaisers hin erfolgte, sondern
dass dieser auch weiterhin der kostbaren Sammlung das gröstc
angenmerk schenkte, durch ihn erhält Lambeck anfangs 1671
den katalog der Sammlung und gerät bei der durchsieht der ver-
zeichneten dritthalbtausend werke (drucke und handschriften)
förmlich in Verzückung : durch den ankauf werde die hofbibliothek,
so schreibt Lambeck an den kaiser *an reichtum spanischer bücher
alle ähnlichen anstalten Italiens, Frankreichs, Deutschlands viele
parasangen weit hinter sich lassen' ^. als die erworbeneu bücher
tatsächlich eintrafen, ward Lambeck durch den grofsen Zuwachs
um so mehr in Verlegenheit gesetzt, als der kaiser sehr häufig
nach spanischen büchern verlangte, insbesondere aus der noch
^ PLambeckios Com meo tarier um de Aagustissima bibliotbeca Gaes.
Vindob. lib. tu (Vindob. 1675) p. 407 : Additamentum XU de intigni Bi-
bliotheca Hispanica Illustrutimi Domini Marchionit Gabregae, quae anno
hoc 1675 Auf^vttitsimae ßibiiotheeae Caesareae yindobonenti felieiter
accessii, den aokauf liefs kaiser Leopold i durch Fraoz Eusebius grafen von
Pöltiog , au£>erordeDllichen gesanten zu Madrid , vermitteln, die bibliothek
kam ^vtginti tribus cutis inclusa* am 23 aogast 1674 in Wien an. das ver-
sprechen, über hss. und drucke dieser Sammlung später ^accuralissime' zu
berichten, hat Lambeck m. w. nicht gehalten.
^ einige wenige proben aus diesen ^memoralien' bei ThGvKarajan:
'Kaiser Leopold i und Peler Lambeck\ Almanach d. kais. ak. d. wiss. xvni,
186S, s. 101 ff. leider ist gerade der auf die spanischen Studien des kaisers
bezügliche teil der schwächste dieser sonst so lehrreichen arbeit. Karajan
spricht zwar von einem katalog spanischer bucher, den der kaiser besessen,
weirs aber nicht, dass es sich eben um das Verzeichnis der bibliothek Ga-
brega handelt.
^ Cod. 8010 fol. 33 : Remilto S, Caes. Majestati vestrae Catalogum
Hbrorum in Hitpania emptorum^ et pro benigna communicatione humi-
limas ago gratias. Perlegi enim illum incredibiU cum deriderio et delee-
tatione, ideoque sine mora per amanuenstm meum curavi describi, quem
admodum ex ipso apographo hisce Uteris praeter Autograpkum adjancto,
videre est. Perutile profecto et valde Gloriosum hoc erit incrementum
Avgustissimae ßibiiotheeae Caesareae, quippe cuius beneficio ea omnes
ItaliaCy Galliae, Germaniae et Angliae bibliothecas numero, varietate et
praestantia Hbrorum Hispanicorum indubitale mullis parasangis superare
poterit
Findobonae d, X Mart 1671. Petrus Lambecius^
158 SCHNEIDER SPANIENS ANTEIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATDB
nicht recht geordneten Sammlung Gabrega, die er im katalog an-
gezeichnet hattet diese tatsacbe, die vortrage . Lambecks über
eingesendete spanische bücher^ beweisen im verein mit andern
überlieferten nachrichten ^, dass Leopolds i hispauophilie sich
durchaus nicht blofs bei prunkvoll ausgestatteten, seiner gemahlin
zu liebe veranstalteten Schaustellungen äufserte, sondern vielmehr
auf ernstes Studium spanischer dichter und denker gegründet
war. es darf nicht übersehen werden, dass die bibliothek Gabrega
(576 drucke in folio, 1176 in quarto, 723 in kleineren Formaten)
in vortrefTlichen ausgaben (auch incunabeln) das erlesenste bot,
was Spanien damals an wissenschaftlichen und litterarischen
werken aufzuweisen hatte, und dass ihre anschafTung dem kaiser
namhafte opfer auferlegte, eine Sammlung von achtzehn comedias
<Ies Lope de Vega zb. kostete allein 540 realen.
Mit dem hier geführten urkundlichen nachweis für den Ur-
sprung des wichtigsten spanischen bestandes jener bibliothek, die
es mir ermöglichte, nachtrage zu Schneiders werk za liefern,
ist die geschichte der Hispanica Palatina — dieses weit vorgescho-
benen litterarischen Vorpostens Spaniens, inmitten deutscher lande
— keineswegs erschöpft, doch kann auf einzelbeiten hier nicht
weiter eingegangen werden'*, ist es aber richtig, dass die ge-
schichte spanischer fonds in unseren bibliotheken die litterarischen
beziehungen Deutschlands zu Spanien schon in verhältnismärsig
^ Ibid. fol. 79 : Catalogum Bibliothecae HUpanicae Gabregianae cum
adiunctis ciementistimit literis rede accepi et omnem adhibebo diligentiam
ut Iransmissione librorum qui pro usu in sacro iänere Cellensi desideran-
tur et peculiaribus notit tignati sunt S, Caes, Maiestati vestrae desiderio
quam primum satisfaciam . . . Inier im igitur mitto inpresenU alios ali-
quot libellos sacro itineri Cellensi haud incongruentes.
Ex museolo meo d, 11 Junii a. 1676 P, L.
^ Ibid. fol. 74^ : Cum S. Caes. Maiestati vestrae abhinc quatriduo
f^itam Christi a, R, P, Christophoro de Fonseca Hispanice eonseriptam,
cum adiunctis humilimis literis meis tarn transmiserim^ mitto nunc porro
et demississime Eidem offero etiam alios sex libros sacros, ad Hebdoma-
dem Sanctam iUdem pertinentes.
Ex museolo meo d, 8. Aurilis » ,
A. 1677. ^- ^•
3 einmal nimmt der kaiser auf die reise nach Mariazell mit den roman
Lope de Vefras El Peiegrino en so patria Brusselas 1608^ 12® und Jaan
de £spiQOsa Dialogo en laude de las Mugeres Milan 1580. sonst noch wird
als reiselecture erwähnt Pedro Mexia Silva de varia leccion Venetia 1558. 8^
vgl. Karajan aao.
^ schon kaiser Ferdinand i liers 1550 durch Vermittlung des licenciaten
Oamiz liturgische werke in Toledo abschreiben und nach Wien senden (vgl.
meine Handschriflenschälze Spaniens 475 f). weit weniger spanische bucher»
•als man zunächst erwarten sollte, fanden sich in der bibliothek des erz-
bischofs von Valencia, Gardona (Mosel Geschichte der k. k. hofbibllothek
8. 114 irrig : Gordona), die dieser kirchenfürst dem dortigen Franciscaner-
kloster vermacht hatte und die Karl vi 1724 für die hofbibliothek erwarb, auch
in der ableilung *Oratores' und *Poetae' sind, wie der noch erhaltene band«
schriftliche katalog (cod. 11890, index dazu cod. 11899) zeigt, die lateinischen
und griechischen classiker besser vertreten als die spanischen.
SCHNEIDCE SPANIENS ANTRIL AN DER DEUTSCHEN LITTERATDR 159
früher zeit aufliellen« dass sich ferner auf die keoDtois ebeo
dieser bestände die quellenforschungen betreffs zahlreicher bear-
beilungen und Übersetzungen stützen, so ergibt sich die not-
weodigkeit von selbst, diesen fremdsprachlichen bücherschätzen
in unsern Sammlungen gröfsere beachlung zu schenken, als dies
bisher geschah, als Leopold Delisle sein classisches werk : Le
cabinet des manuscrits de la biblioth^que imperiale (1868 ff) schuf,
wusle er, dass er damit nicht blofs einen grundlegenden arbeits-
behelf beim Studium der Pariser manuscripte, sondern auch einen
bedeutsamen beitrag zur geschichte der mittelalterlichen htteratur
überhaupt lieferte, wir wünschen nun jeder deutschen bibliothek
ein solches cabinetswerk über ihre bestände — nicht blofs der
handscbriften — und unter besonderer berücksichtigung fremd-
ländischen gutes ^ wie aufschlussreich solche Untersuchungen
auch bei kleineren büchereien sein können , ^ hat erst kürzlich
dr. Adolf Schmidt in Darmstadt in einem aufsatz Die bibliothek
Moscheroschs (Zs. für bücherfreunde 1899) gezeigt — allerdings
handelt es sich da um das lilterarische rüstzeug eines Schrift-
stellers 'dessen ganzes schaffen*, wie Schmidt hervorhebt, 'auf
der aneignung und Umbildung fremden gutes beruht' 2.
Den soeben in allgemeinen umrissen angedeuteten grOfsern
aufgaben behufs klarleguug der weit ausgreifenden beziehungen
zwischen Deutschland und Spanien schliefsen sich einige kleinere,
specielle gebiete betreffende an. noch immer fehlt uns eine er-
schöpfende darstellung der wallfahrten nach Compostella 3, eben-
so eine bibliographie der hierhergehörigen, dh. Deutschland
und Spanien betreffenden reise- und sonstigen geographischen
^ als treffliches beispiel für die art, wie solche ontersuchungen me-
thodisch za führen sind, darf die arbeit von EGigas über die spanischen be-
stände der kgl. bibliothek zu Kopenhagen (Gentralblatt f. bibliothekswesen 2
[1S85] s. 157 ff) hingestellt werden.
2 in der bibliothek Moscheroschs bildeten die libri Hispanici eine eigne
abteilong, wie sich aus gewissen nachtragen zu seinem handkataloge ergibt;
dieser selbst konnte von ASchmidt nicht benutzt werden, doch wäre gerade
bei der spanischen ableilung zu ersehen, in welchem mafee sich Moscherosch
für die originale, nicht blofs für die französischen bearbeitungen interessierte,
vgl. Schneider s. 265 fr.
* [vgl. jetzt KHäblers neuste publication Das wallfahrtsbuch des Herm.
Künig von Vach und die pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Gom-
postella, Strarsburg 1899.] das kürzlich erschienene werk von Gamille Daux
Le pelerinage ä Gompostelle et la confrerie des pelerins de monseigneur
Saint- Jacques (Paris 1898) bereitet einigermafsen enttauschung. wir lernen
einige roulen nach Gompostella (von Frankreich aus) kennen, aber der verf.
hat nicht einmal den versuch gemacht, die reisen nach dem berühmten
Wallfahrtsort vom allgemeinen, culturhistorischen standpunct aus darzustellen,
es wäre dies übrigens eine dankbare aufgäbe der so trefflich geleiteten Bi-
blioteca Gallega, diesem gegenstände aufmerksamkeit zu schenken, nur
ganz weniges hierher gehörige im 45 bände der Sammlung : Galicia en el
ultimo tercio del siglo xv por ALopez-Ferreiro, i cap. xiv Viaje de los reyes
caiölicos a Galicia; vgl. a. p. 124.
160 SCiUSEIDER SPA.NIEK8 ANTEIL AN DEB DEUTSCBEA LITTEBATVR
werket, dagegen ist auf einem andern, seit Gallardo und
M«fHlez zieoDlich vernachJässigten gebiet in jüi^ster zeit viel ge-
arbeitet worden : wir meinen die geschichle der ältesten — zu-
meist deutseben — drucker Spaniens, den«n Konrad Häbler grilnd-
licbe Studien gewidmet hat 2. baldiger verOffenilicbung harrt
eine andere Untersuchung : 'Ober die spanischen drucke des 16
und 17 Jahrhunderts der Niederlande' welche der gegenw^tige
spanische botsclüifler am Wiener hofe Jos^ Gulierrez de Agüera
nach mehrjährigen forschungen in den bedeutendsten bibliothekea
Europas auf grund eines erstaunlichen bibliographischen maierials
im manuscript vollendet hat. arbeiten, wie die eben erwähnte
zeigen deutlich den weg der Yerbreitung, den das spanische
Schrifttum gleichsam durch eine vorgeschobene provinz genommen
hat, sie erleichtern aber auch die bibliographischen sanunlungen,
welche die ausbreitung bestimmter Schriftwerke vor äugen ftihren;
unter diesen sind gerade in jüngster zeit einige sehr beachtens-
werte leistungen zu verzeichnen, die von S. zL nicht mehr be-
nutzt werden konnten ^
*Wenn je eine litteratur befruchtenden einfluss auf andere
zeitgenössische litteraturen ausgeübt hat, so ist es ohne zweifei die
spanische in der zweiten hälfte des 16 und im laufe des 17 jhs.
^ vgl. zb. ^Sommaire description de la Fraace Allemagae, Italie et
Espagne .... A quoy est adioust^ vn recueil des foires plus celebres pres-
que de toule rEarope- . . . Le tont recaeilli pour ta commodit^ des Toya-
geurs. s. 1. 1591 von Mayerne Tnrqaet [HB. : 47. Z. 14]. adT s. 279 Foires
d'Espagne. ferner : Martin Femandez Enciso's Sama de geographia qoe trata
de todaa las partidaa y provinciaa del mundo Sevilla 1519' (HB. : 72. S. 9].
auch hier (auf bogen d r) über Ua gente de Atuiria* : *«# gente dada a
deleytes*. im übrigen vgl. für die ältere zeit Zedlers schon erwähnte
collectanea.
^ The early printers of Spain and Portugal, London 1897 (Illaatraied
monographs nr iv). — Spanische und portugiesische bäcberzcichen des xv
und XVI jhs., Slrafsburg 1S98 (Die büchermarken oder bucbdracker» und
yerlegerzeichen bd 5). — 'Her Ibericum' im Gentralbl. für bibliothekswesen
Jan. febr. 1899.
^ Tg), zb. *0bra8 completas de Don Francisco de Qaevedo Villegas,
ediciön critica . . por D. Aureliano Femandez Gnerra y Orbe. t. i (1897)
Aparato biografico y bibliogräphico'. darin : 'Traducciones Alemanas' p. 520 ff.
-^ HSAshbee An iconography of Don Quijote 1605 — 1895, London 1895
(lllustrated monographs iii). Tgl. p. 152 Supplemente enthaltend 'A list of
editions of Don Quijote, lllustrated, or with a portrait of GerTantes, not no-
tied in the preceding articies, exlracted from a table given in La llustracion
Artistica afio xiv, num. 680 Barcelona*, [das gleichfalls hierher gehörige werk
Ton Bios Bibliografia critica de las obras de Miguel Gerrantes Saaredra
2 bde. Barcelona 1895 — 1899. 4®. (mit textillustrationen nnd tafeln) ist
eben, da ich diese zeilen corrigiere, zur ausgäbe gelangt.] endlich möcfat
ich hier noch die — allerdings nur ein theaterstOck behandelnde — arbeit
von Arthur Peter Des Don Francisco de Rojas tragödie Gasarse por vcn«
garse (Jahresber. d. gymn. zum h. kreuz in Dresden 1898) nennen, nnd
zwar aus dem gründe, weil hier der einfluss des spanischen Originals in
den andern litteraturen (von Marco Napoleone bis JBvZahlhas) sorgsam dar«
gelegt wird.
SCHNEIDER SPANIEI«S AKTEIL AN DER DEUTSCBEII LITTERATUR 161
gewesea'. so urtdlt (etwas hyperbolisch) APeler ^ mit rOcksichi auf
die anregUDg, die Franzosen, Italieaer und EngUinder aus Spaaien
erhieken. Sch-s buch zeigt deutlicher als irgend eine frohere
arbeit» dass sich den genannten culturvölkern ia der aufnalane
spanischer Schriftwerke auch die Deutschen eifrig anschlössen*
ckircbaiis zutreffend bemerkt Seh., dass das von ihm bebandelte
gebiet der litteraturgeschichte ^ein sehr vernachlässigtes sei', tat-
sächlich hat man sich um diesen teil echter Weltgeschichte lange
nicht gekOmmerfy und die klaffenden lücken, auf die in den vor-
stehnden blättern nur hingewiesen werden konnte, werden sich
erst dann schiielien, wenn den romanischen litteraturen jene stelle
im gelehrten Studium eingeräumt ist, welche die antiken längst
besitzen, in welch tiefgehnder weise unsere altvordern und
unser geistesleben durch jene litteraturen beeinflust wurde, wird
man auch erst dann recht erkennen, ob Sch.s buch in diesem
sinne fruchtbar weiter würken wird, ist nicht vorherzusagen, sein
verdienst bleibt es, nach kräften hiezu anstofs gegeben zu haben.
Wien, august 1899. Rudolf Beer.
Der junge EichendorfT. ein beilra^ zur beschichte der romantik von Herm»
Andbrs Kruger. Oppeln, Georg Maske, 1898. 8^. 172 88. — 3 m.
Wer das büchlein Krügers mit der erwartung in die band
nimmt, nach dem Wortlaute des titeis über die geschichte der
romantik näher belehn zu werden, der wird sich wahrscheinlich
enttäuscht Gnden. es wird ihm nur eine darstellung der werke
und des lebens eines dichters in einer sehr eng begrenzten lebens*
Periode gegeben, noch dazu in einer periode, wo der dichter in
erster linie receptiv erscheint, zu der geringen Eichendorff-
litteratur, welche K. in der einleitung zusammenstellt, ist aber
zweifellos ein nicht zu übersehendes neues werk hinzugekommen,
nicht als ob uns hier etwas zusammenfassendes, abscbliefsendes
geboten wäre, aber die wichtigste quelle für Eichendorffs jugend-
leben, ein fragmentarisches tagebuch, das bereits Hermann
vEichendorff kannte und benützte, ist hier zum erstenmale voll
ausgeschöpft und zum teil — leider nicht vollständig — abge-
druckt, bis zum abschlusse des tagebuchs, 1808, reicht die bio-
graphische darstellung wie die litterarische Untersuchung K.s. sie
erscheint an sehr vielen stellen polemisch gehalten gegenüber
der darstellung HvEichendorffs, der nach K.s meinung das tagebuch
gegenüber den späteren autobiographischen aufzeichnungen seines
Vaters ungebührlich zurücksetzte, noch schärfer gegenüber der
Eichendorffbiographie Keilers, die 1887 als dritte vereinsschrifl
der Görres-gesellschaft erschienen ist. es wird K. insbesondere
Keiler gegenüber auf der sicheren grundlage des tagebuchs leicht,
irrtUmer und Übertreibungen, die meist eine leichte katholisierende
^ aao. einleitung.
162 KRÜGER DER JUNGE EICHENDORFF
tendenz zeigen, zu berichtigen, im wesentlichen kommen wir
durch R. selbst wenig über den söhn hinaus.
So sehr wir für die mitteilungen aus dem tagebuch dankbar
sein müssen, in seinen Schlussfolgerungen ist K. nicht immer
glücklich, so ist es ein ganz seltsamer irrtum, wenn er in einem
bisher unveröfTenllichten entwurf aus den Berliner nachlasspapieren
eine Goethe nachgeahmte Schilderung der umstände bei der geburt
des dichters erblickt, also augenscheinlich den anfang einer
Selbstbiographie, freilich, zeit und ort stimmen, die Schilderung
der constellation erinnert an Goethe, alles andere ist aber so
wunderlich, dass es K. wol hätte stutzig machen müssen; er hätte
sich leicht überzeugen können, dass ein grofses stück dieses ent-
wurfs in der novelle *Die Glücksritter' (1841) wörtlich widerkehrt,
dass also nur eine Variante vorligt.
In der litterarhistorisch wichtigsten frage : wann, wo, durch
welche persönlichkeiten wird EicheudorfT der romantik gewonnen?
— hat K. an der band des tagebuchs manches bisher ange-
nommene zweifelhaft zu machen, ja ganz zu widerlegen versucht,
so leugnet er den frühzeitigen eintluss von Steffens, von Görres,
Arnim und Brentano und will in den kreis der letztgenannten Eichen-
dorff erst später eintreten lassen, in diesen puncten hat ihm
Reinhold Steigs anzeige in der DLZ. (18. febr. 1899) einige un-
genauigkeiten nachgewiesen , ferner unwiderleglich festgestellt,
dass noch in Heidelberg, nach einer kurzen Pariser reise, sich
ein näheres Verhältnis zwischen Eichendorff und den genannten
anbahnte, dass ferner bereits in Paris die beiden jungen barone
für Görres Volksbücher arbeiteten, stärker wie bisher wird aber
jedesfalls der einfluss des grafen Loben auf den jungen dichter
angenommen werden müssen.
Der zweite teil des werkchens beschäftigt sich mit den
jugendwerken Eichendorffs. es ist seine ersichtliche tendenz,
den lebenseindrücken und ansichten des dichters eine möglichst
breite Stellung neben den unzweifelhaften litterariscben einflüssen
zu erkämpfen, leider gibt R. zu wenig vom tagebuch^ um überall
auch nur halbwegs sichere Schlüsse zu gestatten, wenn er etwa
ganz kurz den namen eines Thilippinchens' erwähnt, das Eicben-
dorfl* ein paar tage lang verehrte, und eine einwürkung dieser
-reizenden Philippinchenepisode' in 'Ahnung und Gegenwart'
widerfinden will, so muss man diese behauptung einfach hin-
nehmen, nachprüfen kann mau nicht, soviel ist indes klar, R.
legt viel zu viel gehalt in diese jugendwerke, insbesondere in die
gedichte, aus deren reihe er übrigens eines ^ 'Italien', endgiltig
entfernt und einem Jugendfreunde Eichendorffs, Werner, zuge-
wiesen hat. er will für eine ganze anzahl dieser offenbar nach-
empfundenen poesien — die zum Unglück grofsenteils einem
nachempfinder wie Loben nachempfunden sind — bestimmte
motive finden; dann gibt er sich wider mühe, den einfluss der
KBÜGER DER JUNGE EICHEISDORFF 163
verschiedeDen Chorführer damaliger dichtung im einzelnen nach-
zuweisen, dies wird besonders für den jugendroman ^Ahnung
und Gegenwarl' nicht gut angehen, in dem sich die einflüsse
aller romantiker kreuzen und verwirren. K. war augenschein-
lich nicht ganz in der läge, das netz der handlungen dieses
romans zu entwirren; es widerfahrt ihm, dass er aus der Hignon-
figur des romans, die freilich ihre erscheinung wechselt, zwei
personen macht, da ist es denn auch völlig vergebliche mühe,
reinlich Eichendorffs eigentum von den entlehnungen aus an-
dern dichtem sondern zu wollen, richtig bleibt, was K. sagt,
dass das erste buch des romans sich zu seinem vorteil von den
andern unterscheidet und augenscheinlich in anderer Stimmung
und in anderer zeit, schon 1808, entstanden ist. darum braucht
man doch nicht anzunehmen, dass in der prosa EichendorlT mit
höchster meisterschaft begann, um dann an krafl zu erlahmen,
das erste buch zeigt eben noch wenig romanhafte verschlingung,
zu deren glücklicher durchführuug es dem dichter an concep-
tionskraft gebrach, als er das später einsah, schuf er in seinen
novellen erst seine meisterwerke. übrigens finden sich in dem
späteren roman ^Dichter und ihre gesellen' ebensoviel, vielleicht
noch mehr und noch deutlichere anklänge an die Lubowitzer
zeit; wer uns Eichendorffs Jugendzeit schildert, der hätte solche
nachklänge wol verfolgen sollen.
Indes gibt uns K. in den vielen stellen des tagebuchs, be-
sonders in der Schilderung der Studentenjahre in Halle und
Heidelberg, so viel anmutendes, dass wir ihm danken müssen,
wenn auch nicht ohne den gedanken: mehr EichendorfT, weniger
Krüger, und das buch hätte nur gewinnen können.
Wien, im mai 1899. Valentin Pollak.
Jostinus Kerners briefwechsel mit seinen freunden, herausgegeben von seinem
söhn Theobald Kerner. durch einleitungen and anmerkungen er-
iäutert von dr Ernst Müller, mit vielen abbildungen und facsimiies.
Stuttgart und Leipzig, Deutsche verlagsanstalt, 1897. 2 bände, x u.
584 und vi u. 554 S9. 8®. — 12 m.
Uhlands Tagbuch 1810 — 1820. aus des dichters handschriftlichem nachlass
herausgegeben von J. Hartmann, mit einem bild Uhlands nach dem
gemalde von Morff aus dem jähr 1818. 2 aufläge. Stuttgart, JGGotta
nachf., 1898. vin und 338 ss. 8^. — 3 m.
Zugleich mit der zweiten aufläge von Theobald Kerners buche
'Das Kernerhaus und seine gaste' sind zwei bedeutende littera-
fische erscheinungen aus Schwaben dargeboten worden : Justinus
Kerners briefwechsel mit seinen freunden und Uhlands tagbuch.
Theobald Kerner, dem wir die veröfTentlichung des lang erwar-
teten briefwechsels verdanken, hatte einige der im Kernerarchive
lagernden zahllosen briefe schon für sein erstes buch, das uns
den bunten Schauplatz des Kernerhauses mit seinen genrebildern
so liebenswürdig schildert, stillschweigend herangezogen, der ge-
164 JUSTI?iUS KERNERS RRJ£FWECHSEL MJT SE1»E2I FREUNDEN
samte briefwechsel durfte nach des. feiDfübleDden Justious Reroers
eigner bestimmung erst 30 jähre nach seinen] tode herausgegeben
werden, das ganze briefmaterial ist berrn Ernst Müller in
Tübingen übergeben und ihm voUe Freiheit in der bearbeitung
zugestanden worden, sodass er allein die Verantwortung für diese
ausgäbe trägt, der hier veröffentlichte briefwechsel reicht von
1805 — 1861 und umfasst 852 gedruckte und 26 in facsimiles
widergegebene briefe. sie sind cbronologiscb geordnet und in
10 abschnitte eingeteilt; jedem abschnitte geht eine historische
einleitung voraus, den einzelnen briefen sind erklärende an<^
merkungen beigefügt, am Schlüsse jedes bandes findet sich ein
Verzeichnis der briefe nach ihren absendern, am Schlüsse des
2 bandes folgt noch ein Personenregister, das werk ist reich mit
abbildungen und facsimiles ausgestaltet.
Die litterarischen und historisclien rücksichten, die M. bei
der bearbeitung geleitet haben ^ die grundsätze, nach denen er
diese ausgäbe veranstaltet bat^ gereichen ihr nicht zum vorteile.
M. hätte an der monumentalen Sammlung der briefe Schiller»
durch Jonas lernen können und sich diese vortefTliche leistung
zum muster nehmen sollen, diese briefe Kerners ' und seiner
freunde, in denen sich ein halbes Jahrhundert schwäbischer ro-
mantik entrollt, durften der Wissenschaft niemals in einer spär-
lichen auswahl übergeben werden, hier trifft die schuld die
Deutsche verlagsanstalt, die sieb nur zur herausgäbe von 2 banden
mit ca. 70 bogen entschlossen hatte, dieselbe verlagshandlung^
die gegen 7 bände Schillerscher briefe in rechter erkenntnis ihrer
bedeutung nichts einzuwenden hatte, auch hier war möglichste
Vollständigkeit am platze, gegen die rücksicht auf weitre kreise^
die M. zu üben sich bemüht hat, verstöfst er auch schon mit
diesen 2 bänden, aufser specialisten wird kein mensch diese
1200 Seiten briefe, die zum grofsen teile redactionell- geschäft-
licher art sind, lesen, das ^Kernerhaus und seine gaste' muste
jeden fesseln, diese briefe — darüber wollen wir uns nicht
täuschen — reizen nur den forscher, sie bieten mehr ein biblio-
graphisches, litterarhistorisches interesse. von 3000 — 4000 briefen
erhalten wir nur ca. 878. allen andern hat der herausgeber
'eine wesentliche bedeutung für die litteraturgeschichte' abge-
sprochen, er übernimmt mit dieser entscheidung eine gewaltige
Verantwortung, ich bin der ansieht, dass in diesem briefwechsel
nicht nur alle im Kernerarchiv vorhandenen briefe lückenlos zum
abdruck kommen musten, sondern dass der herausgeber es sieb
sogar hätte angelegen sein lassen müssen, die bereits veröffent-
lichten briefe Kerners in sein werk aufzunehmen und ihnen auch
die übrigen an andrer stelle aufbewahrten briefe, die noch nicht
bekannt sind, anzuschliefsen. hier bot sich die gelegenheit zu
einem monumentalen Sammelwerk, so hätten zb. Kerners umfang-
reiche berichte aus Hamburg und Wien, die für seine Jugend-
msnilüS EEKNEtS BRIEFWECHSEL MIT SEIREN FBECNDEN 165
dicliiuBg »e wertvolles material liereni, aus Mayers Uhland-werk
lieiilbergettoiDineD werden sollea. ist doch die Lenau-^emersche
correspoodenz, die zuerst Schurz 1855 in Leoaus lebe« mitgeteilt
hat, gegenwärtig in diesem brtefwecbsel widerholL kh billige das
durchaus irad wundre mich, dass Geiger in seinem aufsatze *Lenau
als eerrector Kemers' in der beilage zur Allgem. zeitung 1898
nr 173 es für überflüssig balt, er, der in einem vortrage 'Zu
Jusünus Kerners briefen' in der gesellscbaft für deutsche litteratur
zu Berlin am 16 febraar 1898 (vgl. jetzt Zs. f. d. pfail. 31,2510)
die uiivollstfDdigkeit dieser briefssfflimiung selbst scharf getadelt
h^. Geiger wies nach, dass aus der Radowkzschen und Varn-
hageoschen Sammlung auf der kOnigHcben bibliothek eu Berlin
sehr viel zu ergänzen sei. dort finden sich dlein 73 briefe
Rerners an Vamhagen aus den jj. 1809 — 57, ferner solche an
Helmine vCh^y, einer an Achim rAmim. ferner gibt es aus dem
nachlass von David As&ur briefe Kerners und seiner braut an
jenen und an Varnhagens Schwester Rosa Maria, das alles ist
unberücksichtigt geblieben. M. hat aber nicht nur zahllose briefe
ausgeschieden, er ist nicht einmal davor zurückgeschreckt, briefe
in onvoHständigem, verkürztem abdrucke zu geben I
Ich hege starke zweifei, dass der gebotene Wortlaut der briefe
immer zuverlässig sei. der druck des briefes des nationalökonomen
Friedrich List an Kerner vom 7 nov. 1824 im ^Kernerbaus' (s. 44)
weicht bedenklich von dem druck im vorliegenden briefwechsel
I 560 ab. auch der druck des gedichts ^Glück und glas. Wie bald
bricht das I' von Joseph vLassberg (ii 416) stimmt mit dem bei-
gefügten facsimiie nicht überein. es liefsen sich noch andre bei-
sfHele nennen, das geftthl der Zuverlässigkeit zum wortUiut, das
so sehr in Jonas ausgäbe der Scbiller-briefe beruhigt, muss aber
auch verloren gehn, wenn M. offen erklärt : ^geändert habe ich
nichts, höchstens einige offenbare Schreibfehler oder sonstige un-
bedeutende versehen, die Schreibung der briefe ist nach n^ern
Vorgängen modern, zumal da der unterschied nur ganz gering ist,
wie die facsimiles zeigen', abgesehen davon, dass ein vergleich
des drsckes mit dem facaimile zuweilen erhebliche unterschiede
aufdeckt, ist ein kritischer herausgeber zur änderung der Ortho-
graphie und zur Verbesserung sogenannter versehen durchaus
nicht befugt, leicht wird als versehen betrachtet, was sich bei
näherem Studium als bewuste stilistische härte oder eigenheit
herausstellt, solche schlimmbesserungen machen eine Untersuchung
des Stils ganz unmöglich; man glaubt den urtext zu lesen, und
bat ihn doch nur gereinigt vor sich.
Die einleitungen zu den einzelnen abschnitten sind sehr reiz-
los geschrieben, auf die sachlichen erklärungen und anmerkungen,
^e leider statt an den schluss des bandes wider einmal unter den
Seitentext gebracht worden sind, ist mehr Sorgfalt verwant hier
ist sogar oft des guten zu viel getan. M. hat sich, in der mei-
166 JUSTIISUS KERxNERS BRIEFWECHSEL MIT SEINEN FREUNDEN
nung, *der briefwechsel dürfte auch weilre kreise interessieren',
zb. dazu verleiten lassen, bei erwähnung des Wunderhorns (i 8)
die anmerkung zu geben : ^eine Sammlung älterer deutscher Volks-
lieder gab Achim vArnim mit Clemens Brentano in drei bänden
(Heidelberg 1806 — 1808) heraus, das werk wurde öfters neu ge-
druckt', und bei nennung Hölderlins (i 10) zu erklären : ^der ly-
rische dichter Friedrich Hölderlin (1770—1843) lebte von 1806
bis zu seinem tode in völligem Wahnsinn in Tabingen'l aus dem-
selben gründe sind auch die lateinischen und französischen stellen
in den briefen verdeutscht worden I glaubt M. würklich, dass je-
mand diesen briefwechsel zur band nimmt, der nicht weifs, dass
ombres chinois ^chinesische schatten* heifst ? hochkomisch würkt es,
wenn in eckigen klammern erläutert wird, dass : deus ex machina —
*Gott aus der maschine' bedeute, ni fallor — 'wenn ich nicht
irre', fides historica — 'geschichtliche treue', in summo gradu —
'im höchsten grade', vale et fave Mebe wol und bleibe mir gut'^
ego — 'ich'I merkwürdigerweise ist aber in dem briefe der gräfin
Kielmannsegge an Kerner vom 30 mai 1843 (ii 229) ein langes
citat aus einem briefe der George Sand nicht übersetzt worden,
und wenn der briefwechsel in der tat für das grofse publicum
berechnet wäre, dann konnte der herausgeber in seinen anmer-
kungen nicht so oft auf keineswegs populäre bücher verweisen,
ganz unverständlich bleibt es, weshalb personennamen zu wider-
holten malen erst bei ihrem zweiten, dritten, ja vierten vorkommen
eine erklärende anmerkung erhalten, und sogar an stellen, wo
wir ihnen zum ersten male begegnen, auf die bei ihrem spätem
vorkommen gegebene anmerkung verwiesen wird.
Gegen die äufsre ausstattung lässt sich nur einwenden, dass
die beigegebenen porträts (wie wir das aber leider bei der Deutschen
verlagsanslalt gewöhnt sind) nicht auf der höhe der heutigen technik
stehn, uud dass es ratsam gewesen wäre, bei allen den namen
des maiers oder Stechers vielleicht auch das entstehungsjahr an-
zugeben.
Eine gediegene ausgäbe hätte* diesen so bedeutenden brief-
wechsel Kerners zu einem monumentalen Sammelwerk ausbauen
können, das durch die Vollständigkeit des materials ein unent-
behrliches hilfsbuch für die durchforschung schwäbischer roman-
tik geworden wäre, alle schwäbischen dichter^ daneben aber auch
Tieck, Lenau, Freiligrath, Geibel, Loben, Fouqu^, Varnbagen,
Rückert, Dorothea Schlegel, Amalie Schoppe, Carriere, Görres,
sind mit briefen vertreten, das gröste Interesse nehmen natürlich
Kerners und IJhlands briefe in anspruch, jene weich, gefühlvoll,
diese verschlossen, spöttisch, oft sogar schroff, oft aber auch von
einem bei Uhland ganz ungeahnten humor. Kerner, der in der
Politik wol seinen eigenen weg geht, erkennt in der poesie Uhland
unbedingt als seinen meister an, dem er neidlos folgt.
Wie ergiebig dieser briefwechsel ist, hat Reinhold Steig ge-
JUSTirtUS KERNERS BRIEFWECHSEL MIT SEIISE^N FREUNDEN 167
xeigt, der aus ihm seinen aufschlussreichen aufsatz über die be-
ziehoDgeD zwischen der Arnimschen und schwäbischen dichter-
gruppe zusammengearbeitet hat. es ist dies der 2 teil der in der
Schwäbischen chronik vom 16 und 20 oct. 1897 veröffentlichten
Untersuchung Steigs über Achim vArnims schwäbische reise im
j. 1820» der ein sehr eingehnder brief Arnims an Bettina zu
gründe ligt, in dem dieser sich sehr ausführlich über seine be-
suche bei Kerner und Uhland ausspricht, auffallend ist, dass
sich bei Kerner kein brief von Arnim, der mit ihm im brief-
wecbsel stand, kein brief von Brentano vorgefunden haben sollte.
hat sie M. vielleicht als unwesentlich für die litteraturgeschichte
unterdrückt?
Dieser aufsatz Steigs gibt zugleich einen commentar zu
Ublands eintragung in sein tagbuch vom 22 oct. 1822 : 'Be-
such von Arnim', solcher commentare bedürfen sehr viele der
zusammenhangslosen notizen in dem tagbucbe dieses schweigsamen
Schreibers, das uns mit seineu flüchtigen, scheinbar rein geschäft-
lichen tagesanmerkungen zunächst gar nicht zu fesseln vermag
und das uns doch bald gar nicht mehr loslässt. diese erste gäbe
aus der reichen dichterischen hinterlassenschaft Uhlands erweist
sich als ein unschätzbarer beitrag zur kenntnis des dichters und
menschen, das tagbuch umfasst nur die jähre 1810 — 20, es be-
ginnt mit der Pariser reise und endet mit der hochzeitsreise in
die Schweiz, aber diese 11 jähre sind wol des dichters frucht-
barste zeit, und er hat über sie so peinlich genau buch geführt,
dass wir einen tiefen einblick in seine bildungsgeschichte, in die
Werkstatt des dichters und des gelehrten, in die tätigkeit des
Politikers erhalten, seine lectüre und sein schaffen verfolgen, seine
leiden und freuden mitdurchleben. Uhland war kein freund
schöner worte. was geht vor allem die weit sein inneres leben an !
das lebte er allein, er mied es, dem papiere seine geheimnisse
anzuvertrauen, und darum zeigt sich seine Zurückhaltung beson-
ders in herzenssachen. erst am tage der Verlobung spricht er von
seiner braut; nach der hochzeit eine lücke, und dann fasst das
kurze wort 'häusliches glück' das ganze junge eheleben zusammen,
es ist selten, wenn er, von Richard Ohnefurcht hingerissen, die
übliche Zurückhaltung vergisst und ins tagbuch schreibt : ^Apollo,
wirst du diese Glut noch lindem!^ am ausführlichsten sind die
berichte über die Pariser und über die hochzeitsreise. überall
in diesen zusammenhangslosen notizen enthüllt sich für den, der
zwischen den Zeilen zu lesen vermag, wol ein wortkarger, aber
ungemein weicher, lyrischer mensch, der das unbedeutendste in
der natur entdeckt, in dem die ganze natur leben gewinnt, der
alle gestalten festhält, die ihm begegnen, alle gespräche mit leuten,
die ihm auf der reise in den weg kommen, wir lernen einen
tiefen empfindungsmenschen kennen, der einen versöhnenden
gegensatz bildet zu dem spröden, steifnackigen advocaten. ja, das
168 HARTMAKN OBLAMDS TAGBDCH ISIO-IS^O
lagbuch eothullt uns in Uhland einen triumer, der eigenartig
träumte und wert auf seine träuoie legte, es enIhflUt ans einen
fnenscben, der Ton atmosphärischen erscbeinsngeD abbSngig war,
der zb. das herannahen eines gewitters lange ?oriMr durch einen
druck auf dem kuffe merkte, davon hat Kerner, der so oft des
freundes spott erdnlden muste, nichts geahnt.
Das tagbuch gibt uns auch über die entstebing viel^ ge*
dichte aufschluss und nennt für einzelne die quellen, die genesis
der Oblandscheo gedichte war freilich schon immer aenalich deut-
lich zu verfolgen, und Holland hatte sie bereits mit grofeer ge-
nauigkeit zu datieren gewust, aber das tagboch lehrt oao oft
noch genaueres. Hermann Fischer hat in der beilage mr Allgem.
Zeitung 1898 nr 209 eine ergiebige auslese von tagbuchriiotizen
zur entstehung einer grofsen zahl von gedichten gegeben, eine
fülle neuer aufschlüsse spendet das tagboch über UUaods tStig-
keii im altfranzösischen bereich. und die vielen eintrige hier
•können belebt und ergänzt werden auf gmnd eines TUbiager
Sammelbandes, der zahlreiche eigenhändige entwürfe des dichters
aus sehr verschiedener zeit, darunter altfranzösische stücke, ver-
einigt, die Holland nach und nach von der witwe geschenkt er-
halten hat. an der band dieses sammelbandes und jener tagbuch-
aufzeichnungen hat Erich Schmidt seine arbeit Ober Uhlands ge-
plantes * Märchenbuch des königs von Frankreich', wie es am
15 nov. 1812 genannt wird, geschrieben (Sitzungsberichle d. kgl.
preuls. ac. d. wiss. zu Berlin vom 11 nov. 1897).
Oberstudienrat Julius Hartmann ist der herausgeber dieses
iagbuchs. er, der selber im besitze einer menge persönlicher er-
innerungen ist, vermochte in ausgezeichneter weise die lakonischen
eintrage zu erläutern, er hat auch knapp das altschwSbische er-
klärt, aber was er gibt, sind nur nähere bestimroungen der per-
sonen, örtiichkeiten und begebenbeiten. litterarischen erörterungen
ist er aus dem wege gegangen, dadurch ist der text nicht durch
den commentar erdrückt, und es bleibt dem leser die freode, sich
selbst einen commentar zu schaffen.
Posen. Gkorg Hindb-Podkt.
Litter AT DR NOTIZEN.
Forelsesninger og videnskabelige afhandlinger af Eorrao GIslason
udgivne af kommissionen for det Arnamagnseanske legat (ßflter-
ladte skrifter, andet bind). Kebenbavn, Gyldendalske boghandel,
1897. xziii und 331 ss. 8^. — wir erhalten hier zunächst Vor-
lesungen Gislasons *over hensynsformen i oldnordisk*. in der
eiuleitung erwähnt G. den alten aufsatz von Dietrich Zs. 8,23ff.
s. 9 fr handeln über das grenzgebiet von dat. und acc in fällen
wie Hoskuldr sat d miijan bekk oder bjartr d hdr zeigt der acc.
die ricbtung des blickes an. verwant ist vega d pumdeara (acc.),
wo der act des hinbringens zur wage und des anbängens an den
GiSLASOR FORELAESMIiNGER OG VIDENSKABELI6B AFHANDLINGKR l69
haken angedeutet wird, so wird auch in binda boi yfir miijar
dyrr die bewegung, dagegen in binda b66 yfir mt6jum dyrum
die ruhe zum ausdruck gebracht, oder vdru seglin at sjd vü
hafi und vdru seglin at sjd vii haf bedeuten das gleiche : *die
«egel zeigten sich am horizoni', nur gehn beide ausdrucksweiseo
von verschiedenen arten der beobachtung aus; der dat. drückt
das verweilen in der richtung des himmelsrandes, der acc. die
berOhrung mit dieser linie aus.
S. 25ff handeln über den dativ als objectscasus in fällen wie
bana hdnutn, afla pvi, aka heim viSi, brynna nautum. G. weodet
sich gegeo die autTassung des dat. als instr. wenig überzeugend
wird bana hdnum mit ausa vatni d, wo ein verb. der bewegung
vorligt, gleichgestellt; bana hdnum soll eigentlich bedeuten 4hn
aus dem leben in den tod, ihn über die grenze zwischen leben
und tod bringen'.
Die Vorlesungen über die altnordische metrik sind auf den
Sieversschen Untersuchungen aufgebaut, docb nennt G. Sievers
nur gelegenthch, um gegen ihn zu polemisieren, zu neuen er-
gebnissen hat diese nachprüfung nicht geführt, ihr hauptwert
scheint mir in den Zusammenstellungen von versen zu liegen,
welche sich den Sieversschen typen nicht fügen wollen, so auf
s. 97 ff die fälle, wo die verszeile in der 4silbigen runhenda zu
lang scheint, recht einleuchtend ist die besserung auf s. 98 von
Uöfudiausn 8 beit bengrefill \ pat var blöirefiU, wo G. es statt
vas list also ein fall von 'tilsagt', von erklärung einer kenning.
s. 99 meint G., dass es verkürzte formen wie heyri oder minst
s= heyriu, minstu gegeben habe.
Es folgen bemerkungen über das sogenannte Mälsbättakvaedi,
oder die Fornyrdadräpa, welchen titel G. vermutet: wegen des
Verses fcera CBtlum fom ori saman in der ersten Strophe, das stef
Ekki var pat forium farald —
Finnan gat pö (Brian Harald
(hdnum pötti sölbjort sü) —
sliks dcBmi verir morgum nü
übersetzt G. s. 139 : *Det var fordum (just) ingen omgangssyge —
skont man v6d, hvorledes det gik Harald — , men haender nu
ofte, at kserlighed forvirrer hjernen'. diese deutung scheint mir
nicbt wahrscheinlich, die grundbedeutung von farald ist offen-
bar = ags. fareld 'iter'. danebeq aber weised stellen wie mdtti
pat engi mair vita, hverju f. pangat mundi farit hafa auf die
bedeutung 'seltsame begebenheit' hin; also ein bedeutungsflber-
gang, ähnlich dem bei aventure, vgl. fara 'sich ereignen', diese
letztere bedeutung ligt hier vor : 'in alter zeit war das nichts
aufsergewöbnliches — die Finnin hat ja (/d), wie ihr wisst, den
Harald verrückt gemacht — . aber auch heute noch kommt so
etwas vor'.
Eine hübsche deutung bringt G. auf s. 140:
A. F. D. A. XXVI. 12
170 GiSLASON FORELAESISUSGER OG VI DENSE ARELI6E AFHANDLINGBR
Yarla synisk aüt, sem er,
ylum peim, er hcegir drer
'diejenigen, welche an star leiden, sehen nicht alles, wie es ist'.
G. stellt drer zu driusan und vergleicht zu dem bedeutungswandel
'tropfen' >> 'star' die romanischen sprachen, in welchen das lat.
gutta auch die bedeutung 'star' angenommen hat.
Die Vorlesungen über die ältesten rfmur sind ungemein sorg-
fältig ausgearbeitet. G. gibt eine vollständige grammatik (laut-
und formenlehre) dieser auf der grenze zwischen an. und isl.
stehenden denkmäler, weiter auch eine syntax und metrik. das
Wörterverzeichnis auf s. 184 fr bringt eine reihe von Wörtern, die
in den Wörterbüchern noch fehlen, in Grimn. 24 Fimm AtiikfrtiS
gölfa ok um fiörum tegutn svä hygg ek Bilskimi meS hugum fasst
FJönsson mei bugum «» mei hringutn 'vollständig, alles in allem'.
s. 184 bringt G. einen beleg für diese auflassung aus den Kon-
räds rimur.
Die 'Strebemaerkninger' behandeln skaldenstellen, die zt. schon
im ersten bände der Efterladte skrifter besprochen sind, und
bringen weiter grammatische und lexikalische bemerkungen. den
schluss des bandes bilden auszüge aus G.s vorarbeiten zu Cleasbys
Dictionary, welche den anteil G.s an dieser arbeit nachweisen
gegenüber einigen absprechenden bemerkungen in der vorrede
zum Dictionary.
Der zweite band der Efterladte skrifter steht an wert des
gebotenen hinter dem ersten zurück, da hier das, was die haupt-
stärke G.s ausmacht, das feine Sprachgefühl und die intime Ver-
trautheit mit der skaldischen dichtung ungleich weniger zur gel-
tung kommt.
Zum Schlüsse mach ich auf das von Finnur Jönsson
herausgegebene Register til Njäla andet bind og K.
Gfslasons andre afhandlinger, Kebenhavn 1896, 40ss. 8^
aufmerksam, das die auffindung einzelner stellen in den sehr zer-
streuten G.schen arbeiten leicht macht und namentlich für alle,
die sich mit skaldischer poesie beschäftigen, eine recht will-
kommene gäbe ist. F. Dbtter.
Cynewulfs Elene. mit einem glossar herausgegeben von Julius
Zdpitza. vierte aufläge. Berlin, Weidmann, 1899. xi und 89 ss.
gr. 8^. 2 m. — Zupitzas ausgäbe der Elene ist bei ihrem ersten
erscheinen vor 22 jähren als ein vortreffliches hilfsmittel für den
ags. Unterricht begrüfst worden und hat sich, von der kritik
lebhaft gefördert, in jeder neuen aufläge vollkommener gezeigt,
an einem derartigen Studentenbuche darf die arbeit nicht rasten,
wenn es fortdauernd in gebrauch und respect bleiben soll, und
bei Z. sorgte vorurteilslose lernbereitschaft neben conservativer
grundstimmung dafür, dass dem werkchen alle gesicherten fort-
schritte der ags. philologie zu gute kamen, der neue beraus-
geber dr Albert Herrmann huldigt einer pietät, wie sie
ZUPITZA CYiNEWÜLFS ELENK 171
schwerlich im sinne seines lehrers, gewis nicht im interesse des
buches ligt, wenn er (nach 11 jähren!) einen unveränderten ab-
druck der dritten aufläge mit ^berichtigung einiger weniger druck-
fehler' und erganzung der litteraturangaben liefert, ob ein hand-
exemplars Z.8 benutzt wurde, erfahren wir nicht, man kann es
nicht billigen^ dass dem texte so einleuchtende besserungen wie
die interpunctionsvorschläge von Swaen (Anglia 17, 123iT) zu
vv. 66 — 68. 106 vorenthalten bleiben, und auch am sprachlichen
gewande der dichtung muste weiter gesäubert und geputzt wer-
den, ich versteh es und es ist mir nur sympathisch, wenn Z.
nach dem erscheinen der Sieversschen Untersuchungen, deren
bedeutung für die sprachliche kritik ags. texte er freudig aner-
kannte, doch anfangs zögerte mit der durchführung der Synkopen
wie gewisser neuer längezeichen und durch häkchen hier durch
unterpungierung dort eine vermittelung anstrebte, aber ich kann
mir nicht vorstellen, dass Z. an diesen notnägeln des Übergangs
noch heute festhaken würde, wo wir also beispielsweise mehr
als ein dutzendmal häh'ge gedruckt finden, während doch auch
die hs. selbst 10 mal hälga, hälgan schreibt, ebenso tr^^^an 357,
'Wertge 560, denen ein hsl. werge 387 gegenübersteht usw. der
zaudernde möge doch bedenken, dass die Exeter-hs. die von
historischer grammatik und metrik verlangten zweisilbigen formen
noch weit häufiger bietet; so heifst Juliana stets seo hälge : 315.
345. 567. 589. 696. 716. Z selbst ergänzt 834 reonian der hs.
(die la. steht versehentlich unter 836) nicht zu reonigan^ sondern
schreibt reongan. ähnlich ligt es mit der behandlung der dehnung
vor r bei ausfall eines h : mearh-meareSj fira (Sievers Beitr. 10,
487 f und Ags. gr. § 218). Z. konnte sich 1888 noch nicht
entschliefsen, hier die quantitätsveränderung innerhalb des para-
digmas zu crassem ausdruck zu bringen und schrieb darum (vgl.
vorw. s. iv) samearas (228) fira (898. 1078. 1173) was sein
nachfolger beibehält, der Student erhält dadurch ein bild, für
das kein lebender anglist einzutreten gewillt ist. im übrigen ist
der druck sorgfSiltig, ich habe mir nur notiert : 293 1. htßcet. 430
1. si§n. 694 1. VII. 1212 1. bisceophäd. Edward Schröder.
Die quellen der beispiele Boners. von Christian Waas aus Friedberg
in der Welterau. Dortmund 1899. druck von Fr. Wilh. Kuhfus.
(inaugural-dissertation ... der Universität Giefsen.) vi und 77 ss.
gr.8^. — nachdem der Verfasser kurz den bisherigen gang der
forschung über die vorlagen Boners dargelegt hat, untersucht er
(s. 8 — 39) die hauptquellen, nämlich die aus dem Anonymus
Neveleti und aus Avian geschöpften stücke, er bedient sich bei
seiner methodisch und vorsichtig geführten Untersuchung des
grofsen Vorteils, den es ihm gewährt , dass während der letzten
Jahrzehnte verschiedene, besonders mittelalterliche fabelsammlungen
in guten ausgaben, mit einem umfänglichen hss.-apparat ausge-
staltet, erschienen sind; am wichtigsten natürlich Les fabulistes
12*
172 WAAS DIE QUELLEN DER BEISPIELE BONERS
lalias von LHervieux, jetzt io 2 aufläge fünf bände befassend.
Waas vergleicht nun dieses bequem zugängliche material mit den
fiibeln Boners und ist in der angenehmen läge, dass er vielfach
genauer die vorlagen des deutschen dichters feststellen kann, so
-ermittelt er für die Anonymusgruppe die erste Lyoner hs., für
die nach Avian gearbeiteten stücke eine bs. b. nur gebraucht er
dabei zuweilen eine wunderliche ausdrucksweise; so sagt er
s. 38: * Schonbach und Hlulet haben (wegen einer differenz
zwischen Boner und Avian) sofort nach einer andern quelle für
seine fabeln gesucht, ein blick in das Variantenverzeichnis der
hss. hätte ihnen diese mühe ersparen können.' das wäre nun
doch ein kunstslück gewesen, wenn ich 1875, als ich meine ab-
handlung über Boner schrieb, die Varianten der Avianausgabe
von Ellis, die 1887 erschienen ist, hätte einsehen wollen! was
würde wol der Verfasser sagen, wenn ich ihm vorwerfen wollte,
er habe 1896 es (s. 40) auffallend gefunden, dass Bertbold von
Regensburg so spärlich von exempeln gebrauch mache, indes
meine 1890 veröffentlichten mitteilungen aus der Grazer bs. 730
(ebenso wie alle übrigen hss. der ungedruckten lateinischen auf-
zeichnungen) das gegenteil bezeugen? — der hauptwert der Studie
von W. ligt in ihrem zweiten teil (s. 39 — 76), wo er aus einer
sehr ansehnlichen belesenheit die quellen für jene fabeln Boners
bestimmt, für die sie bisher (besonders von Gotlschick) nicht
genau oder gar nicht nachgewiesen werden konnten, ich halte
diese aufgäbe für nunmehr so ziemlich erledigt, bei Boners
4 fabel Von einem boume üf einem berge hatte ich vermutet, der
dichter habe sie erfunden. W. sucht zu erweisen, dass die
fabel auf einem von Flieronymus gebrauchten vergleich beruhe,
das würde nicht viel ändern, denn sobald ein poet aus fünf
Worten {radicis amariludinem dulcedo fructuum compensai) 64 verse
macht, dann wird wol der grOste teil davon ihm gehören, es
tritt hinzu, dass diese 4 fabel die einzige unter den 100 nummern
Boners ist, bei der das präsens gebraucht wird, nicht das Präteri-
tum, dadurch allein tritt sie völlig aus der reihe und stellt sich
als ein paradigma dar, das gemäfs dem nachweise von Waas,
wahrscheinlich aus dem satze des Hieronymus entwickelt wurde.
— die ^Bonerforschung', wie Erich Schmidt das nannte, ist noch
nicht abgeschlossen, es fehlt uns ein guter text, der den mangel-
haften Pfeiffers ersetzen soll, und es muss eine neue Charakteristik
des deutschen dichters aus der vergleichung seiner arbeil mit
den vorlagen gestaltet werden, die lösung dieser letzten aufgäbe
bat Waas erheblich gefördert. Anton E. Sghönbacb.
Geschichte des minnesangs. von Eduabd Stilgebaubb. Weimar.
.Felber, 1898. 295 ss. 6 m. — wenn es ein bedttrfnis war, die
an v«riobiedenen allgemein zugänglichen orten niedergelegten
nachricbteo und darstellungen der geschiebte des minnesangs in
einer leUHch glatt geschriebenen fortlaufenden erzäblung zu ver-
STILGEBAUER GESCHICHTE DBS HINNESAiNGS 17S
eioigen^ so bat Stilgebauer einem bedürfnis abgeholfen, er hätte
dann -aUerdings die ADB nicht ganz und gar zu ignorieren brauchen,:
die doch ganz beachtenswerte artikei über einige minnesinger
enthält; auch hätte er etwa für Reinmar vZweter (s. 292) von
Roethe vielleicht Qicht blofs die dissertation citieren mOgen. es
ist würklich schade, dass der i band von Goedekes erneuertem
Grundriss, auf den alles bUcherwissen oder wol richtiger titel-
wissen des verf.s zurückgeht, schon 1884 erschienen isL dass.
St. sich gelegentlich in autorschafisfragen (kaiser Heinrich s. 29,
vgl. s. 31) oder allgemein litterarhistorischen bemerkungen (s. 11^:
über den Hariencultus; er schreibt ^Marieencultus') den anschein
einer gewissen Selbständigkeit gibt, wird ihn gewis in seinen
äugen ebenso sehr gehoben haben wie die phrasen über Morungens
'geradezu moderne detailmalcrei der natur draufsen' (s. 60)
oder ueologismen wie (s. 27) ^einstrophischkeit.' ein leidlich ge-
lungenes zusammenstellen von gedichten Walthers vdVogelweide
und Goethes (s. 130) fehlt auch nicht, somit lässt sich das buch
den mädchenpensionaten von Lausanne, woselbst Verfasser an der
Universität dociert, um so lebhafter empfehlen, als selbst der böse.
Neidhart (s. 187) leidlich discret geschildert wird, als wissenschaft-
liche leistung aber steht das buch etwa so hoch wie das auf s. 155
abgedruckte gedieht von Günther Walling als poetische tat; nur
ist es nicht so harmlos. Richard H. Meter.
Das inländische rührstück, ein beitrag zur geschichte der dramati-
schen technik. von Arthur Stiehler. [«= Theatergeschichtliche
forschungen. herausgegeben von Berthold Litzmann, xvi.] Ham-
burg und Leipzig, verlag von Leopold Voss, 1898. ix und 157 ss.
4^. 3,50 m. — wenn in diesem buche nicht eine erweiterte
dissertation zu vermuten wäre, so wüste ich sonst keinen grund
aufzuspüren, warum der Verfasser für gut befunden hat, es zu
schreiben, in der 11 selten langen einleitung wird bemerkt, dass
IfTiand ein wenig bahnbrechender geist war, kein genie, kaum ein
talent, dass er sich in seinen dramen mit rührseliger empfind-
samkeit begnügte, da es ihm nicht gelang, ^die befreiende, er-:
lösende, reinigende würkung der tragischen empQndung zu er-
reichen.' in der 'schlufsbelrachtung', für die sich die bescheiden-,
heit des autors nur eine halbe seite gestattet bat, wird dasselbe
noch einmal widerholt als eine 'erkenntnis, welche diese arbeit
zu beweisen, zu erklären und zu vertiefen suchte/ von diesen:
beiden betrachtungen werden einige tausend citate aus IfHands
stücken eingerahmt, mit denen der Verfasser, der sich einen
litterarhistoriker nennt, seine erkenntnis zu beweisen, zu er-
klären und zu vertiefen sucht, das geschieht folgendermafsen:
i) einleitung. ii) Stoffe und gestalten. 1. familienverhält-
nisse. der gerührte familienvater. die zärtliche hausmutter.
rührendes Verhältnis zwischen eitern und kindern. conflict zwischen
eitern und kindern. glückliche ehegattep. die unglückliche ehe.
174 STIEHLER DAS IFFLANDISCHE RÜHRST (-.
geschwister. grofselterDglück. onkel, oefTeo uuii ip'****
muod und mUodel. die witwe. waiseo. kinderscciien.
vi) scene und sprach«. . . . rührende gesleu. «iiis . •> • -
die arten der trähnen. die verborgene trflhne. Uvw* -
zum weinen, sonstige Verwendung von trähnen. 'es im •
heifse trahnen, innige trähnen, fromme trähnen » lautt-
ewige trähnen, helle trähnen, stille trähnen, UDZählhan^ <
herzliche trähnen gewohnheitsmäfsige trähntfi,
trähnen, heuchlerische trähnen' usw. nichts als niech:iiJi
sinnloses eitleren, auf diese weise kommt ein buch zu ;.•
dass der Verfasser es für nötig hielt, ein buch tu maci :;
Sache seines persönlichen ehrgeizes und seiner sonsliiren r.r;«^^''.
neigungen. wie kommt aber dieses gänzlich nichüge, «chfi^*p -''
machwerk in eine Sammlung, die von Lilzmann beraiis 'ntv^ü
wird, und in der es die theatergeschichtlichen forschungen eiiK*.« rn
uaa. durch seine nachbarschaft compromittiert? A. Elcir' nn^. <.
Shakespeares Hamlet nach der Übersetzung von A.W. voa S« uu..
und LTieck. herausgegeben von Eduard CossMAiiif. Paris, r '«-^'i -
Didotetcie. s.a. [1899] 8^. 199ss.— 'der herausgcber h.ti
zur aufgäbe gestellt, darzulun, dass die überseUung vou ^
und Tieck, oebeti ihrer IrefTlicbkeit, mehrfache, autj^verri
nem teste berutiende, bisher beibehaltene mäogel ec
henorzuliebenf zu multvieren und zu berichiigen,
getreue Übertragung herzustelleu. nebst hm
lätiterun^ der dun kein stellen des teites'« dien
^orte gibt C. seiner arbeit auf den weg tott
etwas obeubin behandelt und nicht zu viel teil
des Probleme, noch weniger auf eine peinlich geü^
Kürte verwendet hat, erhellt aus der arl, wie et auf ,1
und hier von zwei flherselzero spricht, als ob Tirtk |
an der Übertragung des Hamlet bKeitigt wflre.
kleinigkeiten beirren den hersusgeber wol nicht,
scbem lächeln auf die Sliakespcarephiltilogeii rlce
blickt (&. 151 f tiO.), der audi nuf da« pbiU^frOse tii>i
Zählung, seiienUberficbrifteEi usw. venidil«lt »Uk
anmerkungssterncben durcbspicki_ iii»'' r*^
fende reihe von anmerk*'*f^ ^'^^^^ J ^
anmerkuDgen selbst *'*^ ...
splendid geditkikii: s^
uuge». 1 1, t
Schlegel '/o
'anregen'
ist? e
verbesscl'
aufwartet,
gellet^d.
COSSMANN SHAKESPEARES HAMLET 175
deute, ebenso ist i 1, 86 schlug diesen Fortinbras ('did slay this
Fortinbras') zwecklos zu 'erschlug deo Fortiobras' verbessert, wäh-
rend doch niemand Sch.s Übersetzung im sinne einer prUgelei
deuten wird. — i 1, 93 ^comarf. C.s 'abschluss' ist mindestens
unplastischer, wenn nicht unverständlicher, als Sch.s Handel —
I 1,112 ^A mote ü is to trouble the minSs eye*. Sch.s über*
tragung Ein Stäubchen ist's, des Geistes Aug* zu trüben gibt aller-
dings ^mote* und Urouble' nicht ganz genau wider. Gosche setzt
für ^mote' 'spukbild' und bleibt so noch in dem von Seh. ge-
wählten bilde; C.s katachrese Vist ein atom, des geistes aug'
be fangend' scheint mir eine unzweideutige schlimmbesserung.
— I 2, 65 'A little more than kin, and less than kind!. Seh. sucht
das Wortspiel festzuhalten : Mehr ab befreundet, weniger als Freund,
C, principieller gegner der Shakespearschen Wortspiele (s. 195),
erklärt : 'Hamlet sagt, er sei mehr als ein biofser verwanter, durch
des kOnigs blutschänderische ehe mit seiner mutter, und aus dem-
selben gründe . . . ihm weniger freundlich', und übersetzt : 'mehr
als verwant und weniger als freundlich', ist das nötig? —
I 2, 187 sollen wir würklich Sch.s uns so geläufige Übersetzung
aufgeben für C.s *er war ein mann — Vollkommenheit in allem'?
vgl. in 3, 36 C, der übersetzt : 'o meiner tat geruch dringt bis
zum himmel'; findet Sch.s stinkt geradezu widerlich; *es verhält
sich zum texte wie gestauk zu geruch'. allein Shakespeares ^My
offence is rank^ scheint doch schon auf weniger empfindliche
nasen berechnet, und eben dieses VanA:' kommt bei C. nicht zur
geltung. — I 3, 49 *i fuffd and reckless libertine', trifft C.s *auf-
geblasner loser Wollüstling' näher zu als Sch.s frecher, lockrer
Wollüstlingl — i 4^ 57 soll Seh. übersehen haben, und doch
hat MBernays (Zur entstehungsgeschichte des Schlegelschen Shake-
speare, Leipzig 1872, s. ISOQ längst diesen vers aus der hs. er-
gänzt. C. scheint von Bernays bemühungen und von seiner aus-
gäbe der Shakespeareübersetzung überhaupt nichts zu ahnen;
vgl. in 4, 60 (C. : 'vers von Schlegel ausgelassen, von der Ulr. ausg.
hergestellt') zu Bernays aao. s. 182. gegen Bernays ausdrückliche
erklärung (s. 228 n. 158) nimmt er auch die beiden ausgelassenen
verse iv 7, 171 f auf. — ii 2, 160 */ could be bounded in a nutshelF,
Seh. : Ich könnte in eine Nufsschale eingesperrt sein, ist C.s 'in
einer nussschale abgegrenzt' nicht unplastischer, und besagt es
würklich etwas andres? —
Ich begnüge mich mit diesen Stichproben, die von C.s exact-
heit und Übersetzerfähigkeiten kein glänzendes bild geben, ob er
gelegentlich einen brauchbaren beitrag zur erklärung des Shake-
spearischen Hamlet beigebracht hat, überlass ich andern zur ent-
scheidung. i 1, 19 scheint mir Horatios vielgedeutete antwort auf
Bemardos frage '/s Horatio there?* durch eine bühnenan Weisung,
die ihn mit den worten 'i piece of htm* dem freunde die band
reichen lässt, glücklich interpretiert. Oskar F. Walzel.
176 SCHRIFTEN DER KÖNIGLICHEN VLAMISCHBN AKADEMIE
Schriften der königlichen Vlamischbn akadkmik.
Die errichtuDg einer vlamischen akademie fOr spräche und
litteratur war ein hauptwunsch der Vertreter des gennaoischeo
teils der Belgier seit der abiösung von dem Königreich der Nieder-
lande 1830. von der gescbichte des spracbenstreits in Belgien
gibt eine gute darstell ung APrayon-van Zuylen in dem von
der akademie preisgekrönten buche : De belgische tdal-
v^etten, i afl., Gent 1892 (476 ss.)
Die KVA. wurde am 10. oct. 1886 in Gent eröffnet, sie
zählt statutengemäfs 25 tätige mitglieder, höchstens 25 aus-
vträrtige ehrenmitglieder (meist Holländer), höchstens 10 inlän-
dische correspondierende mitglieder, und als niederländische ehren-
mitglieder solche mitglieder, welche frtlher tätig gewesen sind,
sich aber wegen alters oder krankbeit zurückgezogen haben.
Eine beständige commission von 10 tätigen mitgliedern bat
die aufgäbe, das Studium der altgermanischen sprachen und der
mittelniederländischen spräche zu befördern, mnl. werke heraus-
zugeben und das Studium der dialekte zu betreiben und zu
unterstützen.
Die akademie veröffentlicht:
i. reeks Verslagen en Mededeelingen, berichte über
Verhandlungen, darunter auch poetische beitrage, insbesondere
von dem in Brüssel lebenden [inzwischen verstorbenen] dichter
Emmanuel Hiel. von den vortragen wird zb. der von Jan ten'
Brink *Over den oorsprong van den Graal' (1897, 54 — 86), wo-
rin namentlich das allmähliche zunehmen der mystischen rich-
tung innerhalb der Grallitteratur verfolgt wird, auch deutsche
leser anziehen;
ii) ein alljährlich im Januar erscheinendes Jaerboek, das
ua. die biographieen der verstorbenen mitglieder enthält;
iii) Middelnederlandsche uitgaven;
iv) Uitgaven der commissie voor geschiedenis,
bio-en bibliographie;
v) Uitgaven der commissie voor nieuwere taal- en
letterkunde;
vi) Bekroonde werken.
Es möge gestattet sein, die publicationen der vier letzten
abteilungen in einer etwas anderen reibenfolge- aufzuzählen, wo^
bei die ordnungsnummer nach dem system der akademie in
klammer angegeben wird.
A. Sprache, a) allgemeines :1. HTemmerman 'De Moe-
dertal eenig doel- en redematig voertuig der gedachte in opvoeding
en onderwijs' 1898 (vi 1); 2. Hippoliet Meert *Het voor-^
naamwoord du' 1890 (vi 3); b) altgermanisch : 1. P. H. van
Hoerkerken *Over de verbindiog der volzinnen int gotisch'
1888 (vi 2); 2. J. vandeVen 'Gebruik der naamvallen, tijden
en wijzen in den Heliand' 1893 (vi 8); 3. PTack Troeve van
SCHRIFTEN DER KÖNIGLICHEN VLAMISCHEN AKADEMIE 17T
oudnederfrankische grammatica' 1897 (vi 14); c) milleluieder-*
ländiscb: 1. Felix Leviticus *De klank- eo vormleer van bet
mad. dialect der StServatiuslegeode van Heinrijo van .Veldcke'
1892 (vi 4); 2. LRoersch ^Woordenboek op Alexanders Geeslen
van Jacob van Maerlanf, 1. afl. 1S88 (iii 3, wird wol nicbt fort-
gesetzt?); d) dialecte : LSimons *Het roermondsch dialect ge-
lotst aen bet oudsaksiscb en oudnederfrankiscb' 1889 (iir 5);
e) neuniederländiscb : 1. Jan B r o e c k aert ^Bastaardwoordienboek'i
1895 (vi 10).; 2. Vak- en kuustwoorden [diese abteilung ist mit
abbildungen ausgestattet] : i. Tb. Coopmann 'Steenbakkeri/>
1894 (v 3); 11. Josef Vu.ylsteke *Ambacbt van den smid'
1895 (vi 11); III. J. en V. van Keirsblick 'Ambacbt van den^
temmerman' 1898; iv. Alfons van Houcke en Josef Sleypea
^Ambacbt van den metselaar' 1897 (vi 13); 3. Jef Cuvelier en
Camiel Huysmans 'Toponymiscbe Studien over de oude en
nieuwere plaatsnamen der gemeente Elisen' 1897 (v 4).
B. Spracb- und litieralurdenkmäler : a) altgermaniscbe :
1. Beowulf angelsaksiscb volksepos vertaald in stafrijm en mei
inleidingen aanteekeningen voorzien door LSimons 1896(1» 13);
b) mittelniederländiscbe : 1. *Dit is die Istory van Troyen van
Jacob van Maerlaot uaar bet vijftiendeeuwscbe bandscbrift van
Wessel van de Loe met al de middebederlaodscbe fragmenten
diplomatiscb uitgegeven door N. de Pauw en Edw. Gaüliard*^
I — IV 1 — 3 1889 — 92 (iii 7; mit guten facsimiles. einleitungen
und anmerkungen sollen die 4. lieferung des iv teiles, das wort*
verzeicbnis den v und vi teil bilden); 2. ^Madelgbijs kintsbeit, al
de gekende fragmenten critiscb uitgegeven en vergeleken, met bet.
duitscbe bandscbrift door N. de Pauw* 1889 (m 6>; 3. 'Van de
VII vroeden van binnen Rome, een dicbtwerk der xiv® eeuw uitg.
d. KStallaert' 1889 (m 4). dazu : ^Klank-en vormleer van bei
gedicbt van den vii vroeden van binnen Bome' door E. deNeef
1897 (vi 12); 4. ^Hennen van Mercbtenens Cornicke van Brabant
(1414) uitg. d. Guido Gezelle' 1896 (vi 14); 5. 'De sevenste
bliscap van Maria, mysteriespel der xv® eeuw^ uitg. d. KStallaert'
1887 (iii 1). dazu : 6. 'Byvoegsel van de sevenste bliscap van*.
Maria, Woordenlyst* 1888 (iii 2); 7. 'Middelnederlandscbe gedicbten
en fragmenten [meist rebgiOsen inbalts] uitg. d. N. de Pauw'^
1 — 3 afl. 1393 — 97(iii 8); 8. 'Middelnederlandscbe geneeskundige
recepten en tractaten, zegeningen en tooverformulen uitg. dj
W. C.de Vreese' 1894 (iii 11); 9. 'Kalender en gezondbeidsregels
gelrokken uit bet bandscbrift der boekerij van de boogescbool te
Leuven getiteld Lib. orat. Fland. ms. uitg. en vergeleken by
eenige andere deels ongedrukte kalenders en gezondheitsregelen
d. P. Alberdingk Tbijm^ 1893. [der kalender auf dem bei-
gegebenen facsimile erinnert in anordnung, ausschmückung und
selbst in der form mancber zeicben sebr merkwürdig an die
skandinaviscben bauernkalender mit runen] (m 9); 10) 'De keure
178 SCHRIFTEN DER KÖMGLICHEN VLAMISCHE!« AKADEMIE
van Ilazebroek van 1336 met aanteekeniugen en glossarium d.
Edw. Gailliard*, 3 deelen, 1894—96 (in 10); c) neuoiederlän-
disch : 1. ^Rederijkersgedicbten derxvi® euw uitg.d.JBroeckaert'
(v2).
C. Litleratur- und culturgeschicbte. a) quellenkunde : 1. 'Be-
schrijving van middelnederlandsche en andere handschriften die
in Engeland bewaard worden' d. K. de Flou en Edw. Gail-
liard 1895—96 3 bd (in 12); 2. 'Catalogus van de bibliotheek
der KVlAc. te Gent' 1898; 3. 'Vlaamsche bibliographie. lijst der
boeken vlug- en tijdscbriften, muziekwerken, kaarten, plateo en
tabellen, in Belgie van 1830 tot 1890 verscheenen, d. F. de
Pott er*, 1— 3afl. 1893— 97(iv2); 4. 'Alphabetische lijst van de
voorloopig verzamelde namen der in Belgie geboren Nederlandsche
schrijvers, dienende tot bei samenstellen van de Biographie der
Zuidnederlandscbe schrijvers d. F. de Potter' (iv 1). b) darstel-
lende werke : 1. 'Historisch en critisch overzicht van het vlaamscb
tooneel in de xvii« eeuw d. 0. van Hauwaert' 1893 (n 6);
2. 'De trol van het booze beginsel in het middeleeuwscb tooneel
d. ESoens' 1893 (vi 7); 3. 'Antwerpen in de xviii* eeuw voor
den inval der Franschen : godsdienst, zeden, gebruiken, vermaken.
kunstwinning, handel, nijverheid, onderwijs, geneeskunde, gerecht
d. Edw. Pouf6' 1895 (vi 9); 4. 'Prudens van Duyse zijn leven
en zijne werken d. JMicheels' 1893 (v 1).
Mehrere werke ähnlichen inhalts sind noch im erscheinen
begrifTen oder in Vorbereitung, die reichen mittel, die der aka-
demie zu geböte stehn, gestatten ihren arbeiten eine ausstattung
zu geben, welche wir in Deutschland zu beneiden vielfach Ursache
haben.
Seit ich das vorstehnde zu anfang 1899 schrieb, sind noch
folgende werke der KVA. erschienen, die ich nach dem obigen
Schema geordnet anführe:
Aa) A. en Th. van Heuverswijn 'Eene vreemde spraak
als overtaal van 't onderwijs' (vi 17); Ac) J. Jacobs 'De ver-
ouderde woorden bij Kiliaan' (vi 22) ; Ad) P. JozefCornelissen
en JBVervliet 'Idiolicon van het Antwerpsch dialect', 1 afl.
(vi 21); Ae) AHNBiltris en AJJVan de Velde 'Inleiding tot de
Studie der analytische scheikunde'; Ae) J. enV. vanKeirsblick
* Ambacht van den metselaar : vak-en kunstwoorden' nr 5 (vi 18);
Bb) 'De keure van Hazebroek van 1336 met aant en gloss.' d.
EGail liard 4. deel (in 10); Bb) 'Jelian Froissart's Cronyke van
Viaenderen, getransiateerd unten Franssoyse in duytscher tale bij
Gerijt Potter van der Loo, in de xv« eeuw', uitg. en toegelicht d.
Nde Pauw 1. deel (iii 15); 'Ypre jeghen Poperingbe, geding-
Stakken der xiv« eeuw nopens het laken', uitg. en toegelicht d.
Nde Pauw.
Strafsburg, 15 mal 1900. E. Martin.
bermann kurz und franz pfeiffer 179
Hermann Kurz und Franz Pfeiffer.
Es ist den fachgenossen oicbt UDbekaont, dass HermaDo Kurz
(1813 — 1873) nebeo seineu poetischen arbeiten auch Studien aus
dem gebiete der germanischen philologie veröffentlicht hat. am
meisten geschätzt sind wol die Aufsätze über Shake6peare,-die in den
sechziger und siebziger jähren von ihm veröffentlicht worden sind
und über die er von 1 860 an einen nicht uninteressanten brief-
Wechsel mit Karl Elze geführt hat. auch mit deutscher philologie
hat er sich zu tun gemacht, freilich mit ungleichem glück, schon
im vierundzwanzigsten jähre hat er sich das verdienst erworben,
den richtigen namen des Verfassers des Simplicissimus zu finden
in einer recension der kurzlebigen Zeitschrift *Der Spiegel* vom
jabr 1837. ein paar jähre später, 1844, erschien seine Über-
setzung von Gottfrieds Tristan, die erst viel später in Hertz
meisterwerk eine gefährliche concurrenz finden sollte, daran
schioss sich die controverse mit Oswald Harbach, die Kurz mit
viel witz, aber nicht ohne einen bösen Schnitzer im mhd. führte,
noch 1868 wollte Kurz die person Gottfrieds in einem ^Godo-
fredus rotularius de Argentina' gefunden haben, als Karl Schmidt
nachwies, dass nicht 'rotularius', sondern 'zidelarius' in der Ur-
kunde stehe, andres, was er geschrieben hat oder schreiben
wollte, ist zu vereinzelt, um hier erwähnt zu werden.
Kurz war ein jähr jünger als Adelbert Keller und aufs engste
mit ihm befreundet, von seiner sehr reichhaltigen und geist-
reichen correspondenz bilden die briefe an Keller nach zahl und
bedeutung einen besonders hervorragenden teil, aber gerade diese
briefe an Keller, besonders häufig, besonders umfangreich und
inhaltsreich in der Jugend, als auch Keller noch mehr belletri-
stische ziele verfolgte, in den letzten jähren 1863 — 1873, als beide
den Wohnort teilten, sich meist auf blofse notizenzettel be-
schränkend, sind für philologische dinge wenig ausgiebig, mehr
die kleineren briefwechsel mit Bartsch, von 1866 an gehend, und
mit Barack, von 1868 an. schon früher aber hat Kurz mit Franz
Pfeiffer correspondiert, und es mögen ein paar Zeugnisse dieses
Verkehrs hier folgen, ich kenne im ganzen 3 briefe von Pfeiffer
an Kurz und 14 von Kurz an Pfeiffer; die erstem befinden sich in
Kurz handschriftlichem nachlass. Cod. bist. Q. 344 der k. öffent-
lichen bibliothek Stuttgart, die letztern hat Pfeiffers söhn, der kunst-
bistoriker dr Bertold Pfeiffer in Stuttgart, mir freundlich mitgeteilt.
Beide waren im alter nicht weit auseinander, Pfeiffer, am
27 febr. 1815 geboren, fünf Vierteljahre jünger als Kurz, sie
haben sich in Stuttgart kennen gelernt, wo Pfeiffer seit anfang
1842 als privatgelehrter lebte. Kurz schon länger, eine zeit lang
wohnteu sie sogar im selben haus in der Sophienstrafse, und der
häufige freundschaftliche verkehr scheint namentlich auch der
Tristanübersetzung zu gute gekommen zu sein, zu ende 1844
siedelte Kurz nach Karlsruhe über, wo er bis zum februar 1848
180 HERMANN KDBZ UND FRANZ PEEIFFEB
blieb, und aus dieser zeit sind 4 briefe ao Pfeiffer, von interesse
ist wol nur die stelle in dem ersten briefe vom 12 jan. 1845:
*Wie es aucb mit St. Gallen werden mag, ich fühle und weif»
gewifs, dafs auch Sie noch Ihren verdienten Platz erlangen wer-,
den', es handelt sich offenbar um die stelle des Stiftsbibliothekars
in SGallen, auf die sich Pfeiffer, da er katholisch und Schweizer
war, wol rechnung machen konnte, die stalle war 1845 frei ge-
worden, ist aber dann zwei jähre lang unbesetzt geblieben, statt
ihrer erhielt Pfeiffer ein jähr später die biblioth^k^rstelle in Stutt*
gart, die er über elf jähre inne halte, von 1848 aq waren beide
wider längere zeit in Stuttgart beisammen, nicht ohne Interesse
mag der erste hrief sein, den Pfeiffer dann von Wien aus an
Kurz geschrieben und mit dem er die Zusendung seines aufsatzes
über Gottfrieds Lobgesang (Germania 3, 59 ff) begleitet hat.
Lieber Freund! Wieu 1. Mai 1858.
„Gleichzeitig mit diesen Zeilen schicke ich Ihnen unter Kreuzband
einen kleinen Aufsatz von mir, der Sie an das Tristans-Jahr ^ 1843/4
erinnern soll , das wir Sophiensir. nr. 1 2 unter einem Dache , Sie im
ersten, ich im dritten Stock, zusammen verbrachten. Es wird Sie be-
lustigen, wenn Sie, vielleicht zuerst durch mich, erfahren, dass man
unsern Gollfried nicht nur zu einer mäunliqhen Maria Magdalena, son-
dern gar zu einem Franciskanerbruder zu machen neuUch sich bemüht
hat. Diesem Herrn Watlerich ^ und mit ihm noch andern frommen
Seelen hoffe ich einen rechten Strich durch die Rechnung gemacht zu
haben. Wenn Sie zwischen den Zeilen zu lesen verstehen, so werden
Sie da und dort merken, welche Überwindung es mich gekostet hat,
dem Spolte nicht die Zügel schiefsen hnfsen zu dürfen. Meine Stellung
hier erheischt aber Vorsicht in solchen Dingen und es wäre unklug,
wollte ich mir ohne Nolh Ungelegenheiten bereiten. Schon dass ich,
ob wol streng auf dem Boden des wissenschaftlichen Beweises stehen
bleibend, das süfse und verlockende Phantasie - Gebilde unbarmherzig
zerstört, wird mir vielleicht zum Vorwurf gemacht werden. Doch das kanq
mir gleichgültig sein, glaube ich doch für immer Gottfried von dem Lob-
gesang befreit zu haben. Es würde mir Ueb sein von Ihnen gelegentUch
zu hören, welchen Eindruck meine Beweisführung auf Sie gemacht hat*
Wie es mir hier geht? werden Sie fragen. Die unsinnige Müh
und Arbeit, die meine Vorlesungen mir machen, abgerechnet, ganz gut^
obwol gerade die Anstrengung auch meiner Gesundheit nicht zum
besten bekommt. Vor zwei Jahren werde ich, das sehe ich voraus, zu
einer einigermafsen menschlichen Existenz nicht kommen; dann aber,
d. h. wenn ich die für meine Vorlesungen nölhige Grundlage gewonnen
habe^ wirds hoffentlich besser werden und dann erst werde ich meines
Lebens und meiner neuen Stellung froh werden können. Unter den
^ im jähr 1 843 war nicht nur Kurz Übersetzung im erscheinen, sondern
erschien auch Marsmanns ausgäbe, mit der Pfeiffer als redacteur der ^Dich*
tungen des deutschen mittelalters' (s. Briefwechsel zwischen Lassberg und
Uhland s. xxxvmO jedesfalls zu tun gehabt bat. > JM Watterich
Gotfried vStraCsburg, ein sänger der Goltesminne. Leipzig 1858.
HERMAIW KURZ UND ERANZ PFEIFFEE 181
juogea Leuten herrscht für die alul. Studien viel Eifer und Lust. Im
Wintersemester las ich Litl.-Geschichle vor 44, das Nib. Lied vor 36,
in diesem Semester deutsche Grammatik vor 38 Zuhörern ^ Das ist
mehr als irgendwo einem deutschen Philologen zu Tiieil wurd.
Über die hiesigen geselligen Verhältnisse weifs ich wenig zu
sagen-, da ich noch gar keine Zeit fand , über das was ich in dieser
Beziehung gegen Slultg. verloren, nachzudenken. Doch sind, soviel
habe ich allerdings schon bemerkt, die grofsen Entfernungen der Ge-
selhgkeit und dem öftern Zusammenkommen von Freunden und Be-
kannten nicht besonders günstig. Wenigstens hörte ich schon vielfach
darüber Klage erheben. • Ich verkehre bis jetzt meist mit Landsleuten,
d. i. Schwaben, die den einen Sonntag bei mir, den andern bei meinem
Schwager Reg. Rath Müller 2 sich einzufinden pflegen, — —
Schliefslich noch meinen herzl. Dank für den 1. Band der Erzählungen 3,
womit Sie mich erfreut haben. Leben Sie wohl und bleiben Sie freund-
ich gesinnt
Ihrem
Pfeiffer.
Darauf antwortete Kurz:
Lieber Freund, Stuttgart, 5. Mai 1858.
Ihre Sendung hat mich mit unsrer Abendpost angenehm über-
rascht. Holtzmann halte mir vor einigen Wochen (bei Kober^ alten
Andenkens) mitgetheilt dafs das nächste Heft der Germania etwas von
Ihnen über unsern gemeinschaftlichen Freund Gottfried bringen werde.
Ich meinte nun sciion , Sie werden unter irgend einem Umhang der
Vergessenheit ein Stück Leben von ihm hervorziehen. Das ist es zwar
nicht, aber Sic können sich mein Gaudium denken, die Franciscaner-
kutte, womit ihn dieser Herr Watterich behängen wollte, in so säuber-
liche Fetzen zerrissen zu sehen — — . Sie haben nun für
alle Zeiten bewiesen, dafs der Lobgesang nicht vom Dichter des Tristan
sein kann. Ob aber darum nicht dennoch von Gottfried, das ist eine
andere Frage. Hören Sie denn, wie es mir vorigen Sommer gegangen ist.
Um für eine meiner Erzählungen ^ mich wieder etwas ins Mittel-
aller hineinzuhören, hatte ich meinen Gottfried aufgeschlagen, und be-
fand mich richtig bald ganz und gar in der Sophienstrafse Nr. 10
(nicht 12), wäre auch recht gern einmal ums andere die Treppen
hinaufgesprungen, um mich bei der oberen Instanz Raths zu erholen
oder naseweise Fragen zu stellen. — — — Bei diesem Anlafs nun
stiefs ich auch wieder auf den Lobgesang und hätte Ihnen gern eine
quaestio tusculana vorgetragen, die sich jetzt freilich nach Ihrer Unter-
suchung noch lustiger macht. Dieser LG., den ich früher sehr be-
wundert hatte, weil er eben mhd. war, als er mir jetzt in der Hagen'-
schen Ausgabe, die mein Verleger ßecher mir vorwurfsvoll als die
^ Lassberg-Uhiand s. lxiv steht : Nib. vor 37, geschichte der neaern
Utteratar vor 43, deutsche grammatik vor 46, Walther ('wo indessen colli-
sionen mit andern collegien störend einwurkten') vor 15 zuhörern.
^ einem Württemberger. ^ Stuttgart, Franckh 1858. ^ damals viel
besuchtes Stuttgarter kaffeehaus. ^ *Das weifse hemd', Erzählungen i 221 fi*.
182 HEBMANN KURZ U?iD FRANZ PFEIFFER
erste Uebersetzung des Tristan vorwies, wieder vor die Augen kam,
fla erschien er mir als ein rechtes Musenalmanachgeklingel, des
Tristan durchaus unwürdig. Und doch klang mir, wie ich so weiter
las, etwas Urgottfriedisches heraus. Ich kam also auf den Gedanken,
unser liebenswürdiger Freund könnte den frommen Leich [I] als liebes
junges Blut, vielleicht als Kloslerschüler, gemacht haben, denn das ganz
eigenthümliche Spielen und Klingeln hat er ja auch im Tristan nicht
lassen können, und der LG. kam mir mehr und mehr wie ein kin-
disches Vorspiel vor. Der Hauptspafs bei der Folgerung wäre,
dafs dem Hrn. Walterich der Untergrund nicht blofs unter den Füfsen
weggezogen, sondern auch gleich über den Kopf gestülpt würde. Das
Hindernirs, das (abgesehen von den innern Gründen) die von Ihnen so
reichlich aufgezählten Reime und Sprachformen jeder weiteren Annahme
einer nach- Iristanisch- gottfriedischen Autorschaft in den Weg legen,
scheint mir keines für meine Hypothese zu sein. Man wird ganz eben
so in unserm Jahrhundert Poeten genug finden, die, in Platen's Zucht
gerathen, eine spätere Periode in der Form zeigen, die der frühern so
unähnlich ist, dafs man nicht glauben soUle, es sei derselbe Mann.
Das Resultat also wäre, zum Schrecken aller frommen Seelen, dieses,
dafs Gotlfried nach einer amaraothenpn Jugend seinen Styl auf Kosten
seiner Seligkeit verbefsert habe, ein Gang der Entwicklung, der leider
in unsrem gottlosen Deutschland nichts Seltenes ist.
Diese Grille ist mir über dem Lesen Ihrer Blätter nur um so
lebhafter wieder aufgestiegen . Ich hätte nicht übel Lust, über
die Sache Laut zu geben, aber da Ihr Aufsatz dabei doch mehr oder
weniger in dem Lichte stehen könnte, diese böse Saat getragen zu
haben, so will ich meinen Eifer zügeln. Ohnehin hat es mir eine Art
grimmiger Genugthuung gewährt, am Schlufs Ihrer Blätter „das frühere
undurchdringliche Dunkel'' zu finden, denn ich sehe Schiller und Goethe
auf ihren goldenen Stühlen so beducht wie Bendemanns trauernde Juden
sitzen, wahrhaft endlose llölleuslrafen erleidend durch das commenta-
torische Epigouenpecus. Wie müfsen Sie den Meister Gottfried be-
neiden ! Ihn haben jene Olympischen, die er zwar nicht ganz ordonnanz-
und reglementmäfsig, aber nicht erfolglos anrief, in ihre ambrosischen
Wolken gehüllt und ihm zu Theil werden lafseo, was er laut und leise
gewünscht hat, nämlich dafs ihm diese Well gestohlen werden möge.
Oder sollte vielleicht eher der Gegenstand des jugendlichen LG. (um
nach Art wissenschaftlicher Taktik jetzt gleich feste Stellung zu nehmen)
trotz alledem und alledem, wie in so mancher Legende, den Schleier
über ihn gebreitet haben? Wie dem sei — iler Einzige, der seine
Ruhe zu stören wagte, ist von Ihnen vor der Kanone weggeblasen
worden, und meine Hypothese bleibt ungedruckt. Sie würde auch zu
viel Streit erregen, ob Gotlfried das Lied im 15. oder 18. oder 20.
oder 24. Jahr seines Alters gedichtet habe.
Aus Kurz folgenden briefen, deren letzter am 7 juni 1867,
also etwa ein jähr vor PleifTers tode, geschrieben ist, hebe ich
ein paar stellen heraus.
HEBMANN KURZ UND FRAISZ PFEIFFER 18$
4 aug. 1S5S : Ein Gedanke, mil dem ich mich seit Jahren Irage^
scheint jetzt von der Hauptseile, von der verlegerischen, zu reifend
Ich will ihn sub rosa beichten: deutsche Volksbücher, in einem aus-
gedehnten und zugleich freien Sinn, also etwa Nr. 1 Siegfried mit einer
Verbindung der skandinavischen und deutschen Elemente, Nr. 2 Dietrich
von Bern, mit freier Auswahl des Bedeutendsten aus der zum Theil
grotesken Masse, Nr. 3 vielleicht Beowulf, u. s. w. Wenn mirs ganz
wohl dabei werden sollte, so müfste die Behandlung in Beimen sein»
d. h. NB. kein Versuch eines Epos, dafs, wie bei Simrock, nach zwei
gelungenen Stücken alles Andre im Stoff ertrinkt, sondern ganz schlicht,,
jedes einzelne Volksbuch für sich, ohne moderne Schnörkel, aber auch
ohne knechtische Gebundenheil an das verworrene Material. — —
Saxo dürfle auch noch durchzupeitschen sein, wie ich denn überhaupt
noch ein wenig prolervioris ingenii invidentiorisque studii bedürftig bin»
Es wäre doch ein hübscher Spafs, noch einmal das Volk und (durch
eine leidliche Beimform) die Gebildelen um diese Volksbücher zu sammeln,
die in den schlechten Bearbeitungen von SchÖnhuth und Marbach Auf-
lage um Auflage erleben. Auch wäre es eine schöne grüne Bucht für
mich, der ich des Bomanschreibens und des Marktgelümmeis von Vir-
tuosen, Taschenspielern und Taschendieben entsetzlich müde bin.
Am 2 juni 1862 teilt Kurz die von ihm, so viel ich sehe,
nicht verOlTeDilichte, aber von der neuero localforschung ^ gut-
geheifsene entdeckung mit, dass die bürg, wohin der kammerbote
Erchanger 914 den bischof Salomo brachte, nicht beim Hohen-
twiel herum, sondern in der Diepoldsburg, vulgo 'Rauber', hinter
der Teck zu suchen sei, wofür er auch den populären namen der
ruine anführt.
14 februar 1862 über Berthold von Regensburg : Was man
in der sonstigen Literatur jener Zeit mit wenigen Ausnahmen (wie
Meier Heinibrecht etc.) kaum zu Gesicht bekommt, das Menschenthum,
das Volk, das Leben, wird durch jedes Wort des Predijjers in wimmeln-
den Schaaren vor das Auge gebracht, von sich selber berichtet
Kurz, er habe beschlossen, es wider mit der poesie zu versuchen.
„Das Versemachen nun, wenn man es nur nebenher treiben kann, ist^
besonders nach langer Entwöhnung, ein etwas schüchternes Ding, und
so bin ich ganz natürlich auf den Gedanken gekommen, mich zunächst
am Tristan zu versuchen, der doch schon etwas Gegebenes mitbringt
und doch zugleich freie Bewegung nicht blofs gestattet, sondern ver-
langt. Im Gewand des 13. Jahrhunderts, zumal in linearer Ueber-
selzung, ist er nur noch halb geniefsbar und bedarf einer Umformung.
Ich habe nun angefangen, in der Weise des Ihnen bekannten Schlufses^
das Ganze zu bearbeiten, wobei aber die besten Bestandtheile von
Gottfried beibehalten und aufs liebevollste meist neu übertragen wer-
^ ist nicht zu stände gekommen.
2 Wurttembergische vierteljahrshefte 1,33. 3,247; neue folge 1,301.
^ seiner Übersetzung; das von Gottfried selbst nicht gedichtete halte
Kurz dort, im freien anschiuss an die alten fortsetzer, selbst hinzugefügt.
186 BÄCHTOLD KLEIKB SCHRIFTEN
Ober den geschiednen sprechen, klingt natürlich anders, als wo
es sich um warme augenblickseindrücke des lebens handelte;
aber die bilder vertragen sich gut, vertragen sich auch mit den
kräftigen, vertrauenerweckenden zügen, die uns am eingang der
'Kleinen Schriften' begrüfsen. ich glaube fast, man muss B. ge-
kannt haben, auch um seiner wissenschaftlichen tfltigkeit ganz
gerecht zu werden,
4ch wollte ein lesbares, manchmal sogar ein kurzweiliges buch
schreiben': so beifsts im vorwort der schweizerischen litteratur-
geschichte, des lebenswerkes. die freunde zweifeln nicht, dass
es gelungen : ich würde mit der Zustimmung zögern, sprach die
wohlbekannte stimme zu ihnen, wenn sie ihn lasen? und half ihnen
das weiter? offen gestanden: ich habe in B.s schweizerischem
mittelalter — und ich rechne das 16 jh. litterarisch dazu — stets
ebenso an dem eindringenden blick in die, freilich nicht leicht
zu fassenden, dichterischen persönlichkeiten etwas vermisst, wie
an der vergegenwärtigenden gestaltung anschaulicher gesamtbilder :
der einleitenden epochenzeichnung gliedert sich die besondere
figur nicht recht ein; eine imponierende gelehrsamkeit legt sich
in einzelheilen fast mechanisch auseinander, von den ewigen er-
müdenden inhaltsangaben, von dem übermafs der ausgeschütteten
tatsachen gar nicht zu sprechen, ganz wohl ist mir immer erst
geworden, wenn ich bei vater Bodmer anlangte: da war ein mittel-
punct da, um den sich, dem ieser deutlich, das ganze gruppiert;
und die enthaltsame trockenheit des gelehrten berichts wird Gott
sei dank saftiger durch eine woltätige beimischung halb von local-
patriotischem stolz auf den mann, der Zürich zeitweilig zur littera-
rischeo grofsmacht erhob, halb von belustigtem ärger über diesen
gar nicht tot zu machenden alten, verdriefslichen langweiler.
B. selbst hatte das gefühl, dass die gelehrsamkeit zu sehr herrin
geblieben sei; Vetter erzählt, dass B. an 'eine völlige Umarbeitung
des hauptwerks' gedacht habe, es lag aber doch nicht nur an
der massenhaftigkeit des materials: ich traue B. unbedingt die
kraft zu, die erdrückende last zu bewältigen, ihm war leider
Uhlands handhabung der beschreibenden litteraturgeschichte vor-
bildlich, die m. e. nur einer frühern Orientierungsphase unsrer
Wissenschaft entspricht. B. hat wol auch, nicht ganz frei, ge-
glaubt, nach jener vielgepriesnen und vielgeforderten 'objectiviiät*
streben zu müssen, die, wenn sie keine harmlose Selbstverständlich-
keit sein soll gut zur erziehung von fuchsen, als forciertes erstes
gebot der methode die besten erkenntnis- und gestaltungskräfte
lähmen wird; dazu eine zarte persönliche sprödigkeit und schäm,
die uns bei Alemannen nicht selten entgegen tritt, — kurz, die
litteraturgeschichte leidet auf weite strecken an dem mangel, dass
B., reichstes wissen ausbreitend, doch von seinem eigensten selbst
zu wenig hineingelegt hat, wählend, ordnend, verbindend, be-
leuchtend, das nachschaffen braucht beim philologen wie beim
BÄCHTOLD KLEINE SCHRIFTEiN 187
kunstler das medium eines kräfligeo und fruchtbaren subjects:
an die rampe freilich braucht es nicht zu treten.
Ich zweifle kaum, halte B. das buch zum zweiten male
herausgehn lassen, fortgeführt bis auf die gegenwart, wie er das
wollte, ich hätte nicht zu schreiben, was ich eben schrieb, die
lebendige kenntnis Gottfried Kellers, die er grade ganz sich selbst,
nicht seinem gelehrten ich verdankte, die beziehungen zuLeuthold,
die nach der bekannten vorrede zu urteilen nicht ohne ein reiben
widerstrebender geister sich abgespielt halten, ganz besonders
auch das tief persönliche Verhältnis, das B. mit der poesie
Eduard Mörikes verknüpfte — schon in den feldzugbriefen von
70 fehlt das 'schnurbarlsbewustsein' und die 'sommerweste* nicht — ,
das alles muste, dem litterarischen Zusammenhang einverleibt, ver-
lebendigend zurUckwürken auch in reformationszeit und mittelalter.
denn was B. in der kunst nachbildender Charakteristik konnte,
wenn er nur wollte, das zeigt die zarte und doch so zwingende
Zeichnung Eduard Mörikes, die Veiter mit bestem rechte aus der
ADB auch in diese Sammlung verpflanzt hat.
Eröfl'nel wird sie, recht hübsch, durch die einleilung der
Lanzeleldissertation : so harmlos die mit einer der liebenswürdigen
naiveläten meister Sepps einsetzt, so präludiert sie mit fug dem
lebenswerk dieses ganz schweizerischen lilterarhistorikers. der
habililalionsvortrag über die germanistischen Verdienste der Züricher
gibt eine angemessene probe jener rein talsächlichen aufreihenden
art, in die B.s wissenschaftliches Schriftstellern so leicht verfallt,
und das bild des lexikographen Josua Malers macht gute folie in
seinem chronikartigen nacherzählen zu dem freien nachschaffen
der Mörikeskizze. die Mitterarischen bilder aus Zürichs vergangen-
heil', mir bisher unbekannt, decken sich zum teil, selbst wörtlich,
mit dem Bodmer gewidmeten abschnitt der litteraturgeschichte^
haben aber vor ihr eine deutliche, rundende beleuchtung, eine
behagliche zuständliche ruhe voraus, die auch kennenswerlen neben-
flguren wie Hartm. Bahn ein freundliches verweilen gönnt; ihre
genrehaften züge sind dem inhalt sehr angemessen, und sie ge-
winnen sich einen bessern abschluss als das grofse werk, da sie
nicht mit der 'veralteten weit' schliefsen, sondern mit hellem aulblick
zu der alles durchwärmenden mittagssonne unsrer classischen
zeit. — nun aber die zweite ableilung: kriegsbriefe, reiseberichte,
festbeschreibung: das klingt wenig lockend, und dabei ists eine
prachll der 22 jährige feldjournalist, dem man die leisen nach-
wehen frischer Heine- und Börneleclüre freilich anspürt, schaut
doch so helläugig und selbständig um sich und weifs nns mitten
in Jammer und graue trübsal des krieges so drastische tiguren und
bilder hineinzustellen, zum entzücken: vor allem die weinbudike
in Courcelles lässt fast bedauern, dass der gelehrte schliefslicli
den Schriftsteller doch geschädigt hat. die beiden seelen schaffen
in schönster eintracht an den Walliser Schilderungen: ein bischen
13*
18S BÄCHTOLD ELEUS'E SCHRIFTEN
geschichte und sage uod lilteratur und kuost, aber oboe jeden
scbatten von lehrbaftigkeit: das gute, kluge, beschaulich -be-
hagliche lächeln des erzahlers scheucht deo leisesten hauch von
didaktischer pedanterie: doppelt rühmlicb bei diesem vieljlihrigen
Schulmeister, und dann am schönen Bozener Walthertage — ein
herzensfäserchen zuckt doch: schade dass es nichts mit dem
Thurgau istl — , da wird der germanist wol laut, wie sichs ziemt,
auch zu ernster wärme, das pathos freilich andern fiberlassend;
das beste ist schliefslich doch die sonnen- und bergfreudigkeit,
die ihn hier überkommt zu füfsen des leuchtenden Rosengartens:
ich muste an Hans Hoffmanns Bozener novellen gedenken, die
auch verraten, dass nur der germanist Bozen ganz würdigen kann;
ich muste an das Batzenhäusl gedenken, wo ich voriges jähr auf
Bächtolds spuren wehmütig stiefs , wo er sich einst den trocknen
humor mit ernstprttfender zunge zu feuchten wüste.
Ich danke dem herausgeber ganz besonders, dass er auch
diese seite Bächtoldscher schriftstellerei anklingen liefs. er hat
dem freunde damit unzweifelhaft einen dienst getan, der ton
wird weiterklingen, bei mir und bei andern, und ich denke,
künftig hör ich ihn auch da leise mitschwingen, wo der spröde
gelehrte sein bestes schauen für sich behielt, wissen wir jetzt
doch, wie er schauen konnte 1 und er sollte die beiden seiner
forschung nicht gleichfalls geschaut haben mitsamt ihrer Um-
gebung? vielleicht lags doch auch an mir, der ich nicht fein-
höriger war. RoETHE.
£inleituDgr in die geschichte der griechischen spräche, von Paul Kbetschmer.
Götlingen, Vandenhoeck u. Ruprecht, 1896. 428 ss. 8^ — 9 m.
Da Kretschmers buch auf den ss. 1 — 170 fragen von allge-
meinem interesse behandelt, hat dieser teil mit recht auch die
aufmerksamkeit der germanisten auf sich gezogen, die absendung
der besprechuog, welche die redaction des Anzeigers von mir ge-
wünscht hatte, hat sich mehr verzögert, als mir lieb, und das durch
umstände, die zu erörtern hier nicht der platz ist. die späteren
<»piiel berühren uns an dieser stelle nicht, zuerst eine kurze
inhaltsangabe und heraushebung der wichtigsten Sätze.
Einleitung s. 4 sagt K., neben das grammatische hand-
buch müsse eine darstellung treten, welche die entwicklung der
.spräche in ihrer ganzen breite schildert und den Zusammen-
hang mit demculturleben nachweist, diesen versuch mache
<er fürs griechische.
I cap. ^Die indogermanische Ursprache', diese war
nicht dialektlos. so zb. hat es keine einheitliche idg. bezeichnung
der einzahl gegeben: ai. eka, aps. aiva, ab. aeva; gr. olyif, lat.
otnos, air. oen, got ain«, lit. t;ena5, asl. inü; gr. eig^ lat. «'n-^t usw.
K. trennt dann vor allem die begriffe gemeinindogermanisch und
urindogermanisch, ein gemeinidg. wort zb. *ömi ^schaf kann
KRETSCHM2R EINLEITUNG IN D. GESCHICHTE D. 6RIECH. SPRACHE 189
sich auch nach der ^ersten trennuDg' der Indogermanen noch über
das ganze Sprachgebiet verbreitet haben, muss also nicht ursprach-
lich gewesen sein, relativsätze sind nicht gemeinidg. aber sind sie
deshalb nicht ursprachlich? waren sie vielleicht in einem teile
der Ursprache vorhanden? oder haben sie sich erst nach der ersten
trennung von einem puncte verbreitet? jedesfalls sind sie altindo-
germ. die Wörter für meer *mari, für salz *säld, ^salnes sind nicht
bei allen Indogermanen belegt^ trotzdem machen sie den eindruck
hohen alters, sie sind altidg., vielleicht schon in einem teile
der Ursprache vorhanden gewesen, aber nichts spricht für die
annähme, dass die Wörter jemals gemeinidg. waren, man muss
also drei begriffe scheiden: gemeinidg., altidg. und ursprachlich.
Die Ursprache war dialektisch differenziert, so sind die
m-casussuffixe im germ. und slav.-lit. gegen die 6A-sufßxe der
andren sprachen zu erklären, zo erklärt sich gr. locativsuffix ai
gegen arisch-slavisch-litauisch su, so die differenzen in der bildung
des genetivs sg. der o- stamme, ein ursprachlicher unterschied
lag bereits in dem ausdruck für 'band' (got. handus^ lat.
manus usw.), vielleicht im lautwert von e. daraus ergibt sich,
dass es nicht erlaubt ist zwischen Ursprache und einzelsprachen
einen strich zu ziehen.
II cap. *Das indogermanische urvolk' (s. 20— 47). die
liuguistische paiäontologie ist nicht geeignet, die cultur des urvolks
aufzuschliefsen. die gleichung ai. yugdm^ gr. ^vyov^ hi. jugum usw.
beweise nur, dass einmal von irgend einem puncte sich das wort
*jugom vermutlich mit dem gegenstände selbst verbreitet hat. auch
nach der sprachlichen und politischen trennung konnte sich das
wort noch über alle idg. Völker ausbreiten, dasselbe gelte etwa
von *^"öws *rind', *müs 'maus' uaa. 'es ist aber von Wichtigkeit
festzuhalten, dass auch die sogen, urverwanten Wörter nur auf
dem wege der entlehnung gemeinindogermanisch geworden sind,
denn in andrer weise verbreiten sich Sprachneuerungen überhaupt
nicht, als dass sie von einer oder wenigen personen ausgehend
von individuum zu individuum, von volk zu volk weitergegeben
werden', auch der lautwandel konnte noch dialektische grenzen
überspringen. K. weist auf die bekannte erscheinung der Ver-
breitung des /-Schwunds in den griech. dialekten hin.
Sind die idg. stamme aus einem verhältnismäfsig kleinen und
im wesentlichen dialektlosen stamme hervorgegangen? alle sind
geneigt, diese frage zu bejahen, ein versuch, der die ähnhchkeit
der idg. sprachen aus der ähnlichkeit der klimatischen und geo-
graphischen verhältnise herleiten zu können glaubte, ist ganz
misglückt. wie kann aber ein kleiner stamm sich zu einer so
grofsen Völkergruppe entwickelt haben? sind vielleicht andre
Völker aufgesogen worden? was lehrt die anthropologie ? die
folgende auseinandersetzung über die ergebnisse der physischen
anthropologie (s. 29 — 47) gehört zu den dankenswertesten teilea
190 KRET8CHMER EINLEITUNG IS D. GESCHICHTE D. GRIECH. SPRACHE
des buches, weil K. Dichl die mühe gescheut hat einzudringen
und weil es ihm geglückt ist, klare kritik zu üben. 8.45: ^also
weder die schädelformen noch die haarßirbung haben sich als
geeignet erwiesen, licht über die älteste geschichte der Idgg. zu
verbreiten', s. 46: ^ein so sichres factum wie die idg. sprach-
einheil, eine so scharfe ethnische abgrenzung, wie dieselbe gegen
die nachbarvolker erlaubt, hat keine der anthropologischen theorien,
die sich mit der idg. frage beschäftigen, aufzuweisen vermocht'.
III cap. 'Die ältesten culturzustände der Indoger-
maneu' (s. 48 — 92). eine idg. altertumswissenschaft auf blofs
linguistischer basis ist unmöglich. Hehn hat diesen fehler im
gegensatze zu AKuhn bis zu einem gewissen grade vermieden,
aber die ergebnisse der prähistorischen forschung hat auch er
ignoriert sowie die sich daraus ergebenden zoologischen und
botanischen folgerungen. der grund dieses fehlers ist, dass man
meinte, die Idgg. seien in verhällnismäfsig junger zeit aus Asien
nach Europa eingewandert, von seiten der anthropologie steht
aber nichts dagegen, dass die neolithischen menschen idg. idiome
gesprochen haben (s. 51). zwischen der paläolithischen zeit und
der neolithischen klafft aber der sogen, hiatus. trotzdem hält
man heute schon die annähme der einwandrung einer ganzen,
neuen bevOlkerung im beginne der neolithischen zeit nicht mehr
für nötig, weder von anthropologischer noch von archäologischer
Seite ligt ein anlass vor, die gesamte neolithische und vielleicht
sogar paläolithische epoche samt und sonders den Indogermanen
abzusprechen, das führt zur frage nach der Urheimat, die lingui-
stische Paläontologie wollte die frage mit hilfe des idg. lexikons
lösen, der versuch ist gescheitert, auch JSchmidts versuch,
die spuren des sexagesimalsystems in den idg. sprachen in bezug
auf die Urheimat zu verwerten, wird von K. abgelehnt (s. 58).
man hat sich eben das ziel zu weit gesteckt, ^wenn man unter
Urheimat der Idgg. die ältesten Wohnsitze jenes urstämmchens
versteht, aus welchem der grofse, vielverzweigte bäum der idg. Völker
erwachsen ist, dann müssen wir, meine ich, zunächst darauf
verzichten, diese Urheimat bestimmen zu wollen', die historischen
und bekannten geologischen Verhältnisse führen uns auf ein
maximalgebiet von Frankreich bis Iran, einen schmalen und
langgestreckten streifen, weil wegen der eisverhältnisse der norden
und Süden ausgeschlossen sind, auf die urheimatfrage: Europa
oder Asien? ist also zu antworten: Europa und Asien, man
hat ganz übersehen, 'dass die lexikalischen Verhältnisse der idg.
sprachen im gründe am besten auf die Wohnsitze passen, die die
träger dieser sprachen in historischer zeit einnehmen, dass sie
also nicht notwendig eine sehr bedeutende Verschiebung ihrer
Wohnsitze voraussetzen' (s. 64). wenn der name der buche den
Slaven ursprünglich fehlt (ahd. buohha^ lat. /a^), so hat das
seinen grund darin, dass die Slaven erst in den Zeiten der
KRETSCHMER EINLEITUNG LN D. GESCHICHTE D. GRIECB. SPRACHE 191
völkerwandruQg in die buchenregion einzogen, für das meer
haben Italiker, Kelten, Germanen, Litauer und Slaven eine gemein-
same bezeichnung.
Nach K. waren davon die Kelten die einzigen, welche am
meere safsen, und von ihnen gieng das wort zu den andern stammen
über (s. 65). K. meint, man könnte gegen seine annähme des
ursitzes der Idgg., der sich nach ihm über die südrussischen
steppen hingezogen hat, anführen, was man gegen die annähme
der Urheimat in den russischen steppen überhaupt einwendete,
dass sie nämlich den bär, die birke und einen frühling nicht
kennen. K. zeigt, dass das nicht ganz richtig sei (s. 66). dass
Indern und Iraniern das idg. wort für salz fehlt, ist bei jeder
Urheimattheorie auffällig; das salz muss den alten Iraniern des
Avesta bekannt gewesen sein, und doch wird es nicht im Avesta
erwähnt, ^weun man aus dem fehler seines westidg. namens
bei den Indoiraniern schliefsen wollte, dass diese das salz nicht
gekannt haben, dann müste man aus dem fehlen einer gemeinidg.
bezeichnung der milch folgern, dass die alten Indogermanen nicht
nMt Buttermilch gesäugt wurden!* (s. 68). ^sind die vorgetragenen
anschauungen über die älteste ausbreitung der Idgg. richtig, so
kann es niemandem mehr einfallen, aus den blofsen wortgleichungen
culturgeschichie herausdestillieren zu wollen, wo uns die reste
altidg. cultur selbst in reicher fülle vor äugen
liegen' (s. 68). mit Zurückhaltung bespricht K. die frage, ob die
Idgg. nomaden oder ackerbauer gewesen seien (s. 70 fi). wahr ist,
dass das indisch-iranische mit den europäischen sprachen nur
sehr wenige agrarische ausdrücke teilt, aber die zahl der auf
Viehzucht bezüglichen gemeinidg. Wörter ist auch nicht sehr grofs.
nicht einmal für 'melken' gibt es eine einheitliche bezeichnung.
man kommt nirgendwo auf unbedingte einheitlichkeit, weder auf
sprachlichem noch auf culturellem gebiete, am wenigsten auf
dem gebiete der vergleichenden mythologie. der german. Ziu-
Tyr wird von ai. Dyaüs abgetrennt, wie schon Bremer getan hat;
nur Dyaus Zevg Juppiter bleiben beisammen, ferner asi. bogüy
aps. baga, av. baya-, ai. bhdga-; av. spenta^ lit. szventas^ asl.
sv('tü, got. hunsl; ai. brahrndn-^ lat. flämen; lat. victima 'opfer-
iier\ got. veihs 'heilig'; lit. Perkünas, an Fjorgynny alban. perendi,
*himmer (asl. Perunü entlehnt aus dem Illyrischen s. 82). andere
gleichungen beweisen religionsgeschichtlich für die urzeit garnichts:
ai. üshäs, gr. 'Hutg, dagegen kann man zugeben, dass die Vor-
stellung vom IsQog ydfiog des *vaters himmel' mit der *mutter
erde' uralt sei (s. 90), aber ungewis ist, ob sie gemeinidg. ist.
an einen idg. herdgoit glaubt K. nicht (s. 91) im gegensatze zu
EdMeyer.
IV *Die verwantschaftsverhältnisse der indoger-
manischen sprachen' (s. 93). die wellenförmige Verbreitung
teilen die sprachlichen Veränderungen mit allen ethnologischen
192 KBET8CUMER EINLEITUNG IN D. GESCBICHTE D. GRIECÜ. SPaAGHB
{besser wol ^culturelleo') Deueruogeo. darin ist K. mit dem ref.
derselben meinung. aber mit einer theorie wird man die sprach-
lichen erscheinungen nie völlig verslehn können, auch sprach-
spaltungen mögen vorgekommen sein und Vermischungen,
die antwort auf die frage nach der verwantschaft
mehrerer sprachen ist nur die ganze älteste geschieh te
dieser sprachen selbst (s. d7). das mittel, die historischen
beziehungen der einzelsprachen zu erkennen, bieten ihre partiellen
Übereinstimmungen (s. 98). solche können rein theoretisch ge-
nommen zufällig sein, aber man kann in vielen fallen praktisch
unmöglich an zufall denken, das ist der fall bei den palatalen,
welche in einer geographisch zusammenhängenden gruppe (arisch,
baltisch, slavisch, thrakisch, phrygisch, armenisch und albanesisch)
als Zischlaute erscheinen, im griech., italischen, keltischen und
germanischen durch explosivlaute vertreten sind, die über mehrere
benachbarte einzelsprachen sich erstreckenden Übereinstimmungen
weisen in eine epoche zurück, in welcher die Sprachgrenzen noch
weniger scharf waren als in historischer zeit. K. bemerkt hier
gelegentlich, dass babyl. pilakku, gr. n^lexvg^ ai. para^^s —
wo also der Übergang von k zu q klar vorliege — einen unum-
stöfslichen beweis liefern, dass die palatalen Zischlaute ursprüng-
lich explosivlaute gewesen seien (s. 107). aber man darf sich
die grenzen zwischen den £- und den (>-8tämmen nicht tief
einschneidend denken, denn vor und nach dem übergange der
palatalen explosiva in Zischlaute auf ostidg. gebiet haben aus-
tauschungen sprachlichen gutes stattgefunden, vor dem ange-
gebenen zeitpuncte erfolgte austausch von got. gulp — asl. zlato,
got. gcUga — lit. zalga, ahd. würgen — lit. verstu ^schnüre ein',
ahd. lahs — russ. lososij ahd. harmo — lit. szarmü, got* hilpan —
lit. szelpiü ^helfe', welche alle auf slavolettischem gebiete Zischlaute
zeigen, ohne dass man aber daran denken könnte, dass diese
Wörter einst gemeinidg. gewesen seien, aber auch nach dem
palatalwandel fand austausch sprachlichen gutes über die ger-
manisch-lit.-lettische grenze statt (s. 108). K.s teilt hierher got.
faihu — aprss.pecÄTu, Wi.pekus trotz si.pagü; goi. hunds — lettisch
kuna ^hündin' trotz lit. szu, ai. günas; ahd. hlosen (das K. an-
zuführen vergisst) — aprss. klausUon trotz ^s\.slysatu ai* orud^fi;
got. svaihra — asl. svekrü trotz lit. szeszuraSy ai. gvagura usw.
Zu den german.-litusiavischen gleicliungen gehören dann
noch das zablwort für 1000 und der dual der persoualpronomina,
die bilduug des dat. plur. mit einem m-sulfix statt des 6A-sufQxes
der andern sprachen, bei einer anzahl vou fragen lässt es K.
offen, ob und in wieweit zusammenbang anzunehmen ist. überall
mit ausnähme des italischen, griechischen, indischen sind die
mediae aspiratae bh dh gh in mediae übergegangen, im german.
über die Zwischenstufe tönender Spiranten, möglich wäre also,
dass wenigstens der Übergang zu den med. aspir. von Iran bis
KBETSCHMEB EINLEITUNG IN D. GESCHICHTE D. GBIECH. SMACHE 193
Gallieo gemeinsam vollzogen wurde, weiter ist im indisch-iraiiischeD,
slavisch-baliischeD, germanischen und albanesischen kurzes o zu a
geworden, auch hier denkt K. an gemeinsamen Ursprung trotz
des 0 von Hario-bauduSy Lango-bardi usw. (115). Italiker^ Kelten,
Geraianen und Letten haben den hauptton auf die erste silbe
verlegt, wider enger berühren sich kellisch und germanisch, das
vorhistorische latein betonte in der verbalen composition die präpo-
sition : *cönfacio, conficio, das irische und germ. aber die erste
silbe des verbums air. do-melim ^vescor', got du-ginna (s. 116).
dieselben Völker : Italiker, Kelten, Germanen haben das sufßx -tü-t^
'iü'tü von ital.-kelt.-germ.-lituslavischem sprachgut ist aufser der
bezeichnung des meeres das wort für ^gemeinde, volk' hervorzu-
heben : ose. touta, air. tuath, got. ßiuda^ aprss. tauto Mand', lett.
tatUa 'ausländ'.
Nirgends führen die partiellen Übereinstimmungen zu der
annähme einer Spaltung, deshalb ist auch der versuch, die Idgg.
in satem- und cen^um-stämme zu sondern, abzulehnen (s. 119).
Eine principiell andre erklärungsart als die von innen heraus
hat Hirt (und vor ihm Penka) aufgestellt, ^die grofsen dialekt-
gruppen der idg. sprachen erklären sich in der hauptsache aus
dem übertragen der spräche der idg. erobrer auf die fremd-
sprachige unterworfne bevOlkrung' sagt Hirt (vgl. s. 120). K. meint,
das sei für das Armenische anzunehmen, ja er macht sogar für
die beiden deutschen lautverschiebungen die Kelten verantwortlich.
V cap. Partielle Übereinstimmungen zwischen
nicht benachbarten sprachen', auffallend sind die Übereinstim-
mungen zwischen arisch und italisch- keltisch, nur hier erscheint die
gleichung für *herscher, könig': ai. röj, lat. rex, gall. nrc, air. rt.
das dazu gehörige verbum ist über sämtliche sprachen verteilt,
lieifst aber nur dort 'herschen', wo sich auch das nomen *reg
in der entsprechenden bedeutung findet, weiter lat. flamm, ai.
brahmdn- 'priester'; der name ^Arier' hat dieselbe Verbreitung,
da durch Ärio-vistus keineswegs das element *arJ0' auch als
german. erwiesen wird, weil es entweder gallisch sein kann, oder
aus *harjO' zu erklären ist (s. 131). dann gibt K. noch die
andren belege von ital.-kellisch-arischen Übereinstimmungen s. 132 b.
137. schwerwiegend sind die flexivischen Übereinstimmungen
(s. 137 fl): die ausbreitung des ablativ-d, die feminina von 'drei' und
Sier', die personaleudung auf -r. auch lat. und germ. haben
ihre Sonderbeziehungen (s. 144): lat. btni, terni und tnnU gwi-
temi usw. zu aisl. tuenner *je zwei' aus *twizna' (vgl. mhd. zwirn
'zweidrätiger faden'), firenner 'je drei' aus *ßrizna. 'in den german.
bildungen ist das suffix- no- an die zahladverbia "^twiz- 'zweimal'
(wie es in aisl. tvisvar 'zweimal', got. tvis- voiiigt) aus *dvi8',
^pris 'dreimal' aus *fm angetreten', da auch temi^ quatemi deut-
lich mit ter, quater zusammenhängen, so ist es wahrscheinlich,
dass auch bini^ trini aus *6i»-m, tris-ni entstanden und mit den
194 KBET8CHMEB ELILEITDRG ly D. GESCHICOTE D. GRIRCH. SPRACHE
aisl. bilduDgen identisch sind. daDO muss aber die annähme
nächsten Zusammenhangs von bini mit lit. dvynü ^Zwillinge' abge-
lehnt werden, zu diesem gehört nur ags. twin 'zwirn*, die Italiker
teilen mit den Germanen drei ausdrücke für Jahreszeiten (s. 145
anm 1): 1) iat annus, got. apn^ 2) annöna (für *andna) zu got.
asans 'erntezeit', 3) ver zu an. vdr 'frühling'; K. meint, dass schon
in uralter zeit *vesr zu *ver geworden sei. das italisch-lituslavische
sprachgut stellt K. s. 146 IT zusammen, der name des goldes
aurum ist frühzeitig auf dem handelswege von Italien über keltisches
nnd germ. gebiet zu den Ästiern gelangt (s. 150).
Wie diese kreuzungen zu stände gekommen sind, ist im ein-
zelnen nicht zu sagen, urzeitliche Völkervermischungen und
Völkerverschiebungen sind nicht aus der berechnung zu lassen
(s. 152). uns unbekannte Zwischenvölker können wandernd
sprachlichen austausch vermittelt haben (vgl. namentlich s. 142
mitte). —
Dies ist der inhalt jenes teils des buchs, welcher den germa-
nisten direct mit angeht, man wird auch aus dem aaszuge er-
kennen, dass K. ruhig und sachlich ans werk geht, mit kritik,
die nicht ergebnislos ist. neue, selbständige und bedeutende ge-
danken wird man allerdings nicht finden, die nüchterne art K.s
hätte noch vor zwei decennien, in den zelten des Sturms und
dranges, wenig gewürkt, heute und in hinkunft kann sie auf die
dankbare Zustimmung der leser rechnen.
Es ligt in der natur dieses teils des buches, dass es mehr
schult wegzuräumen galt, als eigentlich zu bauen, es bleibt die
frage, ob K. nicht mit vielem würklich wertlosen auch wertvolles
verworfen hat. K.s ausführungen entsprechen dem allgemeinen
nihilismus in allen höheren fragen unsrer Wissenschaft, sie ent-
sprechen einem gewissen tiefstande unsrer holTnungen in bezug
auf diese letzten und schwierigsten fragen unsrer disciplin, und
ich muss gestehn, dass ich glaube, wir werden uosre erwar-
tungen noch tiefer herabstimmen müssen, den keim zu dieser
weitern entwicklung hat K. selbst gelegt und ihn mit zweifeln
reichlich befruchtet, wo er selbst führen will^ treffen ihn alle
seine eigenen bedenken.
Er geht über JSchmidt hinaus und legt den partiellen Ober-
einstimmungen der idg. sprachen besondern wert bei. die ganze
alte geschichte der sprachen könne blofs die antwon geben auf
die frage der nähern verwantschaften. wie sollen wir aber die
— sozusagen — prähistorische geschichte erforschen? K. meint,
dass eben die partiellen Übereinstimmungen sie uns kennen
lehren.
Es existieren zb. zwischen dem äufsersten osten und westen
solche sprachliche Übereinstimmungen, die sonst nicht vorkommen,
also muss nach K. einstmals ein volk zwischen Kelten und Ariern
gewandert sein, das sprachliches gut von einem ende zum an-
KBETSGHMER EINLEITUNG IN D. GESCHICHTE D. GRIECH. SPRACHE 195
dem brachte und dann aufgesogen wurde und verschwand, eine
solche annähme kann ich mit K.s sonstigen ansichten schwer in
Zusammenhang bringen, bei andern forschem tadelt es K., dass
sie zu irgend einer hypolhese extra ein volk 'erfinden', was er
doch hier selbst tut. sehr merkwürdig ist auch, dass dieses volk
auf der langen wanderstrecke just blofs dem endvolke sprach-
liches material überliefert haben soll, ohne ein einziges Zwischen-
glied im norden oder Süden zu beglücken, das letzlere ist um
so auffallender , als die lodogermanen nach K. in einem langen,
schmalen streifen zwischen dem Atlantischen ocean und Iran
safsen, sodass schwer abzusehen ist, wie zwischen norden und
Süden so viel platz für unbehinderte Völkerwanderungen gewesen
sein konnte.
JSchmidt hat die verwantschaftsverhältnisse der ungefähr
schon in historischer art angeordneten idg. Völker m. e. endgiltig
bewiesen und seine hypolhese der wellenausbreitu|)g beweist jeden
tag die lebendige erfahrung dem cullurforscher — gewis ein glän-
zender triumph von Schmidts ansieht, auch K. hat dagegen nichts
einzuwenden, nur die partiellen Übereinstimmungen nicht be-
nachbarter Völker will er deuten : er legt ihnen so viel wert bei,
dass er — ohne es zu merken — Schmidts theorie carikiert und
ad absurdum führt, niitdem steigenden wert und der be-
deutung der sprachlichen Beziehungen aufserhalb
Schmidts kelle fällt aber das zwingende der Verwer-
tung von Übereinstimmungen benachbarter sprachen,
wenn K. zb. wichtige Übereinstimmungen zwischen arisch und
keltisch findet, dann ist der logische schluss doch nur der, dass
auch die Übereinstimmungen benachbarter sprachen gar nichts
beweisen. Schmidt wird nun wol doch recht behalten, aber eben
mit der einschränkung, dass, wie bereits angedeutet, die idg. ur-
sitze in Europa zu suchen sind, ich muss auch jetzt noch sagen,
dass mir wellentheorie und asiatische Urheimat unvereinbar zu
sein scheinen. Schmidt hat meine zweifei nicht beseitigt ^ und
mich dünkt, dass man gegen Schmidts theorie von der asiatischen
Urheimat gar nichts besseres einwenden kann, als Schmidts nach-
weis der verwanlschaftsverhällnisse der idg. Völker — seine
wellentheorie. die partiellen Übereinstimmungen nicht benach-
barter teile der Indogermanen muss man entweder durch verlust
des Sprachguts innerhalb der Zwischenvölker erklären oder man
muss überhaupt bei dem jetzigen stand unsers Wissens auf eine
erklarung verzichten. Brugmann hat schon auf die möglichkeit
von zufallen hingewiesen, ist es denn aber ein zufall zu nennen,
wenn zwei oder mehrere sprachen in einem halben oder ganzen
dulzend erscheinungen auf dieselbe neubildung kommen? oder
war es nicht umgekehrt der grüfsere zufall, wenn sich solche
' vgl. JSchmidt Die urheimal der Indogermanen, Abhandlungen d. kgl.
preufs. akad. d. wissensch., Berlin 1890, sa. s. 19.
196 KRETSCHMER EINLEITUNG IN D. GESCHICHTE D. GRIfiCH. 8PR4CBB
dinge nicht ereignet hätten? was soll es beweisen, dass osten
und Westen allein in der gleichung *rek$ 'könig' zusammentreffeD,
da doch das primitive wurzelverb gleichmafsig dort und da zu
dieser bildung führen konnte?
Weil K. von der europäischen Urheimat (Iberaeugt ist, folgt
für ihn weiter, dass auch für die erschliellsung der urcuUur der
Indogermanen die europäischen prähistorischen Überreste zu ver-
werten seien, denn mit recht legt K. dem 'idg. lexikon' zur er-
forschung dieser tatsachen wenig wert bei. leider ist es auch K.
nicht gelungen, den geringsten beweis dafür zu erbringen, dass
die prähistorischen europäischen funde den Indogermanen selbst
zuzuschreiben seien, eine bestimmte antwort auf die frage, welcher
teil dieser Überreste der cultur der idg. Völker zuzusprechen ist,
scheint bis heute noch nicht möghch zu sein, ich komme darin
mit K. überein, dass auch ich möglichst viel davon nnsern idg.
ahnen zuweisen möchte.
Ich heb es nochmals hervor, dass die ähnlicbkeiten der
sprachlichen tatsachen zwischen benachbarten Völkern mir nur wie
K. an eine Urheimat in Europa und etwa in den nächsten teilen
Asiens zu glauben gestatten, und bin schon früher der jetzt von
K. ausgesprochenen meinung gewesen, dass uns zur erschliefsung
einer noch ferner liegenden Urheimat jedes wissenschaftliche krl-
terium fehlt.
Zu diesen allgemeinen darlegungen seien noch einige be-
merkungen zu einzelnen stellen erlaubt.
^Aber neben das grammatische handbuch hat, meine ich,
eine darstellung zu treten, welche die entwicklung der spräche
in ihrer ganzen breite, von periode zu periode, schildert und den
Zusammenhang mit dem culturleben und der nationalen entwick-
lung der träger der spräche nachweist — eine würkliche Sprach-
geschichte' s. 10. dass das endziel der Sprachgeschichte ist, die
zusammenhänge sprachlicher entwicklung mit den ganzen ge-
schichtlichen Schicksalen und den culturellen fortschritten zu be-
greifen, ist gewis kein neuer gedanke. das wort ^national' möcbt
ich aus dem satze K.s streichen, worauf man aber billich gespannt
sein kann, ist, wie K. sich die praktische durchführung dieser
erkenntnis denkt, in der vorliegenden ^einleitung* seh ich noch
keinen ansatz zur durchführung eines ähnlichen planes, jedesfalls
bin ich aber auch überzeugt, dass Spracherklärung die kenn tnis
der Sachen voraussetzt, des sinnes und des, mit den Wörtern
gemeinten culturmaterials. es wäre nicht der mühe wert, solche
dinge zu sagen, wenn man nicht der allein formalistischen sprach-
betrachtung gewöhnlich zu viel, oft ausschliefsliche bedeutung
beilegte.
K. hält es für unwahrscheinlich, dass es je eine idg. be-
zeichuung für 'eins' gegeben hat (s. 11). das ist eine so tapfere
bemerkung, dass sie sofort den leser für den autor einzunehmen
KBBTSCHMER EUSLEITCNG LN D. GESCHICHTE D. GRIECH. SPRACHE 197
im Stande ist. in der tat weichen *oinO'<t *oiuO'^ *sem genug von
eieander ab. aber K. wird doch gerade so gut wie die andern
forscher annehmen müssen, dass es doch einmal eine gemeinsame
bezeichnung gab, und war es auch nur bei jenem gewissen idg.
urstämmchen, von dem wir gar nichts wissen (s. 59). mit dem-
selben rechte kann man nachweisen, dass die Id^g. keine gemein-
same bezeichnung für ^zweiter' liatten (ai. dvittya, lat. secutuhu,
gr. ä€vzegog, got. anpar), natürlich auch für ^erster' nicht,
ebensowenig für ^elf, zwölf uam., während doch die sache so
steht, dass gr. oivri 'ass' das gr. elg schon als das jüngere er-
scheinen lässt und dann nur mehr *oinO' ^orz/o- zurückbleiben
(welche beide schon recht nahe liegen), weil au eka- sich wider
durch aps. aii;a, ay.aeoa- als das jüngere erweist, ähnlich ver-
hält es sich doch — nach allgemeiner annähme — mit dväda^a^
diüöey.a^ duodecim gegen got. tvalif, lit. dvylika^ dh. niemand
leugnet eine urform^ man sucht nur den grund der abweichuog,
der wider durch beeinflussung aus andern sprachen (so in diesem
falle) oder durch vorginge derselben spräche sich ergeben haben
kann. K. sieht nun wol^ dass schon zahlen wie 11. 21 usw.
die existenz einer ^eins' voraussetzen, aber er bleibt dabei, ^dass
das Zahlwort für 'eins' jünger sein müsse, als die für 2 — 10,
was wenige ihm werden nachfühlen kOnnen.
K.s kritik des Wortes 'urindogermaniscb' führt ihn dazu,
drei sachliche bedeutungen daraus zu entwickeln : ursprachlich,
gemeinindogermanisch und altindogermanisch (s. 12fT). diese drei
begriffe sind wohl auseinanderzuhalten, denn ein ursprachliches
wort kann ja auch blofs einem teile dessen angehört haben, was
wir schon 'Ursprache' nennen können, muss also nicht 'gemein-
indogermanisch' gewesen sein, dagegen muss ein gemeinindo-
germanisches wort^ dh. ein wort, bei dem die gröstmögliche Ver-
breitung historisch beglaubigt ist, noch nicht ursprachlich sein,
weil es sich auch später bei schon bestehnden leichten dialekt-
grenzen noch verbreitet haben kann, und endlich kann ein wort
sehr alt sein, 'altindogermanisch', ohne je ursprachlich oder
gemeinindogermanisch gewesen zu sein.
Das ist alles richtig, ist auch nichts andres, als das, was die
andern ja auch glauben, aber irgend eine praktische consequenz
folgt daraus nicht, ßrugmann wird, wie bisher, in allen drei
fällen 'uridg.* schreiben, die andern werden 'idg.' setzen, und das
genügt auch vollständig, auch 'gemeinindogermanisch' anzuwen-
den, werden wir uns hüten müssen, weil doch niemand weifs,
ob irgend ein sonst überall belegtes wort auch dort vorhanden
war, wo wir nur sehr wenig oder so gut wie gar kein material
vorliegen haben, wenn K. s. 21 sagt, aus der gleichung ai.
yugdm, gr. ^vyov^ got. juk, asl. igo, lit. jüngas folge noch nichts
dass die Indogermanen das joch gekannt haben, so braucht man
sieh noch nicht bange machen zu lassen, auch wenn das wort
198 KRETSCHMER EIISLEITUiNG LN D. GESCHICHTE D. GRIKGH. SPRACHE
bei einem teile nur entstanden ist mit der sache selbst und sich
zu den andern teilen verbreitet hat, so ist es jedesfalls so alt,
dass wir es weiter ruhig den Indogermaneo zuschreiben werden,
wie 'rad', ^achse', ^nabe', zumal ja K. selbst glaubt, dass schon
das urvolk dialektische differenzen hatte, die linguistische Pa-
läontologie, die gewis einen berechtigten kern hat, wird sich
durch diesen schreckschuss K.s schwerlich ins bockshorn jagen
lassen.
S. 95 bezieht sich K. auf meine schrift 'Versprechen und ver-
lesen' und nennt die sprechfehler Sndividueir, während ich ihm
ruhig, ohne ihn je gesehen zu haben, hiermit die Versicherung
senden kann, dass auch er sich nach den von mir gegebenen
regeln verspricht und dass sich jeder so verspricht, ich komme
auf K.s Worte vielleicht noch in dem bald erscheinenden ii bd
von ^Versprechen und verlesen' zurück, gerne stimm ich K.
s. 105 zu, wenn er sagt, 'für das lautphysiologisch mögliche gibt
es eigentlich keine grenzen'^ was auch mir den wert der laut-
physioiogie für die historische Sprachbetrachtung sehr herabzu-
setzen geeignet erscheint.
^u der angeblich Italikern, Kelten, Germanen gemeinsamen
Verlegung des haupttons auf die erste silbe des wortes vgl. jetzt
wider HHirt Idg. f. 9, 290. ich möchte vorläufig noch die ganze
frage als nicht spruchreif ansehen.
So viel ich sehen kann, iigt gar kein ernster grund vor an-
zunehmen (s. 123), dass die hochdeutsche lautversctiiebung ^auf
der Verschmelzung keltischer demente mit den Germanen im süd-
lichen und südwestlichen Deutschland beruht'. K. selbst sagt
klar und deutlich s. 121 : ^natürlich haben wir aber nur da das
recht, einen solchen Vorgang anzunehmen, wo der Sprachwechsel
würklich erwiesen ist und die sprachliche Veränderung in der
richtung des alten idioms ligl'. die letzte Forderung ist die selbst-
verständliche, und da hätt ich allerdings gerne den gesehen, der
nachweist, dass die zweite lautverschiebung in der richtung des
keltischen ligtl ich glaube, dass HHirt, der bei allen grofsen sprach-
lichen Veränderungen an mischung denkt, arg in der irre geht,
was übrigens auch K. meint.
Den germanisten werden noch folgende details interessieren.
K. setzt s. 74 anm. 2 zu an. hvalr^ ahd. wal das laL squalus
^meersaufisch, art haie'. über die sprachlichen beziehungen zwi-
schen Germanen und Griechen vgl. K. s. 167. daselbst citiert er
navx^vXrj : got. gunds 'geschwür', ahd. gund ^eiter', xdlri ion.
yc^krj : an. haull^ ahd. hola ^hernia'. auch in einem *dir-oi»- ^ein
scharfes ohr habend^ dh. in dem davon abgeleiteten denomina-
tivum lässt K. Germanen und Griechen zusammentreflTen. die
Übereinstimmung bleibt auch dann, wenn man Zusammenhang mit
w. *ak ^scharf sein' dankend ablehnt, zahlreich oder besonders
wichtig sind diese griechisch - german. übereinstimmungeo gewis
KRETSCHMER ELNLEITUNG IN D. GESCHICHTE D. GRIECH. SPRACHE 199
uicht. die Italiker stimmen nur mit den Germanen in drei aus-
drücken für Jahreszeiten übereiu (s. 145 anm.) : annus, got. apn;
annöna (für *ändna mit angleichung an annus)^ got. asans; ver,
an. vdr, gegenüber lit. vasard, gr. sag meint K. an einen alten
Übergang von *vesr : *ver denken zu dürfen , etwa wie Kluge
*verO' 'wahr' aus einem *vesr' hergeleitet hat. die 'sacralgeschicht-
lich wichtige lal.-germ. gleichung' lal. victima *opferlier' : got.
veihs, veihan nimmt auch K. ebenda an.
Druckfehler sind leider genug stehn gebheben, s. 64 steht
ein unverständliches 'einer so grofsen anschauung der Indo-
germaneu', s. 83 steht ^ar^wg aiol, vwg% s. 108 'skr. pdgu' für
pa^ü, *skr. gunds* für günas, s. 172 sind die nummern der anm.
verdruckt, s. 145 steht in anm. 1 unten st für ist usw.
Wien [Graz] 1899. Rudolf Meringer.
Die schweliformen des verstypus A in der altsächsischen bibeldichtung. von
Hermann Saftien. Bonner diss. Bonn, universilätsbuchdruckerei von
Carl Georgi, 1898. 53 ss. 8^.
Es ist nicht leicht, über diese schrift zu berichten; denn
sie ist im gründe ein einzelnes capitel mitten aus einem grOfseren
ungeschriebenen Zusammenhang heraus, der verf. verhehlt nicht,
dass zeit und räum seiner arbeit grenzen gesteckt haben, die sich
mit dem gegenstände nicht recht vertragen, die widerkehrenden
bemerkungen, dass dies noch zu untersuchen wäre, jenes noch
einer Vorarbeit bedürfte, geben dem ganzen das gepräge des pro-
visorischen, man fragt sich mit Unbehagen: wird die gesamt-
rechnung auch stimmen — schon nur innerhalb der altsächsischen
dichlung? und dann das draufsen liegende: kaum ein paar mal
wird der hier behandelte ausschnitt von versformen in flüchtigem
Zusammenhang gezeigt mit versen des ^eowulf; von den andern
ae. epen, die für die vergleichung viel ergiebiger wären, ist nicht
die rede, ebensowenig von hd. und nord. sta breim versen ; ganz
zu schweigen von einem ausblick auf die uns näher liegenden,
sichrer zu fassenden versgebilde. neben diesem verzieht, das
einzelne ins ganze einzufügen, will es weniger besagen, dass S.
seinen standpunct dem allgermanischen verse gegenüber nur kurz
andeutet, ohne jede begründung, obwohl er von allen vorhandenen
theorien nicht unerhebhch abweicht, denn was S. zu erweisen
sucht, ist wenigstens bis zu einem gewissen grade neutral: manches
liefse sich mutatis mutandis in verschiedene auffassungen vom stab-
reimvers eingliedern. S. sieht denn auch von allgemeineren
folgerungen ab; die fragen erster Ordnung bleiben in ruhe, aber
ich kann doch nicht Gnden, dass die schrift durch sich selbst
den versuch rechtfertige, auf diesem unsichern erdreich eine so
eng umgrenzte frage in angriff zu nehmen.
S. geht von viertactigkeit des kurzverses aus. er sucht der
übergrofsen silbenzahl im auftact und im 1 verstact der as. dichtung
200 SAPTIEN D. VERSTTPUS k IN D. ALTSÄCUS. BIBBL0ICHTUII6
aus dem wege zu gehn. er kommt s. 11 zu der ansieht, dass
zweisilbige Senkung im A-verse (r / ^ ^) im allgemeinen nicht über-
schritten werde, darnach ist nicht zu betonen
Crüt an enero cöpstedi
skenkeon endi sedpuuärdds,
sondern
Crist an enero cdpstedi
skinkean endi sedpuudrdos;
also nicht typus D, sondern A 'mit abweichendem versausgang'.
wie man sieht, befreit sich S. hier von dem alten aziom der
vierhebungslehre, dass ^ ^ keinen schlusstact füllen könne. —
auch *A 3'-verse (: mit Stabreim nur in der dritten bebung) kOnnen
diese form haben; vom standpunct der zweihebungslehre ausge-
drückt: der Stabreimtypus xa ist nicht auf denausgang <£ ^ be-
schränkt, hiebei werden wider silbenreiche erste tacte bezw.
(bei 2-tactiger messung) auftacte vermieden. S. betont
than skebid he theo fardüanan man
usw. (s. 24). auch den geraden kurzversen ist diese
Stellung des Stabes zuzuerkennen, anderseits gelangt nan auch
dazu, ungerade verse mit stabender 3 und 4 hebung zu lesen:
er scaü thü thi simbla gesdnien
u. ähnl. (s. 30). *die eigentlichen schwelWerse' kennzeichnet der
schluss J-x (x) ^ X. jene A-typen mit abweichendem ausgang
wären als ^schwelWerse zweiten grades' (s. 42) zu benennen,
eine ^scharfe natürliche grenze* zwischen diesen beiden gruppen
und den gewühnhchen versen gibt es nicht (s. 42 f.). S. bringt
noch eine reihe ^hilfsmittel', um die einordnung mehrdeutiger
verse zu ermöglichen, dabei wird gewicht gelegt auf die nachbar-
schaft der betreffenden Zeilen; die grenzen der Senkungssilben
werden zt. noch enger gezogen, gewisse einzelheiten erschliefst
S., indem er in beachtenswerter weise formelhafte wortgruppen
nach ihrem ungleichen auftreten im 1 und 2 kurzvers verfolgt.
Eine auseinandersetzung mit S.s ansichten konnte nur von
einer der vierhebungstheorien aus, wie sie Roegel, Kaluza, Traut-
mann ua. dargestellt haben, mit nutzen unternommen werden,
mit der zweitacttheorie, zu der sich ref. bekennt, hat S. einige
specielle berührungen: die annähme sogen, akatalektiscber verse
(s. o.); messungen wie
höfuudrd Herren sines
und manche andre; auch die meinung, dass sich die ^schwell-
verse' nicht durch verlängertes grundmafs, sondern durch ge-
drängtere fuUung auszeichnen, find ich immer noch die v?ahr-
scheiulichste. dass die stabform xa auch im geraden korzvers
zu recht bestehe, wird zweifellos durch manche as. (and ae.)
verse nahegelegt; die sache scheint mir discutabel, aber durch
S. nicht bewiesen, unmöglich dagegen kommen mir mes'aungeu
vor wie
SAFTIEN D. VRB8TTPUS A IN D. ALT6ÄGH8. BIBBLDICHTUNG 201
thdt thar uudrd gümono bdrnun
iu hdbad geuuihid selbo
«isw. (s. 28. 30. 35). indem hier die beiden gipfel der wort-
reihe in die zweite vershälfte hinausgedrängt werden und nach-
<inickslo8e glieder sich breit über die erste hälfte ausdehDen,
entsteht ein misverhältnis der gewichtsverteilung, das dem innersten
gesetz des stabreimverses, so wie ich ihn fasse, zuwiderläuft,
aber dies rührt an einen punct, der von der vierhebungsl^re
Oberhaupt misachtet wird: das Verhältnis zwischen dem rhetorischen
gehalt der Satzteile und dem zeitlichen mafs, das sie als versteile
erlangen; die eigentliche disposition der massen.
Durch die entfernung der überlangen auitacte und Senkungen
kommt sicherlich ein rhythmus heraus, der an unsre Zungenfertig-
keit geringere ansprtiche stellt und dem flusse mancher reimverse
viel näher ligt. aber die ankntlpfung an die übrigen Stabreim-
verse, die ae., ahd., an., auch diejenigen as., die* sich mit weniger
«üben behelfen, wird im gründe bei S.s verfahren unmöglich, die
eigentlichen und uneigentlichen schwellverse erscheinen nicht mehr
als eine weitgehende, aber stufenweise zu verfolgende Steigerung,
«ine hyperirophie gewisser seit alters vorhandener ansätze. es
tritt an einer stelle ein bruch ein: geht es Ober eine bestimmte
«ilbenmenge hinaus, so wird, bei sonst Obereinstimmendem sprach-
rhythmischem bau, plötzlich anders rhythmisiert, diese bedenkliche
Wendung müste bei einer umfassenden vorfahrung und gliederung
^es stoltes klar hervortreten.
Berlin, 30 September 1899^ Andreas Heusler.
Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler mit anmerkungen und glossar heraus-
gegeben von Elis Wadstein. [Niederdeutsche denkmäier. heraus-
gegeben vom Terein für niederdeutsche sprachfortchung. band vi.]
Norden und Leipzig, Sollau, 1899. xv und 250 ss. 8^ -* 7,5010.
Es gereicht mir zu lebhafter befriedigung, dass meine kritik
von Gall6es Alts. Sprachdenkmälern Änz. xxif und ^r dort ge-
führte nachweis ihrer totalen unbraachbarkeit so rasch den ao-
stofs für vorliegende Sammlung abgegeben hat, welclie die bei
Gall6e vereinigten stücke (s. ihr Verzeichnis Aoz. aao. 267 f) mit
recht um die nrn 10. 12. 18. 23. 25. 26 kürzt, dagegen um
einen abschnitt aus dem ältesten Werd«ner heberegister (zuletzt
abgedruckt MSD' ii 371), um die Leidener VegetiusgU. (Ahd. gll.
II 625), ein Wiener Vergilfragment (Ahd. gll. n 719) und vier
Gandersheimer gll. (Ahd. gll. iv 374 anm.) vermehrt, denn der
neue bearbeiter besitzt gerade diejenigen eigenschaften io seltenem
mafse, welche Gall6e schmerzUchst vermissen liefs : peinliche ge-
wissenhaftigkeit in der widergabe des handschriftlichen befundes
und minutiöse Sorgfalt bei der correctur. in folge dessen hat er
den bruchstücken des Psalmencommcntars (MSD lxu. Gall^e 14)
und den Düsseldorfer Gregorgll. (Gall^e 3) eine so vlillig ver-
A. F. D. A. XXVI. U
200 SAPTIEN D. VER8TTPUS k IN D. ALTSÄCU8. BIBBLOICHTUNG
aus dem wege zu gehn. er kommt s. 11 zu der ansieht, dass
zweisilbige seukuDg im A-verse (r / ^ ^) im allgemeineo nicht über-
schritten werde, darnach ist nicht zu betonen
Crist an enero eöpgtedi
^ skinkeon endi 8Cdpuuärdd$9
sondern
Crist an enero cdpstedi
skenkeon endi scäpuudrdos;
also nicht typus D, sondern A 'mit abweichendem versausgang'.
wie man sieht, befreit sich S. hier von dem alten axiom der
Vierhebungslehre, dass ^ ^ keinen schlusstact fallen könne. —
auch *A 3'-verse (: mit Stabreim nur in der dritten hebung) können
diese form haben; vom standpunct der zweihebungslehre ausge-
drückt: der Stabreimtypus xa ist nicht auf denausgang J- w be-
schränkt, hiebei werden wider silbenreiche erste tacte bezw.
(bei 2-tactiger messung) auftacte vermieden. S. betont
than skeiid he thea fardüanan mdm
usw. (s. 24). auch den geraden kurzversen ist diese
Stellung des Stabes zuzuerkennen, anderseits gelangt man auch
dazu, ungerade verse mit stabender 3 und 4 hebung zu lesen:
er scaü thü thi simhla ge^önien
u. ähnl. (s. 30). *die eigentlichen schwellverse' kennzeichnet der
schluss J-x (x) 1. X. jene A-typen mit abweichendem ausgang
wären als ^schwellverse zweiten grades' (s. 42) zu benennen,
eine 'scharfe natürliche grenze' zwischen diesen beiden gruppen
und den gewöhnlichen versen gibt es nicht (s. 42 f.). S. bringt
noch eine reihe 'hilfsmittel', um die einordnung mehrdeutiger
verse zu ermöglichen, dabei wird gewicht gelegt auf die nachbar-
schaft der betreffenden zeilen; die grenzen der Senkungssilben
werden zt. noch enger gezogen, gewisse einzelheiten erschliefst
S., indem er in beachtenswerter weise formelhafte wortgruppen
nach ihrem ungleichen auftreten im 1 und 2 kurzvers verfolgt.
Eine auseinandersetzung mit S.s ansichten könnte nur von
einer der vierhebungstheorien aus, wie sie Roegel, Kaluza, Traut-
mann ua. dargestellt haben, mit nutzen unternommen werden,
mit der zweitacttheorie, zu der sich ref. bekennt, hat S. einige
specielle berührungen: die annähme sogen, akatalektiscber verse
(s. o.); messungen wie
höfuudrd Herren sines
und manche andre; auch die meinung, dass sich die 'schwell-
verse' nicht durch verlängertes grundmafs, sondern durch ge-
drängtere fuUung auszeichnen, find ich immer noch die v?ahr-
scheiulichste. dass die stabform xa auch im geraden kurzvers
zu recht bestehe, wird zweifellos durch manche as. (and ae.)
verse nahegelegt; die sache scheint mir discutabel, aber durch
S. nicht bewiesen, unmöglich dagegen kommen mir mes*6ungeu
vor wie
SAFTIEN D. VRB8TTPUS A IN D. ALT6ÄGH8. BIBBLDICHTUNG 201
thdt thar uudrd gümono bdrnun
iu hdbad geuuihtd selbo
«isw. (s. 28. 30. 35). indem hier die beideo gipfel der wort-
reihe in die zweite vershälfte hinausgedrängt werden and nach-
druckslose glieder sich breit über die erste hälfte ausdehnenf
entsteht ein misverhältnis der gew ich ts Verteilung, das dem innersten
gesetz des stabreimverses, so wie ich ihn fasse, zuwiderläuft,
aber dies rührt an einen punct, der von der rierhebungsl^re
Oberhaupt misachtet wird : das Verhältnis zwischen dem rhelorischen
gehalt der Satzteile und dem zeitlichen mafs, das sie als versteile
erlangen; die eigentliche disposition der massen.
Durch die entfernung der überlangen auitacte und Senkungen
kommt sicherlich ein rhythmus heraus, der an unsre Zungenfertig-
keit geringere anspreche stellt und dem flusse mancher reimverse
viel näher ligt. aber die anknUpfung an die übrigen Stabreim-
verse, die ae., ahd., an., auch diejenigen as., die* sich mit weniger
«üben behelfen, wird im gründe bei S.s verfahren unmöglich, die
eigentlichen und uneigentlicheu schwellverse erscheinen nicht mehr
als eine weitgehende, aber stufenweise zu verfolgende Steigerung,
eine hyperirophie gewisser seit alters vorhandener ausätze, es
tritt an einer stelle ein bruch ein: geht es Ober eine bestimmte
«ilbenmenge hinaus, so wird, bei sonst Obereinstimmendem sprach-
rhythmischem bau, plötzlich anders rhythmisiert, diese bedenkliche
Wendung müste bei einer umfassenden vorfahrung und gliederung
4es stoltes klar hervortreten.
Berlin, 30 September 1899^ Andreas Heusler.
Kleinere altsächsische Sprachdenkmäler mit anmerkungen und glossar heraus-
gegeben von Elis Wadstein. [Niederdeutsche denkmäier. heraus-
gegeben vom verein för niederdeutsche sprachfortchaog. band vi.]
Norden und Leipzig, Sollau, 1899. xv und 250 ss. 8®. — 7,50 m.
Es gereicht mir zu lebhafter befriedigung, dass meine kritik
^on Gall^es Alts. Sprachdenkmälern Änz. xxif und der dort ge-
führte nachweis ihrer totalen unbranchbarkeit so rasch den ao-
stofs für vorliegende Sammlung abgegeben hat, welche die bei
Gall6e vereinigten stücke (s. ihr Verzeichnis Aoz. aao. 267 f) mit
recht um die nrn 10. 12. 18. 23. 25. 26 kürzt, dagegen um
einen abschnitt aus dem ältesten Werdener heberegister (zuletzt
abgedruckt MSD' ii 371), um die Leidener VegetiusgU. (Ahd. gll.
II 625), ein Wiener Vergilfragment (Ahd. gll. n 719) und vier
Gandersheimer gll. (Ahd. gll. iv 374 anm.) vermehrt, denn der
neue bearbeiter besitzt gerade diejenigen eigenschaften io selteoem
mafse, welche Gall6e schmerzlichst vermissen liefs : peinliche Ge-
wissenhaftigkeit in der widergabe des handschriftlichen befundes
und minutiöse Sorgfalt bei der correctur. in folge dessen hat er
den bruchstücken des Psalmencommcntars (MSD ltu. Gall^e 14)
und den Düsseldorfer Gregorgll. (Gall^e 3) eine so vliUig ver-
A. F. D. A. XXVI. 14
202 WADSTEIN KLEINERB ALT8ÄCHSISCHB 8PBACHDENKMALER
änderte gestalt geben können, dass alle künftige bescbäfligUDg
mit ihnen von seinen lesungen ausgebn muss. aber seiner rast-
losen mübe danken willkommene besserungen und ergdnzungen
im einzelnen auch die meisten übrigen texte, unter ihnen ge-
hören einige der zusammenhängenden denkmäler und der gröste
teil der gll. sowol der alts. wie der ahd. litteratur an. in keiner
Sammlung der kleinern ahd. sprachreste wird man das Taufge-
löbnis, den Beicbtspiegel, die segen gegen Würmer und pferde-
lähme, das Abecedarium nordmannicum entbehren können, die
mehrzahl aber der alts. gll. geht zurück auf hd. vorlagen : sie
müssen darum in einem ahd. wb. volle berücksichtigung finden,
ein solches wird bekanntlich von mir geplant, um dort nicht
genötigt zu sein, die citate zu häufen, will ich hier darlegen, was
W.s buch für den ahd. Sprachschatz an neuem bringt.
Im Abecedarium (MSD v) setzt W., gewis richtig, z. 4
fs themo statt ist himo ein.
Ganz unwahrscheinlich dünkt mich hingegen seine lesung
des ersten wertes im Taufgelöbnis (HSD Li) als fornaichistu:
ai soll bezeichnung des umlauts sein, der kleine strich oben
zwischen a und e ähnelt nach den facsimilibus einem t durchaus
nicht, dies zeigt sonst einen nach unten zu sich verjüngenden
ductus und starke bieguug des obern endes nach links, während
jenes übergeschriebene zeichen unten stark und oben ohne nei-
gung gebildet ist. ich möchte darin eher einen vorzeitigen ansatz
zum folgenden h erblicken.
SPetereri gll. (Ahd. gll. i. ii. iv). i 617, 17 «cewArto (bei
mir druckfehler skenkio). \i 353, 16 ast^., 494, 36 hizifUi (ver-
schrieben für bizihti, obwol diese lesung statt der meinen Inzihti
noch nicht über allen zweifei erhaben scheint). 497,65 thruth
(bei mir druckfehler truth), 497,67 Specculum. 498 anm. 17
decoris ab.
Düsseldorfer Prudentiusgll. (Ahd. gll. ii 5750). vor
575, 1 Inuitatorium [librum] spanandeliea V — Genoadius De
viris illustribus. 575, 5 s. me dara dar(a)^. nach 575, 38 Fundit
hie 2^ — 51. 575, 39 unter girvnnunon steht noch quagul (dies
wort belegt Diefenbach s. v. coagulum aus zwei jungen glossaren).
575 anm. 13 ana (deutsch) mit (lat.) statt anabatut ist ganz un-
sichre Vermutung, nach 576, 18 Liquesce, id est euanesce. tier-
suint 5'— 146. 577,6 bigingUha. nach 578,23 Nuntia sia
14^—399. Atidiit the 14'— 424. nach 578, 63 Subtacitam uegniun
(eingekratzt) 21**— 174. 579,36 Bart. rath. 582, 34 rte^o«.
582,51 h&p. 583,26 scirsdhssön. 583,49 vielleicht ti. nach
584, 26 Infrequenti filo 59'— 218. 585, 32 dürfte mein dogal'
' W. nennt sie SPetrier. dem Schweden verzeiht man diese misbil-
dung. aber der Deutsche Holthausen hatte nicht in seinem Alts, elementar-
buch sie weiterTcrbreiten sollen.
* runde klammern bei W. schliefsen unsichre buchstaben ein.
WADSTEIN KLEINERE ALTSÄCHSISCHB SPRACHDENKMALER 20$
nussion vor W.s dogalnussion den Vorzug verdienen. 585, 73 er-
gänzt W. ^t . . . üuua zu gigarüuua. 5S6,44 zieht er nach Heynes
Vorgang ovarmödigo zum nächsten wort turgida : aber ovarmödigo^
kann auch adverb sein, parallel zu uuilo, das W. im glossar un-
begreiflicher weise für einen gen. plur. des Substantivs uvü an-
sieht. 587 , 66 dcdldöda. 587 anm. 1 ist die iesung resp. er-
gänzung fiurgard *fenergaber sehr wenig glaublich. 588, 1
landouo (bei mir lantouo druckfehler). 588, 6 gisiahd, 588, 34
grduon. 588, 76 methertiklika (-ca bei mir druckfehler). 588, 80
so (das zweite mal). 589, 7 bescermian, nach 589, 26 Ut so
65'*— 21. 589,65 öf, nach 590,35 Uirgulas u{ä)ldon (einge-
kralzi) 67**— 78.
Pariser Prüden tiusgll. (Ahd. gll. ii 595). nach 595,, 12
Calalhos senkiphatu 151'— 327. Lora sei 151'— 335. nach 595,16
Cesariem loci 151** — 358. nach 595, 35 Fuluis brunrad 155' —
470. nach 595,36 über baculo v. 485 auf bl. 155'' ein sehr
zweifelhaftes nul, das W. gleich Gall6e für mid nimmt, nach
595, 44 Coreis motsandium 161*"— 688 : im glossar ändert W. zu
motfandium und erklärt *art contertanz'. mir erscheint ein dat.
pl. auf -m bei den sonst stark geschwächten endungen dieser
glossatur unglaublich, anm. 2 gisomuuard wird richtig als gisom-
unard = gisamuuardon gedeutet.
Für die Oxforder Vergilgll. (Ahd. gll. ii 716fl) konnte von
mir nur eine copie Madans benutzt werden, die collationen Kluges
(Zs. 28,260), GalI6es, Napiers (bei W. s. 152) und W.s selbst (s. xiv)
ergeben nun folgendes : 716, 4 uiuhtan, nach 716, 23 Ubere udere
1^—G. III 309. 716, 24 gederun. nach 7 16,24 Sliria cakeli (k aus
corr.?) 8'— 366. 716,36 drana, nach 716,45 Crateras bikerias
111**— 724. Proluit big{a)t Hl''- 739. 716,52 uuirthiganen , an
unlerslrichen. 7 16, 56 mwrftraca 116^ vor 717, 1 Lucifer dagsterra
(vielleicht stand ein buchslab zwischen g und s) 117' — 801.
nach 717,5 (Notas) notun 121'' — 444. vor 717,19 Dotales
uuUhumlica 125'— 104. 717, 26 scridscos. nach 717, 32 (Fama)
imarida 131'' — v 106. nach 717,34 () Contos st(an)ge (davor
etwas verwischt) 132" — 208. nach 717, 42 () C^lus coluan
134**- 379. nach 718, 10 (Colo) colus uuakka 159'— 409. (Petiso)
dis{e)ne 159'— 412. nach 718, 15 (Tela) spin 167'— 489. nach
718,26 Quin neuan 170*— x 23. nach 725, 10 Renones cursin^
73''— 383. 725,23 1. 83^ 24 ungeldan. 726,9 hulis, nach
726, 21 Mistica. quasi mundantur palea, a frumento cum uuanna
(falls da nicht lat. vanno vorligl) 87"— 166. 726, 46 f chräpha.
726, 79 rüphusla. endlich hat der Schreiber des codex nicht rt-
bericus (Ahd. gll. iv 588, 15), sondern Tidericus geheifsen. nicht
aber scheinen mir deutschen Ursprungs zu sein die worte uidere
theathe über scena ut uersis 5' G. iii 24 : ich vermute, dass darin
eine Verderbnis von tkeairum steckt, ebenso wenig kann ich VV.
s. XIV beistimmen, wenn er in forths bl. 119^ etwas deutsches
14*
204 WADSTBIN KLEINERE ILTSÄCHSISCHE SPRACBDENiOllLBR
^ieht. als randgl. zu proluuies steht dort nach Madans abdruck
und abschrift forthsefpusio und darunter t. ge89&>d est. da damit
nichts anzufangen war und der ServiuscomnieDtar sordi$ effusio
bot, so hielt ich förths für eine graphisch leicht begreifliche
corruptel von sordis und setzte letzteres 717,2 in den text an-
ilers vermag ich auch jetzt die sache nicht zu beorteileo. denn
%vas soll W.s nach gesseod vorgenommener ergänzaugsversuch
forthscod bedeuten? gesseod ist Substantiv zu gescon ^oscitare', ein
Substantiv, das ich auch Ahd. gll. iii 508, 59 als Übersetzung von
singuUum widerherstellen konnte; W.s erkläruog im glossar
gesseod '»s gi-skod — also zu skietan gehörig? — ist die iienk-
bar unwahrscheinlichste.
Essener evangeliengll. (Ahd. gll. iv 286 ff). 287,2
gimerkta; b{e)quam . . 22 tarn] tarnen. 23 mdg; gi wlmnian. 30 f
doctrene. 288, 38 guodi. 289, 52 biuuMda. 289, 53 nidtanna.
nach 289, 58 ( ) Cum so sia 48"— 15, 24. nach 290, 8 ( ) Quam
filu m{i)kila 50'— 16,26. 292,33 fleonthi. nach 292, 48 Frei^iza
rad nu 65'~26, 68. 294, 41 uuirthid, d aber unsicher. 295
•anm. 1 afth uimmt W. für afthe und bezieht es auf si hemo in
«iner marginalnote zu 4, 27. 295 anm. 4 6t themo gehört hinter
mittit am schluss einer randgl. zu 4, 26. nach 296, 35 Habraham
is 104'— 3, 8. 296, 60 fefra (bei mir druckfehler /eftra). 297, 17
J^rduom. nach 298, 33 () Insinuat meind(a) 126'— 17, 37. 298, 37
fällt die von mir, weil sie meiner abschrift fehlte, Gall6es text
entnommene gl. (Timui) ec hopada fort, dgh anm. 15 Terre malus
erdon uuagi sowie 299, 23 ( ) Satane est, froon proprium. 298, €6
aliS{o) gilesti. 298, 68 lab. 299 anm. 4 endi thia gehört viel-
le cht zu 22, 24 eos. nach 299, 36 ( ) Orauit prolixius so 133'— 22,
43. 299, 54 tha (bei mir druckfehler tho). 299, 64 zieht W.
zu der marginalgl. für quod sibi inmerito arrogaret regtam pote-
statem, 300, 19 zu 23, 23. 301 anm. 2 te, ohne dass davor etwas
erloschen wäre. 301, 36 gimendon, kaum gitnendun. 301, ^38 be-
zieht W. auf 4, 7. nur eine scheinbare differenz ligt 301, 30.
302, 14. 303, 10 vor: das sign der hs. löste W. in signifieauit
auf, ich, gestützt auf 301, 49, in signifieat. vor 299, 31 las W.
noch ein at über sacculum 22, 36, das er dann höchst unwahr-
scheinlich zu atsac (speisesack) ergänzte: dies at kann sehr wol
zb. supplierte vorsatzpartikel für das folgende tollat sein, wer
von uns 299,33 (W. nohu(an), ich nohuo::), 299, 57 (W. is, ich
ist), 299, 66 (W. iudeon(o), ich iudeon), 300 anm. 4 0^- {o)thes
vuas, ich so . . . o . . . ches vuas), 300, 35 (W. uuerth(l%co) angd-
d(ad), ich uuerthi . . . angeld . . , ergänzt zu uuerthid angeldid) recht
hat, steht dahin, in anderen ßlllen bietet aber mein abdruck,
den W. noch nicht benutzen konnte, da seine texte bereits fertig
vorlagen, als im mai 1898 der vierte glossenbaod erschien, das
richtigere, wie f(|r einige VY. selbst im glossar anerkannt hat:
289, 21 f sdn, doma, Idtan (bei VV. fehlt überall der accent).
WAD&TEin KLEINERE ALTSAC0SISGHB SPRACHDBIVKM&LER 20&
290, 9 Matia (W. Ät4//ia). 290, 14 sam mrdig (W. samuurdig),
296, 28 si (W. sO. 297, 28 ^i huuü sce pia (W. 9ii)huuiti8)c{e)pi).
298, 1 faruüarta (VV. faruuarta), 298, 23 precingü (W. percingü;
die hs. hat pcingil), 298, 24 suliches (W. »m/« fÄes), 299, 50 lucikerv
(W. tucikeru), 299, 53 ein is mehr, 300, 27 gibdron (W. gibaron),
302, 50 deiior^ (W. deuorat), 304, 25 /^/At«; (W. /e rtm).
Düsseldorfer Prudentius Fragment (Ahd. gll. iv 345).
345, 17 menfüUigö,
Sehr bequem allerdings hat W. die benulzung seiner lexu^
Dicht gemacht: es fehlen alle columnenüberschriften; marginal-
zahlen finden sich nur auf den äufsern spalten und mangeln selbst
dort, sobald sie mit den gleichfalls vorgerückten blattangaben
der hss. in conflict geraten: darum entbehrt ihrer gänzlich zb.
s. 88. recht störend würkt auch die reproduction der handschrift-
lichen verweisungssigleu in randnoten der Essener gll.: wert hat
sie höchstens für einen nachvergleicher des codex, der auf diese
weise rascher die stellen finden kann, welchen die gll, angehören.
Die den zweiten abschnitt des buches einnehmenden an-
merkungcn (s. 119 — 153) geben knappe beschreibungen der hss.,
orientieren über die bisher erwachsene litteratur und setzen sich
mit den ansichten früherer herausgeber auseinander : alles durchaus
verständig, aber ohne dass neues dabei zu tage träte.
Der dritte teil bringt zwei glossare. zunächst ein kurzes
Verzeichnis der vorkommenden orts- und personennamen (s. 157
bis 165), das mir zu keinem notat anlass gibt, dann ein sehr
ausführliches Wörterbuch (s. 166 — 250). und dies misfällt mir in
hohem grade, sein zweck ist ein doppelter, einmal soll es alle
vorkommenden Wörter und wortformen registrieren, dann sieht man
aber nicht ein (denn raumgründe können schwerlich mafsgebend ge-
wesen sein), warum bei gewissen partikeln, präpositioncn, prono-
minibus nicht sämtliche stellen angegeben wurden, sondern neben
vereinzelten beispielen nur die summe der vorkommenden fälle
vermerkt ist. mehrfach bleibt man jetzt im zweifei, wie VV. be-
stimmte Worte verstanden hat, ob er zb. das te 59% 8 über in
presenti für eine präposition nimmt, oder welcher beurteilung er
ts 54^ 26 und (p)tkes vuas 58% 27 unterwirft, recht lästig ist
auch, dass innerhalb jedes ansatzes die gleichen fiexionsformen
nicht beisammen stehn, sondern nach den denkmälern ausge-
schieden sind: will ich wissen, welche belege für die 3 p. pl. präs.
ind. des verbum substantivum existieren, so muss ich unter uuesan
an 13 verschiedenen orten nachschauen, der andere zweck des
glossars besteht, weil innerhalb der meisten glossaturen auch hd.
formen auftreten, in der sonderung des alls. .sprachguts von dem
lid. sie geschieht vorwiegend in der weise, dass die hd. stich-
worte mit eckigen klammern umgeben werden, die folge davon
aber ist, dass nun niemand, der das glossar nicht vom anfang
bis zum ende durchliest, über das volle material verfügt, dena
206 WADSTEIN KLEINERE ALTSÄCUSISCHE SPRACHDEIfKUÄLER
dasselbe wort erscheint, je nach dem es der text io hd. oder
sächsischer oder sächsisch gefärbter gestall enthielt, an sehr ver-
schiedenen stellen des glossars, ohne dass im allgemeinen ver-
weise stattfänden, so bilden zb. alätan und [arläzan], älhumtuht
und [älumzuht], binitin und [hinizzin], hröt und [hruoz], sökjan
und [suochen], swegeri und [sweigeri], selbst kolvo und [kolbo]
ausätze für sich, ja diese trennung erstreckt sich auch auf
vocalisch differierende formen alts. Wörter: dräno und dreno,
errislo und irrislo sind geschieden, bei irrislo wird allerdings
auf errislo verwiesen, und wer soll gar in einem alts. wb. kevagon
unter k suchen? es wäre gewis ein leichtes gewesen, auch bei
Vereinigung der zusammengehörigen wortformen und worle für
«intersch^eidung zwischen sächsischem und hd. Ursprung zu sorgen,
doch wenigstens für die SPeterer gll. ist diese sonderung W.
überhaupt nicht gelungen, weil er sich das Verhältnis der Carls-
ruher hs. (a), welcher wir ihre künde verdanken, zu der SGaller
hs. (b) nicht klar gemacht hat (s. 148). dass beide mss. in einem
nahen verwantschaftsverhällnis stehn, folgt daraus, dass ihnen
in ihren vergleichbaren teilen 375 gll. gemeinsam sind, während
242 nur a, 173 nur b angehören^, scheidet man aber zwischen
den glossierten büchern, so zeigt sich (unbeschadet minimaler
rechenfehler, die mir untergelaufen sein können) folgendes Ver-
hältnis: bibelgll.: a + bll3, al61,b23. PrudentiusglL: a + b
129, a58, bSO. übrige gll.: a + b 133, a 23, b 70. besonders
lehrreich ist innerhalb dieser dritten gruppe der abschnitt De
virtutibus apostolorum: a + b 66, a 1, b28; zudem trägt hier
keine der in a vorliegenden 67 gll. ein ausgesprochen sächsisches
gepräge. daraus erhellt doch, dass die sächsische redaction, welche
von a repräsentiert wird, nur besonders gelesene Schriften traf,
in erster reihe die bibel, in zweiter den Prudentius, während für
das buch De virtutibus apostolorum (und ähnlich für die Vita
SMartini) a nur eine mehr oder minder treue copie der nicht
sächsischen , möglicher weise südfränkischen (dafür spricht auch
die herkunfi des dritten Vertreters der sippe, des Pal. 288, aus
Frankental) vorläge darstellt, bei so bewanten umständen ergibt
sich, will man aus a den sächsischen bestand ausheben, als kritische
norm: ein a mit b gemeinsames wort darf nur dann für sächsisch
erklärt werden, wenn seine form specifische saxonismen aufweist.
wider diesen grundsatz verstöfst aber W. sehr häuflg, der zb.
Denni 75% 32 (denne b), hangilla 75S 16 (ebenso b), circil 76^ 31
(ebenso b), ieda 76^ 32 (ebenso b), püirill^, 33 (pi/in b), craa
^^ Moureks Zählungen im Budweiser programm von 1873 (es ist übrigens
nicht cechisch geschrieben, wie W., verleitet durch den von Holder Germ.
22,405 cilierten hauptlitel, s. 148 angibt) sind, abgesehen davon, dass sie
veralteter ausgaben sich bedienen, darum nicht brauchbar, weil sie die b
ganzlich fehlenden abschnitte De SSebastiano, De SDionysio, Gnra pastora-
lis, Regula SBenedicti, Dialogi, Sequenliae, Lex Ribuariorum, De diversis
auctoribus mitrechnen und zu gunsten von a in anschlag bringen.
WADSTEIN KLEINERE ALTSÄCBSISCHB SPRACHDENKMÄLER 207
7&% 9 (ebenso b) uneingeklammert aufTührt. und in gleichem
sinne müste gegenüber den blofs in a belegten gli. vorgegangen
werden; nur solche worle, welche lauteigentümlichkeiten zeigen^
die dem sächsischen idiom allein, nicht auch dem südfränkischen
zukommen, dürften als sächsisch gekennzeichnet werden, denn
die parallelbs. c (Pal. 288) enthält in der partie, wo sie die controle
gestattet (sie reicht leider nur bis in Regum 6, 8), von den 35 gll.
a 4- b 30, von den 6 gll. b 5, von den 78 gll. a 30 vollständig,
4 teilweise, beweist also, dass sehr viele der jetzt nur in a vor-
findlichen gll. der gemeinsamen quelle zuzuschreiben sind, dem-
gemäfs hätten bei W. als nicht sächsisch eingeklammert werden
sollen zb. 73^ 20 buUiclari (bnttigilari c), 74**, 28 huuuo {huwo c),
74*", 31 horodumil {hordumel c), 74^ 36 euuidehsa {ouuede^ssa c),
75', 8 Iura (lürun c).
Auch sonst hat die nichtberücksichtigung der SGaller hs. b
oder mangelnde Vertrautheit mit ahd. gll. überhaupt W.s glossar
geschadigt. wir Gnden s. 240*^ den ansatz: '/7a^ adj. flach, nicht
lief, seicht. P ns flat (/*. scip cymba) 87% 7*. aber flätseip
entspricht genau dem flozscif der hs. b, nur mit demselben ä
für ö, das in brädbaccari 73^ 21 erscheint, zwei Zeilen hinter
flatscip bietet W.s text des SPetrinus 87% 9 manctts, manube :
iamer : zu manube wird in der anmerkung ein fragezeichen ge-
setzt, dies würde sich W. haben ersparen können, wenn er
ceptus, la mer
zunächst Holders abdruck Germ. 22, 403^: manc'. manube. und
dann Hattemer i 276 eingesehen halte, wo die gl. lautet mancus.
manu deceptus. das wort linimenta 90% 20 ist nicht gesperrt und
nicht in das glossar aufgenommen, scheint also nicht für deutsch
angesehen worden zu sein, aber meine verweiszahlen Ahd. gll.
II 576, 1 konnten W. auf 502 anm. 14 und den dort angeführten
aufsatz Francks aufmerksam machen, der hinreichende belege für
die deutsche qualiläl des worles an die band gibt. vgl. jetzt auch
noch Ahd. gll. iii 716, 40.
Doch ich muss noch einen andern einwand gegen das glossar
erheben. VV. rühmt s. iif als einen Vorzug desselben, dass es
die bedeutungen der deutschen worte genau dem speciellen sinn
entsprechend angebe, welchen jeweils ihre lateinischen äquivalente
besäfsen. ich sehe darin keinen Vorzug, sondern einen nachteil,
sowol in pädagogischem betracbt, wie schon vor jähren ich gegen
Kelle, der ähnliche bahnen in seinem Otfridglossar gewandelt ist,
hervorhob, als auch in wissenschaftlichem, weil derartige spe-
cialisierungen der bedeulung leicht kühne sprachvergleicher zu
bodeulosen etymologien oder allertumsforscher zu luftigen com-
binationen verleiten, und im gründe beruht W.s verfahren nur
auf der vorgefassten meinung, dass unsre glossatoren männer von
tiefem Verständnis aller feinbeiten der lateinischen spräche ge-
wesen seien. 1 10% 22 heifst es coturno calciamento uenatrieio quod
208 WlDSTUfl KLEIKKBE ItmCHSISCHE SPIACHOEMUliLBil
alii dicunt periscelidas. ant hoam. darauf bin wird im glossar
angeseilt 'hosa schw. f. art jagdscbuh'. ich Tersteife mich nicht
darauf, dass hoson an der steile wol nur perüedidas Qbersetien
soll; aber das ist klar, dass die gieichuüg kosa : coiumus : ealcia'
mentum uenairicium nur auf der durch alle drei bewflrkten be-
deckung des scbienbeiDS beruht und dass nur der sinn von *ga-
masche* oder 'jagdstrumpf dem deutseben worte gemHb ist. neben
dem subsu seimo wird für 106^ 10 ein solches mit kurzem t
postuliert, weil es dort umbra übersetzt, ist aber ein schatten
nicht auch ein schein? da vela 86% 27 nicht *segel\ sondern ^Tor-
bange' bezeichnet, erklärt W. seine glossierung segda fOr ein st.
femininum mit der bedeutung Meinener Vorhang', und construiert
für carbasea ugdahli 85% 17 aus ähnlichem gründe gar ein mascu-
linum segeläth 'kostbarer siofT, feine leinewand', ich brauche kaum
zu sagen, dass das adj. segelaht, segelahtt 'mit einem sage! ver-
sehen' sieb ebenso zu segal verhält, wie carbaseui zu earbasus.
weil lat. zizania ein plural ist und lolium 84% 3t zizaniorum
glossiert, fasst W. hier und 50% 11 radan als nom. pl. des sg. rUdo.
aber wenn Ähd. gll. iii 111, 59. 264, 56 zizania mi rato, wenn
es häufig mit turd, nie mit turda, widergegeben wird, so brauchen
wir schwerlich anstand zu nehmen, für unsere steilen den ahd.
mhd. neben rato weit verbreiteten sg. ratan anzusetzen, das gleiche
gilt für abdomina dmbön 96% 26. 105% 4: W. construiert einen
sg. ambo. nur Abd. gll. ii348,20 abdomine äbin könnte so
gedeutet werden: an allen andern fast zahllosen steilen, an denen
abdomm oder abdomina erscheint, lautet die gl. stets amban oder
ambana. hodseohe 88% 9 wird unnützer weise geändert in Aod-
scohe, weil manicis plural ist: vgl, aber in derselben glossatur die
singulare speca und slinderi neben den lat. pluralen radiorum und
ganearum 88% 9. 10. für gifadiman gibt W., wenngleich zweifelnd,
als bedeutung au 'durch umarmung adoptieren', weil es 83% 34
affatimire übersetzt, ich meine, der glossator hat den altfrän-
kischen rechtsterminus, in begreiflicher Unkenntnis seiner etymo-
logie, mit dem ihm geläufigen wort fadem 'filum' zusammenge-
bracht und dem gemäfs verdeutscht, auch die begriffsverenge-
rungen von elauum helta 111% 6 als 'griff am Steuerruder', von
felgian cognoseere 46% 26. 48% 11. 12 als 'beschlafen* und andere
mehr kann ich nicht billigen.
Auch sonst begegnen in dem glossar auf schritt und tritt
anstöfse. nur einige will ich namhaft machen. 46% 13 wird
coUatione ganz wörtliccbübersetzt durch das compositum tesam-
nabrahti, welches die Ahd. gll. i 708, 15 (zisamenebrahti). 1,719,
21 "B IV 293, 12 und iv294, 24 (cesamaneprahtt) bestätigen: ich
versteh daher nicht, warum die nachtrage s. xv brahti fragweise
für einen cj. prät. ansehen, heccor 92^, 8 stellt das glossar unter
eVcor; richtiger scheint mir, das wort unverändert mit ekir und
ahd. eceorödo zu verbinden, für vsäro gödo rdstun puluinar no-
W1D8TE1N KLEINERB ALTSÄCHSISCBE SPRACUDEflKMlLEB 209
itrum 98% 20 setzt W. ein compositum au godorasta, das hier
im acc. sg. sUinde. dann begreift man aber vsäro, das im glossar
s. V. üse febll, nicht, ich habe die glosse stets als gen. piur.
'nostrorum deorum pulvinar' gefassl. dunkel bleibt mir, weshalb
fQr grabüH fotsis 86^, 26 ein nom. sg. grab statt graho statuiert
ist. häihilinon pannis 101% 2 deutet W. nach Heynes vorgaog
als adj. im sinn von 'hadern, lumpicht'. aber der lat. fext gibt
doch ein subst. an die band, und ich wüste nicht, was gegen das
deminutiT hathilin (vgl. hadel im DVVB iv 2, 109) einzuwendeo
wäre, demselben gelehrten folgend schreibt W. huo 107% 24
statt des überlieferten hue: indessen gerade die form mit der
gutturalis ist nd., s. Ahd. gll. i 352,49. iii 22, 37. 86, 18. 364,
57. 458, 3. IV 197, 42. 256, 22 und Mnd. wb. ii 328*. ebenfalls
mit Heyne wird, allerdings zweifelnd, tdlhdd pernicUas 106% 30
als tälhed 'gefährlich keil' genommen ; aber ahd. gizal levis, alacer'
ligt gewis näher, denn accentuierung weist in den Strafsburger
gll. keineswegs immer auf länge, yg\. dndod, stafuürt, nmbiuerbu
in rdmon in catastis 81% 8 verzeichnet das glossar unter dem
Stichwort ^hrama ein foltergerät (?)% ob dem wort ein anlautendes
h zukommt und ob es mit got. kramjan verwant ist, steht dahin;
aber wenn W. durchaus die bedeulung specialisieren und sich
nicht mit der angäbe ^gestell' begnügen wollte, so konnte wenigstens
das Fragezeichen gespart werden : s. DWB viii 66. für ingimedodera
conducta 114^ 19f Gndet sich m-mecfon angesetzt: die bedeutung
'einmieten' würde jedoch schlecht für den Zusammenhang passen,
zweifellos ist in präposition. hehhring orbis 108*, 14 stellt W.
sehr unwahrscheinlich unter hegi-hring: ich vermute herhhring »>
erthhring mit vorgeschlagenem h wie bei hettaruurtia und mit
h für th wie bei uuegsceh derselben gll. negagan cassari 82**, 15
erklärt W. als ne hagan 'nicht passen, nicht nützen', das ist
eine der vielen mühselig zusammengequälten, nach der lampe
riechenden und aller überzeugenden kraft baren conjecturen des
buches: denn 1) wäre der ausdruck 'nicht nützen' statt 'zu nichte
werden' ein sehr matter, 2) weist sonst der SPetrinus für die
negation nur die form ni auf. wahrscheinlich ligt gar kein deutsches,
ne
sondern ein entstelltes lat. wort vor, zb. gagari, zur deutung
von cdclereri Tkascius 103'*, 5 wurde früher von mir auf das
caclari der Trierer gll. (Ahd. gll. ii 590, 9) aufmerksam gemacht,
ich glaube jetzt, dass wir es mit einer Verderbnis von eahtereri zu
tun haben, aber was soll W.s Vermutung 'oder ist caclereri = gacle-
reri, erklärer, ausleger'? hoffentlich denkt er nicht an eine bildung
von dar! in dem satz nisi granum frumenli cadens in terram mortuum
fuerit wird mortuum 60% 27 durch endi tekina glossiert, dies fasst
W. als te ktna 'zum keim', in den Essener evangeliengll. sehen
wir öfter eine deutsche gl. durch et oder encft eingeführt: 48% 18.
49% 30. 50% 39. 51% 16. 52% 30. 54% 2. 7. 55% 4. immer ent-
210 WADSTEI.1 KLECIEBE ALTSÄCHSISCHE SnUCBMIlKMiLER
spricht dann das deutsche wort der form nach genau dem von
ihm giossierteo laleinischeo. ich suche darum auch in ^elnna ein
participium. da giburia 61% 27 f ein n verloren hat, kann auch
tekina eio solches eiogeborsl haben, tdnnan aher wäre das ahd.
zekinan, mhd. zekinen ^zerkeiml', ^geplatzt', vgl. auch DWB v 455.
ein schwaches lazo darf nicht angesetzt werden: die form des
SPetrinus 85^ 27 geht mit lazc des SGallensis auf laxe zurück,
welchen dativ dem lat. amenio gemäfs alle Prudentiushss., in denen
überhaupt die gl. vorkommt, ausnahmslos aufweisen, für ufuua-
nizenti lihrans 87\ 19 lautet der ansatz des glossars ^[üfwQmzen]
sw. V. erwägen (?)'. die composition erscheint eigentümlich; mit
ufuuarazenti von b weifs ich vollends nichts anzufangen; ich
vermute daher, dass wir es mit einer ahleitung von kuenjan
^quatere, vibrare' zu tun haben, firiwiz 75% 6 muss als selb-
ständiges wort im glossar entfallen, da meine conjectur firiwiz-
gemi jetzt durch den Pal. 288 (Ahd. gll. iv 259, 11) gestüUt wird.
werthirian 46% 26. 48% 11 hat Holthausen Elementarhucb § 179
anm. richtig zu v>idar gezogen (vgl. ahd. werdar für wedar);
möglich, dass auch W. derselben ansieht ist, geäufsert aber hat
er sie nicht, uuirebrün 109% 23 scheint mir fehler statt nuirt-
brün, s. Ahd. gll. iii 684, 36.
Ich resümiere: den texten gebührt der rühm einer wesentlich
fordernden, hochverdienstlichen leistung; der anmerkungsteil genügt
allen billigen ansprüchen; aber dem glossar mit seinen meist
recht problematischen ausätzen gegenüber ist gröste vorsieht un-
bedingt geboten, niemals darf ohne philologische prüfung aller
angeführten stellen eine grundform oder eine worterklärung blofs
auf W.s auloriiat hin für gesichert erachtet werden.
Mai 1900. Stedimbter.
1. Milteilungen aus altdeutschen handschriften. von ähtoh £. Sghönbach.
sechstes siück : Über ein mitteldeutsches evangelienwerk aus SPaul.
[Sitzungsberichte der kais. akademie der Wissenschaften in Wien, pbii.-
bist. cl. bd cxxxTii, V.] Wien, GGeroids sobn, 1897. 116 sa. 8^
2. 3. 4. Misceilen aus Grazer handschriften. von Anton E.SchÖhbach. erste,
zweite und dritte reihe, sonderabdrücke aus den Mitteilongen des
bist. Vereins für Steiermark, xlvi. xlvii. xLvm heft. Graz, verla^r
des verf.s, 1898. 1899. 1900. 70. 64 und 132 ss. 8<>.
5. 6. Studien zur erzählungslitteratur des ma.s. von Anton E. Schönbach.
erster teil : Die Reuner relationen. zweiter teil : Die Voraoer novelle.
[Sitzungsberichte der kais. akademie der Wissenschaften in Wien, phii.-
bist. cl. bd cxxxix, v. cxl, iv.] Wien, GGeroids söhn, 1898. 1899.
139 und 94 ss. 8^.
Schönbach behandelt in der an erster stelle genannten
schrirt ein umfangreiches mitteldeutsches, genauer oberhessisches
reimwerk aus der ersten hüldte des 14 jhs., eine zu beginn un-
vollständige bearbeitung der vier evangelien, die uns in einer hs.
des benedictiuerklosters SPaul im Lavauttale erhalten ist. bereits
HofTmann vFallersleben hatte über diesen codex Altd. bll. u83f
SCHÖNBACH MITTEILDNGEK AUS ALTDEUTSCHEN HSS. 211
eine kurze Dotiz gegeben, die bisher aber keine weitere beach-
tuog fand. Seh. analysiert sorgfältig Überlieferung, spräche und
Versbau des Werkes, geht der dichterischen tdtigkeit des verf.s
sowie den litlerarischen beziehungen seiner arbeit nach und ver-
zeichnet schliefslich die seltneren worte und Wortbedeutungen in
alphabetischer anordnung. die resultate der Sch.schen Unter-
suchung sind in kürze folgende.
Die bs. ist von zwei Schreibern geschrieben, nach denen dann
noch ein corrector tätig war, der vielleicht nach dem exemplare
des autors besserte; die vorläge war in abgesetzten versen auf-
gezeichnet, methodischen wert besitzt ein vom Schreiber zweimal
geschriebener passus von sechzig versen wegen mehrfacher nicht
rein graphischer Varianten (s. 60* ^^^ wegen des fehlenden ein-
gangs wissen wir nicht den namen des Übersetzers, er war ein
geistlicher, in dem man genauer einen ordensgeistlichen wird
vermuten dürfen; für einen 'minoriten* (s. 52) lässt sich würk-
lich beweisendes nicht beibringen, und Seh. selbst deutet es auch
nur hypothetisch an. vollständig erhalten sind die Übertragungen
der evangelien des Marcus, Lucas und Johannes, jedem evange-
lium ist ein gebet als poetisches vorwort beigegeben — sie sind
s. 33 ff zum abdruck gebracht — und zweifellos war es beim
Matthäusevaugelium ebenso, dass der verf. für seine Übertragung
die gebundene form wählte, erhöhte die Schwierigkeit des pro-
blems, und es erklären sich daraus auffallende Wortstellungen und
complicierlere Satzgefüge, im allgemeinen aber hat der verf. ge-
nau übersetzt, nur wenige misverständnisse weist Seh. ihm nach
(s. 44 0- lehrreich ist die vergleichung einzelner textpartien mit
den texten andrer Übersetzungen, insbes. mit dem md. evangelien-
buch des Matthias vBeheim unter Zugrundelegung der von Walther
in seiner Deutschen bibelübersetzung des ma.s s. 463 ff mitgeteilten
proben : Seh. sucht wahrscheinlich zu machen, dass der verf. des
SPauler reimwerkes die Vulgata bearbeitete, dabei jedoch häufig
eine md. prosaische Übersetzung der evangelien, welche die nähere
oder entferntere vorläge des Beheimschen evangelienbuchs bildete,
zu rate zog und fleifsig benutzte; der dichter habe die vorläge
von Beheims evangelienbuch in einem zustande gekannt und ver-
wertet, für den die von Walther nachgewiesene beeinflussung
durch die München -Grazer evangelienharmonie (Cgm. 532. Zs.
36, 233) noch nicht in frage kam. im Wortschatz berührt sich
das reimwerk nahe mit andern md. geistlichen dichtungen : na-
mentlich hebt Seh. die auffallende Übereinstimmung mit den
hessischen gedichten von der Erlösung und hElisabeth hervor,
man sei aber aus sprachlichen und metrischen gründen nicht be-
rechtigt, für die drei werke einen gemeinsamen verf. anzunehmen.
das evangelien werk ist jünger, seine metrik weist es der über-
gangsepoche zu. der verf. hat die genannten werke vorbildlich
genommen, das ist^ allgemein gefasst, gewis richtig, ich glaube
212 SCHÖNBACH 11ITT£ILUKGBN AUS AI.TDEUTSCHEK
aber, so wenig icb die woriverwafttschalt der dicbtungea unter-
schätze, dass Seh. darin zu weit geht, wenn er von einer ^mit
vollem bewustsein' vorgenommenen ausnutzuug gerade dieser Vor-
bilder redet; verzeichnet er doch selbst nicht seilen auch aus
dem Passional und aus Jeroschia Übereinstimmungen, die noch
wesentlich hätten vermehrt werden können, erwahoeiiswert ist
eine gewisse buntscheckigkeit des Wortschatzes^ die den evangelien-
dichter allein eigen ist : er macht gelegentlich anJeiben beim ale-
mannischen und nd., ob aus reimnot? Seh. nimmt es an, doch
konnte sich der dichter das ober- und niederdeutsche sprach-
material auch durch längeren oder kürzeren aufenthalt in jenen
gegenden, in die er im ordensinteresse geschickt worden wäre,
angeeignet haben, auf jeden iäU verdient das werk unsre teil-
nähme, weil es ^einem wichtigen litterarischen zusammenhange
bestimmt eingegliedert werden kann', und mit recht betont Seh.
(8.66 f. 69) bei diesem anlass die notwendigkeit, die von Josef
Haupt in seinen Beiträgen zur litt, der deutschen mystiker an-
geregten, aber bisher meist unberücksichtigt gebliebenen Studien
über die md. evangelienbearbeitungen wider aufzunehmen und
weiter zu verfolgen, sowie an die Sichtung des weitschichtigen
materials der deutschen plenarien des ma.s heranzutreten.
In den Miscellen berichtet Seh., meist aus hss. der Grazer
Universitätsbibliothek, über eine reihe von werken des 14 und
15 jhs., ^um den uns immer noch dunklen geistigen horizont der
Steiermark in dieser zeit etwas zu erhellen', an erster stelle be-
schreibt er ein in seinem besitze beflndliches pergamentdoppel-
blatt aus dem 14 jh., das einer hs. von Heinrichs vMügeln ver-
deutschtem Valerius Maximus angehörte, die sorgfältige Schrift,
vor allem aber die durch farbenschmuck prächtige ausstattung
lässt vermuten, dass das fragment einem dedicationsexemplar des
Werkes entstammt, nachdem Seh. über die Schriften des gerade
neuerdings wider mehr beachteten Heinrich vMügeln bibliogra-
phische notizen gegeben, insbesondre sich eingehnder über die
1369 zu ehren des sieirischen landmarschalls Hertnid vPettau ver-
fasste bearbeilung des Valerius Maximus ausgelassen, die art der
Übersetzung und ihr Verhältnis zum lateinischen text charakteri-
siert hat, druckt er vorrede, einleitung und Schlusswort zur
Mügelschen Übersetzung nach der Wiener hs. 2811 ab, dann das
Grazer fragment mit den Varianten und ergänzungen aus W und
den entsprechenden partien im lat. original. — vom Processus
Belial des Jacobus de Teramo (1382), einem werke, das in alle
damaligen cultursprachen übersetzt worden, bes. aber in Deutsch-
land beliebt gewesen ist — bis zum j. 1508 sind 21 drucke der
deutschen bearbeitung nachgewiesen, die reiche hs.liche über-
lieferung (allein 17 hss. befinden sich auf der Münchner Staats-
bibliothek^ vgl. auch Germ. 31, 224 f. 37, 66) ruht ungenuUt in
unsern bibliotbeken, obwohl schon der bilderschmuck zu grttnd-
SCHÜNBACH UISCELLEN A^ GIIAEBR H8S. 1 213
licfaerer beschäftigung reizen könnte — besitzt die Grazer Uni-
versitätsbibliothek zwei hss. der deuischen fassuDg. Seh. teilt aus
ihnen die interessante sachverständige vorrede miu die deui^he
Übertragung kürzt das original, aber noehr in seinen religiösen
und theologischen stellen : das rein juristische tritt »dadarch in
der Übersetzung fast mehr hervor als im original, ein Vorläufer
des Processus ßelial ist der gleichfalls viel gelesene und mehr-
fach bearbeitete (s. noch Herrmann Die reception des humanis-
mus in Nürnberg s. 104 anm. 3), auch ins drama aufgenommene
(PMeckel ADB21, 162) Processus Sathanae, aUf einen andern
lenkt nun Seh. unsre aufmerksamkeit. es handelt sich um ein
bisher nur vorübergehend citiertes deutsches gedieht, einen dialog
zv^ischen Sathan und Gott, Christus und Gabriel, die ansprach
des teufeis gegen unseren herren, die hs.lich sich io der fürstlich
Auerspergischen fideicommissbibliothek zu Laibach befindet und
Otto den Raspen zum Verfasser hat. das werk , gegen scbluss
unvollständig, ist von Seh. s. 35 fr ausführlich analysiert und uns
durch cinflechtung einzelner interessanter stellen näher gebracht,
der dichter hat den stoff des Processus Sathanae selbständig —
von einer besondern lat. vorläge erfahren wir nichts — fortge-
bildet, dagegen blieb ihm der Processus Belial wol unbekannt,
sonst würde diese schnell populär gewordene schrift wol sieher
in dem gedieht einen eindruck zurückgelassen haben, dieses wird
der zweiten hälfte des 14 jhs. zuzuweisen sein, wofür auch spräche
und metrik, die roh gehandhabt ist, sprechen; entstanden ist die
arbeit in Österreich, genauer in InnerOsterreich. für die nähere
beslimmung des verf.s konnte Seh. mitteilungen des herrn
AvSiegenfeld benutzen (s. 52 — 61) : danach war er ein Kärntner
aus einem in der gegend von Friesach seit dem 13 jh. nach-
weisbaren geschlechte, der als Brixner domherr und pfarrer zu
Vellach in den jj. 1342 und 1347 urkundlich begegnet. — an
dritter stelle (s. 62 ff) bespricht Seh. zwei Sündenspiegel, der eine
ist aus Heinrichs vLangensteiu Tractatus de confessione ausge-
hoben, nach der Grazer hs. nr 675 (s. Zs. 18, 80. 20 (nicht 23),
193 ff), und bietet, der alten Bamberger beichte vergleichbar, ein
grofses, an merkwürdigen werten reiches Sündenverzeichnis als
Übersetzung der nehenstehnden lateinischen ausdrücke, es hat
wol ursprünglich nicht zum traetate gehört, weil es auGth an-
derswo selbständig (s. im Bair. wb. an verschiedenen stellen,
Cgm. 658 bl. 205) sieh belegen lässt. ein zweites, kleineres
Sündenregister, aus der Grazer hs. 742 s. 68ß mitgeteilt, stammt
aus der gleichen quelle, doch sind hier die einzelnen laster in
bekannter art als tOchler der sieben hauptsünden betrachtet und
dem entsprechend geordnet, [s. dazu den nachtrag Ifiscellen
ni 126Cri-
Im II heft der Miscellen gibt Seh. einen beitrag zur deutseben
bibelübersetzung. er bespricht fünf vollständige psalter, ^unter
MA<II M«.*'t *l I »1^ Ai^ OftAtCA ■£& n
. .* •• ' .* :<.t. .1« t. I <t(-ii» «oti ^^jiUti^r be^itauDten Obersetzongen
....■«i : • f •«. <i<.i »tut yAci7 »(itisiAndifr gearbeitet* ist. dieser
i,«,,..r "t,.M Ä«l» >M<f>t >rin «iigeomerk zu. der früher
M i . . * i t f ^s, f |f t7( <,rfi7« I < o«lc \ 1 .V43 «^oihülLi von zwei büDden
• •- 1 ■' (»•> ^f-»« (iifi'l <•» (I inr «Iriilr hat das ganze durcbcorri-
^ f<n r(tii<»«h<>» ^'«■r<'lrnt^^ pi^lirniiin, in dem md. und ober-
.'.•.«-ti.f ftfiff- hmi 1"« 1i nviiiiTi*pr.hisrhr mda. sich mischen, aus
.. ■» I^rln»lrl^?•^«■fl m «l<M niir7ft<*hniin|: darf geschlossen werden,
.t - .l:l^ mii on^'innl iiit 14 jti. oiilsianden ist. eigenartig ist
.f'i< 1. ftTittp-fItrtn'otihiMi <i4^> ^-i>rkN, in zahlreichen fällen kann man
i.iM v.Mi n-'-onni»7i»i\ r<*«*«Mi *di»r vi»rl. — er hiefe Petrus — hat
T. h.. vrr-r f.:f«n«»«*)>i . voix^nrii nur du- kola seiner prosakchen
v.\-.r i<t/nn« i*ivvin>i . «Hl oinc roimprosa geschrieben, die ge-
*.ii-<Mitlr.ti TlivitMtw«r). ^tT««i>irami. dir eingcHochtenen erklimngeii
-itui «Miirni T»^'t1»>^*^»^rfkmm^nr»: entnommen und zwar dem be-
rnlTnitr"f(M. «»«v tom. Ar hokAontei: ^tIoss» des Nie TLTra (1335^.
,1;. ■^vr}: UrMMT): vM,(rrrii ffl. «pinc psalmejiabersetzuiig b«^
i.if.' i'.^r« ?fK «»Ji **^'^*s»'t 711 n^ ilrs Vetrus weder mil Bvüigebi.
t .'.^ n.M vMv> «»pJrrrt an* rtr: ^Nalther in seiner DenisdMi]
?,.».. ••■if^.-v. -♦■»PH- f*'"*^ w» - ^ .sT^M"* ait> ir vprschsedenen deaiscbeit
»>- .-r. v-r»?% -»»^v ,iAn K~ i«»lr rerobeii hai, ingendweicht-
V,- «^ «.^»-.«h-.», X 1 * : hH. Sri; «ipi jnin7i*L 67 naalnj aas de^
V, v>n.^-i»Mn -.»»L^^'^nirl iipi ilifi rteii im: uerVulgaia mii
>'• i t .».^v^f < -xrt <i r*»i fVTT«- verwen«-: wordt:. .geccfr-
.-»v .i-ii. -V *>•- AM. »»?«w»i. interpsmnce; . ii. nasoa HbL.
X . »'-..- K. •<, ^^. .4. •ttMi!#>; hJilft- de? 14 i^ tber.
j. - « £n./.r!w.tv>riit:. rt» TwiMtKL 1345 am:
. ■-'"»■^c«' -<^'.ir^.i..rinrinTi«Ai7iH.. H«•Jnril:ll^
^ •"-■' •?»«<»n». 71. 7f:- jiiv imt
% * *vv .' ....;i.,,^.-r< fnftrh« nn t iii- «uri. la*. Walter
"^^ ■'-- ♦*- <Mi ffnaMriUif:. «•!■
••■>!. »> -ai^ ' rff ^ «ctnaiHr: 4
»•»"•»^«▼••nhirtH;,. 1!tM«rttHf>r :
^ . i.. > ^ ^M. * rifik hnrpfWtMimpnwaiKCteu
** u,fi*, - -Brc .«ifti^ ^wt- «er aicbt
SCHÖNBACH MISCELLEN AUS GRAZER HSS. II 215
slimmt (1er Grazer codex 1631 aus dem 14/15 jli. (s. 49 ff), der
die sprachlich modernisierte, bairisch- Osterreichische gestalt einer
altem, dem anfang des 14 jhs. angehörenden nid. psalterüber-
setzung enthält, ein von derselben band geschriebener, dem
psalter voraufgehnder kalender wird s. 5211 im einzelnen cha-
rakterisiert und scharfsinnig aus dem heiligenverzeichnis auf die
berkunft und entstehungszeit der Grazer hs. geschlossen : sie
dürfte im j. 1407 für das frauenkloster Altomünster im bistum
Freising hergestellt sein, geschrieben von einem sich Chunrat
nennenden mönch oder geistlichen, *der entweder in der Passauer
diöcese lebte oder wenigstens einen Passauer calender dem seinen
zu gründe legte', dazu passt vortreiflich , dass der Walthers
18 psalter bietende cgm.182 aus Altomünster stammt, das gegen-
seitige Verhältnis wäre noch näher zu untersuchen; eine genauere
behandlung der wegen seiner lautlichen und grammalischen eigen-
heiten wichtigen Grazer hs. behält sich Seh. vor. — die gleich-
falls bairisch-österreichische aufzeichnung der psalmen und can-
lica im Grazer codex 961 stimmt mit dem von Walther s. 632 f
besprochenen psalter nr 23, bes. mit der Überlieferung in der
Wiener hs. 3079 überein, die Grazer hs. 1225 mit Wallhers
psalter nr 10 (aao. s. OlSff). — über hs. 1377 aus dem j. 1424
mit deutschen episteln und einer deutschen prosaübersetzung des
Schachbuchs des Jac. de Cessolis s. s. 63 f.
[Soeben (28 juni 1900) geht mir die in reihe der Miscellen
zu, über deren inhalt gleich hier noch kurz berichtet werden soll,
die fortlaufende nr 5 ist Potho vPrüm gewidmet, der um die
mitte des 12 jhs. lebte; ob im benedictinerkloster Prüm in der
Cifel, ist nicht so sicher, wie meist angenommen wird, unsre
einzige, nicht zuverlässige quelle über ihn ist der bekannte hu-
manist Brassicanus, der 1532 Pothos Schriften herausgab, nach
seiner irrigen behauplung aus der originaihs. die von Brassi-
canus benutzte hs. besitzen wir nicht, wohl aber eine Grazer, die
einzige, die sich bis jetzt hat nachweisen lassen, s. 14 ff teilt
Seh. den allein im Graecensis, nicht aber bei Brassicanus ent-
haltenen, an den pabst gerichteten prolog zu Pothos hauptwerk
De domo Dei mit; aus ihm lässt sich immerhin einiges über des
verf.s persönlichkeit entnehmen (s. 17); sodann gibt er s. 18 ff
eine collation der Grazer hs. auf grund des druckes in der BibL
maxima patrum 21^ 489 ff und macht s. 24 ff wahrscheinlich, dass
zunächst nur buch 1 — 3 geplant waren, die sich, doch selbstän-
dig, an die mystische theologie der Victoriner anschliefsen; ihnen
wurde dann nachträglich das 4 und 5 buch De celestibus ordini-
bus angegliedert : für diese handelt es sich, was bisher übersehey
war, nur um eine umordnende bearbeitung des Liber de celesti
hierarchia des Dionysius Areopagita in der Übersetzung des Job.
Scotus Erigena, mit dessen Schriften Potho auch sonst bekannt-
schaft zeigt. — nr 6 befasst sich mit dem Schweizer dominikaner
216 SCHONBACH MISCKLLEN aus 6BAZKR MS. in
Jacob vLausanne aus dem letzten drittel des 13 jbs. seine pre-
digten, Sermones dominicalea et festivaies, die sehr beliebt waren
und 1530 gedruckt worden sind, stehn auch in der Grazer h».
838 (14 Jh.), die wol eine authentische, durch den verf. her-
gestellte redaction vertritt, sie liefern weiteres material für die
Streitfrage, ob die mittelalterlichen prediger sich vor dem volke
der lat. spräche oder ihrer nationalsprache bedienten, die Grazer
hs. enthalt mehrfach französische phrasen und sitze, eine pas-
sionspredigt beinahe ganz in französischer spräche, sie sind wie
die deutschen eintrage in Bertholds von Regensburg authen-
tischen lat. aufzeichnungen als rersuche des autors aufzufassen,
Men lat. ausdruck zu verdeutlichen und damit dem prediger zu
helfen^ der später die vorläge sich fQr seine tatigkeit in der
Volkssprache zurecht machen will' (s. 37). Jakobs predigten ver-
danken ihre beliebtheit den zahlreich eingestreuten beispiden,
die entweder der gelehrten tlberlieferung entnommen oder aus
eigner beobachtuDg des tSiglichen lebens geschöpft sind. s. 38fr
schildert Seh. die entwickluog dieses Verfahrens, durch einschöbe
den sermon zu beleben, und gibt aus einer Grazer hs. des 12 jhs.
einige ältere beispiele für die Verwertung gewöhnlicher profaner
zustände und Vorgänge, aus Jacob vLausanne sind solche exempla,
unter moralische scblagworte geordnet, als Compendium morali-
tatum mehrfach auch selbständig hs.lich gesammelt, 1528 sogar
gedruckt worden, für die brauchbarkeit dieses predigerhandbuchs
im 14 und 15 jh. sprechen allein sechs Grazer hss. Seh. geht
sie s. 43 fr einzeln durch und teilt aus dieser reichhaltigen ex-
cerptensammluDg sowie aus cod. 838 allerlei fQr die cultur-
geschichte des ma.s an der wende des 13 und 14 jhs. wichtiges
und charakteristisches in sachlicher gruppierung mit (s. 47 — 97).
ich mache besonders auf die nrr 128. 129. 131. 148. 175. 180.
183 aufmerksam, die sich sachlich mit MFr. 127,34f; 9,5fr,
Parz. 281 (nicht 221), 23, Hartmanus 9dfmg$ (Büchlein 352fr),
MFr. 120, 18, Boner und Gerhard vMinden berühren, auf eine
reihe merkwürdiger einzeichnungen in einer der hier behandelten
hss. des compendiums, unflätig -erotischer ^äufserungen des gro-
bianismus' lenkt Seh. nebenher (s. 97 ff) unser augenmerk. —
nr 7 bespricht eine lat., aber für deutsche zuhörer bestimmte
jagdpredigt, in der der birsch des Jacobssegens über Nephtalim
(Gen. 49, 21) auf Christus gedeutet wird; Seh. commentieri sie
im einzelnen, insbes. die eingeflocbtenen deutseben tecfaoischen
ausdrücke des Jagdwesens unter berflcksichtigung der einscbli»
gigen deutschen litteratur des ma.s (zb. Gottfried, Hadamar vLaber,
Pleier, Jagd der minne); vgl. dazu noch meine anm. zu HvNOrd-
lingeu 45, 24 f. — unter nr 8 (nicht 9) bebandelt Seh. den zu-
erst von JGrimm erwähnten und seitdem öfter genannten tractat
De superstitionibus des mag. Nicolaus vJauer (c 1355 — 1435),
sowie die incunabel De laniis (statt lamiis) et phitonicis mnlieri-
'SCHÖNBACH MISCELLEN AUS GRAZER HSS. III 217
bus Teutonice vnholden vel hexen, voa Ulrich Holitor vCoustanz
1489 dem erzherzog Sigmund dem Münzreichen vTtrol gewidmet;
zu den historischen Voraussetzungen vgl. noch KKirchlechner Aus
den tagen herzog Sigmunds des Münzreichen und k. Maximilians i,
Linz 1884, bes. s. 42 f.]
Den glücklichsten fund, mit dem uns Seh. jüngst beschenkt hat,
enthalten unstreitig die beiden Studien hefte (oben nr 5 u. 6), selbst
wenn der verf. in der freude des Gndergtücks den wert des uns er-
schlossenen gedichtes, der Vorauer novelle, ein wenig überschätzt,
um den in ihr behandelten Stoff richtig zu würdigen, schickt er
im ersten hefte seiner ausgäbe eine umfangreiche abhandlung
voraus, die von seiner reichen belesenheit in der scholastischen
litteratur des ma.s abermals Zeugnis ablegt. Seh. untersucht die
geschichte von den beiden klosterfreunden, von denen der eine
stirbt, einem einander bei lebzeiten gegebenen versprechen gemäfs
aus dem jenseits zum freunde zurückkehrt und diesem zu dessen
eigner besserung von den schrecken der hölle erzählt. Seh. ver-
folgt das motiv, mit der antike anhebend, durch die litteratur des
ma.s, insbesondere in seiner ersten reicher ausgestalteten, auf
französischem boden sich abspielenden fassung bei Wilhelm
vMalmesbury, Helinand und Vincenz vBeauvais. bei Wilhelm
vMalmesbury findet sich bereits der gegensatz zwischen mönchtum
und weltclerus tendenziös hervorgehoben; aber dieser gegensatz
hat auch noch in andrer weise litterarisch ausdruck gefunden, und
zwar als conflict zwischen askese und Wissenschaft. Vertreter
dieser tendenz ist ein sermo des Odo vCheriton, der den einen
der genossen an eine historische person anknüpft, an einen
magister Serlo; gemeint ist der Pariser professor Serie vWilton, über
den Haur6au näheres mitgeteilt hat. Seh. sucht wahrscheinlich
zu machen, dass diese identißcierung in cislerzienserkreisen voll-
zogen wurde, eine reihe ähnlicher erzählungen aus dem laufe des
13 jhs. geht insgesamt auf Pariser Überlieferungen zurück, und
noch im 17 jh. war die geschichte bekannt.
In der sammelhs. nr 69 des cisterzienserstiftes Renn bei Graz,
in französischer schrift aus dem anfang des 13 jhs., ist die er-
Zählung unter dem tilel De duobus sociis gleichfalls enthalten,
zusammen mit einer andern wundergeschichte De juvene rege a
socio occiso. Seh. hat beide s. 43 — 75 abgedruckt, sie werden,
«benso wie der in der hs. ihnen unmittelbar folgende Liber mi-
raculorum des spanischen cisterziensers Herbert in cisterzienser-
kreisen entstanden und für diese bestimmt gewesen sein, angefüllt
mit zahlreichen citaten aus der ganzen heiligen schrift und kirch-
lichen autoreu, den wortvorrat aus classikern schöpfend, bekunden
sie einen geistlichen Verfasser von hervorragender bildung. die
erste Reuner relation basiert auf der geschichte der beiden ge-
nossen in der fassung des Wilhelm vMalmesbury, weiter ausge-
staltet zu einem kleinen roman, doch muss dem verf. von R die
A F. D. A. XXVI. 15
218 SCHONBACH STUDIEN ZUR ERZÄHLUNSLITTCBATUR DKS MA.S I
Serlofassung schoD irgendwoher nahegebracht worden sein, viel-
leicht auf mündlichem wege, denn R ist älter als alle vorhandenen
aufzeichnungen dieser Variation. R ist eine tendenzschrift aus
dem ende des 12 jhs. im interesse der cislerzienser gegen die
cluniacenser, sie will für die jungem cisterzienser gegen die altern
cluniacenser propaganda machen, wie Seh. s. 91 f im einzelnen
anschaulich und mit grofser Sachkenntnis, wie wir dies bei ihm
gewohnt sind, darlegt; auf die feinsinnige Charakteristik der beiden
Ordensrepräsentanten Petrus Venerabilis und Bernhard vClairvaux
sei hier besonders aufmerksam gemacht, benutzt hat Caesar
vHeisterbach die erste Renner relation sowol in seinem Dialogus
miraculorum wie in seinen homilien (s. 116 ff), aus ihm gien?
die geschichte in verschiedene spätere Sammelwerke (s. 120 ff)
über; ich verweise noch auf eine gekürzte, an Wilhelm vHalmesbury
anlehnende fassung des mirakels in einer KOnigsberger hs., die
auch Caesars Dialogus und eine Vita bHugonis Ord. cisterc. ent-
hält (Germ. 16, 3100-
Die erste Renner relation ist nun aber auch die vorläge der
Vorauer novelle, der Seh. das zweite heft seiner , Studien ge-
widmet hat. das deutsche gedieht steht in der Vorauer sammeihs.
nr 412. Seh. hat sie in ihren einzelnen teilen ausführlich^
unter zugäbe von proben, beschrieben, es sind überwiegend,
wenn auch unvollständig überliefert, lat. predigtsammluogen ver-
schiedenster art aus dem 12 und 13 Jh., ^eine muslerkarte der
ma.lichen predigt', fast alles arbeiten von benedictinern, minoriten,
namentlich aber cisterziensern sowol in Frankreich wie in Deutsch-
land, besonders interessant ist nr 1, deren fehlerhaftes und unbe-
hilfliches latein sich wie Übersetzung aus dem deutschen aus-
nimmt, so dass man mit Seh. an lat. nachschriften deutsch ge-
haltener predigten denken möchte, der volkstümliche ton dieser
stücke lässt sie als eine art Vorläufer Bertholds vRegensburg er-
scheinen, von dem nr 2 den rest eines bisher unbekannten jugend-
werks enthält; Seh. behält sich darüber weitre mitteilungen vor.
die hauptmasse der hs. wird aus einem cisterzienserkloster stammen,
auf beziehungen zu diesem orden führte auch die gescbicbte des
in R behandelten Stoffs, die Vorauer novelle, die deutsche,
leider unvollständige bearbeitung von R, steht in der Vorauer bs.
auf bl. 81^ — 84*, auf dem ursprünglich für die fortsetzung von
nr 4 freigelassenen räume (s. 25). Seh. giebt im 2 cap. (s. 420)
einen kritisch gereinigten text, hat aber unter demselben die Ober-
liefrung genau nach der hs. zum abdruck gebracht, im 3 cap.
'Schreiber und dichter' (s. 68 ff) steht die sprachliche Untersuchung,
die das gedieht der alemannischen mundart zuweist, nicht immer
im einklang mit der vorangehnden textgestalt (zb. s. 71 i« 2f
von unten), einige sonstige sprachliche irrtümer mOgen gleich
hier berichtigung finden, die auffassung des 1 conj. prät. iAg$
als 'unechter' umlaut (s. 69) ist irre leitend, die schreibong
SCBÖr<«BACH STUDIE!^ ZUR ERZAHLUNGSLITTERATDB DES MA.S II 219
sdere 319 (5. 70 z. 9) konnte ich nicht auffinden, die an allen
stellen überlieferte form himehlichen (s. 70 z. 10) zeigt nicht
versetztes 5, war vielmehr beizubehalten, vgl. Weinhold AI. gr. 8.268.
Mhd. gr. § 295. DWb. iv 2, 1351. in Hcham, das 463. 564
im text zu belassen war, ist doch nicht n im inlaut ausgefallen
(s. 70 z. 25). die zäher 648 wird ebenso wie 605 als plnr. des
masc und nicht als fem. aufzufassen sein (s. 70 z. 2 v. u.).
wenn 417 würklich ain $unf(t)en überliefert ist, wie die lesarten
schreiben (s. 71, 3 schreibt Seh. aber aine)^ dann ist das 7 mal
vorkommende nomen auch in der Vorauer novelle nur als masc.
belegt. 9. 71,22: der reim sin .Am steht v. 559 (nicht 591). wenn
Seh. (s.72) die dreimal im reim erscheinenden schwachen präteri-
talen participialformen mit angefügtem e : verworhte 24. 434, unbe-
kande 76 unter Verweisung auf AI. gr. § 371 als der alemannischen
mda. angehörend aufführt, so versagt zunächst das citat. Seh.
meint vielleicht den § 372 (s. 38t), wo aus dem 15 und 16 jh.
je ein beleg beigebracht ist. aus dem luxemburgischen belegt sie
JMeier Jolande s. xviii f, ebenfalls erst aus jüngrer zeit neben den
häufigeren formen mit angeführtem en, doch möcht ich deshalb
nicht ohne weitres jenes e als aus en hervorgegangen ansehen;
auf jeden fall sprechen diese reime in der Vorauer novelle, die
besser von einem vierten Gabriele : sele 447 zu trennen waren,
gegen die erste hälfte des 13 jhs.; ich vermag aber selbst aus
der zweiten hälfte trotz einigem suchen keinen weiteren beleg zu
geben.
Die art, wie der deutsche dichter seine lat. vorläge verwertet
hat, wird s. 72 IT durch eine genaue vergleichung veranschaulicht,
ich habe, an Sch.s lehrreichen ausfUhrungeu nur auszusetzen, dass
er mit der beeinflussung von V durch R — sie ist evident —
gelegentlich doch zu weit geht, so bei s. 94f 100 f 266. 288.
289. 290. 299, wo m. e. kaum von einem abhängigkeitsverhältnis
die rede sein kann, der dichter von V wird sich betreffs des
Stoffes überwiegend auf sein gutes gedächtnis verlassen haben,
sonst würde er nicht gerade an stellen, wo nichts von dem von
ihm gesagten in seinem text stand, sich auf diesen als auf seine quelle
berufen haben, s. aufser v. 548 (Seh. s. 83) noch v. 28. indem
ich die ergebnisse der Sch.schen von vers zu vers fortschreitenden
Untersuchung hier kurz zusammenfasse, gestatt ich mir gleich*
zeitig einige ergänzungen auf grund einer seminararbeit meines
Zuhörers dr Mechau. nach stofT, anordnung und geist beruht V
ganz auf R, dagegen verfolgen original und nachdichtung ver-
schiedene tendeozen und auch hinsichtlich der form tritt V selb-
ständig auf. R zeigt eine zweifache tendenz, sie steht im dienste
theologischer und kirchlicher propaganda. ihre theoretisch-theo-
logische tendenz ist die betonuug deraugustinischenprädestinations-
lehre. auf diesen leitenden gedanken kommt R bei jedem anlass
zurück, was Seh. noch bestimmter hätte hervorheben sollen (vgl.
15*
220 SCHÖNBACH STUDIEN ZUR EBZÄULUNGSLITTERATDB DES MA.S II
seine äufserungen i 85. ii 74 f 77. SO gegenüber i 87. ii 83. 89),
wenigstens fölll diese tendenz ebenso stark ins gewicht wie die
zweite, die kirchliche, die Verherrlichung des cisterzienserord^ns
auf kosten der congregation von Cluny (i 91). beide tendenzen
gehn V ab. V hat jeglichen prädeslinationsgedankeo in R sorg-
fältig ausgemerzt, ja v. 373 fT scheinen sich ausdrflcklich gegen
dies fatalistische dogma zu wenden (Seh. s. 80). ebenso fehlt in
V jede bezugnahme auf Cluny und den cisterzienserorden. das
deutsche werk steht unter einer höheren tendenz, indem es die
grofsen, allgemein menschlichen angelegenheiten ins äuge fasst;
es verfolgt keine parteizwecke, sondern will sittlich-religiös fördernd
würken. V ist aber auch der form nach selbständig, der deutsche
dichter hat mehr getan als die iat. prosa in deutsche verse um-
zusetzen, er ist ein würklicher poel, der lebendig und anschaulich
darzustellen weifs. seine lebendigkeit findet dramatischen ausdruck
in seiner abneigung gegen alles unpersönliche, in seiner Vorliebe
für die gesprächsform (vgl. v. 16): ein drittel des gedichtes ver-
läuft in directcr rede (224 von 649 versen). der dichter lässt
den leser den Charakter der personen allein aus deren handlungen
erkennen, dagegen sind die mittel, durch die V die darstellung
anschaulicher macht, spec. epische: V ergeht sich in poetischer
Schilderung phantastischer örilichkeiten wie hölle und himmel
oder volkstümlicher anschauungen über sterben und gericht, über
Seligkeit und Verdammnis; originelle und kühne, aber nicht un-
schöne bilder und charakteristische vergleiche stehn manigfach
zu geböte, die bilder verteilen sich auf drei stellen (8 — 23. 94 bis
108. 262 — 291), kaum findet sich ein bild allein, ist die phantasie
des dichters einmal angeregt, dann drängt ein bild das andere,
ein vergleich den andern; s. noch v. 55 — 63. 417 — 421. auch in
einzelheiten erweist sich V als durchaus selbständig, so hat V
alles reintheologische beiwerk der vorläge ausgeschieden, insbes.
die gehäuften bibeicitate des Iat. textes, in dem dr Mechau 47
bibelstellen und 112 anspielungen auf solche zählt, von den 32
bibelsprüchen und 45 anspielungen^ die R bis zu dem puncte
aufweist, wo V abbricht, bietet V kein einziges citat und nur
acht stellen, die mehr oder weniger erinnerungen an schriflstellen
zeigen, auch flicht V eine reihe psychologisch wahrer, charakte-
ristischer kleiner züge ein, die direct dem leben abgelauscht sind,
von guter beobachtung der würklichkeit zeugen, vage andeu-
tungen in R endlich werden in concreter gestalt widergegeben.
So erscheint uns V, wenn wir alles zusammennehmen, trotz
seiner Iat. vorläge doch wie eine Originaldichtung, der dichter
hat würklich das latein seiner quelle 'zerbrochen' (v. 8), es ein-
geschmolzen Sn der esse seines herzens' (v. 11), und es ist daher
bedauerlich, dass der Schreiber grade an jener stelle abbricht, wo
dem talente des dichters, der in der Vorauer novelle nicht zum
ersten male das wort ergreift {aber v. 1), eine, ganz besonders
SCHÖ^NBACH STUDIEN 2UR EBZÄHLDISGSLITTERATDR DES MA.S II 22 t
dankbare aufgäbe gestellt waj\ wie mag er sich mit ihr abge-
funden haben?
Mau wird Seh. ohne weilres zustimmen, wenn er meint, der
dichter könne wol wegen seiner religiösen tendenz ein geistlicher
gewesen sein, aber er müsse es nicht; mit besserem rechte wird
man in ihm, der sich als kenner und freund höfischer sitte und
redeweise zeigt, einen gebildeten laien vermuten dürfen, einen
frommen, gutgeschulten, weltkundigen, scharf beobachtenden mann,
einen poeten von bedeutender formgewantheit aus der schule
Gottfrieds, wenn Seh. dann aber unser gedieht der ersten hälfte
der 13 jhs. zuweisen will, so kann ich ihm darin nicht folgen,
nach Seh. (s. 89) sollen die hs.liche Überlieferung, die spräche
und poetische lechnik dazu nötigen, über erstere vermag ich
ohne directe einsieht natürlich nicht sicher zu urteilen, aber das
was Seh. s. 22. 25 über duclus und art der aufzeichnung vor^
bringt, enthält zunächst nichts beweisendes, auch die spräche
zwingt nicht zu so früher datierung. mögen immerhin worte
wie gotes taugen (116, vgl. Kraus zu Dtsche ged. d. 12 jhs. 11, 47),
hantgetdt (383), heütggeist (407), weizgot (375. 457, vgl. Kraus
zu 8, 14) ältres geprage tragen, so weist doch anderes mit ent-
schiedenheit in eine jüngere zeit, vgl. adelcBre 617, ätemzuc 467^
schiuzHch 366, schnolherre 143, die sparsame Verwendung der
negation en- (s. unten zu v. 377), das epithetische e im reimwort
(s. oben s. 219), enhcsret (im reim auf heswceret) von enbarn 214
(Scb. s. 71), drizegen 520 als 'volkstümliche Verkürzung (?) von
drizegesten* (Seh. s. 70). die Charakteristik des Versbaus (s. 86)
spricht m. e. grade eher für die zweite hälfte des 13 jhs.; im
einzelnen wäre hier folgendes zu berichtigen: s. 87, 1 spricht
Seh. von vier reimen mit dem ausgang >Lv^^, ich zähle nur zwei
(204. 238); zu 87, 15: mein reimlexikon zählt 34 zweimal und
2 dreimal vorkommende reimpaare; S8, A Vis helleviure : ungehiure
305. 395. riuwe: triuwe 573. 643 und streiche das in parenthese
stehndc. im gegensatz zu s. 89, wo Scb. sich mit bestimmtheit
für die erste hälfte des 13 jhs. entscheidet, drückt er sich s. 88
vorsichtiger und, wie ich glaube, richtiger über die kunstübung
des dichters und ihre zeitliche wertung aus. Seh. betont stark
den eiufluss Gottfrieds, gewis, er ist vorhanden, aber daneben
hebt Seh. selbst die verwantschaft mit Rudolf vEms und Konrad
vVYürzburg, auch sprachliche berührungen mit der Martina
hervor. es durften noch Walther vRheinau und ReinfriC
vBraunschweig genannt werden, wir müssen uns, wie mich eigne
Sammlungen belehren — ich möchte Seh. nicht vorgreifen, s.
seine bemerkung auf s. 90 — einstweilen damit bescheiden, den
alemannischen dichter der Gottfriedschen schule eingereiht zu
haben, ich halle ihn für mindestens so stark von den beiden
hauptepigonen Gottfrieds als von diesem selbst angeregt, die
ähnlichkeit des eingangs von V mit dem in der Goldnen schmiede
222 schOnbach Studien zur erzahlungslittkratur dss iu.8 ii
hat Seh. s. 91 erwähot, er hätte noch hinzufügen können, dass
die Schilderung der freundestreue und die tendenz, zur abkehr
von der weltlust zu mahnen, auch die leitenden gedauken in Der
Welt lohn und im Engelhard sind.
Ich schliefse mit einigen bemerkungen zum text des ge-
dichtes. v. 15 lis durchstceche. 16 warum nicht mit der hs. ein
süeze gesprwchel 40 einem daz joch %\f binden, vgl. Ludwigs
Kreuzfahrt 3S13. Renner 11405. 42 vgl. Heinzel zum Priester-
leben 127. 53 lis überladen. 85 nach der werlde süeze bezieht
sich auf 82. 83, worauf 84 gleichsam in parenthese folgt; jedes-
falls scheint mir die conslruclion verderben nach unmöglich. 86
vgl. Erec 8976. 92. 328 gotlichiu beschöude vgl. Hahn zu Strickers
Kl. ged. 12, 233. 99 muoikür vgl. Grimm gr. ii* 446. 107 u.
433 in der hebung wird doch besser ^^n geschrieben. 111.287
in ze tac ze tac ie baz und baz erscheinen zwei beliebte rormeln
vereinigt; der zusalzvers in der hs. nach 287 ist widerbolung
von V. 112. 113f merken mit dem acc. der pers. ist sonst nur
aus junger zeit nachweisbar (vgl. DWb. vi 2096. Schweiz,
idiot. IV 408), lis nü merket — an mich! 116f. vgl. (er) hat
die tougenheit entaht Heiozelin vKonstanz 127, 55. 117 nach
entdecke steht besser ein komma, desgleichen 119 nach sünde;
118f hängen ab von 115—117, während 120f mit 115 corre-
spondiert. 118f scheint bessern ngsbedürftig, da man den Sünder
doch nicht in tiefe riuwe der sünde wecken kann; vielleicht
Stand dd mit ich sünder {dem s.l) wecke intiefe ritiwe der sünde;
wecken mit dem dat. wie bei erwecken; zum intensiven in- in
intiefe vgl. Wilmanns D. gr. ii 571. Germ. 15, 61. Schweiz.
idiot. I 292; das nomen intiefi steht Myst. ii 669, 33; da der
Wortschatz in V manches mit Gottfried vStrafsburg gemein bat,
sei auch an das viermalige ingrüene im Tristan erinnert. 128 stic
136 würde ich die anfuhrungszeichen streichen, da ich sus auf
135 beziehe: *um diesen preis', der säle unheil nämlich; anders,
aber nicht überzeugend. Seh. s. 75. 145 lis schächenden. 157 f
wol besser keren mi/o/, sin unde gunst üf nigromancte kunst.
159 der meister lachende (hs. lachet) began, doch wol lachen^ wie
denn Seh. v. 218 auch vrdgen statt überliefertem fragende ge-
schrieben hat. 184 ze suoche *als gewinn', *zur beute'. 193 vgl.
aHeinr. 1122. Parz.298, 14. Nib. 2282, 2. 206 der] diu! 209
zu Marner i 50. mit 294 beginnt wol ein neuer absatz, vgl. 28.
306. 396 lässt sich die Verbindung von wilde und ungehiure noch
anderwärts belegen? 331 lis mine. 334 mtV. 336. 496 ist diser
überliefert; die änderung in dirre war durch 327 kaum geboten.
364 der reim sorgen : worgen erscheint besonders bei alemannischen
dichtem: Burkhard vHohenfels, Ulrich vWinterstetten , Steinmar
(s. ANeumann Leben und gedichte Sleinmars s. 79f. 102), Hugo
vLangenstein (Seh. s. 91); auch jTit. 5414. 377 lehrt, dass der
dichter die negation schon durch einfaches niht ausdrückte; es
SCflO>'BACB STUDIEN ZUR ERZÄHLUN6SLITTBRATUR DES MA.8 II 223
lag deshalb m. e. kein anlass vor, an aadero stellen das über-
lieferte niht durch en zu ersetzen (355, aber 315 geschah es
nicht, obwohl es hier eher zu begründen gewesen wäre) oder dem
niht der hs. noch die negation en hinzuzufügen (167. 243. 332.
338. 359. 393. 437); nur 384 ist en neben niht auch in der
hs. überliefert und 410 scheint es mit Seh. würklich geboten,
anderseits ist im abhängigen satze willkürlich mit der negaüon
verfahren, vgl. 379. 420 mit der hs.lichen Überlieferung. 401 viL
431 ist der punct zu streichen. 451 1. mit der hs. vri vor missB'
wende. 45811 1. mOcht ich vorschlagen zu lesen gedenke daz
du hast gelesen^ daz nie kein riuwe ze spcete wart^ wan an der
leiten hinevart so gewinne ein siufte (darauf führt Seh. selbst
6.69,3. 71,2) hulde usw. der lat. text (s. Seh. s. 82) spricht
nicht dagegen, da er nur den ausgangspunct für V bietet. 479 ich\
nach hin komma und 480 nach hin punct (trotz Sch.s ausführungen
s. 88). 500. 614 warum nicht mit der hs. mit klagdichem
smerzenl vgl. 185; ebenso war 505 daz ich dich (Seh. list din)
ie ze vriunde gewan unbeanstandet zu lassen. 530 ist die inter-
punction zu streichen. 554 1. ein trüebe{z) gehilwel wölken^ das
in der hs. zwischen ain und trüb steht, könnte in der vorläge
als erläutrung zu gehilwe am rande gestanden haben. 605 ist im
bsl.apparat ausgefallen. 617 reht, — im text der abhandlungen 1.
I 75 unten 'hergestellt wurden', zu ii 11 vgl. Zs. f. d. phil. 11,
253. Anz. viii 220. ii 20 z. 8 1. cecus, z. 8f phreneticus. ii 41 1.
Publius Syrus. ii 77 z. 9 ist nach 'anm. 17': ^vorweg' ausge-
fallen; ebenda z. 18 1. '294'. ii 83 z. 17 'ein verlebendigender
Zusatz' ist recht unschön, ii 85 z. 18 1. '548'.
Halle a/S.^ jan. und mai 1900. Philipp Straucb.
Beschreibung des geistlichen Schauspiels im deutschen miltelalter. von
Richard Heinzel. [=» Beiträge zur ästhetik, hsg. von Th.Lipps und
R. AI. Werner, IV.] Hamburg und Leipzig, LVoss, 1898. viii und
354 SS. 80. — 9 m.
WScherer hatte schon vor vielen jähren einen kanon für die
beschreibung poetischer kunstwerke verlangt, in dessen fachwerk
alles, was wir an ihnen zu beobachten vermögen, so vollständig
aufgenommen sein sollte, wie die eigenschaften der natürlichen
Organismen in ihre Systematik, darin lag ein fingerzeig für RHeinzels
buch, der hiuweis auf die Systematik der uaturwissenschaften ist
dabei nicht so mafsgebend, sondern vielmehr die beschreibung.
wenn auch in den uaturwissenschaften die beschreibung einem
höhern zwecke diente und wir durch sie auf inductivem wege
zu einem ganzen logischen bau, zu einer vollen Systematik gelangt
sind, so haben wir darnach bei poetischen kunstwerken zunächst
kein bedürfnis, denn hier kennen wir bereits die gattungen,
arten ... es handelt sich also nur um eine genaue, planmäfsige
beschreibung, die einen kanon abgeben könnte für beschreibung
224 HEINZEL BEISCHREIBUKG D. GEISTL. SCHAUSPIELS IM DEUTSCHEN HA.
poetischer kunstwerke überhaupt. H. wdhlte sich zu dieser be-
Schreibung geistliche Schauspiele vom 11 bis ende des 15 jhs.
aus, deren kunstcharakter genau beschrieben werden soll, die an-
wendung systematischer naturbeschreibung auf poetische kunst-
werke ist freilich nicht so einfach, die Verhältnisse liegen beider-
seits nicht gleich, bei den nalurwissenschaften haben wir es zumeist
mit einer concreten aufsenweit, mit dingen in einem räumlichen
nebeneinander, bei dramen nur zum kleinern teil mit solchen zu
tun, zum gröfsern teil zeigen die handlungen ein zeitliches nach-
einander und würken von aufsen nach innen, wo sie neue geistige
Verbindungen eingehu. dort ist mehr anschauung und empfindung
mafsgebend, hier Vorstellung, phantasie, gefühl. der verf. bespricht
weder den plan seiner beschreibung eingehend noch sein Ver-
hältnis zu Vorgängern genauer, um (s. 9) *das ohnehin schwer-
fällige buch nicht noch mehr zu belasten', ref. glaubt nun, dass eine
genauere philosophische auseiuandersetzung in dieser richtuug das
buch nicht merklich belastet, wohl aber dessen Verständnis sehr
erleichtert hätte, der verf. lässt also fast nur den plan seiner be-
schreibung selbst sprechen, und so müssen wir uns auch zumeist
daraus allein ein urteil bilden.
Der ganze plan der beschreibung verrät aber im allgemeinen
nicht weniger philosophisch-theoretische als praktische auschauung.
die eigenschaften sind so zusammengestellt, dass dabei der physio-
logisch-psychologische Werdegang vom ding an sich bis zum vollen
ästhetischen bewustsein zur geltung kommt. H. unterscheidet
zunächst die ersten und zweiten eindrücke.
Beim ersten eindruck ist das publicum noch nicht zum
bewustsein über die wahrgenommenen gesichts- und gehörsein-
drücke gekommen, als ob es die im stücke gebrauchte spräche
des monologs, dialogs, der chOre nicht verstände, wenn auch
die schalle der sprachlaute und ihrer gruppen, der metren, der
musik an sein ohr schlagen, ihre tonstärke, -höhe, -färbe» ihre
dauer und widerholung aufgefasst wird, bei den zweiten ein-
drücken handelt es sich dann um jenen geistigen process im
publicum, der das volle Verständnis des dargestellten und den ent-
sprechenden ästhetischen genuss zur folge hat. H. will also mit
diesen eindrücken auf dem wege vom sinnlichen eindruck bis zur
vollen geistigen aufTassung zwei Stadien unterscheiden, die wir
psychologisch ungefähr als empfindungs- und vorstellungslebeu
bezeichnen konnten, unter den ersten eindrücken sind aber nicht
blofse Sinnenreize, nicht die aufsenweit au sich, sondern wahr*
nehmungen zu denken, die bereits von ästhetischen eindrücken
begleitet sind, mag auch von gesichts- und gehOrseindrQckeo die
rede sein (s. 9), die noch nicht zum bewustsein (I) des Zuschauers
gekommen sind, man sieht schon hier, dass es schwer wird, die
ersten und zweiten eindrücke zu sondern, dass sie und mit ihnen
auch die beschreibungen vielfach ineinander fliefsen werden, die
BEinZEL BESCHREIBUNG D. GEISTL. SCHAUSPIELS IM DEUTSCHEN HA. 225
gliederuDg der ersten eindrücke scheint sich dann zunächst an
die kategorienlehre anzulehnen, wenn wir nämhch bei dieser prak-
tischen beschreibung vom dingbegriff (oiala) absehen und die
dinge hier gleich nach: i qualität (noiov), ii quantität(7roaoy),
ui Ordnung, ein teil ung: beziehung (7[Q6g tt) der dinge unter-
einander und fv ästhetische würkung: beziehung der dinge
zum auITassenden Zuschauer berücksichtigen, so erlangen wir H.s
fierteilung für die ersten und — zugleich für die zweiten ein-
drucke, im besondern lässt sich dann weiter für die ersten ein-
drücke der qualitätsbegriff (i) entwickeln, inwiefern das ding
in: A) zustände gerät, B) Vorgänge aufweist, und zwar: a) sicht-
bare oder b) hörbare, überall mit mehreren Unterabteilungen,
der quantitälsbegriff (ii) kann beantwortet werden auf die fragen:
A) quantum? ß) quoties? C) quot? für Ordnung, ein-
teilung (iii) und ästhetische würkung (iv) hat H. keine
weitern Unterabteilungen mehr, da auch in und besonders iv bei
den ersten eindrücken wenig zur gellung kommen, wenn es
nicht der systematischen Vollständigkeit wegen wäre, hätten in
und IV hier ganz weggelassen werden können, die beschreibung
der ersten eindrücke ist also planmäfsig, nach logischen prin-
cipien geordnet, formell fällt höchstens auf, dass gegenüber a)
sichtbare Vorgänge unter b) hörbare keine numerierten abteilungen
mehr sind, wie man es bei einem kanon der beschreibung er-
warten möchte.
Bei den zweiten eindrücken erwartet man zunächst
beziehungen, in welchen die sichtbaren dinge und handlungen
der spiele zu unserem *ich' stehn, also zumeist logische, psy-
chologische und ästhetische beziehungen. es wird daher nicht
jedem leser gleich einleuchten, wieso hier wider dieselben Unter-
abteilungen (qualität, quantität, Ordnung, einteilung, ästhetische
würkung) wie bei den ersten eindrücken begegnen, freilich sind
Vorstellungen wie empfinduugen immer sich gleichbleibende sym-
bolische zeichen der aufsenwelt, die nach qualitativen und quan-
titativen Verhältnissen beurteilt werden können, überdies wird
hier die qualität (i) nach: A) dramatische darstellung
und B) dramatische ansprachen untersucht, die dramatische
darstellung (A) gliedert sich, nachdem die spiele nach Stoffen
(passionen, weihnachtspiele . . .) unterschieden sind, dann in:
a) zustände und b) Vorgänge wie bei den ersten eindrücken,
nur dass hier orte, personen, tiere, Sachen . . . nicht mehr
nach ihrer ursprünglichen sinnlichen auffassung, sondern jetzt
nach ihrer durch das spiel und den Zusammenhang bestimmten
geistigen bedeutung beschrieben werden, während zb. früher
(s. 231) unter den ersten eindrücken die Schauspieler nur nach
ihrer äufsern erscheinung beschrieben wurden, werden sie hier
nach geschlechi, alter, rang und den geistigen eigenschaften als
personen unterschieden, unter b) vorgange werden i Vorgänge
226 HEINZEL BESCHREIBUNG D. GEISTL. SCHAUSPIELS IM DBUTSCHE!« NA.
als reden (gespräche, gesäoge) und n vorgäoge als veränderte
zustande und handlungen, mit und ohne rede, und zwar 1) einzeln
oder 2) im Zusammenhang betrachtet, unter B)dramatische
ansprachen erfahren wir nun, was diese im stocke bezweckten,
während wir sie früher nur nach ihrer qualitativen Verschieden-
heit kennen gelernt hatten, die quantitat (ii) antwortet auch
hier auf die gleichen fragen, aber während wir zb. unter den
ersten eindrucken die gröfse der bühnen, die länge der stücke,
scenen , reden, rollen usw. kennen lernten, werden wir hier von
ihrer eingebildeten gröfse und länge unterrichtet^ von chrono-
logischen und synchronistischen reihen usw.
Bei den ersten eindrücken war die Ordnung bereits bei
besprechung der verschiedenen gesichts- und gehOrseindrücke
hervorgetreten, und es erübrigte nur, unter iii Ordnung, ein-
teilung nochmals auf die verschiedenen glieder der reihen, ihre
Unterbrechung, ihre gleichartigkeit und ungleichartigkeit . . . hin-
zuweisen, bei den zweiten eindrücken werden aber unter ordn u n g
reihen berücksichtigt, die höhere anforderungen an die Vorstellungs-
kraft stellen, so parallelismus der reihen, durch Verknüpfungen
und parallelen bewürkte Steigerungen, der dramatische aufbau,
spiel und gegenspiel. die einteilung der spiele nach scenen, vor-,
nach- und Zwischenspielen ist oft schon äufserlich kenntlich und
darum auch früher schon besprochen worden, hier ist nur weniges
abweichende nachzutragen.
Die ästhetische würkung setzt bereits ein intensiveres
vorstellungsleben voraus, daher erst bei den zweiten eindrücken
von einer eigentlichen ästhetischen würkung die rede sein kann,
diese wird zuerst im allgemeinen und dann im be sondern
behandelt, durch das volle verhähnis des dargestellten werden
beim publicum und leserlust- oder unlustbetonte Vorstellungen
und später Seelenbewegungen erzeugt, die nach H. ästhetisch
Mm engeren sinne* sind, was nun H. unter ästhetisch im engeren
oder weitern sinne versteht, erfahren wir wider nicht aus dem
buche, es wäre hier, wo die ästhetische aulTassung mafsgebend
wird, am platze gewesen, auch den philosophisch-ästhetischen
standpunct genauer festzustellen, der leser wird denn doch schon
sehr neugierig, ob wir es hier mit Schellings ästhetischem idealis-
mus oder Hegels concretem idealismus, ob mit Herbarts ästhetischem
formalismus oder einem ästhetischen dualismus zu tun haben,
man möchte wissen, ob hier die reale weit von der ästhetischen
zu trennen, ob form und inhalt des schönen allein in der ideen-
weit zu suchen ist. wenn wir schon von ästhetischer würkung
bei den ersten eindrücken und im engeren sinne hören, so müssen
wir, was Schiller weitausschauend schon erkannt hat (Briefe Ober
die ästhet. erziehung), das naturschöne bereits als eine subjective
erscheinung im menschlichen bewustsein gelten lassen, das auch
ästhetischer schein ist, wenngleich durch unsre unbewust produ-
BBINZEL BESCHREIBUNG D. GEISTL. SCHAUSPIELS IM DEUTSCHEN MA. 227
cierende phantasie hervorgebracht, die durch das volle verstdodois
erzeugten Vorstellungen und seelenbewegungen führen
dann das eigentliche kunstschüne, durch die bewust producierende
Phantasie hervorgebracht, mit sich, der sitz des sichtbaren schonen
lässt sich im augenschein, der des hörbaren schönen im ohren-
schein, der des poesieschönen im phantasieschein suchen, wenn
wir nun die wabrnehmungsktlnste wie den klang der worte, die
spräche nur als etwas secundäres, gleichsam blofs als sinnliches
material des dramas gellen lassen, so dürfte sich das wahrscheinlich
mit H.s aufifassung von ersten und zweiten eindrücken und ästhetisch
im engeren und weiteren sinne decken, auch das mittelalterliche
Schauspiel erregt nach H. dem äugen- und ohrenschein nach
unmittelbares gefallen und misfallen, ist also bereits von ästhetischer
würkung, aber so, dass die betrelTenden Vorstellungen entweder
nur durch sich selbst oder auch noch durch mitwürkung der
miterregten nebenvorstellungen ästhetisch würken. lust oder Un-
lust kann aber auch von den nebenvorstellungen selbständig aus-
gehn^ ebenso von andern noch weiter entfernten Vorstellungen,
hei weichen aber dann die ästhetische würkung aufliört. eine land-
schaft erregt zb. ästhetische lust, und diese kann durch die neben-
Vorstellung des eben hörbaren vogelsanges u. dgl. erhöht werden,
nicht aber ist die ästhetische würkung vom gedanken an die
geliebte, mit der man hier sonst vielleicht lustwandelt, abhängig,
die geliebte kann allerdings auch wider für sich ästhetisch würken,
aber erst durch die Vorstellung ihrer person, für die ästhetische
würkung der landschaft ist diese nebenvorstellung bereits zu ent-
fernt und unabhängig y weil für sich ßihig, wider der träger
ästhetischer würkung zu werden.
Noch stärker betont als Vorstellungen sind dann die seelen-
bewegungen, die dann ästhetisch sind, wenn sie gleichfalls
durch einen gegenwärtigen, vollkommen aufgefassten moment einer
bestimmten tatsache lust oder unlust erwecken, fernergelegenes,
vergangenes oder künftiges, das nicht unmittelbar zur Verdeut-
lichung der vorliegenden tatsache mithilft, trägt nicht mehr zu
dieser ästhetischen würkung bei. ästhetische seelenbewegungen
können auch durch Suggestion bewürkt werden, gelungene
nachbildungen von zuständen und Vorgängen erregen für sich
lust und sind unabhängig wie entferntere nebenvorstellungen.
wenn sie aber verdeutlichenden nebenvorstellungen entsprechen,
tragen sie auch zur erregung ästhetischer seelenbewegungen bei.
diese Unterscheidungen beleuchtet H. an vielen und verschiedenen
beispielen. der philosophische Charakter des buchs kommt hier
und bei besprechung des planes am anfange am meisten zur
geltung.
Um ferner die ästhetische würkung im besondern darzu-
legen, hält H. an der Unterscheidung von Vorstellungen und seelen-
bewegungen fest, die Schauspiele erwecken Vorstellungen und
228 HEI!«ZEL BESCHREIBUNG D. GEISTL. SCHAUSPIELS IM DEUTSCHEN MA.
seelenbewegungeD, die sich auf das stück, die auffübruog,
den dichter beziehen und verschieden betont sind, bei den
Vorstellungen wird die beziehuug auf diese drei objecto ohne
weitere Unterabteilungen durchgeführt, bei den Seelenbewegungen
mit den formell merkwürdigen Unterabteilungen: auf das stück
und zwar 1) durch die schauspielerisch dargestellten zustände und
Vorgänge usw. a) die im leben durchaus erfreulich sind b) die
im leben mit schmerz verbunden sind — dann: auf die auf-
führung — auf den dichter . . . nun folgt erst 2) seelenbe-
wegungen durch Suggestion erregt, nach mannigfachen affecten
bebandelt, die unästhetischen, durch das kunstwerk nebenher
erregten Vorstellungen und Seelenbewegungen werden unter der
bezeichoung ^association' nebenbei eingefügt.
So schliefst das buch ab, ohne einen überMick über das ge-
wonnene, ohne jedes schlusswort. man greift dem zufolge gierig
nach dem inhaltsverzeichnis, um einen bequemen Oberblick über
den ganzen plan der beschreibung zu gewinnen, allein auch hier
sind nicht alle Unterabteilungen aufgenommen, vgl. 'ästhetische
würkung' s. vii und s. 342 f. ein genaueres inhaltsverzeichnis, das
zugleich ein register ersetzt, wäre nicht nur insofern von grofser
Wichtigkeit gewesen, als es einen einblick in und einen überblick
über dieses schwierige buch gestattete, sondern auch insofern,
als dadurch das nachsuchen einzelner merkmale bei so vielen
spielen leichter geworden wäre, wir haben hier eine grofse zahl
geistlicher Schauspiele, in alle teile zerlegt, vor uns. bei so ein-
gehnder beschreibung vieler individua vertieft sich der blick für
den kunstcharakter, und es treten so viele merkmale heraus, dass
wir bei sonstiger leciüre oder betracbtung nie in dem mafse auf
sie aufmerksam würden, darin ligt ein hauptwert dieser be-
schreibung. nur ist es schwer^ mit diesem inhaltsverzeichnis sich
zurecht zu ßnden, zumal da auch die formelle gliederung des
planes noch einghender und genauer hätte sein können, für
einen kanon einer systematischen beschreibung ist das eine haupt-
Sache, aber auch so wird jeder^ der sich irgendwie mit drama-
tischer dichtung eingehender beschäftigt, aus der lectüre dieses
buches grofsen gewinn ziehen. — störende druckfehler begegnen
sehr seilen, s. 329 z. 19 vu. fehlt ein relativpronomen, s. 176 z. 8 vo.
ist ^nicht' zu streichen, s. 202 z. 6 v. u. 1. Johannes.
^\xn bleibt noch die letzte und wichtigste frage zu erörtern:
haben wir in dieser beschreibung H.s würklich den von WScherer
verlangten kanon für die beschreibung poetischer kunstwerke? —
die Wissenschaft ist dem Verfasser jedesfalls für die grofse und
schwierige arbeit dank schuldig, wenn sie sich für die Zukunft
nicht bewähren sollte, so ist der fehler nicht in dieser arbeit,
sondern in der uatur der sache begründet, in der Systematik
der naiurwissenscbaften haben wir freilich einen ausgezeichneteo
behelf für erkenntnis und Unterricht, und es wäre gewis ein
HEI2<IZEL BESCHREIBUNG D. GEISTL. SCHAUSPIELS lU DEUTSCHEN MA. 229
gleiches auf dem Felde der kunst höchst wünschenswert, allein
hier ist die betrachtung aus der aufsen- in die innenweit zu ver-
legen, und dabei verliert sich auch die realität, fassbarkeit und
Volkstümlichkeit, die vorstellungswelt hat nicht mehr das leb-
hafte der empfindungen, und die enge und einheit des bewust-
Seins widerstreben einer anschaulichen Zergliederung des gedank-
lichen, ein philosophisch gebildeler wird sich nur mühsam durch
eine solche beschreibung durcharbeiten, ein praktisches, allgemein
brauchbares Werkzeug wird sie darum kaum werden, das scheint
der Verfasser am ende selbst gefühlt zu haben.
Krummau, october 1899. J. J. Abi&iann.
Gerstenbergs Ugolino. ein Vorläufer des geniedramas. mit einem aniiang:
Gerstenbergs fragment *Der Waldjöngling'. aus der handschrift ver-
öffentlicht von dr Montagüe Jacobs. [= Berliner beitrage zur ger-
manischen und romanischen philologie. veröATentlicht von dr Emil
Ebering. XIV, germanische abteilung nr 7.] Berlin, ECbering, 1898.
2 bll. und 147 ss. gr. 8^ — 3 m.
Der vf. sucht mit der vorliegenden Studie ^die enge ver-
wantschaft des Ugolino mit der dramatischen dichtung des stürm
und drangs aufzuzeigen'; so sagt er selbst (s. 2). er gibt aber
bedeutend mehr, denn er behandelt in einem eigenen capitel die
Stoffgeschichte, dh. das allmähliche bekanntwerden der Ugolino-
episode aus Dantes comödie, ihre verschiedenen Verarbeitungen
in den litteraturen und analysiert überdies Gerstenbergs drama
sehr forderlich vom standpuncte der ästhetik. mich will bedünken,
dass der zweite teil ansprechender sei, als der erste, hier wird
nachgewiesen, dass Gerstenberg aufser der genannten episode und
dem in landläufigen Dantecommentaren enthaltenen keine quellen
benutzt habe, dann bespricht J. die Veränderungen, die Gersten-
berg auf Lessings rat am texte seines dramas vornahm, nach
Redlichs andeutungen (Lessings briefe, Hempel ii 2, 239 anm.)
muss das drama früher etwa dort geschlossen haben, wo es heifst:
'(er wirft sich heftig neben Anselmo hin) .... (er spreizt seine
Arme über den Boden aus . ,\ wenigstens bietet das von Redlich
gerettete fragment: 'Ugolino spricht wie träumend vom Geschrei
der Sterbenden, Da er Anselmos Leichnam sieht, verflucht er die
Stunde seiner Geburt [in der ersten fassung heifst es kurz vor der
cilierten stelle: 'Verflucht sey das Weib, das mich gebar! Ver-
flucht die Wehemutter, die das Wort aussprach: Der Knabe lebt.']
Entkräftet sinkt er zu Boden, streckt sich auf dem Boden aus, als
ob er die Erde umarmt, der er sich vermählt.') der jetzt den
beschluss bildende monolog Ugolinos scheint erst später hinzu-
gesetzt, mir ligt das original freilich nicht vor, sondern nur der
jieudruck im '16 band der familienbibliothek der deutschen Clas-
siker' (Hildburghausen und Amsterdam, Bibl. institut 1841), der
auf die späteren Veränderungen keine rücksicht nimmt, die ver-
230 JACOBS GERSTENBERGS UGOLINO
schiedenheiten im einzelneo berücksichtigt J. nicht weiter, nur
die einschneidenden Umbildungen werden erwäbnl. das wich'
tigste bietet der vf. in dem abschnitt über Ugolinos Verhältnis zu
Shakespeare, hier entwirft er mit berücksichtigung der Schleswig-
schen litteraturbriefe ein umfassendes bild dessen, was Gersten-
berg bei Shakespeare lernte, was er aufnahm, worin er dabei den
geniemännern gleicht, worin er sich unterscheidet, besonders
zu erwähnen ist, dass J. wenigstens flüchtig auch auf das
deutsche drama des 17 jhs. einen blick wirft; es wäre wol der
Untersuchung wert, wie weit es nachwürkt, ob wir kenntnis bei
den Stürmern voraussetzen dürfen usw. J. bemerkt sehr richtig,
dass Gerstenberg die handlung des dramas vollständig in das
innere seiner person verlegt, und sieht darin ein übertrumpfen
Shakespeares, es hätte sich vielleicht empfohlen, bei dieser frage
auch die parallele des epos zu streifen. Klopstock brachte die
grofse neuerung, dass er im Messias nicht äufseres geschehen,
sondern innere handlung vorführte, dass er dem objectiven epos
der antike die neue, subjective, psychologische, innere epik ent-
gegensetzt. Klopstock begann jene zerfasernde darstellung des
Seelenlebens, die sich seither immer mehr vertieft, entwickelt,
verfeinert hat, die sich in immer mehr gattungen der poesie aus-
dehnte, die zuerst auf das drama angewendet zu haben das ver-
dienst Gerstenbergs ist. wie Klopstock das 'innere leiden' seines
beiden, so stellt Gerstenberg das innere leiden Ugolinos dar; das
äufsere geschehen, das was man sonst handlung nannte^ drängen
beide zurück, aber wenn Klopstock, da er dem 'tatsachenepos'
ein modernes psychisches epos folgen liefs, bei dem gefühle und
gedanken als handlung erschienen, immer unter dem druck der
tradition stand und dem früheren geschmack concessionen machte,
so verfiel auch Gerstenberg trotz seiner viel gepriesenen neuerung
dem weiterlebenden einfluss des antiken dramas. in beiden fällen
entstanden zwittererscheinungen. übrigens brauchte es sehr
lange, bis die keime für das epos und das drama völlig zur ent-
wicklung kamen; wir sehen eigentlich erst in unserer zeit den
versuch, mit aller consequenz die psychologische art durchzu-
führen selbst auf die gefahr hin, toll zu erscheinen, man nehme
zb. für die epik St. Przybyzenki und fürs drama Maeterlinck.
Gerstenberg ist für das drama etwa das, was Klopstock fürs epos,
nur blieb die würkung des Ugolino natürlich weit hinter jener
des Messias zurück, im einzelnen weist auch J. den einfluss
Klopstocks für den Ugolino nach, besonders für die zeicbniing
des heldenknaben Anselmo; er macht zudem auf das drama ^Bod*
duca' von Beaumont und Fletcher aufmerksam, das Gerstenberg
gekannt und benutzt zu haben scheint, in dem abschnitt aber
die kinderscenen, der im ganzen auf meine darstellung verweist,
ist die Zusammenstellung der shakespearischen kinderfiguren wert-
voll, es hätte hier übrigens des contrastes wegen auf das scble-
JACOfiS GERSTEMIERGS UGOLINO 231
sische drama zurückgegriffen werden können, wo uns kinder, ab-
gesehen von Gryphs Übersetzung der Felicitas von Caussinus und
der Gibeoniter von J. van den Vondel, hauptsächlich bei Hall-
mann begegnen, im 'Theodoricus Veronensis', in der'Hariamne',
der ^Sophia', wo die drei tOchter Fides, Spes und Charitas, 12,
10 und 9jabrig, der mutter im glaubenseifer nicht nachstehn,
endlich in der ^Catharina'; sie sprechen freihch so unkindlich wie
nur denkbar.
Shakespeares einfluss auf motive und stil wird vorsichtig er-
wogen, nur an zwei stellen nimmt J. eine Übereinstimmung im
Wortlaut an. eine dritte scheint mir auch nicht abzuweisen; ich
meine den wahnsinnsausbruch bei Anselmo im 4 aufzug, der an
kOnig Lear III 4 erinnert. ^Die da auf dem Stroh, ich habe zu
thun . . . Hinweg!' . . . 'What art thou that dost grumble there f
the strawl Corne forth . . . AwayV Cschenburg übersetzt: *Wer
bist du denn, der dort auf dem Stroh murmelt? Hervor! . . .
Hinweg!' man ziehe jedoch auch das weitere, besonders Edgars
lied herbei, um zu erkennen, wie unbewust Gerstenberg bei der
ausführung des Wahnsinns von Shakespeare abhängt.
Anregend sind zb. beobachtungen über den stil, zumal der
vergleich mit Klopstocks spräche, mit Lessing, mit Ossian, mit
den geniemännern. die manier der personen, von sich in dritter
person zu sprechen, ist schon dem schlesischen drama eigen; so
sagt zb. Seleucus in ^Antiochus und Straionica' von Hallmann
(s. 64) : ^Seleucus ist nun alt, sein Leben läufft zu Ende\ wo wir
unbedingt die erste person erwarten, ebenso ist dem 17 jh. die
Vorliebe Tür geßingnisscenen eigen.
Nichts vermochte J. Über die Berliner aufführung des Ugolino
zu erkunden; bei Plümicke wird ihrer überhaupt nicht gedacht.
den stimmen über das drama, die J. bespricht, kann noch Witten-
berg angereiht werden; im Beytrag zum Reichs-post-reuter 1768
vom 28 november (92 stück) bewundert er das stück aufs leb-
hafteste, tadelt nur, dass man die geschichte kennen müsse, wenn
man alles verstehn wolle, und findet manches blofs des Zuschauers
willen gesagt. EEBuschmann (vgl. Goedeke v* 256 und ADB
9, 64) schreibt aus Stralsund den 18 Februar 1769 (so statt 1768)
über den eindruck, den die 'Kritischen wälder' auf ihn machten,
und über seine Verwunderung, dass man den vf. nicht erraten
könne, an Nicolai; er nennt Herder als mutmafslichen vf. und
fährt fort: Ich kenne den Herrn von Gerstenberg nicht genau ge^
nug, sonst ist mir eingefallen ^ ob er es seyn könnte, doch dies
Bäthsel wird sich noch wohl auflösen. — Gerstenbergs Ugolino
hat mir im ganzen sehr gefallen und nicht wenig gerührt. Just
vieles, was die Klotz-BibL tadelt, dünkt mich ausnehmend rührend
zu seyn, z, E. wenn Gaddo sagt: du hast wohl gethan, Madonna,
denn deinen armen Knaben hungerte sehf. für die würkung auf
Schiller vgl. Minor i 573.
232 JACOBS GERSTENBERGS UGOLLNO
Nicht den gieicheo günstigen eindruck macht der erste teil
von J.s Schrift, hier wird eine reihe von werken hintereinander
vorgenommen, die nur in dem einen Zusammenhang stehn, dass
sie denselhen stofT behandeln; es ist gar kein versuch gemacht,
im wege der vergleichung resultate sei es für die verschiedenen
nationen oder die verschiedenen Zeiten zu ziehen ; darum erscheint
mir der wert dieser Zusammenstellungen recht fraglich, notizen
über Chaucers ^Erzählung des mOnchs', dann über ein Münchner
Jesuitendrama von 1675, dessen programm J. aufgefunden hat,
dann über Bodmers ^Hungerturm in Pisa' (1709), Ducis verball-
horuung des 'Romeo' durch das Ugolinomotiv(vgl. jetzt JJJusserand
Shakespeare en France sous Tancien regime, Paris 1898), LPhHahns
'Aufruhr', ein anonymes italienisches drama von 1779 usw. bis zu
einem epos von Reuleaux (1878) herunter werden aufgetischt,
zwar ist ein solches aneinanderreihen von Zettelsammlungen mode,
aber wir lernen bei J. höchstens das 6ine, dass vor Gerstenberg,
so viel wir wissen, nur ein einziger versuch gemacht wurde, den
UgolinostofT zu dramatisieren, während sich später solche ver-
suche widerhoien; sie geboren doch gewiss in das capitel *auf-
nähme', übrigens konnte J. auch nur jene drei auftreiben, die
ich für den 'Aufruhr zu Pisa' heranzog, die von Bodmer, Hahn
und Schack.
Andere bedeutung hat die ähnliche, nur viel flüchtigere skizze
in der einleitung zu Gerstenbergs fragment 'der Waldjüngling',
weil es hier darauf ankam, die geistige richtung zu kennzeichnen,
aus der das werk erwächst, mit dem abdruck dieses bruchstücks
hat J. unsere kenntnis Gerstenbergs bereichert, allerdings hat
sich nur eine scene erhalten, die aber durch verschiedene notizen
ergänzt wird. Gerstenberg wollte darnach (wol im jambischen
trimeter, nicht in rhythmischer prosal) unter Rousseaus einfluss
einen naturmenschen in seinem Verhältnis zur cultur darstellen,
ein waldjüngling ist unter den tieren aufgewachsen, hat vieles von
ihnen gelernt, während ihm alles menschliche fremd blieb; wir
haben also etwas ähnliches wie in Kiplings Dschungelbucb vor
uns. die liebe vollzieht am waldjüngling die metamorphose vom
tier zum menschen, wie der conflict, den die exposition an-
deutet, sich entfalten sollte, das geht aus den notizen nicht her-
vor, im ausgeführten teil finden wir starken einfluss der idyllen-
dichtung; mir ists darum recht zweifelhaft, ob wir das fragment
würklicb nach dem Ugolino anzusetzen haben, trotz dem briefe
Boies vom 8 januar 1771. Redlich bemerkt (ADB 9, 61), dass
Gerstenberg 1759 die altnordische geschichte studierte und in
ihr stoße zu dramatischen entwürfen fand, wie im WaldjüDgling
ein bezähmter wilder, so wird in den Tändeleien die bezähmung
der Phyllis durch den kuss (Amors triumph) dargestellt; wie dort
der preis der jagd von Cindis und Hilde gesungen wird, so hier
von den einzelnen liebesgOttern der triumph Amors, auch die
JACOBS GERSTENBERGS UGOLIMO 233
nyrnphe Danaes könote geoanot werdeo, um darzutUD, dass 1759
motive des Waldjünglings bei Gersten berg begegnen, es ist bei
UDserem maogel an quellen für Gerstenbergs entwicklung aller-
diogs mislich, solche datierungsfragen aufzuwerfen, aber mir
scheint doch die Übereinstimmung mit den dichtungen um 1760
mafsgebend. bei der Schweigsamkeit des dichters über seine be-
gonnenen arbeiten ist, wie auch J. bemerkt, aus briefen nichts
zu gewinnen, auch Weifse, der Gerstenbergs erstling 'Turnus'
m bänden gehabt hatte, erwähnt in seinen briefen an Nicolai
nur noch 'kleine gedichte'; er schreibt am 6 Januar 1759 : Hier
JuU mir ein junger Mensch, der Verfasser der kleinen Anakreonti"
sehen Erzählungen, die hey Dycken unter dem Titel Tändeleien
herausgekommen sind, etliche kleine Gedichte zugeschickt; ich habe
nichts als die Satyre über die Mittelmäfsigkeit der Dichter gelesen,
und diese ist in der That nicht schlecht: ich bitte mir sie bald wie-
der aus: er hat mir auch unlängst eine Tragödie zugeschickt, die
er an die Verfasser der BibL übersenden wollte; es waren sehr
schöne Stellen darinnen, aber das ganze taugte nichts, die be-
schäftigung mit der nordischen geschichte f^llt aber erst in die
zweite hälfte des Jahres 1759. J. erwähnt die mahnung Schutzes
vom 16 november 1759, Gerstenberg möge einen altnationalen
Stoff wählen.
J. hat sich mit diesem hefte gut eingeführt; hoffentlich gibt
er uns später eine vollständige monographie über Gerstenberg,
^ie endlich an der zeit wäre.
Lemberg, 14 juni 1899. R. M. Werner.
Goetbestudien von Max Morris, zweiter band. Berlin, Conrad Skopnik, 1898.
236 S8. 8«. — 3 m.
Dem ersten bändchen seiner Goethestudien (vgl. Auz.xxiv 306 ff)
hat Morris in Jahresfrist ein zweites folgen lassen, dieselbe mischung
von eifrigem, oft von erfolg gekröntem Spürsinn, scharfsinniger
combinationsgabe und irreführender zuversiciitlichkeit, wie in der
älteren arbeit, finden wir hier wider.
In den beiden ersten aufsätzen beschäftigt sich H. mit der
herzogin Luise und Christiaue Vulpius in Goethes dich*
tung. auf die erstere bezieht er nicht nur Lila und das ballet Amor,
sondern auch den Triumph der empfindsamkeit (Mandandane),
Proserpina, Tasso (prinzessin), Wilhelm Meister (gräfin), die Jagd
(fürstin) und das Märchen (lilie); ein abbild Christianens findet
er — abgesehen von den dichtungen, die allgemein auf sie be-
zogen werden — in Alexis und Dora, dem Neuen Paris (Alerte)
und der Neuen Melusine, seine ausführungen geben jedoch zu
manchen zweifeln anlass. M.s auslegung des Märchens bleibt ge-
zwungen, und die alten bedenken werden durch das neue ma-
terial, das er beigebracht hat, nicht gehoben, in andern fallen
sind seine deutungen jedesfalls um nichts besser als frühere hypo-
A. F. D. A. XXVI. 16
234 MORRIS 60BTBE8TDDIEÜ II
thesen; das vorbild für ProserpiDa hat man in Glucks nichte,
das von Dora in der schOoeo MailäoderiD sebeo wolleo — und
gewis mit ebensoviel recht, wie M«, wenn er auf die herzogin
und Christiane hinweist, und dass für die prinzessin im Tasso
frau vStein die hauptzüge geliefert hat, ist doch woi keinem
Zweifel unterworfen, bestechend ist H.8 deutung des Triumphs
der empfindsamkeit : das fürstliche paar erinnert in manchen
Zügen an Carl August und Luise, und die beobachtung, dass der
prinz im letzten act mit seinen ernsten werten eigentlich aus der
rolle föUt, ist gewis zutreffend; im ganzen stock sieht M. ein
verhülltes liebesgestdndnis Goethes für die junge herzogin. wenn
nur diese angebliche hebesleidenschaft nicht gar so unwahrschein-
lich wäre! für eine warme und tiefe Verehrung der herzogin
sprechen Goethes briefe an frau vStein allerdings; ist es aber
überhaupt denkbar, dass er in der zeit seiner ersten glühendsten
li^be für diese der gleichen leidenschaft für eine andre frau fähig
gewesen sein soll? auch werden wir beim aufspüren von mo-
delten nie vergessen dürfen, was Goethe am 8 aug. 1776 au frau
vStein schreibt : M hab an meinem Falcken geschrieben, meine
Giovanna unrd viel von Lüi haben, du erlaubst mir aber doch
dafs ich einige Tropfen deines Wesen' s drein giefse, nur so viel
es braucht um zu tingiren. so mögen im Triumph der empfind-
samkeit noch manche andre Persönlichkeiten modell gestanden,
manche andre ereignisse eingewürkt haben, es ligt nahe in Lenz
und seiner unseligen leidenschaft für die herzogin ein vorbild des
priozen zu suchen; ja man konnte sich versucht fühlen, in
einigen stellen des Triumphs der empfindsamkeit (bd 17 s. 62,
11 — 15, s. 65, 4) anspielungen auf Lenzens 'Tantalus' zu ent-
decken. — im Neuen Paris glaubt M. in den drei schönen
Friederike, Lotte BufT und Lili zu erkennen — und was er da-
für anführt, ist recht ansprechend — , wahrend Alerte ein abbild
Cbristianens sein soll ; das würde aber doch gar zu sehr aus dem
rahmen von Dichtung und Wahrheit fallen; eher ist wol ein weib-
liches idealbild darunter zu verstehn, wie es sich der phantasie
des knaben darstellen mag. — auch die Neue Melusine, die Lucius
so glücklich auf Friederike gedeutet hat, ist nach M. ein abbild
Cbristianens. und die entstehungsgescbichte des märchens (1797
concipiert^ 1807 ein jähr nach der kirchlichen trauung ausge-
führt, 1817 ein jähr nach Cbristianens tode verOCTentlicht) scheint
für M. zu sprechen, es Itfsst sich aber schlechterdings kein Zeug-
nis dafür anführen, dass Goethe 1807 ein verlangen nach einem
^durchfeilen des rings' gehabt, und selbst 1797 in der elegie
Amynlas spricht sich das gefühl der unzertrennlicbkeit von
Christiane ergreifend aus, obwohl Goethe hier bekennt:
Ja, die Verrdtherin ist*s! sie schmeichelt mir Leben und GiUer,
Schmeichelt die strebende Kraft, schmeichelt die Hoffnung mir ab.
ferner wissen wir garnicht, ob das Märchen, wie es uns forligt^
MORRIS GOETHESTUDIBN II 235
noch dem plan von 1797 entspricht, der der Überlieferten, Goethe
längst vertrauten sage näher gestanden zu haben scheint (denn
unsre Melusine könnte er nicht ein ^undenisches pygmäenweibchen^
nennen; an Schiller 12 — 14 aug. 1797). es ist sehr wol mög-
lich, dass das Märchen im j. 1812, als Goethe es für Dichtung
und Wahrheit neu dictierte (Tageb. 24 — 29 sept.), noch eine Um-
gestaltung erfahren hat; aber auch 1807 könnte Goethe, angeregt
durch Bettina Brentanos besuch im april (RSteig Achim vArnim
und Clemens Brentano s. 218 u. 35^), bereits im hinblick auf
Friederike das motiv vom durchfeilen des ringes erfunden haben;
wissen wir doch aus Riemers tagebUchern, wie gern sich Goethe
damals in gedanken mit seiner Jugendzeit beschäftigte und auch
mancherlei daraus erzählte, vielleicht erhalten wir durch die Wei-
marer ausgäbe (ein Schema ist ja Tageb. 3, 440 erwähnt) neue
aufschlösse. — nicht vergessen will ich anzuführen, dass M. die
einwQrkung italienischer märchen, die Goethe 1798 . für den
Benvenuto Cellini excerpieren liefs (bd 44 8.414; vgl. s. 358Qt
auf Goethes eigne märchendichtungen wahrscheinlich gemacht
hat; es wäre dankenswert, wenn er diesen spuren weiter nach-
gehn wollte.
Manigfache anregungen und auch sichre positive ergebnisse
verdanken wir M.s Studie über die Fauslparalipomena.
schätzbar sind zunächst zwei wichtige quellennachweise. für die
classiscbe Walpurgisnacht wird eine weitergehnde beoutzung von
Lucans Pharsalia erwiesen, als man bisher angenommen hatte;
über den einfluss Miltons, der durch Loeper und Sprenger
(Engl Stud. 1S93 s. 304/6) bekannt war, werden glückliche be- .
obachtungen mitgeteilt. Par. 131 wird durch briefeiellen gut er-
läutert, für Par. 115. 146. 190 die richtige beziehung ermittelt,
die identität von Par. 111 und v. 5588/9 richtig erkannt; la der
erklärung von Par. 162 hat M. irrtümliche Vermutungen der
Weimarer ausgäbe und Niejahrs berichtigt und noch manche be-
achtenswerte anregUDg gegeben, einige resultate, die er als neu
vorbringt, sind ihm allerdings bereits von andern vorweggenommen :
schon Harnack hat in Par. 1 die formeln für die Wagnerscene
richtig erkannt (VLG. 4, 169), für den grösten könig in Par. 67
hat bereits ESchmidt auf Friedrich den Grofsen hingewiesen
(Anz. XX 289 0, Par. 164 hat schon Strehike zu 8984 ff gestellt,
und Strehike hat auch für Par. 175 vor M. dieselbe erklärung
wie dieser gegeben, immerhin wird man eine klare und sach-
liche recapitulation über Par. 1 gern lesen, weniger gern überall
den zwar geistreichen, aber überkühnen reconstructionen früherer
plane, wie M. sie versucht, zustimmen, nach Par. 123 schliefst
Mephisto mit der Euyo ein bündnis, ^dessen offenkundige be-
dingungen nichts heifsen wollen, die geheimen aber desto merk-
würdiger und folgenreicher sind', auf grund der worte des Par.
127, die Mephisto angebhch zu Enyo sprechen sollte:
16* .
236 MORRIS GOETHESTUDIEN II
Das mvfs dich nicht verdriefsen
Wer kuppelt nicht einmal um selber zu geniefsen.
erklärt M. die gelieimeo bediogungen des Vertrags : 4) Enyo be-
fördert die Vereinigung Fausts mit Helena. 2) sie, die urhäss-
iiche, in der schönheitsfreiidigen Griechenwelt vom liebesgenuss
ausgeschlossen, darf dafür Mephistos reelle gunst in anspruch
nehmen', in die scenen zv?ischen Mephisto und Enyo setzt M.
ferner die Paralipomena 140. 143. 150. 129. 152 u. 132. auf
noch bedenklicheren grundljigen baut sich M.s erklärungsversuch
von Par. 204 auf:
Mir grillts im Kopf kan ichs erreichen
Der listigste von meinen Streichen.
Par. 199 gibt ihm die lösung:
Willst du zu deinem Zweck gelangen
Mufst dir nicht selbst im Wege stehn
Die Griechen wufsten wir zu fangen
Wir machten uns auf eine Weile schön.
wie die Griechen (nach anschauung der kirchenväter) durch
teufel, die sich *für eine weile schön machten^ und ihnen als
götter erschienen, um ihr Seelenheil betrogen wurden, soll Me-
phislo hier den heiligen frieden der enge! durch anreizung zur
Sinnlichkeit stören, ihre rosen würkungslos machen und sie der
gnade verlustig gehn lassen, so vieldeutige verse wie die des
Par. 199 sind wenig geeignet, kühnen deutungen zur stütze zu
dienen. — besonnener und in der hauptsache gewis richtig er-
örtert M. die verschiedenen plane für den abscjiluss des Faust;
nur geben die dalen, die ohne jede begründung geblieben sind,
zu zweifeln anlass. Par. 94 u. 95 sind nach EScbmidl freilich
erst 1824 geschrieben, von ihm aber mit gutem gründe der äl-
testen phase zugewiesen. Goethe hat nämlich am 3 aug. 1815
auf SBoisser^es frage nach dem ende des Faust geäufserl : Das
sage ich nicht, darf es nicht sagen, aber es ist auch schon fertig
und sehr gut und grandios gerathen, aus der besten Zeit . . . Faust
macht im Anfang dem Teufel eine Bedingung, woraus Alles folgt
(Biedermann iii 192). aber auch der dritte plan (appellation Me-
phistos, gericht) wird weiter zurückzudatieren sein, da Goethe
die verse der rosenstreuenden enget schon in einer hs. vom
6 april 1825 an Boisser^e schickt (bd 15,2 s. 149).
Freier noch kann sich die combinationslust bei der ausdeu-
tung der Weissagungen des Bakis ergehn, wo ich auf einzel-
heiten nicht mehr eingehn kann, das verfahren ist dasselbe wie
im ersten band, wenig vertrauenerweckend ist es, dass er zwei
seiner frühern deutungen hier zurücknehmen muss. wo H.s er-
klärungen am einleuchtendsten erscheinen und er gute belege
beibringt (spruch 2. 21. 29. 30), nähert er sich altern auslegungen
(von Viehoff, Ehrlich, Baumgart).
Unter den Miscellen heb ich die Untersuchungen zum Ewigeo
MORRIS GOETHESTUDIEN II 237
Juden und zur Natürlichen tocliter hervor, hier erklärt M., das
'Schema zur fortselzung' schematisiere nicht nur die forlsetzung,
sondern auch das ausgeführle stUck, und versucht dieses Schema
zur aufhelluog des plans auszunutzen, dort wird der entwurf über
Pius VI gut erläutert.
Berlin, februar 1899. Carl Alt.
Novalis samtliche werke, herausgegeben von Carl Meissner, eingeleitet von
Bruno Wille. Florenz und Leipzig, Eugen Diederichs, 1898. xcii und
237. 313. 368 ss. 8«. — 7,60 m.
*Genau hundert jähre nach der drucklegung der ersten Frag-
mente von Novalis, mehr als fünfzig jähre nach dem erscheinen
der letzten aufläge seiner gesammelten werke haben Verleger und
herausgeber gemeint, sei es an der zeit, Novalis lillerar isches
schaffen zum ersten mal ganz vollständig und übersichtlich an-
geordnet, zu veröffentlichen', ein schöner Vorsatz, unseres
wärmsten beifalls werti wir benötigen dringendst eine modernen
anforderungen entsprechende ausgäbe der Schriften und briefe von
Hardenberg, von allen seilen regt sich das Interesse für den see-
lisch tiefsten und künstlerisch begabtesten genossen der altern
romantischen schule, die schriften, die sich mit dem rätselvollen
Seher beschäftigen, mehren sich rasch, gerade ihnen wäre eine
verlässliche grundlage höchst notwendig.
Die erwartungen, die durch jene ankündigung erweckt wer-
den, stimmen sich alsbald herab, wenn der vorbericht fortfährt:
'keine philologisch-kritische ausgäbe mit einer überlast von fufs-
oder schlussnolen , sondern eine ausgäbe für den ästhetischen
geniefser, den gegen wol Weisheit empfindlichen litteraturfreund
sollte geschaffen werden', gewis, zum ästhetischen genusse laden
die vom Verleger reizend ausgestalteten und doch so wohlfeilen
bände ein. die Originalausgaben der deutschen romantiker sind
im allgemeinen viel schöner als die neuern drucke. WSchlegel
und Tieck, Arnim und Brentano, Hoffmann und Chamisso stehn
längst wider in einem sympathischen gewande vor uns; allein Novalis
leidet unter der form, in die ihn GReimer gebracht hat, — frei-
lich nicht nur äufserlich. zur neuen ausgäbe greifen wir gerne;
anspruchslos und praktisch, leicht lesbar und auf gutes papier
gedruckt würkt sie durchaus ästhetisch, es sei denn, dass der
'talmisecessiouistische' Umschlag (so nennt man es ja wol) den
feinfühligeren beleidige.
Leider umhüllt er auch ein ganz dilettantisches machwerk.
keine 'philologisch -kritische ausgäbe' soll geboten werden, den
mund so voll nehmen und verächtlich auf die 'überlast von fufs-
oder Schlussnoten' hindeuten, ist unendlich bequem, freilich
schreibt man sich mit solchen reporlerwendungen die pflicht vor,
besseres zu liefern, ich aber glaube, dass hier wider einmal dem
fuchse die traubcn zu sauer waren, es ligt mir fern, ein wei-
238 MEISSNER NOVALIS SAMTLICHE WERKE
teres publicum von geDiefseDden mit wisseDSchafUichem apparale
zu belästigen, doch zuverlässiges wird auch io populärer form
nur geben, wer auf streng wissenschafüichem boden steht, weil
dem publicum uusre art philologischer textbehandlung inisf<lllt,
ist sie noch lange nicht verwerflich, welche andre Wissenschaft
liefse sich von laien solche vorwürfe bieten? freilich wird auch
auf dem felde moderner philologie die gelehrte arbeit sich besser
innerhalb der engsten kreise abspielen, wird, wer ins weile
dringen soll, lieber nur die resultate aufzeigen, nicht den weg,
auf dem die resultate gefunden worden sind, wer aber diesen
weg nie beschritten hat, ja unfähig ist ihn za gehn, der bleibe
auch mit seinen fictiven resultaten daheim, und vollends soll er
nicht das handwerk schänden ; sonst wird er schlecht und schmäh-
lich enden.
Meifsner glaubt, die aufgäbe eines herausgebers, der 'Novalis
litterarisches schaffen zum ersten male ganz vollständig und
übersichtlich geordnet' vorlegt, beschränke sich auf das
problem, 'aus den zwei bänden der von Schlegel und Tieck
herausgegebenen ersten bis fünften aufläge und dem nachtrags-
band von 1846, den £duard vBülow unter Tiecks ägide ver-
öffentlichte, ein organisches ganzes zu machen', er nimmt ferner
von dort nicht abgedruckten arbeilen Hardenbergs in seine
edilion auf : die vier aus Meusebachs Sammlung von Hoffmann
vFallersleben in den Findlingen i 139 f veröffentlichten gedichte,
den fragmentencyclus 'Glauben und liebe' aus den Jahrbüchern der
preufsischen monarchie (1798. ii 269 — 286), den nur in der
4 aufläge enthaltenen aufsatz 'Die Christenheit oder Europa'.
M. nennt in seinem vorbericht 'das kluge buch Ober Novalis
lyrik von dr Carl Busse' und bezeichnet es als 'dankbar benutzte
grundlage'. natürlich kennt er nicht, was Busse entgangen ist.
ich verweise hier nur auf Anz. xxv 318. allerdings ist es mit der
bibliographie von Hardenbergs scbrifien überhaupt böse bestellt,
der arlikel des neuen Goedeke ist unvollständig; und auch FBlei
gibt sich teuschungen hin, wenn er ('Die gedichte des Novalis',
Reclams univ.-bibl. 3831, s. 106 ff) seine immerhin dankenswerten
Zusammenstellungen für vollständig hält.
Von Vollständigkeit kann auch bei M. die rede nicht sein,
doch viel schwerer fällt ins gewicht, dass er überhaupt die aus-
gäbe von FSchlegel, Tieck und Bülow zu gründe legt, wer nur
ein wenig umschau hält, überzeugt sich sofort, unter wie mis-
lieben umständen sie zu stände gekommen ist. Hardenberg ist
am 25 märz 1801 gestorben, bis zu diesem tage war von seinen
werken nur ein bruchleil veröffentlicht, und zwar : im Neuen
Teutschen Merkur 1791 die Klagen eines Jünglings, im Athenäum
1798 und 1800 die aphorismensammlung Blüthenstaub, sein an-
teil an den Athenäumsfragmenten und die Hymnen an die nacht,
in den Jahrbüchern der preufsischen monarchie von 1798 der
MEISSNEB NOVALIS SÄKTLICHB WERKE 239
cyclus Blumen uod der aufsatz Glaube und liebe, für das Athe-
Däuno be$timmt war der aufsatz Die Christenheit oder Europa;
er lag druckreif vor, kam aber nicht zur Veröffentlichung. fQr
den Musenalmanach, den AWSchlegel und Tieck zum j. 1802
rüsteten, hatte er das gedieht An Tieck und (vermutlich) die 7
ersten Geistlichen lieder vorbereitet (vgl. Raich Novalis briefwechsel
s. 132, Holtei Briefe an Tieck in 245). endlich war der erste
teil des romans Heinrich vOfterdingen im mscr. fertiggestellt.
Wie wenig Sorgfalt die herausgeber der Originalausgabe
diesem materiale angedeihen liefsen, erweise die entstehungsge-
schichte dieser edition. ich gebe im folgenden die wichtigsten
daten aus dem gedruckten materiale und füge aus ungedruckiem
einige notizen hinzu, die ich dem künftigen herausgeber von
Tiecks briefen. Gotthold Klee, zu danken habe; er stellte mir die
einschlägigen briefe Tiecks an Wilhelm Schlegel und Sophie
Bernhardi und Tiecks briefe an Reimer freundlichst zur Ver-
fügung.
Zunächst sei der abdruck des *Ofterdi ngen', also der
1 band der ausgäbe, ins äuge gefasst.
Zu Hardenbergs lehzeiten noch hatte Wilhelm Schlegel dem
freunde einen Verleger verschalTt (Holtei Briefe an Tieck iii 254.
259). als Novalis zu Weifsenfeis in Friedrich Schlegels armen
verschied, hinterhefs er nur ein fragment des romans; den
freunden stellte sich vor allem das problem, in welcher form
sie das unvollendete werk des wenig bekannten dichters dem
publicum vorlegen sollten. Wilhelm Schlegel, damals in Berlin,
scheint mit den freunden^ die idee ausgeheckt zu haben, Mer
Afierdingeu müsse von fremder band vollendet werden', etwa von
Tieck. wenigstens bekämpft Friedrichs brief an Wilhelm vom
17 april 1801 mit gewichtigen, einsichtsvollen gründen den ver*
kehrten gedanken : Mag doch jeder von uns den Krieg zu Warte-
bürg behandeln nach seiner Weise; das thue ich leidU auch ein-
mal . . . Aber den Afterdingen ^ unsres Novalis wird wahrlich
> zu diesen ist Schleiermacber zu zählen, vgl. Aus Schleie nnachers
leben in briefen iii 268. ferner wol Sophie Bernhardi.
' in meiner ausgäbe halte ich (1890) die form Aßerdingen an diesen
stellen, der hs. folgend, festgehalten, das iohaltsverzeicbnis des Mosen-
almanachs f. d. j. 1802 spricht gleichfalls (s. iv) von dem roman Heinrieh von
Afterdingen, so viel ich sehe, hat man seither diese tatsacbe nicht näher in
betracht gezogen, die form Ofterdingen scheint wol erst nachtriglich von Tieck
gewählt worden zu sein, da sie doch 1802 im Musenalmanach noch nicht
erscheint, noch Erduin Julius Kochs Gompendinm der deutschen litteratar-
geschichte (Berlin 1795) i 98 schreibt : Heinrieh v. Ofterdingen {After dingen^
Eflerdingen); Jördens Lexikon deutscher dichter und prosaisten (Leipzig 1808)
ni 633 : Heinrich von Ofterdingen(Affterdingen^Effterdingen), die namens-
form Afterdingen durfte wol auch in den hss. der andern romantischen brief-
wechsel erscheinen, die im drucke die spätere form Ofterdingen festhalten,
jene ältere aber scheint mir einen fingerzeig zu geben, wo Hardenbergs
quelle zu suchen ist. so viel ich sehe, hat man sich um seine vorlagen
240 MEISSNER NOVAUS SÄMTLICHE WERKE
keiner von uns vollenden und keiner fortsetzen und wenn er sich
in Kochstückchen schnitte. Und vollends Tiedk. Dieser ist in allem
Mechanischen dem Hardenberg so weit überlegen, dass alles was da
ist, durchaus zerstört und umgebildet werden müsste, wenn das
Ganze nur einige Harmonie haben sollte. Aber was der Kern und
das Wesen ist in jenem göttlichen Fragmente, das liegt fem ab von
allem wenigstens, was Tieck sagt und sagen kann, wie tief blickte
FScblegel beiden m dieküDStlerseelel er fügte die hochwicbtige
bemerkuDg binzu : Hardenbergs Mittheilungen über den 2^^" Theil
können nun vollends gar nichts gelten; noch den letzten Tag sagte
er mir, dass er seinen Plan ganz und durchaus geändert habe
(s. 477).
Aofangs mai 1801 traf FScblegel mit Tieck in Leipzig zu-
sammen (an Wilbelm s. 482); dort wurde über die berausgabe
beraten, alsbald wendete sieb Tieck zweimal brieflich an Wilh«
Scblegel, in dessen bänden der erste teil des romans war, und
bittet um Zusendung des manuscripts (Tieck an WScblegel, bei
Klette nr 13 u. 15 bsl.); er babe eine sebnsucbt danach, die er nicht
sagen könne, ein späterer brief Tiecks (Klette nr 17, bsl. vom
juli 1801) lehrt, wie das manuscript in Wilhelms bände gekommen
war. Novalis hatte es an Wilhelm und Tieck nach Berlin ge-
sendet. Tieck nahm es mit, um es dem Verleger Unger zu zeigen,
er hatte den auftrag, 'die spräche hier und da zu ändern'. Unger
gab es Tieck zurück, der es in Berlin bei seiner abreise nach
Sachsen in Wilhelms bänden liefs, und zwar unter dem ver-
sprechen , es Tieck sogleich auf verlangen zurückzustellen, so
berichtet wenigstens Tieck. WScblegel hingegen ist in seinem
briefe an Tieck vom 13 juni 1801 (Holte! ni 254) wenig geneigt,
das manuscript Sn der weit herumreisen zu lassen'. Unger wollte
das fragment nicht abdrucken; Wilhelm schützt vor, er müsse,
um einen andern Verleger zu suchen, das manuscript behalten,
er legt wert auf Hardenbergs wünsch, das buch ganz in der ge-
stalt von Goethes Wilhelm Meister drucken zu lassen, sollte kein
bisher nicht gekümmert. Tieck teilt (i^ s. xxi) mit, dass Novaiis in der bi-
bliolhek KWFvFunks, der 1791 seine biograpbie des Hohenstaufen Friedrich n
veröffentlicht hatte (vgl. Friedrich an Wilhelm Schlegel s. 181) in dessen
Chroniken schon im Frühjahr 1799 auf die Sage von Oflerdingen ge-
stofsen sei. Wilhelm Schlegel (an Tieck m 259) aber betont, dass No-
valis nachträglich durch ihn die behandlang des kriegs zu Wartburg in den
Minnesängern kennen gelernt habe. Hardenberg ist also nicht von Bodmers
Sammlung von minnesingern aus dem schwäbischen zeitpnncte (Zürich 17580
ausgegangen, die (ii Iflf) den Wartburgkrieg nach der Manessischen hs. mit
laa. der Jenenser abdruckt, vielmehr wol von Menckens Scriptores rerum
Germanicarum, praecipue Saxonicarum (Lips. 1728), die (u 2035 ff) Johannes
Rotes leben der heiligen Elisabeth nach der jüngsten Gothaer abschrift
abdrucken, hier findet sich die namensform Aßerdingen (vgl. GTLLucas
Ober den krieg von Wartburg, Königsberg 1838, s. 6 v. 67 uö.), während
Bodmer OfterUngen druckt, ich beballe mir vor, die hier gegebenen an-
deutungen weiter zu verfolgen.
MEISSNER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE 241
Verleger sich finden, so möchte er die kosten des drucks durch
eine subscriplion unter den freunden aufbringen. Tiecks antwort
(Klette nr 17 hsl.), das werk einer verdriefslichen stunde, stellt
sich punct für punct gegen Wilhelms vorschlage, er will nichts
von subscription^ nichts von der ausstattung des Wilhelm Meister
wissen (*da das buch jetzt eine andre absiebt hat'), insbesondre
aber schreibt derselbe Tieck, der bis dahin nur seine ^Sehnsucht'
nach dem buche Wilhelm gegenüber geäufsert hatte : Du kannst
ja nicht wissen, ob nicht zwischen mir und Friedrich eine Abrede
wegen der Herausgabe statt findet, ob wir nicht mit [Novalis bruder]
Carl von Hardenberg einig sind, ob ich nicht das Mskpt, so weit
der Ofterdingen fortgesetzt ist, in Händen habe, ob ich nicht mit
einem Verleger [Reimer in Berlin] so gut wie einig bin. ich sage
Dir, dass alles dieses der Fall ist. ausdrücklich verwahrt er sich,
dass es ihm bei der herausgäbe des buchs um ehre oder vorteil
zu tun sei. und nach all den geschäftlichen beweisgrUnden der
rückgabe meldet eine nachschrift, et* brauche den roman, ihn von
neuem zu studieren . . . Er gehört mir zu Böhme, zu dem ich
beständige Studien mache, der brief macht einen unzweideutig
unerfreulichen eindruck. gestützt auf die Leipziger Verhandlungen
mit Friedrich, von denen Wilhelm nichts wissen konnte, sucht
Tieck den altern Schlegel aus dem kreise der herausgeber zu
verdrängen, ja, ein blick in Carl vHardenbergs schreiben an Tieck
vom 16 juni (Hollei i 315Q offenbart, dass auch Friedrich aus-
geschlossen oder wenigstens nach kräflen kaltgestellt werden
sollte; Carl vHardenberg hatte die versprochne fortsetzung des
Ofterdingen gesendet (Tiecks behauptung im briefe an Wilhelm,
dass er den Ofterdingen, soweit er fortgesetzt sei, in bänden
habe, ist also richtig) und bemerkt : Von seinen [Novalis] Papiereti
schikke ich Fr. Schlegel nächstens einiges von den letzten Aufsätzen,
aber mit vieler Auswahl; Sie mein guter Tieck sollen sie ohne Aus-
wahl haben; Sie würden gewifs meine Gründe billigen, man fühlt:
Carl vHardenberg intriguiert mit Tieck gegen das Scblegelsche
brüderpaar. Wilhelm merkte denu auch sofort die absieht und
erwiderte Tiecks schreiben mit einem langen scheltbriefe (10 juli
1801; Holtei iii 258(1). er plädiert nochmals für seine vorschlage,
lässt Tieck deutlich fühlen, dass wer sich ohne anlass entschuldige,
sein eigner ankläger sei, und weist auf seine herausgeberrechte
hin : Die allgemeinen Ansprüche auf die Herausgabe wären . . . we^
nigstens gleich; dem Bruder des Verstorbenen steht allerdings das
Recht zu, eine nähere Vollmacht z%i ertheilen, allein, wenn ich ihr
Folge leisten sollte, so musste ich davon wissen, es empört ihn
innerlich, dass über den heiligen nachlass eines von ihm innigst
geliebten und betrauerten freundes ein gemeines gezänk entstehn
solle, wie Tieck es zu erheben anfange. — tatsächlich ist Wilhelm
seit diesem briefe an der ausgäbe von Novalis nachlass so gut
wie nicht mehr beteiligt; vorläufig zieht er sich gekränkt ganz
242 BIEISSNER N0YALI8 SÄMTLICHE WBBKE
zurück. SO macht sich auch hier die böse zwiststimmuDg geltend,
die um jene zeit im romantischen lager berschte. verfeindete
sich doch auch Friedrich bald darauf mit Wilhelm, wenigstens
zeitweilig, um Carolinens willen (Scblegelbriefe 8.487(1). in dem
streite um Caroline steht Tieck auf Friedrichs seite : allein auch
Friedrichs bänden wurde durch die vereinten bemühungen Tiecks
und Carls vHardenberg die cdition entwunden, im nov. 1801
ist Friedrich bereits völlig einverstanden, dass Tieck den fertigen
ersten teil des Ofterdingen, das fragment des zweiten teils und
einen bericht von dem, was Novalis mündlich Tieck über die fort-
setzuug gesagt, zum abdruck bringe (Holtei lu 317). er scheint
im november vergessen zu haben, was er im april gewust hatte,
dass nämlich Hardenberg zuletzt ^seinen plan ganz und durchaus
geändert habe', seine mitteilungen über die fortsetzung also völlig
wertlos wären, dem drucke des Ofterdingen aber stand er so
fern, dass er am 18 märz 1802 Schleiermacher, der die correctur
las^ bitten muste, ihm doch ja aushängebogeu zu schicken (Aus
Schleiermachers leben in 309).
Tieck indes hatte selbst wenig freude an diesem Zugeständ-
nisse Friedrichs, im septerober (?) 1802 — so lange schob er
die arbeit hinaus — sendet er an den Verleger Reimer ^den be-
richt vom Inhalt des 2 teils von Ofterdingen'. er habe ihn so
kurz als möglich abgefasst, *weil dieser teil doch stärker wird,
als der erste, und weil nichts schwieriger ist, als einen solchen
geistvollen, originalen und tiefsinnigen plan mitzuteilen', dieser
kleine aufsatz habe ihn mehr mühe gekostet, als es ihm irgend
ein leser ansehen könne, im vorbericht zur ersten aufgäbe ge-
steht er dann vollends zu, dass ihm die andeutuogen über die
fortsetzung selbst problematisch blieben.
Noch weit böser als mit der ausgäbe des ^Ofterdingen' sieht
es mit dem abdrucke von Hardenbergs Fragmenten.
Köpke (Ludwig Tieck i 288) teilt mit: Mn der ahnung
eines frühen todes hatte Novalis gewisse papiere bezeichnet, die
von Tieck oder FSchlegel eröffnet werden sollten, ihnen allein
traute er das rechte verstäudnis seiner gedanken zu. sie waren
zu Vollziehern seines litterarischen testamentes bestimmt'. FSchlegel
aber schreibt am 6 april 1801 an seinen bruder (s. 475), er habe
Carl Hardenberg vorläufig beschworen, von Novalis papieren nichts
uutergehn zu lassen, und fügt hinzu: Auf den fhäosophiscken
und physikalischen nachlass mache idi nebst Ritter ansjpruth. KOpke
wie FSchlegel haben ohne zweifei den teil des nachlasses im aoge,
der in der form der Fragmente später zu tage trat, es bandelt
sich um die papiere, die Carl Hardenberg (an Tieck 16 juni 1801;
Holtei I 315 f) nur teilweise an FSclilegel, ganz aber an Tieck
senden will, wie wir schon oben gesehen haben, wie wenig
Carl Hardenberg gewillt war, FSchlegel die redaction der papiere
zu überlassen, zeigt auch sein weiteres intrigantes gebaren.
MEISSNER NOVALIS SÄMTLICHE WEBEE 243
anfang noTember traf er mit Friedrich in Jena zusaromeo. Friedrich
berichtete an Tieck von ihren Verhandlungen am 5 november 1801
(Holtei III, 317): Er war nur eine Stunde bei mir, indeuen habe
ich doth gleich die Zeit benutzt^ um über die Herausgabe von Novalis
Schriften das Nölhige mit ihm zu reden. Er war Alles sehr zu-
frieden, wie du es eingerichtet hast^ und wie ich es ihm vorschlug'.
gänzlich dieser mitteilung widersprechend schreibt Carl Hardenberg
an Tieck (Holtei i 317), er habe nur wenige worte mit Friedrich
gesprochen, und weist die arbeit völlig Tieck zu. ''Machen Sie
es ganz in ihrem Sinne; Sie guter Tieck, kannten unseren Fritz
am tiefsten in Hinsicht seiner litterarischen Arbeit, und Sie können
am Besten urtheilen, was dem Druck kann übergeben werden*, er
behält sich nur eine kleine auswahl unbedeutender aufsätze aus
früheren jähren vor. Tieck freilich stand dem nachlasse Harden-
bergs doch zu fern^ um Carl Hardenbergs wünsch vollauf erfüllen
zu können; und er Uberlässt Friedrich die erste redaction, deren
principien dieser schon am 5 november 1801 Tieck gegenüber
entwickelt hatte (Holtei iii 317): man sollte aus dem uugedruckten
materiale fragmente auswählen. Zu diesen denke ich das Beste
ujid Wichtigste aus dem Blüthenstaub , Glauben und Liebe
und [die Christenheit oder] Europa zu nehmen. Da alle diese drei
Aufsätze in ihrer Ganzheit und individuellen Beziehung nur irre
leiten würden über den Charakter des Schriftellers. mit der durch-
sieht des ungedruckten materials hatte es aber seine guten wege.
zwar bekam Friedrich von Carl Hardenberg im frübjahr 1802 —
spät genug — eine auswahl dieser papiere (Schlegelbriefe s. 494);
allein der umfang des nachlasses bedingte, dass er an ort und
stelle eingesehen werde, am 6 mai 1802 erwartet Carl Hardenberg
noch immer FSchlegel in Weifsenfeis, um mit ihm gemeinsam die re-
daction vorzunehmen (Holtei i 321). tatsächlich dürfte FSchlegel
erst ende mai 1802 in Weifsenfeis gewesen sein (Holtei iii 323);
und zwar auf seiner fluchtähnlichen reise nach Paris, wieviel er
in übereilter arbeit dort zu stände gebracht hat, entzieht sich unserer
beurteilung. sicherlich hat er später keinen weiteren anteil mehr
genommen, ende juli 1802 trägt er von Paris aus Carl Harden-
berg auf, Tieck zu bitten, er möge allein den 2 teil der Schriften,
also auch die Fragmente, besorgen (Holtei i 323). im September
schreibt er dem bruder Wilhelm, man solle Tieck treiben, den
2 teil zu scbalfen: sonst werde er rasend und komme nach
Deutschland zurück, ihn selbst zu machen (s.497); am 10 november
freut er sich der Vollendung des Werkes (Holtei in 327; vgl.
Schlegel briefe s. 498).
Tieck jedoch war die jetzt allein auf seinen schultern ruhende
arbeit nicht leicht geworden; das bezeugen seine hsl. briefe an
Reimer, im September (?) 1802 weist er auf die mühe und zeit
hin, die ihn di<; Ordnung der Fragmente gekostet hat, wider-
holt im october (?) dieselbe klage und fügt hinzu: M habe die
244 MEISSNER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE
Fragmente selbst mit genauer Prüfung gewählt^ und manches weg-
gelassen, was ich wohl aufnehmen wollte, und schon einmal abge-
schrieben hatte, aber das Mscpt, würde zu sehr angewachsen sein,
dafür kann man nun nicht gut nach meiner Ueberzeugung ein
einziges Fragment weglassen ohne dem Verf. und diesem Buche unrecht
zu tun, welches doch nun so ziemlich enthält, was er bis zu dieser
Lebensperiode wollte, suchte und erkannt hatte, in dem vorbericbte
(1er ausgäbe meldet er endlicb, die fiagmente seien leils den
Sammlungen Blütbenslaub und Glauben und Liebe entnommen (die
Christenheil oder Europa wird, obgleich nach Friedrichs anweisung
benutzt, nicht erwähnt), teils entstammten sie den zu verschiedenen
Zeiten niedergeschriebenen nachlasspapieren, die meisten dieser
seien dem entwürfe eines encyklopädischen Werkes entlehnt, in
welchem Erfahrungen und Ideen aus verschiedenen Wissenschaften sich
gegenseitig erklären, unterstützen und beleben sollten. FSchlegei
habe 'hauptsächlich die auswahl getrofTen', er selbst den versuch
gemacht, die fragmente 'in verschiedenen abteilungen in eine art
von Ordnung zu bringen', streng sei die prüfung gewesen, der
grüste teil der fragmente nur aus raumrücksichten zurückge-
blieben.
Und merkwürdig genug: um diese ausgäbe der Fragmente
zu Stande zu bringen, konnte Tieck zuletzt doch der hilfe WSchlegels
nicht entraten. dieser einst so unschön ausgeschlossene mitarbeiler
muss die correcturen für ihn lesen, die hsl. briefe an Reimer und
Sophie Bernhardi (vgl. auch Holtei iii 274) beweisen, welchen
wert Tieck auf diese Unterstützung Wilhelms legte, sie kam
natürlich auch den übrigen abteilungen des 2 bandes zu gute.
Von diesen übrigen abteilungen ist nur wenig zu sagen,
die Hymnen an die Macht liefs auf FSchlegels wünsch (Holtei iii,
318) Tieck unmittelbar aus dem Athenäum abdrucken; er gibt
Reimer in diesem sinne seine auftrage, ebenso wurden die Geist-
lichen lieder i — vii ohne änderung ihrer reihenfolge aus dem
Musenalmanach von AWSchlegel und LTieck herübergenommen
und ihnen unmittelbar die folgenden acht nrr viii — xv angefügt,
die Carl Hardenberg am 18 Januar 1802 (Holtei i 319) Tieck
übersendet hatte, die vermischten gedichte umfassen das im
Musenalmanach abgedruckte gedieht *An Tieck* und 5 weitere
stücke, auf die Lehrlinge zu Sais scheint FSchlegei Hardenbergs
bruder aufmerksam gemacht zu haben; sie galten schon als ver-
loren (Holtei I 318 zu iii 317; dann i 320). triumphierend
meldete Tieck seiner Schwester Sophie Bernhardi im September (?)
1802, das nianuscript sei gefunden, welches nadi meinem Gefühl
das schönste ist, was er noch jemals gemacht hat (vgl. Holtei in
274 und den brief an Reimer v. septb. 1802).
So entstand die erste ausgäbe von Hardenbergs schrifien.
sie erlebte bekanntlich fünf auflagen, der dritten (1815) setzte
Tieck eine skizze von Novalis leben vor. der vierten (1826)
MEISS?(ER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE 245
fugte FSchlegel den aufsatz die Christenheit oder Europa ein,
den Tieck in der fünften (1837) wider beseitigte, zur geschichte
dieser contraverse verweise ich auf Raich (Novalis briefwechsel
s. 145fr). sein 'lörichles verfahren' (Haym) begründet Tieck in
einer besonderen vorrede zur fünften aufläge (vgl. auch Hoffmanns
Findlinge s. 195 ff), seit der vierten aufläge finden sich ferner
in der Schlegel-Tieckschen ausgäbe auch die Blumen, das gedieht
Der Fremdling und 3 briefe Hardenbergs.
Offenbart die geschichte der beiden ersten bände, unter
wie mislichen uoDsländen die Schlegel-Tiecksche ausgäbe von
Novalis Schriften zu stände gekommen ist, so ist auch der
3 band, den Tieck mit EvBülow 1846 veröffentlichte, ein be-
klagenswerter notbau. das schwierige werk, die fragmenten-
niasse des zweiten bandes aus den nachlasspapieren zu er-
gänzen und die erste auswahl durch sorgsamere Zusammen-
stellungen zu ersetzen, war dem alten Tieck viel zu mühsam,
seine auch bei der fortsetzung von AWSchlegels Shakespeare
betätigte fertigkeit, andre für sich arbeiten zu lassen, kam ihm
zu hilfe. EvBülow, 'ein jüngerer, rüstiger und unermUdeter
freund' überhebt ihn der mühe (vorr. s. iv). Bülow wählt einige
Jugendgedichte unter vielen aus, die ihm der mitteilung nicht
wert schienen, vereinigt unter dem titel Verstreute Blätter: Harden-
bergs Charakteristik seiner braut Sophie vKübn, den dialog Die
Naturlehre, den 'Monolog' vom sprechen und schreiben, den ur-
sprünglichen anfang des 2 bandes vOfterdingen, drei entwürfe
zu novellen und ein auf die Lehrlinge zu Sais bezügliches notiz-
blatt, macht ferner mitteilungen aus Novalis tagebuche und druckt
einige weitere briefe ab. endlich bringt er eine neue auswahl
von über 600 fragmenlen, die er den schon mitgeteilten für
ebenbürtig hält, und ordnet sie in zwei grofse gruppen: Poesie
und Kunst einerseits, Wissenschaft und Leben anderseits, sie
entstammen dem ungedruckten nachlass und auch wider den ge-
druckten aufsützen (vgl. Haym s. 340*). über den weiteren nach-
lass Hardenbergs gibt er (s.xi) flüchtige notizen: Übersetzungen, an-
Icinge zu dramen, unvollendete wissenschaftliche arbeiten fanden
sich vor; sie seien durchweg jugendversuche, er weifs auch
von der existeuz bedeutender briefschälze Hardenbergs, ohne dass
ihm geglückt wäre, ihrer habhaft zu werden.
Dem Vorworte Tiecks und dem vorberichte Bülows folgt ein
abdruck der biographie Hardenbergs, die sein freund Just in
Schlichtegrolls Nekrolog der Teutschen für das neunzehnte Jahr-
hundert (Gotha 1805. iv 187 — 241) gestiftet hatte. Schlichte-
grolls — wie mir scheint, nicht uninteressantes nachwort (ebenda
s. 241 — 261) — kam nicht zum neudruck.
Diese WSchlegel entwundene und zuletzt doch von ihm
corrigierte, von FSchlegel gegen seine bessere Überzeugung in-
spirierte und in zwölfter stunde beihin angeordnete, von Tieck
246 MEISSNER NOVALIS SÄMTLICHE WERKS
mit müh und not ztisaromeDgestoppelte, dano tod FSchlegel er-
gänzte, von Tieck wider unTollstandiger gemachte, vod Bülow
endlich mit einem übel ergänzenden anbau versehene ausgebe
von Hardenbergs Schriften ist von M. zur grundlage gewählt
worden I und wie vollends bewegt er sich auf diesen schwankenden
unsicheren bodenl
Heinrich vOfterdingen eröffnet den 2 band, die obigen aus-
Führungen erhärten wol hinreichend, wie wenig dem nachwort
Tiecks zu trauen ist. eine kritische ausgäbe sollte sicher nicht
in gleichen lettern , nur mit dem vermerk Won hier ab spricht
Ludwig Tieck' (iii 237) und ohne einen unzweideutigen binweis
auf seine entstehung und seinen geringen wert dieses nachwort
abdrucken, freilich übt auch M. an dem elaborate Tieck»
kritik, aber nur ganz versteckt deutet er (i s. vi) auf seinen
eingriff bin. das buch *FvHanlenberg (genannt Novalis) eine
nachlese aus den quellen des familienarchivs' druckt (s.*21 7) ein
paar Zeilen von einem entwürfe des 2 teiles ab. Tieck benutzte
sichtlich dieses nachlasspapier; seine darstellung (Schlegel*Tieck
i^ 248) schiebt, vermutlich aus einem anderen brouillon, einiges
ein und schliefst den absatz: Mehrere Lieder soUu» hier folgen.
in Novalis entwürfe heifst es einfach: Marienlieder. M. folgt der
ursprünglichen la. und fügt alsdann die beiden Marienlieder Wer
einmal^ Mutter, dich erblickt und Ich sehe dich in tausend Bädern
ein. wie passt dies vorgehn zu der ankündigung, dass Tieck
hier spreche? zum mindesten war anzudeuten, dass Tieck eben
anderes hingeschrieben habe.
Noch sonderbarer und noch weit unkritischer ist es, wenn
M. den von Bülow aus dem nachlasse (iii 122) mitgeteilten Ersten
entwurf des anfangs zum zweiten teile des Ofterdingen ganz
ungeniert, soweit er neues bot, mit dem tatsächlichen anfange zu
einem ganzen zusammenschweifst, dh. die ersten zwei drittel des
Entwurfes (ii 213) abdruckt und dann auf der nächsten seite
erst mit den uns geläufigen eingangsworten Auf dem sdimalen
Fufssteige . . . fortHlhrt. Bülows mitteilung hat die form eines
unausgeführten hrouillons, dem gegenüber der anfang des 2 teiles,
wie ihn die ausgäbe von Schlegel und Tieck bietet, als letzte vod
dem dichter gewählte form gelten darf, ein kritischer heraus-
geber soll aber den dichter so herausgeben, wie dieser selbst dem
publicum sich zeigen wollte, hier wie im vorhergehnden falle
scheint mir zunächst die angst vor dem vielgeschmähten kritischen
apparat zu fehlgriffen geführt zu haben, das letze drittel des
hrouillons wird mau nach wie vor in Bülows 3 bände suchen
müssen. M. hat ihm keinen platz angewiesen.
Ganz unnötig war es, die ^gedichte aus dem HvOflerdingen,
soweit sie losgelöst verständlich sind und selbständigen poetischen
wert haben', auch noch als besondere gruppe in die Sammlung
der gedichte des i bandes einzureihen, zunächst eine Ober-
MEISSNER NOVALIS SÄUTLICHE WEBKB 247
flQssige ausdehnuDg der ausgäbe! wenn Novalis selbsl, wie etwa
Goethe, die lyrischen einlegen seiner erzählenden dichtung zu
neuen |kunslvollen gruppen geordnet hatte^ dann wäre M. ja sicher
im recht, das ist indes nicht der fall. M. hatte allerdings noch
einen anderen anlass. die von Bülow abgedruckten gedichte
Fragment und Das Gedicht hat Busse (s. 127 0 mit einiger Wahr-
scheinlichkeit der fortsetzung des Oiterdingen zugewiesen, ja sogar
die stellen in Tiecks nach wort kenntlich gemacht, an die jene
gedichte gehören, diesmal wagte indes M. nicht, was er mit
den Marieniiedern getan; es fehlt ihm aber auch die mOglichkeit,
den Zusammenhang mit dem roman anzudeuten, da er kritische
anmerkuugen scheut, so mufs denn innerhalb der gedichte eine
besondere rubrik der Gedichte aus BvOfterdingen entstehn; und
hier bringt er das Fragment und Das Gedicht unter, das ver-
fahren mag logisch scheinen, ist aber verblüffend unkritisch.
Dass die Marienlieder innerhalb der Gedichte auch zu der
Ofterdingengruppe gestellt werden, dass also für die Geisthchen
lieder statt der 14 nrr Schlegels und Tiecks nur 12 erübrigen,
ist kritisch wol unanfechtbar; denn nur die beiden herausgeber
(nicht aber Movalis selbst) haben die Marienlieder den Geistlichen
gedichten zugeordnet, ^die vermischten gedichte sind, insoweit
sich biographische anhalte ergaben^ nach diesen, und, wo diese
versagten, nach dem dichterischen reifegrad chronologisch ge-
ordnet', im wesentlichen sind der anordnung die ergebnisse Busses
(aao. s. 99 fr) zu gründe gelegt, nochmals sei auf die M. wie
Busse unbekaoote» Jugenddichtungen hingewiesen (s.oben s. 238)»
das lied Was passt, das muss sich runden (i 227) und das sonett
In stiller Treue sieht man gern ihn walten (i 233) sind mit Busse
den adressaten Tieck und Carl vHardenberg zugewiesen, allerdings
mit(sehrnotwendigen I) fragezeichen. erstaunlicher ist, dasseinzelnea
liedern ohne weitres titel geschenkt werden: s. 223 Lebenskunst^
s. 228 Frühlingslied, s. 230 Sehnsucht und erfüUungi
Zum abdruck der Lehrlinge zu Sais (n 257 ff) ist nur zu
bemerken, dass der von Bülow (iii 125) mitgeteilte entwurf der
fortsetzung dem texte angefügt ist. allerdings hätten die beiden
distichen (i 218) hier oder an der stelle ihres abdruckes mit dem
fragmente iu beziehung gesetzt werden sollen, sie gehören den
Lehrlingen doch wol weit sicherer an, als einzelne der von M»
mit Busse angezogenen gedichte dem Ofterdingen (vgl. Busse s. 156)»
Die Hymnen an die Nacht (i 79fT) hätte M. am liebsten in
verszeilen abgeteilt, wenigstens die ersten vier; ^umsomehr, da
es neuerdings wider von Busse nachgewiesen ist, dass sie ur-
sprünglich von Novalis selbst als freie rhythmen geplant waren*^
(i s. v). wie es mit diesem nachweis Busses steht, hab ich in
dieser Zeitschrift (xxv 319) darzulegen versucht. Minors angäbe,
dass die Bymnen in versificierter form existieren, und dass das
Hardenbergsche archiv diese urgestalt der dichtung nebst einem
248 MEISSNER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE
reichen schätze andrer handschriften von Novalis hirgt (DLZ 1888
nr 12), ist auch M. entgangen, und das rächl sieb insbesondere
an seiner hehandlung der Fragmente.
Die oben gegebene geschichle der Schlegel-Tieck-Bülowschen
ausgäbe beweist zur genüge, unter wie mislichen umständen
gerade die auswahl und anordnung der Fragmente zustande ge-
kommen ist. wenn irgendwo, so war es hier nötig, an die originale
heranzutreten, vielleicht liefse sich aus dem nachlasse auch heute
noch das ^encyklop[idische werk' reconstruieren, auf das Tieck im
vorberichte hinweist, da M. diesen, einem kritischen herausgeber
vorgeschriebenen weg nicht betreten hat, gilt es zu erkunden,
was mit dem gedruckten materiale anzufangen war, und wie er
mit ihm verfuhr.
Gewis, mit den beiden Sammlungen, der auswahl Tiecks und
der nachlese Bülows, braucht man nicht allzu zimperlich zu
verfahren, sie versinnbildlichen in keiner beziehung Hardenbergs
eigne absiebten. M. durfte (was er getan bat) die Fragmente
des 3 bandes denen des 2ten einordnen, er durfte aus beiden
gruppen ein neues ganzes machen, er begnügte sich zwei grofse
abteilungen herzustellen : Fragmente über ästhetisches (iii 1 ff)
und Fragmente über ethisches, philosophisches und wissenschaft-
liches (iif soff), beide abteilungen nehmen ihren Stoff aus den
Sammlungen so Tiecks wie Bülows. die erste umfasst im wesent-
lichen: iiM70— 193. 218—231. iii 163— 189, die zweite: ii*
193—204. 105—169. ui 189—206. 212—324. ii» 232—276.
zwischen den beiden gruppen (s. 6311) stehn die Dialogen (ii^
204 — 218). diese anordnung, über deren reihenfolge ich mit
M. nicht zu rechten gedenke, hat er 'nach mancherlei versuchen
der parcellierung des schönen urwalds voll eigenartig zarter
und starker gedankengewächse' einer 'streng systematischen ein-
f^cherung' vorgezogen (i s. vii). «nur hie und da sind nabestebnde
gedanken näher zusammengerückt'.
Ja, aber Tieck und FSchlegel bekennen doch selbst, dass
sie die fragmente nicht nur dem handschriftlichen nachlasse
des freundes, sondern auch gedruckten aufsätzen entnommen haben ?
aus gründen, die heute ganz hinfällig geworden sind, aus einer
heute völlig unnötigen rücksicht auf das publicum von 1802 haben
sie diese von Novalis geschaffnen gedankenforroen zerschlagen,
die aufgäbe eines kritischen herausgebers indes ist, um es noch-
mals zu sagen, den Schriftsteller in der von ihm selbst gewählten
form zu veröffentlichen. M. druckt allerdings die aufsätze Glauben
und Liebe und die Christenheit oder Europa (m 313 ff. 336ff) in
ihrer urform ab und scheidet folgerichtig die fragmente, die diesen
beiden aufsätzen entstammen, aus. freilich wenig sorgfältig I denn
etwa s. 269 und 321, beziehungsweise s. 333, dann s. 270 und
315 stehn dieselben Sätze als fragmente von Tiecks und FSchlegels
gnaden und als bestandteile der von Novalis geformten aufsätze.
MEISSISER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE 249
der Blüthenslaub jedoch kommt nicht selbständig zur geitung; und
doch empGehlt nicht nur theoretischer, auch praktischer gesicbts-
punct den unveränderten abdruck. noch immer mufs der forscher
das Athenäum aufschlagen, wenn er den Blüthenstaub wissenschaft-
lich verwerten will, allerdings hat FSchlegel, der vor der ersten
TeröfTentlichung dem bruder schrieb: Der köstliche Blüthenstaub
darf nicht getrennt werden^ sich einige Zusätze erlaubt (Schlegel-
briefe s. 365 f. 375; vgl. Haym s. 901). allein schon Minor
(FSchlegel Jugendschriften ii s. viii) hat einem künftigen kritischen
herausgeber gezeigt, wie hier zu verfahren war.
M.s aufgäbe wäre gewesen, Blüthenstaub, Glauben und Liebe
und Christenheit oder Europa an die spitze des in bandes zu
stellen, dann konnte er die Dialogen (i|i 63 fi); den von Bolow
uns geschenkten Monolog (ni 366fr) und den aufsatz Naturlehre
(BUlow s. 117) folgen lassen, dieser letzte fehlt, soviel ich sehe,
bei M. überhaupt, während M. die jenem bei Bülow benachbarten
stücke abdruckt (auch die ^drei entwürfe zu novellen' ii 312).
der rest der fragmente hätte dann folgen können, unter diesen
waren aber die Athenäumsfragmente Hardenbergs irgendwie kennt-
lich zu machen (vgl. Haym s.286 und Minor FSchlegels Jugendschr.
II s. viii); es sei denn, man zieht vor, diese Athenäumsfragmente
Hardenbergs auszuscheiden und sie vereint vor die fragmenten-
masse des ungedruckten nachlasses zu stellen.
Wenn die ausgäbe von Novalis schriftstellerischen arbeiten
unter dem mangel philologischer methode leidet, so leistet M. doch
noch überraschenderes in der widergabe der briefe. ^es empfahl
sich', sagt er (i s. v), 'auch das autobiographische in tagebüchern
und bricfen, soweit es zur Verfügung stand, . . . anzuschliefsen'.
gewis, 'empfahl sich' das. allein was tut unser mann? sklavisch
dem vorgehen der Schlegel-Tieck-Bülowschen ausgäbe folgend,
druckt er nach iii 47 fr zunächst das bruchstück ^Aus Novalis
tagebuche seiner letzten lebensjahre' ab (i SfT). das mag noch
angehn; oder soll ihm vorgeworfen werden, dass er diesem
autobiographischen documente nicht im Hardenbergschen archive
nachgegangen ist? allein dann lässt er (i37ff) die Briefe folgen,
die in der Originalausgabe m 129 fr und ii 291 ff veröfTentlicht
worden sind, umsonst suchte der ref. zu ergründen, warum
grade diese und keine anderen briefe gewählt wurden, oder
sollte M. wtlrklich von den übrigen seither publicierten briefen
Hardenbergs nichts wissen? warum ist, um ein beipiel heraus-
zugreifen, Hardenbergs brief an Schiller vom 11 sept. 1791
(natürlich auch noch mit dem falschen datum: 22 sept.) aufge-
nommen, und nicht auch der vom 7 october desselben jabres
(Charlotte vSchiller und ihre freunde in 174fr) und der vom
23 juli 1798 (Morgenblatt 1844 nr 57)? nur weil die Original-
ausgabe sich mit dem ersten schreiben begnügt? ich halt es
nicht für meine pflicht, an dieser stelle alle ausgelassenen briefe
A. F. D. A. XXVI. 17
250 MEISSNER NOVALIS 8AUTLIGHE WERKE
zusammenzustellen, bedauern mufs ich nur noch, dass M. nicht
den geringsten versuch macht, die adressaten der von ihm auf-
genommenen schreiben zu erkunden, ja dass er sogar die angaben
der Originalausgabe übersehen hat (vgl. M. i 54 mit BOlow iii s. ix
und Haym s. 327*). der druckfehler 1897 für 1797 (i 67) sei
nur beiläufig notiert.
Verwunderlich bleibt noch eins; ein herausgeber, der, blofs
um den ganzen inhalt einer schlechten, ungleichmäfsigen edition
herüberzunehmen, völlig unvollständige autobiographische docu-
mente abdruckt, vergisst zwei wichtige nrr seiner vorläge : erstens
Hardenbergs oft citierte Schilderung seiner ersten braut (Buiow
m 115); dann die biographie Justs mit ihrer erklecklichen anzahl
Hardenbergscher briefe.
Von einem so wenig geschulten herausgeber werden wir
keine philologische textbehandlung erwarten, nicht für ihn,
sondern für wissenschaftliche forscher sei darum das folgende
noch angefügt, in den Geistlichen liedern i und ii bietet M.
folgende lesarten: s. 108 v. 8 Und Indien muss idbst im Norden
Um den Geliebten fröhlich blühn und s. 111 v. 1 Fem im Osten
wird es helle, die authentische ausgäbe, der Musenalmanach
von 1802, list in Norden, in Osten. Norden als eigennamen ohne
artikel zu verwenden, ist so ungewöhnlich nicht. Lexer (DWB
IV 889) gibt belege aus dem 16 Jh., aus Brockes und JJEngel.
ich verweise noch auf Goethes Faust v. 9448, der auch Osten
V. 9281 und 9449 in gleicher weise behandelt, allerdings un-
mittelbar daneben v. 9282 Westen mit dem artikel versieht. —
in den ^Hymnen an die nacht' druckt M. ferner i 89 z. 9 Die
krystallene Woge, die . . . in des Hügels dunkeln Schoo/se quiUt;
im Athenäum heifsi es dunkeln Schoofs. dann i 90 z. 2 v. u.
im endlosen Raum zergingst du; Athenäum : in endlosen Raum.
M. hält sich beidemal an die Jüngern drucke, während er gegen
diese im anschluss an das Athenäum i 87 z. 3 richtig list : Hügel,
der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg, durch-
aus handelt es sich um die von Petrich § 40 vielfach belegte ro-
mantische eigenheit, den casus der bewegung für den casus der
ruhe zu setzen. — i 87 z. 1 lis in Schmerz aufgelöst für m
Schmerz, aufgelöst, i 89 z. 1 — 3 lautet die anapher bei M. trenn
. . ., wann . . ., wann . , ., im Athenäum durchaus wenn.
Die paar kleinen anmerkungen, die M. unter den text setzt,
sind viel zu unbedeutend, als dass sie längeres verweilen ver-
lohnten.
Zu M.s ausgäbe hat Bruno Wille eine Charakteristik Harden-
bergs geliefert, sie verfolgt lediglich populäre zwecke und gibt mir
keinen anlass zu weitrer erörterung. auf welchem wege die er-
forschung des romantischen mystikers zu neuen resultaten vor-
dringen kann, hat A Hu her jüngst (Euphorion 4, ergänzungsheft
1899 8. 99 ff) erfolgreich gezeigt. Wille hat diesen weg ge-
MEISSKER NOVALIS SÄMTLICHE WERKE 251
mieden, wer so raube pfade scheut, dem bietet Ricarda Huchs
geistvolles buch immer noch eine weit bessere einführung. die
mutige dichterin hat bewiesen, dass man nicht seicht zu werden
braucht, um romantisches fühlen und denken unseren Zeitge-
nossen verständhch zu machen.
Bern, 17 juni 1900. Oskar F. Walzel.
LiTTERATURNOTIZEN.
Die antilie kunstprosa vom vi Jahrhundert v. Chr. bis in die zeit der
renaissance. von Eduard Norden, 2 bde. Leipzig, Teubner, 1898,
xviii und 969 ss. 8^. 28 m. — dies grandiose werk wird wol für
immer die erste etappe auf dem kaum betretenen wege der ge-
schichte des prosastils bilden. N. versucht in anregender und
schwungvoller (leider für den gegenständ oft zu wenig sachlicher
und nüchterner) darstellung die entwicklung der kunstmäfsigen
prosa von Heraklit bis Petrarca zu zeichnen, für die kürze der
aufgewendeten zeit (2 — 3 Jahre) ist die kennlnis der stilistisch ge-
wtlrdigten autoren staunenswert und die belesenheit in der ein-
schlägigen litteratur nahezu beispiellos, aber nicht nur die ge-
waltige receptivitäl des Verfassers, der namentlich in den gelehr-
ten uoten einen künftig für alle behandelten fragen unentbehr-
lichen apparat zusammengetragen hat, auch die gewantheit in der
auffassung der stilistischen individualität und das frische urteil
fordern meistens hohe anerkennung. indessen hat die eilige arbeits-
weise den einzclresultaten erheblich geschadet und übereilte, lose
oder schiefe argumentationen reizen zu fortwährendem Widerspruch;
— und doch wird niemand das buch ohne vielseitige anregung
und förderung aus der band legen.
Die griechische kunstprosa der attischen blütezeit kommt natür-
lich in einer derartigen wesenthch auf die Würdigung der spät-
antiken und christlichen litteratur berechneten darstellung zu kurz
(für Plato genügen 8 Seiten), und noch manches andere wird
nur ehrenhalber abgetan; die darstellung des sogenannten asianis-
mus ist inzwischen durch vWilamowitz überholt, — aber wer wird
nicht die umfangreichen abschnitte über die zweite sophislik, wer
nicht die ganz neue und eigene stilistische behandlung der neu-
testamentlichen Schriften, der kirchenväter^ die erOrterungen über
gnostisches, die Untersuchungen über afrikanische prosa, den
versuch einer entwicklung des altchristlichen predigtstiles mit
freuden begrüfsenl
Das aufserordentliche verdienst, das sich der verf. durch er-
Orteruiig aller dieser probleme erworben hat, wird nur wenig
geschmälert dadurch, dass der verbindende grundgedanke, welcher
die gesamtvorstellung durchzieht und vom altertum zum mittel-
alter und der renaissance überleitet, für jeden, der sich mit der
antiken prosa befassl hat, unannehmbar ist. N. sieht, ohne den
IT*
252 NORDEN DIE ANTIKE KUNSTPR08Ä
begriff ^kuDstprosa' scharf zu umschreiben, das wesen der griechi-
sehen kunstprosa einseilig in der rhythmisierung, der poetischen
diction und den ßguren. in der periode des niedergangs der
attischen prosa nach 300 v. Chr. kommt der sophistiscb-asianische
Stil in die höhe, der gegensatz zwischen ihr und den Vertretern
des classischen atticismus setzt sich durch die christliche litteratur
und die ganze lateinische prosa bis in die renaissance fort, für
das immer wider zu beobachtende auftreten eines pointierten
antilhesenstils mit kurzen, zerhackten, parallelen gliedern macht
N. den Sophisten Gorgias, Piatos gegner, verantwortlich, ohne
auch nur einigermafsen befriedigende beweise für das fortleben
seiner in Wahrheit ganz ephemeren manier erbracht zu haben,
die letzten ausläufer dieses vermeintlichen gorgianischeo Stiles
sieht er in der antithesenprosa des englisch-spanischen euphuismus
der Lyly und Guevara, wo findet man denn eigentlich diesen
antithesen-stil nicht? die neigung dazu ist in jedem volke vor-
handen, N. selbst fuhrt an, dass die Chinesen sich in ihm ge-
fallen, die antithesen und kurzen sätze in der grabschrift des
Guevara beweisen ebenso wenig, wie etwa die bekannte grabschrift
des holländischen admirals Fiel Hein.
Für das mittel alter verlässt der verf., aufser stände, seine
falsche hypothese auch hier durchzuführen, zunächst den boden
der eigentlichen Stilforschung und gibt wichtige excurse über
das fortleben der antiken bildung und litteratur, über die artes
liberales, den streit zwischen Scholastikern und classicisten, woran
sich dann eine stilistische Würdigung der hauptsächlichen Ver-
treter des classicismus, Cinhart, Servatus Lupus, Gerbert, Lambert
ua. knüpft, die belesenheit des verf. ist auch hier für einen
classischen philologen sehr grofs, aber es will mir nicht scheinen,
als ob er über die cullur des mittelalters zu einem immer be-
friedigenden urleil gekommen wäre, der classicismus Karls des
Grofsen, den er in flüchtigen strichen zu schildern versucht, steht
zb. in einem nicht genügend erklärten Widerspruch mit 'der zu
gleicher zeit herschenden anschauung von dem relativen wert
und der dienenden Stellung der artes liberales und der classischen
autoren'. entsprang aber nicht vielleicht der kunstsino Karls,
wie er sich in der begünstigung des baulustigen Ratgar und der
bestellung illustrierter messbücher äufserte, seiner innersten Über-
zeugung, während seine äufserungen über den w^rt der antiken
bildung und die Stellungnahme der libri Carolini zum bilderdienst
mehr kirchenpolilischen zwecken dienten? — ich glaube ander-
seits, uns classischen philologen ist doch das mittelalter zu fremd,
als dass wir mit einem satz wie folgendem auf unbedingten beifall
von kennern der mittleren Zeiten rechnen dürften : (s. 688) 'ästbe-
tiscben genuss gewährten die Schriftsteller auch nicht einer gene-
ration von menschen, die meist geschmack an dem bizarren und
perversen hatte und dem denken und fühlen der antike ent-
NORDEN DIE ANTIKE KUNSTPROSA 253
wachsen war. besser also man warf den alten plunder in die
ecke und begnügte sich mit dem auf Haschen gezogenen bildungs-
extract der artes*. welche 'generation' meint eigentlich der verf.?
die mitte des 12 jhs.? und welche menschen? das ganze deutsche
oder französische volk? die Scholastiker allein kann man doch
nicht eine generation nennen, wie stimmt zu solchen urteilen
der satz am eingange des ii buches, s. 659: *als eine der grofs-
artigsten historischen errungenschafien unsres Jahrhunderts darf
gelten, dass derjenige, der das mittelalter noch mit den schmäh-
Worten der humanisten bezeichet, ähnlicher schmäbworte seitens
der heutigen forscher gewärtig sein muss*.
Den lesern dieser Zeitschrift dürfte noch der angehängte ab-
schnitt zur geschichte des reims besonders willkommen sein. N. nimmt
es als selbstverständlich an, dass der deutsche reim aus der lateini-
schen hymnenpoesie entlehnt ist, und indem er auf eine darstellung
dieses lateinischen hymnenreimes gänzlich verzichtet, versucht er
nachzuweisen, dass der antike reim, ursprünglich nur in der
rhythmischen prosa zu rhythmischen zwecken verwendet, aus der
predigt in die dieser verwante hymnenpoesie gelangte, für das
griechische ist dieser nachweis nicht überzeugend geführt, da in
den spätgriechischen und byzantinischen hymnen der stumpfe
reim durchaus nicht das hauptkunstmittel ist, sondern das wider-
holen derselben verbalform (homoioptolon) und die anapher
mindestens ebenso stark in den Vordergrund treten, mich dünkt,
bei allen Untersuchungen über den reim ist das fundament die
Oberall anzutreffende Volkstümlichkeit des gleichklangs in feierlichen
Segen-, zauber- und gebelsformeln. diesen boden des volkstüm-
lichen verlässt N., wenn er den reim in der griechischen kunst-
prosa actuell werden lässt, wo er in der tat nur eine beschränkte
rolle spielt, viel natürlicher ist die annähme, dass der volkstüm-
hche reim, durch die quantitierende oder (bei den Deutschen)
allitterierende poesie zeitweilig unterdrückt, entweder gelegentlich
oder dauernd wider zu tage tritt.
Marburg. Georg Thiele.
Ein capitel aus der geschichte der deutschen grammatik von
M. H. Jellinek. [sonderabzug aus: Abhandlungen zur germanischen
Philologie, festgabe für RHeinzel.] Hallea.S.,Niemeyer,1898. SOss.
8^. 2 m. — die vorliegende abhandlung ist ein dankenswerter bei-
trag zu einem der interessantesten capitel aus der geschichte der
nhd. Schriftsprache, der verf. führt in chronologischer folge die
Zeugnisse der grammatiker von Olinger bis Adelung über die geltung
des unbetonten e vor. eine geschichte des gebrauchs ist selbst-
verständlich aus diesen Zeugnissen nicht zu gewinnen; dazu sind
die bemerkungen dieser lehrbücher zu oberflächlich und flüchtig,
bei manchen auch durch das bestreben den unsicheren gebrauch
zu regeln beeinflusst oder durch vorgefasste grammatische theorien
getrübt; immerhin lassen sie die hauptetappen der bewegung
254 JELLINER EIN CAPITEL AUS D. GESCH. D. DEUTSCHEM GRAMMATIK
übersehen und sind auch wol geeignet, als leitfaden einer gründ-
lichen Untersuchung, wie sie vBahder in aussieht gestellt bat,
zu dienen, wie denn auch umgekehrt erst die genaue kenntnis
des gebrauchs das verhalten der grammatiker richtig würdigen
lassen wird. — am eingehendsten sind Schotte! und Adelung be-
handelt, der verf. führt überzeugend aus, dass das ablehnende
verhalten Schotlels gegen das nichtflexivische auslautende e aufs
engste mit seiner theorie von der einsilbigkeit der Stammwörter
zusammenhängt; aber dass diese theorie so bedeutenden einfluss
auf seine lehre hatte, lässt sich doch nicht allein daraus erklären,
dass das ostmitteldeutsche für ihn eigentlich eine fremde spräche
war; mehr noch kommt die Verbreitung der apokopierten formen
in der anerkannten litteratur in betracht, namentlich auch bei
Luther; bekanntlich bietet auch noch die letzte bibelausgabe vom
jähre 1545 eine menge verkürzter formen, die die spätere Schrift-
sprache abgelehnt hat: nicht einmal das plural-e der Substantive
war anerkannt, ein zielbewuster, siegreicher kämpf beginnt erst
mit Opitz und den Schriftstellern und Iheoretikern, die sich ihm
anschliefsen, dh. als das litterarische leben der östlichen lande
mafsgebende bedeutung gewann, auch die altern süddeutschen
grammatiker verfuhren nicht aggressiv gegen das e; sie verhielten
sich ihrer mundari folgend im ganzen ablehnend, liefsen aber
anfangs das zeichen doch als eine berechtigte allhergebrachte eigen-
tümlichkeit der Schriftsprache gelten, energische angriffe einzelner
«rfolgten erst im 18 jh. mit und nach der fehde, die Bodmer
gegen Gottsched und alle seine theorien unternahm, die einseitig-
keit, mit der Adelung das Meifsnische als muslerdialekt hervorhob,
war dann wider eine folge der süddeutschen auflehnung und der
neigung jüngerer schriftsteiler, mundartliche formen der Volks-
sprache in die litteratur einzuführen; in der geschichte der Schrift-
sprache im ganzen war diese einseitige betonung der Meifsnischen
nicht begründet, auch die seltsame anschauung Adelungs, dass
das euphonische e erst eine errungenschafi der letzten Jahrhunderte
sei, entsprang aus der richtigen, nur falsch gedeuteten Wahr-
nehmung, dass tatsächlich das e in der gedruckten litteratur sich
allmählich ausgebreitet hatte. anRinge einer Untersuchung, wie
weit Adelungs euphonische regeln im Sprachgebrauch begründet
waren, wie weit sie ihn etwa ausgebildet haben, bilden den scbluss
<ler abhandlung. — zu hart^ wie mir scheint, wird Gottsched und
seine grammiatik beurteilt; ich vermag nicht den Hypus eines
«prachtyrannen' in ihm zu sehen — jedesfalls tat er in dieser
beziehung nicht allen seinen Zeitgenossen genug — und finde,
<]ass seine grammatik unter den meisten andern bUcbern, die J.
angezogen bat, eine recht respectable Stellung einnimmt, ob er
so ganz gegen den Sprachgebrauch decretiert habe, dass die
schwachen verba den imperativ auf e, die starken einsilbig zu
l)ilden haben, wird doch näher zu untersuchen sein, der verf.
JELLLNEK EIN CAPITEL AUS D. GESCH. D. DEUTSCHEN GBAMtfATIK 255
selbst bemerkt an anderer stelle (s. 31 anm.), dass ihm die
prüfung eines teils der Opitzscheu gedichte das resultat ergeben
habe, dass allerdings die imperative der st. verba fast immer nach
alter weise einsilbig sind, auch dann wenn derselbe vocal wie
im infiniti? steht, dagegen die der schwachen regelmäfsig e haben,
auch darin, dass Gottsched dem e der masculina und neutra ge-
ringen schütz gibt, folgt er der entwicklung der spräche, obwohl
ja zuzugeben ist, dass er in seinem streben die ausnahmen einzu-
schränken das mafs der spräche, die er im allgemeinen als muster-
giltig ansieht, überschreitet, genaue auskunft über die apokope
bei den Schlesiern geben leider auch die neueren arbeiten (Drechsler,
Bäsecke) nicht. — lichtvoller wäre die darstellung vielleicht ge-
worden, wenn der verf. die behandlung der flexiviscben von den
uichtflexivischeu e ganz getrennt und im zweiten teil seiner Unter-
suchung die wesl-mitteldeutschen grammatiker als besondere gruppe
neben die oberdeutschen gestellt hätte. W. Wu^manns.
Cynewulfs Wortschatz oder vollständiges Wörterbuch zu den Schriften
Cynewulfs von dr Richard Simons. [=» Bonner beitrage zur
anglistik, hrsg. von prof. dr M. Trautmann, heft iii.] Bonn, Han-
stein, 1899. VI und 163 ss. 8^. 6 m. — ein specialglossar zu
den echten werken Cynewulfs oder besser noch eine vergleichende
Phraseologie der dem autor gesicherten und der von der forschung
mit seinem namen zusammengebrachten gedichte mag schon
manchem wünschenswert erschienen sein : dass das hier gebotene
fin bedürfnis befriedigt, kann ich nicht zugeben.
S. erklärt für gesicherte werke Cynewulfs, ebenso wie Traut-
maun, aufser der Elene und Juliane und dem mittlem teile des
Crist den Andreas, indem er mit Sarrazin die * Schicksale der
aposter für einen epilog dieser legende ansieht, wenn ich beim
Crist die einschränkung auf die 'Himmelfahrt' mit vorbehält hin-
nehme, so muss ich um so entschiedener die einstweilige fern-
haltung des Andreas verlangen. Trautmanns aufsatz (Angl. beibl.
6, 17 0*) hat mich gar nicht überzeugt, und überhaupt wird mir
nur der die echtheit des Andreas plausibel machen, der mir in
einer darstellung von Cynewulfs entwicklung den deutlichen ab-
stand dieses Werkes von den übrigen zu erklären vermag. S., der
die ganze frage s. i — m etwas chevaleresk abtut, äufsert die be-
stimmte erwartung, eben sein Wörterbuch werde durch den nach-
weis der einheit des Wortschatzes die echtheit des Andreas sichern,
— ich bin vorläufig ganz andrer ansieht, um mich gleich au die
ersten Seiten zu halten : wenn der dichter des Andreas 4 mal
(s. 3) das prosaische adverbium wninga ^prorsus' im Stabreim
(stets an gleicher versstelle) verwendet, so ist das jedesfalls eine
differenz von Cynewulf, die durch ein paar dutzend Überein-
stimmungen im poetischen wortgebrauch nicht aufgewogen wird,
für den, der den Andreas dem Cynewulf zuweist, ist es ein durch-
aus folgerechter schritt, auch den Beowulf auf das gleiche conto
256 SIMONS CYNEWÜLPS WORTSCHATZ
ZU setzen, denn, ich widerhole früher geäufsertes : der Andreas
steht dem Beowulf sehr viel näher als die sichern dichtungen
Cyne Wulfs.
Aus dem so eigenmächtig (db. trautmännisch) begrenzten
material sind die helegstellen vollständig, aber in knappster form
verzeichnet, die sammelarbeit wie der druck machen den ein-
druck der Sauberkeit : ich habe bei über 300 Stichproben kein
falsches oder fehlendes citat entdeckt, einiges auffällige weist die
längenbezeicbnung auf, so s. 112 orhlyte und orlege. das adjec-
tivum einerseits vom subst. anderseits vom adv. zu scheiden, hat
der verf. nicht für unbedingt nötig gehalten : zu welchen unzu-
träglichkeiten das führt, zeigen zb. die artikel torht [adj. u. subst.]
und torhte [adv.]. die interpretation gewinnt kaum irgendwo, ja
sie macht vielfach rückschritte, da der verf. die bedeutungsangaben
in der hauptsache aus Grein übersetzt und das unverbindliche
dieser lateinischen Umschreibungen zuweilen verkannt hat. mit
eignen (?) erklärungen hat S. wenig glück : ich weifs nicht, wie
er das für El. 1107. 1053 angesetzte ^geräda m. ratgeber' recht-
fertigen will. Überlieferung und recipierte emendation sind nicht
immer scharf geschieden : so handelt es sich bei hälfyr El. 578
um eine conjectur Frucbts. glücklich hergestellt scheint mir
Jul. 412 das comp, mödgemyrred^ das also Zs. 43, 367 einzu-
reihen wäre.
Aber was nützt uns für litterarhistorische fragen — und um
solche in erster linie handelt es sich hier — ein specialglossar,
dem nicht nur der hintergrund fehlt, wie ihn uns Grein mit
seiner aufnähme des gesamten poetischen Sprachschatzes der Angel-
sachsen bietet, sondern auch jede rücksicht auf die phraseolo-
gische und rhythmische Verwendung der Wörter? ob ein wort in
bestimmter Umgebung, ob es in der allitteration und an welcher
stelle des verses es erscheint, auf alle solche fragen verweigert
uns S. die auskunft. mit seinem Wörterbuch verharrt die Cynewulf-
forschung ganz in dem gleise, in das sie sich seit den ersten
bänden der Anglia, dh. seit nun einem vierteljahrhundert, ein-
gefahren hat und aus dem seither nur wenige arbeiten heraus-
getreten sind. E. ScH.
Die Gesta Caroli Magni der Regensburger Schottenlegende, zum
ersten mal ediert und kritisch untersucht von dr A. Dürrwachtkb.
Bonn, Hanstein, 1897. 225 ss. 8^ 6 m. — nachdem ich zu
einer ausführlichen besprechung dieses tüchtigen und trotz einer
gewissen breite recht lesbaren buches leider nicht die zeit ge-
funden habe, möcht ich die germanisten wenigstens durch eine
kurze anzeige mit seinem für uns keineswegs gleichgiltigeo in-
halt bekannt machen, schon als quelle des spätmhd. gedicbtes
von Karl dem Gr. und den Regensburger Scbottenmöncben, das
Baechtold in seinen Deutschen hss. im Brit. museum (1873) aus-
zugsweise bekannt gemacht und Perry in einer für die litteratur-
DÜRRWÄCHTER DIE GESTA CAROLI UA6NI 257
geschichte leider unergiebigen Marburger dissertation (1892)
sprachlich bebandelt bat, ligt uns der 'Libellus de fundatioue
ecclesie consecrali Pelri' (§ 1 — 5, s. 1 — 54) nicht fern : durch
die Untersuchungen D.s über alter und bestandteile des fabulosen
machwerks aber wird dies interesse lebhaft gesteigert, das ganze
ist eine compilation, der D. nur ^die einheitlichkeit des potpourris'
zugesteht, aufgebaut auf einer historischen und geographischen
Unwissenheit, wie sie auch im ma. nicht mehr normal ist : Rom
in Afrika, Karl d. Gr. ein Römer von einer französischen mutter,
die alten Baiern mit den Hunnen identisch usw. den wichtigsten
bestandteil dieser apokryphen Schotteuchronik, die wahrscheinlich
zwischen 1270 und 1278 in einem der beiden Schottenklöster
Regensburgs (D. entscheidet sich für Weih SPeter) zusammen-
gebracht wurde, bilden die *Gesta Caroli Magni' (§ 6, s. 55 — 119),
für sich wider eine compilation, bei der einem fremden litlera-
rischen grundstock allerlei regensburgische localsage angegliedert
und das ganze zu den Schotten in beziehung gesetzt worden ist.
dieser fremde grundstock nun ist das interessanteste an dem
ganzen werke : D. sucht ihn zu erweisen als eine von einem
Norditaliener 'zur zeit Karls i von Anjou, königs von Neapel und
Sizilien^ verfasste und tendenziös auf ihn bezogene Karlslegende',
und er erweitert diesen zwar nicht unbedingt zweifelfreien, aber
doch recht plausibeln nachweis durch sehr interessante ausfüh-
rungen zur geschichte der politischen ideen und der öffentlichen
meinung in Italien um 1270, ausführungen, die die bekannten
arbeiten von Grauert und Kampers lebensvoll ergänzen. — den
starken litterarischen erfolg der Schottenchronik bezeugen die
zahlreichen hss. (D. selbst kennt 9). das fortleben der auf sie
allein gestützten legende von Karl und den Schottenmönchen
(§ 7, s. 119 — 124) führt uns über eine reihe von litterarischen
Stationen, von denen einige näheres interesse wecken : Konrad
vMegenberg, dem zwar durchaus nicht der kern, wohl aber manche
einzelheiteu bedenken erregen, dann das deutsche gedieht, das
sich eng an die quelle anschliefst, später ein volksbüchlein , das
in zwei Nürnberger incunabeldrucken vorligt und beziehungen zu
KvMegenberg verrät, Ebran vWildenberg und Veit Arnpeckh, die
alles gläubig hinnehmen, bis dann Aventin in den *Origines Ratis-
ponenses vernacule conscriptae' das ganze fabelgespinnst zerreifst.
Für die ausgäbe der Gesta Caroli (s. 145—218) hat D. 8
hss. benutzt, darunter 5 Münchner, die notorisch älteste, der
cod. Harl. 3973 in London, blieb ihm leider unzugänglich, und
er hat sie vorübergehend so weit vergessen, dass er s. 49 ein-
mal behauptet, die gesamte hsl. Überlieferung der compilation sei
nicht älter als das 15 jh. ich mag über die recensio kein be-
stimmtes urteil abgeben, da ich zu einer sichern erfassung dessen,
was bei dem compilator sprachlich möglich oder wahrscheinlich
ist, nicht vorgedrungen bin. anstofs nehm ich einstweilen an
258 DÜRRWÄCHTER DIB 6ESTA CAROLI UA6M
vielem, von dem ac Ratispona que quarta gleich im eiogaog (s. 145)
an. al3er als quellengruud fUr die litterariscbeu und bislorischeu
üachrorschungen D.s reicht dieser teil gewis aus, uod als schrill-
stellcrische leistung hat das opus nicht eben hohe aosprüche zu
macheu. — in den anmerkungen nimmt D. öfter auf deutsche
dichtungen bezug und ist (s. 119) geneigt, dem compilator die be-
kanntschaft mit Strickers Karl zuzuschreiben : ich habe mich
zwischen dem alten Rolandslied und der bearbeitung des Strickers
nicht entscheiden können.
Zu s. 65 anm. 39*^ möcht ich bemerken, dass Kaiserchron.
s. 48 n. 2 der hinweis auf das schwäbische Mendäberch bei ge-
legenheit der gleichen widergabe von ^Mons Gaudii' natürlich nur
so gemeint war, dass ein in der heimat vorhandener Ortsname
zur Übersetzung eines gleichbedeutenden oder als gleichbedeutend
angesehenen fremden verwendet werden konnte; überdies hat D.
meine anmerkuug zu v. 14573 übersehen. E. See.
Gber Wallher von der Vogelweide, eine Jugendarbeit Rddolf Hilde-
BRAisDs, hsg. von prof. Georg Berlit. [sa. aus der Zeitschr. f. d.
deutschen Unterricht. 13 Jahrg. ss. 777 fr.] Leipzig, BGTeubner,
1900. 39 SS. S^. 0,60 m. — Rudolf Hildebrands Staatsexamens-
arbeit, von Moritz Haupt einst hohen lobes gewürdigt und jetzt durch
die pietät eines Schülers ans licht gezogen, ist ^mitten unter den
stürmen' der märzrevolution in 14 tagen erwachsen, es weht
frühlingsluft in ihr: 'man kann ja seit kurzem jetzt das specifiseh
Deutsche wider mit Selbstgefühl nennen, es ist ja so herrlich,
dass ich nichts dergleichen kenne im ganzen umkreis der dinge';
Walther wird dem Jüngling, der sich aus den fesseln des scbo-
lasticismus in 'die wellen der würklichen dingewell' sehnt, der
repräsentant eines ganzen und gesunden geisteslebens, das in sich
selbst seinen zweck hat. gern vergleicht er ihn mit Goethe und
freut sich seiner naiven Sinnlichkeit; es jammert ihn, dass dieser
herrliche Walther schliefslich auch als opfer des christlichen
dualismus fallen muss wie so viele Deutsche, am wohlsten ist ihm
bei Walthers politischen gedichten, aus denen er die stimme Luthers
und der freiheitsdichter von 1813 heraus hört; die liebeslyrik
ist ihm zu gedanklich, und er empGndet deutlich den ^kältlichen
anstrich' der schemenhaften tradition, der er ebenso schuld daran
gibt, wenn uns heute 'der so viel gepriesene und gesuchte Umgang
mit frauenzimmern zur last oder wenigstens zur anstrengung wird',
dieser schnelle seilenblick auf das tägliche leben weist inmitten der
zuweilen etwas aufsatzmäfsigen darslellung, die von der eminent
gesprochnen spräche des reifen Hildebrand noch wenig zeigt, schon
deutlich voraus auf die fruchtbare, belebende anschauung, die später-
hin alles erquicklich durchdrang, was in den gesichtskreis des
unvergesslicben mannes trat, schon in dieser Jugendarbeit denkt
er, echt Hildebrandisch, bei Walth. 55,30 nü wil ick schowen,
ob du iht lügest an den meister, der den lehrbuben cootroliert,
HILDEBRAISD ÜBER WALTHER VON DER VOGELWEIDE 259
uod 95, 15 dannoch seit si mir däbi fällt ihm sofort die volks-
tümliche zugäbe ein. die liebe zum volke stimmt widerum zur
zeit wie zu der persoo des Schreibers : neben Goethe und Schiller
gibt das Volkslied parallelen her, und der tact, der in der volks-
stimme ligt, ist ihm damals wie immer für ästhetisch-ethische
dinge 'eine art goltesgericht in letzter instanz'. so finden wir
gerne in den weichern Zügen des Jünglings das vertraute und
geliebte antlilz wider, wissenschaftlichen ertrag wird niemand
erwarten: es hat mich fast überrascht, weiche geringe bedeutung
io diesem bilde Walthers die künstlerische und menschhche ent-
wicklung gewinnt, wie wenig geschichtliche probleme aufgeworfen
werden; Uildebrand war keiner von den frühreifen, die hübsche
conjectur allez f. alze 44, 3S waren wir gewöhnt au Bartsch zu
knüpfen. — ich würde dem herausgeber noch dankbarer gewesen
sein, wenn er nicht den seltsamen einfall gebäht hätte, die majuskel-
losigkeitvon den lateinischen lettern des manuscripts auch in diefrac-
tur der Zs. f.d. unt. zu übertragen, was sehr curios würkt. R.
Beiträge zur geschichte der wissenscliaftlichen Studien in sächsischen
klüstern i Altzelle, von Ludwig Schmidt, der xliv Versammlung
deutscher philologen und Schulmänner aus anlass der begründung
einer abteilung für bibliothekswissenschaft dargebracht von der
königlichen öffentlichen bibliothek zu Dresden. Dresden, WBaensch,
1897. 93 ss. gr. 8^. 1,50 m. — diese kleine schrifl, die sich
erst zwei jähre aach ihrem erscheinen zur besprechung gestellt
hat, ist gründlicher, wenn auch nicht immer anmutiger gelehrsam-
keit voll. Seh. hat in Jena den bisher für verloren gehaltenen
bibliothekskalalog des Cistercienserklosters Altzelle aufgefunden,
den Spalatin 1514 anfertigen liefs, um bei der begründung der
Wittenberger Universitätsbibliothek einen anhält zu haben; er
bringt ihn nach einer orientierenden einleitung auf s. 35 — 80 mit
ausnähme der juristischen und medicinischen abteilungen zum ab-
druck und weist in einem anbang wenigstens für einen teil der
hss., leider nicht auch der incunabeln, den jetzigen aufbewahrungs-
ort nach, eine wichtige Vorarbeit bot der der klosterbibliothek
gewidmete abschnitt des 1855 erschienenen buches über Altzeiie
von Cßeyer (s. 109 — 130), wo ohne benutzung des nun von Seh.
gefundenen katalogs ein stattlicher teil der alten bücherei auf
gruud einer sorgraltigen durchmusterung der Leipziger und Dresdner
bibliotheken uud einer Verzeichnung ihres besitzes an ehemals
altzellischen büchern reconstruiert ist. Seh. gibt jetzt freilich
wesentlich mehr; vielleicht soll man nun aber umgekehrt sich
auch nicht zu sehr auf die unbedingte Vollständigkeit des jetzt
veröffentlichten katalogs verlassen, gegen die zb. die bei Beyer
s. 125 unter 1 und 3 angeführten drucke zu sprechen «scheinen;
auch weist der Dresdner cod. K 277 (Schnorr u 234) darauf hin,
dass in dem medicinischen teil des katalogs auch nichtmedicini-
sches enthalten ist.
258 DÖRRWÄCHTER DIB 6ESTA CAROLI MA6M
vielem, von dem ac Ratispona que quarta gleich im eingang (s. 145)
an. al3er als quelleügruud fUr die lilterariscbeu und bisloriscbeu
nach forsch UDgeo D.s reicht dieser teil gewis aus, und als schrift-
stellerische leistung hat das opus nicht eben hohe ausprüche zu
maclieu. — in den anmerkungen nimmt D. öfter auf deutsche
dichtungen bezug und ist (s. 119) geneigt, dem compilator die be-
kannlschaft mit Strickers Karl zuzuschreiben : ich habe mich
zwischen dem alten Rolandslied und der bearbeitung des Strickers
nicht entscheiden können.
Zu s. 65 anm. 39*^ möcht ich bemerken, dass Kaiserchron.
s. 48 n. 2 der hinweis auf das schwäbische Mendilberch bei ge-
legenheit der gleichen widergabe von ^Mons Gaudii' natürlich nur
so gemeint war, dass ein in der heimat vorhandener Ortsname
zur Übersetzung eines gleichbedeutenden oder als gleichbedeutend
angesehenen fremden verwendet werden konnte; überdies hat D.
meine anmerkuug zu v. 14573 übersehen. E. See.
Über Walther von der Vogelweide, eine Jugendarbeit Rudolf Hilde-
BRAisDs, hsg. von prof. Georg Berlit. [sa. aus der Zeitschr. f. d.
deutschen Unterricht. 13 Jahrg. ss. 777 fr.] Leipzig, BGTeubner,
1900. 39 ss. 8<). 0,60 m. — Rudolf Hildebrands staatsexamens-
arbeit, von Moritz Haupt einst hohen lobes gewürdigt und jetzt durch
die pielät eines schülers ans licht gezogen, ist ^mitten unter den
stürmen' der märzrevolution in 14 tagen erwachsen, es weht
frühlingsluft in ihr: 'man kann ja seit kurzem jetzt das speciQseh
Deutsche wider mit Selbstgefühl nennen, es ist ja so herrlich,
dass ich nichts dergleichen kenne im ganzen umkreis der dinge';
Walther wird dem Jüngling, der sich aus den fesseln des scbo-
lasticismus in 'die wellen der würklichen dingewell' sehnt, der
repräsentant eines ganzen und gesunden geisteslebens, das in sich
selbst seinen zweck hat. gern vergleicht er ihn mit Goethe und
freut sich seiner naiven Sinnlichkeit; es jammert ihn, dass dieser
herrliche Walther scbliefslich auch als opfer des christlichen
dualismus fallen muss wie so viele Deutsche, am wohlsten ist ihm
bei Walthers politiscben gedichten, aus denen er die stimme Luthers
und der freiheitsdichter von 1813 heraus hört; die liebeslyrik
ist ihm zu gedanklich, und er empfindet deutlich den ^kältlichen
anstrich' der schemenhaften tradition, der er ebenso schuld daran
gibt, wenn uns heute 'der so viel gepriesene und gesuchte Umgang
mit frauenzimmern zur last oder wenigstens zur anstrengung wird',
dieser schnelle Seitenblick auf das tägliche leben weist inmitten der
zuweilen etwas aufsatzmäfsigen darstellung, die von der eminent
gesprochnen spräche des reifen HiUlebrand noch wenig zeigte schon
deutlich voraus auf die fruchtbare, belebende anschauuug, die später-
hin alles erquicklich durchdrang, was in den gesicbtskreis des
uuvergesslichen mannes trat, schon in dieser Jugendarbeit denkt
er, echt Hildebrandisch, bei Walth. 55,30 nü loil ich schowen,
ob du iht lügest an den meister, der den lehrbuben controliert.
HILDEBRAISD ÜBER WALTHER VON DER VOGELWEIDE 259
uod 95, 15 dannoch seit si mir däbi fällt ihm sofort die volks-
tümliche zugäbe ein. die liebe zum volke stimmt widerum zur
zeit wie zu der person des Schreibers : neben Goethe und Schiller
gibt das Volkslied parallelen her, und der tact, der in der volks-
stimme ligt, ist ihm damals wie immer für ästhetisch-ethische
dinge 'eine art goltesgericht in letzter instanz'. so Gnden wir
gerne in den weichern Zügen des jUngliogs das vertraute und
geliebte antlilz wider, wissenschaftlichen ertrag wird niemand
erwarten: es hat mich fast überrascht, welche geringe bedeutung
in diesem bilde Walthers die künstlerische und menschliche ent-
Wicklung gewinnt, wie wenig geschichtliche probleme aufgeworfen
werden ; Uildebrand war keiner von den frühreifen, die hübsche
coDJeclur allez f. alze 44, 38 waren wir gewöhnt an Bartsch zu
knüpfen. — ich würde dem herausgeber noch dankbarer gewesen
sein, wenn er nicht den seltsamen einfall gehabt hätte, die majuskel-
losigkeitvon den lateinischen lettern des manuscripls auch indiefrac-
tur der Zs.f.d.unt. zu übertragen, was sehr curios würkt. R.
Beiträge zur geschichte der wissenschaftlichen Studien in sächsischen
klüstern i Altzelle, von Ludwig Schmidt, der xliv Versammlung
deutscher philologen und Schulmänner aus anlass der begründung
einer abteilung für bibliothekswissenschaft dargebracht von der
königlichen öffentlichen bibliothek zu Dresden. Dresden, WBaensch,
1897. 93 ss. gr. 8^. 1,50 m. — diese kleine schrifi, die sich
erst zwei jähre aach ihrem erscheinen zur besprechung gestellt
hat, ist gründlicher, wenn auch nicht immer anmutiger gelehrsam-
keit voll. Seh. hat in Jena den bisher für verloren gehaltenen
bibliolhekskatalog des Cistercienserklosters Altzelle aufgefunden,
den Spalatin 1514 anfertigen liefs, um bei der begründung der
Wittenberger Universitätsbibliothek einen anhält zu haben; er
bringt ihn nach einer orientierenden einleitung auf s. 35 — 80 mit
ausnähme der juristischen und medicinischen abteilungen zum ab-
druck und weist in einem anbang wenigstens für einen teil der
hss., leider nicht auch der incunabeln, den jetzigen aufbewahrungs-
ort nach, eine wichtige Vorarbeit bot der der klosterbibliothek
gewidmete abschnitt des 1855 erschienenen buches über Altzelle
von Cßeyer (s. 109 — 130), wo ohne benutzung des nun von Seh.
gefundenen katalogs ein stattlicher teil der alten bücherei auf
gruud einer sorgrultigen durchmusteruug der Leipziger und Dresdner
bibliotheken und einer Verzeichnung ihres besitzes an ehemals
altzellischen büchern reconstruiert ist. Seh. gibt jetzt freilich
wesentlich mehr; vielleicht soll man nun aber umgekehrt sich
auch nicht zu sehr auf die unbedingte Vollständigkeit des jetzt
veröffentlichten katalogs verlassen, gegen die zb. die bei Beyer
s. 125 unter 1 und 3 angeführten drucke zu sprechen scheinen;
auch weist der Dresdner cod. K 277 (Schnorr u 234) darauf hin,
dass in dem medicinischen teil des katalogs auch nichtmedicini-
sches enthalten ist.
260 SCHMIDT ALTZELLE
So vollständig aber ist er jedesfalls, dass er in mehrfacher
hinsieht unsre kennlnisse zu fördern vermag, zunächst die ge-
schiebte des bibliothekswesens. ThGottlieb allerdings in seinem
grofsen corpus ma. lieber bibliothekskataloge (Ober ma. bibliotheken
1890) hätte dieses Verzeichnis verschmäht (er kennt freilich auch
das kurze Verzeichnis aus dem 12 jh. nicht, das Seh. s. 10 f ab-
drucki), weil es erst nach 1500 entstanden ist; aber gerade ein
katalog wie der von Altzelle zeigt deutlich, wie wenig innere be-
deutung diese mit Hains praxis übereinstimmende ' abgrenzung
hat : die einrichtung der bibliothek ist auch 1514 noch durchaus
mittelalterlich, und das oft schwer entwirrbare durcheinander von
hss. und drucken ist das gleiche in katalogen, die der zweiten
hälfte des 15 jhs. angeboren.
Dem bildungsgeschicbllichen problem des ausgehnden mittel-
alters, der frage nach der Umwandlung der scholastischen bildung
in die humanistische, würde der katalog gewis noch mehr zu gute
kommen, wenn er mehr anhaltspuncte für die zeit der erwerbung
der einzelnen nummern böte, die sich leider auch anderweitig
nur hie und da sicher ermitteln lässt. von Prag aus erhalt das
Schulwesen des klosters im 14 und im beginnenden 15 jh. offen-
bar bedeutsame anregung; aber nirgends ist zu spüren, dass da-
mit nun auch ein teil des böhmisch-luxemburgischen vorhumanis-
mus nach Altzelle gekommen wäre : das ^Exercitium baccalaurean-
tium' des aus Prag berufenen Vincentius Grüner ist der neuen
bildung so völlig fremd wie die werke seines ebenfalls aus Prag
kommenden nachfolgers Matthias von Königsaal, und keine einzige
der wenigen modernen handschriften der klosterbibliolhek
geht in so alte zeit zurück, der Altzeller frühbumanismus wird
sich vielmehr parallel dem Leipziger frühbumanismus entwickelt
haben, der seit den sechziger und siebziger jähren des 15 jhs.
langsam zu wachsen beginnt; freilich ist keiner der namen von
Leipziger studierenden und graduierten aus Altzelle, die Seh.
s.22fr zusammengestellt hat, in dem namenverzeichnis von GBauchs
Geschichte des Leipziger frühbumanismus (1899) nachzuweisen,
dass in der bibliothek mehrmals (G 24, 0 42, vgl. auch L 42)
eine ^Quodlibetaria questio Erphordensis studii' (vielleicht JSchrams
Monopolium der schweinezunft v. 1494?) zu finden ist, liefse es
wo] empfehlenswert erscheinen, auch einmal die Erfurter matrikel
(hrsg. V. Weifsenborn und Hortzschansky 1881 — 99) auf Altzeller
studierende hin durchzuarbeiten.
1514 finden wir nun als moderne bildungsmittel die werke
fast aller römischen classiker; ihnen gesellen sich einige Griechen:
aufser Aristoteles Xenophon, Plato, Plutarcb, Lucian und sogar
Euripides, natürlich, auch wo es nicht ausdrücklich bezeugt ist,
gewis nur in lateinischen Übersetzungen, es erscheinen ferner
fast alle grofsen italienischen humanisten der gesamten entwick-
lungszeit; einer der allerkleinsten, Jacobus Publicius, sei hier
SCHMIDT ALTZELLE 261
herausgehobeD, weil er in den sechziger jähren des 15 jhs. per-
sönlich in Deutschland lehrte und weil das vorkommen mehrerer
seiner Schriften wider auf den Zusammenhang der Altzeller Stu-
dien mit Leipzig oder Erfurt weist, unter den deutschen über-
wiegen die männer der strengeren richtung. von den auchbuma-
nisten treffen wir GHeimburg und HLeubing, der frühhumanis-
mus ist — ich möchte fast sagen : natürlich — durch Eybs
Margarita poetica vertreten; dann folgen Agricola, Wimpbeling,
Reuchlin, dessen Sergius mehrfach vorkommt, SBrant, dessen
deutsches Narrenschiff übrigens samt einer deutschen bibel,
deutschen predigten und hsl. 'Rithmi vulgares de vitis patrum'
(G34, nach ESchröders Vermutung wol die jetzige, schon 1826
von Titlmann, 1880 von Franke nach Altzelle gewiesene hs. 816
der Leipziger Universitätsbibliothek) das deutschsprachliche Schrift-
tum fast allein vertritt, GReisch, dessen Margarita philosophica frei-
lich ebenso wie die Margarita poetica ohne Verfasserangabe ein-
getragen ist und der daher ebenso wie Eyb in Sch.s autoren-
register fehlt, JLocher (Narragonia ua.) und endlich auch Erasmus,
der von Übersetzungen und ein paar kleinigkeiten abgesehen,
durch seine Adagia vertreten ist. dagegen ist CCeltis aus dem
autorenregister zu streichen, denn der magister Gonradus Zeltan,
dessen ^Leclura super capitulo : Firmiter credimus' mehrfach vor-
handen ist, wird schwerlich mit dem erzhumanisten identisch sein,
mit Erasmus stand der abt Martin von Lochau (1493 — 1522),
der hauptvertreter des Altzeller humanismus, auch in brieflichem
verkehr; vielleicht dient der von Seh. s. 24 anm. 1 wider hervor-
gehobene nachweis dazu, die Erasmusphilologen auf die spur der
verlorenen correspondenz zu führen.
Seh. macht s. 2f darauf aufmerksam, dass in Jena auch die
bibliolheksverzeichnisse andrer klüster aus der gleichen zeit auf-
bewahrt werden; es sind Reinhardsbrunn, Lehnin, Nürnberg
(predigerkloster), Leipzig (predigerkloster) und Grünbain, vielleicht
auch noch Halle (Servitenkloster) und Nürnberg (Augustinerkloster),
von ihnen sind bisher nur das Lehniner und das Reinhardsbrunner
herausgegeben, wenn man sich an die anregungen hält^ die Sch.s
Veröffentlichung des Altzeller katalogs bietet, muss man auch den
übrigen Verzeichnissen kundige und sorgsame bearbeiter wünschen.
Berlin, 31 Januar 1900. Max Herrmann.
Laurence Sterne und CMWieland, von dr C. A. Rehmer. [For-
schungen zur neuern Utteraturgeschichte, herausgegeben von dr
Franz Muncker, IX.] Berlin, CDuncker, 1899. 62 ss. S». 1,20 m.—
Rehmer hat seine abhandlung, die nur ein kleiner beitrag zur
erforschung fremder einflüsse auf Wielands dicblungen sein will,
in 3 teile zerlegt: i Laurence Sterne, ii Wielands beschäftigung
mit Sternes Schriften, iii Sternes einfluss auf Wielands dichte-
risches schaffen, in einer Schlussbetrachtung fasst er sodann die
gewonnenen resullate kurz zusammen.
258 DURRWÄCHTER DIB 6ESTA CAROLI MAGM
vielem, von dem ac Ratispona que quarta gleich im eiogaog (s. 145)
an. al3er als quelleügruud fUr die litterariscbeu und hislorischeu
Dach forsch UDgeo D.s reicht dieser text gewis aus, uod als schrill-
stellcrische leistUDg hat das opus nicht eben hohe aosprüche zu
maclieu. — in den anmerkungen nimmt D. öfter auf deutsche
dichtungen bezug und ist (s. 119) geneigt, dem compilator die be-
kannlschaft mit Strickers Karl zuzuschreiben : ich habe mich
zwischen dem alten Rolandslied und der bearbeitung des Strickers
nicht entscheiden können.
Zu s. 65 anm. 39*^ möcht ich bemerken, dass Kaiserchron.
s. 48 n. 2 der hinweis auf das schwäbische Mendäberch bei ge-
legenheit der gleichen widergabe von ^Mons Gaudii' natürlich nur
so gemeint war, dass ein in der heimat vorhandener ortsname
zur Übersetzung eines gleichbedeutenden oder als gleichbedeutend
angesehenen fremden verwendet werden konnte; überdies hat D.
meine anmerkuug zu v. 14573 übersehen. E. See.
Gber Wallher von der Vogelweide, eine Jugendarbeit Rddolf Hilde-
BRAisDs, hsg. von prof. Georg Berlit. [sa. aus der Zeitschr. f. d.
deutschen Unterricht. 13 Jahrg. ss. 777 fr.] Leipzig, BGTeubner,
1900. 39 ss. 8<). 0,60 m. — Rudolf Hildebrands Staatsexamens-
arbeit, von Moritz Haupt einst hohen lobes gewürdigt und jetzt durch
die pietät eines schüiers ans licht gezogen, ist ^mitten unter den
stürmen' der märzrevolution in 14 tagen erwachsen, es weht
frUhlingsluft in ihr: ^man kann ja seit kurzem jetzt das speciQseh
Deutsche wider mit Selbstgefühl nennen, es ist ja so herrlich,
dass ich nichts dergleichen kenne im ganzen umkreis der dinge';
Walther wird dem jüngling, der sich aus den fesseln des scho-
lasticismus in ^die wellen der würklichen dingeweit' sehnt« der
repräsentant eines ganzen und gesunden geisteslebens, das in sich
selbst seinen zweck hat. gern vergleicht er ihn mit Goethe und
freut sich seiner naiven Sinnlichkeit; es jammert ihn, dass dieser
herrliche Walthcr schliefslich auch als opfer des christlichen
dualismus fallen muss wie so viele Deutsche, am wohlsten ist ihm
bei Wallhers politischen gedichten, aus denen er die stimme Luthers
und der freiheitsdichter von 1813 heraus hört; die liebeslyrik
ist ihm zu gedanklich, und er empGndet deutlich den ^kältlichen
anstrich' der schemenhaften tradition, der er ebenso schuld daran
gibt, wenn uns heute 'der so viel gepriesene und gesuchte Umgang
mit frauenzimmern zur last oder wenigstens zur anstrengung wird',
dieser schnelle Seitenblick auf das tägliche leben weist inmitten der
zuweilen etwas aufsatzmäfsigen darstellung, die von der eminent
gesprochnen spräche des reifen Hildebrand noch wenig zeigte schon
deutlich voraus auf die fruchtbare, belebende anschauuug, die später-
hin alles erquicklich durchdrang, was in den gesichtskreis des
unvergesslicben mannes trat, schon in dieser Jugendarbeit denkt
er, echt Hildebrandisch, bei Walth. 55,30 nü loil ich sdtowen,
ob du iht tagest an den meister, der den lehrbuben controiiert.
HILDEBRAND ÜBER WALTHER VON DER VOGEL WEIDE 259
UDÜ 95, 15 dannoch seit si mir ddhi f^Iit ihm sofort die volks-
lümlicbe zugäbe ein. die liebe zum volke stimml widerum zur
zeit wie zu der persoo des Schreibers : nebea Goethe und Schiller
gibt das Volkslied parallelen her, und der tact, der in der volks-
stimrae iigt, ist ihm damals wie immer für ästhetisch-ethische
dioge 'eiDe art goltesgericht in letzter instanz'. so finden wir
gerne in den weichern Zügen des Jünglings das vertraute und
geliebte antlilz wider, wissenschaftlichen ertrag wird niemand
erwarten: es hat mich fast überrascht, welche geringe bedeutung
in diesem bilde Walthers die künstleriscbe und menschliche ent-
wicklung gewinnt, wie wenig geschichtliche probleme aufgeworfen
werden; Hildebrand war keiner von den frühreifen, die hübsche
conjeciur allez f. alze 44, 38 waren wir gewöhnt an Bartsch zu
kuüpfen. — ich würde dem herausgeber noch dankbarer gewesen
sein, wenn er nicht den seltsamen einfall gehabt hätte, die majuskel-
losigkeitvon den lateinischen lettern des manuscripts auch in diefrac-
tur der Zs. f.d.unt. zu übertragen, was sehr curios würkt. R.
Beiträge zur geschichte der wissenscbaftlichen Studien in sächsischen
klüstern i Altzelle, von Ludwig Schmidt, der xliv Versammlung
deutscher philologen und Schulmänner aus anlass der begründung
einer abteilung für bibliolhekswissenschaft dargebracht von der
königlichen öffentlichen bibliothek zu Dresden. Dresden, WBaensch,
1897. 93 SS. gr. 8^. 1,50 m. — diese kleine schrifl, die sich
erst zwei jähre aach ihrem erscheinen zur besprechung gestellt
hat, ist gründlicher, wenn auch nicht immer anmutiger gelehrsam-
keit voll. Seh. hat in Jena den bisher für verloren gehaltenen
bibliothekskatalog des Cistercienserklosters Altzelle aufgefunden,
den Spalatin 1514 anfertigen liefs, um bei der begründung der
Wittenberger Universitätsbibliothek einen anhält zu haben; er
bringt ihn nach einer orientierenden einleitung auf s. 35 — 80 mit
ausnähme der juristischen und medicinischen abteilungen zum ab-
druck und weist in einem anhang wenigstens für einen teil der
hss., leider nicht auch der incunabeln, den jetzigen aufbewahrungs-
ort nach, eine wichtige Vorarbeit bot der der klosterbibliolhek
gewidmete abschnitt des 1855 erschienenen buches über Altzelle
von EBeyer (s. 109 — 130), wo ohne benutzung des nun von Seh.
gefundenen katalogs ein stattlicher teil der alten bücherei auf
grund einer sorgrultigen durchmusteruug der Leipziger und Dresdner
bibliotheken und einer Verzeichnung ihres besitzes an ehemals
altzellischen büchern reconstruiert ist. Seh. gibt jetzt freilich
wesentlich mehr; vielleicht soll man nun aber umgekehrt sich
auch nicht zu sehr auf die unbedingte Vollständigkeit des jetzt
veröffentlichten katalogs verlassen, gegen die zb. die bei Beyer
s. 125 unter 1 und 3 angeführten drucke zu sprechen scheinen;
auch weist der Dresdner cod. K 277 (Schnorr ii 234) darauf hin,
dass in dem medicinischen teil des katalogs auch nichtmedicini-
sches enthalten ist.
260 SCHMIDT ALTZELLE
So vollstäadig aber ist er jedesfalls, dass er in mehrfacher
hinsieht unsre kenntnisse zu fördern vermag, zunächst die ge-
schiebte des bibliothekswesens. ThGottlieb allerdings in seinem
grofsen corpus ma. lieber bibliothekskataloge (Ober ma. bibliotheken
1890) hätte dieses Verzeichnis verschmäht (er kennt freilich auch
das kurze Verzeichnis aus dem 12 jh. nicht, das Seh. s. 10 f ab-
drucki), weil es erst nach 1500 entstanden ist; aber gerade ein
katalog wie der von Altzelle zeigt deutlich, wie wenig innere be-
deutung diese mit Hains praxis übereinstimmende ' abgrenzung
hat : die einrichtung der bibliothek ist auch 1514 noch durchaus
mittelalterlich, und das oft schwer entwirrbare durcheinander von
hss. und drucken ist das gleiche in katalogen, die der zweiten
bäjfte des 15 jhs. angehören.
Dem bildungsgeschichtlichen problem des ausgehnden mittel-
alters, der frage nach der Umwandlung der scholastischen bilduog
in die humanistische, würde der katalog gewis noch mehr zu gute
kommen, wenn er mehr anhaltspuncte für die zeit der erwerbung
der einzelnen nummern böte, die sich leider auch anderweitig
nur hie und da sicher ermitteln lässt. von Prag aus erhält das
Schulwesen des klosters im 14 und im beginnenden 15 jh. offen-
bar bedeutsame anregung; aber nirgends ist zu spüren, dass da-
mit nun auch ein teil des böhmisch-luxemburgischen vorhumanis-
mus nach Altzelle gekommen wäre : das ^Exercitium baccalaurean-
tium' des aus Prag berufenen Vincentius Grüner ist der neuen
bildung so völlig fremd wie die werke seines ebenfalls aus Prag
kommenden nachfolgers Matthias von Königsaal, und keine einzige
der wenigen modernen handschriften der klosterbibliothek
geht in so alte zeit zurück, der Altzeller frühbumanismus wird
sich vielmehr parallel dem Leipziger frühbumanismus entwickelt
haben, der seit den sechziger und siebziger jähren des 15 jhs.
langsam zu wachsen beginnt; freilich ist keiner der namen von
Leipziger studierenden und graduierten aus Altzelle, die Seh.
s.22fr zusammengestellt hat, in dem namenverzeichnis von GBauchs
Geschichte des Leipziger frühbumanismus (1899) nachzuweisen,
dass in der bibliothek mehrmals (G 24, 0 42, vgL auch L 42)
eine 'Quodlibetaria questio Erphordensis studii' (vielleicht JSchrams
Monopolium der schweinezunft v. 1494?) zu finden ist, liefse es
wol empfehlenswert erscheinen, auch einmal die Erfurter matrikel
(hrsg. v. Weifsenborn und Hortzschansky 1881 — 99) auf Altzeller
studierende hin durchzuarbeiten.
1514 finden wir nun als moderne bildungsmittel die werke
fast aller römischen classiker; ihnen gesellen sich einige Griechen:
aufser Aristoteles Xenophon, Plato, Plutarch, Lucian und sogar
Euripides, natürlich, auch wo es nicht ausdrücklich bezeugt ist,
gewis nur in lateinischen Übersetzungen, es erscheinen ferner
fast alle grofsen italienischen humanisten der gesamten entwick*
lungszeit; einer der allerkleinsten, Jacobus Publicius, sei hier
SCHMIDT ALTZELLE 261
herausgehoben, weil er in den sechziger* jähren des 15 jhs. per-
sönlich in Deutschland lehrte und weil das vorkooimen mehrerer
seiner Schriften wider auf den Zusammenhang der Altzeller Stu-
dien mit Leipzig oder Erfurt weist, unter den deutschen über-
wiegen die männer der strengeren richtung. von den aucbhuma-
nisten treffen wir GHeimburg und HLeubing, der frühhumanis-
mus ist — ich möchle fast sagen : natürlich — durch Eybs
Margarita poetica vertreten; dann folgen Agricola, Wimpheling,
Reuchlin, dessen Sergius mehrfach vorkommt, SBrant, dessen
deutsches Narrenschiff übrigens samt einer deutschen bibel,
deutschen predigten und hsl. 'Rithmi vulgares de vitis patrum'
(G34, nach ESchröders Vermutung wol die jetzige, schon 1826
von Tittmann, 1880 von Franke nach Altzelle gewiesene hs. 816
der Leipziger Universitätsbibliothek) das deutschsprachliche Schrift-
tum fast allein vertritt, GReisch, dessen Margarita philosophica frei-
lich ebenso wie die Margarita poetica ohne Verfasserangabe ein-
getragen ist und der daher ebenso wie Eyb in Sch.s autoren-
register fehlt, JLocher (Narragonia ua.) und endlich auch Erasmus,
der von Übersetzungen und ein paar kleinigkeiten abgesehen,
durch seine Adagia vertreten ist. dagegen ist CCeltis aus dem
autorenregister zu streichen, denn der magister Gonradus Zeltan,
dessen 'Leclura super capitulo : Firmiter credimus' mehrfach vor-
handen ist, wird schwerlich mit dem erzhumanisten identisch sein,
mit Erasmus stand der abt Martin von Locbau (1493 — 1522),
der hauptvertreter des Altzeller humanismus, auch in brieflichem
verkehr; vielleicht dient der von Seh. s. 24 anm. 1 wider hervor-
gehobene nachweis dazu, die Erasmusphilologen auf die spur der
verlorenen correspondenz zu führen.
Seh. macht s. 2f darauf aufmerksam, dass in Jena auch die
bibliotheksverzeichnisse andrer klüster aus der gleichen zeit auf-
bewahrt werden; es sind Reinhardsbrunn, Lebnin, Nürnberg
(predigerkloster), Leipzig (predigerkloster) und Grünhain, vielleicht
auch noch Halle (Servitenkloster) und Nürnberg (Augustinerkloster),
von ihnen sind bisher nur das Lehniner und das Reinhardsbrunner
herausgegeben, wenn man sich an die anregungen hält, die Sch.s
verüfTentlichung des Altzeller katalogs bietet, muss man auch den
übrigen Verzeichnissen kundige und sorgsame bearbeiter wünschen.
Berlin, 31 Januar 1900. Max Herrmann.
Laurence Sterne und CMWieland, von dr C. A. Rehmer. [For-
schungen zur neuern litteraturgeschichte, herausgegeben von dr
Franz Muncker, IX.] Berlin, CDuncker, 1899. 62 ss. 8^. 1,20 m. —
Rehmer hat seine abhandlung, die nur ein kleiner beitrag zur
erforschung fremder einflüsse auf Wielands dichlungen sein will,
in 3 teile zerlegt: i Laurence Sterne, n Wielands beschäftigung
mit Sternes Schriften, iii Sternes einfluss auf Wielands dichte-
risches schaffen, in einer Schlussbetrachtung fasst er sodann die
gewonnenen resultate kurz zusammen.
262 UEHMF.R LAURENCE STERNE UND WIELAND
Die beiden ersten teile dienen vortrefflich ihrem zwecke, das
hild, das uns B. an der hand des ^Tristram Shandy' und der
^Sentimental journey' von Sterne als dem Vertreter des idealistischen
humors entwirft, ist in allen zUgen klar und sauber, und das 18 jh.
mit seiner gefühl^armut in der ersten, mit seiner empfindsam keit
in der zweiten hälfte bildet einen würksamen hintergrund dazu. —
wie B. sodanD nachweist, hat Wieland den ^Tristram Shandy' nicht
vor sommer oder herbst 1767, die ^Empfindsame reise' gegen
ende des Jahres 1768 kennen gelernt, und gewis, nur diese
romaue^ nicht die übrigen Schriften Sternes haben erkennbar auf
sein dichterisches schaffen eingewHrkt. — nicht so rQckhalt-
los anerkennend steh ich dem 3 teile gegenüber, in dem B.
die von Sterne beeiuflussten Schriften Wielands bespricht, es
ist zu bedauern, dass B. die aufserordentlich eingehnden Unter-
suchungen von Bauer ^Ober den einfluss Laurence Sternes auf
ChMWieland' (programme des kaiser Franz-Josef-gymnasiums in
Karlsbad, 1898. 1899. 1900) für seine abhandlung noch nicht heran-
gezogen hat. wie er seihst erklärt (zb. s. 36. 38), hat er nicht
immer alle Übereinstimmungen mit Sterne angeführt, oft sich auf
proben beschränkt, dagegen liefse sich nichts sagen, wenn nur
nebensächliches ausgelassen, wenn oft widerkehrenües nur ein-
mal angeführt wäre, jedoch erklären sich nicht alle lücken aus
diesem princip. hier einige nachtrage, die übrigens das verdienst
der reichhaltigen, übersichtlichen und gut geschriebenen Studie
B.S nicht in frage stellen sollen.
In den ^Beiträgen zur geheimen geschichte des menschlichen
Verstandes und herzens' ist nicht allein im stil, sondern auch im
Stoff und geist des ganzen werkes ausgeprägte verwantschaft mit
Sterne vorhanden. Wieland preist Sternes empfindsamkeit, ja er
lässt sich sogar von ihr zu einer wörtlichen Übersetzung aus der
'Empfindsamen reise* veranlassen (s. 179). auch bei besprechung
der von Sterne besonders stark beeiuflussten Dialoge des Diogenes
von Sinope muste die empfindsamkeit als ein dement der verwant-
schaft mehr hervorgehoben werden, aus dem Goldenen spiegel
vermiss ich den hinweis auf Sternes art, der in Wielands worten
(einl. s. 18) ligt : Warum hatten die ehrlichen Männer die Gabe
nichts der Weisheit ein lachendes Ansehen zu geben ? — Oder konnten
sie sich nur nicht entschliefsen ^ ihr zuweilen die Schellenkappe
aufzusetzen! i s. 131 : Während dass der Iman diese schöne Rede
hielte sang der Sultan im Tone der langen Weile und mit haW
geschlossenen Augen, la Faridondäne la Faridondon^ Dondäne
Dondon Dondäne Dondäne Dondäne Dondon (ebenso s. 143). wer
denkt da nicht sofort an onkel T ohy s Lillabullero! wenn Schach
Gebal bei besonders gefühlvollen worten Danischmends regelmäfsig
einschläft, so war hier aufser dem hinweis auf den alten Shandy
und onkel Toby vor allem ein solcher auf dr Slop am platze
(Tr. Sh. cap. 42).
BEHMER LAUREISCE STEBNE UND WIELAND 263
Die ausführuDgen B.s s. 25 über Wielands inneres Verhältnis
zu Sterne sind unklar, wenn der brief vom 13 november 1767
uneingeschränkte bewunderung Sternes atmet, Wieland dagegen
im jähre 1773 neben höchstem lob scharfen tadel über den
Tristram Shandy ausspricht, so hat eben Wieland erst im laute
der jähre kühler über Sterne zu urteilen gelernt, an der stelle,
wo B. betont, dass Wieland kein sklavischer nachahmer Sternes
ist, vermiss ich die bekannte citatio edictalis des Athenäums (Gruber
Wielands leben iv 255; Bauer i 3), die auf die heurteilung
Wielands durch die romantiker ein helles licht wirft.
Die ^Grazien' zeigen nach B. und Bauer nur ganz geringe
spuren von Sternes einfluss. wenn schon das abfassungsjahr 1769
und die ausdrückliche erwähoung des lieben Stern* auf seinem
Steckenpferd — Poor Yorik! dagegen zn sprechen scheinen,
so ist aufserdem nicht zu verkennen, dass die ganze art der er-
zählung in Sternes manier gehalten ist. schon die einleitung,
das gespräch des dichters mit Danae, ferner die lockere art und
weise, wie Wieland die erzählung oft unterbricht, erinnern an
die Zwiegespräche Sternes mit dem leser oder der schönen leserin,
an seine anreden an Jenny oder Eugenius. das ganze ist in einen
schalkhaft-sinnlichen ton getaucht, der mit Vorliebe andeutet, allzu
gewagtes scherzend unterdrückt, die erschreckte leserin neckt und
beruhigt, auch die empßndsamkeit, die, wie Wieland selbst sagt,
die drei Schwestern zu grazien macht, ist dieselbe, welche Sternes
werke durchzieht. Kuno Riddebhoff.
Allitterierende Wortverbindungen bei Goethe, i von W. Ebrard. [Beilage
z. jahresber. d. kgl. alten gymn.] Nürnberg, MEdelmann, 1898/99.
42 SS. 4^. 2,40 m. — Ebrard gibt eine gute analyse des Vorrats
allitterierender Wortverbindungen bei Goethe; vorzugsweise handelt
es sich um jene gruppen, die ich in meiner — von E. nicht be-
nutzten — Allgerm, poesie *zwillingsformeln' genannt habe, er
zeigt, wie gerne Goethe bei der bearbeitung von entwürfen und Über-
setzungen (s. llf) Stabreime einfügt, untersucht die consonan-
tischen allilterationen (s. 13 f) auf vocalverschiedenheit und han-
delt lehrreich über die art der allitterierenden Wortverbindungen
selbst : coordination ungleichartiger redeteile (s. 18) und 'schiefe
gegensätze* (s. 88), unterbrochene und gemischte allitteration (s. 20)
— beide nach gut altgermanischer art besonders beliebt — , art der
Verbindung (s. 22) und inneres gedankenverhältnis (s. 25f). bei
eigen namen (s. 38) und fremd Wörtern (s. 40) ist auch bei Goethe
die allitteration besonders häufig, was, wie in aller poesie, ihren
decoraliven charakler deutlich hervortreten lässt. — der versuch,
Goethes 'neue' reimpaare herauszuheben, ist nicht immer ge-
lungen : Kreuz und Christ (s. 12), vergeben und vergessen (s. 15)
uaa. sind längst formelhaft. Ricuabd M. Meteb.
Volksschauspiele aus dem Böhmerwalde, gesammelt, wissenschaftlich
untersucht und herausgegeben von J. J. AubiaaNN. ii teil. Prag,
264 AMMANN VOLKSSCHADSPIELE AUS DEM BÖHMBRWALDE II
JGCalve (JKoch), 1899. xi und 168 ss. gr. 8^. [Beiträge zur
deutsch- böhmischen Volkskunde, im auftrage der gesellschaft
zur Förderung deutscher Wissenschaft, kunst und litteratur in
Böhmen, geleitet von AHauffen, ii bd, 2 hefl.] 2,20 m. — das im
Anz. XXIV 392 fr begrüfste unternehmen schreitet erfreulich vor-
wärts, der hg. legt sechs neue volksschauspiele vor, die frei-
lich zum teil ganz junge gestalten zeigen, da Eustachius, Hirlanda
und Heinrich vEichenfels nur dramatisierungen nach Christoph
vSchmids erzählungen sind (vgl. Mitteilung nr. n der gesell-
schaft zur fördern ng deutscher Wissenschaft, kunst und litteratur
in Böhmen s. 8 anm). A. selbst zweifelt, ob solche dramen einen
platz beanspruchen dürfen, doch wird man wol nicht ungern
eine möglichst vollständige Sammlung des ganzen vorhandenen
materials besitzen, wenn sich die Volkstümlichkeit nachweisen
lässt. und das hat A. getan, für den Alexius ist die quelle wol
irgend ein legendär [ESchröder vermutet Martin vCochem].
interessant ist das ^Türkische sultanspiel', eine mischung von
märtyrer- und familientragOdie, geplante blutschande zwischen
vater und tochter (auch ein motiv der mittelalterlicheD le-
gende)^ gegensalz zwischen beiden und Christen, Verfolgung um
des glaubens willen; manches erinnert an das schlesische kunst-
drama, manches an den Johannes von Nepomuk. eine besondere
Stellung nimmt die Genovefa ein, die mit keiner der bisher be-
kannt gewordenen fassungen vollständig stimmt, aber an einige
zb. die niederöstereichische wenigstens in einzelheiten erinnert,
ich will jedoch Ammanns in aussieht gestellter Untersuchung nicht
vorgreifen, verweise nur zu dem Anz. xiii 55fr erwähnten ma-
terial auf die Schilderung einer Genovefaaufführung durch Holtei
in Kuhs Hebbelbiographie ii 433. es wäre sehr zu wünschen,
dass die arbeit bald zu ende geführt würde, damit man einen
überblick gewinnt, es soll noch ein hefl mit texten und dann
erst der kritische teil folgen, die gesellschaft, deren energie
das erscheinen ermöglicht, verdient den aufrichtigsten dank.
Lemberg^ 15juni 1899. R.M.Werner.
Der privatdocent dr E. Hoffmann-Krater in Zürich hat einen
ruf nach Basel als ao. professor für deutsche pbilologie mit spe-
ciellem lehrauftrag für phonetik, deutsche mundarten und Volks-
kunde angenommen.
Prof. F. Holthacsen von Göteborg siedelt als ao. professor
der englischen pbilologie nach Kiel über.
An der Universität Wien habilitierte sich dr Robert F. Arnold
für neuere deutsche litteratur, an der Universität Worzburg
dr Robert Petsch für germanische pbilologie.
Der professortitel wurde verliehen dem privatdocenten dr
K. Drescher in Bonn.
ANZEIGER
FÜR
DEimCHES ALTERTUM UND DEUKCHE LinERAlTIR
XXVI, 4 october 11)00
Der indogermanische ablaut, vornehmlich in seinem Verhältnis zur betonung.
von Hermann Hirt. Strafsburg, KJTrübner, 1900. 224 ss. — 6 m.
Seil HUhschmanns iDdogerm. vocalsystem (Strafsburg 1885)
isl keine zusammenfassende monographie über die indogermanische
vocalabstufung erschienen, haben diese fragen in der Zwischen-
zeit auch nicht in dem mafse wie in den siebziger, achtziger
Jahren das ganze interesse der vergleichenden Sprachwissenschaft
beherscht, so sind sie doch in den letzten anderthalb jähren
sehr wesentlich gefördert worden, eine neue darsteUung des
«toffes wird daher namentlich denen, die auf dem gebiete einer
«inzelsprache tätig auch die resultate der vergleichenden grammatik
kennen zu lernen wünschen, nicht unwillkommen sein. Hirts
buch trägt der Veränderung der ansichten seit 1885 in gebührender
weise rechnung. nur sollte der verf. nicht den anschein er-
wecken, als ob diese fortschritte im wesentlichen von ihm her-
rührten, 'meine ansichten'^ schreibt er im Vorwort, 'haben sich
ganz allmälig entwickelt, und noch am schluss konnte ich einen
wichtigen punct hinzufügen, der manches erklären wird, meine
arbeit gründet sich auf das, was ich in den letzten bänden der
Indogerm. forschungen veröffentlicht habe', nein, müssen wir
hier den verf. unterbrechen, sie gründet sich vor allem auf das,
was die forschungen andrer an gesicherten ergebnissen zu tage
gefördert haben, 'das, was ich dort auseinandergesetzt habe', fährt
er fort, 'konnte durch das reiche, neue material, das ich gebe,
in einigen puncten modificiert und erweitert werden, in allen
wesentlichen hielt es aber stand, und wird stand halten, ich
hoffe nicht nur, wie Brugmann Grdr. i^ 296' meinte, der Wahr-
heit am nächsten gekommen zu sein, sondern hoffe diese selbst
gefunden zu haben', nun, das hoffen so ziemlich alle gelehrten,
die etwas veröffentlichen, nur drücken sie es gewöhnlich be-
scheidener aus oder behalten den gedanken für sich, später wird
fiur de Saussures 1879 erschienenem Memoire besondere aner-
kennung gezollt, in einer weise, als ob Hirt die Verdienste dieser
arbeit zum ersten mal hervorhöbe, das ist schon längst von
verschiedenen anderen seilen in gebührendem mafse geschehen, zb.
KZs. 31,395 oder bei Bechtel Hauptprobleme 193 f. dagegen
verdient denn doch auch betont zu werden, dass de Saussures
mathematische art und weise zu folgern und seine theorie von
A. F. D. A. XXVI. 18
266 HIRT DER INDOGERMANISCHB ABLADT
der langen liquida und nasalis sonans auf die folgezeit entschieden
schädlich gewürkt haben und dass die fortschritte des letzten
Jahrzehnts nicht zum geringsten teil auf der beseitigung seiner
irrtümer beruhen.
Diese forlschrilte liegen hauptsächlich auf dem gebiet der
zweisilbigen basen, die denn auch bei Hirt eine hauptrolle spielen,
die einsilbigen wurzeln treten bei ihm um so mehr zurück, als
er alle thematischen verba sowie die athematischen mit dehnstufe
zu den zweisilbigen basen rechnet, nach diesen beiden kate-
gorien ist das hauptmaterial geordnet, voran gehn einleitende
Bemerkungen , auf die das schlusscapitel zurtlckkommt. hier be-
müht sich Hirt, die ergebnisse der neueren forschungen in ein
abgerundetes, möglichst lückenloses System zu bringen; aber es
gehngt ihm nur mittelst etwas complicierter hypothesen, die zwar
möglich, aber nicht beweisbar sind, er erneuert, wenn auch in
veränderter form, OsthofTs theorie von der zweifachen form der
tiefstufe, indem er behauptet, dass kurzes a, e, o entweder nur
zu lauten, die er mit a* e» o bezeichnet, reduciert wurden oder
gänzlich ausfielen, diese annähme, die ja nicht gerade neu ist,
hat ohne frage einen gewissen anhält in den tatsachen. im
griechischen erscheint für e in ursprünglich unbetonter silbe
vielfach t: nltvtjfÄi^ la&i, x^^^og usw.; für o unbetontes v:
vvxTog. mit diesem i habe ich KZs. 31, 378 f lat. a in qiuUtuor
BB nlavQeg, pateo : nhvrjfdij sowie das ^ von slav. ttei pici, lit.
kipti verglichen, und Hirt schliefst sich dieser combination an
(s. 150* ferner ist die doppelform deutlich vor vocalen, in fällen
wie gr. ßavd, air. ban-, aisl. kona neben skr. gnä, air. mna.
aber in einer grofsen, vielleicht der grOfseren zahl der fölle ist
die doppelform rein hypothetisch, hier zeigen Hirts ausfflhrungen,
wie es scheint, durch ein versehen, eine unliebsame lücke. in
dem abschnitt, wo er die Vertretung des idg. tonlosen e in den
einzelsprachen bebandelt (§260), unterscheidet er beifolgendem
Sonorlaut, r, l, m, n, t, u, zwei fälle, je nachdem der Sonorlaut
hetero- oder tautosyllabisch ist. dann wird aber unter 1) a) —
ö) nur der erste fall erörtert ^ und wie e vor tautosyllabischera
sonor vertreten ist, erfahren wir nicht, sondern können wir uns
höchstens aus § 24 f und Idg. forsch. 7, 141 ff notdürftig zusammen-
lesen, danach wäre die reductionsstufe vor ei, eil, idg. ^t, «ti mit
der Schwundstufe idg. t, u in allen sprachen in t, u zusammen-
* hierbei bespricht Hirt das a vor v in lat. favBre, cavus, cavilia, fa-
vUsae gegen fovea^ boves usw. und erklärt Tburneysens gesetz mit der be-
scbränkung für richtig, dass es nur vortonige silben treffe, es scheint -ihm
unbekannt, dass ich dieselbe ansieht schon vor fünf jähren aasgesprochen
habe (Wochenschrift für dass. philol. 1895 nr 33/34 sp. 923). eine bestä-
tigung bildet der von ßücheler Rhein, mus. 52,391 nachgewiesene alte
imperativ föoe zu favere. man erinnere sich auch, dass im russischen o in
der Silbe vor dem tone (hier aber ohne rücksicht auf benachbarte coosonaoz)
zu a wird.
HIRT DER I^DOGERMA^iISCHB ABLADT 267
gefallen, db. sie ist eben nur dem system zu liebe aDgenommeD.
als ein argument benutzt der verf. (§ 25) nur den von mir
KZs. 31, 339. 467 versuchten nachweis, dass ei, eu zunächst
zu t, ü reduciert wurden, die ihre länge festhielten, wenn sie
nachträglich den accenl zurückerhielten, aber zu t, ü wurden,
wenn sie unbetont blieben t. aber ein beweis läge doch nur
darin, wenn I ü kurzvocaliscber reihen auch in unbetonter läge
(als reductionsstufe) vorkäme.
Ebensowenig bewiesen ist Hirts ansatz einer idg. reductions-
stufe ^r, gU neben einer Schwundstufe ^, n, der hauptsächlich
den zweck zu haben scheint, Brugmanns Uquida und nasalis sonans
mit JSchmidts annähme von reduciertem vocal •+- r, n zu ver-
mitteln (vgl. Idg. forsch. 7, 140). denn im übrigen fehlen durch-
schlagende gründe für diese annähme durchaus; das s. 13 über
kvxog vermutete ist doch kein beweis, eher liefse sich dafür
das § 24 anm. 2 nur ganz beiläuflg und frageweise herangezogene
lat. ar neben or geltend machen, über das Verhältnis von gr.
ag zu ga geht H. in der vorhergehnden anmerkung — nach
einer unüberlegten bemerkung über ag im kretischen ^ — schnell
hinweg, indem er eine spätere behandlung der frage verspricht,
solche Vertröstungen sind allenfalls in einem zeitschriftaufsatz am
platze, aber nicht in einem zusammenfassenden buche, das über
alle in betracht kommenden wichtigen fragen orientieren soll, ich
balle an meiner ansieht (KZs. 31, 391 ff, vgl. JSchmidt Kritik
der sonantentheorie 28) fest, dass ag in ursprünglich unbetonter,
später aber widerbetonter silbe steht ^.
Was n sonans betrifft, so hätte sich H.. auch mit der im
griechischen und arischen übereinstimmenden Vertretung durch
a auseinandersetzen sollen, die ich Einleit. in die gescb. der
griech. spr. 168f hervorgehoben habe und die bei der discussion
der sonantentheorie merkwürdig wenig beachtet worden ist. hält
man die Übereinstimmung zwischen gr. a und skr. a nicht für
zufällig, so machen besondere Schwierigkeit noch die zwischen
' trotzdem erklärt H. s. 38 den ansatz Ton idg. öudhr als einsilbige
schwere basis wegen ovS'aq für absolut notwendig, skr. udhar kann doch
auch die widerbetonte wurzelform einer leichten basis oudh- enthalten; Tgl.
KZs. 31, 338.
^ altes ag sei im kretischen zu ai geworden, 'vgl. /lairve', bisher hat
man fiauvQ^ durch dissimilation aus /la^rvQ- erklärt, wofür ich ngr. ßaU
ßagoi aus ßaQßaQOß als parallele angeführt habe (Berl. phil.ol. wochenschr.
1897 sp. 694). aus gortyn. a^vav, "AQTBfiiv^ xagnov folgt, dass ag in diesem
diaickt sonst intact blieb.
^ analog sieht das Verhältnis von /ut/gxoe ipBOQ, aiptovos xa
ßgvxos' aifcjvoe vsxgoQ, ßgoxos' ficogos Hesych. (Com. graec. fragm. ed.
Kaibel i 201) aus. — ich merke bei dieser gelegenheit an, dass ein im grie-
chischen secundär entstandenes r vor ./zu ig geworden zu sein scheint nach
oixiigaf, aiol. oixrlggo} aus *oixTlgjca aus ^oixrjj'o} zu oixrgoe, da von ei»'!em
nicht existierenden oixri-g{o)- auszugehn mislich ist. ixd'algto zu ix^'gos
macht dann freilich Schwierigkeiten.
18*
266
BIBT ÜEB INDOGEttllAmSCBB ABL 4 DT
der langen liquida und nasalis soDatis auf die Folgezeit eulschiecfeu
^ch^dlich gewürkt haben und dass die fortscbritte des leUli^n
Jahrzehnt» nicht zum geringsten teil auf der beseiligung seiner
irrt um er beruhen.
Diese forLschriüe liegen haupts^chiich auf dem gebiet der
zweisilbigen baseu, die denn auch bei Hirt eine hauptrolle spieleD.
die einsilbigen wurzeln treleii bei ihm um so mehr zurück « als
er alle thematischen verba sowie tfie albematischen mit dehnstuTe
zu den zweisilbigen basen rechnet, nach diesen beiden kate-
gorien ist das hauptmalerial geordneL voran gebn einleitende
hemerkungeUf auf die das schlusscapitel zurtlek kommt, hier be-
müht sich Hirt, die ergebuisse der neueren forscbuugen in ein
abgerundetes, möglichst lückenloses System zu bringen; aber es
gelingt ihm nur mittelst etwas complicierter hypothesen, die zwar
möglich, aber nicht beweisbar sind, er erneuert, wenn auch in
veränderter form, OslhcITs Iheorie von der zweifachen form der
lierstufe, indem er behauptet, dass kurzes a, «, o entweder nur
zu lauten, die er mit a, ,, ^ bezeicbnel, reduciert wurden oder
gänzlich ausfielen, diese annähme, die ja nicht gerade neu isL
hat ohne frage einen gewissen anbalt in den tatsachen, im
griechischen erscheint 10 r b in ursprünglich unbetonter silbe
vielfach it nhvij^t^ to&i^ %^it6Q usw, ^ fUr o unbeloutes v:
¥viK,%6^. mit diesem i habe ich KZs. 31, 378 f lat. a in (pttütuor
■= niav^BQ^ pafea : nltPTj^tt, sowie das i von slav, ttm pict, til*
kipti verglichen, und Hirt schliefst sich dieser combinalion an
(s. 151)* ferner ist die doppel Torrn deuthch vor vocalen, in fällen
wie gn ßavd, air. ban~^ aisl. küna neben skr. gna, air. mnä,
aber in einer grofsen, vielleicht der grüfseren zahl der fälle ist
die doppelform rein hypothetisch, hier zeigen Hirts ausruhrungeu,
wie es scheint, durch ein verseben, eine unliebsame lücke, in
dem abschnitt« wo er die Vertretung des idg* touloseu e in den
einzelsprachen behandelt (§2611), unterscheidet er hei folgendetii
Sonorlaut, r» L ^t n, t, n, zwei fälle, Je nachdem der sonorlau 1
belero- oder tautosyllabisch ist* dann wird aber uitter 1) a) —
ö) nur der erste fall erörtert <, und wie e vor ta u tosyllabi scheu ^
sonor vertreten ist, erfahren wir nicht, sondern künneu wir uns
höchstens aus § 24 f und Idg. forsch. 7, 141 CT notdürftig zusammen-
lesen, danach wäre die reduciioosstufe vor ei, eu, idg. «t, ^u mit
der Schwundstufe idg* i, u in allen sprachen iu i, u zusammen-
^ hierbei bespricht Hirt das a vor t« in bt. favi^re^ catuif caviU&f fa-
vü^ae ^egen favett^ Öoves usw. und erklärt ThuroeyseDs geselz mit der ht-
schriokung für rkKtig, dass es nur vcirtonige i^ilben treffe, es scheint ihen
onbekarml, dags rch dieselbe an^ichl schon vor fünf jähren susgesprocht^^n
habe (VVocbens^chrift für cla^s, philoU 189ä itr 33/34 sp. 923), eine bfsti-
tigung bildel der von ßiicheler Rhdn* mus. 52, 391 nachgewiesene ille
imperativ fave zu fav^r^. man erinnere sieb tuebf dass im russischen i> ia
der Silbe vor dem lone {hier aber ohne rOcksieht auf benachbarte consonantf
lu a wird.
HIRT DER I>DOGERMAMSCHE ABLADT 269
jdnati iyiveto^ cdrati neko^iai, in denen zwei vollslufenvocale
aufeinanderfolgen, erklärt er sämilich Tür unursprünglicb und auf
analogischem wege entstanden, ich gebe zu, dass, wer die von
mir aufgestellte annähme progressiver accentwirkung teilt, leicht
zu dieser consequenz gedrängt wird, aber bei der ungemeinen
häuQgkeit jener bildungen ist diese erklärung eben doch allzu
kühn und gewaltsam, um zu befriedigen, auch die nominalen
o-stämme wie (pogog und die neutralen s-stämme meyivog müssen
dann sämtlich unursprünglich sein ^
Im dritten abschnitt werden hauptsächlich die bedingungen
für das auftreten der verschiedenen vocalstufen untersucht, ab-
weichend von JSchmidt, der eine stärkere Verkürzung annimmt,
wenn der accent auf der zweitfolgenden silbe ruht (skr. tunya-
*vierter* aus ^kturtya-), als wenn er unmittelbar folgt {catvaras),
behauptet der verf., dass vor dem tone Schwundstufe steh, dagegen
reductionsstufe, wenn der accent auf der dritten oder vierten silbe
ligt. mit dem gewohnten selbstbewustsein legt er seinem gesetze
'fundamentale bedeutung' bei. wenn man nicht aus rein laut-
physiologischen gründen die eine oder die andere annähme vor-
zieht, ist es schwer, an der band der tatsachen sich zu entscheiden.
fälle wie skr. catvaras: turiya oder gr. q^agitga {g)aQiTQov s. 145
ist hoffentlich nur druckfehlerl) sprechen gegen H.; er hat sich
freilich für solche ausnahmen einen ausweg geöffnet : im absoluten
oder satzanlaut steht auch unmittelbar vor dem ton reductionsstufe.
Die von Mahlow, Fick, Möller uaa. vertretene lehre, dass idg.
e in der silbe nach dem ton zu o geworden sei, sucht H. in
einer gewissen beschränkung gegen meine früher erhobenen ein-
wände zu halten, ich gebe zu, dass diese theorie in einer reibe
von tatsachen eine gesunde basis hat, aber die widersprechenden
fälle schienen mir und scheinen mir noch immer sehr stark dagegen
ins gewicht zu fallen; und auch H. hat sie nicht in einleuchtender
weise erklärt, wenn man nur einen teil der mit e ablautenden
0 unter das gesetz stellt, aber den entsprechenden Wechsel zb.
in q)iQOfXBv : (pigezBy yevog: yive{a)og auf andere, unbekannte
weise entstanden sein lässt, so bleibt immer die möghchkeit, dass
die unbekannte Ursache auch in den ersteren fällen gewürkt habe.
H.. erklärt den ablaut von e zu o für jünger als die vocal-
schwächungen; anderenfalls müsten wir ja auch vocalschwund
oder reduction in der silbe nach dem ton erwarten, aber
der Wechsel von starkem und schwachem wurzelvocal in ßoxriQ
: ßwT(üQ, öoTTiQ (neben öwttJq) : öojtwq, -eti^Q : aq>^Twg ^ wider-
^ zu denken geben da die doppelbetonten ind. Infinitive wie Slavdi^
hdntavdi.
^ dass im sanskrit däldr-^ »thätdr- usw. nicht ursprönglich sind, son-
dern ihr ä statt i von datar-, stbälar- bezogen liaben, folgt aus savya-sßdr-
(avest. -Star- im compositum), das mit seiner doppelten scliwächung der
Wurzelsilbe, wie sie in der Zusammensetzung regel ist, auf ein simplex.
*$thitdr hinweist. •
270 HIRT DER INDOGRRMANISCBE ABLAGT
spricht seiner annähme; und nach wie vor unerklärt bleiben
fjiaxriQ^ (pQarriQ^ deren lange würzet vocale (gegentiberdem oxytonon
nccTijg = skr. pitä mit reducierter erster silbe) beweisen, dass
ihre paroxytonierung alt ist.
Wenn es ein verdienst ist, dass H., obwohl ein schUler Brug-
manns, in diesen fragen sich mehr den abweichenden ansiebten
JSchmidts und anderer in denselben bahnen wandelnder forscher
angeschlossen hat, so hat sich H. in der tat durch dieses buch
ein verdienst erworben, wenn auch mehr um sich als um andere,
wo er diese ansiebten weiter zu bilden und zum System auszu-
gestalten sucht, sind seine theorien zum teil erwägenswert, aber
auch sehr hypothetisch, er selbst freilich scheint seine arbeit
für abschliefsend zu halten (wie er gelegentlich [s. 24] sein buch
über den idg. accent als grundlegend preist), bofientlicb kommen
wir noch recht viel weiter.
Wien. Paul Krbtschmbr.
Untersuchungen über die Zeitrechnung der alten Germanen, von Gustav Bil-
FiNGER. I. Das altnordische jähr. Stuttgart, WKohlhammer, 1899.
IV und 100 SS. 4^ --3 m.
Diese abhandlung vom altnord. jähr besteht aus folgenden
capileln: 1. Der isl. caleuder, 2. Der norweg. calender. 3. Das
altnord. jähr, 4. Norw. mond-monate, 5. Das wochenjabr, 6. Die
osterschaltung, 7. Ostern und sommerbeginn, 8. Ergebnisse; beige-
fügt ist ein Immerwährender jul. calender. der in betracht
kommende stofT ist, wie man sieht, vernünftig eingeteilt, und ref.
kann sofort aussprechen, dass die bebandlung des Stoffes über-
haupt besonnen ist und durchweg von einer gründlichen einsiebt
in die mittelalterliche computistik und das alte calenderweseo zeugt.
Im allgemeinen wünscht der vf. den beweis zu liefern, dass
das sogen, altnord. jähr nicht ein urnordisches, sondern ganz und
gar das allgemein christliche jähr sei und dass auch die einzelnen
besonders wichtigen tage (zb. der erste sommer- und wintertag,
mitwinter, mitsommer usw.) im christlichen calender wurzeln, so-
weit ref. sehen und urleilen kann, ist die beweisführung im
wesentlichen gelungen. B. bat es klar dargetan, dass das sogen,
altnord. jähr, wie es in unsern quellen am meisten angedeutet
erscheint, eines ziemlich jungen Ursprungs ist. die frage — und
es ist eine sehr wichtige frage — bleibt also: wann und wie ist
der betreffende calender in Norwegen-Island eingedrungen? auch
diese frage hat der vf. zu lösen versucht, aber seine lOsung ist,
wie wir bald sehen werden, durchaus verfehlt.
In den zwei ersten capiteln gibt B. eine klare beschreibung
des altisl.-norw. calenders und der datierungen. bierin ist nur
wenig, was ein gegenständ der kritik sein wird, es ist unrichtig,
wenn der vf. (s. 6) — nach Weinhold — äufsert, dass 'im neuisl.
calender die [alten] monate am 21 tag [unserer monate] beginnen'.
BILFINGCR ZEITRECHNUNG DER ALTEN GERMANEN 1 271
wie ein neuisl. almanach zeigt, begionen sie (1900) am 18 [februar,
juoi], 19 [jaDuar, april, mai], 20 [märz. September], 21 [august],
22 [juli], 26 [Dovember, december] und 27 [october]; das jähr 1900
hat deu 'sumarauki'; darum die zahleo 26 uod 27. dagegen
ist (s. 8) die erklärung der nameo einmdnair und tvimdnair
Cein mouat bis sommerbeginn', 'zwei monate bis winterbegiDD')
ebenso einfach als überzeugend. B. weist übrigens nach, dass
die alten Isländer nur nach Jahreszeiten und wochen, aber nicht
auch nach monaten gerechnet haben; auch beweist er, dass das
wort sumarmdl stets den beginn (den ersten tag) des sommers
bedeute, die unrichtige Übersetzung Finsens und die angäbe im
Wörterbuche EJönssons beruht einfach auf der späteren (spätisl.)
Veränderung im gebrauche des Wortes, im heutigen almanach ist
sumarmdl der beginn der letzten woche des winters (oder die letzte
Woche), und dies ist der heutige Sprachgebrauch, wann diese Än-
derung eingetreten ist, kann ref. nicht bestimmt angeben, im Wörter-
buche GAndrjessons und BHalldorsons wird das wort mit Mnitium
aestatis' übersetzt ^ — dass eine enge verwantschaft zwischen dem
isl. und norw. calender bestanden habe, dürfte a priori einleuchtend
sein, und der vf. hat auch diese klar und unzweifelhaft dargelegt,
nur eine unwesentliche abweichung ist es, wenn die Norweger den
sommer und den winter am 14 april resp. 14 oct., die Isländer
dagegen an bestimmten Wochentagen begannen; der grund dazu
und der Zusammenhang mit dem christlichen caleoder ist auch in
diesem falle genügend erklärt, interessant ist die hier gelegentlich
nachgewiesene Übereinstimmung des norw. calenders mit der Zeit-
rechnung der heidnischen Lappen (s. 27 — 28).
Im 3 capitel werden die angaben der sagas über das altnord.
jähr durchmustert, wenn diese quellen richtig unterrichtet sind,
muss die siebentägige woche bereits vor der einführung des
Christentums bestanden haben; aber eine solche ist, nach der be-
trachtung des vfs., nicht heidnisch-germanisch^ sondern christlich-
kirchlich, eine der wichtigsten stellen in den altisl. quellen ist
selbstverständlich das 4 capitel im Isländerbucb Ari frodis, welches
über die 'erfindung der sommerverlängerung' (sumarau^t) berichtet,
nach dieser erzählung muss die siebentägige woche in Island vor-
christlich sein ; der vf. aber behauptet und versucht zu beweisen,
dass die angäbe unrichtig und verwerflich sei; da er auch zu
dem resultate gelangt, dass die Verfasser der sagas überhaupt,
wenn sie von (siebentägigen) wochen vor 1000 sprechen, schlecht
unterrichtet sind, und da diese frage die Zuverlässigkeit der sagas
berührt, müssen wir etwas näher auf die sache hier eingehn.
Ari frodi war nur 67 jähre nach der einführung des Christen-
tums geboren; sein pflegevater. Hall im Haukadal, 996 ge-
^ im ungedruckten lexicon Jon Olafssons (AM. saiuml.) heifst es:
Mnitium aestatis, septimana antecedens, vel dies proximus ante diem Jovis,
quo aestas semper ingreditur, et sequens dies Veneris*.
272 BILFIN6ER ZBITRECHM0N6 DER ALTEN GERMANEN I
boren, war berühmt für seio vorzügliches gedächtnis; in den
Jahren 1015 — 1030 war er auf bandelsreisen und hatte Olaf den
heiligen selbst zum handelsgenossen. Hall muss die ganze ge-
schichte Islands von ca. 1000 ab genau gekannt haben, gerade
er war einer der besten und zuverlässigsten gewäbrsleute Aris.
es ist also von vornherein sehr unwahrscheinlich, dass Ari etwas, was
nach 1000 geschehen ist, viel früher angesetzt und an bestimmte
Personen angeknüpft habe, aufserdem ist die erzählung von
Thorstein surt und der erfindung des sumarauki mit Aris eignem
gescblecht verbunden; es ist eine familientradition, die hier vor-
ligt. von dem Osvif, der dabei eine rolle spielt^ stammte Are
in gerader linie (Oßvif-Gu8run-Gellir-Thorgils-An); auch seinen
Vaterbruder, Tborkel, nennt Ari als seinen gewflhrsmann. eine
derartig gestützte tradition kann man nicht ohne die triftigsten
gründe verwerfen, und solche gibt es hier nicht, denn wenn der
vf. meint, dass Osvif nur ein knabe war, als die erfindung ums
jähr 960 gemacht wurde, und als solcher keine rolle dabei ge-
spielt habe — wodurch die ganze geschichte sich als erflndung
erweise — , ist dies nur eine unbewiesene annähme, wir wissen
gar nicht, wann Osvif geboren ist; um 1015 ist er im hohen
alter gestorben ; «r kann also sehr gut um 960 ein dreifsigjähriger
gewesen sein, und es hindert also nichts, dass er die rolle ge-
spielt habe, die Ari ihm beilegt.
Was Ari erzählt, ist an und für sich sehr glaubwürdig, er
berichtet, dass man bemerkt hatte, dass *der «ommer immer mehr
und mehr in den frühling zurücktrat' (Hobius; vgl. die eignen
Worte des vf. s. 2), und dass es vorgeschlagen wurde, 'jedes
siebente jähr um eine woche' zu verlängern, aber wenn es Schalt-
jahr ist, 'da muss man schon das sechste vermehren', es ist von
einem jähre von 364 tagen (30 x 12 -f- 4 aukaniBtr) die rede,
sieben solche jähre + dem siebentägigen sumarauki machen
2555 tage aus und sind sieben julianischen jähren von je 365
tagen gleich, hier ist von dem ^4 tag, um welchen das jähr länger
ist als 365 tage, ganz abgesehen, der vf. versteht nun Aris worte:
ü sjaunda hvert ganz wörtlich, aber das ist augenscheinlich un-
richtig. B. selbst hat parenthetisch (s. 37) den richtigen weg einge-
schlagen, wenn er sagt: 'man möchte daraus schliefsen, dass das
in Island ein, wenn auch unrichtiger, doch herkömmlicher Sprachge-
brauch war, ähnlich wie man im lateinischen 'septimo quoque anno'
im sinne von 'alle sechs jähre gebraucht*, diesen gedanken lässt
er freilich sofort fallen, und doch ist es der einzig richtige. Aris
worte sind geradeso zu verstehn; im isl. almanach wird der
sumarauki alle sechs, resp. fünf jähre eingesetzt; jeder zweifei
wird dadurch gehoben. Aris bericht ist also von jeder seite voll-
kommen glaubhaft und sicher zuverlässig, daraus ergibt sich aber
mit unumstofslicher gewisheit, dass die siebentägige woche auch
vor der einführung des Christentums in Island (und Norwegen)
BILFINGER ZEfTRECHi^U^G DER ALTEN GERMANEN 1 273
vorhaodeD war. der einfache schluss ist dann wider, dass diese
wocbe etwas früher eingedrungeD ist, aber wahrscheinlich nicht
viel früher, gerade die von Ari erzählte Verwirrung ums jähr 960
möchte als ein beweis dafür gelten, dass es damals sich um etwas
verhältnismäfsig neues bandelte, man möchte annehmen, dass
die einfübrung der wocbe (der christlichen Zeitrechnung) in der
ersten bälfte des 10 jhs. oder ums jähr 900 geschehen sei. der Vor-
gang lässt sich sehr leicht erklaren.
Die schlussfolgeruDgen B.s für die angaben der sagas und
die Zuverlässigkeit ihrer vfT. werden nun ganz hinfällig und die be-
merkung über Ari s. 96 schwebt in der luft; er ist gerade im
modernen sinne kritisch. — auch das hilft nichts, wenn der vf.
die tbeorien Vigfussons Ober die Zeitrechnung des 10 jhs. gut-
heifst; denn diese sind längst als ganz haltlos und unmöglich zu-
rückgewiesen (MStephensen in Timarithinsisl.Bökmentalj61ags5)i.
Nach der einfübrung des Christentums wurde der frühere
calender ohne zweifei bald verbessert : zb. dadurch, dass das Schalt-
jahr fixiert wurde usw. und so ist die eigentümliche berechnung
der Isländer, die in der Rimbegla enthalten ist, allmählich entstanden,
über diese gibt der vf. in den folgenden capiteln gründliche und,
soviel ref. sehen kanu^ richtige, in einzelneu puncten auch unser
wissen berichtigende auskunft. hierauf geh ich nicht näher ein.
Im ganzen kann die abhandlung als sehr nützlich und klar
den computistikern sowol als denjenigen philologen, die sich mit
der Zeitrechnung wie überhaupt mit fragen der altertumskunde
abgeben, warm empfohlen werden.
Zum schluss noch einige bemerkungen über einzelheiten.
der vf. braucht vielfach veraltete ausgaben der alten quellen, was
nicht immer gut ist. auch benutzt er jüngere abgeleitete saga-
werke, zb. die im Flateybuche befindlichen: dies hat mindestens in
einem falle ein misverständnis verursacht, indem B. das hammer-
zeichen (s. 30) als ein zeichen der Streitaxt verstanden bat;
hätte er die richtige quelle, die Heimskringla benutzt, würde er ge-
sehen haben^ dass das zeichen den hammer Thors bedeutete, die
citate sind öfters unrichtig; so passen zb* die beiden zahlen
S.21 z.2 v.u. gar nicht, was s.74 über die namen/orra-, ^dt-5{(}^
vorgebracht wird, kann unmöglich richtig sein» nie und nimmer
würden die priester es geduldet haben, dass festtage mit dem rein
heidnischen namen blöt eingeführt worden wären, gerade ein
solcher name ist der beste beweis, dass solche feste aus dem
heidentum stammen. — wenn B. (s. 45) die beutige communi-
cation zwischen den einzelnen teilen Islands so beschreibt, dass
sie ^meistens über Kopenhagen stattzufinden pflegt', ist das doch
> was Vigfusson über die ausdrucksweise der skaldeD(datierungeD)
äufsert, ist auch ohne belang, denn es ist überhaupt nur ein einziger skalde,
der bestimmte datierungen in seinen gedichten anfährt ^ Sigvat, der skalde
des heil. Olaf.
274 BILFINGER ZEITRECHNUNG DER ALTEN GERMANEN I
Ungst antiquiert, nichts ist heutzutage leichter als zh. von eioem
fjord zum auderD zu kommen.
Von druckfehlem notier ich: komskuri-rndn. sl. komskurbar-
man, (s. 7 bis), holda st. holva (s. 18 bis), Kiardan st. Kiartan
(s. 34 bis), Nostrar- st. Mostrar- (s. 35).
Kopenhagen, im november 1899. Finnür Jönsson.
Hamlet in Iceland bein§^ the Icelandic romantic Ambales saga, edited and
translated with extracts from five Ambales rimur.and other illustrative
texts, for the most part now first printed, and an introductory essay.
by Israel G OLL ANCz, M. A. London, David .Nutt, 1898. xcvm und
284 ss. 8». — 15 sh.
Wir erhalten hier eine ausgäbe der Amiöda saga, nachdem
vorher schon Jiriczek in den Germanistischen abhandlungen xii
(Breslau 1896) uns eine ausführliche Inhaltsangabe geliefert hatte.
Der herausgeber hat sich die arbeit ziemlich leicht gemacht,
er druckt eine junge hs., die er selbst erworben hat und die
zu AM 521c stimmt, ab. über die entstehung der saga hat jetzt
Axel Oirik Arkiv f. n.fil. 15, 360fr überzeugend gebandelt. Olrik
zeigt, dass die isl. volkserzählung zu gründe gelegt, aber aus
Saxos beriebt erweitert worden ist. die sage, welche der skalde
Snsebiorn noch in einer im wesentlichen mit Saxos erzählung
übereinstimmenden form kannte, war auf Island zu einem derben
schwank geworden, der keine beachtung in litterarischen kreisen
fand, so erklärt sich das stillschweigen über die sage in der
isl. litteratur nach Soaebiorn.
In der einleitung zu seiner ausgäbe handelt G. über die
entstehung der Hamlelsage. es ist mir lieb, nach jähren auf
dieses thema wider zurückkommen zu können. G. wendet sich
gegen meinen aufsatz Zs. 36, 1 ff, wo ich den nachweis versucht
habe, dass die Hamletsage aus der römischen Brutussage ge-
flossen sei. ich muss gestehn, dass das, was G. und andere vor
ihm gegen meine ausfuhrungen vorgebracht haben, mich noch
nicht bekehrt hat.
Auch G. kann natürlich nicht leugnen, dass eine beziehung
zwischen Saxos beriebt und der Brutusgescbichte bestehe, aber
er begnügt sich mit der annähme einer ursprünglich zubilligen
ahnlichkeit der sagen, das motiv von den beiden mit gold ge-
füllten Stäben, das einen solchen zufall ausschliefsty soll von Saxo
selbst aus der Brutussage eingeführt worden sein. G. unter-
lässt es aber, diese möglicbkeit wahrscheinlich zu machen, denn
von vorn herein ist es durchaus nicht wahrscheinlich, dass ein
gelehrter Schriftsteller, der lateinisch für gelehrte schreibt, sich
eine derartige scandinavisierung einer antiken erzählung erlaubte,
zum mindesten müslen andere fälle dieser art beigebracht werden.
Mir scheint sich die fassung des Stabmotivs bei Saxo ungleich
besser zu erklären durch die beteiligung ungelehrter kreise^ fQr
60LLANCZ HAMLET IN ICELAND 275
welche Delphi und sein orakel keine geläuGgen Vorstellungen
waren, orakel kannte ja auch die nordische dichtung, und Saxo
hätte der Brutussage näher bleiben können, anders ein unge-
lehrter, der sich für Delphi von vorn herein nicht interessierte,
und nur in erinnerung behielt, dass ihm sein gewährsmann etwas
von zwei mit gold gefüllten hohlen Stäben, welche symbolisch
verwendet wurden, erzählte. Saxo s. 462 erzählt die geschichte
von Ivar, der von könig Hella so viel land erhält, als er mit
einer rosshaut bedecken kann, hier machen Gottfried vMonmouth
(vi cap. 11) und die Ragnarssaga (FAS i 288) die annähme un-
möglich, dass Saxo es gewesen sei, der der Didosage diese fassung
gegeben habe.
Es scheimt mir also ziemlich sicher, dass das stabmotiv schon
vor Saxo in der sage vorhanden war und das spricht für meine
annähme, dazu kommt noch der name, an dessen deutung, wie
ich sie Zs. 36 vorgetragen habe, ich gleichfalls gegen meine nach-
folger festhalten mufs. ganz richtig sagt AOlrik in dem oben
citierten aufsatz ^Amledsaguet pä Island', dass das isl. amlöii 'tolpel'
nicht auf den namen des beiden einer fassung der sage zurück-
gehn könne, wie sie bei Saxo vorligt. der name eines so
raffiniert gescheiten menschen, der sich aus klugheit dumm
stellt, kann niemals zu einem appellativum ^tölpel' werden. Olrik
schliefst daraus, dass isl. amlöii auf die isl. fassung der sage
zurilckgehn müsse, wo der held allerdings ein tölpel ist. aber
auch norw. amlod bedeutet '^jaek, nar, stymper, en som ofte
gjer fortraed eller plager folk' (s. Äsen u. Ross). Olrik meint
weiter, dass das dän. amlingestikker<amledestikker(t)^udirresiTeger,
isser af sädan art, at andre derved skades eller have fortrsed' die
dänische sage Sdxos voraussetze.
Man sieht, dass norw. amlod beide bedeutungen, die des
isl. amlöii und des dän. amlingestikker in sich vereinigt. Olrik
überlegt gar nicht die möglichkeit, dass das appellativum das ur-
sprüngliche sein kann, dass also hier ganz dasselbe Verhältnis
vorliegen kann, wie zwischen dem adj. brutus und dem namen.
wenn isl. ama Uo vex, annoy, molest', ami ^veXiätion, annoyance',
norw. ama ^gnide, irritare', amla *rere idelig ved noget' belegt
sind, so stimmt das doch aufs beste zu amlingestikker *narrestreger,
isaer af sädan art, at andre derved skades eller have fortrsed', und
zu norw. amloi ^en som ofte gjor fortrsed eller plager folk';
da weiter auch sonst nord. composita mit -öii, wie steinöii,
mdlöii, handöii vorkommen, so kann man wol nicht behaupten,
dass '00 etymology hitherto advanced by teutonic philologists com-
mends ilself to serious consideration', und es ligt gar keine nötigung
dazu vor, zu keltischen Wörtern wie amaideac 'silly, absurd, foolisb,
idiotic' seine Zuflucht zu nehmen, die übrigens den ausgang auf
-öii nicht erklären können.
Ich halte also daran fest, dass amlöii schon ursprünglich ein
276 GOLLANCZ HAMLET IN ICELAffD
appellalivum war und ebenso wie das Dorw. amlod einen bös-
willigen narren bezeichnete, und ich kann es gar nicht sonderbar
finden, dass man das lat. Brutus mit Atnlöfi widergab, vielmehr
halte man kaum einen passenderen namen für eine person finden
können, für welche ^amlingestikker' Charakteristik sind.
Was kann ferner der hinweis G.s auf die Obereinstimmang
zwischen der anordnung Saxos und der des Livius beweisen^ dass
nämlich Livius die Brulusgeschichle auf buch i nnd ii verteilt
und Saxo auf buch iii und iv, wobei nur Saxo iii dem i buch
des Livius entspricht? ja, wenn sich auch buch ii des Livius
mit buch iv Saxos inhaltlich deckte!
Meiner herleitung der sage entgegen hält G. an dem Hamlet-
mythus Zinzows fest, obwohl er s. xxxvi zugeben muss, dass die
beziehungen zur nord. mythologie gering sind, sie beschi*anken
sich auf Undensakre, in welchem G. den isl. Oddinsakr findet, —
AOlriks deutung wird in der anmerkung abgewiesen, ohne dass
ein wort gesagt würde über die Schwierigkeiten^ weiche der
gleichstellung mit Ödäinsakr entgegenstehn — und Ewvendillus
BB ÖrvandiU (?), welcher name allein schon ausreichen soll, um
die beziehung zum ÖrvandiU der Snorra Edda zu erweisen, auch
das deutsche spielmannsgedicht wird hier herangezogen, ohne
dass Heinzeis Untersuchungen beachtung fänden.
Für den Amiethus in Saxos buch iv construiert G. eine be-
ziehung zu Havelok the Dane. Havelok ist hofnarr (jugleur), er
ist ein Däne, er entwickelt sich nachher zum beiden und wird
könig, er heiratet eine englische prinzessin, wie Amiethus die
Hermuthruda, diese hat einen bösen onkel, der G. an den bösen
onkel des Amiethus erinnert, die möglichkeit einer beziehung
scheint mir allerdings erwägenswert, obwohl die Übereinstimmungen
gering sind, und auch die beweiskraft der stärksten Übereinstimmung,
dass nämlich Amiethus wie Havelok die kriegsiist anwenden, dass
sie die toten an in der erde eingerammten pflöcken aufstellen,
beträchtlich dadurch abgeschwächt wird, dass dieselbe kriegsiist
auch von Fridlevus erzählt wird, bis hierher kann man aber
immerhin noch G. folgen, wenn auch mit vorbehalL alles übrige
ist zwar recht geschickt ausgeklügelt, aber schwerlich wahr.
Das historische vorbild Haveloks war der wiking Anlaf Curan.
in einem irischen gedieht heifst es nun, dass Niall Glundubh von
Amhlaide erschlagen wurde, während sonst Sitric als mörder des
Niall genannt wird, folglich ist Sitric identisch mit Amhlaide,
und dieser name ist die irische form von Amlödi (?); Amhlaide
muss ein beiname des Sitric gewesen sein, nun hat Sitric sonst
den beinamen Gale oder Gaile. das darf aber nicht ^krieger' be-
deuten, an das jeder zunächst denkt, wegen gal ^tapferkeit' und
wegen des zweiten gleichfalls irischen beinamens, welchen Sitric
hat, nämlich Caoch ^einäugig', sondern Gale mus das nord. galinn
sein, damit Amhlaide (Amlödi) und Gale synonyma sein können.
GOLLANCZ HAMLET IN ICELAND 277
ferner isl dieser Silric der vater des Aolaf Curao (Havelok). valer
und sobn sind also verwechselt worden, so ist der name Amlethus
erklärt, deno Havelok isl ja das vorbild für dem Amlethus in
Saxos buch iv.
Auch in der erzählung von Brjäm will G. irische geschichte
finden. Brjäm soll seinen namen von Brian Borumha, einem
verwanlen jenes Sitric und Anlaf Curan, erhallen haben.
Von dankenswerten hinweisen, welche vielleicht späterer
Forschung von nutzen sein können, erwähn ich: s. Lvit mengl.
amla^e oder amlaugh in Wars of Alexander 1705: 7Aou, Alexati"
der thou ape, thou amlas^e out of Grece; die Seltenheit des
Wortes le^t den gedankeu an enllehnung nahe, aber mit Atxdethus
und amlöii hat es wol ebensowenig etwas zu tun, wie die auch
anklingenden irischen würter: amadän 'a fool, a simplelon',
amhlair 'a Tool', amaideac *silly, absurd, foolish, mad, idiotic'.
der name Ämlaudd Gollancz s. lx anm. ist, wie mir Much mit-
teilt, wol componierl aus der negation an- und blawdd *active,
quick', im appendix veröfientiicht G. eine stelle aus den Odda
aunalar, wo sich die reihenfolge Tarquinius, Odinn, Cincinnatus,
Orvendill, Amiödi findet, ein zeugnis dafür, dass man schon früh,
die ähnlichkeit der Brutus- und Amlethusgeschichte bemerkt hat.
Mangel an kenntnis der einschlägigen litteratur verrät sich,
wenn s. xxx die Vermutung geäufsert wird, die Skjpldunga saga
habe etwas von Amiödi erzählt. G. kennt also nicht AOlriks
mitteilun^' in Aarb. f. nord. oldk. 1894.
Prag, Januar 1900. • F. Detter.
Die Variation im Heliand und in der aitsächsischen Genesis, von dr Paul
Pachaly. [Schriften zur germanischen philologie, hrsg. von dr Max
RoEDiGER. IX heft.] Berlin, Weidmann, 1899. 118 ss. gr. 8^. — 4 m.
In seiner wertvollen recension von Sievers Heliandausgabe
(Anz. V 267 IT) hatte Rödiger im anscbluss an dessen formelsamm-
lung darauf hingewiesen, dass zur genauem erforschung der sti-
listischen und technischen seite der spräche des Heliand ua. der
Variation besondre aufmerksamkeit zuzuwenden sei^ und hatte
selber aus v. 1 — 2500 eine Sammlung von Variationen vorgelegt,
deren ergebnisse in eine tabelle gebracht und von einigen ge-
sichtspuncten aus kurz beleuchtet, diese so beiläuflg veröffent-
lichte Zusammenstellung forderte — zumal nach der entdeckung
der Genesisbruchstücke — von selber zur fortführung und Voll-
endung auf. eine solche bietet uns, wunderbar genug erst jetzt,
nach 20 jähren, die vorliegende^ in Rödigers Sammlung erschie-
nene Schrift, die wir wol auch directer anregung von seiner seite
zu verdanken haben.
Nachdem der vf. in eine 1 ,t (s. 2 — 4) ' iff uod
begrenzuiig der Variation' ei , ert er
seine fleifsige und sorgfältige v»* -100)
278 PACHALT DIE VABIATION IM HKLIAND
und eineo allgemeinen teil (s. 101 — 111). der erstere enthält in
abschnitt 2 — 6 die einzelnen Variationen, geordnet zunächst nach
wortclassen : zuerst die verba (s. 5 — 30); dann die adjectiva, ad-
verbia und numeralia zusammen (s. 30 — 45); endlich die sub-
stantiva, diese wider gesondert in abstracta (s. 46 — 63), concreta
(s.64 — 80) und lebende wesen (s.81 — 100). die in diese gruppen
fallenden Variationen ^sind vollzählich gesammelt', ^die partikeln mit
ausnähme der adverbien .... haben keine berttcksichtigung er-
fahren' (s. 4). zu bedauern ist vielleicht, dass der vf. auch 'von
der Satzvariation [von der er nur gelegentlich beispiele gibt, so
unter ur 203] aus praktischen gründen .... abgesehen hat' (s. 3).
an diesem punct bedarf die sonst wol abschliefsende Sammlung
doch noch der ergänzung.
Innerhalb der genannten abschnitte sind nun die einzelnen
Variationen in 311 nummern untergebracht, uzw. nach der be-
deutung und der verwantschaft der variierten begriffe gruppiert
und in capitel gegliedert, dass diese anordnung etwas missliches
hat, ligt auf der band, denn über die einfQgung vieler der va-
riierten begriffe in dies oder jenes capitel werden die meinungen
gar zu leicht auseinandergehn, wie auch der vf. selbst mehrmals
andeutet, ich zweifle zb., dass viele mit dem vf. die verbal-
begriffe tun, gehn, fahren, fortweisen, meiden, verbergen, geben,
sehen, nennen usw. unter den hauptbegriff 'Volksleben', oder sieh
befinden, vernachlässigen, umwickeln unter 'häusliches und leib-
liches leben' bringen oder dort suchen würden, doch wird das
auffinden etwas erleichtert durch ein am Schlüsse beigefügtes
'alphabetisches Verzeichnis der Variationen' (s. 112 — 118). dieses
heifst aber nur so, in würklicbkeit ist es nur ein Verzeichnis
der variierten begriffe, ein würkliches register der Varia-
tionen selber mit nebenstehnder angäbe des variierten begriffs
wäre bei weitem nützlicher gewesen, will ich zb. wissen, ob das
in Gen. 174 als Variation zu 'Gott' gebrauchte sigidrohtin auch im
Hei. so verwendet wird — was nicht der fall ist — , so muss
ich jetzt entweder sämtliche 70 Variationen unter nrSlly viel-
leicht auch noch die 230 von nr310 durchgehn, oder ich muss
zu andern hilfsmitteln greifen und etwa die in Schmellers glossar
für sigidrohtin angeführten stellen selbst nachschlagen, ein solches,
innerhalb der grofsen durch die wortclassen usw. gebildeten
gruppen alphabetisches Verzeichnis wäre zwar recht umfangreich
geworden, aber es hätte auch den ganzen ersten teil in seinem
wesentlichen inhall — der aufführung der Variationen — über-
flüssig gemacht und wäre besser an seine stelle getreten, als
muster einer wahrhaft praktischen anordnung hätte Sievers formel-
sammlung dienen können.
Bei den einzelnen gruppen und nummern wird die trockne
aufzählung der Variationen durch zahlreiche ausführungen unter-
brochen, die sich teils über die form (unten A)| teils über den
PACHALY DIE VARIATION IM HELIAND 279
begrifTsinbait der varialionen und die art ibrer Verwendung
(unten B) verbreiten, iubalt und wert dieser erOrterungen ist
leider scbwer zu überseben und zu würdigen; denn sie werden
weder in dem knappen, nur aus capilelüberscbriften bestebnden
inballsverzeicbnis erwähnt, nocb auch in einem index zusammen-
gefassl. folgende Zusammenstellung dürfte alles wesentlichere ent-
halten : A) asyndeton und polysyndeton (nrr 20. 21. 63. 167.
193. 207. 222); Verbindung durch endi (21. 25. 34. 63. 167.
207), durch tac (22), durch ac (107), durch ^e — ^6 (193), durch
ne — ne (154. 235); syntaktische Subordination (13. 63); corre-
spondierende var. in chiastischer Stellung (167); mehr- und viel-
gliedrige var. (7. 25. 167. 226). trennung des variierenden vom
variierten begrilT, Verteilung auf langzeilen und stäbe (21. 34. 37.
44. 185. 195. 217. 226. 258. 293. 300. 301). B) die var. ist
erklärend (32. 128. 195. 198. 226. 236), schmückend (13.226),
steigernd (25), hervorhebend (89); sie enthält den specielleru
begrifr(128)^ den allgemeinern (207. 265), ein bendiadyoin (245);
stilistische würkung (69. 125. 130); häufung (63. 89. 125);
Übertreibung (69); abgreuzung gegen blofsen pleonasmus (13.36.
166), gegen abwechslung im ausdruck (107. 130); gründe für
die häufigkeit oder Seltenheit von Variationen bestimmter begriffe
(36.151.164.192.207.216.222); var. von fremdwörtern(29.217).—
Diese bemerkungen haben aber nicht nur in ihrer räumlichen
Zerstreuung über ruud 100 seilen, sondern, was noch mehr zu
bedauern ist, auch sachlich gar zu sehr den Charakter des ge-
legentlichen und beiläufigen, so vielseitig die gesichtspuncte sind,
von denen aus der vf. die Variation beleuchtet, so wenig er-
schöpfend sind die ausführungen, die er würklich bietet; ab-
schliefsende ergebnisse sind daher in bezug auf all diese dinge
kaum gewonnen, er hat ihnen auch oß'enbar geringere bedeutung
beigelegt im vergleich zu zwei andern, oben nicht mit aufge-
führten puncten, über die er sich in Jenen verstreuten be-
merkungen ebenfalls verbreitet, denen allein er aber im ii (all-
gemeinen) teil zusammenfassende erörterungen widmet, eh ich
mich zu diesen wende, mOcht ich im einzelnen noch folgendes
anmerken : der behauptung des vf.s zu nr 170 (s. 45) ist zu wider-
sprechen, in Hei. 5017 steht das adj. uutrrft^ mit dem satz that
ik . , . nicht im Verhältnis der Variation, vielmehr nur under thine
gesidos zu under thine iungaron; ebensowenig ist in Hei. 5242
der satz mit ef var. zu dem adj. uuerd. beide ßllle sind unrichtig
eingereiht, in Hei. 5971 und Gen. 301 kann ich keine Variation
sehen (s. 10); da die salze mit antat, huntat 'das ziel der be-
wegung hinzufügen', sind sie nicht ^überflüssig'. . . damit fallen
zwei der beispiele für die ^spärlich verwendete Subordination der
var.' fort, und es entsteht die frage, ob eine solche form überhaupt
anzusetzen ist. auch das einzige übrige beispiel, das ich dafür
angeführt finde. Hei. 761, ist mir nicht ganz zweifellos, übrigens
280 PAGHALT DIE VARUTIOIÜ IM HELIAND
Wären sowol Hei. 761 als Hei. 5971 und Gen. 301 beispiele für
Satzvariation, die sonst von der Sammlung ausgeschlossen sind,
der vf. schwankt, ob er in Hei. 5478 (in nr 107) var. annehmen
soll, und entscheidet sich dafür, weder diese entscheidung noch
ihre begründung hall ich für richtig, (schon die Verbindung
durch ac macht mich stutzig, gibt es überhaupt zweifellose Üüe
der var. mit adversativer Verbindung? es scheint das dem
begriff der var. zu widerstreiten, ich habe mir keine angemerkt;
auf solche fragen sollte man bestimmte auskunfl in dieser schrift
finden; leider fehlt der für solche zwecke unentbehrliche index.)
mir will überhaupt scheinen, als ob der vf. den begriff der var.
nicht scharf genug umschrieben, ihn Öfters zu weit gefassl hat.
ist denn fluhtik scalt thu thoh endi fredig forduuardas nu
libbean .... Gen. 75 oder Oft sculun gi . . . . bediu gethologean
ge hose ge harmquidi Hei. 1896 würklich ^Variation'? auch in
hluttar endi hreni corn; fduttar, hreni com würde ich schwerlich
var. sehen, wie es der vf. (nr 166) tut im gegensatz zu hbtitar
hrencomi, das er mit recht nicht als var. ansetzt, freilieb ist die
abgrenzuug gegen nahverwante stilistische formen schwierig und
kaum überall mit Sicherheit durchzuführen, anderseits seh ich
keinen grund, mit dem vf. die formein in nr 36 spramn angegin
endi fragodun; habda eft is uuord garu endi sprac auszuscheiden,
in denen ich vielmehr typische var. (mitunter allerdings in salz-
i'orm) sehen möchte, von einer bestimmten var. zu sagen ^ dass
sie Mogisch' (nr 185) oder ^sachlich überflüssig* sei, ist ganz schief:
das gehört doch wesentlich zum begriff der Variation I — nicht
wenige erörterungen dieses teils gehören nicht zur sache (zb. vor
nr 120. in nr 109. 168. 170. 171. 173. 184. 194. 225. 250.
253. 269. 285, wo besonders der schluss recht unangebracht
ist — 286. 307) und bringen im übrigen kaum etwas neues;
das meiste ist vielmehr ^sattsam bekanntes' (so sagt der vf. selbst
einmal s. 93), das er etwas wortreich ausführt, wertvoller ist
darunter nur, was P. gelegentlich über lexikalische Verschie-
denheiten von Hei. und Gen. anmerkt, vgl. zu 309 Ober Änii"
krist, zu 236 über middilgard. irrig ist die bemerkung zu
sudairliudi (s. 89), worüber vgl. Piper zu v. 3036 seiner ausgäbe,
vermisst hab ich die allgemein durchzuführende feststellung : 1) des
formalen Unterschieds, den der vf. nur gelegentlich berührt
(s. 56. 82) : ob und in wie weit die var. syntaktisch dem vari-
ierten Worte, Salzglied, salze genau entspricht, sodass voller oder
annähernder parallelismus der beiden glieder entsteht — was der
vf. s. 82 zu Hei. 3224 als die regel (?) bezeichnet — , oder ob
sie nur begrifflich variiert in wesentlich abweichender syntaküscber
form; 2) der doppelvariation, zb. Uel. 2005 Uuerod*^ blidode^
uuarun tkar an luston* liudi^ atsamne, gumon^ gladmo^
die\ das in nr 167 gegebene beispiel ^correspondierender Varia-
tionen* ist andrer art^ sie stehn innerhalb desselben Satzgliedes. —
PACHALT DIE VARIATION IM HBLIAND 281
Im II (allgemeiueu) teil erörtert der vf. im zusammeohang
erstens die relative häufigkeit der variationeo und zweiteos die
abereiostimmuDgen und abweichuDgen in ihrem gebrauch in Hei.
und Gen. im 1 abschnitt dieses teils werden sämtliche variierten
begrifTe, mit angäbe der zahl ihrer var. und nach der häuügkeit
dieser geordnet, nochmals aufgeführt, das ergebnis ist zu gering,
um diese ausfUhrlichkeit zu rechtfertigen, die Zusammenstellung
der schon im i teil erwähnten wenigen begriffe, bei denen var.
auffallend häufig oder selten auftreten, hätte genügt, der 2 ab-
schnitt ist wichtiger, er gibt eine tabellarische Übersicht über
die gesamtzahl der var., das Verhältnis dieser zahl zu der der va-
riierten begriffe, die zahl der einmaligen und der mehrmaligen
var. und ihr Verhältnis zu einander, alles getrennt für Hei. und
Gen., sodass sich leicht eine vergleichuug beider denkmäler an-
stellen lässt. diese führt zu dem interessantesten puncte der er-
örterungen : der verfasserfrage, ihr ist der letzte abschnitt ge-
widmet in ausführlicher beleuchtung aller beobachteten stilistischen
und lexikalischen Verschiedenheiten im gebrauch der var. des
vf.s vorsichtig abwägende beurteilung der tragweite von Überein-
stimmungen und abweichungen im einzelnen verdient alles lob
und kann auf allseitige Zustimmung rechnen, doch scheint mir
sein zusammenfassendes, rein negatives urteil : *mehr lässt sich
nicht folgern, als dass die Verwendung der Variation in beiden
werken nicht gegen eine einheitliche autorschaft zeugt' (s. 108),
doch gar zu vorsichtig, oder vielmehr unrichtig gefasst. es be-
findet sich auch in offenbarem Widerspruch sowol mit der so
überaus häufig bei den einzelnen nummern widerkebrenden be-
tonung von nichtübereiustimmung, ja mitunter von auffallender
abweichung (vgl. ur 10. 86. 96. 167), als mit des vf.s eignen
Schlussbemerkungen (s. 111) : ^mithin ist die Verschiedenheit im
einzelnen weit grOfser als die ähnlichkeit. jene greift in die
tiefe, diese haftet an der Oberfläche, keine der vielen Variationen
zwingt zu erklären, so habe nur ein und derselbe dichter schreiben
können, folglich ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gen. von einer
andern person stammt als Hei., entschieden gröfser als die des
.... gegenteils'. wir haben also vielmehr ein positives er-
gebnis : die Übereinstimmung ist nur genereller art und beweist
nur eine einheit des Stils, wie sie bei zwei werken fast gleichen
Stoffes, die derselben dichtungsgattung, derselben periode und
mundart angehören, vorauszusetzen war. die abweichungen sind
dagegen zum teil individueller art, und wenn sie auch nicht zu
einem schlagenden beweise ausreichen, so berechtigen sie doch
den vf. — ich stimm ihm darin durchaus bei — zu der be^
hauptung^der Wahrscheinlichkeit, dass wir es mit zwei
personen zu tun haben' (s. 111).
Colmar i. E., november 1899. John Ries.
A. F. D. A. XXVI. 19
2S2 ST£1FP rTESCBTCElTIJCBE IJEOEB U5D Sl^RÜCBE WGBTTEMBEBGS
Ceschrclitlithe liedcr und sprflcbe Wörltemberfs, im auftrage der wüfttcm*
bergiichen comirtisäion für landesigeschichte fesaniufielt und hpraii§>
gffcbeo von prof. dr Karl Steiff« 1 iiefcrung, Stuttgart , WKohU
hanimer, 18U9. 160 as, gr. h^, — 1 lu.
Die bis je(zl grundlegeude saDimluog der geschichUicli^a
voJfeslieUer von RvLilieocron scblirfst mil dem jähre 1554* eine
neue ausgäbe, rlie für die Monunienta GermaDiae vorbereitet wird,
muss sieb sogar auf die zeit tvis 1500 besdiraoken. iu der f^pä-
tern zeit wird die meoge des vorhandeneu so ungeheuer uud ua-
übersehbar, dass eine vollsländige gesamtausgabe eine bare uu-
möglichkeit wäre; hier mÜsseD leileditionen eintreten^ wie sie ja
für eiozetne zeilabschniUe bereits vod Ditfurlh uaa. geliefert simP.
als eine willkommne ergäozuDg treten zu dieseti die Sammlungen
für einzelne landschaften; sie babeo^ abgesehen von der möglich^
Iteit, die ganze geschichte des betreffenden gebieles zu umfassen,
und von dem inteosiveren Interesse, auf das sie innerbalb diese«
gebiets rechnen kÖDoen, noch den vorteil, dass der herausgeber
die sprachliche und historische behandluBg und erläuteruug gründ-
licher und ToUsiändiger erledigen kano, als dies bei ausdehnung
seiner aufgäbe auf sämtJiche deutschen mundarten und landesteile
möglich wijre* von einer solchen Sammlung für WUrltemberg Hgi
hier die 1 Lieferung vor, die sich aut den ersten blick als eine
tüchtige, mit grofser uuisicht und aactikennlnis ausgeführte leislung
erweist, zu einem ähnlichen werke für Baiern wird in München
gesammelt, es wäre zu wünschen, dass auch andre gebiete diesem
Beispiele folgen*
Württemberg ist kein besonders ergiebiger boden : die histo-
rische dichtuug setzt hier später ein als in den meisten deutschen
gauen — die erste nr der vorliegendeu Sammlung datiert von
1423 — und liefert bis zum ausging des mittelallers nur we-
nige, vereinzelte proben, von dem reichtum an derartigen pro-
ducten, wie ihn uamentlich die benachbarte Schweiz^ demnächst
die mittel- und uiederrheinischen gaue, und, wenn wir die meister-
singer und sprucfadictiter mitzählen, auch Osterreich aufweist, ist
hier keine rede, erst unter der wechselreichen regierung herzog
Ulrichs beginnt der ström historischer dichtung voller zu Diefsen*
so sind hier dem ganzen mittelalter (bis 1500) nur 74 ss. ge-
widmet; sie enthatten 26 nucnmern, von denen mehrere nur aus
kurzen Sprüchen von 4, selbst von 2 leilen besteh n< immerhin
erhält unsre kenntnis hier wertvollen Zuwachs, denn von den
21 nummern stehn nur 8 (U 9. 10. IL 13- 17, 19. 20) bei
LiliencroUf S andre waren sonst schon yeröCfentlicht (2. 5. 6. 7,
8 — dies an sehr abgelegner stelle — 18. 21, dazu von 12 diu
fassungen a und d)^ die übrigen waren bisher ungedruckt und
meist auch unbekannt (3* 4, 12 b/c* 14. 15* 16). von den 21
stucken aus dem 16 Jh., die diese lieferung bringt, waren 14 bei
LiliencroDt 3 andre (28* 24. 3S) sonst gedruckt, wahrend die
STEIFF GESCHICHTLICHE LIEDER UND SPRÜCHE WÜRTTEMBERGS 283
nummern 22. 25. 33. 37, dazu die Fassungen b und e von 35
hier zum ersten mal aus den hss. mitgeteilt sind, was die innre
auswahl betrifTt, so hat SleifT im allgemeinen dasselbe princip
festgehalten wie Liliencron : er beschränkt sich auf volkstümliche
und auf zeitgenössische dichtungen. ausgeschlossen sind daher
späte reimereien, wie das schon von Liliencron (i s. xxxvii) ver-
worfene gedieht auf die Schlacht bei Weil der Stadt 1388 : Im
Würltemberger Land ligt ein kleine Statt (mehrere der art, die
vielleicht aus dem 16 jh. stammen, enthält eine hs. des Schlosses
Zeil, zb. 'Von Ursprung und anfenge Premonslrater ordens* 1120),
ausgeschlossen ferner kunst- und gelehrte dichtungen, wie die
totenklage Bucheins um den Calwer (MSH ii 97), die Strophen des
Marners, Sigehers und des von Wengen an und auf Konradin,
Johann vDalbergs gedieht auf einen besuch Friedrichs in in Maul-
bronn (1473, s. Mone Quellensamml. in) oder des Ulmer lese-
meisters Felix Fabri beschreibung seiner reise nach Jerusalem
(1483), die ja kaum noch als historische dichtung gezählt werden
kann, eine andre Schwierigkeit ligt in der localen abgrenzung.
hier zwangen äufsere umstände den vf., sich in den grenzen des
kOnigr. Württemberg zu halten, die für die zeit der lieder selbst
noch keine bedeulung hatten, ein andres bedenken lag in dem
umstände, dass viele lieder sich auf ereignisse beziehen, bei denen
die beteiligten personen, geschlechter, slädte nur teilweise, viel-
leicht nur zum kleinsten teile, nach Württemberg gehören, wie
auf den pfälzischen krieg von 1462, oder den vielbesungenen
Schwabenkrieg von 1499. hier hat sich der vf. auf mitteilung
des wichtigsten beschränkt, man wird auch dieses verfahren nur
billigen können, zumal da das fehlende durchweg bei Liliencron
zu finden ist. dank dieser weisen Ökonomie glaubt der vf. seine
Sammlung in 5 lieferungen bis in die neuere zeit herabführen
zu können.
Stücke, die man mit recht vermissen könnte, sind mir nicht
bekannt, ebenso ist die hsl. Überlieferung und die bisherige
lilleralur gewissenhaft ausgenutzt, bei nr 2 ist dem hsg. die äl-
teste quelle entgangen : der spruch (auf die Zerstörung von Hohen-
zollern) steht bereits, wenn auch entstellt, in der Augsburger
Chronik von Erhard Wahraus (verf. 1443 — 45), s. Chron. d. d.
Städte IV 232, 22(1. dieselbe quelle enthält auch (s. 221, 8 ff) den
allem Spruch auf das erdbeben zu Basel 1356, der die vorläge
des erstem gewesen zu sein scheint und daher hätte erwähnt
werden sollen, es ist zu beachten, dass au beiden stellen ^ein
ringg mit ierem doren^ steht; das fem. des Wortes *ring' in dieser
Verwendung ist also gesichert: es handelt sich hier gar nicht um
das mhd. nhd. rinc, ring 'anulus', sondern um mhd. dm rinke^
ringge *fibula' (Lexer ii 451), vgl. zb. pseudo-Neidhart bei Haupt
XLv 35 glesin ist diu rinke, von kupfer ist der dorn (die zunge
der schnalle), danach ist auch die deutung des bildlichen chrono«
19»
284 STEIFF GESCHICHTLICHE LIEDER UND 8PR6cBB WÜRTTE11BBB68
gramms zu modificiereD. vgl. auch DWb. 8,1257 8.v. rosseisen, —
zu nr 12 d steht eine weitere fassuug in Hones Auz.n.f. 13, 140,27.
In der behandiung des textes und den beigaben schliefst sich
SteifT ganz an Liliencron an; für ausgaben, die auf ein weiteres
publicum berechnet sind, wüst ich in der tat keine zweckmafsigere
cinrichtung. die geschichtlichen Untersuchungen nachzuprüfen,
bin ich jetzt nicht im stände, jedesfalls machen die darlegungen
des vf.s einen durchaus soliden und verlässlichen eindruck; man
kann ihnen um so eher vertrauen schenken, als er an den aus-
führlichen geschichtswerken von Stalin und Fleyd ja ausgezeichnete
vorarbeiten hatte, mit grofsem Scharfsinn und geschick bemüht
er sich, den oft sehr unbestimmten angaben der gedichte anhalts-
puncte für genauere datierung und bestimmung abzugewinnen;
auch hier sind seine ausfübrungen überall einleuchtend, wenn
auch nicht durchweg überzeugend, und bedeuten mehrfach einen
wesentlichen fortschritt gegenüber seinen Vorgängern.
Um ein urteil über die Zuverlässigkeit der textbehandlung
zu gewinnen, hab ich nr 1 mit der handschrift verglichen, hier
erwies sich der erste druck von Lassberg (*Ein schön alt lied von
grave Fritz vZolre' 1842j, trotz der genauen widergabe der hsl.
Schreibweise, im einzelnen doch recht ungenau, die ärgsten fehler
verzeichnet Steiff s. 13; von diesen fünf sind Übrigens zwei bei
Lassberg s. 31 f. als conjectur gekennzeichnet, aber auch sonst
fehlt es nicht an nachlässigkeiten; namentlich ist das Überge-
schriebene V oft verlesen, ganz correct ist allerdings auch SteifTs
lesung nicht, so hat auch er wie alle frühern drucke in v. 63
mderftritent, obwol in der hs. deutlich wid^feiUet steht, was
einem übrigens hier ganz von selbst als conjectur in die feder
kommen würde, auch wenn es nicht überliefert wäre, von weitern
versehen notier ich: fchnell es 21 '^ fcknelks der hs., /cAirirIfeA
161 «=s fchwarlick, müsz 171 »- musz, weüent 194 »> wSütent,
hand 239 — hand, mt 294 = Tott, foüent 312 — fSUtet,
V. 375 ist fich ausgelassen, der sinn ist also nicht *sie warte-
ten', sondern 'sie wehrten sich', v. 417 enthält die hs. die
zweimal, manchmal sind fehler der hs. stillschweigend ge-
bessert, wie ftümens 221, enbot 330. kleine orthographische un-
genauigkeiten, wie vertauschungen von ti und ü oder von -end
und -ent in den pluralformen des verbs, werden niemand stören,
doch hätte zb. ü in nrszlingen beibehalten werden sollen, wenn
der ort jetzt IrsUngen heifst. ebenso hätte das lautgeschichtlich
interessante dar (nom. sg. masc. des art) in nr 17 v. 38 nicht
in der geändert zu werden brauchen.
Am ehesten bietet die sprachliche erläuterung zu bedenken
«nlass. es entspricht dem eioterischen Charakter des bucbes, dass
alles, was dem nicht germanistisch gebildeten leser nicht ohne
weiteres verständlich ist, auch die elementarsten puncte der mhd.
spräche, erklärt wird, weit entfernt, dies zu tadeln, möcbt ich
STEIFF GESCHICHTLICHE LIEDER UND SPRÜCHE WÜRTTEMBERGS 285
vielmehr wünschen, tlass der verf. hier an einigen stellen noch
weiter gegangen wäre, besonders wo die lautgleichheit eines Wortes
mit der jetzigen spräche dem laien leicht einen falschen sinn
suggerieren könnte, zh. nr 16, v. 30 villeicht, v. 47 zwar; oder
nr 7, 182 belangen; in nr 19: 7, 4 weist, 17, 5 gegofsen^ 21, 8
rank, dass sehr viele stellen dunkel bleiben, wird man dem
hsg. nicht zum Vorwurf machen. — ich stelle zum schluss einiges
zusammen, was mir beim durchlesen der altern lieder (bis 1500)
aufgefallen ist; es betrifTt teils ungenaue oder (nach meiner meinung)
unrichtige erklärungen, teils nahehegende änderungen. nr 1, v. 44 :
das was den von Routwil als mär. St. erklärt : 'mär: der rede
wert, nicht gleichgültig*, aber alse mcere bedeutet sonst im mhd.
stets das umgekehrte (^ebenso lieb', näml. wie das gegenteil, dh.
*einerlei, gleichgültig'), man wird also auch hier übersetzen
müssen : 'die Rottweiler liefsen sich dadurch nicht irren, anfechten'.
— V. 69 verrichtet, 'stellte zufrieden', besser * versöhnte'. — v. 120
Schmach 'unedel', besser 'verachtet*. — v. 222: unser frowen tag
ohne Zusatz ist nach Grotefend Taschenb. der Zeitrechnung s. 38
in deutschen quellen stets der 15 aug. — v. 239: hand si es denn
in selber angetragen bedeutet wol 'sich selbst zugezogen'. —
V. 397: räch = rohe f. *sisügb\ — v. 426: enborn 'vermieden'.
— nr 3, 17, 2: er sank von onmacht in ein ort, in eine ecke?
(was St. übersetzt, müste doch in onmacht heifsen). — nr 4,
12, 6: spiel gond 'ihr spielt' im eigentlichen sinne, nach ausweis
von Str. 13, 1. — 19, 7: ob irs dunt mer, natürlich nicht ^ob
auch*, sondern 'wenn'. — nr 5, 3, 6: maniger, der sie nie hat
gedacht, 1. sin? — 4,8: gelon kann jedesfalls nicht in gelönt
geändert werden, da es auf 3, 8 und 5, 8 reimt, was es heifst,
versteh ich freilich auch nicht, könnte es zu läzen 'zur ader
lassen' gehören ? freilich weifs ich hierfür weder die contrahierte
form noch den metaphorischen gebrauch zu belegen. — 15, 4:
es sol auch dann nit sein, I. euch? — 26, 6: zeit als neutrum
ist durchaus unanstöfsig. — nr 6, 1,5: &ti^ ist eher präs.
(= biutet) als prät., welches gew. bot lautet. — nr 7, 165: in
gotes namen sprakens an, 1. spranktens? — 172 1. scl^g. — nr 10,
16, 7: und welcher nimmer darnach geit. St.s erklärung 'geit: ja
sagt, sich für besiegt erklärt' versteh ich nicht, es heifst wol:
'wer in Zukunft je danach geizt, begierig ist'. — nr 13, 13, 1.
über einem genäden 'von ihm abschied nehmen' vgl. Schm.' 1 1726.
Frisch i 359'' 'gnaden, v. für : gottes gnade empfehlen, salutare,
valedicere'. sie kamen zusammen, gnadeten einander, und zogen
wieder ab. Stumpf Helv.chr. fol. 673*. er wände sich auf dem
richtplatz gegen die Stadt, gesegnet und gnadet dieselbe. Stettier
Annal. Helv. p.3ir. — nr 16. 14: so schanten sie gar pillich got,
I. schaute. — v. 22, anm. 1. 'bewenden'. — v. 57 unklar ist mir,
was St. mit befeien will; der verlangte sinn könnte doch nie aus
dem Verse herausgebracht werden, während das überlieferte ganz
286 STEIFF GESCHICHTLICHE LIEDER DI«D SPBÖCHB WDRTTEIICERGS
verstäDdlich und unbedenklich ist. — nr 17,22: ah di fürten
halten stat wird erkläre ^wie die fürsteo statthaUen oder regieren',
aber 'stat halten bedeutet doch nur ^jemandes stelle vertreten',
ich lese daher: halten stät {: rät), stät als ^stand, lebensweise,
würde' ist nach Weigand ii 780 schon 1420 (im sinne von 'auf-
wand, prunk' allerdings erst 1711) belegt, vgl. auch fürsten-
stat 'gubernalio, regimen, ductus et ratio principis' Stieler 2114.
— V. 67 f: ah solt kunig Maximilian sein wol nit recht erlanget
han. anstatt des so seltenen und vieldeutigen wuol Hhron' mOcht
ich in wol eher wal 'wähl' vernnuten, vgl. auch v. 64. — nr 19,
4, 8 : toend si darvon nit lan heifst natürlich * wollen sie davon
nicht ablassen', wie St. dazu kommt, hier ^wend: wenn' zu er-
klären, wahrend er unmittelbar vorher ^wend: wollen' schreibt, ist
mir unbegreiflich, auch mUst es dann unbedingt land heifsen.
— 19, 19, 7: ir toerint sust wol zwüren ah vil erschlagen gsin
hat St. sonderbar misverstanden. zwüren ist nichts anders als das
so gewöhnliche zwirn 'zweimal'. — nr 20, 9^ 3: du tust dich wol
erkenjien versteh ich lieber 'du machst dich wol bekannt'.
Diese kleinen ausstellungen sollen die anerkennung nicht ver-
decken, dass hier im allgemeinen eine tüchtige, ausgezeichnete
arbeit vorligt. wie alle verOlTentlichungen der Württembergischen
commission zeichnet sie sich durch saubere ausslattung und
einen ungewOnlich niedrigen preis aus. indem ich mir vorbehalte,
nach Vollendung des ganzen darauf zurückzukommen, wünsch ich
ihr die weiteste Verbreitung in und aufserhalb der fachkreise, die
sie durchaus verdient.
Götlingen. H. Meter.
Theobald Hock, Schoenes Blumenfeld. abdruck der ausgäbe von 1601.
herausgegeben von Max Koch. [«=> Neudrucke deutscher litteratur-
werke des xvi und xvii Jahrhunderts, nr 157—159.] Halle a. S., Nie-
meyer, 1899. Lxii und 144 ss. 8®. — 1,80 m.
Seit Jahrzehnten, besonders seit dem erscheinen des bekannten
ilöpfnerschen programms, spielt in der geschichte der litteratur
und metrik Theobald Hock (Eiock) eine geheimnisvolle rolle, man
rechnet ihn zu jenen männern, die vor Opitz unsre lyrik formal
haben verbessern wollen; aber bis heute hat keiner, auch jetzt
der herausgeber des 'Schönen Blumenfeldts' nicht, recht sagen
können, worin denn eigentlich diese gepriesene reform im ein-
zelnen bestanden habe, ich will deshalb meine besprechung des
neudrucks von vornherein so einrichten, dass durch sie jene oft
aufgeworfene frage ihre antwort erhält, mir kommt dabei zu
statten, dass ich im vergangenen winler das 'Blumenfeldt' zum
gegenständ seminaristischer Übungen gemacht habe; und ich ver-
zeichne mit dank, dass mir bei dieser gelegenheit für meine Unter-
suchungen einzelbeobachtungen zur Verfügung gestellt sind, be-
sonders von den herren Goedecker, Drescher, Stählin, dr Floss-
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMENFELD 287
mann, Riemann, Eichhorn und dr Götze, durch hinweis auf böh-
mische geschichtsquellen hat mich auch meiu College, herr prof.
VViikowski, freuodlichst unterstützt.
Ein neudruck der selten gewordenen gedichte Höcks war
sehr willkommen; und es konnte nur gefragt werden, ob gerade
Max Koch der geeignete und genügend vorbereitete herausgeber
sei. K. hat dem leser nicht etwa einen kritisch bearbeiteten text
vorgelegt, sondern begnügt sich damit, wenigstens vom vierten
druckbogen an (für die ersten drei sind auf s. Lvii noch zahl-
reiche druckfehler angemerkt), den Wortlaut des ^Schönen blumen-
feldts' buchstabengetreu zu widerholen, dagegen ist grundsätzlich
nichts einzuwenden, wenn es auch gerade keine schwierige auf-
gäbe war.
Aber II dem neudruck geht eine einleitung voraus, und in
dieser ist der ungereinigte text mit all seinen setzerfehlern und
misverständnissen zur grundlage philologischer Untersuchungen
gemacht worden, die natürlich gänzlich wertlos und für den
herausgeber im höchsten mafse compromittierend sind, kein
Student im zweiten Semester hätte so wider das ABC jeder wissen-
schaftlichen methode sündigen dürfen, wie es hier K. getan, seine
ganze einleitung, in ihrem biographischen, ihrem litterarhisto-
rischen, ihrem philologischen teil, ist so nachlässig gearbeitet, wie
uns seit jähren nichts in unsrer Wissenschaft geboten ist. es ist
natürlich meine pflicht, dies urteil zu begründen, das soll denn
hier geschehen.
Wir müssen beginnen mit einer kritik des textes; denn sie
ist ausgang aller weiteren erörterungen. wie schon erwähnt, hat
K. uns das druckbild des Blumenfeldts von 1601 genau wider-
gegeben, an die betrachtung dieses textes muste sich aber nun
die frage knüpfen : wie wurden solche verse gelesen? wie klang
das, was hier das äuge erblickt, dem obre? geben die einzelnen
buchstaben jedes Wortes würklich die laute getreulich wider? oder
erkennt man vielleicht durch hin- und hervergleichung, dass beim
lesen der verse hier eine vollere wortform synkopiert, contrahiert
oder dgl. zu sprechen, dort einem versttlmmelten worte seine un-
verkürzte articulation widerzugeben ist? es gab ja freilich gegen
ende des 16 jhs. dichter, die ängstlich besorgt waren, ducch den
druck nicht nur die normalen, sondern auch die aus besoadern
gründen veränderten wortformen widerzugeben, so ersehen wir
zb. aus Jellineks vortrefflicher ausgäbe, wie Schede-Melissus pein-
lich genau mdn' und meine, ft^t und heft^et, wilst und willest,
g ficht und ge ficht, toom und worden, Her, Herr' und Herre, u>§ng
und u)§nig, *s und des usw. unterscheidet, aber wer bürgt uns
dafür, dass nun auch jeder andre poet die niederschrift und den
druck seiner werke ebdnso treu überwacht hat? für Theobald
Hück spricht ja Koch selbst (worauf ich erst später eingeh) s. x
die Vermutung aus, dass ein Prager drucker die gedichte dieses
288 KOCH THEOBALD HOCK SCU0BNE8 BLDMENFELD
Pl^lzers verlegt uod also wol auch gedruckt habe, wieviel konnte
da durch Sorglosigkeit des dichters selbst und durch Unachtsam-
keit oder aberwiiz des setzers entstellt werden I dass das buch
grobe fehler aufweist, hat K. an ein paar stellen, wo ganze verse
ausgefallen sind, ja selbst bemerkt, warum hat er denn nicht
weiter geprüft, eh er s. LivfT seine haarstriiubenden Statistiken
aufstellte?
Wir müssen nun hier, so weit der platz reicht, das ?er-
säumte nachholen, und dabei geh ich genau so vor, wie wir es
in den Leipziger seminarübungen getan haben.
Hocks gedichte sind sämtlich in Strophen abgefasst, über
deren herkunft später noch einiges zu sagen ist. es ist dabei
ganz gleichgiltig, dass einige (cap. 46. 47 uaa.) für den gesang,
andre wahrscheinlich für den Sprechvortrag berechnet sind (vgl.
in der Überschrift und v. 1. 6. 19. 55 von cap. 5, auch in der
vorrede das wort lesen), uns kommt es nur darauf an , festzu*
stellen : wo immer uns strophische gedichte begegnen, da haben
sich selbst in Zeiten des Verfalls die dichter bemUbt, die einzelnen
Strophen eines liedes unter einander formal gleich zu gestalten,
in dieser hinsieht unterscheidet sich ein volkstümliches kirchen-
lied nicht von einem meistersang. wenn wir daher ein iied vor
uns haben, dessen sämtliche Strophen an derselben stelle klingende
reime aufweisen, während eine einzige Strophe dort stumpfe reime
hat, so ist die Vermutung erlaubt, dass an dieser stelle die Über-
lieferung ungenau sei und wir mit möglichster Schonung des textes
hier das reimgeschlecht, ev. durch conjectur zu ändern haben,
aus diesem gründe sind bei HOck 2,61 u.63 die werte Tadl und Adl
zweisilbig, also Tadel, Adel zu lesen, entgegen dem druckbild.
ebenso hat man zu sprechen : 3, 42 Husseren (dreisilbig); 6, 5
außerkoren (viersilbig trotz der Schreibung aw/?eritoni); 8,23 ist
statt Dieb die (bei Schmeller-Fr.i479 nur als oberpfälzisch bezeugte)
form Deib zu lesen, ganz wie es der reim verlangt; 11,13 sprich
Sporen; 11, 20f versuchet : verfluchet; 12, 6 f Sduiidn : erhidn;
14, 14 f stumpfe reime ftiem : Thiem; 16, 16 f ist das als lernen
: gern entstellte reimpaar zu lesen leren : geren (vgl. 30, 3); 17,30
lis fparen; 17, 31 ist gehen einsilbig zu sprechen als stumpfer
reim ; 18, 3 und 4 müssen klingende reime haben, also erfahren,
fparen; desgl. 20, 12 Frewden; 21, 19. 20 müssen stumpf reimen,
also ist thawm : Bawrn zu sprechen; desgleichen 21, 27 f gworhn
: erworbn, 31 f wegn : außgebn, 33 ijebn : betriebn, 43 f fagn : klagn ;
22,24 sprich fem statt fernen; 22, 32 und 34 fordern stumpfe
reime, also vnderfcheid : Maid, ebenso 51. 53 habn : tragn; da-
gegen 24, 13 kheren; die verse 29, 1 — 3 fordern klingende reime,
s\so Meeren, Creaturen, Heeren ; 31,27.28 dagegen stumpfe, also
bekehm, kehrn; ebenso 32, 6 f offenbam : bewam. umgekehrt ist
34, 9 wider klingender reim erforderlich, also gnennet. 35, 19 f
lis mögn : ebn, 22 harren; 36, 13 f Ehren : verkehren^ 34 f Übet
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMEiNFELI» 289
lanffUget; 37,2 leben; 38,24.26 habn : Tagn, 34.36 Gnadn
: fchadn, 35. 38 hören : geren, 45 erfahren, 46 ziem; 41 , 5 f
hewer : Stewer , 21 f er fchleget : pfleget. 42,5 sprach Hock, wie
der reim verrät, die dialektische form kemmen^, 45,25 sprich
fiehn; 46, 10 f brawn : trawn, 22 f weh : Eh, 28 f Trapplim : Ga-
lanifim; 50,21 f Bawr : fawr; 52, 9 f Schwalbn : Albn, 19f Schabn
: grabn; 33 Jahren; 53, 3 Thieren; 54, 14 Abendthewr, 35 Zeugn
.leugn; 55, 1. 3 pffeifft : greifft , 8 fäftl 56,29 eh, 35.38 Fa-
beln : Parabeln, b2{ ßlln : fpilln; 59, 16. 18 faCverfträt; 61,17
Ehm. der auffällige unreim Auffen : kraufen 65, 30. 32 steht ein-
sam bei HOck da, ist aber inhaltlich unanfechtbar; denkbar wäre
nur, dass der dichter kraufen in gewagter Orthographie für krau-
toen (kratzen) geschrieben hätte. 66,6.8 verkehren : zerßehren;
66, 26. 28 Predign : erledign, 57 geht; 68, 22. 24 fparen : erfahren ;
69,7 führn; 70, 22.24 ohferuirn : imaginirn, 29 vnterftehn;
70, 31 muss Hock ganz pfälzisch fltaanen gesprochen haben,
was freilich Edward Schröder ihm nicht zutrauen möchte; Sehr,
sucht den seiner meinung nach unreinen reim zu beseitigen
durch die conjectur (v. 33) Mit Bannen und mit leinen, 70, 32.
34 f sprich ehn : Segn : legn; 71, 6. 8 hoffiem : verliern, 11.
13 bezahln : mahln; 72, 17 Erden, nach der gesamten praxis
Höcks ist ein reimpaar wie 73, If Leihe : jeben unmöglich; aber
ich weifs keinen bessern ngsvorschlag zu machen. 73, 11 sprich
Ohren; 75, 7 werdn, oder genauer noch tDer[d]n, 55 jhm; 11^ 54
fühm, 55 f GfeUn:u)6lln, 71. 73 ebn : gebn; 78, 12. 15 Jahren
: fparen; 80,7 erfahren, 29 ^ fchaffet : verfchlaffet ; 81,9f «er-
lleren : vmbkehren; 83, 28 lawrn, 52 geren; 84, 30 wem, 34 ist
nit statt nicht zu lesen; 85, 69f sprich alln : gefalln ; 86,4 ist
statt ftreiten einzusetzen ftritten (Schmeller ii 820), vgl. auch
87, 38; 87, 36 sprich demfelbn (demfelm); 88, 11 verwüret, 79 f
Tagn : fagn, 83. 86 verloren : zoren; 89, 1 f fagn : habn, 40 ver-
lieh; 90, 18 geren, 22 ferden; 91, 53 f wum : fchwum, 75f und
lü5f Schwabn : habn, 114 verlorn; 92, 31 f Bawren : trauren, 59 f
wuren : fuhren, 63 lehret.
Noch einen zweiten iingerzeig, wie Hock gesprochen hat,
geben uns seine Strophen, sehr oft wendet er nämlich jene im
Volks- und kirchenlied des 16 jhs. so weit verbreiteten vier-
tägigen verse an, die sich in zwei auf einander reimende zwei-
tacler zerlegen, zb. 3, 4 Vnd Pafpart auch, nach Landes brauch.
diese 2 X 2tacter müssen stets zweimal vier silben enthalten; und
aus diesem gründe ist 3, 9 statt zwagen einsilbig zu lesen : zwagn.
* Edward Schröder, der diese Verbesserung durchaus billigt, schreibt
mir noch zu ihrer erkiärung : ^hemmen ist eine analogierorm, welche das
völlig isoliert stehnde präsens kommen beseitigt und zu Aram, kämen ein
neues präsens bildet, analog dem nemmen (42, 6) zu nam^ nämen. es wider-
holt sich hier ein Vorgang, der schon im gotischen qiman statt germ. cuman
erzeugt hat. ich betone ausdrucklich, dass nicht etwa eine lautliche
rohheit vorligt, sondern eine analogische neubildung'.
290 KOCH THEOBALD HOCK SCHOENBS BLUMENPELD
der gleicheD Ursache wegen muss man sprechen : 3, 19 scalitTi,
vexiem; 3, 24 fchneidn, zjhrem; 3, 34 fchreibn; 3, 39 beschweren;
3, 64 wahrscheinlich dasselb statt selb, weil im ganzen ^Blumen-
t'eldl' selb in dieser anwendung nicht vorkommt; 4, 29 gehe hi,
wie viele verwante formen, bei HOck einsilbig zu sprechen (vgl.
spater meine beobachtung über ü[h]e), 49 sprich Tadel (zwei-
silbig); 12, 14 fordert der rhythmus : all Menfchen; 14,31
Artzeney; 15, 3 Beyfalln; 15, 13 obn; 15, 33 gebn; 15, 43 nebn
:ebn; ähnlich 20, 19 nebn, bleibn; 20, 34 gebn; dagegen muss
man 23, 3 bleibet (zweisilbig) sprechen; 23, 13 Junckfrawen zwei-
silbig, 28 habn einsilbig; 35, 1 sprich wem, 31 lährem; 38, 17
fagn, 22 bftendig, 57 erbn, fteht; 39, 19 gegm, 24 gradt, 29 fchadn.
dem vers 45,36 weifs ich nur zu helfen durch weglassung des
vnd. 48,4 sprich Glückes, 14 Wagnitragn. .49,1 wird in der
ersten hälfte des verses zu lesen sein : Es ift fürwahr» 49 , 26
ist der dialektische reim Fraw Maimb herzustellen. 50, 28 muss
man sprechen : heign, fchneidn vnd fän (zusammen als vier silben) ;
51, 5 Abndi, 40 gfpiert; 52, 11 Eyfenn, 2\ hintragn; 54, 18 gfehen,
28 faget, 33 glaubn:Augn; 59,5 lebn, 12 Bogn, 19 Schawr,
33 Herren, 40 abtreibn; 61,23 Erfarenheit; 63, 15 muss das
wort fie gestrichen werden, um 64, 29 die erste hälfte des verses
viersilbig zu gestalten, erscheint es mir als das nächstliegende,
in dem worte Decht einen lesefehler des setzers zu sehen und zu
substituieren : Da hett. 75, 7 sprich wer{d]n, 63 muss das zweite
da fortfallen; 83, 26 sprich taum (das weitre sieh bei den con-
jecturen).
Schon aus diesen Zusammenstellungen doch wahrlich unwider-
leglicher correcturen ergibt sich nun, wie oft und in wie manig-
facher weise das gesprochene wort bei Hock von dem druckbild
abweicht, wie also zb. sehr häufig eine synkopierte wortform ge-
meint ist, wo der dichter oder der setzer die normale vollere
form in den teil gestellt hat, und umgekehrt, das macht uns
stutzig, und wir prüfen weiter, ob nicht noch in andern fallen
die lebendige articulation sich von dem buchstabenbilde frei machen
muss, und ob nicht dadurch zwanglos eine grOfsere formale con-
gruenz der einzelnen Strophen eines gedichts zu stände kommt,
ich gebe im folgenden einige proben, um zu zeigen, dass man
hier zu ganz sichern resultaten kommen und, auf sie gestützt,
Verderbnisse heilen kann.
a) Wie fiecliert Hock das adjectiv ander 1 im nom. sg. lässt
er es, gleichviel ob er es adjectivisch oder substantivisch braucht,
in allen drei geschlechtern unflectierl. belege (die natürlich ab-
solut vollständig für jede sprachliche erscheinung sein müssen):
masc. 14, 65. 15, 23. 31, 14. 34, 49. 75, 48. 82, 8. 91, 25. 92, 9;
fem. 68, 5; neutr. 14, 20. 59, 19. 75, 25. 81, 23. 87, 63. 65, 24.
aus diesem gründe ist auch 1, 5 ander zu lesen, die obliquen
casus natürlich fiectiert Hock, und zwar schwach : andern gen.
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMBNFELD 291
17, 34. 29, 36. 33, 12; dal. 4, 35. 11, 2. 12,7 (nb.I das ist ein
dal. 8g., wie ich später noch weiter belegen werde). 20,27.
56, 16. 38. 67, 25. 32, 8. 53, 42. 75, 17. 28; einmal auch aus
versnol dreisilbig : anderen 82, 44; acc. 28, 5. 46, 41. 47, 30.
48, 16. 68, 9. 75, 45. im plural macht Hück eine Scheidung,
das adjecliv ander ohne artikel flectiert er stark, jedoch so, dass
er seinem dialekt entsprechend eine apokopierte form anwendet,
also ander : masc. 20, 19. 75, 40. 82, 30. 38; fem. 19, 11 ; neutr.
23, 22. und nun von dieser beobachtung aus können wir neun
fehlerhafle verse, die sonst nicht in die betreffenden lieder sich
lügen würden, corrigieren. an den stellen 5, 21. 6, 68. 29, 23.
37, 11. 53, 30. 55, 7. 74, 22. 80, 21. 87, 55 nämlich muss die
form andere ein druckfehler sein ; jedesmal haben wir vielmehr
ander zu lesen, sodass die verse erstaunlich sich glätten, der
dat. pl. lautet bei HOck selbstverständlich andern : 14, 15. 19, 12.
21, 18. 39, 10. 48, 25. 67, 10. 82, 5. 14.40. ebenso ist zu er-
warten, dass er den plural mit artikel schwach flectiert, also die
andern 35,21; und widerum veranlasst uns dies, in dem ver-
derbten vers 17, 42 stall des fehlers Die ander das richtige Die
andern einzusetzen, genau wie ander flectiert HOck dann noch
weitere adjective, zb. eigen,
b) In vielen fällen lässt der dichter das pron. pers., ent-
sprechend der umgangsredie, mit dem verbum oder einem an-
dern salzteil dergestalt zusammenwachsen, dass das pron. als
enklilikon seinen vocal einbüfst. am häufigsten geschieht dies
mit dem pronomen es (1, 33. 3, 32. 4, 5. 4, 27. 4, 28. 4, 36
und so in ungezählten fällen, auch 39, 8), ebenso mit sie,
sowol im Singular (53, 10. 87, 62) als im plural (3,29. 6,70.
6, 71. 17, 24. 28, 21. 40, 27. 58, 10. 66, 33. 56. 78, 36. 83, 47 fi".
84, 10. 87, 46. 87, 55). es muss uns daher erlaubt sein, einen
regelwidrigen vers, der durch solche Verschmelzung geheilt wer-
den kann, dem sonstigen gebrauch Hücks anzupassen, sodass wir
also 19, 8 das gedruckte Wenn sie als Wenns (hier ist übrigens,
wie später zu erörtern, noch mehr zu corrigieren), 19, 19 das
Weil sie als Weih, 37, 31 das fchieben sie als fchiebens aussprechen,
bei dem pronomen du ist nicht immer (vgl. 26, 22) zu entschei-
den, ob es mit dem verb zusammengewachsen oder gänzlich aus-
gefallen ist; die praxis Höcks zeigen die verse 5,20. 20,6.11.
21, 33. 28, 17. 38, 44f. 42, 28. 46, 36. 47, 31. 48, 27. 51, 4.
31.45. 52,6.35. 56,36f. 59,29.42. 63,29. 75,63. 81,41.
und wider leiten wir aus dieser übersiebt das recht ab, 28, 15
und 43,33 stall mustu must zu lesen, während umgekehrt 51,41
magstu zu sprechen ist. nun halte man bei den genannten drei
pronomina es, sie und du schon früher öfter die Verschmelzung
orthographisch angedeutet, ungebräuchlich dagegen war dies im
grofsen und ganzen bei ich und er geblieben, hier folgt das
'ßlumenfeldt' als druckwerk dem gemeinen verfahren, lässt also
292 KOCH THEOBALD HOCE SCHOENES BLDMB!<iFBLD
den beiden zuletzt genannten pronomina fürs äuge ihr selbstän-
diges dasein, aber auch das darf uns nicht hindern, dort, wo
sonst keine hilfe sich zeigt, das enkiitikon in der ausspräche an
das vorhergehnde bezw. folgende wort anwachsen zu lassen, also
zu lesen 6, 12 vmbgehe ich zweisilbig =3 vmbgeh'eh; 6, 66 Weil
ich'= WeiVch; vielleicht 14, 54 wer ich «» wer^ch (doch t^I. zu
diesem vers später die conjectur); 47, 21 thet idi «» thefch;
57, 2 daß er alh = der alls, eine contraction, die im mhd. (vgl.
L. zu Iw. 504) ja oft genug zu belegen ist.
c) Was bei HOck als die buchstabenverbindungen u[h]e und
ü[h]e gedruckt ist, hat der dichter durchweg einsilbig gesprochen,
also es sind trotz dem nachschlag die Wörter thue, mUhe, frue,
blUet, mühet samt und sonders, wie oftmals (43, 27. 44, 3) auch
der reim beweist, als 6ine silbe im vers zu behandeln; 105 bei-
spiele dafür finden sich, nur eine einzige ausnähme scheint in
die quere zu kommen, nämlich 56, 19, wo Truhen nach dem er-
fordernis des rhylhmus nicht einsilbig sein dürfte, aber schon
der nächste vers, 56, 20, zeigt uns, dass hier wider ein druck-
fehler vorligt und wir Trugen (zweisilbig) an die stelle zu setzen
haben.
d) Das pronominalsubstantiv niemand ist bei HOck a priori
in vier formen möglich : niemandt, niemandts, niembt und niembis,
von diesen haben wir die erste, gebräuchlichste auszuscheiden,
denn sie findet sich nur an den stellen 15, 50 und 40, 14, wo
beide male der vers verderbt und das einsilbige niembi zu lesen
ist. die übrigen drei formen braucht Hock unterschiedslos, je
nach dem bedürfnis des Versbaues : niemandis 2, 61. 15, 23.
32, 21. 33, 15. 37, 14. 40 Überschrift. 55, 10. 76 Überschrift;
niembts 2, 62. 8, 29. 41 , 16. 58, 20. 60, 41. 63, 46. 69, 28.
87,51.81; niembt 2,41. 3,44. 8,12.25. 15,8.34. 19,51.
29, 25. 40, 13. 15. 17. 41, 30. 81, 28. wider aber sind in dem
nachlässigen druck Verwechslungen vorgekommen, die wir sofort
als Störungen des verses empfinden und darum ohne Verletzung
des Sprachgebrauchs des dichters so zu ändern haben : 15, 48.
17, 40. 20, 20. 23, 15. 84, 45 ist niembts zu lesen statt niemandts,
52, 40 niemandts statt niemdts. und 67, 27 hat man die wähl,
die sicherlich falsche form niembt zu ersetzen durch niemandts
oder nach analogie von 3, 44 und 23, 15 durch niembt nit.
e) Grofse Schwierigkeit machen beim ersten lesen Höckischer
gedichte die endsilben -gen und -6en. soll hier würklich das
druckbild den ausschlag geben und sollen diese endungen für
die articulation stets die bedeutung selbständiger silben haben?
soll der unterschied zwischen sagen und sagn würklich so sein»
wie ihn der setzer bezeichnet hat? unmöglich, schon die be-
trachtung der reime hat uns wichtige fingerzeige gegeben; und
so haben wir weiter aus der congruenz der Strophen eines ge-
dichts von fall zu fall zu entscheiden, ob wir die unbetonten en-
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMENFELD 293
«luogen würklich als senkungssilben aufzufasseD oder das n mit
synkopieruDg des e dem vorausgehnden labial oder guttural zu
assimiliereo haben, wie Hock gesprochen hat, verrät er ja zur
genüge, wenn er 87, 34. 36 auf fie/m reimt demselben (natürlich
zweisilbig : demselm), oder wenn er zwar 89,40 Buchstabn schreibt,
dagegen in demselben gedieht 4 und 9 Buchstam, oder wenn er
das wort vermailigen 3, 35 dreisilbig brauchen muss und es (nur
in diesem einen falle) vermailling druckt, also damit etwa den
laut 7? hat widergeben wollen.
Es kann nun natürlich nicht meine aufgäbe sein, hier noch
weiter das gesamte statistische material für jede sprachliche er-
scheinung bei HOck auszubreiten, ich muss mich damit begnügen,
nachdem ich den Sprachgebrauch des dichters im ganzen und die
speciellen erfordernisse jedes gedichts und jeder Strophe im be-
sonderu durchgearbeitet, die resultate gruppenweise vorzutragen«
an der band der vollzäjilichen ergebnisse kann ja jeder leser leicht
die nachprüfung anstellen, er muss nur eben zu den fallen, die
ich registriere und in denen das gesprochene wort von dem druck-
bild abweicht, diejenigen in parallele setzen^ in denen die beiden
mit einander übereinstimmen.
2, 36. 18, 29. 24, 15. 35, 24. 38, 17. 77, 89. 89, 1. 91, 9.
41. 59 sprich fagn; 71, 12 zufagn; 21, 43f fagn:klagn; 90, 56.
62 War fagn; 3, 9. 11, 14 zwagn; 6, 52. 22, 53. 54, 37. 77, 10.
39. 62. 79, 17. 84, 4. 15 tragn; 52, 21 hintragn; 86, 24 getragn;
10,16 klagn; 26,38 Fragn; 38,26. 87,46 Tagn; 88,79f
Tagn-.fagn; 52, 20 nagn; 88, 70 fchlagn; 22, 62. 92, 39 er-
fchlagn; 71, 26 g fchlagn; 48, 14 Wagn: tragn; 5, 25 Rollwagn;
92, 69 Hbrwagn; 3, 40 Segn\ 70, 34f Segn:legn; 46, 4 gfegn;
22, 521. 30, 15. 92, 68 gegn; 39, 19 gegm; 76, 35 gegnfpiel;
59, 7 Begegn; 5, 5. 9, 22. 17, 17. 37, 15. 42, 19. 56, 9. 57, 6
Entgegn; 21,31. 38,16. 89,15 wegn; 91,9 Außlegn; 52,14
Regn; 88, 53 Regnfpurg; 22, 69. 33, 5. 35, 39. 45, 30. 79, 26
Jcriegn; 41 , 4 bekriegn; 36, 10. 54, 40. 71, 4. 17 liegn; 28, 2
<inliegn; 47, 24 Wiegn; 52, 43. 59, 12. 63, 8 Bogn; 54, 31. 37
lugn; 87, 55 trugns; 5, 9. 19, 27.48. 35, 19. 42, 14. 64, 32.
67,30. 76,23. 79,22 m&gn; 74,18 erwögn; 19, 57 zügn;
19, 69. 77, 71 trügn; 56, 13 Gnügn; 1,22. 6,35. 18,44. 40,16.
54, 33. 66, 48. 73, 8. 74, 16. 78, 6. 84, 31 Ai^gn; 33,35 Augn-
fchein; 36,23. 42,8. 62,39 Augnblick; 26,24. 91,84 aign;
32,34 fchweign; 50, 28 Aei^n; bi,3ii Zeugn:leugn; 20,38
vbrfchwelgn; 26, 10 Vertilgn; 30, 18 jungn; 32, 32. 76, 24 Ver-
bergn; 6, 53. 30, 12 Verborgn; 13, 25. 37, 11. 53, 30 forgn.
4, 40 fetttgn; 9, 20. 88, 92. 96 ewign; 18, 12. 30, 12 ewigm;
13, 37 geduldigm; 45, 34 jetzign; 53, 3 vnuernünfftigm ; 56, 2
geüzigm; 66,26.28 Predign : erledign ; 74,8 Vemünffttgn, bftdndign;
77, 58 witztgn; 77, 83. 84, 8. 20. 87, 46. 90, 41 Heilign; 83, 24
Demültign; 87, 73 flichtign; 87, 75 Maynaydign; 88, 16 vbrign;
294 KOCH TBEOBALD HOCR 8CHOBNK8 BLDMENFELD
89, 10 einfichtign; 89, 39. 90, 68 vorign; 14, 27. 75, 8. 85, 43
lebndign (spr. lemding); 76, 10 lebndig.
3,6 sprich 2 Fened^ (zweisilbig) 1; 16,10 «u^^; 22,61 gmeingk-
lieh (zweisilbig); 66, 32 einch; 86, 17 Sechtzg; 86, 18. 88, 11
fibntzg; 86, 23 dreyffg; 87, 26 zwaitUzg; 71, 12 weng; 58, 35
wenger; 6, 5 toengften.
51, 5 sprich Abndt; 15, 21. 65, 27. 66, 39. 91, 93 gabn;
65,49 gabns; 6,34. 11,26. 15,54. 18,30. 19,1. 21,40.
22,4.51. 23,28. 24,21. 25,2.8.24. 28,11. 31,22.35,18.
22. 37, 28. 38, 24. 40, 12. 27. 28. 42, 32. 45, 8. 52, 30. 54, 20.
60, 1. 37. 61, 19. 69, 24. 71, 10. 14. 29. 75, 32. 77, 21. 78, 10.
79,12. 83,32.52. 87,41.90.92. 88,35.39.51.79.89,2.35.
90, 67. 91, 4. 9. 15. 92, 33. 62 habn; 3, 32. 66, 55. 92, 45 habns;
28, 21 Gerhabn; 52, 19 Schabn : grabn; 91, 75 f. 105 f Schwabn
: habn,
19,47. 35,20. 60,5. 70,32. 75,20.41. 82,8 lis ebn;
11,1\[ ebn : gebn; 15, 33. 20, 34. 52, 35. 65, 50. 77, 4. 66.
82, 43. 90, 46 gebn; 21, 32 außgebn; 71, 5 vergebn; 91, 51 ein-
gebn; 92,21 zugebn; 90,38 Hebns; 52,41 Auffhebn; 20,19.
37, 41. 75, 22. 88, 73 nebn; 15, 43 nebn:ebn; 59, 24 Weinrebn;
1, 7. 2, 44. 6, 75. 9, 9. 20. 25. 10, 15. 15, 25. 17, 39. 26, 11.
20. 29,6.11. 30,35. 32, 11. 36,35. 38,35. 40,2. 44,4. 59,5.
62, 26. 63, 37. 86, 5. 90, 5 lebn; 2, 37. 24, 11.21 Hoffkbn;
das wort lebendig hat Hück natürlich auf der ersten silbe betont
und die form lebendigen (s. o. bei der endung -igen) daher sehr
leicht zweisilbig sprechen können, also wie Umding : 14,27.
75, 8. 85, 43.
3, 3. 25, 27 sprich liebn; 3, 17. 83, 28. 86, 26. 88, 2f /t'frn;
91, 102 fibnt; 6, 1 fibntzig; 86, 18. 88, 11 fibnlzg; 88, 44. 52
gfchriebn; 21, ^3 { jebn : betriebn. — 15, 13. 18, 19. 30,8 obn;
19, 12 lobn; 17, 1 probn. — 33, 11 Stubn; 21, 16 Rauch/lubn.
— 16,20. 36,18. 51,47. 54,33. 63,4. 91,51 glaubn. —
3, 34. 19, 57. 47, 17. 89, 22 fchreibn; 89, 37 bfchreibn; 20, 19.
66, 4 Wci6w; 59,40 abtreibn. — 17,31 Ihmthalbn; 52, 9 f
Schwalbn : Albn; 87, 36 dem/elbn; 19, 34. 88, 39 Silbn. — 26, 29.
35, 35. 38, 57 erbn; 16, 17. 22. 37. 52. 54. 59. 20, 8. 26, 40.
32, 3. 38, 39. 40, 15. 56, 30. 66, 23 /terbn; 70, 42 erwerbn;
21 , 21 f gworbn : erworbn, — dagegen fordert der reim 37,2
leben,
3, 17.26. 21, 7. 35, 1. 45, 3. 50, 12. 60, 22. 75, 7. 76, 3
sprich u)er[d]n; 42, 12. 65, 37 wordn; 3, 24. 50, 28 fchneidn;
' zu diesem verse teilt mir ESchröder die ansprechende vermotnng
mit, dass die Prager schule wol erst nach Höcks flbersiedlang nach Böhmen
interpoliert sei und der vers ursprünglich gelautet habe : ZFenedig^ Rem,
Pari/er Schul, dagegen könnte man einwenden, dass das capitel ^An die
Satiren', dh. Höcks Vale an seine eignen gedichte, wol za den spätesten
producten gehören muss.
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLDMENFELD 295
3, 63. 71,5 letdn; 6, 11 geduldn; 6, 66 außgftandn (sodass auch
«Jieser vers nur drei ausgefüllle hebungssteilen hal); 12, 6 f
Schaidn : erlaidn; 19, 58 Schmidn; 38, 34. 36 Gnadn : fchadn;
39, 29. 56, 12. 85, 53.55 fchadn; 43, 40. 45,7. 53, 38. 64,41.
S9, 22 redn; 55, 5 frewdn; 66, 37. 88, 86. 91, 17 Juan; 75,4.
44 Ordn; 90, 38 ftundn, — dagegen des reims wegen 72, 17
Erden.
28, 10 sprich fchwerm; 31, 28 kehrn; 31, 27 bekehm; 41, 33.
49, 4. 61, 17. 90, 32 Ehrn; 3, 19 fcalirn, vexiem; 4, 10 zfextm;
30, 26. 53, 38 Thiern; 38, 46 ziern; 41 , 12 verliern; 45, 31
Fantafiern; 55,20 Galanifiern; 69,3 Spatziern; 70, 10 regim;
70, 22. 24 ohferuirn : imagtnirn; 71, 6. 8 hoffiern : verliern; 88, 45
Paffiern; 91, 114 verlorn; 35, 12 Wurm(=wurn); 90,58 tourns;
91, 53 f lourn : fchwurn; 14, 10. 49. 71, 24 anrürn (anrim);
77, 54. 84, 23 führn; 21, 19f thawm.Bawm, man sieht, wir
dürfen uns die synkopierung der endsilbe -ren nur nach langem
vocal erlauben; und daher ist auch 70, 36 nicht etwa zu lesen:
Hoffen vnd harrn, sondern dem (übrigens von HOck in hunderten
von föllen verletzten) versaccent zum trotz : Hoffn vnd harren. —
dagegen sprich 2, 9. 13. 33, 34. 38, 45. 80, 7 Erfa[h]ren; 19, 4f
erfahren : fparen; 17, 30 fparen; 68, 22. 24 fparen : erfahren;
2.*^, 1 Waren; 52. 33 Jahren; 78, 12. 15 Jahren : fparen ; 31, 2.
35, 39. 74, 26. 76, 47 Narren; 35, 22 harren; 59, 38 Beharren;
24, 13 kheren; 66, 6. 8 verkehren : zerftehren; 29, 1. 3 Meeren
.'Heeren; 50, 14 Ehren; 36, 13 f Ehren : verkehren; 81, 9 f zer-
fteren.'vmbkehren; 83, 52 geren; 6, 65. 8, 14. 28, 4.7. 30, 1.
31, 1.6. 11. 21. 24 f. 32,9. 14. 34, 7. 37,3.27. 39, 6. 44, 17.
33. 59, 31.33. 66, 27. 69, 13.29. 83, 2 Herren; 50, 4 zieren;
50, 32 Galanifieren; 53, 3. 77, 47 Thieren; 6, 5 außerkoren;
11, 13 Sporen; 43, 35. 85, 29 geboren; 66, 49. 73, 11 Ohren;
85, 4 Mohren; 88, 83. 86 verloren : zoren ; 29, 2 Creaturen; 89, 11
Figuren; 92, f>9f wuren : fuhren; 38, 35.38 hbren: geren; 92, 31 f
ßawren : trauren.
13, 38. 81, 28. 82, 45.47 zahln; 20, 25 Bezahln; 71, 11.
13 bezahln : mahln; 15. 3 Beyfalln; 22, 68 Zerfalln; 85, 69f
alln: gefalln; 86, 9 Erzehin; 8, 23. 30, 3. 84, 37 flelln; 60, 37
Bftelln; 76, 23 Verftelln; 25, 6. 39, 13. 56, 53 Gfelln; 77, 55 f
Gfelln:wblln; 10, 22. 40, 3. 45, 32. 65, 23. 81, 27 fpilln (fpieln) ;
16,26.30 willn; 92,44 Mulwilln; 81,4 Ftilln; 91,76 Poln;
16, 18. 19, 26. 41. 66. 35, 34. 37, 25. 43, 40. 70, 43. 77, 44
folln; 23, 22. 26, 39. 39, 11. 66, 8. 80, 14. 81, 15. 91,55 wolln;
7, 2. 10, 22. 40, 1. 45, 32 buln (bueln); 13, 35. 19, 3. 25, 2.
36, 6 w&lln; 66, 33 w6llns; 3, 48 khüln; 56, 52f fülln: fpilln;
20, 40 theiln.
1, 1 sprich ghort, gfehen, 2 gfchehen, 3 außgfianden, 18
Abgwendt, 36 Gfchehener (nicht etwa Gefchehner); 3, 36 gfchwome;
5, 3 gfpunnen; 6, 19 gweret, 34 gfchworen, 66 außgftandn (zwei-
296 KOCH TUEOBALD HOCE SCHOENES BLDMENPELD
siibig); 9,27 eingrichtet; 10,9 zugniessen, 14 ghangen; 11, 9
(ich eitlere nach K.s verszähluog, obwohl sie falsch ist) gftigen,
23 gwefen; 13, 2 ghabt, 14 gnug; 14, 29 zu[g]bla9en, 45 gwmd;
15,52 Gwalt, 54 Gwirdten; 16,45 ^trc/en; 18,30 gfchrey, 47
gniessen; 19, 7 gfchickligkeit , 38 ghaüen, 39 gfpaUen; 21, 8 ^A^rr,
27 gworbn, 29 gmeine; 22,41 gwandert, 62 ^/ie/^r, 65 gmein;
24, 25 gfliffen, 29 ^iDunncn; 25, 6 ^/c//n; 26, 17 ^/ioMe; 27, 44
ghauft; 28, 24 ^trt/^, 27 vngrechten; 29, 9 gmeine; 32, 34 ^Aetm6,
38^troAnAetY, AS g/lalt; d4, i GrechUgkeit , 9gnennet, 28 firtcto;
37, 7 GrtcAr, 9 ^n%en, 36 abg fertigt; 38, 15 Äuffghebt, 16 j/taZr,
54 ^U7(JÄ//; 39, 1 C/c«, 13 C/e//n, 24 ^raA; 40, 15^^i»^«i, 28
gferdten; 41, 35 ^u^mnen; 42, 4 gfcUecht, 8 gfchehm, 20 gftaUUe,
28 glemt; 43, 8 gfahr, 28 ^/eAr (es ist io diesem vers nicht
etwa 5iAe apokopiert zu lesen); 46,22 gfchehen; 50,10 ^AJr^;
51, 2 C/und^, 40 p/pier/; 53, 20 ghorfamb; 54, 5 CwaZf, 18 gfehm;
55, 35 ^/eZ/e/; 63, 28 Gfpenft; 68, 14 zugniffen; 69, l gfligelts;
71,13 Ängficht, 14 CÄaft/, 27 gnieffen, 28 ^trtnnen; 73,28 jWr^-
75,41 gfchleckt, 56 ^Ätm6r; 77,20 i^/ati^^ gfchrieben; 77,33 ^/irfd^
50 GAtm6 ; 78, 1 6 ^ra^Acn. 26 gftürtzt ; 79, 1 3 ^femef ; 85, 8 gmeineft,
68 ^traZ/; 88,40 gmacht, 51 i^e/em, 80 ^Aa6r; 89,26 Gwiß,
35 ^/erf, 40 gfetzt; 90, 12 pAo/fcn; 91, 15 gehrt; 92,40 ^fe^f.
— dagegen 2, 34 ^«/IfaZ/; 27, 29 Gewall; 51, 35 sGemiedt; 57, 22
gefangen; 67, 28 gefchicht; 70, 21 Geftirn; 91, 12 jenaitÄ, 32
genendt, 79 gehäuft; 92,23 ^«ntimmen, 51 genendt*
2; 58 sprich bfcht^eren; ebenso 3, 39. 3, 11 allbreit; 6, 70
bfchaffen; ebenso 10,29. 13, 17 6rau6r; 15, 5 6/^e/^ (einsilbig);
21, 48 bfchaffen; 24, 28 bfunnen; 25, 16 6Äcr(Äfer; 34, 3 bfcheidt,
18 ÖÄdÄ/cn, 31 Ä/cÄcid; 38, 22 bftendig; 39, 18 Bpefcfc; 42, 18
bfchaffen; 49, 7 6Ac//e/; 55, 27 bfchaffen, 34 ft/ie/te; 57, 9 bfinnen;
59, 41 bhertzter; 63. 27 bftelleft; 71, 14 6Äatten; 79, 21 bhertztes;
83, 56 Ä^e/^• 87, 72 bherbergt; 89, 37 bfchreibn. dagegen 35, 37
Befchützt; 36, 34 beniegt; 64, 16 vmbekhandt; 90, 8 fre^eifer.
2, 61. 63 sprich Tadel, Adel; 3, 21 Werbel; 4, 49. 51 IVuW
6, 69 Adel; 9, 1 Mittel; 13, 34 Ptirfr«/; 20, 18 Edel, 20 Thadd
33, 12 Beitel; ebenso 37, 17. 46, 18 Türel; 48,18 JlfM/cft«^» 28 Bdd
54, 24 Ariele/; 55, 6 HÖmel; 58, 13 BdcÄeZ, 29 Maidd; 61» 19
TÄarfcZ; 65,30 VSgel; 68,11 ATcJrfc«/; 69,6 Fligeln; 70,26 Fojd,
38 Gaugeln; 71,29 mangeln; 74,6 Quadrangel, 14 Ciirdte/; 77,68
Körbelkraut; 82, 51 man^eZ; 83, 47 PurfreZ; 86, 69 CorcZ; ebenso
88,24. 30. 56; 88,51 Tutel.
1, 34. 16, 44. 29, 27. 60, 32. 68, 14. 92, 42. 60 sprich
widrumb, wie Hock 14, 54 uö. auch schreibt; 9, 36 widrummen;
43, 24 widrumben, — 5, 7. 16, 45. 20, 10. 23. 26, 28. 40, 5.
42, 5. 44, 29 a/Zs; 36, 21. 75, 24 allm; 40, 23. 64, 8, 40. 76,
11. 84,26. 92,44 alln; dagegen 10,4 alles; 73,22 aUem. —
11,30. 77,59 abr; 12,10 vbrall; 20,38 vbng; vbrfekwelgn
(2silbig); 76,35 vbrzwerg; 31,35. 45,7.30. 71,24. 77,3.
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMBNFELD 297
87, 34. 47 o'r; 84, 6 o'rs. — 10, 19. 17. 43. 25, 27. 32, 36.
75, 13. 78, 35. 86, 67. 91, 2 jhrm; 32, 6 feim; 43, 17 Edelm,
25 deim. — 11, 28 Merdrer; 65, 38 Schläprer; 71, 2 Hungrifch,
9 fcUaffrig; 76,21 Zauhrer, M Eyffrer; 78, \2nidrig; 84,28
dapffrer; 87, 61 Obrigkeit; 88, 99 Fndrieh; 82, 45 Intresse. —
13, 4 £te6s; 14, 9 Hültzens; 18, 27. 42 Gittlichs; 20, 35 (ietn«;
21,34 GötUichs; 26, 11 Menfchlichs, 29 künfftigs; 2S, 29 gutts;
36, 11 künfftigs; 36, 18 jÄrs; 51, 28 rfci>w; 58, 31 a&«;
65, 31 Goldtfarbs; 66, 40 jArs; 75, 21 lei'fts; 77, 70 je&;
78, 30 Co««; 83, 4 ^u«s; 86, 7 eygns; 87, 10 Co«», 37 ehr-
lichs, 96 jc/Ät^»; 88, 89 billichs; 90, 5 JSfrftar«, 42 ßrs. —
15, 12. 87, 17 einr. — 15, 42 betteln; 33, 20 ^mw; 43,24
dienn; 51, 34 e/7h; 65, 15 Fechtn; 66, 44 wem; 70, 3
Wamn; 84, 30 wem; 92, 49 verbrenn, 59 erfchlagenn. — 16,22
>r(//cÄ. — 46, 13 mawcÄ. — 70, 27 gem. — 17, 31 Ihmthalbn;
24, 3 i?rfe/n; 30, 5 fein; 36, 17 jhm Sinn; 40, 16 o/fen; 49, 4
Amptn, 17 em; 52, 11 Eyfenn; 53,37 siDeyn ftUckn; 55,22
ey^ewn, 35 y^nn; 56, 35. 38 faftcte ; Parabeln; 57, 33 5iWn; 64, 8
Singfchueln; ßS, \S fchSnn; 75, 55 jÄm; 77,65. 84,16 Ihm;
91, 53 dEingebenn. — 18, 41 wünfcht; 37, 13 frincfo; 38, 13
Probiert; 55, 1. 3 pffeifft : greifft; 66, 9 trawrt, 55 ^u^am^- 74, 19
herrfcht; 78, 22 troÄwr; 83, 35 macht; 86, 36. 44. 63. 87, 1. 88, 7
herrfcht; 91,70 wohnt. — 26,23 Ätei6/^; 43,7 zeugft; 51,1
Begerßu; 57, 26 /ticA/T. — 46, 2 Reutr; 88, 77 Wa/7r; 89, 21
iaidr. — 52,42 zreiffen. — 68,24 tc&s; 84,33 *e»; 89,20
Wies. — 89, 35. 91, 1 vnfre. — dagegen 5, 4 gefolget; 14, 12
F^fTÄeÄm; 15,32 Ao/fe/; 21,4 Gepflanzet; 23,3 ftfeiftef; 31,9
verlieret; 32, 20 verdienet; 33, 27 6/tYÄcr; 34, 9 gnennet; 36, 33 f
lebet lauff leget; 41, 21 f er fddeget : pfleget; 42,23 ÄtZ/fef; 54,28
/a^ef ; 64, 24 ver fachet; 72, 6 fcheinet; 74, 6 flf/c^ÄC^; 77, 41 /a(^ef ;
80, 29 f /cAa^ef ; verfchlaffet; 86, 27 /b/^er ; 88, 1 1 verwüret ; 90, 10
gftifftet. — 12, 12 deines; 18, 36 fchwaches; 48, 4 Giildire«; 75, 43
Welches; 91,90 G^ikÄre«. — 14, 52 Bußen; 58,28 Peitfchen. —
35, 31 MArcm, 32 altem. — 44, 2 fchenken. — 29, 20 5rmeA;
76, 37 ärgift (wie 78, 16 euffenfl); 85, 7. 33 witzigeft, 9 /c&Äd-
/tcA«/!^, 47 nutzliche ft. — 50, 15 thun es; 70, 49 ich es; 85, 59
es thut; 86, 15 tcA es.
6, 14 sprich Wc6; 11, 33 gschehen; 15, 11 sorgfeUig; 19, 56
JewfscA, 63 jhr, 67 frArirf; 21, 10 cm, 36 Fo/ttommcn; 22, 12
allzeit ("wie 23,5 uö.); 29,28 Menfchlich; 34,9 ^Ö/T; 38,31
groffer; 44, 28 zeitlich; 47, 28 ^/c^n; 48, 5. 20yA»i; ebeoso 49, 13;
50, 7 erfc/; 53, 1 vernünfftig; 57, 10 wuer; 63, 17 ^r(fA; 66, 32
einch; 75, 48 cm; 76, 55 all; 80, 25 bleib; 81, 16 fcW; 82, 22
Sclav; 86, 49 Teutsch; 88, 67 cy(/cn; 89, 17 Deutfeh; 92, 62 A5cA/lt.
— dagegen 15, 26 dritte; 17, 14 Freunde; 28, 20 attc; 33, 25
fnnffte; 46, 19 /cmc; 46, 38. 77, 85 gu[t]te; 50, 27 ftarke; 77, 34
rechte,
A. F. D. A. XXVI. 20
298 KOCH TUBOBALD HOCK SCU0ENS8 BLUNENPELD
6, 66 sprich drinn; 8, 15 drauff; 16, 26. 34, 12 äran; 21, 27.
78, 11. 83, 52 drumb. — dagegen 50, 21. 75, 66. 92, 47 dammb;
66, 51 daran; 90, 57 darinn; 91, 26 darauß.
d, 24. 23, 2. 36, 16 sprich z'jhrem; 9, 18. 59,3 ^ aOen;
24, 2 zHoff; 26, 3 »Todt; 35, 17 %Mm, 33 zfmmen; 40, 12
zthun; zlaffm; 57, 35 zruck; 73, 17 ^'otfer, 29 ssmackw; 82, 2
2f/et'n; 88, 8 zhawen.
So gewaltsam es ferner uns scheinen mag, es rouss nach
analogie des vribel (46, 6) oder fridt (76, 47) die prdfixsilbe ver
an einigen stellen verscbleift werden: 16, 22 v' /hkm&chim; 23, 19
v' langen; 28, 5 v' fieneft; 57, 33 v' ftehm. es ist ttbrigeos diese
Verstümmelung nicht ärger als die des bis 58,8.
4,37 sprich dreckte (wie 45,17 dÄchßlen; 73,26 dBnut;
87,28 dEhe; 22,30 dferm; 22,7 dFrantzSsm; 67,8 rfff/o*r;
19,52 dGrieehipch; 3,47 (iJ7«tt(/e; 57,35 cUTrefts; 6,73 dlie6;
22,8 dMaidlein; 29,13 diVo/tcr, 3,1 dRaiß; \%h% dSmgkunU;
7, 23 dSckuelen; 88, 91 dSehriffi; 46, 26 d5pom; 66, 56 dSfro/f;
75, 11 dVernunfft, 3, 1 dWieZr und viele beispiele mehr); ebenso
10,14 Blieb; 19,61 dletzte; 21,3 dNatur, 26 d/cfton; 23,2
dTTeft; 26, 32 dgrßfte; 30, 7 dhSdifte; 56, 56 dffj«; 78,30 dwunder.
— 16, 10 sprich vmbs (wie 15, 25. 40. 17, 3. 15; 23, 8. 32, 11.
38, 47. 65, 7. 81, 33). 90, 46 weiters. — 84, 38 An. — dagegen
16, 51 wider den; 64, 14 m (fem (?).
Analog dem früher über die laute u[h]e und ü[h]e gesagten,
ist festzustellen: sprich einsilbig 4,29. 37,41 gehe; 5,47.
32, 49. 37, 21. 66, 57 gehet; 8, 29. 17, 4. 31, 30. 57, 34 gehen;
6,75. 17,3. 24,16. 36,26. 37,28. 47,10. 56,29. 79, 13.
87,26.28. 88,20 ehe; 38,57. 44,39. 48,11 flehet; 45,25
ßehm; 66, 19 wehe; 46, 22 wehe: Ehe; 3,8 Ziehet; 42, 36 flie-
hen; 25, 22. 32, 42. 49, 26. 69, 17. 92, 13 Frawe; 5, 52 Frawen;
41, 21. 59, 19 Schawer; 45, 17. 54, 34. 73, 7 fehawem; 78, 12
fchawet; 46, 10 f brawen : trawen; 50, 21 f Bawer : fawer; 59, 29
trawen; 70,11 trawem; 71,13 blawes; 29,5 Freyen; 91,94
Weiher; 3, 20 Fewer; 43, 10 Fewers; 23, 9 newe; 23, 12. 27
newem; 23, 10; 85, 37 newes; 24, 7 retre; 53, 8. 81, 35 ewer;
53, 16 ewrem; 53, 19. 87, 54 LSwen (so wird noch bei Gryphius,
Leo Arm. i 107f löuen: dreuen gedruckt); 50,28 /ten; 55,8
fdeft; 59, 16; 68,23 fd^. — zweisilbig lis 12.23 anfahen;
6, 3 zehenden; 22, 49. 34, 27 auffftehen; 37, 13 auffftehet; 39, 8
verftehen; 89, 40 verftehe; 62, 6 Außßehe; 23, 23 anheften; 50,27
Vihemagdt ; 23, 13. 44, 32. 77, 42 Jundcfrawen; 71, 31 xufchawen;
87, 40 Moidawe; 30, 36 Scheyeren; 10, 2. 15, 51 tmIreiM; 15, 16
getrewe; 6, 19 geftraet; 59, 18 verftr&et — dreisilbig 70,29
vnterftehen; 88, 42 «iitier/^«Aen; 77, 61 Frawenxmmer; 54, 14
Abendthewer. — dagegen ist 41, 5f im reim (wie Oberhaupt di«
reime oft eine ausnahmestellung einnehmen) hewer : Stewer iwei-
silbig zu lesen; ebenso 68,21 ewem.
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENBS BLOMBNFBLD 299
Ober diese anscheineod trockneD zusammeDStellungeo kann
man nur dano ein urteil gewinnen, wenn man die entsagung übt,
sie buchstaben für buchstaben durchzuarbeiten, genau so wie sie
entstanden sind, und auch dann, glaub ich, wird noch mancher
skeptisch sein, ob solch ein exacter leseversuch an einem dichter
des ausgehenden 16 jhs. gelingen könne, dem Zweifler aber gebe
ich zu erwägen, dass hier an den gedichten Hocks ja nicht beliebige,
vom geschmack oder ungeschmack eingegebene nivellierungen
vorgenommen sind, wie sie Ramler oder Voss liebten, sondern
dass sich gruppenweise immer die gleichen erscheinungen unge-
zwungen einstellten und — was doch auch nicht aufser acht zu
lassen ist — dass diese beobachtungen von einem grofsen kreise
oppositionslustiger jünger unsrer Wissenschaft einen ganzen winter
hindurch in stets erneuten einzeluntersuchungen geprüft und
endlich rückhaltlos für richtig erkannt sind, soll ich ganz populär
zusammenfassen, wie ich mir etwa das verhältnie der gedruckten
Höckischen verse zu ihrem würklich gesprochnen Wortlaut vor-
stelle, so kann das durch folgende fassung der ersten Strophe von
Goethes 'Heidenröslein' geschehen:
Sah eiD Knabe ein Röslein ftehn,
Röfelein auf der Heiden,
War fo jung und morgen fchön.
Lief fchnell es nahe zu fehen.
Sah's mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein reib,
Röslein auf der Heide,
schreibt ein sorgloser dichter in dieser weise seine lieder hin,
oder entstellt sie ihm ein abschreiber oder setzer, so ist es f anz
wol möglich, dass der autor, zumal wenn ihm eine melodie im
obre klingt, über die fehler ruhig hintist. prüfe docb jeder sieh
selbst I wie viele entgleisungen hat er denn beim ersten schnellen
lesen jener Strophe des ^Heidenrösleins' gespürt? und nun kommt
bei Hock ja noch hinzu, dass er kein normiertes Schriftdeutsch
schreibt, sondern sich im lautstand unil der Wortwahl als Pfalzer
ausweist, seine gedichte aber einem — zunächst einmal ganz
allgemein gesprochen — ostdeutschen setzer anvertraut.
Aber wir sind in der beurteilung der gedichte noch lange
nicht am ziele, eine ganze reihe von versen ist so verderbt, dass
uns hier, wie bei der herausgäbe eines antiken dichters, die be-
fugnis zustehen muss, conjecturen zu wagen» von solchen
Vermutungen, durch die in manche stellen überhaupt erst eine
vernünftige deutung kommt, teile ich hier eine reihe mit: 3, 63
möchte ich lesen der küß euchs putU, dh. der kann euch den
bosenbund (euphemistisch) küssen. — 4,6 muss zwischen mems^
und fich die conjunction daß eingefügt werden. — 4, 22 dürfte
statt Mit richtiger Nu zu lesen sein, denn der sinn ist: mau kann
das gute nicht so oft lehren und das böse nicht so oft erleiden wie
20*
300 KOCH THEODALD BOCK SCH0£?fB8 BLUMUCFBLD
es nötig ist, damit andre daraus lernen. — 5, 5 muss aian jedem
verbessern in jenem, — 5, 9 ist das erste lool zu streichen. —
5, 26 vermut ich, dass nach analogie von 10, 17; 37, 32; 48, 2S
und verwanten stellen zu lesen ist; Die Gartengfdlfehaffvndjkr
wunder wefen. — 5, 32 lis Den statt Der. — 5, 33 aiuss man
vor alte ein einsilbiges wort, etwa gar erganzen, wie solche flick-
wOrter im druck des 'Blumenfeldts' mehrfach fehlen. — 5, 37
dürfte sich das wort Spitzn widerrechtlich eingeschlichen haben;
doch weifs ich den fall nicht recht zu erklären. — 5, 55 ist nach
mi(A vielleicht das wort vnd ausgefallen. — 6, 15 ist entweder micft
vor het zu ergänzen oder ertrencket zu lesen. — 6, 37 streiche
abo. — 6 , 80 muss der gestrichen werden. — 8,9 wird mehr
nach nimmer zu ergänzen sein. — 11« 2 ist nach dem Sprach-
gebrauch des dichters der artikel dem ganz wegzulassen; vgl. 16, 11
mit Munde; 35, 6 nach effen; 75, 41 Mit Menfd^en gefekkeht;
80, 20 Vor Offen. — 11, 24 ergänze ich nach gleich. — viel-
leicht dass 11,31 nur, 11,33 eim zu tilgen ist; doch scheint
die ganze slrophe verderbt. — 12, 10 die sinnlosen worte feins
all müssen durch conjectur beseitigt werden, wenn ich mir die
schrifuüge des ausgehenden 16 jhs. vergegenwärtige, so ergibt sich
mir als nächstliegende lesart fein hail; und damit wäre zugleich
sinn und reim hergestellt. — 14, 24 ist zu lesen: biß das ich
gmaldt. — 14, 45 ergibt das leyder gerade das gegenteil des
vom dichter gewollten sinnes; ich möchte daher lieber das ver-
stärkende kyden einsetzen «> wahrlich, bei dem leiden unsres
herrn. — die verse 14, 54f geben keinen anstofs, wenn man,
wie ich vorgeschlagen, das wer ich zu werch zusammenwachsen
lässt. wem diese synaloephe bedenklich erscheint, kann auch
durch Umstellung der beiden reimworte helfen: Vni dacht wer
ich ein Knäblein frumh, Vnd hg in meiner Wiegn wiirumb. —
15, 29 fehlt nach künd ein flickwort, etwa auch. — 15, 51 ab-
gesehen davon, dass Hock die Schreibung mit dt fast nur nach
langem vokal anwendet {sehadt, Todt, radten usw.), gibt das
wort scAu(if (substantivum 7 unratplatz?; keinen rechten sinn, die
Schwierigkeit schwindet, wenn man die conjectur schnedt (schnOde)
gelten lässt. — 16, 25 nach wUnfAen fehlt ein einsilbiges wort,
etwa vns. — 16,57 vor dort wird vnd zu ergänzen sein. — 17,37
fehlt wol nach noch irgend ein flickwort, etwa auch; ebenso 18,28
nach vnd. — 19,8 wird nur dann der erforderliche dreitacter, wenn
man list: Wenns nur jhr eygen Sprachen. — 19, 11 ist das wort
nit als ganz widersinnig zu streichen. — 19, 13 fehlt eine silbe,
etwa auch nach Reimen. — 19, 23 fie ist natürlich zu streichen.
— 19, 42 muss das reimwort statt gleine lauten gleime, geltme aa
fest zusammenhaltend. — 22, 3 lis Den statt Denn. — 22« 17
lis Herbrinnet, eine verbessrung, die doch wahrlich auf der band
ligu — 25, 25 lis Conterfeyt. — 26, 23 ist statt femden des
reimes wegen ferten zu conjicieren , wie 90, 22. — 28, 5 statt
KOCH THEOBALD HOCK SCHOEiNES BLDMENFELD 301
verfinneft lis v' fieneft. — 31, 25 muss oach Lauberherren ein
flick worl, etwa auch, fehlen. — 31, 26 ist nach gweft zu ergänzen
die. — /31, 31 muss man lesen In Summ, wie 15,1; 34,35;
38,49; 75,65. — 32, 19 ist hallet zu verbessern in AuWef (vgl.
29, 5). — 33, 10 ist Rälh nach Kl6per einzuschieben. — 34, 4
ist die form künnen in künden (vgl. 16,29) zu ändern. — 35, 19
der verderbte vers ist vielleicht durch Umstellung wider herzu-
richten : Darinn fie pich bekehren m6gn. — 36, 26 ist zwischen
wollvft und büffen ein wort wie mögen einzufügen. — 38, 57
lis 6dt stau odt. — 39, 10 lis befüdem (Schmeller i 753). —
40, 17 lis Tartern, davor ergänze nach. — 41, 1 fehlt wider ein
flickwort, etwa gar zwischen nit und ein. — 43, 11 lis Örter.
— 43, 15 ist nach Ja wahrscheinlich du einzufügen. — 43,23
Land V7id Leuten? — 44, 16 scheint zu lesen zu sein: des dings.
— 44, 17 ist an einzufügen nach dAchßlen^ 18 nit nach jhms.
— 44, 29 lis krönet statt könnet, denn die stelle wird zurück-
gfhn auf psalm 5, 13: Denn du, Herr, fegneft die Gerechten; du
krSneß fie mit Gnade, wie mit einem Schilde. — 46, 1 ist vnd nach
Larma zu ergänzen. — 46, 23 ist doch wol Antregft zu lesen. —
46, 34 nit zu lang? — 47, 20 das wort bandirt ist auszuscheiden;
es ist eine in den text geratene randbemerkung, wie in cap. 38
die lateinischen verse, oder wie am schluss von cap. 45 das wort
GaJänen (nicht Gälanen). — 49, 17 hat man befüdem zu lesen
(Schmeller i 753). — 50, 31 dürfte fang statt fang eine plau-
sible Vermutung sein. — 51, 34 lis vom statt vom. — 51, 43
ist vielleicht Doch statt Da zu setzen. — 51, 45 muss zwo Seel
statt ein Seel ein fehler sein, der ganze Zusammenhang beweist
es, und von faustischen zwei seelen in einer brüst ist natürlich
keine rede. — 52,38 ergibt sich die verbessrung von selbst:
statt zum maiften ist zum minften zu lesen. — 52, 45 lis fterk
statt ftark. — 52, 47 ist nach hoch vielleicht könn einzufügen.
— 53, 7 muss nach Wirtfchafft ein wort, etwa Ordnung, ausge-
fallen sein; sodann ist das unsinnige Panien in Feinen («^ bienen,
vgl. 62, 37) zu verbessern. — 53, 37 lis vnderfcheiden. — 55, 33
ist doch wol des statt das anzusetzen. — 56, 42 ist das sinnlose
Brauch in Bauch zu corrigieren. — in die verse 57, 13f vermag
ich nur dann sinn hineinzubringen, wenn ich lese: Noch (=
dennoch) luft mich fo vermeffen Nach ergr intreffen (vgl. 82, 45).
— 58, 1 ist statt heut zu lesen heunt, wie 87, 75. — 58, 18 lis
ISfchts. — 58, 25 lis Kabzan (= kappzaum). — um den vers
58, 35 auf die ihm gebührende zahl der tacte zu bringen und um
ihm überhaupt einen in den Zusammenhang passenden sinn zu
geben, bedarf es schon eines Zusatzes; ich möchte lesen : Wirdts,
morgen wenger, eyl mit weyl. der gedanke ligt HOck nahe, vgl.
61, 22. — 59, 17 fehlt ein einsilbiges flickwort, etwa auch nach
merck. — 64, 21 muss wol lauten: Da fach ich doch. — 65,34
muss man, genau wie 85, 68 und 89, 14 statt des sinn und rhyth-
302 KOCB THEOBALD HOCK 8CH0E^ES BLOMfi^FELB
iDUs slörendeD adjectivs fürwüziges richtiger fürwüti lesen, als
geoitiY von fürwitz, den Hock nach dem Vorgang des ^Teuerdank'
ebenso personiflciert wie 59, 6 den unfall. — 65, 23 ist das compo-
situm aufzulösen: ^Ein vnd Äuß' fpiUn» — 66, 10 ist vnd nach
Mond einzufügen. — 67, 35 scheint ein adjectiv zu fehlen, etwa
die fehlimmen fachen, — ist 68, 1 nach vnd vielleicht auch zu
ergänzen? oder trew nach tcA? — 69, 13 dürfte statt Gott gab
wol zu lesen sein Gott geb. — 70, 1 ist zu lesen gedencken, wie
1,20; die ersten Strophen enthalten ja lauter infinitive; auch durfte
der herausgeber das spatziereren (70,13) getrost in tpatxieren ver-
bessern. — 72, 17 vielleicht auf diefer Erden. -^ 15, 7 es statt
erl — 75, 80 doch ^«6« statt gebts. — 76, 37 ist lehen druck-
fehler für legen. — 76, 43 ist Hertzklopffen 6in wort; 45 wird all
oder fein gestrichen werden müssen. — 77, 8 nach Sein muss ein
einsilbiges wort, etwa gross ausgefallen sein. — 77, 14 statt dem
lis der. — 11, 34 muss Vellis druckfehler für Vlies sein. — 77, 73
möchte ich statt jAm fein vermuten: jm fchein (wie 82,8). —
wie das sinnlose Thier 78, 14 zu verbessern ist, wird spiter in
anderm Zusammenhang klar. — 78, 17 statt Hiemü lis Bient.
— 79, 16 dürfte nur nach wirdt zu ergänzen sein. — 81, 21
muss man euch nach ziecht einfügen. — 81, 34 wahischeinlich
euch statt auch. — 81, 40 muss ein flickwort fehlen, Tielleicht
auch nach vnd, ebenso wie 82, 48 nach noch. — in die ganz
verderbte erste hälfte von 83, 26 weifs ich nur sinn la bringen,
wenn ich lese: Sols einn nit taum. — sollte 84, 5 PnUl statt
Pfandt zu lesen sein, im hinblick auf den bosenbaodonieD? —
84, 35 doch wol mit den Augen. — 84, 45 ^embt. — 84, 46
ist grSfferers druckfehler für griffers. — 86, 12 lis Um statt
Denn. — 86, 59 fehlt irgend ein einsilbiges flickworL —
87, 5 lis Babiloniem. — 87, 18 lis hftaUi statt hßdk. —
88, 60 fehlt am schluss das reimwort den. — 88, 94 ist ohne
zweifei troffen statt treffen zu lesen. — 89, 29 wird mmtk nach
Sondern einzufügen sein. — 90, 52 muss mao emck madk nk er-
gänzen. — 91, 22 ist wahrscheinlich aiterirefiir iq Ic
wird folch nach vnd einzufügen sein; ebenso
nach fie; 63 t^ns nach er; 71 vnd nach nodu
Von solchen erwägungen, wie sich wol der
laut der gedichte zu dem gesprochnen verhalte, qb4 '
der text in allen einzelheilen sei, hat sich K.
halten, trotz alledem wagt er es, auf s. Lwt
dem ahnungslosen leser aufzubinden, es sei
Theobald Höcks, dass er zuthaä.'oU, Küiiftm
:haüa, flreiten: mitten, heut:Feindt usw.
^bedenkliche reime' und meint, dass sie 'auch An
stimmbare mda. des in Böhmen lebenden, fiel
iPßilzers in betracht kommen*, nein! das sitt4
•reime, sondern druckfehler; und *bedenUicb* uA ha
KOCH THBOBALD HOCK SCHOENBS BLUMBNPBLD 303
Sache nur, dass der Herausgeber das nicht erkannt bat. die
ganze ^auswabP der reime bei K. ist überhaupt von peinlicher
unZuverlässigkeit, weil die mehrzahl der citate gar nicht stimmt ;
die reimpaare zählt er bisweilen nach dem ersten, bisweilen nach
dem letzten vers, und das zeichen V, bedeutet bei ihm abwechselnd
*vers' und ^Strophe', für die Feststellung des dialektes, den der
dichter gesprochen, haben wir gottlob noch mittel genug; und
ich glaube oben in den weitläufigen Verzeichnissen von reimen,
conjecturen usw. beweise in fülle erbracht zu haben, dass er
ganz deutlich in Pfälzer idiom geredet hat. dass K. eine solche
Untersuchung beiseite gelassen hat, ist nur zu preisen, denn das
einzige mal, wo er eine sprachliche deutung unternimmt und
s.xLi, z. 5 V. u. das wort Gerhaben (cap. 28, 21) ganz lustig als ^gern-
haber' erklärt, passiert ihm gleich eine entgleisung. oder soll diese
interpretation ein witz sein und spielt K. den wider auferstandnen
Abraham a SClara, der allerdings einmal in 'Judas der Erzschelm'
sagt: 'Du Gerhab oder Gernhab, wann du dich mit den kleinen
Pupillen hast groß gemacht' usw.?
Nach allem bisher gesagten ist es klar, was man von einer
ausgäbe des 'Schönen Blumenfeldts' fordern muss. es ist natür-
lich nicht meine meinung, dass man sämtliche von mir aufge-
zählten apokopen, synkopen usw. dem dichter in den text hinein-
corrigieren solle; man soll sie sprechen, wenn auch nicht drucken,
wohl aber hätte man den Wortlaut, ehe man reimstudien oder andre
Untersuchungen anstellte, von den zufälligen beschädigungen durch
druckfehler befreien müssen, ich kann allerdings nicht leugnen,
dass in diesem einen falle ein paralleldruck sehr lehrreich ge-
wesen wäre: links der text, wie ihn der schlechte druck von
1601 bietet, rechts die philologisch bearbeitete fassung, die uns
buchstabeugetreu zeigt, wie die verse gesprochen sein müssen.
erst aus solcher gegenüberstellung wird nämlich klar, worin der
'reformversuch' Hocks besteht, trägt man sich nämlich die sämt-
lichen von mir zusammengestellten Verbesserungen in das exemplar
ein und list nun laut, so merkt man mit staunen, was das druck-
bild nie verrät, dass HOck zu den ersten dichtem gehört, die am
ende des 16 jbs. für strophische gedichte reine Jamben anwenden
möchten, es gelingt ihm noch recht schwer; er muss sehr viele
accentversetzungen sich gestatten und alle dialektischen freiheiten
in auspruch nehmen, aber die absieht ist unverkennbar, wenn
ich die für mich bis heute unheilbaren verse 5, 49. 6, 4. 8. 25.
44, 27. 30. 35. 46, 36. 47, 11. 53, 11 f. 35 f. 77, 31. 80, 3. 15.
85, 48. 88, 54. 89, 15. 91, 71. 85 f. 92, 35 ausnehme, die man
nur mit unerlaubter willkür einrenken könnte, so enthält das
ganze buch nur jambische Strophen, danach ist der zweite absatz
bei K. s. Liii zu berichtigen, wenn man etwas tiefer in den Sprach-
gebrauch Höcks eindringt, als es K. gelungen ist, so ist von einer
'bewusten regelung' sehr wobi etwas zu ^vermerken', ja, man
304 KOCH TBEOBALD HOCK SCH0ENE8 BLDMKNFBLD
kann sogar noch viel weiter gelangen, als mir hier der räum
zu gehn gestattet, beachtet man, wie sich die Yerschiedeneu
kürzungen und dehnungen der einzelnen Wörter sehr ungleich Ober
die capitel verteilen, so kann man aus dieser feststellung sogar
eine Chronologie der gedichte ableiten und wird — wie ich hier
nur flüchtig andeuten will — bald finden, dass HOck in seinen
zuletzt enistandnen dichtungen (die die Sammlung erOffneD und
schliefsen) viel nachlässiger ist, als in den frühern.
Mit den textkritischen erwägungen hängt nun auch eng die
frage nach dem Verleger und drucker des *Blumenfeldts* zusammen.
es wäre ja möglich, dass der mann sich eingriffe in die gedichte
HOcks erlaubt, ihnen etwas von seinem dialekt aufgeprägt oder
ihnen Zusätze und dgl. gegeben hätte, da entscheidet sich nun
K. s. X nach kurzer erwägung und gestützt auf ein gutachten des
herrn dr Hippe in Breslau dahin^ dass der Verleger vermutlich ein
Prager gewesen sei. ich kann mich dieser ansieht nicht anschliefsen
und halte es überhaupt für angebracht, über ein solches problem
nicht einen bibliothekar des 19 jhs., sondern Theobald HOck
selbst zu befragen, und da bin ich zu diesen beobachtungen
gelangt:
1) Hock braucht stets das deminutivsuffix -7etn (Liedlein, Kind-
lein, Knäblein usw.) bezw. -el (Scamitzel, Türel, Körbel usw.).
nur zweimal, und zwar in überschritten zu den gedichten 46 und
72 begegnet uns das suffix -chen: Neärelgen (so ist statt Nderelgen
zu lesen; Neaera ist der bekannte frauenname, zb. Horaz (3arm.
III 14, 21) und Epschen. daraus ergibt sich die grOste Wahr-
scheinlichkeit, dass die beiden Überschriften wie auch noch andre
überhaupt nicht von Hock herrühren, diese Untersuchung ganz
durchzuführen, ist hier nicht der ort. in unserm falle würde
Eppes mit dem sufTix chen am ersten noch in dem teile Schlesiens
zu suchen sein, der Sachsen möglichst benachbart ist
2) Auf Ostmitteldeutschland dürfte auch eine zweite erschei-
nung deuten, die wol gleichfalls erst durch den drucker in die
gedichte gekommen sein wird : nämlich der brauch, die assimilierung
eines auslautenden m und n an den anlautenden dental, labial
und guttural des folgenden wertes auch durch das druckbild'
zu bezeichnen (vgl. über die Verbreitung der erscheinung Bae-
secke Die spräche der Opitzischen gedichtsammlungen von
1624 und 1625, Gott. diss. 1899, s. 31): a) m>ii vor dental
und vocal: 15,43 nebn ein Narren; 6, 28 in Laberinthe; 11, 31
ein leyden; [titelblatt Bermeorgiffchen Secretarien;] 59,29 wensi;
18, 7 von folchen fchaden; 70, 25 Ihn zritten; 12, 7 ein andern;
16, 6 von gantzen Hertzen. die werte 66, 38 Kein Wunderzaicken
können plural sein, b) n >> m vor labial: 5, 28 Wendt vmb
mut; 30, 3 dem Menfchen (muss wegen des folgenden jAr plural
sein); 35, 12 Wurem weiß; 64, 16 vmbkhandt. c) m> n (iu
wahrheil ») vor g: 7, 18 in mein Gwiffen; 46, 17 meinb gesell
KOCH THEOBALD HOCE SCHOENES BLDMENFBLD 305
(hier sieht man an der schreibuog meinb die ratlosigkeit des
Schreibers oder setzers; geselt ist natürlich druckfehler).
3) Es scheint K. gar nicht aufgefallen zu sein, dass mehrere
gedichte HOcks mit einer Strophe enden ^ die formal nicht zu
dem betreffenden liede gehört, sondern wahrscheinlich von wer
weifs wem darangefügt ist, schwerlich von dem dichter selbst, ich
habe die capitel 11. 17. 34. 38. 46 im äuge, bei dem letzten die
beiden schlussstrophen^. diese zusätze zeichnen sich noch dadurch
aus, dass sie der erklärung aufserordentliche schwierigkeilen be-
reiten; und ich muss gestehn, dass hier meine interpretations-
versuche stellenweise gescheitert sind, in die gleiche gruppe
solcher zusatzstrophen gehört nun auch der eingang von cap. 65.
K. meint hier eine verbessrung angebracht zu haben, indem er
diesem liede eine besondere nummer gab. er hätte nur getrost
seiner vorläge folgen sollen. 64 und 65 bilden nämlich trotz dem
wechselnden rhylhmus zusammen ein ganzes; der zweite teil ist
die antwort auf den ersten, die Strophe aber, die K. leicht-
sinnig genug als die ersten vier verse von cap. 65 mitgezählt hat,
gehört, wie schon das versmafs zeigt, gar nicht in das stück
hinein, sondern wird als gesprochenes intermezzo zwischen zwei
gesungnen liedern aufzufassen sein, und wider scheint dieser
Zusatz wie manche Überschriften gar nicht von HOck herzurühren;
das wort Prack'^ deutet abermals auf Schlesien oder Sachsen hin.
4) Die form eim ist in der regel contrahiert aus einem, an
zwei stellen aber (56, 44 und 59, 7) kann eim nur für den dat.
sg. des Personalpronomens, also ihm, stehn. diese form aber kann
von dem Pfälzer Hock nach seinem ganzen übrigen Sprachgebrauch
nicht geschrieben worden sein; die muss ihm einer in den text
eingeschwärzt haben, vermutlich wird auch das in der ofBzin
des druckers geschehen sein, eim für ihm aber ist, wie mich
Ferdinand Wrede belehrt, schlesisch, genauer mittelschlesisch. die
grenzen seines bereichs sind heute diese: im norden werden
Trebschen und Rothenburg nicht mehr mit eingeschlossen, gegen w.
ist der Bober von Naumburg bis Sprottau scheide, gegen sw. und s.
werden von der grenze Primkenau und Lüben noch ein-, Parchwitz,
Neumarkt, Breslau, Hundsfeld, Festenburg soeben ausgeschlossen.
Nach diesen vier gruppen von beobachtungen, die sich ver-
mutlich noch vermehren lassen, unterligt es wol keinem zweifei,
dass wir den drucker des ^Blumenfeldts' durchaus nicht in Böhmen,
sondern in Schlesien zu suchen haben und dass die Schlussbe-
merkung Gedruckt zur Lignitz ganz ernst gemeint ist.
Damit sind wir aber schon aus der blofsen betrachtung des
^ die zasatzstrophe von cap. 34 möchte ESchröder sehr ansprechend
für die ioschrift aus einem rathause halten, die möglicherweise noch heute
nachzuweisen ist. > das wort Prack 5, 38 scheint mir nur auf einem
lesefehler des setzers zu beruhen, sodass es statt aller Prack kumeter viel-
mehr aller Pracklik mutter heifsen mäste.
306 KOCH THBOBALD HOCK SCH0ENE8 BLDMENPKLD
textes in die einleitung hiDeiDgeraten und müssen uns auch diesen
teil der leistung Kochs ansehen, vielleicht dass wir hier günstiger
urteilen können.
K. tut sich etwas darauf zugute, dem dichter seine richtige
namensform widergegeben zu haben, JJoefc statt JSUdir.* ihm selbst
ist diese berichtigung offenbar erst spät aufgegangen; so lange
er am text druckte, hat er die bogen noch immer bezeichnen
lassen mit der namenform Hock, selbst noch s. 129. ist nun
Hock würklich die richtigere lesung? ich glaube nicht, allerdings
in der mehrzahl der fölle nennt sich und wird der dichter
Hock genannt; aber das geschieht immer erst seit seiner Über-
siedlung nach Böhmen^ wo man ihm seinen namen mag umge-
staltet haben, gerade so wie es Göschen in England ergangen ist.
ausschlaggebend scheint mir vielmehr das titelblatt der einzigen
gedichtsammlung Höcks, wo der dichter seinen namen ana-
grammatisch verändert, hätte er sich würklich Hock gesprochen,
so würde er seinen namen etwa in Koch oder dgl. umgestaltet
haben; er anagraphiert ihn aber zu Öckh. das sagt genügt.
Die biographie Höcks, wie wir ihn nur getrost weiter nennen
mögen, ist relativ der beste teil von Kochs arbeit aber das will
noch nicht viel sagen, nachlässig genug ist sie noch immer,
gleich der erste satz ist so recht bezeichnend : *Theobald Hock ist
nach seiner eignen angäbe im 6 gedichteam Sonntag den lOaugust
1573 geboren, aber das sprichwörtliche glück der Sonntagskinder
hat ihm nicht standgehalten', ja, allerdings, von diesem ^sonntag
den 10 august 1573' hat er gesprochen, entweder aus dichtereitel-
keit oder um seinem künftigen biographen eine nase zu drehn.
der 10 august 1573 war aber nach neuem Stil, der für einen
Protestanten natürlich nicht in frage kommt, ein freitag und nach
altem stil ein montag. was nun?
Die quellen zur lebensgeschichte Höcks hat K. vermehrt, was
wir dankbar anerkennen, wenn er aber s. xiv anm. 1 im Bern-
burger (jetzt wol Zerbster) archiv hs.liches material vermutet, so
hätte er das wichtigste daraus gedruckt finden können in den
Briefen und akten zur geschichte des dreifsigjährigen krieges.
München 1870. hier bringt ua. der 1 bd. (die* gründung der
Union 1598—1608, bearb. von Moriz Ritter) s. 590f nr 489 aus-
^ auf mein befragen schreibt mir ESchröder : *der eigenname Höek
kann verschiedener herkunft sein : entweder ist er — Heek^ nnd dies ■»
*Am heck*, *An der heck(e)', wie ja die eigennameo Bach, Berg nsw. fär
*Am bach' usw. stehn <der Übergang ^ > ö ist derselbe wie in Sckröck^
locken usw.); oder aber er ist — Hock und bedeutet den höcker, höker,
vorkosthandler. das erstere ist wol das häufigere; im Marburger, Frankfurter,
Wiesbadener adressbuch haben wir alle drei : Heck, Hock, Hock neben ein-
ander, die namen sind offenbar am Mittelrhein sehr hanfig, insbesoiidre aber
Heck, Hock, wenn die form Hock auch nur ein einziges mal xuveriissig be-
leugt wäre, so würde sie doch als die mafsgebende zu betrachten ond ßoek
eben nur eine graphische Variante sein, das anagramm Öekh entscheidet
unbedingt'.
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENES BLUMBNFELD 307
führliche künde über HOcks gesantschaft nach Heidelberg im jähre
1607, bei der er auch beziehungen zu Marquard Freher anknüpfte
(vgl. die dedicatio zu Frehers ausgäbe von Cosmae Pragensis
Chronicae Bohemorum Libri in. Hanoviae 1607).
Was weiter die meinung K.s s. xxxv anlangt, Peter Wock
vRosenberg sei durch einfluss seiner gemahlin zu den Pikkarditen
übergetreten, so scheint es doch (nach Balbinus, Miscelianea Histo-
rica Regni Bohemiae. dec. i, lib. iii pag. 179), als ob er schon
vor seiner Verheiratung Calvinist geworden sei, veranlasst durch
Theodor Beza, 'quem Genevae audierat'. derselbe Balbinus ist
auch der gewSlhrsmann für jene beschuldigung Bileks, von der
K. 8. xxxiii, anm. 1 spricht. Balbinus erzählt s. 193, er habe
1657 als gast auf schloss Trebona gewohnt, das wegen nächt-
lichen spukes verrufen sei. es gehe dort nämlich nach der aus-
sage vieler ein gespenst um, da« irgend eine öffentliche Urkunde
zu suchen scheine und nicht finden könne, er, Balbinus, selber
habe das gerücht bestätigt gefunden und führe zur erklärung der
geislererscheinun^ an : Quid iflud fpectri fit, divinare non poffum ;
feio id tantum: Theobaldum Hock, et Wenceslaum Brzezan {quorum
nie Familiae Rofenbergicae d Secretis confüijs diu fuit, hie ab
Epiftolis fcribendis) cum falfum guoddam inftrumentum {ut dicunt)
confeciffent^ et fallacibus figillis muniviffent (quo inftrumento tota
Rofenbergicae Domüs haereditas ad Ssvvambergico$, velut ex pacto
vetere devolvebatur) jubente Caefare Rudolfo, velut falfarios {funt
tarnen, qui innocentes fuiffe fcHpferint» ac revera pactum g'usmodi
interceffiffe dicunt) damnatos Theobaldus Pragae, ut narrat
Carafa carceribus claufus, omnia pro ejus liberatione moventibus
h^reticis, magnis fnotibus poflea cauffam dedit, (die stelle, auf
die sich Balbinus bezieht, findet man in 'Caroli Carafa Episcopi
Aversani Commentaria de Germania sacra restaurata. Colonia
Agripp. 1639. p. 58). übrigens ergibt sich aus der Spukge-
schichte, dass K. mit seiner Vermutung s. xli recht habe: Hock
ist nicht erst nach 1658, sondern vor 1657 gestorben, weil er
damals schon als gespenst umging. —
Doch ist es zeit, zu dem wichtigsten teil der K.schen An-
leitung überzugehn. dass es mit der philologie im engern sinne
bei ihm nicht zum besten bestellt ^el^ haben wir zur genüge ge-
sehen, aber die * vergleich ende Litte rat urgeschichie^ war doch bisher
«ein liebster tuoitnelpliitz; den liüerarischeo austausch unter den
volkern hatte er sich zu besondrem sludium erwablL so dürfen
wir denn erwarten, dass er uns über die beziehuogen HOcks zu
der liUeraiur fremder tialionen fi^^b*' i^elehren wird* wir wollen
ä=elin.
Auf seile xtui erürlert Ko- erhältnis Hockg zu den
Griechen und ROnierit. da beii« - <4 Vergil wird nr 28 [soll
heifseu: äS] v, 10 ein cital ger^ meint damit die worte:
Qui mihi <>' /^jIm ßl i^o^^m^- "^ - chates. allerdings, der
^
\
308 KOCH TBEOBALD HOCK SCHOBiNES BLUMENPBLO
fidus Achates stammt aus Vergil, zwar wol nicht, wie K. meint,
aus Aen. i 188 (fidus quae tela gerthat Achates)^ sondern vielmehr
aus VI 1 58 r (eilt fidus Achates it comes). damit ist aber auch die
enllehnuDg aus Vergil schon zu ende; das weitere ist weder nach
form noch inhalt von dort inspiriert, sondern wird durch Horaz
Garm. ii 10, 13 angeregt sein: Sperat infestis, metuit seeundis.
hier haben wir das gleiche fehlen des Wortes rebuSp den gleichen
seltnen gegensatz von infestis (so ist zu lesen, nicht, wie K. druckt,
in festis) und seeundis. dass Hock diese ode des Horaz wUrklich
gekannt hat, wird später noch durch eine weitere entlehnung be-
wiesen, überhaupt sind die, vielleicht von HOck selbst herrühren-
den, mangelhaften lateinischen fragmente, die in das gedieht nr 38
eingelegt sind und die K. bei der numerierung der verse nicht
hätte mitzählen dürfen, von Horaz beeinflust* die Zeilen Me dies
omnis memorem videbit Si vel nebulis apacum, Me latus mundi
teneat, vel igni Perpete flagrans gehn zurück auf Horaz Carm. i
22, 19 f: Quod latus mundi nebulae malusque Juppiter urgu^.
Auf der gleichen s. xuii f^hrt K. fort: ^während in nr 52
V. 14 ein vergilscher vers (gutta cavat lapidem non vi sei semper
cadendo) frei übersetzt ist', dieser 'vers' ist überhaupt kein vers.
K. will uns doch nicht glauben machen, dass Vergil jemals solche
haarsträubende metrische Schnitzer wie semper cadendo sich habe
zu schulden kommen lassen. Giordano Bruno hatte 1582 in seinem
'Candelaio' doch wenigstens metrisch richtig gesagt: Gutta cavat
lapidem nan vi, sed saepe cadendo. aber auch er ist nicht der
Verfasser dieses verses, der sich vielmehr als ein im mittelalter
verbreitetes Sprichwort erweist und dessen erste hälfte zurückgeht
auf Ovid ex Pento iv 10, 5: Gutta cavat lapidem, consumitur anulus
usu Atteritur pressa vomer aduncus humo. aus dieser stelle aber
ist bei HOck nicht nur nr 52 v. 14 (ein tropffen Regn durchgrabt
ein Fehs) geflossen, sondern auch v. 11 ff (Den Rfsenn Pflug^ die
Er dt gar gnug, Alls rogel gleich vnd Sumpffig, So machte jhn doch
gar stumpffig) und v. 2tf (Durch stetten brauch, hitUragn wirdt
auch Ein Ring von Stein vnd Eysen).
Weiter belehrt uns dieselbe s. xLm: ^aus Senecas Hedea wird
in nr 57 v. U eine Wendung benützt'. Koch meint die Strophe:
Also Medea sagt, das gut ich spüre, Sieh^ merck vnd hir, für gut
ichs auch probiere^ Noch lust mich so vermessen^ Noch ergr
in fressen (vgl. meine verbessrung bei den coojecturen) Kans
nicht vergessen, es wäre zwar hübsch gewesen, wenn der
gelehrte forscher als resultat seiner Studien uns das Senecacitat
auch mitgeteilt hätte; ist aber doch begreiflich, dass ers unter-
lassen hat. denn die deutschen verse gehn in Wahrheit auf Ovids
metamorphosen zurück, wo 7, 19fif Medea sagt: Sed gravat in-
vitam nova vis, aliudque capido^ Mens aliud suadet. video me-
liora proboque, deteriora sequor. HOck hat zwar das einfache
Video proboque zu den functionen aller fünf sinne erweitert:
KOCH THEOBALD HOCK SCHOENCS BLUMEMFBLD 309
spüre, sieh, merck, hbr^ probiere; deoDoch ist der lateinische Wort-
laut klar zu erkenneD^ weno das proho naiv durch probiere^ das
deteriora durch erger widergegeben wird, und ?or allem, wenn
in der nächsten Strophe, wenig zu dem sonstigen inhalt des ge-
dichts passend, das Ovidische aliudque cupido^ mens aliud suadet
seinen nachhali findet in den worten : Begirdt dich zeucht
Vemunfft dich hell. Hock konnte mit der einfachen einleitung
Also Medea sagt gar keine andere stelle citieren, als die berühmten
lateinischen worte; denn die verse 1078 ff aus der ^Medea' des
Euripides^ an die Ovid sich anlehnt, dürfte er schwerlich gekannt
haben.
Kehren wir wider zu unserer s. xliii zurück, dort heifst es
im text weiter : *in dem gedieht Venus vnd Mars gehirn zusammen
(nr 25) ist wol eine anspielung auf den achten gesang der Odyssee
enthalten, doch braucht sie ebensowenig wie die erwähnung des
bettlers Irus 78 str. 3 und die von Ulysses 6 str. 10 und 29 str. 5
auf Vertrautheit mit dem original zu beruhen, von dem Hocks verse
über Kirkes rückverwandlung der verzauberten geführten des
Ulysses der tendenz des gedichtes gemäfs abweichen', immerhin
leitet doch Koch, auch wenn er tiefere Vertrautheit HOcks mit dem
Homer leugnet, die anspielungen auf den Irus (cap. 78 v. 17f:
Hient bistu Croesus eben, Vnd morgen fr& der Irus gleich dergegen)
und die Kirke (cap. 29 v. 25 — 30: Drumb niembt sich auch ver-
wunder, Das Circe den Thiem eben, Älß sie Ulysses bat widrumb
jetzunder, Die Menfchlich gstalt wolt geben, Vnd sie nit gwilt,
weil sie das elendt wesen, GschrSckt, drin sie vor sein gwesen) aus
der Odyssee ab. wie stehts aber in Wahrheit? der gegensatz
Croesus — Irus ist im altertum sprichwörtlich, vgl. Properz w 5, 17,
Martial v 39, 8f; Höcks unmittelbares vorbild aber war Ovid Tristia
III 7, 41 f: Nempe dat id cuicumqae libet fortuna rapitque, Irus et
est subito, qui modo Croesus erat, die Kirkestelle aber geht direct
oder indirect zurück auf Plutarchs dialog rgvilog, Ttegl tov
TU akoya loyq» XQV^^^' ^^'*^° bittet Odysseus die Kirke. ihm
seine gefährten wider in menschen zurückzuverwandeln; sie will dies
tun, wenn die geführten selbst damit einverstanden sind. Gryllos
allein widersetzt sich und entwickelt in längrer rede, dass das
leben als scliwein dem leben als mensch bei weitem vorzuziehn
sei. [beiläufig sei bemerkt, dass die worte, die den Irusverseo
in cap. 78 unmittelbar vorausgehn (Die Windt vnd sWetter mechtig
Die höchsten Thier vnd Baimb vmbstürtzt so prechtig), wol von
Horaz Carm. ii 10,9 — 12 angeregt sind: Saepius ventis agitatur
ingetis Pinus et celsae graviore casu Decidunt turres feriuntque
summos Fulgura montes. alle einzelheiten finden sich wider:
Baimb=pinus, Windt ^=^ ventis, Wettert:^fulgura, höchsten ^^ celsae,
vmbstürtzt = decidunt. dann aber ligt es nahe, für Thier zu con-
jicieren: Thürn r=s turres].
Aber unsere s. xliii ist unerschöpflich; es heifst weiter bei
310 KOCH TUBOBALD HOCK SCHOBNES BLUMBNPKLD
Koch: ^alle diese geschichtCD gehörten ebenso wie die klugheits-
regeln Catos (nr 33 und 56 v. 41) schon der mittelalterlichen Ober-
liefrung yom altertume an', diese werte von den ^Uagheitsregeln
Catos' muss jeder kenner mittelalterlicher litleratur dabin deuten,
dass K. behauptet, die beiden citierten gedichte seien abhängig
von den Disticba Catonis. ich vermag aber bei HOck nichts von
solcher entlehnung zu spüren, und unser gewahrsmann bleibt
denn auch wider vorsichtig den beweis schuldig, die Wahrheit
ist, dass beide steilen aus Plutarchs Catobiographie geschöpft sind,
und zwar die verse 56, 41fr direct; sie sind eine widergabe de^
oft citierten sattes ^^a^e/roy fiiv kari ngog yaariga Uyeiw
(ata ovY. exovaav. daraus erhellt wol auch zur genüge, dass
meine oben mitgeteilte conjectur, man habe Bauch statt Brauch
zu lesen, richtig ist. die andre entlehnung, nämlich die des motivs
von cap. 32, ist nur als eine indirecte aufzufassen, bei Plotarch
findet sich der erste anstofs; dort erzählt (editio Didotiana,
Vitae 407, 42) Cato, er habe drei dinge in seinem leben zu be-
reuen gehabt, von diesen drei stücken berührt sich jedoch nur
eins mit einer der Warnungen bei Theobald HOck (offenbare deinem
weih kein geheimnis). das motiv aber von den drei lehren hat
sich durch das mittelalter in mannichfachen kreuzungen weiter
ausgebildet (vgl. AMussafia WSB., phiL-hist. cl.,64,597ff; RKOhler
GGA 1871 s. 124 fl). sowol vereinzelt, wie combiniert mit fremden
dementen, auch über die dreizahl hinaus vermehrt finden wir die
lebensregeln weit verbreitet, bis sie endlich bei Hans Sachs (Bibl.
d. litt. ver. 149, s. 52) aus dem munde des sterbenden ritters
Sophus schon fast so klingen wie bei HOck. völlig decken sie
sich inhaltlich mit seiner fassung in einer hs. der Ambrosiana
aus dem 15 jh., ed. Cerioni im Propognatore 2,401, nur dass
hier die lehren in einem buche gefunden werden, den letzten
schritt endlich, mit dem der rundlauf sich schliefst, tut der Livre
du Chevalier de la Tour Landry, ed. A. de Hontaigion, Paris 1864.
hier gibt Cato die drei lehren seinem söhne Catonnet. aber auch
dieses buch dürfte noch immer nicht die directe vorläge Höcks
gewesen sein ; vielmehr haben wir sie mit höchster Wahrscheinlich-
keit in jener sehr beliebt gewesenen Egenolphischen sprichwörter-
sammlung zu sehen, die Goedeke n* 15 citiert: ^Sprichwörter,
Schöne Weise Klügredenn' (ich citiere nach der ausgäbe von 1552).
der anonyme compilator fügt jedem Sprichwort eine ^gemeyne
Außlegung' bei, die oft in einer würkiichen erklärung, oft in einer
reihe von parallelsprüchen, bisweilen auch in beweisenden anek-
doten besteht, und so erzählt er denn auch s. 114* bei gelegen-
heit des satzes ^Emem weib fage nichts heymUdis, damn fit k(hmmi
nidu fchweigm* die lange geschichte, die der ritter vom Thnm
seinen fünf töchtern vorgetragen habe, um sie vor der schwatz-
haftigkeit zu warnen, sie beginnt: j^^ ift gewifm su Rhom ein
alter weifer man, Cato genant, Difer hat feinen fan, dm jungen
KOCH TUEOBALD HOCK SCHOBNES BLOMBNFELO 31t
Catonem^ an feinem todtheth zu fich gefordert, vnd gefagt : 'Li^er
fon, ich lige hie vnd werd fterhen, darumm wil ich dir, ab dem
der mein gut vnnd ehr erben fol, drei leer geben, Wo du die halten
wirft, fo Wirt es dir in allen dingen glückfelig ergehn. Für das
erft, foltu dich in keines herren dienft begeben, der dein zu leib
vnd gut mechtig ist. Zum andern, wann du ein weib überkompft,
dem folt du nichts heymlichs vertrawen, du habest dann zuuor er^
faren, daß fie fchweigen künde. Dann ob es wol feUzam ift,
fchweigen vnder den weibem, fo findet mann doch auch weiber die
fchweigen künnen. Zum dritten, foUu keinen dieb vom galgen,
oder einen andern übelthäter vom tod bitten'.
Ein letztes oial noch kehren wir zu unsrer s. xliu der K.scbeD
einleitung zurück und finden die aufserordentUch tief dringende
bemerkung: ^nr 85 erzählt aus dem kreise der sieben weisen',
der satz ist nicht zu widerlegen, aber wir hätten Ober nr 85
gern etwas mehr erfahren, denn in diesem interessanten, wenn
auch traurig mifsratnen gedichte erkennen wir einmal die arbeits-
weise Höcks und sehen, wie der arme poet sich abquält, auch
hier fufst er auf Plutarch, und zwar auf dem anmutigen 2vfX7t6aiov
TÜv ima aoqxiv (Plut. Moralia rec. GNBernardakis i 375). die
Zusammenstellung zeigt es klar.
Der (nämlich Blas) hat es anderft weite,
Aufiglegt vnd gfagt darbey,
Das eldeft nicht die zeite, ii n^acßvrarov;
Sondern allein Gott fey^ d'eve'
Denn der ift auch geboren nie, ayswtjvov ■ yaQ iart.
Das grhft fey nicht die ff^elt allhie, xi /Mytffvov;
Sondern das Ort, dWelt hell in jhr ronos' xaXla fiw yä(f 6 HOCftos,
All ding das Ort hell fie darfür, %ov da %6cfiov ovxos ntQtexsi.
Das witzigefl auff Erden xi cotpa>xa%w\ (hier hat H. die
Sey nicht die Warheit klar, reiheofolge velräodert.)
Sondern die zeit thuts werden, x^ovos'
Dann ße erfindt fürwar.
Allzeit was news, das fchhneft fey
D/icht sLiecht, fondem der ff^elt Gebey, K6a/ioe'
Dann alls was drin ift fchon mit heil, nav ya^ x6 xaxa Tctfiv
Das ift von jhr ein ftuck vnd theit. xovxov fu'^os iaxl.
Fürs gmaineft nicht ver flehet xl xotvoxaxov; [ov fitiv avS* o d'a-
Den Todt,^ den[n] gwißUch er vaxoi xoivoxaxor iaxtv*
Die lebndign an nicht gehet, ov ya^ iaxi n^Q xovs ^cJt^as,
Sonderm die Hoffnung mehr, aXV] ikniQ'
Dann wann verlorn feyn alle ding, u<U ya^ oU alXo fiujdäv.
So bleibt die Hoffnung doch fo ring, avxn na^eart.
Das nutzliche ft fey vberall, xi oKpeXifACJxaxov;
Die Tugendt die in manch mal: [?] a^exi^- xal ya^
Das Fnnutz IVulz kan machen, xäXXa xf x^i^ß^^* xaXcSs
Mit jhren rechten brauch axpihfia noUi,
Das fchädtlicheft der fachen, xi ßXaßsQCuxaxov;
Sey nit der Teuffei auch.
Denn er den frommen fchadn nit kan,
XPOVOQ' ^ ^ . j
xa uav yaQ ev^itar ovxo£ ^Stj,
xa o* av^rjaat. xi noXXufxop;
312 KOCH TUEOBALD HOCK 8CH0BNB8 BLUMBNFELD
Sondern die Boßheit jederman hokUl* hcU yaQ
Thut fchadn allding verderbt fo fchw&r, ra nXetara ßldnt§$ na^ayero-
Das gut auch felbft oft bringt in gf&hr. fUvrj.
Das flerckeft wir nit künnen rl Uixu((9taxov\
Nennen das GHlck dieweil
So vnftet es thut rinnen^ {ov ya(f av fmiiuntt
fFie fFafPer, Fewr vnd Pfeil^ htifiim ovTmi\
Sondern die noth, recht wie man fpricht, ävayKij '
Die noth fucht Brodtj vnd Eyfen bricht^ fwvoy yaQ apixifrov, hxL
Der wollupt kan nit fein allein^
Das leichte fl wie man mainl in gmain.
Aus diesen zusammenstelluDgen ersieht man quo wol, wie
sehr K. unrecht bat mit seiner behauptung (s. XLni), HOck habe
'besondere gelehrte kenntnisse' nicht aufzuweiseD. im gegenteil,
wenn K. nicht überall bei aufdeckung antiker einflösse an die
unrechten stellen getappt hätte, so wäre er wol zu anderm resultat
gelangt, immerhin aber ist er doch noch der ansieht, die reminis-
cenzen an die antike seien 'viel zahlreicher' (s. XLni) als die
biblischen anklänge, auch das ist falsch und am schnellsten zu
widerlegen, wenn icb^ auch ohne den Wortlaut der heiligen schrift
zu citieren, doch eine liste der entlehnungen aufstelle. HOck s. 1
Motto: Ps. 94, 15; H. 2, 2: 1 Petr. 1,9; H. 1, 24: Ebr. 10,33;
H. 1,38: 1 Petr. 1, 24 (vielleicht auch Jes. 40,6); H. 5,6:
1 Thess. 5, 21 (?); H. 5, 18 : Matth. 13, 30; H. 6, 31 : Mattb. 1, 11 ;
H. 6,39: Matth. 22,37; H. 6,77: Ps. 38,10; H. 6,83: Rom. 12,19;
H. 9 überschria: Weish. 2, 1; H. 9,1: Weish. 7,18; H. 9,10:
Sir. 17,31; H. 9,17: Ps. 90, 10; H. 10,28: 2 Cor. 6,7; H. 12,14:
Sir. 10, 7; H. 12, 21: Ps. 90, 10; H. 12, 25: Ps. 90, 12; H. 14, 1 flf:
1. Cor. 13, 11; H. 15, 1: Ps. 94, 15; H. 15, 4: OBfb. 19, 2;
H. 15, 16(T: 1 Cor. 10,13; H. 16 Überschrift: Ps.90,12; H. 16,lff:
Joh. 8, 51f; H. 16,7: Luc. 10,27; H. 16, 14: Luc, 10, 28;
H. 16, 16: Ps. 90, 12; H. 16, 21: 1 Tim. 1, 15; H. 16,31:
Jac. 4, 14; iL 16, 39: Hiob 1, 21 und Pred. 5, 14; H. 16, 41 ff:
Ps. 39, 6 und 12; H. 16, 47 : Apost. 8, 18 ff; H. 16, 51 : Apost. 9, 5;
H. 17,21 : Ps. 118, 8; H.20, Iff: Jer. 9, 23; H. 20, 14: Luc. 16,9;
H. 20, 34 f: Rom. 3, 24; H. 26, 19: Hiob 7, 7; H. 28, 4f:
Matth. 6,24; H. 28,27: Luc. 16,9; H. 36,25: Ps. 90,12;
H. 40, 31f: 2 Petr. 2,9; H. 40, 35: Rom. 2,4; H. 43, 28 ff:
Hiob 4, 21; H. 51, 46f: Ephes. 4, 4f; (damit ist auch die von
mir vorgeschlagene correctur des zwo Seel in ein Sed begründet);
H. 53, 9, 19,21 : Spr.Sal. 30, 25, 30, 28; H. 53, 13 ff: Matth. 10, 16;
H. 56, 55: Spr. Sal. 22, 14 und 23, 27; H. 58, 3f: Matth. 6, 34;
H. 59, 4ff: Sir. 11, 14; H. 66,29; Luc. 16,31; H. 66, 41ff:
Luc. 21, 25; H. 66, 49: Matth. 13, 43; H. 66,59: Luc 18, 25;
H. 78, 12: Ps, 113,6 und 138,6; H. 78,20: Matth. 11,29;
H. 78,21: Ps. 113,5; H. 78,30: Luc. 1,46 (allerdings nur
nach der Vulgata); H. 78, 35 f: Spr. Sal. 16, 18.
Man sieht, dass die reihe erheblich viel länger ist, als es K.
KOCH THBOBALD HOCK SCH0ENB8 BLUMENFBLD 313
in den 3 Zeilen s. XLiif ahnen lässl. er hat auch dies problem
nur obenhin gestreift und dann voreilige Schlüsse gezogen, aufser-
dem mag er sich die zahl der in frage kommenden citate noch
dadurch vermindert haben, dass er einige bibelsprOche für Sprich-
wörter hielt, wenigstens ist es ihm s. lii, z. 10 so ergangen
bei dem citat: HOck 9 v. 17. sonst ist die dort gemachte beob-
achtung richtig: Hock greift gern in den Spruchschatz des Volkes,
nur hat K. auch diese anregung zu seinem schaden nicht weiter
verfolgt und sich vor allem gar nicht die frage vorgelegt, ob HOck
wol aus einer bestimmten quelle wenigstens einen teil seiner Volks-
tümlichen redensarten' geschöpft habe und ob sich daraus der ganz
besondre Wortlaut bei ihm erklären lasse, man kann auch hier
zu viel besseren ergebnissen gelangen, als K. sie s. lii, z. 8 — 12
vorlegt.
Es unterligt keinem zweifei, dass Hock viel den ^Dicleria
proverbialia rbythmica doctrinam ethicam complectentia' von Andreas
Gärtner verdankt, die ebenso wie jene früher erwähnte sprich-
wörtersammlung bei Cgenolph in Frankfurt erschienen ist. dieses
buch enthält nämlich nicht nur landläufige deutsche Sprichwörter
nebst ihrer lateinischen Übersetzung, sondern auch lateinische
Sentenzen und deren ofi sehr freie Übertragung ins deutsche, und
von diesen letzleren, die natürlich nicht gemeingut des Volkes ge-
wesen sein können, hat Hock eine ganze reihe für seine gedichte
verwertet, ist es schon auffällig, wenn wir durch den vers Et
toga fit talis, si ventus fit borealis (G. p. 114^ nach der ausgäbe
von 1591) lebhaft erinnert werden an die von der landläufigen
form (cf. Hock 24, 13 den Rock nach dem Wind kheren) abweichende
fassung des bekannten Sprichworts in Höcks versen 39, 19f Doch
muß er baldt, gegm Wetter kalt, Sein Mantel allzeit kehren, so
dürfte die ähnlichkeit zwischen der Übersetzung von Curia Romana
non quaerit ouem sine lana (G. p. 17') Ein armer Gesell kan
schwerlich zu groffen Ehren vnd Wirden kommen, wann er nicht
zu geben hat und Hock 39, 1 — 5 noch weniger auf Zufall beruhen,
weil es sich bei dieser Übersetzung überhaupt um kein Sprichwort
handelt. — ebenso beweiskräftig ist die Übereinstimmung der verse
Höcks 12, llf {Deins Nächften Vnglück dich nit frey, Denk das
auch deines blüet darbey) mit den Gartnerschen Sentenzen auf
p. 69' und 116': Si videas, aliquem casurum, siue cadentem, Non
ride, at potius gere te sibi compatientem; Wer fich eines andern
Vnglicks oder Falls freuwet vnd nicht viel mehr mitleiden mit jm
hat, dem stehet fein eigen verderb vnd blilhet und Vae tibi ridenti,
nam mox post gaudia flebis: Wer fich eins andern Vnglücks freuwet,
dem ftehet fein eigens offen vnd blüet. — noch überzeugender ist
der Zusammenhang von Höcks 75 gedieht und den versen bei
Gärtner p. 120'': Tu supplex ora, tu protege, tuque labora (Hock
75, 79 f Der Pfaff bett fchier, der Fürft regier, der Eawr baws
Landt): Drey Orden hat Gott gerichtet an, Priester, Regenten vnd
A. F. D. A. XXVI. 21
322 CONSENTIUS EIN AUFSATZ LESSINOS IM WAHRSAGEB
das wort 'Naturalist\ das der Verfasser des aufsalzes im ^Wahr-
sager' an dieser stelle vor allen andern hätte Dennen müssen.
Dagegen flnden sich auch in diesem aufsatze der beliebte
lessingische ausdruck Zsit genug und das wort seMägefand. aber
jener ausdruck ist keineswegs, wie C. vermuten möchte, die
sichre marke, an der man Lessings band erkennen kann; er
kommt (nach Sanders) unter anderm bei Rabener, Herder, Forster,
Müllner, Anton Wall vor. das wort scUägefaul hingegen ver-
wertete Lessing zwar gerade um jene zeit, da er im engen ver-
kehr mit Mylius stand, 1750 zweimal in der Übersetzung der Ge-
fangenen des Plautus (lu 1. v 1); aber der im 17 jb. mehrfach
(bei Coler, Opitz, Logau, Slieler) begegnende ausdruck war da-
mals gewis auch bei andern als bei Lessing noch vereinzelt im
gebrauche : keinesfalls wenigstens kann dieses einzige wort als
ein kräftiger beweis für Lessings Urheberschaft gelten.
Gegen sie scheint der umstand zu sprechen, dass in unserm
aufsatze am Schlüsse der nebensätze die hilfszeitwOrter niemals
gestrichen sind, in seinen spätem Schriften liefs sie Lessing bei-
nahe regelmäfsig weg. auch in den recensionen aus den jähren
1748 und 1749 fehlen sie schon recht oft. dagegen stebn sie
vollzählich in den beitragen zum Naturforscher von 1747 und sehr
häufig in den briefen von 1749 und 1750, sodass man für diese
frühzeit Lessings aus ihrem Vorhandensein oder fehlen kaum et-
was mit Sicherheit schliefsen kann, wohl aber mutet uns in dem
aufsatze des Wahrsagers die nüchternheit der ganzen Schreibweise,
die klägliche armut an bildlichen ausdrücken, der völlige mangel
an antithetischen Wendungen/ die schulmeisterliche gliederung mit
ihren verschiedenen Unterabteilungen und besonders auch die
Schwerfälligkeit der satzbildung, das unbeholfene einschieben und
anhängen mehrfacher nebensätze so unlessingisch wie möglich an.
und selbst der persönliche ton, der unsern aufsatz von den übrigen
stücken des Wahrsagers unterscheidet, hat mit jenem tone, der
uns aus den gleichzeitigen briefen Lessings entgegenklingt, sehr
wenig gemein, in unserm aufsatz verrät sich der persönliche an-
teil des Verfassers an den fragen, die er behandelt, fast nur durch
einzelne kräftige Scheltwörter; in jenen briefen hingegen und in
den übrigen echten Schriftstücken Lessings gibt sich die erregung
und persönliche teilnähme des schreibenden vornehmlich in der
Satzbildung kund.
Aus allen diesen gründen glaub ich den von C. aus der Ver-
gessenheit hervorgezogenen aufsatz Lessing absprechen zu müssen,
ein mathematischer beweis lässt sich ja weder für noch gegen
Lessings Urheberschaft führen; ein gut teil der entscheidung wird
hier immer dem gefühl des mit Lessings Schriften vertrauten kri-
tikers überlassen bleiben müssen, dieses gefühl sträubte sich in
mir immer wider gegen die echtheit des aufsatzes, so oft ich ihn
auch nach längeren pausen von neuem las. dass auch die gröfsere
COISSENTIUS EIN AUFSATZ LESSIN6S IM WAHRSAGER 323
wahrscheinlicbkeit gegen jene ecblheit spricht, geht wol aus der
obigen prüfung des einzelnen hervor. C. verweist auch fOr zwei
gedichte im Wahrsager auf Lessing (s. 42). da mir die Wochen-
schrift mit dem Wortlaut dieser gedichte nicht vorligt, kann ich
üher die Vermutung nichts sagen, ich weifs nur, dass mir, als
ich vor fünfzehn jähren den Wahrsager seite für seite durch-
suchte, das lessingische gepräge nirgends auf versen oder prosa-
stücken entgegenleuchlete, wie es ja auch keiner, der sich vor
mir derselben mühe unterzog, hatte bemerken können.
München, 28 märz 1900. Franz Muncker.
L. RousTAN, Lenau et son temps. Paris, Gerf, 1898. viii und 368 ss. 8^
Seit dem grundlegenden werk von Schurz ist kaum mehr
ein buch über Lenau erschienen, das sich an äufserem umfang
mit der vorliegenden französischen dissertation messen kann; es
möge auch gleich unverholen der meinung ausdruck gegeben
werden, dass der innere wert dieser darstellung sie zu der besten
unter allen gegenwärtig existierenden macht, ein enormer fleifs
ward zu ihrer Vollendung aufgewendet: wie aus einer gelegent-
lichen bemerkung (s. 329) hervorgeht, hatte der autor bereits zu
beginn des deceuniums persönliche Verbindungen mit allen den-
jenigen, die zu Lenau in naher beziehung standen und eventuell
über unediertes verfügen konnten; er gieng in Deutschland und
Österreich den spuren seines dichters nach und teilt als fruchte
dieser bemühungen etliches ungedruckte mit, Varianten zu be-
kannten stellen, tagebuchnotizen, aufzeichnungen aus der zeit des
irrsinns, als bedeutendstes stück das fragment eines an die mutter
gerichteten, keineswegs wertlosen gedichtes (s. 236). zu bedauern
bleibt, dass einige dieser ungedruckten stücke nur in französischer
Übersetzung gegeben sind, freilich nicht gerade bedeutende, in
diesem geringen neuen material ligt auch gar nicht der wert des
buches, sondern in der mit ziemlich lückenloser kenntnis des sehr
umfänglichen — seither übrigens vermehrten — materials ge-
arbeiteten darstellung.
R., der Franzose, der immerhin auch einen französischen
leserkreis vorauszusetzen scheint, rechnet dennoch auf eine ziemlich
genaue kenntnis der werke und der äufseren umstände Lenaus;
über wichtige epochen geht er kurz hinweg — manchmal gar
zu kurz, wie besonders über das Verhältnis Lenaus zu Caroline
Unger — , von den werken nimmt er nur einzelne, ihm besonders
interessante, um in eingehnder analyse das ihm charakteristisch
scheinende zu gewinnen, ohne ganz streng die chronologische
anordnung einzuhalten, zweck seiner darstellung ist es, ein bild
des geistigen Werdeganges Lenaus zu bieten und darüber hinaus
ein bild der zeit. *L' histoire de sa vie et de son oeuvre est en
m^me temps l'histoire de T^volution litt^raire de V Antriebe contem-
324 R0U8TAN LENAU ET 80N TEMPS
poraine' heifst es in der einleitung, und als motto tragt das buch den
vers Grillparzers: 'Dich hob, didi trug und dich verdarb die Zdt\
wer freilich den Grillparzerschen nachruf auf Lenau zur band
nimmt, wird bald finden, dass der vers von R. entweder misverstanden
oder etwas misbraucht wurde, denn er soll keineswegs ausdrücken,
dass Lenau wesentlich ein gescbOpf seiner zeit gewesen sei, sondern
der misanthrop Grillparzer macht es dem armen landsmann zum
Vorwurf, dass er, statt sich auf sich selbst, oder mindestens auf
Österreich zu beschränken, verführt durch wenig aufrichtige lob-
Sprüche eine allzugrofse rolle habe spielen wollen, allzusehr sich
der Öffentlichkeit preisgegeben habe und dadurch zwar über sich
selbst eine zeit lang hinausgehoben, schhefslich aber zerstört
worden sei. und würklich, bei der lectüre des buches selbst
wird man den eindruck gewinnen, dass Lenau gewis ^ein kind
seiner zeit' — selbstverständlich — , aber weit weniger organisch
aus dieser herausgewachsen war, als andere, dass er durchaus
ein pathologischer einzelfall war, bei dem die Schilderung des
allgemeinen milieus gerade weniger notwendig gewesen wäre,
die zahlreichen capitel, welche diesem zweck gewidmet sind, er-
scheinen nicht recht mit dem ganzen verbunden, sie durchbrechen
— besonders das capitel über die litteratur der Osterreichi-
schen revolution — sogar chronologisch den zusammenbang, und
so sehr die fülle der kenntnis bei einem Franzosen in erstaunen
setzen muss, hier wäre eine viel knappere darstellung auch hin-
reichend gewesen, sollte nicht R. eben durch seine umfassenden
Studien der Versuchung erlegen sein, ihre fruchte doch auch zur
schau stellen zu wollen, und eben darum den unhaltbaren begriff
einer zeit Lenaus geprägt haben? neues enthahen diese capitel
nirgends.
Weniger wird dagegen einzuwenden sein, dass R. die wurzeln
Lenaus in seiner abstammung aufsucht, er stellt die frage nach
seiner nationalilät, findet starken slavischen einschlag in ursprüng-
lich deutsches blut und leitet daraus, aus der scblesischen ber-
kunft der Niembsch, vielleicht mehr geistreich als zuverlässig ge-
wisse eigenschaften des dichters ab; er weist das magyarische
Clement zwar durch die familie der mutter nach, doch zerstört
er die romantische fabel von dem Pusztensohne Lenau » die so
unausrottbar in vielen köpfen spukt, die er leider selbst zu ver-
werten nicht verschmäht, wenn er von dem orientalischen bilder-
reichtum ^dieses Magyaren' spricht, seine spräche mit allzureich
geschmückten altungarischen waffen vergleicht usw. so trägt er
selbst dazu bei, den unabweisbaren schluss zu verdunkeln, der
sich aus seinen Untersuchungen ergibt, dass Lenau durchaus als
Deutscher zu betrachten ist, — als Deutscher schlechtweg, es ist
sehr wichtig für das Verständnis Lenaus, dass er keinem der
deutschen stamme mit Sicherheit zuzurechnen, keineswegs so
bodenständig ist, wie Grillparzer oder Hartmann und Meifsner.
ROUSTAN LENAU ET SON TEMPS 335
was ihn an Österreich knüpft, sind die vielen persönlichen be-
ziehungen und die liebe zu den Alpen; den starken localpatriotis-
mus, der durch alles nörgeln des Österreichers durchschlägt, teilt
er nicht, ihm standen zu Zeiten die Schwaben fast naher, wenn
Lenau hie und da den Magyaren spielte, etwa sich Miklos nennen
liefs, während er im familienkreise Franz — nicht Niklas — ge-
nannt wurde, so ist das in einer zeit weiter nicht auffallend, wo
man die 'interessanten' nationen des Ostens im Schimmer roman-
tischer Verklärung sah, wo es noch Philhellenen gab, indes der
Polencultus hell aufOammte. für diese Verhältnisse scheint R.
jedes Verständnis abzugehn, manche seiner behauptungen in
cap. iiv, der darstellung der 48 er revolution und ihrer lilteratur,
erbalten dadurch einen geradezu erheiternden anstrich, wie etwa
die bezeichnung Meifsners als ^allemand par ia race, mais tch^que
de naissance'.
Im weitern verlaufe der darstellung ist R. bemüht, das bild
einer geistigen enlwicklung zu geben, in der ein element un-
veränderlich bleibt, die dunkle Schwermut Lenaus, deren wurzeln
er schon in der Jugend mit ihren ewig wechselnden, meistens
aber düstern eindrücken sucht, in den unglücklichen familien-
verhällnissen, trüben lebenserfahrungen und nicht zum wenigsten
iu vererbten einflüssen. darüber hinaus sieht er in Lenau —
und darin wird ihm jedermann beipflichten — das geschöpf einer
unendlich feinen und leicht erregbaren Sensibilität, die jeden ein-
druck, besonders aber solche düsterer natur, ungemein stark em-
pGndet; eine starke phantasie lässt, verbunden mit dieser Sensi-
bilität, eine symbolische anschauungs- und ausdrucksweise zum
grundzug seiner poesie werden : seine naturbeseelung, von fast
mythenbildender kraft, erinnert R. an die ältesten, der volks-
auffassung zunächst stehnden dichter, — wobei die frage zu
stellen ist, ob nicht gerade bei diesen die persönliche natur-
empfinduug wenig ausgebildet war. gering entwickelt ist bei
Lenau der wille; er war wol noch weit schwächer, zeit seines
lebens mehr krankhaft afllciert, als R. anzunehmen scheint, wer
sich davon überzeugen will, lese Mulfingers bericht über Lenaus
amerikanischen aufenthalt im 1 bände der Americana Germanica
(1897), aus dem mit erschreckender deutlichkeit hervorgeht, dass
bereits zu dieser seiner poetischen blütezeit Lenau geistig in
keiner weise normal war. aus der Willensschwäche erklärt sich
die überall mangelnde Selbstzucht; so konnte der dichter es nie
zu einem berufe bringen, nie ein auf würklich fester, sittlicheih
grundlage ruhendes Verhältnis zu einem manne eingehn — zu
frauen zog ihn seine impulsive, bis zu einem gewissen grade naive
natur — ; so gewann er nie, was er schmerzlich genug anstrebte,
eine feste, klare weit- und lebensanschauung. denn neben der
starken phantasie macht sich in Lenaus wesen ein starker trieb
zu einem wenig zusammenhängenden denken über die letzten und
326 ROUSTAN LENAU BT SON TEMPS
böcbsten dinge geltend, er isl in hohem grade ein grübler. R.,
der selbst gern diesen deutschen ausdruck anwendet, verwechselt
diesen unruhigen drang des grüblers mit der ernsten bemühung
des denkers; er hält allen ernstes Lenau für einen tiefen Philo-
sophen, und das war der arme neurastheniker doch gewis nicht,
er, dem die ßlhigkeit^ ruhiger Überlegung immer abgieng. ge-
wis, Lenau hat sich zeitlebens viel mit philosophie abgegeben;
wer hätte dies nicht getan in der zeit, da die grofsen philoso-
phischen lehrgebäude entstanden und die studierende jugeud es
für ihre pflicht hielt, diesem oder jenem lager anzugehören?
wurde auch in Österreich nicht so eifrig philosophie getrieben
wie draufsen im reich, so gab es doch auch hier Kantianer und
Antikantianer, als Lenau noch Schulunterricht genoss, wie später
Fichte, Schelling, Hegel ihre freunde und gegner fanden. R. be-
lehrt uns über die lehrer des jungen Lenau, er berichtet uns
über seine ersten knabenhaften versuche im metaphysischen
denken, über die einflüsse eines freidenkerischen oheims und
stellt schliefslich eine ganze geschichte der philosophie seines
dichters auf. der knabe wächst in streng katholischer Umgebung
auf, wird aber in seinen Wiener Studien, in deren verlauf er sich
zunächst mit der philosophie der stoiker, dann mit Voltaire und
Kant — wol sehr oberflächlich — bekannt macht, allmählich zum
Skeptiker; die bekanntschaft mit Spinoza nähert ihn dem pan-
theismus, persönliche einflüsse der frommen schwäbischen dichter
führen ihn wider zum glauben zurück, eine Wandlung, die dann
durch Sophie und Martensen beschleunigt, ja auf die spitze ge-
trieben wird; die 40er jähre aber zeigen Lenau wider vorge-
schritten — in Roustanschem sinne — zu einer dem ^logischen
Pantheismus' Hegels genäherten anschauung, die insofern auch
den Pessimismus endlich beruhigt, als sie den dichter an einen
fortschritt des menschengeistes glauben lässt.
Diese Schwankungen sind unleugbar vorhanden, wenn auch
bei betrachtung des gesamten Lenauischen briefweclisels und der
werke sich niemals ein reiner pantheismus noch ein reiner Spiri-
tualismus, um die schlagworte R.s zu gebrauchen, nachweisen
lässt. selbst zur zeit des einflusses Martensens gibt es zweifei,
zur zeit der Albigenser aber zeigen genug briefstellen, dass Lenau
noch immer an einem persönlichen Gott festhält, was R. mit
wenig glücklichem terminus als Spiritualismus bezeichnet, es sind
eben überall persönliche momente, nicht die logik entscheidend,
wer seinen gottglauben in erster linie aus einer mystischen auf-
fassung der liebe gewinnt, dann wider in Spöttereien über kircbe
und glauben verfallt, ohne dafür eine sichre Weltanschauung zu
erringen, der hat nicht die stärke, die dem philosophen eigen
sein muss, der könnte höchstens ein roystiker werden, und vollends
die freie richtung der Albigenser, die sich doch meist in phrasen
ergehn, ist nicht aus Lenaus innerm entsprungen; gerade hier
ROUSTAN LENAD ET SON TEMPS 327
war es zeitwürkung, die Lenaus denken in neue bahnen zwang, und
gerade hier war es notwendig gewesen, dem geistigen zustand
ganz Deutschlands im beginn der 40er jähre aufmerksamkeit zu
widmen, statt sich auf Lenau zu beschränken.
Es muss wol als Wahrheit gelten, was Lenau, bereits dem
Wahnsinn verfallen, zu Cmilie sagte, dass er stets im innersten
ein Christ geblieben sei.
R. geht eben von der falschen Voraussetzung aus, Lenau sei
ein höchst subtiler denker gewesen, der schliefslich sich zu einer
der modernen auffassung gemäfsen philosophie durchgerungen
habe; er hat es nirgends hehl, dass er selbst ganz auf evolutio-
nistisch-monistischem standpunct steht, so tut er ganz dasselbe,
was nach Bauernfelds meinung einst der fromme Martensen tat,
er lässt Lenau sehr vieles sagen, was dieser gewis nicht sagen
wollte, hauptsächlich die grofsen werke, der Faust, der Savona-
rola, die Albigenser ziehen ihn an : da consiruiert er eine sehr
zweifelhafte entstehungsgeschichte des Faust, wonach der dichter
erst den beiden sich zum pantheismus habe durchringen lassen
wollen; bei der zweiten bearbeitung habe dann Lenau den Faust
der christlichen auffassung genähert; und von dieser künstlich
geschafleneu basis aus kritisiert er scharf die Widersprüche im
Faust, ganz vergessend, dass, wer sich dem teufel verschreibt,
notwendig an einen persönlichen Gott glauben muss. oder, um
die behandlung eines gedichts zu erwähnen, den Raubschützen
citiert R. sehr gern als beweis des absoluten skepticismus; das
Es ist halt nichts im munde des gespenstes soll das jenseits leugnen,
hier ligt wol der — übrigens ganz vereinzelte — fall vor, dass
R. eine halb dialektische Wendung nicht vollkommen verstanden
hat : die französische Übersetzung Ml n'y a rien' entspricht dem
deutschen satz keineswegs ganz, andre auslegungen sind aber ein-
fach aus übergrofser ^subtilität' entsprungen, ein fehler, dessen sich
R. übrigens selbst bewust ist.
Hierher gehört auch der versuch, aus einer höchst geist-
reichen Verwertung einiger briefstellen, vor allem aber der briefe,
die Sophie beim ausbruch des Wahnsinns an Emilie schrieb, die
gewisheit eines viel intimeren Verhältnisses der liebenden zu ge-
winnen, als die gewährsmänner zugeben wollen, der beweis ist
nicht erbracht : indes gerade die behandlung dieses Verhältnisses
zeugt von der scharfen psychologischen auffassung R.s und lässt
den mann erkennen, der von modernen dichtem wie gelehrten
gleichviel gelernt hat.
Damit sei auf die eingangsbehauptung zurückgegriffen, dass
diese biographie die beste vorhandene sei. sie wird in jedem
leser heftigen Widerspruch erregen : selten mit der darstellung der
tatsachen, oft genug mit der auslegung und deutung. aber über-
all wird man den ernsten forscher erkennen, überall den mann
von weitem blick und feinem geschmack : es sei in dieser hin-
326 ROUSTAN LENAU ET SON TEMPS
höchsten dinge geltend, er ist in hohem grade ein grUbler. R.,
der selbst gern diesen deutschen ausdruck anwendet, verwechselt
diesen unruhigen drang des grüblers mit der ernsten bemühung
des denkers; er hält allen ernstes Lenau für einen tiefen Philo-
sophen, und das war der arme neurastheniker doch gewis nicht,
er, dem die ßlhigkeit ruhiger tlberlegung immer abgieng. ge-
wis, Lenau hat sich zeitlebens viel mit philosophie abgegeben;
wer hätte dies nicht getan in der zeit, da die grofsen philoso-
phischen lehrgehäude entstanden und die studierende Jugend es
für ihre pflicht hielt, diesem oder jenem lager anzugehören?
wurde auch in Österreich nicht so eifrig philosophie getrieben
wie draufsen im reich, so gab es doch auch hier Kantianer und
Antikantianer, als Lenau noch Schulunterricht genoss, wie später
Fichte, Schelling, Hegel ihre freunde und gegner fanden. R. be-
lehrt uns über die lehrer des jungen Lenau, er berichtet uns
über seine ersten knabenhaften versuche im metaphysischen
denken, über die einflüsse eines freidenkerischen oheims und
stellt schliefslich eine ganze geschichte der philosophie seines
dichters auf. der knabe wächst in streng katholischer Umgebung
auf, wird aber in seinen Wiener Studien, in deren verlauf er sich
zunächst mit der philosophie der stoiker, dann mit Voltaire und
Kant — wol sehr oberflächlich — bekannt macht, allmählich zum
Skeptiker; die bekanntscbaft mit Spinoza nähert ihn dem pan-
theismus, persönliche einflüsse der frommen schwäbischen dichter
führen ihn wider zum glauben zurück, eine Wandlung, die dann
durch Sophie und Martensen beschleunigt, ja auf die spitze ge-
trieben wird; die 40er jähre aber zeigen Lenau wider vorge-
schritten — in Roustanschem sinne — zu einer dem Mogischen
Pantheismus' Hegels genäherten anschauung, die insofern auch
den Pessimismus endlich beruhigt, als sie den dichter an einen
fortschritt des menschengeistes glauben lässt.
Diese Schwankungen sind unleugbar vorhanden, wenn auch
bei betrachtung des gesamten Lenauischen briefwechsels und der
werke sich niemals ein reiner pantheismus noch ein reiner Spiri-
tualismus, um die schlagworte R.s zu gebrauchen, nachweisen
lässt. selbst zur zeit des einflusses Martensens gibt es zweifei,
zur zeit der Albigenser aber zeigen genug briefstellen, dass Lenau
noch immer an einem persönlichen Gott festhält, was R. mit
wenig glücklichem terminus als Spiritualismus bezeichnet, es sind
eben überall persönliche momente, nicht die logik entscheidend,
wer seinen gottglauben in erster linie aus einer mystischen auf-
fassung der liebe gewinnt, dann wider in Spöttereien über kirche
und glauben verfallt, ohne dafür eine sichre Weltanschauung zu
erringen, der hat nicht die stärke, die dem philosophen eigen
sein muss, der könnte höchstens ein mystiker werden, und vollends
die freie richtung der Albigenser, die sich doch meist in phrasen
ergehn, ist nicht aus Lenaus innerm entsprungen; gerade hier
ROUSTAN LENAD ET SON TEMP8 327
war es zeitwürkung, die Lenaus denken in neue bahnen zwang, und
gerade hier war es notwendig gewesen, dem geistigen zustand
ganz Deutschlands im beginn der 40er jähre aufmerksamkeit zu
widmen, statt sich auf Lenau zu beschränken.
Es muss wol als Wahrheit gelten, was Lenau, bereits dem
Wahnsinn verfallen, zu Cmilie sagte, dass er stets im innersten
ein Christ geblieben sei.
R. geht eben von der falschen Voraussetzung aus, Lenau sei
ein höchst subtiler denker gewesen, der schliefslich sich zu einer
der modernen auffassung gemäfsen philosophie durchgerungen
habe; er hat es nirgends hehl, dass er selbst ganz auf evolutio-
nistisch-monistischem standpunct steht, so tut er ganz dasselbe,
was nach Bauernfelds meinung einst der fromme Martensen tat,
er lässt Lenau sehr vieles sagen, was dieser gewis nicht sagen
wollte, hauptsächlich die grofsen werke, der Faust, der Savona-
rola, die Albigenser ziehen ihn an : da construiert er eine sehr
zweifelhafte entstehungsgeschichte des Faust, wonach der dichter
erst den beiden sich zum pantheismus habe durchringen lassen
wollen; bei der zweiten bearbeitung habe dann Lenau den Faust
der christlichen auffassung genähert; und von dieser künstlich
geschafleneu basis aus kritisiert er scharf die Widersprüche im
Faust, ganz vergessend, dass, wer sich dem teufel verschreibt,
notwendig an einen persönlichen Gott glauben muss. oder, um
die behandlung eines gedichts zu erwähnen, den Raubschützen
citiert R. sehr gern als beweis des absoluten skepticismus ; das
Es ist halt nichts im munde des gespenstes soll das jenseits leugnen,
hier ligt wol der — übrigens ganz vereinzelte — fall vor, dass
R. eine halb dialektische Wendung nicht vollkommen verstanden
hat : die französische Übersetzung Sl n'y a rien' entspricht dem
deutschen satz keineswegs ganz, andre auslegungen sind aber ein-
fach aus übergrofser ^subtilität' entsprungen, ein fehler, dessen sich
R. übrigens selbst bewust ist.
Hierher gehört auch der versuch, aus einer höchst geist-
reichen Verwertung einiger briefstellen, vor allem aber derbriefe,
die Sophie beim ausbruch des Wahnsinns an Emilie schrieb, die
gewisheit eines viel intimeren Verhältnisses der liebenden zu ge-
winnen, als die gewährsmänner zugeben wollen, der beweis ist
nicht erbracht : indes gerade die behandlung dieses Verhältnisses
zeugt von der scharfen psychologischen auffassung R.s und lässt
den mann erkennen, der von modernen dichtem wie gelehrten
gleichviel gelernt hat.
Damit sei aur die eingangsbebauptung zurückgegriffen, dass
diese biographie die beste vorhandene sei. sie wird in jedem
leser heftigen Widerspruch erregen : selten mit der darstellung der
tatsachen, oft genug mit der auslegung und deutung. aber über-
all wird man den ernsten forscher erkennen, überall den mann
von weitem blick und feinem geschmack : es sei in dieser bin-
328 ROUSTAN LBNAU ET SOIf TBMPS
sieht besonders hingewiesea auf die sehr feine chirakteristik der
Lenauscben form, die selbst für das metrum — in einer fremden
spräche! — ein seltenes Verständnis beweist; überall wird man
sich an der glänzenden darstellung erfreuen.
Wien, neujahr 1900. Valentui Pollak.
LiTTBRATUBNOTIZEN.
Handschriflenconservierung. nach den Verhandlungen der SGallener
internationalen conferenz zur erhaltung und ausbesserung alter
hss. von 1898 sowie der Dresdner conferenz deutscher archivare
von 1899 bearbeitet von dr 0. Posse, mit 4 photographiachen
kupferdrucktafeln. Dresden, verlag des Apollo, 1899. 52 ss. 8^.
2 m. — Anleitung zur erhaltung und ausbesserung von hss. durch
zaponimprägnierung von dr E. Schill. Dresden, verlag des Apollo,
1899. 17 ss. 80. 0,60 m. — bekanntlich fand am 30 September
und 1 october 1898 zu SGallen ein internationaler congresa von
bibliotheksbeamten statt, welcher auf anregung des derzeitigen
präfecten der Vaticana, des p. Ehrle, sich mit der frage beschäf-
tigte, wie dem fortschreitenden zerstorungsprocess, dem gewisse
kategorien alter pergamenthss. , in Sonderheit die mit reagentien
behandelten palimpseste, zum opfer zu fallen drohen, vorgebeugt
werden könne, die Versammlung einigte sich auf vier resolutionen,
welche den wünsch nach photographischer reproduction der am
meisten gefährdeten mss. und nach gründlichem Studium der bis^
her angewanten conservierungsmethoden sowol von pergament-
wie von papierhss. aussprachen, zur prüfung eines bereits in
SGallen discutierten Verfahrens, der von dem Oberstabsarzt Schill
erfundenen zaponimprägnierung, berief nun das sächsische kriegs-
ministerium Vertreter der deutschen archivverwaltungen für den
.18 und 19 September 1899 nach Dresden, das resulut der Ver-
handlungen darf als ein für das zapon verfahren recht günstiges
bezeichnet werden, in so fern diese methode wolfeil, wenig com-
pliciert, überall anwendbar und nach den bisher gemachten er*
fabrungen auch durchaus unschädlich ist. zapon, ein in Amerika
zuerst dargestellter selbstglättender lack, besteht aus nitrierter
cellulose, dh. gereinigter baumwolle, welche gelöst wird durch
amylacet. ein liter davon, ausreichend für einen ganzen acten-
band, kostet hei der chemischen fabrik dr Perl & co. zu Berlin
3 m. indem das zapon in alle poren des papiers eindringt, über-
zieht es nicht nur dessen oberüäche mit einer völlig durchsich-
tigen, elastischen, gegen feuchtigkeit unempfindlichen schutischicht,
unterhalb welcher etwa vorhandene Schimmelpilze weiter sich aus-
zubreiten unßlhig werden, sondern festigt auch vermoderte stellen
in dem grade, dass ferneres losbröckeln einzelner teilchen aus-
geschlossen ist. nicht mindere bedeutung kann das neue präser^
valiv für drucksachen gewinnen : es vermag bOcher, bei deren
POSSE UND SCHILL HA^USCURIFTE^^COrKSeilVlELfiC.'^G 320
berstelluDg holzhaltiges papier in anweDiJung kam^ wie das in
den siehziger jähren mit Vorliebe geschah^ vor totalem zerfall zu
schützeo, und wird dem einen oder dem andern eiemplar unsrer
Zeitungen zu dauernder erhahung für die nachweit verhelfen.
Freilich beseitigt das cotiservieruagsmiltet weder die schlimmen
folgen früher gebrauchter reageutien noch besitzt es die l^bigkeit,
verblichene schriftzUge lesbar zu machen, meiner erfährung nach
würkt jedes reagens schädlich, ich rede nicht von der heillosen
Giobertischen tinctur, mit welcher die beiden Mone, vaii^r und
söhn, nicht wenige SPauler hss. gründlich verdorben haben, auch
nicht von der galläpfelgerbsdure, durch deren anwendung Docen
beispielsweise mehrere bll. des Clm. 14689 oder das Indersdorfer
stück vom heimlichen boten (Anz. ii 238) für alle Zeiten ruinierte:
selbst der meist als harmlos gepriesene liquor ammonii hydro-
sulphurati zerstört das pergament, nicht nur wenn er leichtfertig
über gröfsere flächen ausgegossen wird (auf diese weise hat
Hattemer sich an dem Vocabularius SGalli versündigt), sondern
auch bei vorsichtigem gebrauch. ' denn wahrhaft würksam und
zuweilen geradezu verblütfende resultate zeitigend ist dies reagens
nur dann, wenn das damit behandelte wort gleichzeitig unter die
lupe genommen und die f^rbung der schriftzüge während des auf-
tropfens der tinctur scharf beobachtet wird, darüber vergehn
secunden; je länger aber die flüssigkeit, ohne mittels fliefspapiers
aufgesogen zu werden, auf dem pergament stebn bleibt, um so
stärker verkalkt sie dasselbe, deshalb war es mir von höchstem
interesse, Posses schrift s. 4 fr und den ihr beigefügten tafeln ent-
nehmen zu dürfen, dass neuerdings Pringsheim und Gradenwitz
ein photographisches verfahren erfunden haben, welches bei wider-
gabe von palimpsesten die spätere schrift ganz verschwinden, die
frühere stark hervortreten lässt. darnach steht zu hoffen, dass
der fortschritt der photographischen technik allmählich jede Ver-
wendung von reagentien entbehrlich machen wird, so schlägt
vielleicht dem Arnsteiner Marienieich und der für die geschichte
der glossen unendlich wichtigen Lobkowitzschen hs. 434 (Ahd.
gll. 4,6030 ^^^^ einmal die stunde der erlösung. St.
Veelderhande geneuchlycke dichten , tafelspelen ende refereyneD
opnieuw uitgegeven vanwege* de Maatschappy der Nederlandsche
letterkunde te Leiden. Leiden, voorheen EJBrill, 1899. xxvni
und 218 SS. 8^. 1,50 fl. — die herausgeber, welche sich nur als
De commissie voor taal-en letterkunde by de M. d. nl. Ik. be-
zeichnen^ haben einen druck (Antwerpen 1600) zu gründe gelegt
und die Varianten späterer auflagen, am Schlüsse ein nur in diesen
überliefertes gedieht beigefügt, alles auf das entstehn und den
inhalt der Sammlung bezügliche soll später in der Tijdschrift voor
Nederlandsche taal-en letterkunde nachgetragen werden, so be-
gnügt sich auch der ref. mit einem hinweis auf das merkwürdige
buch und einigen gelegentlichen bemerkungen. es ligt hier im
A. F. D. A. XXVI. 22
^
1
330 VEELDERHANDE GENEUCHLTCKE DICHTEN
original ein halbgelehrtes unternehmen vor, wie ahnliches im
17 jh. öfters ganz in lateinischer form erschienen ist. in bunter
mischung wechseln prosa und verse, älteres und jüngeres, ernst-
satirisches und possenhaftes miteinander ab. die dramatischen stocke
haben die einfache form der ^Tafelspelen', dh. sie sind bestimmt
vor einer schmausenden gesellschaft von ein paar eintretenden
Spielern vorgetragen zu werden : so s. 3 eine scene zwischen
mann und frau, erstrer weigert sich beim weg nach hause die
laterne zu tragen, wird aber durch eine tracht prügel zu allem
willfährig gemacht; dann s.21 ^Moorkem vel \ van de ^tade mjuen\
eine aus der niederdeutschen dramatik bekannte handlung : das
keifende weib wird in eine pferdehaut gesteckt; hier sind aufser
dem ehepaar noch die mutter der frau und ein rat gebender
nachbar beschäftigt; s. 40 ^Een Beeren Vasten-avants-spel' : zwei
bauern unterreden sich über ihre marktgaunereien gegen die
Städter; s. 72 'Van den ouden ende langhen Aemout* : Arnout
(an arm angelehnt?) ist soviel wie Rabau, lump, Stromer; die
'Aernouts broederen' bilden einen orden, dessen regeln an
weit ältere der Vagantengenossenschaften erinnern; selbst die
künste Aernouts, der in Paris Wahrsagung und Zauberei gelernt
hat (s. 95), sind dieselben, die den mhd. fahrenden scbülern zu-
geschrieben werden; sogar das lodderhout erscheint s. 94; ander-
seits sind starke berührungen mit Grobianus und Grobiana, so-
wie mit den spanischen bettlerromanen und den niederländischen
genrebildern vorhanden; ferner s. 163 ein ^Dialogus van den Mey
ende van den schoone vrouwen* : der ^meester' rühmt den mai, gibt
sich aber überwunden, als der 'klerck' sich auf die Jungfrau Maria
beruft; endlich s. 195 ^Een sötte vraghe van Claes ende em wijse
antwoorde van Jan* ist ganz im ton der englischen comOdianten
gehalten. — von den didaktischen gedichten in versen parodieren
einige kirchliche formein und mischen gern lateinische floskeln
ein, die frei von fehlem, den gelehrten Ursprung bezeugen, ziem-
lich ernsthaft gemeint ist die prosa s. 126 ^Den rechten weg nae
fGasthuys* (spital), worin im ton einer kapuzinerpredigt alle faulen,
unüberlegten, die Verschwender, die ungehorsamen kinder usw.
auf ihr vermutliches ziel hingewiesen werden; nicht witziger ist
der poetische bann s. 140, worin alle braven und fleifsigen aus
dem spital ausgewiesen werden, das gedieht *Van Bacchus* s. 173
gleicht den abschreckenden versen unsrer mäfsigkeitsvereine. am
besten sind die rein lustigen stücke, so 'Van t'Luye-kckerlant' s.l42:
es ist die Schilderung des schlarafienlandes, am meisten überein-
stimmend mit dem Zs. 2,568 abgedruckten lied von 1611, das
auch zeitlich ganz nahe steht s. 150 folgt ein gedieht ^Van smie
Niemant', s. 156 ^Van den Langhen Waghen', eine auch sonst vor-
kommende Variante zum Narrenschiff; s. 208 ein lügenmärchen ;
endlich s. 212 'Ben ghenoechlic Refereyn van het EuangeUe van
den Spinrocken\ eine Verspottung des aberglaubens. die Verhältnis-
VEELDERHAKDE GEiNEÜCHLTGKE DICHTEN 331
mäfsige reinlieit von zoten ist bemerkenswert; andre naturalia, unge^
ziefer usw. werden allerdings nicht ausgeschlossen, dies gilt auch für
die wenigen schwanke, welche eingeschaltet sind. E. Martin.
Theologia deutsch: die leret usw. nach der einzigen bis jetzt be-
kannten handschrift herausgegeben und mit einer neudeutscben
Übersetzung versehen von Franz Pfeiffer. 4 unveränderte aufl.
Gütersloh, CBertelsmann, 1900. xxxu' und 239 ss. 8<^. 3 m. —
PfeifTers ausgäbe der ^Deutschen theologie' (zuerst 1851, dann 1855)
hat das doppelte verdienst, die Bronnbacher (jetzt Kleinheubacher)
hs. in bequemer form zugänglich gemacht und das interesse an
dem werkchen durch eine sehr reichhaltige und interessante biblio-
graphie der Lutherschen ausgäbe gesteigert zu haben, zum zweiten
mal erscheint sie jetzt unverändert im Bertelsmannschen vertage:
links der alte text in gotischen lettern, leidlich sauber corrigiert,
ihm gegenüber in bourgeois-fractur Pf.s neudeutsche bearbeitung.
sollte die buchhandlung noch einmal in die läge kommen, zu
einem abdruck zu schreiten, so mOcht ich ihr zwei neuerungen
empfehlen, der vorrede liefsen sich die notwendigen litteratur-
nachtrage leicht anfügen, — auch die bibliographie könnte wol
eine revision vertragen, es geht doch heute kaum an, die Weimarer
Lutherausgabe (bd i) zu verschweigen, wenn auch Knaakes dort
s. 376 citiertcr neudruck ('Weimar 1883') niemals erschienen
ist. im text aber möge man die von Pf. beliebten länge-
zeichen beseitigen, einen prosaiker des späten 14 jhs. mit
circumflexen zu bestreuen, dürfte beule kaum noch jemandem
einfallen; Pf.s quantitäten sind aber obendrein oft recht anfecht-
bar : so gewis die circumflexe bei gedächte und andSchtig, Idßen
leßet und gar lest, käst und hest, muß usw. verspätet sind, so
verkehrt ist unter Pf.s princip ihre fortlassung im adv. zu, bei
nimant usw. und für unsern druck ergibt sich obendrein der
übelstand, dass fast alle störenden setzerfehler sich als verirrte
circumflexe vorstellen : wortbilder wie wonikng 6. 52, götUcher s. 54.
132, glaubet s. 190, begerunge s. 218 sind für den laien ver-
wirrend, für den kundigen ärgerlich.
Im übrigen mag der text so hingehn, bis einer das material
oder den mut zu einer kritischen ausgäbe findet, ich halt ihn
sogar für besser überliefert als Pf. s. xxi, der dem Schreiber von
1497 ua. durchgehnde ersetzung von minne, minnen durch liebe,
lieb haben zutraut, dagegen spricht schon, dass das wort bei
unserm autor, der in jeder art von allitteration und annomination
schwelgt, überaus bäuüg mit Hecht gebunden und in enger Um-
gebung von leben, loben, Uren, leiten erscheint, so zb. s. 168 (und
ähnlich 174. 176) Ein igliche Mebe muß von eime Hechte oder
bekentnis geiert und geleitet werden, und besonders lehrreich
s. 180 unten . . . gelebet wirt in dem waren Mecht und in der ware9%
Mebe , das ist dass aller edelste . . . leben geUebet und ge--
\obet werden über alle leben Und dise liebe, da von dis edel
22*
332 PFEIFER THEOLOGIA DEUTSCH 4 AUFL.
kben geUebet wirt, — freilich begegnet auch eine stelle, wo man
nach dem gleichen kriterium minnen einsetzen könnte: s. 180
z. 10 v.o. geliebet und gemeinet, vielleicht hat der Verfasser
beide Wörter promiscue gebraucht. — s. 58 z. 5 v. u. I. das ein
mensche sich . . . aUer dinge vorzige sL Vorzüge. — s. 138
z. 2 v. u. ist wol das zweite ist zu streichen. E. Sch.
loannes Nicolai Secundus 'Basia'. mit einer auswahi aus den Vor-
bildern und nachahmern herausgegeben von Gbobg Ellluvgkr.
[aa Lateinische litteraturdenkmäler des xv und xvi jhs. heraus-
gegeben von Max Herrman^t 14.] Berlin, Weidmann, 1899. lii
und 38 SS. S^. 1,20 m. — die 'Küsse' des Johannes Secundus
gehören zu den wenigen neulateinischen dichtungen, die sich
ilurch die Jahrhunderte hindurch einen leserkreis bewahrt und
ihren reiz auch auf gröfsere dichter, wie bei uns Goethe und
Bürger, nicht verfehlt haben, so haben sie in der Sammlung
Uerrmanns mit recht einen platz gefunden , mag auch das anti-
quariat bis heute leicht und billich gelegenheit bieten, eine der
altern ausgaben zu erwerben; denn die 'Basia' sind viel gedruckt
worden und sogar die ehre einer kritischen ausgäbe mit ausge-
zeichnetem commentar ward den werken des Haager poeten zu
teil : durch Petrus Bosscha, der dabei die vorarbeiten des jungem
Burmann benutzte, 1821. EUinger zeigt freilich, dass die kri-
tische leistung Bosschas nicht einwandsfrei ist, er selbst bringt
von den beiden Originalausgaben die jüngere (B, 1541 : 5 jähre
nach dem tode S.s) zu buchstabengetreuem abdruck, mit jener
Sauberkeit, an die uns die Sammlung gewöhnt hat. die lesarteu
des erstlingsdrucks werden auf s. XLvif vollständig aufgezählt, nur
zu VIII 18 war die Variante genauer zu geben : est Neaera iniqua,
und wenn eine vereinzelte la. (i 24) als 'offenbarer druckfehler'
bezeichnet wird, so war denn doch hervorzuheben, dass von den
84 abweichungen der ausgäbe A mindestens noch weitere 18 als
<lruck- resp. lesefehler zu fassen sind : i 5. u 19. iv 11. 14. V 7 f.
VI 8. vu 3. VII 3. 21. 30. 40. ix 2. 25. x 15. xiii 13. xvi 14. 22.
XVII 7. erst nach ausscheidung dieser flttchtigkeiten des setzers
'ist der vergleich dieser lesarten mit B ästhetisch ungemein lehr-
reich', wie sich E. s. xlvii ausdrückt, dass sich E« sträubt, iv 2
zu der metrisch notwendigen trennung suave olentes A zurück-
zukehren, und dass er ebda v. 9 das einzig richtige his Scrivers
^iis AB) ablehnt, kann ich nicht billigen.
Da die 464 verse der Basia nur knapp einen bogen füllten,
so bat E. noch 1 ^2 bogen mit ^Vorbildern und nachahmern' zu*
gegeben und über dies thema eine ausführliche einleitung ge-
schrieben, die uns zwar nicht ganz so überflüssig vorkommt, wie
4lie recht deplacierte beisteuer Theobald Zieglers zu heft 11, aber
doch auch den rahmen einer derartigen Sammlung zu sprengen
scheint, schmerzlich vermissen wir dagegen diesmal eine bi-
l)liographie, wie wir sie seither gewohnt waren : auch wenn sie
ELLLNGER lOANNES SECUr(I>ÜS DASU 33^
für die textgestalt nichts ergab, selbst wePQ E. damit über Bur-
maon und Bosscha nicht hinauskam, war sie liier unbedingt »m
platze, wenn der herausgeber die uachwürkung der Basia durcli
die oeulateinische und durch die litteratiiren der lanrlessprachei)
verfolgt, so ist doch eine bibliographische liste, die uns ^eigt, wo,
wann, wie oft die originale gedruckt worden sind, erstes erforder*
nis. — an dem, was E. bietet, mag ich nicht henimm^keln:
zweifellos war ihm der stoiT bequemer und reicher zur band als andern^
aber ebenso fest steht mir, dass es sicii doch vorläuß^ itur um
mehr oder weniger zufällige lesefrüchte hejidel[. um ein belsptel
herauszugreifen : s.xn behandelt E. als letzte neulfitein. nachalimung
der 'Basia' das 'Erolopaegnion' des Caspar Barth (1623), scheint
aber die altern, übrigens ermüdend lasciven anacreontica dieses
dichters (Amabiliuro libri iv, Hanoviae 1612) nicht zu kennen —
sie fehlen allerdings auch bei Goedeke. trotz der gelegentlichen
Überschrift 'Ingeuua doctrina' (ii 20) und trotz dem Nil debeo Ca-
tullo, NU debeo Tihullo, Nil debeo Secundo (s. 54) wimmelt es
hier von reminiscenzen. — zu s. xlvi z. 15fr v. o. bemerk ich^
dass die 'Natürlichkeiten der sinnlichen und empflndsamen liebe'
(3 bde 0. 0. 1798) von eben dem JGSchefTner herrühren, den E.
s. xLiv bespricht, vgl. Arch. f. litteraturgesch. 10, 426 f. E. Sch.
Lessing, von K. Borinski. Berlin, EHofmann u. cie. 1900. 2 bde.
[Geisteshelden, bd. 34 und 35.] ix und 196 ss. xi und 230 ss.
8^. je 2,40 m. — um Borinskis buch über Lessing gerecht zu
werden, darf man es nicht einfach mit andern biograpbien des
unvergleichlichen zusammenstellen, dabei kam es zu kurz, viel
zu erregt, viel zu persönlich ist der vf., als dass er wie Erich
Schmidt aus der umfassenden beherschung eines oceans von litte-
ratur die insel aufsteigen lassen könnte, von der dann der fernehio
treffende schall seine fahrt antritt; und er fühlt sich mit seinem
beiden viel zu vertraut, als dass er genügend bedacht darauf
nähme, ihn uns so recht von innen aus vertraut zu machen, als
ein kampfbuch ist diese lebensgeschichte aufzufassen, als ein ener-
gischer versuch, Lessing 'in den dienst unsrer zeit', in den dienst
noch enger bestimmter ideale zu stellen.
B. hat sich schon in frühern Schriften als leidenschaftlicher
Parteigänger des classicismus bekannt, nicht nur in ästhetischen,
sondern auch in metaphysischen und ethischen fragen will er
stehn bleiben, wo Goethe und Schiller standen; jede abweichung
von dem ideal, das sich etwa durch die namen Schiller, Lessing,
Kant festlegen lässt, — Goethe tritt bei ihm weit zurück — er-
scheint ihm als verrat an den heiligsten gutem der nation. da»
ist ein standpunct, den man wie jeden ehrlich gewählten und
tapfer festgehaltenen respectieren muss, auch wenn man ihn kaum
ganz begreift; denn was kann der Sehnsucht unsrer classiker nacl>
nie ruhendem forlscbritt ferner stehn, als dies orthodoxe festhaltei^
an der einmal gefundenen 'Wahrheit'? was kann weniger les-
^
332 PFEIFER THEOLOGU DEUTSCH 4 ADFL.
Üben geliebet wirt. — freilich begegnet auch eioe stelle, wo mao
nach dem gleichen kriterium minnen einsetzen könnte: s. 180
z. 10 V. o. geliebet und gemeinet, vielleicht hat der verfassen
beide Wörter promiscue gebraucht. — s. 58 z. 5 v. u. 1. das ein
mensche sich . . . aller dinge vorzige st* Vorzüge. — s. 138
z. 2 V. u. ist wol das zweite ist zu streichen. E. Sch.
loannes Nicolai Secundus 'Basia'. mit einer auswahl aus den Vor-
bildern und nachahmern herausgegeben von Gbobg Elllitigbr.
[am Lateinische litteraturdenkmäler des xv und xvi jhs. heraus-
gegeben von Max Herrman?( 14.] Berlin, Weidmann, 1899. lii
und 38 SS. 8^. 1,20 m. — die 'Küsse' des Johannes Secundus
gehören zu den wenigen neulateinischen dichtungen, die sich
durch die Jahrhunderte hindurch einen leserkreis bewahrt und
ihren reiz auch auf gröfsere dichter, wie bei uns Goethe und
Bürger, nicht verfehlt haben, so haben sie in der Sammlung
Ilerrroanns mit recht einen platz gefunden, mag auch das anti-
quariat bis heute leicht und billich gelegenheit bieten, eine der
altern ausgaben zu erwerben; denn die 'Basia' sind viel gedruckt
worden und sogar die ehre einer kritischen ausgäbe mit ausge-
zeichnetem commentar ward den werken des Haager poeten zu
teil : durch Petrus Bosscha, der dabei die vorarbeiten des Jüngern
Burmann benutzte, 1821. Ellinger zeigt freilich, dass die kri-
tische leistung Bosschas nicht einwandsfrei ist, er selbst bringt
von den beiden Originalausgaben die jüngere (B, 1541 : 5 jähre
aach dem tode S.s) zu buchstabengetreuem abdruck, mit jener
Sauberkeit, an die uns die Sammlung gewöhnt hat. die iesarten
des erstlingsdrucks werden auf s. XLvif vollständig aufgezählt, nur
zu VIII 18 war die Variante genauer zu geben : est Neaera iniqua,
und wenn eine vereinzelte la. (i 24) als 'offenbarer druckfehler'
bezeichnet wird, so war denn doch hervorzuheben, dass von den
84 abweichungen der ausgäbe A mindestens noch weitere 18 als
druck- resp. lesefehler zu fassen sind : i 5. u 19. iv 11. 14. V 7 f.
VI 8. VII 3. VII 3. 21. 30. 40. ix 2. 25. x 15. xiii 13. xvi 14. 22.
XVII 7. erst nach ausscheidung dieser flüchtigkeiten des setzers
'ist der vergleich dieser Iesarten mit B ästhetisch ungemein lehr-
reich', wie sich E. s. xlvii ausdrückt, dass sich E. sträubt, iv 2
zu der metrisch notwendigen trennung suave olentes A zurück-
zukehren, und dass er ebda v. 9 das einzig richtige his Scrivers
^iis AB) ablehnt, kann ich nicht billigen.
Da die 464 verse der Basia nur knapp einen bogen füllten,
so hat E. noch 1 ^2 bogen mit ^Vorbildern und nachahmern' zu-
begeben und über dies thema eine ausführliche einleitung ge*
schrieben, die uns zwar nicht ganz so überQüssig vorkommt, wie
4lie recht deplacierte beisteuer Theobald Zieglers zu heft 11, aber
<k)ch auch den rahmen einer derartigen Sammlung zu sprengen
scheint, schmerzlich vermissen wir dagegen diesmal eine bi-
i)liographie, wie wir sie seither gewohnt waren : auch wenn sie
ELLINGER lOANNES SECUKDüS BASU 33S
für die textgestalt nichts ergab, selbst wenn E. damil Über Bur-
mann und Bosscha nicht hinauskam, war sie hier uobeüingl ctnt
platze, wenn der herausgeber die nachwürkung der Basia durcli
die oeulateinische und durch die litteraturon der landesspracheii
verfolgt, so ist doch eine bibliographische liste, die uns zergt, wo,
wann, wie oft die originale gedruckt worden sind, erslc« erfürder-^
nis. — an dem, was E. bietet, mag ich niclit herumniffkeln;
zweifellos war ihm der stoiT bequemer und reicher zur ha nü a Ist andern,
aber ebenso fest steht mir, dass es sich docli vorläufig nur um
mehr oder weniger zufällige lesefrüchte liandeh. um ein beispiel
herauszugreifen : s.xn behandelt E. als letzle uL^ul^leirv. nachalimung
der 'Basia' das 'Erotopaegnion' des Caspar Barth (1623), scheint
aber die altern, übrigens ermüdend lasciven anacreontica dieses
dichters (Amabiliuro libri iv, Hanoviae 1612) nicht zu kennen —
sie fehlen allerdings auch bei Goedeke. trotz der gelegentlichen
Überschrift ingeuua doctrina' (ii 20) und trotz dem Nil debeo Ca-
tullo, NU debeo TibuUo, Nil debeo Secundo (s. 54) wimmelt es
hier von reminiscenzen. — zu s. xlvi z. 15fr v. o. bemerk ich^
dass die ^Natürlichkeiten der sinnlichen und empflndsamen liebe'
(3 bde 0. 0. 1798) von eben dem JGSchefTner herrühren, den E.
s. XLiv bespricht, vgl. Arch. f. litteraturgesch. 10, 426 f. E. Sch.
Lessing, von K. Borinski. Berlin, EHofmann u. cie. 1900. 2 bde.
[Geisteshelden, bd. 34 und 35.] ix und 196 ss. xi und 230 ss*
8^. je 2,40 m. — um Borinskis buch über Lessing gerecht zu
werden, darf man es nicht einfach mit andern biographien des
unvergleichlichen zusammenstellen, dabei kam es zu kurz, viel
zu erregt, viel zu persönlich ist der vf., als dass er wie Erich
Schmidt aus der umfassenden behei*8cbung eines oceans von litte-
ratur die insel aufsteigen lassen könnte, von der dann der fernehio
trefTende schall seine fahrt antritt; und er fühlt sich mit seinem
beiden viel zu vertraut, als dass er genügend bedacht darauf
nähme, ihn uns so recht von innen aus vertraut zu machen, als
ein kampfbuch ist diese lebensgeschichte aufzufassen, als ein ener-
gischer versuch. Lessing 'in den dienst unsrer zeit', in den dienst
noch enger bestimmter ideale zu stellen.
B. hat sich schon in frühern Schriften als leidenschaftlicher
Parteigänger des classicismus bekannt, nicht nur in ästhetischen,
sondern auch in metaphysischen und ethischen fragen will er
stehn bleiben, wo Goethe und Schiller standen; jede abweichung
von dem ideal, das sich etwa durch die namen Schiller, Lessing,
Kant festlegen lässt, — Goethe tritt bei ihm weit zurück — er-
scheint ihm als verrat an den heiligsten gutem der nation. da»
ist ein standpunct, den man wie jeden ehrlich gewählten und
tapfer festgehaltenen respectieren muss, auch wenn man ihn kaum
ganz begreift; denn was kann der Sehnsucht unsrer classiker nacS>
nie ruhendem forlschritt ferner stehn, als dies orthodoxe festhaltei^
an der einmal gefundenen 'Wahrheit'? was kann weniger les-
^
334 BOEDISEl LESSD(6
singiscb sein, als mil der historischeD tatsacbe unsrer classischen
iJichtung eio für alle mal alle YernuDflwabrheit io ästhetischen
fragen gegeben zu glauben? dazu kommt noch, dass B. wQrklicb
*oriliodoxie' mit allen scbwäcben der selbsibewusten rechtgläubig-
keil zeigt; dass er von der heitern ruhe oder der milden ver-
träglicbkeit andrer ^altgläubigen' auch keinen tropfen besitzt, daher
die ^unbedingtbeif, mit der Lessing immer und jedesfalis recht
baben muss, einen einzigen punct im dogmatischen streit aus-
genommen; daher vor allem die malslose befiigkeit, mit der zu
jeder zeit und unzeit angriffe auf die ^moderne', auf Ibsen, auf
Berlin, auf die heulige presse, auf die schreibenden frauen Tom
zäun gebrochen werden, allzu logisch ist das nichL denn B.
bemüht sich. Lessing immer wider als opfer der allgemeinen
Schlechtigkeit, kleinlichkeit, Oberflächlichkeit, des Cliquenwesens
und verwanter erscheinungen darzustellen; wenn denn all dies
vor 150 Jahren schon so stark war, wie kann man dann in den
entsprechenden erscheinungen der gegen wart den beweis unsres
tiefslandes und beständigen Sinkens sehen? dies aber tut B. un-
auftiOrlich, und oft hat man den eindruck, als sei Lessings leben
ihm mehr gelegenhcit, von den 'Goezen und Klötzen' (wie Nietzsche
sagt) von heule zu reden, als Selbstzweck.
Nicht selten lOnen auch stark persönliche klänge vor, die
hin und wider einer versleckten gleichstellung von held und bio-
graph nahe kommen, das ist menschheb und verzeihlich bei einem
einsamen gelehrten, der mindestens in seiner einsamkeit und seiner
umfangreichen gelehrsamkeit, vielleicht auch in seiner kampflust
sich mit grofsen beispielen über die Ungunst der zeit trösten will;
aber es dient der sache nicht, dies schillernde ineinanderspielen
zweier epocheu versetzt uns in eine unbehagliche Unsicherheit
<\\\{\ bringt den autor selbst zu chronologisch unmöglichen con-
structionen, wie etwa der, dass der materialismus der auf klärer
durch die aufblühende experimentale naturforschung begQnstigt
wonlen sei. wann, war eine zeit speculativer? die Lavoisier und
Herschel wuchsen aus der aufklärung hervor, nicht sie aus ihnen,
ganz besonders aber hat dies ineinanderdeuten von jetzt und
damals dem buch geschadet, wo es sich um die frage der toleranz
handelt, der vf. nimmt zu dem antisemitismus unsrer tage eine
selbständige Stellung ein« deren berechtiguog hier nicht zu er-
örtern ist; nun aber tragt er diese seine anscbauung auch in
die tage des 'Nathan* und bringt so höchst seltsame deduclionen
hervor« zb. dass die aufklärung überall aus dem judenbass geboren
ts^i« Oiler dass Lessing selbst Nathan sei. uod durch dies uoauf-
hOriiche herüberblicken von einst auf heute« durch dies unhisto-
rische gleichsetzen werden alle dimensionen gedräckt. man mochte
dem tagesgezänk entgehn, indem man Vin gedankenbad in Lessing
ttimnu\ wie der ^rofsherzog von Baden einmal zu Bertliold Auer-
bath «agte; statt dessen wird man immer wider in kleinüdie mo-
BORINSRI LESSING 335
derne auseinandersetzungeo über antisemilen und raalerialisteOf
Symbolisten und exacte hineingerissen.
Schon aus dem gesagten geht wol hervor, dass B., so eifrig
er sich seinem beiden annähern möchte, im stii der anschauungen
ihm gar zu fern bleibt, die hohe gäbe, aus einer winzigen einzel-
frage über münzen oder dogmen ein besitztum für immer ent-
stehn zu lassen, fehlt ihm gar zu sehr, und noch mehr ist er
— um einen seiner gesuchten ausdrücke zu gebrauchen — ein
'LessingvoUer Anti-Lessing' im stil der spräche, in diesen dunkeln,
anspielungsvollen, nicht selten geradezu unverständlichen Sätzen,
mit diesen eigentümlichen neologismen wie ^versühnt', ^aburteil',
^gewürfelter hofling', mit diesen groben schimpfworlen wie *La
Meitries viehischer witz' mag man über Hamann schreiben —
Lessing verlangt klarheit, bestimmtheit, Vornehmheit.
Es entspricht auch schwerlich der tapfern gründlichkeit Les-
sings, wenn jemand, der den ^oberflächlichen' Locke stolz bei
Seite schiebt, Swift ^edei' und Temple einen * beiden' nennt,
Perrault, Reiroarus oder den ^ackerbanlehrer Thaer' feuilletonistisch
behandelt, Knigge für einen hOfling und Marinelli — für einen
Übermenschen im sinne Nietzsches erklärt, das ermüdende spiel mit
den 'er und sie' beim drama, die sucht, etwa bei dem bekannten
Umschlag des tons im fragmentenstreit eine gute überzeugende
erklärung, lediglich weil sie zu oft widerholt sei, durch eine
höchst unwahrscheinliche hypothese zu ersetzen, das zurück-
schieben aller vorarbeiten und die seltsamen urteile in der biblio-
graphie — zb. über RMayrs in seiner art ausgezeichnetes buch
— sind ebenso viel kleinlicbkeiten, die dem grofsen stil Lessiogs
und dem mächtigen wurf seiner gedanken gegenüber doppelt ver-
letzend würkeu.
So haben wir denn ein monument des grOsten litterarischen
bahnbrechers aller Zeiten nicht erhalten, einseitig yerweilt B.
hei dem ^philosophen des dramas' und dem dogmatiker; der
künstler kommt völlig zu kurz — vor allem auch der lebens-
künstler. denn war der unglückliche, unpraktische, einsame im-
provisator nicht dennoch ein meister in der kunst, das sprödeste
lebensmaterial zu einem heroischen Schicksal umzubilden? lag
nicht unbewuste Weisheit, geheimer kunstverstand in seiner art,
die gegner, die methoden, die Schauplätze des kampfes so za
wechseln, dass er immer höher stieg, vom pastor Lange zu Nathan
dem weisen und vom geheimrat Klotz zu der Erziehung des
meoschengeschlechts? in diesem buch aber verdeckt der gelehrte
zu sehr den künstler, man sieht zuviel das opfer und den meister
zu wenig.
Und dennoch! dass 1900 eine ringende und eine für ihre
ideale kämpfende seele keinen bessern helfer und Verfechter weifs
als Lessing, ist das nicht das überzeugendste Zeugnis seiner macht
und grOfse? Richard H. Meter.
336 berichte über weksers sprachatlas xvill
Berichte über GWenkers Sprachatlas des deutsche?! Reichs.
xvui.
SO. gefallen (satz 4).
Zum präfix vgl. gelaufen Adz. xxiv 115 fr. im obd. war es
dort ungefähr ebenso weit zu g- synkopiert, wie es fOr gebrochen
durch assimilation geschwunden war (ei ngehnderer vergleich beider
grenzen bleibt einer spätem gesamtbetrachtung vorbehalten) : hier
bei gefallen reicht die synkope nördlicher und gilt zb. auch für
die gegenden, die bei gelaufen und gehrochen (vgl. Anz. xxii 97 u.)
ga^ zeigten; man ziehe daher diese nordgrenze des süddeutschen
j- in gefallen ungefähr mit der grenze zwischen Elsass und
Lothringen bis Ostlich von Bitsch, dann über das Haardtgebirge,
bei Worms über den Rhein und hinüber an den Main bei Klingen-
berg, dann über Spessart und Rhön und von Bischorsheim grade
ostwärts bis zum Erzgebirge, die südscheide des nd. gebietes,
das das präfix ganz aufgegeben oder zu e- reduciert hat, stimmt
zu gelaufen bis auf die unwesentlichen änderungen Hagen, Atten-
dorn, Loburg, Zehdenicky Angermünde, Schwedt.
Stammsilbe und enduug waren (wegen gefann uä.) schwer
zu trennen und sind deshalb auf derselben karte zusammen dar-
gestellt, aus gleichem gründe stell ich hier die endung voran,
man geh bei ihrem entwurf von der normalskizze des yerbaleu
-en Anz. xxiv 125 ff aus, specieil von 126 z. 10 an, und berück-
sichtige folgende besonderheiten. Engers, Bendorf, Vallendar haben
gefalle, von der md. -en/-«- grenze wird das stück von Haehen-
bürg bis Schwarzenbom hier ersetzt durch (-e-orte cursiv) Bachen-
bürg, Marienberg, Westerburg, Driedorf^ Herbom, Dillenburg,
Königsberg, Wetzlar, Braunfels, Butzbach, Usingen, Nauheim,
Rosbach, Assetiheim, Ortenherg, Nidda, Schotten, Herbstein, Lauter-
bach, Alsfeld, Grebenau, Schwarzenbom; in diesem damit Yon
jener normalskizze abgetrennten sonderstück mit -n zwischen
Roihaargebirge und Vogelsberg fehlt es freilich nicht an ver-
einzelten -e-ausnahmen, und in einem bezirk von ca. 30 Ortschaften
an der obern Eder mit dem mittelpunct Berleburg (vgl. Anz. xx 208.
XXIV 126) ist gefalle sogar das ausschliefsliche. weiter sodann bis
Wassertrüdingen wie aao. (resp. Anz. xix 359), nur mit den ände-
ningen Schmalkalden (von wo eine schmale -n-zunge gen sw. bis zu
den Rhönanfängen sich abzweigt) und SAülingsfürst, und geo s. in
die Alpen (Anz. xxiv 127 o.). in den -n-gegenden ist die synkope
-en > -H viel weiter verbreitet als bei früheren paradigmeo , so-
dass selbst für gegendeu, wo sonst auf der karte -en als das
vorhersehende unbezeichnet blieb und die -m als in der miodenabl
einzeln eingetragen wurden, wie in Brandenburg oder Schlesien,
hier bei gefallen das umgekehrte verfahren gewählt worden ist;
das kürzere -n fehlt eigentlich nur zwischen Eder und oberer
Lippe, so stimmt denn auch von den -n-grenzen des osteos zwar
die nd. zu der aao« beschriebenen, aber die sOdschlesische normal-
1
i
^
BERICHTE ÜBER \VE>KERS SPRACHATLAS XVin 337
Knie zwischen -(e)n und *a versagt grüsteo teils : sie siimtiil nur in
ihrem südlichen teil, vonSeiirersdorr(ADZ.xxivl27u.)oderAff(nÄfer-
berg (Adz. xix 360) an, geht jedoch vod hier nach w., an Franken*
stein, Silberberg, Charlottenbrunn südlich vorbei^ auf die reichs-
grenze; der übrige sonstige -a-bezirk ttigl gefoUa m Tereinzellen
ausnahmen, nur im gebirge bei Schmiedeberg, Landeshut, SchOm-
berg herscht es noch; vgl. die anders gesiaUete abweichung u.
bauen Anz. xxu 108 (oder gar nähen ib. 331).
Im übrigen vgl. zur emUing gebrochen Anz* xxn 100, die dort
skizzierte grenze des endungslosen gebietes an Nahe, Saar, Mosel
gilt auch hier (nur mit der änderung Pfalzburg) bis Braubach,
dann aber fäuft für gefallen die linie westwärts und zwar sehr
unsicher über Cochem, Dann, Prüm, also südlicher als jene,
endungslose formen aufserdem öfter am Westerwald; ferner in
Mecklenburg und Vorpommern (hier neben -11 auch -VI, -IVl:
vgl. u. felde Anz. xix 287, also nicht endungsabfall, sondern ein
assimilationsprocess), dgl. in der Ostlichsten provinz Sachsen in-
mitten Seyda-Prettin-Schlieben und vereinzelt noch nördlicher in
die mark Brandenburg hinein. Übergang in die schwache Qexion
zeigen zwölf orte zwischen Salzwedel und Dannenberg (falü),
zwölf orte nördlich von SVith (gefQlt), 18 orte bei Falkenberg
i. L. (geföU); vgl. gelaufen Anz. xxiv 125 o.
Dass in dem oben beschriebenen sonderbezirk zwischen Bot- ^«
haargebirge und Vogelsberg, statt der sonstigen dortigen endung jM
'e<i'en, bei gefallen vielmehr -n bewahrt war, erkläit sich na- ^
lürlich aus dem alter der synkope gefalin, die bereits vorhanden
war, als -en zu -e werden sollte, in einem grofsen mittleren ^
teile des bezirks ist diese früh synkopierte form gefalin weiter ji
assimiliert zu gefann : so im Süden innerhalb der gegebenen grenze
von Herbom bis Herbstem und nordwärts etwa innerhalb Herborn-
Hatzfeld- Herbstein, doch ist diese scheide sehr unsicher, auch
fehlt es nicht an gefalin- und ^e/a/h-ausnahmen. anders hingegen
ist das fehlen des alten // in folgenden fällen zu beurteilen :
zwischen Salzwedel und Wittingen hat eine gruppe von ca. 20 Ort-
schaften ßn, womit man vgl. soot u. salz Anz. xix 100 u., bad u.
bald ib. 283 u., fead u. felde ib. 286 o., twöaf u. zwölf Anz.
XXI 275, köt u. kalte ib. 279 u.; alle diese stellen (dazu noch
ü. alte ib. 276 f) vgl. ferner für gefaun gefoun (gruppe von neun
orten zwischen Schwiebus und Bentschen) und in Schlesien ver-
sprengte geßn, auch für ganz vereinzelte gfaua bei Kissingen und
gefaue zwischen Meiningen und Zella. zur bair. mouillierung des
/ endlich (gfoin, gfojn, gfäön uä.) vgl. Anz. xxi 275 und xxiv 261 f.
Der stammsilbenvocal bat dehnung erfahren im gebiet der
Haase, besonders um Quakenbrück und Fürstenau (ßlen\ in der
mark Brandenburg um Treuenbrietzen und Luckenwalde und an
der Oder um Fürstenberg {jeßln), vereinzelt im nördlichen könig-
reich Sachsen (gefäln), vor allem aber in einem gröfseren gebiete
1
336 berichte über wensers sprachatlas xviii
Berichte über GWenkers Sprachatlas des deutschen Reichs.
xviii.
SO. gefallen (satz 4).
Zum präfix vgl. gelaufen Anz. xxiv 115 fr. im obd. war es
dort ungefähr ebenso weit zu g- synkopiert, wie es fOr gebrochen
durch assimilation geschwunden war (eingehnderer vergleich beider
grenzen bleibt einer spätem gesamtbetrachtung vorbehalten) : hier
bei gefallen reicht die synkope nördlicher und gilt zb. auch für
die gegenden, die bei gelaufen und gebrochen (vgl. Anz. xxii 97 u.)
ga- zeigten; man ziehe daher diese nordgrenze des süddeutschen
j- in gefallen ungefähr mit der grenze zwischen Elsass und
Lothringen bis Ostlich von Bitsch, dann über das Haardtgebirge,
bei Worms über den Rhein und hinüber an den Main bei Klingen-
berg, dann über Spessart und Rhön und von Bischofsheim grade
ostwärts bis zum Erzgebirge, die südscheide des nd. gebietes,
das das präßx ganz aufgegeben oder zu e- reduciert hat, stimmt
zu gelaufen bis auf die unwesentlichen änderungen Hagen, Atten-
dorn, Loburg, Zehdenick, Angermünde, Schwedt.
Stammsilbe und endung waren (wegen gefann uä.) schwer
zu trennen und sind deshalb auf derselben karte zusammen dar-
gestellt, aus gleichem gründe stell ich hier die endung voran,
man geh bei ihrem entwurf von der normalskizze des yerbalen
-en Anz. xxiv 125 ff aus, speciell von 126 z. 10 an, und berück-
sichtige folgende besonderheiten. Engers, Bendorf, Valleodar haben
gefalle, von der md. -enZ-e-grenze wird das stück von Haehen"
bürg bis Schwarzenbom hier ersetzt durch (-e-orte cursiv) Bachen-
bürg, Marienberg, Westerburg, Driedorf^ Herbom, Dillenburg,
Königsberg, Wetzlar, Braunfeh, Butzbach, Usingen, Nauheim,
Rosbach, Assenheim, Ortenberg, Nidda, Schotten, Berhstein, Lauter-
bach, Alsfeld, Grebenau, Schwarzenborn; in diesem damit von
jener normalskizze abgetrennten sonderstück mit -n zwischen
Rothaargebirge und Vogelsberg fehlt es freilich nicht an ver-
einzelten -e-ausnahmen, und in einem bezirk von ca. 30 Ortschaften
an der obern Eder mit dem mittelpunct Berleburg (vgl. Anz. xx 208.
XXIV 126) ist gefalle sogar das ausschliefsliche. weiter sodann h\s
Wassertrüdtngen wie aao. (resp. Anz. xix 359), nur mit den ände-
rungen Schmalkalden (von wo eine schmale -n-zunge gen sw. bis zu
den Rhönanfängen sich abzweigt) und Schillingsfürst, und gen s. in
die Alpen (Anz. xxiv 127 o.). in den -n-gegenden ist die synkope
-en > -n viel weiter verbreitet als bei früheren paradigmen , so-
dass selbst für gegendeu^ wo sonst auf der karte -en als das
vorhersehende unbezeichnet blieb und die -n als in der minderzahl
einzeln eingetragen wurden, wie in Brandenburg oder Schlesien,
hier bei gefallen das umgekehrte verfahren gewählt worden ist;
das kürzere -n fehlt eigentlich nur zwischen Eder und oberer
Lippe, so stimmt denn auch von den -n-grenzen des Ostens zwar
die nd. zu der aao. beschriebenen, aber die südschlesische normal-
BERICHTE ÜBER WEiNKERS SPRACHATLAS XVtll 337
Hoie zwischen -(e)n und -a versagt grOsteo teils : s\e siimtnt Dur Id
ihrem südlicheo teil, voo Seiirersdorf(ADZ.ixtT 127 u.) oder Jfa»sf€r-
berg (Adz. xix 360) an, geht jedoch von hier nach vt., au PraDken-
stein, Silberberg, Charloltenbrunn südlich vorbei, auf die reichs-
grenze; der übrige sonstige -a-bezirk zei%i gefoUa m vereinzelten
ausnahmen, nur im gebirge bei Schmiedeberg, Laadeshul, Sehdm-
berg berscht es noch; vgl. die anders gestaltete abwelchung u,
bauen Anz. xxii 108 (oder gar nähen ib. ^31).
Im übrigen vgl. zur endung gebrochen Aqz. xxü 100. die dort
skizzierte grenze des endungslosen gebieles an Nahe, Saar, Muse)
gilt auch hier (nur mit der änderung Pfalzburg) bis Braubach,
dann aber fäuft für gefallen die liuie westwärts und zwar sehr
unsicher über Cochem, Dann, Prüm, also südlicher als jene,
endungslose formen aufserdem öfter am Westerwald; ferner in
Mecklenburg und Vorpommern (hier neben -11 auch -VI, -Wl:
vgl. u. felde Anz. xix 287, also nicht endungsabfall, sondern ein
assimilationsprocess), dgl. in der Östlichsten provinz Sachsen in-
mitten Seyda-Prettin-Schlieben und vereinzelt noch nördlicher in
die mark Brandenburg hinein. Übergang in die schwache flexion
zeigen zwölf orte zwischen Salzwedel und Dannenberg (falü),
zwölf orte nördlich von SVith (geßli), 18 orte bei Falkenberg
i. L. (geßU); vgl. gelaufen Anz. xxiv 125 o.
Dass in dem oben beschriebenen sonderbezirk zwischen Bot-
haargebirge und Vogelsberg, statt der sonstigen dortigen endung
'e<C'^f bei gefallen vielmehr -n bewahrt war, erklait sich na-
türlich aus dem alter der synkope gefalln, die bereits vorhanden
war, als -en zu -e werden sollte, in einem grofsen mittleren
teile des bezirks ist diese früh synkopierte form gefaUn weiter
assimiliert zu gefann : so im Süden innerhalb der gegebenen grenze
von Herbom bis Herbstein und nordwärts etwa innerhalb Herborn-
Hatzfeld- Herbstein, doch ist diese scheide sehr unsicher, auch
fehlt es nicht an gefalln- und ^e/isZ/e-ausnahmen. anders hingegen
ist das fehlen des alten U in folgenden fällen zu beurteilen :
zwischen Salzwedel und Wittingen hat eine gruppe von ca. 20 Ort-
schaften ßn, womit man vgl. soot u. salz Anz. xix 100 u., bad a.
bald ib. 283 u., fead u. felde ib. 286 o., twöaf u. zwölf Anz.
XXI 275, köt u. kalte ib. 279 u.; alle diese stellen (dazu noch
u. alte ib. 276 Q vgl. ferner für gefaun gefoun (gruppe von neun
orten zwischen Schwiebus und Bentschen) und in Schlesien ver-
sprengte geßn, auch für ganz vereinzelte gfaua bei Kissingen und
gefaue zwischen Meiningen und Zella. zur bair. mouiüierung des
/ endlich (gfoin, gfojn, gfäOn uä.) vgl. Anz. xxi 275 und xxiv 261 f.
Der stammsilbenvocal bat dehnung erfahren im gebiet der
Haase, besonders um Quakenbrück und Fürstenau (fälen\ in der
mark Brandenburg um Treuenbrietzen uud Luckenwalde und an
der Oder um Fürstenberg (jeßln), vereinzelt im nördlichen könig-
reich Sachsen (gefäln), vor allem aber in einem grorseren gebiete
1
33S BERICHTE ÜBEB WE?CKERS SPRACBATLAS XVIII
des Westens, das ganz oder teilweise uns schon oft mit dehnung
alter kürze in geschlossener silbe begegnet ist (vgl. Anz. xix 98.
102. 202. 283. 355. xx 208. xxi 163. 266. 276. xxii 99) : sein
äufserster nordwestzipfel ist das o. erwähnte gefäli bei SVith,
sonst ist es zu umziehen durch eine curve, die etwa von Prüm
über Daun ostwärts an die Mosel läuft und weiter aufwärts durch
Mosel, Saar, Nied gebildet wird, wenn auch vereinzelte belege
noch darüber hinaus in das gebiet des Hochwaldes greifen (ge--
ßlen, gefäl, bei Diedenhofen auch gefaol, gefaul); endlich süd-
östlicher um SAvold und Falkenberg (geföl gefäl, geföU gefaU).
Im übrigen zeigte ein vergleich der bisherigen paradigmen
mit kurzem a (Anz. xxv 392), dass seine gestaltung in gefallen
wider eine gröstenteils individuelle ist; selbst Wörter mit folgendem
/ {salZf bald, alte, kalte) zeigen nur hier und da gleiche oder ähn-
liche entwicklung, auch wenn ihr worlkörper durch assimilation
(zb. balle) dem unseres participiums anscheinend so nahe gerückt
war. es ist also sehr die frage, ob ich recht daran tat, die ab-
weichungen zwischen was und salz lediglich dem { des letzteren
zuzuschieben (Anz. xix 100. 282). mithin beschränk ich mich
hier am besten wider auf mechanische beschreibung der gefaUen-
karte, da zahlreiche a- paradigmen bis zu einer generellen be-
trachtung noch abgewartet werden müssen.
In Niederdeutschland überwiegt a. Oldenburg hat u mit aus-
nähme des Jeverlandes, das öfter a als u schreibt, und des sQd-
teiles um Kloppenburg und Vechta, dem a oder a (s. o.) zukommt,
das u setzt sich rechts der Wesermündung fort, hier mit o
wechselnd, also wol =su, ungefähr bis Bremen-Rotenburg-Bremer-
vörde-Bergedorf-Travemünde und gilt dann für alles nördlichere
land; nur die Probstei bevorzugt a. die gezeichnete ecke bei
Bremervörde hat bis Rotenburg -Bergedorf o; auch der umkreis
Bergedorf- Bleckede- Schwerin -Travemünde bevorzugt o, in der
preufsischen hälfte mit u und in der mecklenburgischen mit a
untermischt, der mecklenburgisch-pommersche ausschnitt Wismar-
Müritzsee-Friedland-Misdroy schreibt o, daneben vereinzelt u und
im westlichsten teil öfter a. in Pommern hat der bezirk Bublitz-
Stolpemündung-Lauenburg-Bütow-Bublitz u (seltener o), das sich
dann in schmalerem streifen gen so. bis gegen Schweiz fortsetzt,
das nördlich und östlich sich anschliefsende land hat bis ans
Frische hafT und an die hochpreufsische grenze o, nur zwischen
dieser und der untersten Nogat ti. endlich gilt o noch für einen
schmalen streifen an der holländischen grenze von Gronau bis
Stadtlohn, sowie für die Harzgegend um Hasselfelde, Wernigerode,
Blankenburg, Halberstadt, Schwanebeck, Oschersleben, Kroppen-
stedt. der rest hat a, das zahlreicher nur in dem o. frei ge-
bliebenen stück Mecklenburgs mit o durchsetzt wird.
Auf hd. boden hat ganz Schlesien o (seltener oa)^ das gen
w. bis Schwerin a. d. W.-Guben-Huskau-Wittichenau reicht, das
BERICHTE ÜBER WENEERS 339
kOnigreich Sachsen schwankt zwischen a, oa, ä, o, wovon oa rechts
der Elbe, a im n. und sw., sonst o überwiegt, das angrenzende
Thüringen bevorzugt o gen n. bis in die höhe von Naumburg,
gen w. bis an die Saale, gen s. etwa bis Saalfeld-Crimmitschau,
sonst sind die ä, oa, o gegenüber herschendem a selten, im
königreich Bayern wird zumeist o, seltener a geschrieben nur süd-
lich von Regen und Donau, soweit die endung -n galt (s. o.), in
allen nördlicheren gegenden herscht a und die o, ä sind ausnahmen,
fügen wir noch hinzu, dass diese trübungen (zt. mit dehnung,
worüber o.) um Falkeuberg und SAvold in Lothringen herschen,
vereinzelt im Siegerland auftreten, sowie in der Rheinprovinz bei
Waldfeucht und Heinsberg und nördlich von Erkelenz, so bleibt
nur übrig, allem andern lande auf der skizze so gut wie reines
a zuzuteilen.
Als Synonyma treten auf gestürzt öfter in Westfalen, ge-
schmissen einige mal im Siegerland, am Taunus und an der Nahe,
vor allem aber das alemannische kheit (di. geheit, vgl. Wb. d. elsäss.
mdaa. i 313), das im Elsass (nur im nordteil bis zur Moder ist
es selten), in Baden von Achern an gen s. und in den angren^
zenden schwäbischen landschaften etwa bis zum umkreis Freuden-
stadt-Balingen-Ehingen-Lindau herscht.
Die Dänen schreiben follen, fällen (auch mit -Id- oder -/eU^);
die Friesen auf Sylt, Amrum, Föhr fälen, auf dem festland gegen-
über Sylt falen (auch mit -r/-), auf der übrigen küste und auf
den Halligen feien, im Salerland falen.
81. heute (satz 15. 25. 38).
Zu gründe gelegt ist satz 15, die beiden andern sind überall
zu ersatz oder controle herangezogen.
Statt heute hat der nordwesten von tage uä. die gröstenteils
scharfe grenze verläuft zwischen (orte auf der heute-seiie cursw) :
Heinsberg, Dahlen, Dülken, Viersen, Gladbach, Crefeld, Ürdingen,
Duisburg, Angermund, Ketlwig, Ratingen, Gerresheim, Mettmann,
Höhscheid, Burg, Remscheid, Rade v. wald, HOckeswagen, Wipper-
fürth, Gummersbach, mit ikjich bis Medebach, dann Fürstenberg,
Corbach, Landau, Volkmarsen, Zierenberg, Grebenstein, Hofgeismar,
Trendelburg, Borgholz, Carlshafen, ungefähr mit der Weser bis
Bodenwerder, weiter Hameln^ Oldendorf, Münder, Rodenberg,
Wunstorf, Hannover, Burgdorf, Celle; von hier an wird die grenze
unsicher : will man alle letzten von ^a^e-ausläufer mit hinein-
uehmen, so verbinde man etwa Celle, Olzen, Hitzacker, Bleckede,
Rehna, Travemünde, aber nur bis Celle-Lüneburg-Bleckede-Mölln-
Harburg-Siade-Oldesloe-Kiel sind jene formen in der überwiegen-
den mehrheit. Aeu/e-eindringlinge sind schon überall in dem
gebiet anzutreffen, am seltensten im sw. und in Ostfriesland; ja
an der Haase in einem bezirk um Quakenbrück und Osnabrück,
der Hasel ünne, Fürstenau, Ibbenbüren, Versmold, Melle, Diepholz,
Vechta, Rloppenburg nicht mehr miteinschliefst, ist hüte das üb^
33S BERICHTE ÜBER WENKERS SPRACBATLAS XVIII
des Westens, das ganz oder teilweise uns schon oft mit debnung
aller kürze in geschlossener silbe begegnet ist (vgl. Anz. xix 98.
102. 202. 283. 355. xx 208. xxi 1Ö3. 266. 276. xxii 99) : sein
äufserster nordweslzipfe! ist das o. erwähnte gefält bei SVith,
sonst ist es zu umziehen durch eine curve, die etwa von Prüm
über Daun ostwärts an die Mosel läuft und weiter aufwärts durch
Mosel, Saar, Nied gebildet wird, wenn auch vereinzelte belege
noch darüber hinaus in das gebiet des Hochwaldes greifen (ge-
ßlen, gefäl, bei Diedenhofen auch gefaol, gefatd); endlich süd-
östlicher um SAvold und Faikenberg (gefol gefäl, geßlt gefoU).
Im übrigen zeigte ein vergleich der bisherigen paradigmen
mit kurzem a (Anz. xxv 392) , dass seine gestaltung in gefallen
wider eine gröstenteils individuelle ist; selbst Wörter mit folgendem
/ (salz, bald, alte, kalte) zeigen nur hier und da gleiche oder ähn-
liche entwickluDg, auch wenn ihr worlkörper durch assimilation
(zb. balle) dem unseres participiums anscheinend so nahe gerückt
war. es ist also sehr die frage, ob ich recht daran tat, die ab-
weichungen zwischen toas und salz lediglich dem { des letzteren
zuzuschieben (Anz. xix 100. 282). mithin beschränk ich mich
hier am besten wider auf mechanische beschreibung der gefaUen-
karte, da zahlreiche a- paradigmen bis zu einer generellen be-
trachtung noch abgewartet werden müssen.
In Niederdeutschland überwiegt a. Oldenburg hat u mit aus-
nähme des Jeverlandes, das öfter a als u schreibt, und des süd-
teiles um Kloppenburg und Vechta, dem a oder a (s. o.) zukommt,
das u setzt sich rechts der Wesermündung fort, hier mit o
wechselnd, also wol =sä, ungefähr bis Bremen-Rotenburg-Bremer-
vOrde-Bergedorf-Travemünde und gilt dann für alles nördlichere
land; nur die Probstei bevorzugt a. die gezeichnete ecke bei
Bremervörde hat bis Rotenburg -Bergedorf o; auch der umkreis
Bergedorf-Bleckede-Schwerin-Travemünde bevorzugt o, in der
preufsischen hälfte mit u und in der mecklenburgischen mit a
untermischt, der mecklenburgisch-pommersche ausschnitt Wismar-
Müritzsee-Friedland-Misdroy schreibt o, daneben vereinzelt u und
im westlichsten teil öfter a. in Pommern hat der bezirk Bublitz-
Stolpemündung-Lauenburg-Bütow-Bublitz u (seltener o), das sich
dann in schmalerem streifen gen so. bis gegen Schwetz fortsetzt,
das nördlich und östlich sich anschliefsende land hat bis ans
Frische baff und an die hochpreufsische grenze o, nur zwischen
dieser und der untersten Nogat u. endlich gilt o noch für einen
schmalen streifen an der holländischen grenze von Gronau bis
Stadtlohn, sowie für die Harzgegend um Hasselfelde, Wernigerode,
Blankenburg, Halberstadt, Schwanebeck, Oschersleben, Kroppen-
stedt. der rest hat a, das zahlreicher nur in dem o. frei ge-
bliebenen stück Mecklenburgs mit o durchsetzt wird.
Auf hd. boden hat ganz Schlesien o (seltener oa)^ das gen
w. bis Schwerin a. d. W.-Guben-Huskau-Wittichenau reicht, das
BEBICHTE ÜBER WENEERS 339
köDigreich Sachsen schwankt zwischen a, oa, ä, o, wovon oa rechts
der Elbe, a im n. und sw., sonst o überwiegt, das angrenzende
Thüringen bevorzugt o gen n. bis in die höhe von Naumburg,
gen w. bis an die Saale, gen s. etwa bis Saalfeld-Crimmitschau,
sonst sind die ä, oa, o gegenüber herschendem a selten, im
kOnigreich Bayern wird zumeist o, seltener a geschrieben nur süd-
lich von Regen und Donau, soweit die endung -n galt (s. o.), in
allen nördlicheren gegenden herscht a und die o, ä sind ausnahmen,
fügen wir noch hinzu, dass diese trübungen (zt mit dehnung,
worüber o.) um Falkeuberg und SAvold in Lothringen herschen,
vereinzelt im Siegerland auftreten, sowie in der Rheinprovinz bei
Waldfeucht und Heinsberg und nördlich von Erkelenz, so bleibt
nur übrig, allem andern lande auf der skizze so gut wie reines
a zuzuteilen.
Als Synonyma treten auf gestürzt öfter in Westfalen, ge-
schmissen einige mal im Siegerland, am Taunus und an der Nahe,
vor allem aber das alemannische kheit (di. geheit, vgl. Wb. d. elsäss.
mdaa. i 313), das im Elsass (nur im nordteil bis zur Moder ist
es seilen), in Baden von Achern an gen s. und in den angren^
zenden schwäbischen landschaften etwa bis zum umkreis Freuden-
stadt-Balingen-Ehingen-Lindau herscht.
Die Dänen schreiben follen, fällen (auch mit -Zd- oder -/Ä-);
die Friesen auf Sylt, Amrum, Föhr fälen, auf dem festland gegen-
über Sylt falen (auch mit -rZ-), auf der übrigen küste und auf
den Halligen /e/en, im Saterland /Vifen.
81. heute (satz 15. 25. 38).
Zu gründe gelegt ist satz 15, die beiden andern sind überall
zu ersatz oder controle herangezogen.
Statt heute hat der nordwesten von tage uä. die gröstenteils
scharfe grenze verläuft zwischen (orte auf der Aeti/e-seite cursiv) :
Heinsberg, Dahlen, Dülken, Viersen, Gladbach, Crefeld, Ürdingen,
Duisburg, Angermund, Kettwig, Ratingen, Gerresheim, Mettmann,
Höhscheid, Burg, Remscheid, Rade v. wald, Hückeswagen, Wipper-
fürth, Gummersbach, mit iklich bis Medebach, dann Fürstenberg,
Corbach, Landau, Volkmarsen, Zierenberg, Grebenstein, Hofgeismar,
Trendelburg, Borgholz, Carlshafen, ungefähr mit der Weser bis
Bodenwerder, weiter Hameln^ Oldendorf, Münder, Rodenberg,
Wunstorf, Hannover, Burgdorf, Celle; von hier an wird die grenze
unsicher : will man alle letzten von ^a^e-ausläufer mit hinein-
uehmen, so verbinde man etwa Celle, Olzen, Hitzacker, Bleckede,
Rehna, Travemünde, aber nur bis Celle-Lttneburg-Bleckede-Möiln-
Harburg-Stade-Oldesloe-Kiel sind jene formen in der überwiegen-
den mehrheit. Aeu/e-eindringlinge sind schon überall in dem
gebiet anzutreffen, am seltensten im sw. und in Ostfriesland; ja
an der Haase in einem bezirk um Quakenbrück und Osnabrück,
der Haselünne, Fürstenau, Ibbenbüren, Versmold, Melle, Diepholz,
Vechta, Rloppenburg nicht mehr miteinschliefst, ist hüte das üb-
340 BERICHTE ÜBER WENKERS SPRACHATLAS XVIII
liehe, van dage ausnabme. aufserdem findef sich zwischen Nieder-
rhein und Weser, besonders in der westlichen bälfte, Öfter nu
(bei Neuenhaus an der Vechte nouw uä.).
Von jenem grofsen nordwesldeutschen gebiet ist ein sttd-
streifen abzutrennen durch die linie (südliche orte cuniv) Mett-
mann, Elberfeld, Ronsdorf, Lüttringhausen, Rade v. wald, Brecker-
feld, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Attendorn, Plettenberg, Arnsberg,
Meschede, Eversberg, VVarstein, Brilon, Wünnenberg, Stadtberge,
Rhoden, Peckelsheim, Borgentreich, Borgholz : er bat in seiner
grOfseren östlichen hälfte dün dag, um Hedebach düön dag, an der
obersten Lenne düin, düen dag, um Olpe und Meinerzhagen din,
dien dag, bei Wipperfürth und Gummersbach diesen dag, um
Remscheid dön dag. in dem übrigen von tage-gMei beschränke
ich mich bei der buntscheckigkeit der Schreibungen hier auf fol-
gendes, für die präposition folge man der oldenburgischen landes-
grenze von der Wesermttndung aufwärts bis zum Dümmersee, dann
gen 0. der nordgrenze der provinz Westfalen, hierauf der Weser
aufwärts : links dieser scheide ist van die herschende form und
von ausnähme, rechts umgekehrt, aufserdem überall versprengt
ven und von, wol Schreibungen reducierter formen, im t7on-gebiet
auch vun, ferner vom, vern, ver uvä. das substantivum verliert
öfter sein -g- südöstlich von Hagen-Wunstorf, am regelmäfsigsten
in der nachbarschaft von Paderborn, Driburg, Nieheim, Brake],
Borgholz, Peckelsheim {van dae); gelegentlich auch in Schleswig-
Holstein (von da), die dativendung fehlt im allgemeinen inner-
halb der üblichen grenzen : im niederfränkischen, rechts der untern
Weser und Aller, wenn auch die ufer beider noch genug aus-
nahmen zeigen, und nördlich von Emden- Varel; schwanken süd-
lich dieser liuie und in Westfalen, als besonderheit kommen für das
oldenburgische nördlich vom 53 breitengrade zahlreiche van dag{e)n
hinzu, in Ostdeutschland hat allein das delta der Weichselmündung
nebst etlichen küstenorten westlicher bis Danzig von dog, von doag.
Bei heute vgl. zum schwund des anlautenden A- auf ehemals
slavischem boden Anz.' xix 106.
Sodann sei die endung vorausgenommen (vgl. zuletzt Anz.
xxiii 218). die grenze zwischen geschwundenem und erhaltenem -e
stimmt in Nord- und Ostdeutschland zu der für gänse Anz. xvni 408
beschriebenen (bis auf die belanglosen änderungen Wittingen,
Fehrbellin, Schönfliefs, Soldin, Driesen, Liebenau, Kobylin). die
in Mitteldeutschland stimmt von Ilmenau an gleichfalls, während
ich den westlicheren teil besser hier in seinem individuellen ver-
laufe gebe (endungsorte cursiv) : Hilchenbach, Berleburg, Laasphe,
Biedenkopf, Dillenburg, Wetter, Harburg, Kirchhain, Amöneburg,
Neustadt, Treisa^ Borken, Homberg, Schwarzenborn, Rotenburg,
Sontra, Creuzburg, Treffurt, Mühlhausen, Sehlotheim, Thamsbrück,
Langensalza, Tennstedt, Gebesee, Erfurt, Gotha, Arnstadt, Ohrdruf,
Flaue, Ilmenau (vgl. Anz. xx 216. 222 und für das thüringische
BERICHTE ÜBER WENKERS SPHiCHATLAS XVIII 341
Stück Zs. 39, 2810* a^^i* als besond erbeil kommt lür heute \i\nm
die enduDg -e im preufsischen (ca. vom 36 längeograde ati), die
nur im w. uod s., bis zur bochpreur^ischcu üordgrenze, mit
enduDgslosigkeit bunt wechseil : dort kaim -e nur auf -en zurück*
gehn (ygi. mnd. huden, mnl. heden, hudm). dies -(e)n Ündel sich
ferner an der Oder elwa iDmillen CUsirin, FraDkiurt, Fürsieo-
berg, Reppen, Soooenburg uod yereiitzeller nürülich der untern
Wartbe und Netze, sowie in der provinz Poscd. endlich -€ (-df^-a)
oft im Oberelsass, etwa südlich Kaisersberg-Markolsheim, und ver-
einzelt auf dem andern Rheinufer, besonders bei Kandern und
Lörrach, zur erklärung dieses -en vgl. Franck Tijdschr. v. ned.
taal- en letterk. 15, 52 fr. 66, 1.
Im ud. stimmt die yocalische geslalt des wertes im allge-
meinen gut zu leute (Anz. xx 219f). nur die mecklenburgischen
und pommerschen üe sind hier ganz vereinzelt; es fehlt der eu-
streifen bei Wilsnack und Ruppin; das gebiet der westfälischen
diphthongierung ist hier eingeschränkter als bei leute, sie ist süd-
lich von Trendelburg- Osterode nur noch ausnähme gegenüber
herscbendem ü^ und die für das Leinegebiet oberhalb Göltingen
dort aufgeführten eu fehlen hier ganz; der schmale streifen zwischen
dem dün efa^-gebiet und der ft/tcA-linie hat gegenüber den lade
hier bei Corbach und Landau hüdde, sonst von Sachsenberg über
Fürslenberg, Sachsenhausen, Freienhagen,Wolfhagen,Zierenberg bis
Grebeustein und Immenhausen hödde (im w. auch höde); endlich
im w. und s. von Danzig etliche gekürzte hitt, sowie hüt oder
hüte vorhersehend zwischen Weichsel und hochpreufsischer grenze.
Um so aufßilliger geht der nd. cousonantismus in leute und
heute auseinander : alle die weiten gebiete, die dort d oder r oder
j oder ausfall des dentals zeigten « haben hier bis zur Weichsel
(ebenso wie schon oben die Aä/e-eindringlinge im van da^e-gebiel)
consequentes hd. tl vereinzelte d in der mark Brandenburg fallen
dem gegenüber kaum auf. um so mehr aber der oben erwähnte
kleine district an der Oder bei Frankfurt, der die enduug -en
aufwies : er bat d und erinnert mit seinem Heiden wider an das
dort citierte mnl. heden, huden. dem entspricht es vortrefflich,
dass auch das niederpreufsische mit seiner endung -e <] -en das-
selbe d combinierl {htde; nur der äufserste osten um Gumbinnen
und Goldap, der häufig schriftdeutsche einflüsse verrät, hat mehr
hite, vgl. zuletzt Anz. xxiv 120 o.) : ein hinweis auf holländische
colonisten von seltener deutlichkeit.
Die unter eis Anz. xvm 409 begrenzte tihd. diphthongierung
gilt nördlich der Mosel nur so weit, als nicht durch die guttu-
ralisierung des folgenden dentals vocalkürze eingetreten ist (s. u.
und vgl. unter leute Anz. xx 219); erst zwischen Blankenberg
a. d. Sieg und Altenkirchen wird die grenze wider der allgemeinen
diphthonglinie ähnlich; doch ersetze man das unter eis gegebene
hessische stück von Hallenberg bis Frankenau hier durch Hallen-
342 BBRICHTE ÜBER ZENKERS SPRACHATLAS XVUI
berg, Battenberg, Frankenberg, Rosenthal, Frankeoau; sonst sind
gegenüber eis als unmittelbare grenzorte zu ändern Flaue, Cölleda,
Zerbst, Herzberg, Schlieben. die hochpreufsische dipbtbongierung
(heü, heite) stimmt zu eis. die Scheidelinie der sQddeutscben lauft
in Lotbringen wesentlich südlicher als sonst, nämlich zwischen
(diphthongierende orte cursiv) Btisendorf, Bolcben, SAvold, For-
back, Saaralben, Buckenheim, Bitsch, dann übereinstimmend mit
eis bis zum Schwarzwald; für den rest vgl. HFischer karte 14.
Die besonderheitcn des vocalismus von heute, die sich aus
dem ursprünglichen umlautsmangel seines alten diphthongs er-
klären, sind zu vergleichen mit denen unter /Incer Anz. xxii 1 03 f
(resp. nichts xix 207). dem dortigen fuer um Siegen steht hier
hö gegenüber (im südzipfel hü), für seine diphthongierte fort-
Setzung mag gen sw., s. und so. bis an den Vogelsberg die unter
feuer gegebene skizze ganz ungefähr auch hier gelten; vom
Vogelsberg nordwärts läuft die au-grenze (mehr zur nattf-grenze
neigend) zwischen (ati-orte cursiv) Herbstein, Schotten, Grünberg,
Bomberg, Kirtorf, Kirchhain, Neustadt, Rauschenberg, GemQnden,
Bosenthal, Frankenberg, Battenberg, Hallenberg; im südwestzipfel
des ganzen bezirks mehr ou als au; aufserdem überall schon eu-
oder et-ausnahmen, zumal in den Städten, die kleine au-enklave
zwischen Nastätten und Braubach wie bei feuer : aber sie bildet
hier den rechtsrheinischen ausläufer eines grofsen linksrheinischen
au-bezirks, der die beiden kleinern /auer -districte an der Mosel
mit einschliefst, seine südostgrenze stimmt vom Rhein ab, nur
die umgegend von Oberwesel und Bacharach noch einschliefsend,
im allgemeinen zur moselfränkischen wat-Wuie (Anz. xix 97), nur
im äufsersten sw. hat die nachbarscbaft von Bolchen und Falken-
berg, nach mafsgabe der oben gegebenen diphthongierungslinie,
hüt, und hieran schliefst sich noch südöstlich über die tool-liuie
hinaus hutt so, dass Saaralben, Finstingen, Saarburg von ihm
nicht mehr erreicht werden, die nordgrenze läuft von Boppard
nach Mayen, nördlich an Dann vorbei, südwärts auf Trier und
westlich von ihm auf die luxemburgische grenze, das so abge-
trennte grofse haut '^eh\ei zeigt (neben vielen eu- und «i-ein-
dringlingen, besonders an den Moselufern von Berncastel abwärts,)
in der östlichen hälfte oft haut und bei Diedenhofen hott, von
seiner nordwestecke aus wird noch ein streifen mit hock um Prüm
und hockt westlicher bis an die reichsgrenze vorgeschickt.
Die ähnlichen erscheinungen im obd., die bei feuer im schwäb.
und bair. eine so grofse rolle spielten (Anz. xxii 103 0« sin<l hin-
gegen hier bei heute zu ganz dürftigen resten zusammengeschrumpft:
der grund ist der dortige zusammenfall von heute und heint (vgl.
HFischer karte 25 und Anz. xxiv 264). altes huit herscht nur
noch in zwei kleinen bezirken, von denen der eine etwa inmitten
Balingen, Friedingen, Stockach, Pfullendorf, Sigmaringen, Gammer-
tingen ligt (seine südhälfte war bei feuer aufKIligerweise gerade
BERICHTE ÜBER WEISKERS SFHACQATUS IVIlt 343
•et-ausnahme), der andre am obern Hier mit Immenstadt als miUeU
puDCt und Kempten, Leutkircb, Isny noch eiaschliefseniJ, dazu
ein kleiner huat-, Aue^district am Bodensee zwigcheo Friedrichs-
hafen, Tettnang, Lindau (vgl. unter fetter), umschlogsen von einem
gröfseren bezirk mit hiat, Met, hiöt uäi., der Markdorf und Ravens-
burg nocb umfasst und östlich davon bei Leutkircb au das tT-
wähnte huit stOfst (HFischer karte 14). aufserhalb dieser kleinea
gebiete findet sich huit nur ganz vereinzelt im sdülichen schwä-
bisch (neben ständigem fiait usw.), im bairischen g^r uidit mehr.
Der genannte ersatz von heute durch heint gilt für das schwä-
bische Sprachgebiet und für das kgr. Bayern mit ausnähme des
von der ungefähren linie Rotenburg ob d. T. - Mellrichstadt links
gelegenen teils, wo die Aetit^-formen ausnahmen sind, sie werden
im schwäbischen selten, in Bayern häufiger mit ihrem etymolo-
gischen n geschrieben ; sonst genüge für ihre lautliche gestalt ein
Hinweis auf wein Anz. xix279fi'. sie verschulden es, dass die
Anz. XX 218 versuchte skizze von bewahrtem eu gegenüber ent-
rundetem et hier natürlich nicht zutrefi'en will, über Bayerns nord-
grenze hinaus noch vereinzelte hent bei Schleiz, hente bei Gera, und
rechts der Mulde im kgr. Sachsen und in Schlesien etliche hinte.
Wir kehren jetzt zu dem vergleich mit leute zurück, der
zweite absalz dieses artikels (Anz. xx2i9Q erfordert für heute
mutatis mutandis folgende änderungen. das hess.-thüring. gebiet
mit vocalkürze, das dort im gegensatz zu Muser (hisser) fast ganz
fehlte, ist hier bei heute wider vorbanden, wenn auch nicht ganz
so grofs als bei dem letztgenannten : man ziehe seine nordost-
grenze etwa von Worbis nach CoIIeda; der gekürzte vocal ist aber
nicht wie bei hisser fast durchgängiges t, sondern westlich von
Neukirchen -Rotenburg -Witzenhausen e (dh. die entrundete fort-
setzung des für den nd. streifen von Sachsenberg bis Immenbausen
oben erwähnten Ö). den vereinzelten lett, Idtt bei Diedenhofen
entsprechen hier die oben erwähnten hott, zur Verteilung von t
und ü im süddeutschen monophthonggebiet vgl. jetzt Streitschrift
s. 44 f. dem reinen t bei leute im Elsass steht hier von Harkircb-
Schlettstadt südwärts Wechsel von e und t gegenüber, zt. mit en-
dung (s. 0.), also hette hidda usw. : das ist lautlich nicht — i heute,
sondern = ndl. heden^ worüber Franck Tijdschr. 15,520.
Auch für den consonantismus beschränk ich mich noch ein«
mal auf das citat Anz. xx 220 — 222, was ich für diejenigen leser
ruhig tun darf, die eine fetc^e-skizze zum vergleich bei der band
haben, namentlich der bezirk der ripuariscben gutturalisierung
deckt sich bei beiden paradigmen gut; den leckt und leck an der
Schnee-Eifel entsprechen hier gröstenteils die oben erwähnten
h4fckt und hock, den leur, leir in der Pfalz um Kusel und Baum-
holder stehn hier lediglich heut, hext (resp. haut, hout) gegenüber.
Bei der hiermit beendigten skizze hab ich nur grobe um-
risse geben können; die Aeii(e-karte ist eine unsrer buntesten und
^
gZM.'jr: .iz. -»i^iz* T^%m,:^^rL^ar snL
<i«r' r«nii* iMCi ^oi •«. ztas irv. «c. ■■:: Ai:. Abi:, JWt; iat,
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fiiriüi»^tfjirr«f2 zi o^j «»er uu- ««c u aer Tifhaii irihl; UA
M. HViti: A^a 0» mtiurMcii- MemseiM«:: m^ Ihiiibi UAki
NviilM'M /ll- UD Aacu*L Ml ruL ImjMDei^ te CMfalBlL, Üfl
iiri ]iuN»^Mjijr;. kudjicii«- aüo- im- i^^bu, kÄi bb WaUfarill, Utes
f f'suiifsijiH'r:.. /lö un fiticueiiMCL a^ mr Siere&. iftdUcfaer («
iici. vui. Uaijeer #ü., jfei. «(. üi^ AlienfcircäcD Awt;
aM'i!«bif;! tia' in. l. oi* enrf zur uOiif tod Mntai
w. In»- frtw;i liaciieuiiurj^'^efrieriiun^-Eiw kmu, kamt
\ny «■iwci Liii*^(jrüuiier:.'-kircuiiaiij mu, du Qiin^ai
/laiir; im no. lou.'«h Aerrv vol Fraokeniiecp fatf ~
Koiviiliur;; , /lec/df^ voi. Wjiauusei. über IKaliieok und CmwI M
H'iizeuliauHeii uiic Liciii«Dau; kiäät aL der ofaeniBD Leue, Utt
von hoiitrd üiier Ireflur: bit^ MüiilDauaeo und von Tcmwledl llbe
Lrtun hih Plauf: ; A?r/ vol Fuida Otier Bersfeid imd fiiMBKh In
i>«Üia; kült uu(i küt vol der nbersteu Fulda Olier fmiinwIkaliHi M
zum lieuiistie^' ; h\te vol der fiainkeite zmn Hsr nnd weitfl* Wh M
Dan. edat\ lüot, edou, tdou \xk. fries. auf Sylt
Aniruni äalany, auf Führ da/m^, äaleng, auf den blligen <
auf dei küfitf ^'egeuüber Sylt dding, dä!mg, tfldlinher
iielliny. dellmy, ini Saierlanii diöf/i^, de/tjf, deiii^. (fonaetximg Grigt)
Marhur;: i. U. Fmn. Wi
Am i;; juli 6tari> im 73 lebcnsjahre Kabl Amjgos
lii den ttinizi^ei und Bechziger jahreu von NUrnbei^ und
eschuijif^n aus ein llcir«iger herauageber aludeulBGher und
ialf luiBc.her texte, seil 1 ST 1 kaum minder verdient um ui
schalt »h schöpf er und durch last eio menacbenalter
iieriiciien uuiversitäts- und landesbibliothek zu Strafehmifi
>ach lauerer leidenszeii ist am 27 juli, 66 jähre all, pra
<^AHL CBRisTlA^ Redlicu ZU Hanibur^r verschieden, der au
nete kennet der htteratur des IS jhs., einer der eraleD
aer l»esten. ihe der streng philolofrischen bebandlang
autoren zu reciit und ansehen verhelfen haben.
Am 2v ausrust verscliied in der irrenanslall Feldiiof i
iirazer profesMtr TOr vergleichende sprachwissenKchaftCiisrAv]
FVo:'. Karl IlRuri-bring in Groningen wurde akord. {
4iey fnirls^iheii phiiido^rit- an du* Universität Bonn beiufiLB.
Iter proirssoriiiel viurde dem privatdocenten drR.M.]
4t Bfhir. verliehen.
REGISTER
Die zahlen, Yor denen ein A steht, beziehen sich auf die selten des Anzeigers,
die übrigen auf die Zeitschrift.
a in gefallen, dial. Schicksale A337f;
hohes a, s. e-laute (ä) u. ou; a:d
bei AJem. selten, häußger bei Baierii
u. Ostfranken 6 f. 10 f. 292
a latein. vortonig für o vor v A 266 n.
ä umgelautet bei Veldeke A 40
a blaut, idg. (Hirt) A 265—270
*Abecedarium Nordmannicum' A 202
Adam im reim 11
'Adam u. Eva* (GA nr 1) '.ä:'e 305
-adet^-dt 367 n.
€B ü. äy s. 0- laute
*'/4fterdingen\ s. Novalis
-age-, s. ei
akademie, s. Viamische
Albers Tundalus' : ei<iege 379; het
Hin.
Alberts 'Ulrich* : mda. 400; ei'<iege
358; gtt, liget 400 f
MAIbert A 73if
Albrechts 'Titurel' : e vor' nasal 316
alemannisch : «-laute 283 f; reime un-
gleicher quantität 6f. 10 f. llf.292;
«<£ 111 n. 2
'Alphart' : pron. im reim 35
aUam^ s. sam
altsächsisch : kl. Sprachdenkmäler A
201 ff; glossen A 202 ff, zum Wort-
schatz 131 ff. A 205 ff
Altzelle, bibliothek A 259 ff
Ambales-(Aml6da-)saga A 274
amlöfii an. *brutus' A 275 f
an u. ans mhd. 52. 58. 60
dn mhd. 401 n.
»Ander land', s. *Vom andern land'
'Anspruch des teufeis gegen unsern
herren' A 213
anat si^fis'va, wert für die kritik 68 f
apokope, mhd. nach m u. n 47 f; des
dativ-e 53. 54 u. 56; nach t 98.
100 n.; im MHelmbr. 63; nhd. vgl.
A253f
Ari frödi über die Island, calender-
reform A 271 ff
äme mhd. 297
Artus im reim 10
arzeteie 392
ätela as. 131f
'Athis' : ei < ege 347
HvAue : heimat 363; Chronologie s.
werke 36. 52 n. 66. A 42 ff; sog.
II büchlein unecht A 38 f; entwick-
lung 8. technik 66. 102. A 42 f;
rhythmik 36 f. 42. A 42 f; reimge-
A. F. D. A. XXVI.
brauch A 38 u. 41 f; zahl d. kl. u.
St. reime 36 f; rähr. reim 94; röck-
verweisungen 73; — forme! aU
. . . gezam 49 n. ; conj. des typas
gewünne^ entrünne A 40; doppel-
l'ormen im reim 50 f. 52: pronom.
im reim 35 f. 39, formworte in reim
39 n.; worte auf -heit u. 'Ueh im
reim 44. 46; apokope nach m 48f;
nach n 5t f; — a .' a 363 n.; «-laute
254. 300 (ö); ei < ege 363, kein
meide 360, kein gereit 367; er
lü, ir Uget 397, phlü 405; —
aUam im reim 66; d% 19 f; degen
m<Bre 81 n. ; garwe 1 ; geeleitj ge*
breit usw. 86 n.; gemtit 83; g*-
telletehaft 82; gewon^ gehazy ge^
rüm usw. 5 n. 32 n., reime m. ge^
won 52; hän 6. 9 n. 12. 363 n.;
hdte^ halte 102; kam 49 n.; muhte
300; ritertchaft 81 f; sam 49 n.
66; #f pron. 40 n. 2; du varst, er
vert 405; wizze Kritt 68; — zu
einzelnen werken (viele stellen un-
ter unde\) : Erec 1877 : 173 n. 1 ;
3515 : 160 n. 1 ; 7049 : 367; 8508:
184 n.l; Gregor 2373:1 n.; 2667:
173 n. 1; Kölner fiagm. (H) 117;
Iwein 1205: 173 n. 1 ; 7006 : 8t n. 2
Augsburg, Schriftsprache bis z. j. 1374
A 124^130, einteilung d. Schrift-
stücke 127 f, histor. beziehangen
128, einflnss d. kaiserlichen canzlei?
129
Aventin, s. Hock
az u. dz prät 12—25; az md., dz
obd. 24 f
Azagoue u. Zazamane 340 f
bdc, bdgen bei WvEschenbach 22 nJ
JBaechtold, charaktfristik lS5ff
bairisch : reime nngl. quant. 6 f. 10 f.
12. 34. 275; flaute 114 n. 112 n.
251 ff, bair. ^ejjtn ösierr. 277 (f;
ei<{ 275.3B0 If i tri < %« 367 tf;
gen 268 f; pht^gen^wv. 3S»0: M
111. 112. 266 in 208. 271 n. 273;
hiet 115; geti, d. pron. nach prip.
26 f. 28 f. 275 ii.
baU mhd. 84
-bar aneeps 9 n.
basen, zweisilbige idg. A 260 ff
NvBasel, einz. stellen unter unde
bSde mhd. 269
23
:i4«
RRfilHTKB
hfiHf Mihrt. 2m). :i*<| (
WvKfiiiHii r!V1iirKnn'if*) : ff-laulc :i01
ifi). A/7« I». 12; /ft :»wH; «r II. äff
40 h 2; wrhffn 'MM
N|)l»'| vnm Hfififr* : 4*;^» '.\*M
Kd**l<cRRiiynii, *AI|)lial»ftiim iiairatio-
iiiitir 420 r
hfivpfipn »wv., fiVA ff. tiinf^et im
'Mai' 205
liilirMirhiniiK nti., »i. H<*liaiitl
»r hi'rt im Nil»l. hh
Aifp^f ns, i;r2
*Hitrroir : woid' auf •hn'i im rrim
44; pmimm. im itMm I^.S w :f» .'<0l>;
r In Mir 202. 25ö: «^ t-f^r ;i7M,
OV 400 n. ; i : ♦* ;*a ; fciinrr 2 ; ^Vr
Nf»/ im r«*im OH ; koin mahtr 3o7 ;
«if* 40 n. 2
hfttrn 101. Hl ii. 2
hh'fif mhii. 71
böhmist'hr romaiitik unter doiituchrm
«Mittbiss A 70 ff
IHniirr. i|uHl4Mi II. paralirleii zu *\.
hriHpirlrn 420 4.')0 (v^l. A 17 h.
I>i»s. ans Ktirnnc df» Hrsan^'oii 42o(f
«. I.ihn^ flo los rxrmplos 42** fl;
in 4S : 424: nr ,S2 : 42:^: in 71 :
422; nr 72 : 42*^1; ni 74 : 422:
nr 7ti 421 : nrr VJ n. S.S : 423;
nrr V7 ii. M2 : 424; nr **4 : 427:
ni *l,S . 4if>: nr 07 : 42»»; ni IWi :
42^, *pr»ohhchfs : «i-laiii 3o,X:
n.r n :m.. . ffv„ V2 . ireht^hl { I S I,. :
f—Zt**"** mhil. si'b^. 2^^ i».
^HrS'-l. Nl»rro!»s»h'rt-ilin^lrstioMpli Ai^
*Hi'.l. o. riii:i*i ■ : /•-l:«iHo 1*74
»^.^»"'fr i:4- hrtfr ?0V. <>*>'. I. hfi.
V' V-».*. .Vf^«"»i *Jyi . rn». .^ I.
r^H'.-'^ ?'^ ►»rrans^rrhor o. \ov^ii>
*• > \ -.Mh
^f'.-^-^K 1»». T*'; ' rifsl^-rhrin.. Kölner
"HSV- ■ -«^ ■
•»•#»r-, • ?--;i%: -1%-m. \ 'J"!'?! V«;..
,.,-.. :j ■■..-•■:,. ^ •|f^^,,.h(,' A -i
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■•»•f. -• " ».: \*n"iTir M"..
cohmme mnl. A 115
coiilraction üb«r ^, 8. ei-^C^m^ i<
MvCraoii : «-laute 284; et < «ir« 3^>
358: apokope nach m und x 63;
garwe 2; A</to, ibvto 105; Ji« 40
11.2: kein wizze KriH 68 d.
Cynewulf, fchtet n. nnechtei (An-
dreas), wortMhatz A 255 f; Eleoe
(text) A 17Uf; Jal. 413 : A 256
d au«laut. bei Otfr. 14; coDtractioo
über d 8. eioidfille
(/aUnf uä.« friet. für ^heote'
däme f. 54
dtin II. dane 52. 58. 60; dmnm friDk.
64 II.
JOaiitiscn^ (vHöfeii),rieUtioiMo A 147 f
dürren 207
dat. sin|[. niasc. io fremdw. oollectiert
54 n. 56
de^en 76 f
dehoung d. aihd. köncD 2tt2f
dem u. ämme 51
drminatiTB, mnd. A 116 n. 2
M[ienis, portrais A 25
dirliierportrits A loff
dirhierspracbe, mbd. and auid. A
1(»4- 124
Dieimek iai reim 95. 97
^Hiewich a. Wenezian' : m <. €ige 379
*i»ielnrhs flarht' : ^laotr 252. 255:
ei^f^e 379: Ift 396.399; a:d,
kein t . I ! 34: A^ 96 n. 255 D.
2i>! n.: komu kawum 67. 263 n.
dipMhontfieruDff d. To. ac <Dihii.) 275
Pn [lohereiner Ä 136
dortekahaemeroü ^ iwölfleo A 103
doppelformen im rein 5uf. 52
Ilona r A i«4r
(tr^ffhii m>. 132
-dt' ^ -^ im prftt. n. |iarL tckv.
vrrtia S6 b.
tfvi S^. 92
Ahiirer in Baivi A 3
Rvlinrnt. heiinai 27^; sdMidet die
qnaniiiäteii 12: e-lasir 155. 278.
34IKI«.: «'Tor/255: pi>^ifr«35tt.
kei> weiirfc^ 3tki. rn/ ^ r«dta066;
/iV 3)iy. keil. pAifir 406: apokspe
nart fr. «.. r. (i5: «8 16: tr in
re»n. 4 ■ ii. ii«t: jr^Pt S: piiL
«o: «ffn 11',. Am 67: jar40B.2:
tftr ',11. «tPUj
M»e*>i*: ;55^ ■ 27>
*.laii?t
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Mi. 297 f.
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RRGrSTRR
II. e iD uns. ausgfr. 2S4f; Schrei-
bung d. ä in uns. ausgg. 295 f;
— 6-laute bei den Österreichern
104 n. 112 n. 251 — 279. 309 f :
iregenwärl. stand 257. 258 f; ^ u.
e vor h \k. g 253f. 257 f; ^ u. e
vor r u. / 256. 258 f; € vor doppel-/
252 n.; e vor hi 259; e : ^ vor t
lÜ8n. 254f; e;e255f; qiialität d.
e 251. 255 f; fremdes ^ 268. 269 f;
qualität d. m (ä) 280. 295. 305 f.
307; mittleres ä 308 f; kein ä(<F)
;c(^) 260.270.305f; ä.-oM271n.;
qualital d. d 256 f. 257. 258; m
vor / 270; -oire 275; -er in frem-
den namen 275 ; Österreich. *e-regel'
260 f. 280, ihre grenzen 259f. 276f.
278, im engern Baiern 260; —
ff-lau(e bei den Ostschwaben
260. 293; qualität d. a 298; —
e- laute bei d. Alemannen 258.
280. 283 f. 290. 292 f; Gegenwart,
stand 283 f; qualit. d. ^ 283 f. 293;
ei : ^ vor r -j- cons. 292 f; ä : e
300 IT; quaii». d. ä (a) u. « 280.
284. 293. 295. 297 f; — bei den
KIsässern 291 f. 303; — bei d.
Mitteldeutschen 258. 280 f.
285 f; md. «-regel 285. 309 f; gegen-
wärt, stand 281 f; « vor r 281 f.
283; e:^ 282. 285. 288 f. 290, zu-
erst vor r 4- cons. 292 f; 9<iehe
qualit. verschied, von mhd. e, ident.
in. md. CB 288. 290. 295; qualität
d. e 280 f; qualit. d. cb {ä) 280 f.
295. 299; cb der verba pura 281;
e.as 281. 287 f. 291; ® u. ^ ge-
schieden 284; ä:e, m : e 281.282.
285. 288 f. 290. 295. 304 ff; — bei
d. Ostfranken 260; bei d. Ost-
mitteldeutschen 293 f; bei den
Schlesiern 294; — einzelne Wör-
ter 8. u. äme^ bede, bräken^ darren^
ebeUj f^ägene, engägent', gSn, stSn,
geschäffede, gesläkte^ gnadic^ ha-
ben n. häbeie^ h^U^ -h^r u. hSr^
herre^ b^rwe, mägede, phärtj
Schemen^ »ele^ ser^ verseren^ s/^e,
sperren^ xtäbe , stwte, st^te^ t^le,
tr'ehlin^ v^rwen , wätde^ wehten,
zärrnn, zehen
e, unbejontes bei den grammatikern
von Olinger bis Adelung A 253 ff
eben u. ^ben 253 n. 264 n. 283
■ege-^ 8. ei
Evilssaga, z. kritik u. erklärung der
lausavisur A 36 ff
ei, fremdes im bairisch*österr. 375.
381f.393; in unbetonter silbe 375.
384
38Air mbi
ei:i bei Osterr
ege : f 3BT ff
f»i<i^gf*t iigf usw. 345 ff; md. kein
ätfit 347 If; vi^rhsltn. von leif, treil
zu teit bei Alem.351 f; ffttKifeg^t
356 f; md. hfif kein hiie 357; nor
ei <C. ef^" bei Öslerreirbern 3&S (;
erde < ägeäti 359 f. m' <^ age bei
Alemaniteii 361; p/ < j^g-* reimt
getrennt von »Item fi *M4; »lern.
-eit^ kern "ßide 366; reit <Z rfidet
366 f; c^ontraclion!^- M in Hciirrn-
Österr. mdartlich 367; freit <
fraget 368; verschiert, perioden d.
contraction in Baiern- Österr. 371 ff.
376. 377; ei<,ege verschied, von
ei<äge 115. 372 ff. 395 f; cb für
ei<:ege 375. 387; ei<:äde 375;
conirast d. bair. u. fränk. gebrauchs
377; CB:ei<ede(ege) 385flF; t:ei
<ege 387 ff; geine Üb. 359
eide<egede 373. 390
JvCichendorff, jugendleben u. -werke
A 16lfr
eigen namen in d. reimen d. Nib. 89 ff;
fremdein d. reimsilbe anceps 10 f.
18 f. 273
JCisengrein A 138
DvCist, pronom. im reim 43
^Elisabeth' u. 'Erlösung', Wandlungen
in d. technik d. dichters 353; reim-
technik 401 n.; e- laute 284. 304
{ä\\ ei<:ege 353. 358, fnardtf 359;
Itfi, iigf*n, Hiy gtt 401 f, kern phiü
40fi; kein a : d 2^. 401 n.; i:iB
4t)2r; u:uo 403 n.; ä% 24; präu
von hdn lOH n. 294 403; gän
Utdn)^ gt^ft {ßt^ni 353; inhie^ gtf-
(ftht 354 n.l. 358; von 401 tt.
elüäsiiisch ; «f-ttiiitr 2!^l f
'eblerfarbin' 321 f
RvEm^, wandInngen d. tt^fhnik 103;
iormworte im reim 39 n*: rühren*
dtr reim 18 n*; reime tinRleicher
quanliiit tl; «i<Ze^9 365, kein
meid« 360; i& 39^», kein pkiÜ 406;
apokope ii^ch m u, n 60; t:tt I tt
n. 2; aUamm; <2s 18; /W/m« 60;
kfin gartoe 3; keiti g«tbdr n. gt-
/fl"^70; gecUil^ gHbreii \%^%\ 86 n,;
halt* hwte 103; im utid tmv 6t|;
arjj. Hu\ "Kam 67; Jt( u. «te 40 n, 2;
fpoteit in n. 2; präl. v. itmn V^4j
kei« loiizs Kriät 68
•en, mnd. plur.-endung A S^f
enharn 270
engi'gen, s. gegene
enkli^e 42
JEnikel i ei < f^e 358 j f.* ei 394 f ;
-er in Tremden namen 275
23*
:^4s
RRAI8TER
cpithol» int Nilil. :s(. s:\\. H4 f
fr n. «f im n*im JiM
KvKrfiirt ■ //.w 30ft; ^/^ i^T' Äftiin..
KrlAHiuiK. K. KlifinMti
»KrnÄt B hnmiit? aiHn. . «.r ;UXi..
I«i»in fTtirwv \\, hdti ha*h lO.S
»Krn«! IV Olli wrrk l!%-|'.*irhrnharh>
?Hy. r-lmilt 2S4 S04lfl;. f^rfrt
3^7 . mfittr l\h\>
IvK^ohonh»!'!. : nui;*. ^Sl. 2M». vi
«I «Km».! f' 2*i<l. r-lmitr 2S4. i'^T :
304 i/r'i. 31 ;> (f vn; nnftnl
\VvK»irlH'nh«rl. IrHitk. sprsrlmiork-
mnlr «)i; I. '2Mi. HIOli. :iM>. unter
'.«■hiiMl« tt. tochnik ini Tar*. li. W|..
';o{. T2 I.. i 7n II *2. 312. H«iirtr
iiii frrltruiirli iiiihöt. wiirloi iinr
«Inppplformrn in» mm A 441. riih:.
ri'ii». »M 9ii. lormwortr in. nMn
3^« II.. fv in. rrin. 40 i».; apnkopt
niirli wy .SS I . nn^r ». .STl". ;> <1<s
«iurlv / .S;; . f|p\innslo<:r> ndl. Iiif
In arlikf'i .S.S. hohl iiirlK »ri.. wii
c'^f*t*94. frfhtf^, ptn'T^tntf u«%i. .'i ti.
3*>i. 5S r-ljiiiii ?Wi *2.S4 5si:
3I0II (lränki«trlM. 3141 U- vor niiN.i.
lipin f.w tJS«! 2S4: «./ irjh. 31::;
fj'^'fifr 3f*,Sl. kpii' mt^if/i 'MMiifTii.
hc"f 3U7. 4011. „.,; •>!.:. ki-ii- ',.•,'
34. 9t ' tti 31" fiSTf^z '1\ ii. 'J
nltrnmt .S4. ri."!. /i»# li <7»i^ fiV.
tf^hi.s in rpin 1<i. iii Ol /*//r i.
hti:*f't. ■?■ 1. I im htnftf It>i9t
iiv« . S». ii /»//j ■ nn>'('Tiv *2 . »: !
rhttu *M V //»if 1. tinif .Sv tii>irr,
hni S.4 «if '.''*•■ f»iri-t vi I,, _ ^^i/r;
i. /v.„w,,. ,~; J,Mii, i'«;»-irf 1" . keil
i'0/n. iii l*;*!/ ~i ifpvtft, s3 .
i.'»-/!'. Sv tir-., \ hfi'. Urj /i»i.
I. Ä»»// .S^. frt. I, Zw»- St. kn?i.
v" p,,m-iy,p II,. rflin 1«. uhf/y.
• II rPln -iiV »«iiff/?»». S4 AI I.
*''•' \ i.»i »il ?>ii" -jr/M/ Hl. jr//
1" !• V n'f I. *fV» ■■ \ 4*^: »vff
« ftxrhii'i. l'p|•r^t|l|■! 14" _ TSi
T.74:«i||i tvij I. »•«»/. Sv kPli
...i-l:. . U^r/M-: 3V :M4
K^-"< "i"' ■ ♦ipriihrnii;; if. •\lniiiir-|
*':^i: 11 '<f»i.. ii. \»»ii»i!ii ri"="r
t.. •\r>'<>lf.iiin^ r !•• \»MKt«ii I 3:^i»;;
\,-»'M ■iii»iMfr«Bt.«. 4V •*»».
'.! ';■»■ Pni, n\' 4S-. i:
'ili 1 i'n|iif»ri*"»»ii- i<i 'IVoiT|-»fi|.'
«.i-nnpi 1 'M ' l; *fnUi.i. p. • jfnti. «.
ftirvpv Vi. IS . ■ S.J; \\ I
TidftEgtella, *Dp Ii vinidid del Boodo'.
nherseUDOfreo A 136 fr
-fl/ u. -0n mad. pluraleodaiig A33f
f*vBnfrelienwerk, md.nsSPaiilASIOir
iiss«m, prii. fis u. & 12 — 25
inrbfodeulDDft der Mäoclwiier rnst*
predigt 192f
larhenTergleiche im Nibl. 86
HrFenib. pronom. im reim 43
*Ferhunaz A 94
KFtpck : litterar. reime z. ufuf s.
gedichtes lu; «-lante 300 («i; e
< i^r' 360 ; apokope nadi ■ n. ii
ft4: keiii a:d 10. 19; dz ISh
frartpf >; ^r»elm<, ffvkrwii idiL
Sti I..: AiUp kmte 205; «uAfe ud
MfiA^r 1U. 300; «I D. ne 40 il2:
T>a?4 dii. lU: — FJore 321&:360ii.
366
Ftorfrynn A »4
fhisefi aSlf
tlexlomtlo^ : dal. tou fremdwönem
54 11. 56: adj. Duli Ditikel K
tnrm Worte ini reim 39 u.
I^ornyrdadrap» A 169
fräsTMi, rontnrtioiMfomeD 368. 376.
38(>
triiiiktsri) is. auch rtaeiufr.. aitlr.
milieldeDtMln : e \o\ r S6H: fc
*24 : MMU-. ^«»e, Aütp 64 ii.
*eKniu : mda. 3U1 f. 354 ii.2: e laair
3111 lofi p/<. fl^fi 354 11.2: if/39%:
aiiokopt- ciarii m u. n 62it; & 2ä;
earwr 1 ; JT^re/^ 367 : prii. \. Ao
t.. Ii/i»7. 11(1: «tV 4(> U. 2; kcB
i/i/sr-f A>ü/ 6S
*Kr}iitPMli>: : p^laate 273. 2flJ ; i.«
3h3 Ii.
Hvhrribpr^ p-taaie 284. 393f. 360
«r'ri. •lahm 402 u.
Krpiilaii., /i*/ 89b. kein pUBt 406.
kein enrwr '6\ kein prii. v. Aav
iRi rem. 103: ^i' pmiMm. 40 u. 2
#'/ i.. //?/* 103
>■ reiirtenlei r • e-laute 273
KnHiil ai> TermiUler rom. Iiu. A 131
HvKritKifl) nimmt aof& oInI.
ni'h: ?i I.. 34y: reime
nnnn:. 4o4 endsilheo tau
an.eTi^ 4*«4 i-. #r.-»?28l. 494: «:f
3n4 '•.■ v.:«FP H4: 3Ä^ . ir üt 3M.
IT.' 4(i3:. vMit 4u5, äs 24: p*li
^ hm. \mu. 294.494: ■■/ 9^.
4«»4 nr 41 > I». 1*: r»« 5 u.
fy^tim I.. frtunr 57. fil 1
kiKn<«e«hniiineii : heimal 27M: apt^
knni' riflrl« »? n. n 63: e^4«ate 279.
3<Hi Ifl', : r-V flJTe »ÄS. 37«. T»!*^
tWi/ Äfii.: /f7 .^99: rf.-Ä. km i.-f
REGISTER
34; t.'ttnX; dzJ U; ke'iD garwe
3; er im reim 40 n. 1; prat. von
hdn D. tuon 112f; sie 40 n. 2;
von u. vone 63
^, coDtraction über ^, s. ei < eg«,
^^fc/i, m was gdch im Nib. 88
gär adv. bei Gotfr. Öf; bei Reimar?
9; eisässisch? 9 f. 316
gar u. garwe \ — 5
Gärtner, s. Hock
gebare 70
gebe 'fruchtbar' 276
gebeit <C gebeitet udgl. 86 n.
gebele nom.? 109
gecleit < gecleidet 86 d.
gefallen pl. prät. dialekt. formen
A 336ff
g'eg'en m. gen. d. personalproo. 26 f.
275 n.
gegene u. gägene 302. 360
gehit 33 n.
geitl 381 f. 384. 391
geistliches Schauspiel, s. Schauspiel
^e/aAe part. 349. 354 n. 358
gelcBze 70
geltch im Nibl. 30
Geliert, alte Illustratoren A 11
gemeit 83
Genesis as. v. 51fr : 342ff; vv. 185
u. 277t> : 344; vgl. Heliand
gen ixten), c-laut 268f; kein gdn
stdn in Baiern-Österreich 269, in
'Elisab.' u. *Erlös.' 353
genetiv d. pron. bei prap. 26 f. 29
II. 2. 275 n.
genadic 270
Gernol im reim 92 f
•Gerstenberg, *Ugolino' A 229, Wald-
jüngling A 232f
geselleschaß 82
gesite udgl. 32 n.
geslähie 299. 300. 308
*Gesla Garoli' der Regensburger
Schottenchronik A 256 ff
'Gesla Romanorum', zu den quellen
429 f
gethesuues as. 133
getreide 358. 371 f. 372 n.
gewon u. gewone 52 ii.
gewon u. gleichgebildete adjj. 5 n.
32 n. 58
Güelher im reim 96 n.
KGislason, Vorlesungen u. abhand-
lungen A 168 ff
gXt<:gibet 402 ff
glossen, altsächsische A 202 — 205:
SPeterer 202. 206 f, Düsseldorfer
Prudentiusgll. 202 f, Pariser Pru-
Hi»n »11 3 ^
1, e
[ 1 liici Biia
Go* SU I ,
%\i tUI"* tx : u.
U. d. llUTCItC A ß< " ^f
Verbindungen A • w« :
liehe procurator a f- '
paralipomena*235; ' uc tp«"»
A 234 f; * Neuer k-a a ;
^Sprache' A 1 18 n. 1 ; ^Vr » ukcii
d. Bakis' A 236; —
vortrage über G. A
WvGrafenberg : mda. o. 276. 356;
unterschiede der technik innerhalb
des Wig. 3. 22; nachahmer Wol-
frams 3. 84; e-laute 276; ei<ieg9^
age 356 f. 357; kein meide 360;
er Ktf ir Hget 398; apokope nach
m u. n 64; a:d 22; kein t.t 34;
ä% 22; er n. sie im reim 40 n.;
garwe 3; geeleit, gebreit udgl.
86 II.; kein geldz 70; gemeit 83;
hSt 102. 111 ; matre adj. 81 ; unde,
gebrauch 149 — 186 passim; kein
wizze Krist 68; — ^Wigdlois' 8396:
173 n.
AGraff, dichterporträts A 25
gran, t-fem. 58
'Gudrun', s. 'Kodrun'
Günther im reim 96 n.
haben, häbete 114 f. 286 n.
Hadlaub, s. minnesangerhs. G
FvHagedorn, portrats A 25
«Halbe birne', KvWörzb. nicht vf. 108
AvHaller, portrats 25 f
hamarr an. A 94 n.
Hamletsage u. Brutussage A 274 ff
hdn, prät. : 101 ff. 273. 287 n. 294,
im reim gemieden 102. 103. 104.
106; hate 102. 116. 294. 403; hit
102. HO f. 111 n, 266 o, 27t n,
273. 294; hitt 115. 294; hutie,
h^tte im IL 114. 287 n, 4(J3. 404;
hebete, häMe t|4f; h€te 102 lUb.
114; kein A^te\ lOTn* 109n. 113/.
287 n.; heiU 113 f. 366
hän f. hdn 6. 9n. 12. 363 n. 404 0.2
handschriKen aua Altzelle A*259ff;
Göttingen A 20 T; Gra? A 21 2 ff;
Kassel 146f; Köln 117 ff; Laibach
A 213; Müncb^d lS7ff. 421 : Reun
A 217; SPaul A 210 f; Voraoer
A 217; h§s.- proben bei Ifdaiiecke
A 6ff (illustraiioaen $ ff}; kl a$.
denkmaier A 201 ; z. iÜMstrition
vgl. minnesängerhss. ; erhaltung v.
hss. durch zapon A 328, lerstörang
dnrch reagentien A 329
'»■"in IIKOIsTKR
I •M'.MifriiwrH. » Niivnlih Rümfm 307 IT. I. Biliel 312. n
f.iMMiiirh ifteiMi MI« h Simiiioh A l:il I iiartnerK'nieteriflproTerbialu'SISff',
Mniftiinun. »I ^-tnni- , frtir ii. jcnrtrr j.w AvPlltin 316 fr
■' 11 hohrncnllenirlir konitdeDkmiler AT7f
h.ili.^UM . Imih. )S). '>:.:i 'n\u. hrrfian rk. 134
,. L .( '. lif'in ' .- ) im Nid. qdi. 29 f. 331.
I I llltfr'fii proTIftfll Uli fOlili 1>l ^«.
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iii mI.ii , iiiti. '>«o *'. - ,».'.■ I :i.»v
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texhr/i nMnnniie 4ö n. 1
ini»nrt> nlhnitorke A 173f
I». I. imr ft\
II »A\. kurz ini Niti. 30: bei Otfi.
ii
-if. «nfhv. »nreps ini Nib. 30 f
-n.-ir. hfl Alrawnn^n 11
iriiinrermiinpi.. nnprirbf osd nrroik
\ 1 <is tl. »itfst^ nilcnTZHfiSandk* IWilL
x-i*-wiini<Brhiifi«ivi1ialiniMe 1911!
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Iura'. vljiiMUinnf A 21i
inhiipilnnL- •. «T^rmanei u.
inffnr< A ftfit:. VBl.
Inni . ^ Xirntn»«
»- -^ wr.'rpTi..3.Sf.i.39Ä.«iik»l.3W
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REGISTEB
'Kodrun*, z. spräche u. reimtechnik:
proo. im reim 35 ; Wörter auf -keil
u. 'Uck im reim 44. 45; e- laute
252. 255. 262 n.; ei<,ege 379;
ttt 400 0.; apokope nach m u. n
«4; a:dy kein t.r 34. 262 n.; dz'i
24; duo 92; kein garwe 3; kom
87 ; vtiBre adj. 81 ; kein wizze Krisl
68. — z. kritik u. erklaranj^ : 1,4:
232; 5,1—4:233; 10—12.11,1:
234: 11, 4: 137; 13, Iff 19,3.
21, 1 :235;38,2. 48, 1: 137; 52,4.
56, 2. 57, l : 236; 79,4. 81,4.
86,4. 88, If. 98. 2: 237; 111,4.
116,2. 116,4. 117,3 :238; 117,4.
118, 2ff. 122,4. 134, 1 : 239; 141,
3. 146, 3f. 149, 4. 181, 2: 240;
186, 1 : 137. 240; 196, 3. 203, 2 :
240; 221, 1. 228.4. 281, 3 : 137;
294, If: 138; 390,2:139; 570,2ff:
141; 687, 2 : 143: 720, 1 : 143 ff;
843, 4. 855, 4 : 146
kunstprosa, antike u. ma.liche A 251 ff
Kürenberger : proDom. im reim 43;
Worte auf -Uck im reim 46
Kürenbergerstrophe 91
HermKurz, briefwecbsel m. FzPfeiffer
A 179-184
Kyot, seine 'quelleo' 323
/ (io gefallen), ausfail A 337
HvLaber : f.- ei 395
Uihte präl., s. geiaht
Lamprecht (Alex.) : pronom. im reim
43; rühr, reim 94; ei<iege 347
HvLao|seostein: reime ungl. quanliiät
11; e-laute 302 (ä>; e vor t 255;
o d. schw. w. II kurz 111 n. 2.
364; consooantumiaut 313n.; t:U
109 n. 111 n,1\ Adam, Mc\M Adam
1 1 ; 'bar anceps 9 n. ; clor anceps
21 n. 1 ; garwe l; gerett 367;
hän u. M/ 9n.; hatU heUe 109 o.;
lü 399
*Laurin' : e-laute 252. 255. 254 o.:
r.et<«gr« 387f
Laosanoe, s. Jacob
Lava t er, porträts A 25
leil < leget (g. ei < ege) fehlt io
österr. gedichten 378 f
MLenau A 323 ff
lern <: lernen 291
GELessiiiK, lebens- u. Charakterbild
A 333 ff; ein aufsatz von ihm im
•Wahrsager? A 3l9ff; 'Freigeist*
A 320
'Liber abundantia extmplorum' 425
*Libro de los exemplos' 429 f
-lieh im reim 45 f; -Iteh a. -lieh im
Nibl. 30
üvl
*Liel : ^Ls. i) : - n.
liedti, II rische, s.
/t% 8. i:
'Lohei . srhauolatz d. sa^'e 417ff;
^ m IIH 388; «-laute
^11. » .- ei <: ege 388 f ;
brühen i.; Verben 296
Ludewie •
*Ludi : P'l
[Ui. » *»* •«^ ^if e II.;
'' : ^ ,
hcit f "€t,t, ; j
hl » ' r iD G< g
Luti e-laote 252. 255. 308 (ä)
madrigal, deatsches im 17 u« 18jb.
A 84 f
JvMaerlant, atroph, gedicbte A 73 f;
über 8. reimwahl A 119
Mahmet im reim 111
mahle u. mohie 300. 301. 303. 306
n. 1. 308
'Mai u. Beaflor' : kein werk d. Pieiers
380 o.; «laute 265 f. 306 (£). 316
(e vor oas ); ^: fremdes ei 393;
lü 399; hSt 111; pflegen u. »ich
bewegen schwach ; v. 33, 5 : 265 n.
iMaioz in d. SchwaoHtteisaKe 413 ff
fuuTv^ kret. dissim. •< fia^rv^ A 267
n. 2
MalshatUkvaedi A 169
Manesse, s. mionesängerhs. G
'Maoler : i: ei < ege 392; t:U lil
n. 2
mtsre adj. 80 f
'Maria himmelfahrt' Zs. 5 : ^- laute
284. 304 (ä); ei < ege 353. 358,
keio phm 406
'Mars' der Germanco A 94
MartinsUg A 99f
maske, ideale d. dichten A 12f
m^en %. mahle
meide < mägede 357 o. 2. 358. 359 f.
372
metan {metis) as. ^aeatimare, üacere'
136
metiik, 8. Heliaod, HÖck, Monier
'Miooeburg' : e-laate 284. 290; prät.
▼on hdn 294
'Mionelehre' : st proo. 40 n. 2
miooesaog, aofloge A 130 ff : Friaol?
131, erlebtes u. cooTeotiooellea 132
miDoesiogerhat., iiluairatioDeo A 13 ff;
berkaoft o. moÜTe d. illuatratioDeo
d. hs. C 197—222
mit u. miie 51. 98. 404
mitteldeatacb : e-laate 280 L 285 f;
TF^Tn:
hm
— *-!■■■. •!-
•■ <
-.I-:. .iiiiitü. liT^v- tii'* uar V • ^. 4k aKi
L« lUii'kifrr-Ä:;::
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^tM . a-r?- =.-3^— i
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a ft
REGISTU
*Ortiiil* : hanat 2S0. 354: e-laote
279 f : «t <: e^c 354. 357 , rrit
zrtäel 366: er Ul, ir hfr^l 39S;
ff .- ^ krio I .- f 34 ; kom ST
oslfräokbdi : rrime m:d bäc6sf 6 f.
lOf; e-baie lOü: kein v.-t'34
^SOswald' ed. Ellniäll«T:äl»rriirf(rninK
u. zril 264; e-laoie 25^ 255 263 f;
ei <Z •e'^» '^^ 350; iloa kamen
263 D.; T. 2117. 2127. 2955 : 264
D. 1 ; V. 3277 : 264 d. 5
'SOsvald* ed. PfnlTer : beimat 349;
e laote 264 f; et</g^e 349
Oifrid, Sporen e. reflcHToen hs. hei
FUcios (1562t 31G: JEck kennt d.
b«. F 3 IS; Trrse »os 0 am Geoter
II iompliboj^eii (15521 31S: — qoan-
Ü!äteo im reim IST; endsilbeu an-
ceps ]3f: auslaoL d oarh voc. n.
r gilt als «ipirans 14; az 13. 19;
adr. Tu 16; kü'I 9S; warn o. odo-
wam 16; fremd «örtrr 229
Oite :ä:e 304; et < eg-e 349. 35S,
kein pklU 406: Eracl. 11S9:349
Otlokarj^^Saaie 252. 255 269. 270.
307 (ff): -er in fremden namen 275;
Lede:rtde 269: gn^die : Irdic 270;
duo 92*; freiK^ fraget 37S; ifff^e
271 n.
ov >> hohem d 271 n. 307
pateroASler, llüocbener aoslegonf
lS7fr. 410fr
^Panier eTanfelien' 401 n.
FzPfeifTer, briefv. m. HKorz A 179 ff
phäri im reim 276. 299. 306. 307 b.
312 (Wolfr)
br. Philipp« Ha rien leben, Kölner fragm.
117 0; r.ei 395
phlrgem. schwach 265. 267 n. 271.
271 n. 390
phleit <^ pkirget 390
phliL, «. !*<: ige
•Pilatos* : « < «g-e 347
Pleier : lecbnik 307; oirbt Terf. d.
'Mai' 3S0n.; e-bote 266 f. 306 (ff);
ei < rge 379, (: ei < rge 393: iü
399, kein pkiü 406; prät. tou kdn
104. 267 o. 3: kum kamen S7.
263 n. : kein pklegen scbw. 267 n.;
vmvrsff^ef 3S0d.; Gar. 1072:267
n. 1: Gar. 3510. Tand. 3809 : 393 ■.;
Taod. 2S07. I674S : 267 n.l ; Tand.
1290S : 92 ; Tand S994. Gar. 16778:
307; Meier. 24S6 : 267 B.3
Ptatarcb, t. Bock
^TPopplao, ret«e nach Spanien A 147
Pol ho tPrim A 215
*Proces»« Bdial', 'Processus Salbs-
nae' o. Terwanles d. gedickt A 212 f
pronomina :
40 n.l. 4oa.i
niederdeotsch
prosa, S. kniKll
Prüm, « 1
psalmei 19
I, lEpitBiltdal-
%2]3r
qnanliial, sd^idong der qoaniiiitea
als mdartl. Betknal 10 f
r g riech. 5«randar Tor jz> <« A 267
" n. 3
GWRabener, porifit A 25
'Rabensrhbcht' : kam 87 ; s. 'Dietiicbs
flnchr
reagentien A 329
rerke 79 f
'Recnll de eximpli^' (calalan.) 420
redeU 366ff. 3S6f
redsciionsstofe A 266 f
bnrggraf TRegensborg : pronomiBa im
reim 43 n.
RTRegeiisl*nrg, «t. unde (pas«im)
LvRegensbnn; : beimat 302. 304. 405;
e-lante 302. 304 (ff); gSgene 302;
pkitt 405
RriBettsl*nrger Schottenchronik ond
Karlssage A256f
reim : aof fonnworte 39 n.; aof pro-
nnmina 34 f. 39 n. 40 n.l. 43 f;
auf 'keit o. -liek 44 f ; litterariscber
reim bes. banfig zo anfang d. ge-
dickte 3. 10: verhall n. r. klingend
XB stBflipf 36 f. 42 f; riibreoder 93,
anf namcB 95
reimpredigt (?) dner MrackcBcr ks.
S.XT: 18711; Tgl. 430ff
rein 381 f. ^SSf
Reinaert i 1856r: 147
'Reinbart fncbs' : ff 306 ■. 2; kein
gar, nur gmrwe adr. 7 f
relation, f. Besner
EvRepgow, Sncksenspicgel A 117—
•14y fpracke 4. rcimTorredco 117 ff
(zor interprcution 123), 4. prasa-
teites 121 ff
>>Re«e0Ui : «-laatc 252. ^S. 306 (ff)
«Renner rtiatioa' A 217 f
WvRbeinaa : «-batr 293. 302 (ff); ei
<#ye 361; Kl 399; gägen 302;
van 5 ■•
rWinfrinkisck : wAädmmg d. (pnoti-
tatai 12. 292
rbytbBik d. mbd. TCfie 37t 42. 44r;
rgL anch Bock, Manier
riek ■. n'dk Im Kib. 30
riiersekmft 81 f
'RittertmK^ (GA ar 6) : a:e 305; ei
et 'iT'^ij TC IftUtr i, <!§'
\ ^ |.^.-.
• -IT t W tumm.
f '«^ ^»» S*'
.^•^•■ft^'irc
•. T^<if?^r «-iks.f- SSI 3C ic u *
r- £. r- ic«C 2**' X« ■«
«-•— f-: yt-r «.i«: .3-5 ^iÄ u
*,— ■ -"-: Bill, r > 1. 1
'"•t'Mdi. iE v^'IS 3k. ^ L.. Bll^
»* 'S. i.i.""
S;.««« -^•"- • "■ Tl..!! :• ..«^ "V ■• .^--
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\\%m.
PSorbeawirt : e-laole 252. 2o5. 2T4 n.
3<»9 \S) ; i: ei <! e^e 394 ; M^rwt^en
274 0.
tummrmmki A 99. A 271
Suadeospieieel io Gnxcr hss. A 213
t:U 109 n. 111
-€/- <Z 'i- im priL a. p«ft. schw.
Tnia S6 n.
Tamfmmm A 99
Tatian, lis. des Vulcaoios irsp. Go-
ropios Bccaoos? 319; fremd Wörter
229
Taef^elöboiä, sächs. A 202
UTricbiter : e-Uole 297 {tfrbenl. 307 f
(«l: ei < eäe ieffe) : 9 *3S5f; \: ei
3S6o. 394; ^</« .• r^<(^4? 269 : -er
iu fremdeo naoien 275; freit <i
frds^el 3S6; verseren 274 o. —
Lieders. 53, 22 : 3^7 o.
JdeTeraiDo. s. 'Procesdos Beliai*
Terramtr bei Hf'iblio^ 26S
Terstee^cen, porlräis? A 2G
tbeatrr, älteste bildl. darstelloogeo
A 15; s. sehauspiel
ikeekessel A9*)(
Thor u. s. hammer A 94 f
'iie : 'Ute 306 n. 1
LTieck als heraasgeber d. Novalis
A 23Sff
tier»lofe, zweifache form? A 266
♦TYu i'TYvas) « Ztts A 92. A lOOf
irekiCa 3u6 o. 1
<re/£ < ira^H 3S0. 393
UvTrimberg : e-laote 2S4. 2S&f. 304
(fl»: e vor i 255. 2Si o.; e tot
nasal 315; ei < e^^e 34S. 357,
meide 359. 360; cootraeiioo über
A 402d.; a:dj keio i.'t34; Aa^em
2^6 0.: prät. too kdfi 2S7 o. 294;
siäbeftl o. 2S6a.; f^/e 2S6f; -fta
> -te#> 382
Tristan im reim 10. f^
'Trislau als möoch' : c .* ^ 305 ; hOm,
363 o.
tunkelslertu 322 n. 1
tuon, priU lul f, le< ]u2. 104. 105:
Ute 107 f. 112 o. 114.255. 2S6r
UvTärheim : Reonewart, Kasseler
fragm. 146 f ; Cliges 3 a. ; reime
aogleicber qaaatilal 11; apokope
uach m Q. n 62: kein t:U 111
0.2; e-laote 293. .3ul \ä}i coo-
Iraclioos-e« 3H6: krio imei-ie 360;
er et. ir Ug^i .198. pktü 405: mt-
*am 62; äs? 24; biHen Hl n. 2;
kein gfirwe 3: präL too Aaü o.
tuom \ 13 f. 366; tat o. tsie 62;
nuiAleSOi: sekdien <: sekmdslem
367 o.; sie 40 B. 2; kein «tss«
A'risi 6S: — Reaaewart Pf. Obi
47. 518 : 301 o.
HTTörleia : e-bute 274. 306(0). 316
|e Tor nanl): e« < effe 379, t .• et
<r^e392; re#£<r«fcl 366; a:d,
kein f.* 134; <.*£/ 111 o.2; a>s«le/e
392: fforwe 1; Met 111 o.l. 273o.:
IdieM : UdeteM 367 o.; ai o. sie
40 0. 2; keio vmn 5 o.; — Krooe
19002. 222S0 : 274
ÜTTürleio : beioial 261. 273. 306;
e-laüle^271f. 306 (ai. 316 (e vor
oasal): ^.-ei <: ^e 392f: fremde
naroeo 273; ket 111. 273; Ißi <
iadei 367 o.; keio schw. fhi^em,
271 0.; werben 272 o. — Willeb.
151,15:2*72 0.; 153,27:273
Tyr^ 8. TU
Ohiaods Ugboch 1810-1820 : A 167 f
omlaot d. d bei Veldeke; oral. o.
oichlamlaot in cooj. prat. wie kSnne
günne; kOnde gände A 40
im. 84
unde^ gehraach d. aibd. coojoaetHNi
149—186; leitet d. vordersaU e.
hjpotbeC geföges eio 150 ff; leitet
d. coocessiTsatz eio 166 ff: io re-
lativsitzeo 170 ff; — 'wo doch, da
doch' 176ff: abscklirbeodes». 182ff
(alles ooter besprechoog lablreicber
steileo); zosammeofassoog 184 ff;
kdo *caasalcs' ».! 184 b. 1
imtfer%Mgei 379 b. 380 b.
vojt oebeo vo« 4f
ro« dmge, t. 90Jt dmge
flTVeideke,' Sprache d. Cocide a. d.
Serratias A 104—117 : mal. rcfp.
liaibarg. eleaieoCe 104ff: ▼«■ nhl*
reicheo eiozelhetteo : reime voa
gen», p.'d 106, kie, i, mS 1061,
proooaNoa 108, onboi d. d 110,
oegalkNi 111, reime m. «MTK^M^
oge{m^ 112. karl, kerde 113, Mtr-
niti*}? 113 f; mol. wdrter II 4 f;
fremd Wörter 115: röcksicbt aof d.
publicum 115f, spareo e. bearbei-
tuog 116f; — garwe 3
vetba pari, ihr m 281
vtrmen 296
verwerren stark 313
^Vrlerboch', Koloer fragok 119
Vi;.tler : «.lanle 276 f. 297 {kerme^,
3u8 igettäkie^; diphthongieraofr d.
t275; r.ei 0.10 383ff;^A«adj. 276
'Virgiaal' : aida. aod Terftwcrfrage
362 f; M<9o 3621; keio gmrmm 3
356
RRCrSTER
Viamische akadrmie, scliriften A
176-178
WvdVop:el weide : e-l»iile 313; « <
afce 313; lU 39»; kein garwe 3;
hdte hfPle 103; kein tel u. telt; im
reim 103; verwarren (^X, 18) 313.
— WvdV. n. Thomasin A 132 f;
gedichte 9, 14 : 116. 196; 44,38:
A 259; \%\. auch u. unde\ s. Hilde-
brand
Tolksschanspiele ans d. Böhmerwald
A263f
'Vom andern 1and\uberlieferungl23fr,
Kölner texl 127 ff
von n. vone 52; v6n 401 n.
von tage (i»<in dage) für *heute' A 339ff
JaVoragine, *Legenda aurea', datie-
rung 421
'Vorauer novelle* A 217—223
GvdVorste A 132
Vulpins, Chrisliane in Goethes dich-
tung A 233 f
•Wal heran' : S : ei < ege 388
wälde 297
ßf^allher im reim 06
»Wallher n. Hildegund' : ei<ege 379
wan u. odowan 16
*Warnun'4' : e laute 252. 255. 262 n.
306 (fl); t:U 111
wehten 300 T
weihnachtsfest bei d. Germanen A96 ff
warben 272 n.
werdekeit 82
Wernher d. Gärtner : apokope 62 f ;
#f.laute 271 n. 279 n. 306 {ä); a:d
19, kein t.i'34; dz 19; prät. v.
hdn llOf; /fV . -^-fMOO n. ; /W/m 63
wider m. gen. d. personalpron. 29.47
GMWieland : portrals A 11. 23 f;
'Musarion' A3; »Grazien' All;
Hercnles am Scheidewege lieblings-
motiv A23f; W. u. LSterne A261ff
Wien, span. litteratur u. dramatik am
hofe A 155 fr
•Wigamnr' : heimat, zeit u. Überliefe-
rung 274; ei<iege 359, kein meide
360; 6:vo 92; garwe 1
w(gant selten im Nibl. 45 n. 2
HvWildon : e-laute 252. 255. 306 {ä)
winteranfangsfest d. Germanen A 99
wxp 70
GlWisse, s. PhCollin
uuithanmaid as. — witharwdgid 1 36
wizze Krht 67 f
wizz^n präteritalformen 107 B.
Wodan, 8. himmeUgott
*H6dana% ii. M'ßde Wu^U A 101
Woltdietrich A, a. Ortnit
Wolfdietrich R:<f-laDte 252.255; msi^
aber kein r; f 34
OvWolkenstein : t:ei 395
KvWilrzburg, Schwanrilter8afce415f;
nicht verf. d. Halben birne 108f:
Wandlungen d. technik lfi8f; apo-
kope d. e nach m n. n 66; krfn
A ; a 9 n. 23 ; spricht n. • nach md.
art 305; kein ^:e 250, auch nicht
vor t 255; ä:i 112 n.; ei<,rg9
357. 361; äz u. dz 23; ärmUwAx.
110; garwe 1; geteeze 71; gerHi
367; getite^gehazuA^X^^ln^i kÜi
9 n.; het heie hiten 109f; Aor-
wegen 274 n.; adj. aaf 'Sam 66;
tele 101 f: wizse KriH 68 ; — Engclh.
1244 : 361 n.; Schwanr. 108. 114.
614 f. 787. 1113r. 1282: 222; Süt.
3527 : 23
Württemberg histor. lieder n. iprfiche
A 282 fr
wurzeln, s. basen
daz zom (snbst.) 55
zaponinipragnierung A 328
zärren 297
UvZatzikhoTen : zn anfang im bann
rbein. Vorbilder 7 t ; fibereilt den
schlnss 107; apnkope nach m n.
n 61; keina.-a 10; m.-n 107 n.;
t.'tt 111 n.2; 0-laute 300 (cT); «^
»am 61; dzt 24; bifde 7t; eimoe
71; kein garwe 3; geleite gMnrmit
udgl. 86 n.; gettähte 3(H); gelm%€
71; gemeit 83; prSt. von kdn o.
tuon 1 06 ; hell balt 84 n., h»ii m&re
81; nom. Lanzileie od. Ltmniimt
106n.; er tü, ir liget 398, Itrin
phtU 406; mähte Zoo ; ktlnm^ide
360; sd u. fdn 107 n.; Hu n. sie
40 n.2; spaten 111 n.2; an/#fe
loeirto i&M«e 107 n.; kein wi%me
KHst 68; — Lani. 1774 : 300
Zazamanc^ 8. Azagatne
zehen^ e-lant 312
Zeitrechnung d. Germanen n. Indo*
germanen A 96 ff; altoordiiche A
270ff
Ziu, 8. Tiu
Oben 8. 329 f ist leider übersehen worden, dass ans der helr.
lung schon JBolte Zs. 36, 295 fl' wichtige proben abgedruckt hat
Druck tob J. B. Hirsokfeld in Leipzig.
Nuv i@ lif^n
ZEITSCHRIFr
füll
EÜTSCHES ALTRIITÜM
\mn
DKÜTSCHE LlTTERATriR
KtUlAlJSttlCGICMK?^
^m^
EDWARD SCHROEDER UNO GUSTAV ROETHE
VlEROKDVimrölöSTPB liAfcfD, VieUfEB HUI4
IIW4 lEtMUVniHLilfSlI «11
IMe mljiclioii kcm^oI der /cil^^cbrift wie ileH Atizeiger» nlnt
vnn il(!ii IrrlilfM) lierAiiK'^i'bi^rii i^eniriiisieliufltieh ^rfUlirlf tltirU
hiHi*ii wir tlU^ litirrpti nittürlieit^r, bb uuf w<iiter<^!< »iicu tltehtf^L
»4>woI ilici für Uli? Zrltwt^lirirt, viit* öie fUr d**ii Aiiüelifer be*
K Um 111 teil iiiutiueieripU* uii pro f. SrnmiRUi^ß in Marti urir I* H. zu
«eiUciten«
ItÜcher, die znr liestir^dtnit^ im liisieiger lieKtliiiinl «in«1,l
Miii^ II w I r jiu »IUI Tiiufii f)«* II » li ie W «^ i d in a n ii ^ e li e b u € li h nii ii 1 ii ii s; I
iti BitHii SW, /Jiumrrstr. Si4, nicht al>pr au diu hcraa^gt^tH^r |
xn §etideiu
fihrllcli irscheint ein Band von 4 Motten lum Preis« van 18 M.
INHALT
OüK ZEII'SCHHIFT
W«il«ie verbcsscruiiffcii zur ftlunrhjtiscit;» tieaeÄis, vuii l'ranci
!l Mtid. e*<i•^i^, yji^*, ififo, inhd. i <Z igtt^ itm ■»
ihtt 4af;ü vorn SchwauHltcr in dttr f)ro|cacr clircmik vvd ci. ÜU, tt»a JlK»t«« 4^^^
Quellen uavt «llc piflUrlvu v;» Kuiif^rM bi*tU|»kl«ri, vtiii Schr?idi*r . 420
KUt fjifisldriirk 6va ^mchenfl• Patm"aa*tersi, von tU^etli« • 4^10
lliri, Di?r rndof^cruiauijtclie nbUiit. von Kr«l»r,hmcr * , . .... ^£65
llilHti^«:i\ Ijtiirraiif-Iiiiingüri tibt*r dtt^ Kt!itt'cc1iuiiiiji^ tfrr allen Genaftaea I^
vmi Ilnipimn ,,...,,,.,.,♦..♦*..» 2T0
GnüuDf^ie, fbmlel iti Icdmidi ht?iu$ ihn keiantiiiJ romMOti«^ Amitoks »M,
vuii Oettep .,..........* 214
PadtffJy^ Uh varlali4»a im ilnLiAud und in d. nltjiiit^h»^, ISennais^ vuq Hie« 217
Sf.-i^T i;.... J...KH .1... ii<*diir und «|.rü*^hfl Wiiitr^^inbcrgi 1, von HMever , 2S2
I' SrhiHMicji Otuiuf'ujleld, vw» Kü*l*»r .,,... 28B
JK» Haiimn^for, vtm Mirockcr . . t SlÜ
ftouitlan, Leiittii et t^mi tfui{is, vitn Pnllfll . 323
LillerwltinnTliKffji (Pujyso, ilAadsiibrllt^ iiuug uüii ScIjüI, YVuliMUiwi^
z. erltjaltiin^ iL ausbeMerutg Vüti !» • n nnl /»|ii*iiihi[h ügniüruiiÄ,
von StcifimoyLn"; Veeldeihiind« jicacu. = : L-- iiliSni, latchpelitn rmle
refi'trjiifHi/ voll Martin; ITeiffcr, Isi .',m MEr^^rb, 4 awJL» von
Seliröder; E|llut;4jr, Jtib*nwe* S(jciimlu* ^B^üin, vna dcgi*. ; lJoriii»M«
i«Ciiilft|lf, vnn HMMeyer - 3^
Hi«ri«ht- -^ '^»Uimitflri Spreohallas de» UeoUefieii reiebeji, vnn Wred«
X r-//, Afl/4Ä ... 330
Per*oir , .344
ile^i^iter . , ^ 346
Vnai 11 jiill tiit tum 21 9iflpti*int(i!r IUhO ilml rol|j;eiidr bilcbrtt al)|;i^^rt)r»
Ivfjii ftotrheoi wffi'he iil»* /^i' 'r'-^'r'rhMJiff iji!|;i5Fi|jtn?l inrü^lfesa«! iA^rdi?a
[miiftfifi, iiri (int rp(b*ili#*n . ». Aitkui, Uft& Li|i|Mihn üini. — A^♦.»*l^
wiinrliiiiilrrLHiifi iii ilcr i^atlrriliiltti d. Si^lmcis^. In ride»mtrNruiUM ^ Kiüiiiu^i^^
I Tb« (lf*vil ind t)tr « ii'D ki Ihc «>n|:lblt (tramntii- Htrriileni tir^füCfi SbiilieNpiMiri^,
j — Föfl-tr*i^>^ Altflfuiidjc* i*»tti»iuN*-li I ' **i. — liiu^TKii» Studkr ^Ivfr de
I itoEii < na tiurnifisll^tliluiiiß 11, — ItoHifift iL Simvi^ Ww livhkUehts
(({t-ri Karl* V. — Dtt^selbcy miJif^Bbr' für ümdiriffüdi*. —
liijsTLn, .>4 iioiinji Nx iijiEiKe «exlheük ^n clin^r nuas* — Pi'r>«<;ti| Korinridarti»
rtiltiMi' IUI voIk><m:jrcbi<ti» — SriiMi^ikticGt llber fiurtbilduuiy;: bei CÄrhl*?> —
[ Scnfrtliif,)!, Oie v*'i'laÄ*i'f der sup, tVndi^jjJif'rliniiiji, — (i«uA«, Owphu's h. ilie
I tliiiiNrlif;'!» y^Hurnminötilfr *L H jbf . — Vkhh*«, Spir^^rl iUw Ä«fidi»ij l —
AttUerdcin uotireii i^ir de» mi^b ii]h|;n«t*llt?titti (VÜ) KalAkig Khllt^orr bÜrbt^r
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